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SITZUNG AM DIENSTAG, 13. JANUAR 2004
___________________________
2-002
VORSITZ: INGO FRIEDRICH
Vizepräsident
(Die Sitzung wird um 9.00 Uhr eröffnet.)
2-003
Dringlichkeitsantrag
2-004
Der Präsident.  Wir kommen nun zum Beschluss über
die Dringlichkeit:
Vorschlag für eine Entscheidung des Rates
(KOM(2003) 792 – C5-0656/03 – 2003/0308(CNS))
betreffend die Sondersteuer „octroi de mer“ in den
französischen überseeischen Departements.
Der Ausschuss für Regionalpolitik, Verkehr und
Fremdenverkehr hat schon einen Bericht zu diesem
Thema angenommen.
2-005
Sudre (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, ich danke
Ihnen, mir das Wort erteilt zu haben, damit ich mich für
den Dringlichkeitsantrag zu diesem Vorschlag für eine
Entscheidung aussprechen kann. Der Text sieht die
Aufrechterhaltung der Sondersteuer „octroi de mer“ mit
einer Freistellungsregelung für bestimmte lokale
Erzeugnisse
unserer
vier
französischen
Überseedepartements Guadeloupe, Guyana, Martinique
und Réunion für eine Dauer von zehn Jahren ab dem
1. Juli 2004 vor. Mit dem Vorschlag wird gleichzeitig
die gegenwärtige Regelung für die sechs Monate
zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni 2004
verlängert, um das Rechtsvakuum zu füllen, das seit dem
31. Dezember 2003 besteht, als die Gültigkeitsdauer der
letzten Regelung auslief.
Ich möchte den Inhalt dieses Textes begrüßen, der das
Ergebnis intensiver Abstimmungen zwischen der
Kommission, der französischen Regierung und der
Vertreter der vier französischen Regionen in extremer
Randlage ist. Mein einziger Vorbehalt betrifft die
mangelnde Flexibilität der Freistellungsregelung im
Falle von neuen Erzeugnissen bzw. neuen
Wirtschaftstätigkeiten. Auf jeden Fall wird dieser
Vorschlag die Beibehaltung einer unerlässlichen
Einnahmequelle
für
unsere
örtlichen
Gebietskörperschaften, insbesondere die kleinsten unter
ihnen, ermöglichen. Er trägt damit zur Aufrechterhaltung
der gegenwärtigen Anstrengungen für die wirtschaftliche
Entwicklung gemäß Artikel 299 Absatz 2 EG-Vertrag
bei.
Bedauerlich ist jedoch, dass unser Parlament nicht über
genügend Zeit verfügte, um einen eingehenden Bericht
zu diesem Text zu erstellen, der von wesentlicher
Bedeutung für die Zukunft unserer Regionen in extremer
Randlage ist. Trotzdem möchte ich meine Kolleginnen
und Kollegen aufrufen, für den Dringlichkeitsantrag zu
stimmen, damit das Rechtsvakuum ausgeglichen werden
kann, das sich sehr nachteilig für unsere Regionen
auswirken könnte, und damit diese Regelung für die
kommenden zehn Jahre möglichst rasch angenommen
werden kann, so dass den französischen Behörden die
erforderliche Zeit bleibt, den Beschluss bis zum 1. Juli in
nationales Recht umzusetzen.
2-006
Der Präsident.  Frau Sudre! Rein juristisch geht es
darum, dass am Donnerstag inhaltlich abgestimmt
werden kann.
Wir kommen jetzt
Dringlichkeitsantrag.1
zur
Abstimmung
über
den
2-007
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
2-008
Der Präsident.  Nach der Tagesordnung folgt der
Bericht (A5-0484/2003) von Herrn Herzog im Namen
des Ausschusses für Wirtschaft und Währung
(KOM(2003) 270 – 2003/2152(INI)) über das Grünbuch
zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse.
2-009
Herzog (GUE/NGL), Berichterstatter. – (FR) Herr
Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr
Kommissar! Unsere Abstimmung über diesen Bericht
wird dringend erwartet. Während dieses ganzen Jahres
der Arbeit daran habe ich die Schärfe und die
Leidenschaftlichkeit der politischen Debatte zu diesem
Thema verspürt.
Vor Maastricht trafen die örtlichen und nationalen
staatlichen Behörden ihre Entscheidungen und diese
koexistierten problemlos mit dem Gemeinsamen Markt.
Seit der Schaffung des Binnenmarktes gibt es nun aber
ernste Konflikte und Befürchtungen. Die Lösung dieser
Probleme wird jedoch buchstäblich von Tabus
verhindert. Die einen verkünden, dass die Bilanz der
Liberalisierung ausgezeichnet sei. Auf der anderen Seite
sehen gewisse Leute öffentliche Dienstleistungen und
Wettbewerb als unvereinbar an. Wieder andere sind der
Auffassung – und ich hoffe, dass sich mir darin
zahlreiche
Kollegen
anschließen –,
dass
die
Liberalisierung positive und negative Auswirkungen hat
und ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen den
kommerziellen und nichtkommerziellen Grundsätzen in
der Substanz der entsprechenden Regeln herrschen
muss, das zu besserer Kohäsion und Effizienz führt. Die
Realitäten müssen ehrlich bewertet werden, denn die
Behauptung, der Markt regle alles besser, wird zu einer
dogmatischen Wahrheit, die Europa in zwei Lager teilt.
Ich halte es daher für unabdingbar, dass der Gesetzgeber
alles
daransetzt,
um
die
Ausgewogenheit
wiederherzustellen und die gegensätzlichen Prinzipien
1
Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll.
6
nach der großen Tradition der europäischen Zivilisation
miteinander in Einklang zu bringen.
Zahlreiche Abgeordnete akzeptieren die Notwendigkeit
der Ausgewogenheit, sind jedoch der Meinung, dass nur
die örtlichen, regionalen und nationalen staatlichen
Behörden berechtigt sind, darüber zu entscheiden. Ich
bin absolut dafür, die Entscheidungsbefugnis der
dezentralisierten Verwaltungsbehörden zu verteidigen
und zu stärken, doch bin ich überzeugt, dass der Markt
diese ständig reduzieren wird, wenn die Union nicht
ihren Teil an Garantien beiträgt und ihrer
Mitverantwortung
gerecht
wird.
Und
unsere
Gemeinschaft hätte in der Tat keine wirkliche
Daseinsberechtigung, wenn sie nicht zusätzliche
öffentliche Güter beispielsweise im Bereich der Bildung,
des
Eisenbahnverkehrs
oder
der
Information
bereitstellen würde. Meine Kollegen haben diese
Sichtweise nicht geteilt. Doch ich bleibe bei meinem
Standpunkt, dass Subsidiarität und Mitverantwortung
zusammengehören. In ihrer ganzen Geschichte haben die
Europäer, unabhängig davon, ob sie Christen,
Humanisten, Liberale oder Sozialisten waren, es für
wesentlich gehalten, dass öffentliche Güter für die
Entwicklung des Einzelnen und des gesellschaftlichen
Lebens bereitgestellt werden. Diese Ideale sollten wir
nicht aufgeben, sondern vielmehr energisch daran
arbeiten, die Kluft zu überbrücken, die unsere nationalen
Gemeinschaften in Bezug auf die Ethik des allgemeinen
Zugangs zu öffentlichen Gütern spaltet.
Warum zunächst eine Rahmenrichtlinie? Nicht um des
Vergnügens der Rechtsetzung willen, diese praktizieren
wir bereits im Übermaß. Doch in diesem Fall ist dies
notwendig, denn es ist an der Zeit, dass der Gesetzgeber
selbst die Verträge auslegt, anstatt der Kommission alle
Befugnisse, sei es als Gesetzgeber, Exekutive, Richter
und Selbstbewerter, zu überlassen. Der Konvent macht
dies möglich, denn er hat ja in den Entwurf des
Verfassungsvertrags einen neuen Artikel in diesem Sinn
aufgenommen, und die Realitäten machen es
erforderlich. Erstens muss den Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse durch einen Rechtsrahmen eine
positive Rechtsstellung und nicht nur eine als Ausnahme
von der Norm verliehen werden, die dann von den
Markt- und Wettbewerbsvorschriften beachtet werden
muss. Zweitens muss die schwer wiegende
Ungewissheit, die sich aus der Unterscheidung zwischen
Dienstleistungen von wirtschaftlichem und von
nichtwirtschaftlichem Interesse ergibt, überwunden
werden. So wesentliche Bereiche wie Bildung,
Gesundheitswesen oder Wasserversorgung dürfen nicht
liberalisiert werden, und die immer zahlreicher
werdenden Mischsituationen, in denen sich soziale,
wirtschaftliche und ökologische Faktoren vermischen,
müssen anerkannt werden. Daher zielen meine
Vorschläge darauf ab, den Gemeinden, den
Unternehmen ohne Erwerbszweck sowie den
gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, den öffentlichprivaten Partnerschaften einen allgemeinen Rahmen mit
größeren Garantien zu geben, in dem sie sich entfalten
können.
13/01/2004
Drittens
müssen
die
Finanzierungsund
Organisationsprinzipien geklärt werden. Das Urteil
Altmark zu staatlichen Beihilfen ist positiv, doch bringt
es ernsthafte Ungewissheiten hinsichtlich der
Berechnung der Kosten mit sich, und es muss darauf
geachtet
werden,
dass
die
öffentlichen
Wirtschaftsteilnehmer nicht kriminalisiert werden.
Viertens wollen wir, dass eine pluralistische und
unabhängige Bewertungsmethode eingeführt wird. Ihre
Ablehnung käme einer Demokratieverweigerung gleich.
Hinzufügen
möchte
ich
noch,
dass
eine
Rahmenrichtlinie zweifellos mit den Sektorrichtlinien
vereinbar sein würde.
Wir fordern daher die Kommission auf, rasch auf den
durchgeführten Befragungsprozess und das Votum des
Parlaments zu reagieren, indem sie die Frage
beantwortet, zu welchen
Zusagen sie zum
Rechtsrahmen, der Finanzierung sowie der Bewertung
bereit ist? Des Weiteren lehnen wir es ab, dass eine
Reaktion auf das Urteil Altmark auf der Grundlage von
Artikel 86 Absatz 3 erfolgt, d. h. ohne Mitentscheidung.
Ich möchte den sehr zahlreichen Verbänden, NRO,
Gewerkschaften, Gemeindenetzwerken sowie den
befragten Unternehmen aufrichtig danken, deren
Stellungnahmen mir hilfreich waren und mich bestärkt
haben. Wie die Kommunalabgeordneten haben sie den
legitimen Wunsch, sich in viel stärkerem Maße zu den
Politiken und Regeln der Union zu äußern. Danken
möchte ich ebenfalls meinen Kolleginnen und Kollegen
vom Ausschuss für Wirtschaft und Währung, die viel
Engagement gezeigt haben, insbesondere denen, die sich
um Kompromisse bemüht haben. Leider hat eine
Mehrheit
eine
Rahmenrichtlinie
sowie
eine
demokratische Bewertung abgelehnt. Damit hat sie nicht
nur meine Vorschläge und Kompromisse abgelehnt,
sondern sich ganz einfach von der 2001 von diesem
Haus angenommenen Entschließung abgekehrt. Morgen
können Sie Ihr Festhalten an dieser Entschließung
nochmals bekräftigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt, dass
vielen von Ihnen unabhängig davon, ob sie rechts oder
links stehen, daran gelegen ist, die Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse zu verteidigen und zu fördern.
Deshalb beschwöre ich Sie, sich von jedem parteilichen
oder nationalen Blockdenken freizumachen und Ihre
Entscheidung bei jedem Änderungsantrag, bei jedem
Artikel allein in Abhängigkeit vom Allgemeininteresse
der Europäer zu treffen.
(Beifall)
2-010
Lamy, Kommission.  (FR) Herr Präsident, ich möchte
zunächst Ihrem Haus und insbesondere Ihrem
Berichterstatter Philippe Herzog für die bemerkenswerte
Arbeit zu diesem komplexen und heiklen Thema danken,
das die Kommission in ihrem Grünbuch über
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse behandelt
hat. Die Kommission ist der Auffassung, dass die
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im
13/01/2004
Mittelpunkt der Auseinandersetzung über die Zukunft
des europäischen Einigungswerks stehen. Alle Länder
der
Union
verfügen
über
öffentliche
Dienstleistungsunternehmen, die ihren Traditionen und
ihren spezifischen Gegebenheiten, insbesondere auf
örtlicher Ebene entsprechen.
In unseren Augen stellen die Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse eine wesentliche Komponente des
europäischen Gesellschaftsmodells dar. Wir sind der
Auffassung, dass diese Dienstleistungsunternehmen zur
Lebensqualität
unserer
Bürger,
zur
Wettbewerbsfähigkeit
unserer
Industrien,
zur
Verstärkung
des
sozialen
und
territorialen
Zusammenhalts beitragen. Dies trifft auch auf die
künftigen Mitgliedstaaten zu: das reibungslose
Funktionieren der Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse ist unverzichtbar, um ihnen die Integration zu
erleichtern.
Mit dem Grünbuch vom Mai 2003 hat die Kommission
die gemeinsamen Politiken im Bereich der
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zum ersten
Mal einer umfassenden Analyse unterzogen. Eine solche
Untersuchung war erforderlich, insbesondere auch als
Reaktion auf Ihre Forderung aus dem Bericht Langen
vom November 2001, mit dem eine Debatte über die
Frage angestoßen worden war, ob ein allgemeiner
Rechtsrahmen für die Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse auf Gemeinschaftsebene erforderlich sei oder
nicht.
Wir stehen gegenwärtig kurz vor dem Ende der Analyse
der im Rahmen der öffentlichen Befragung
eingegangenen Beiträge. Bis heute liegen uns fast 300
solche Beiträge vor, von denen viele sehr bedeutsam
sind und daher natürlich eine eingehende Prüfung
verdienen. Es wäre daher in diesem Stadium verfrüht,
bereits präzise Schlussfolgerungen aus dieser Arbeit
ziehen zu wollen. Wir haben allerdings vor, noch vor
dem effektiven Ende dieser Legislaturperiode politische
Schlussfolgerungen zu formulieren, womit wir auch
einer in Ihrem Ausschuss für Wirtschaft und Währung
einhellig geäußerten Forderung nachkommen.
Natürlich muss auch die Art des Rechtsinstruments
festgelegt werden, das die Kommission vorschlagen
kann, um qualitativ hochstehende Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse in Europa zu gewährleisten. In
Frage
kommen würde unter anderem eine
Rahmenrichtlinie mit einer Reihe von gemeinsamen
Grundsätzen wie Gleichheit des Zugangs für die Nutzer,
Universalität,
Kontinuität,
Anpassungsfähigkeit,
Bewertung. Mir ist bekannt, dass dies Gegenstand
lebhafter Debatten in Ihrem Haus ist.
Denkbar wäre auch die Annahme eines Weißbuchs zur
Überbrückung der Zeit bis zum Verfassungsvertrag, der
zu diesem Punkt einige, wie wir meinen, Fortschritte
enthält. Inzwischen könnte mit dem Weißbuch der
politische Rahmen unseres künftigen Handelns
abgesteckt oder der Weg für die Weiterführung des
sektoralen Ansatzes vorgezeichnet werden.
7
Zusätzlich dazu setzen wir die Arbeiten an anderen
Dossiers im Zusammenhang mit den Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse fort, insbesondere der
Anwendung der Regeln für staatliche Beihilfen unter
Berücksichtigung des Urteils Altmark. Die öffentliche
Befragung zu diesem Punkt ist eindeutig. Wir brauchen
mehr Sicherheit in diesem Bereich, insbesondere eine
Regelung
für
die
Freistellung
von
der
Notifizierungspflicht, die in Anbetracht der Anzahl der
potenziell von der Anwendung der Rechtsprechung
Altmark betroffenen Fälle hinreichend weit gefasst sein
muss.
Abschließend möchte ich betonen, dass wir bestrebt
sind, die Grundlagen zu legen, welche die Gemeinschaft
in den Stand versetzen, eine proaktivere Rolle zu
spielen, um die Bereitstellung von hoch qualitativen
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse für die
Bürger und die Unternehmen zu gewährleisten. Dabei ist
selbstverständlich das Subsidiaritätsprinzip zu beachten.
Unser Ziel besteht darin, die Erarbeitung einer
kohärenten Politik zugunsten der Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse in der Union zu ermöglichen, die
das bestmögliche Zusammenspiel der Beziehungen und
Verantwortlichkeiten
zwischen
den
einzelnen
Verwaltungsebenen garantiert. Ihre Entschließung stellt
einen wesentlichen, unverzichtbaren Beitrag zur
Festlegung dieses Konzepts dar, und daher erwartet die
Kommission das Ergebnis Ihrer Abstimmung mit
Ungeduld.
2-011
Koukiadis (PSE), Verfasser der Stellungnahme des
mitberatenden Ausschusses für Recht und Binnenmarkt.
– (EL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem
Berichterstatter, Herrn Herzog, für die hervorragende
Zusammenarbeit während der Vorbereitung dieses
Berichts danken, der in der verstärkten Kooperation des
Ausschusses für Wirtschaft und Währung sowie des
Ausschusses für Recht und Binnenmarkt verfasst wurde.
Ich möchte jedoch mein Bedauern über das Ergebnis der
Abstimmung im Ausschuss für Wirtschaft und Währung
ausdrücken, durch das die grundlegenden Vorschläge
des Rechtsausschusses abgelehnt wurden.
Das gemeinsam mit dem Herrn Berichterstatter
angenommene Konzept verschließt nicht die Augen vor
den durch die derzeitige Situation gegebenen Problemen.
Die
entscheidende
Frage
sind
nicht
die
Eigentumsverhältnisse bei den Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse. Klar ist, dass die aktuellen
Entwicklungen die Zusammenarbeit von privatem und
öffentlichem Bereich erlauben. Damit die Privatisierung
jedoch keinen negativen Charakter erhält, müssen die
grundlegenden Regeln, die für die Aufgabe der
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse gelten,
einschließlich der Grundprinzipien für ihre Tätigkeit und
Finanzierung, respektiert werden. Unter anderem ist es
wichtig, stets Sorge für die Befriedigung der Bedürfnisse
der gesamten Bevölkerung zu tragen. Aus diesem Grund
müssen auf Gemeinschaftsebene die Prinzipien des
8
13/01/2004
Universaldiensts, der Kontinuität, der Erschwinglichkeit
und der Dienstequalität festgeschrieben werden.
sehr erfolgreich war und nicht durch eine europäische
Rahmengesetzgebung in Frage gestellt werden darf.
Der Unterschied zwischen unserer und der liberalen
Auffassung besteht darin, dass die Privatisierung kein
Selbstzweck ist und dass sie keinesfalls eine vollständige
Abhängigkeit der gemeinnützigen Dienstleistungen von
den Regeln des Marktes bedeuten sollte, eine
Abhängigkeit, die sogar so weit gehen würde, die
Finanzierung solcher Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse durch die kommunale Selbstverwaltung, die
den lokalen Gemeinschaften dienen, auszuschließen.
Vor allem für bestimmte Dienstleistungen, z. B. in den
Bereichen Gesundheitspflege, Unterrichtswesen und
soziale Sicherheit, müssen die nationalen Behörden das
Recht haben, die Regeln zu bestimmen, nach denen
diese Dienstleistungen durch private gewinnorientierte
Träger erbracht werden. Ich appelliere deshalb an unser
Plenum und besonders an diejenigen, die an das
europäische Sozialmodell als Teil des europäischen
Produktionssystems glauben, für die soeben von mir
genannten entsprechenden Änderungsanträge zu
stimmen.
Drittens, wir haben über den Rechtsrahmen diskutiert.
Am 13. November 2001 haben wir eine
Rahmenrichtlinie
auf
der
Grundlage
des
Binnenmarktartikels gefordert. Bisher gibt es überhaupt
keinen Ansatzpunkt, dass das möglich ist, deshalb hat
unsere Fraktion ihre Haltung in dieser Frage
mehrheitlich geändert.
Unsere Entschließung wird ausgewogen sein, wenn wir
die Vereinbarkeit der Regeln des Wettbewerbs mit dem
Auftrag des Sozialstaats akzeptieren. Darüber hinaus
sollte der Vorschlag für die Verabschiedung einer
Rahmenrichtlinie angenommen werden, ein Vorschlag,
der bereits durch eine vorangegangene Entschließung
des Parlaments angenommen wurde. Wenn wir
gewährleisten wollen, dass die Grundbedürfnisse der
breiten Volksmassen befriedigt werden, dann müssen
wir uns alle dafür einsetzen, die Zukunft der
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu sichern.
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Langen (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des
mitberatenden Ausschusses für Industrie, Außenhandel,
Forschung und Energie. – Herr Präsident! Ich möchte
zuerst einmal dem Kollegen Herzog sehr herzlich
danken. Er hatte eine schwierige Aufgabe und es war für
ihn als Berichterstatter mit einer klaren, linksorientierten
politischen Meinung nicht immer einfach, sich zu
artikulieren. Er hat sehr große Kooperationsbereitschaft
gezeigt. Das möchte ich vorab sagen, denn in den
inhaltlichen Grundfragen liegen wir sehr weit
auseinander.
Ich spreche hier als Berichterstatter des Ausschusses für
Industrie, Außenhandel, Forschung und Industrie. Dieser
Ausschuss hat mit großer Mehrheit eine Empfehlung
abgegeben, die weitestgehend vom Ausschuss für
Wirtschaft und Währung übernommen wurde. Die
Grundlinien dieser Empfehlung lauten: Erstens, für die
Definition sind die Mitgliedstaaten zuständig. Wir
brauchen kein europäisches Modell, sondern die
Mitgliedstaaten oder die von ihnen beauftragten
Untergliederungen sind zuständig. Zweitens, bei der
Debatte, die wir führen, geht es nicht darum, die
sektoralen Liberalisierungsbemühungen in Frage zu
stellen, sondern wir glauben, dass diese Liberalisierung
im Binnenmarkt – mit einigen Abstrichen – insgesamt
Herr Kommissar Lamy, Sie haben eben wunderschön
aufgelistet, welche Möglichkeiten es gibt: die
Rahmenrichtlinie,
das
Weißbuch,
Leitlinien,
Befreiungen von der Notifizierung etc. – aber das muss
kohärent sein. Wir diskutieren das Thema seit über drei
Jahren, und die Kommission war bisher nicht in der
Lage, uns fundiert über unsere unterschiedlichen
Rechtsmöglichkeiten Auskunft zu geben. So schön das
klang, was wir heute von Ihnen gehört haben, ich glaube
nicht, dass die Kommission ihre Hausaufgaben erledigt
hat. Wir diskutieren nicht zuletzt deshalb so lange, weil
es bisher nur Fragenkataloge gegeben hat, aber keine
Lösungen.
Deshalb ist unsere Fraktion der Meinung, dass wir dem
Grünbuch baldmöglichst ein Weißbuch folgen lassen
müssen, bei dem die Kommission endlich Farbe
bekennt, bei dem sie die Rechtsfragen der
Rahmenrichtlinie erörtert, bei der sie klarstellt, welche
alternativen Möglichkeiten es gibt. Seit zwei Jahren
warten wir bereits darauf und wir können Sie nur
ermuntern, möglichst bald nach der Entscheidung am
Mittwoch nicht nur damit anzufangen, sondern konkrete
Vorschläge zu präsentieren.
Ein letzter Punkt: Das sind strittige Themen wie die
Wasserversorgung und einzelne Regionen. Natürlich
gibt es lokale Dienstleistungen, die auch in Zukunft
ausschließlich von den lokalen Verantwortlichen
angeboten werden sollen. Uns geht es auch nicht darum,
Märkte zu liberalisieren, die sich nicht dafür eignen,
sondern wir sagen, jeder kann entscheiden, ob er das in
Eigenregie macht oder ob er das nach draußen vergibt.
Aber wenn er es an einen Dritten vergibt, dann muss er
es ausschreiben, damit es offen und transparent vergeben
wird. Das ist der Konsens, den wir erreicht haben, und
ich hoffe, dass wir nach der Meinungsbildung heute den
gesamten Bericht Herzog morgen verabschieden können.
(Beifall)
2-013
Flautre (Verts/ALE), Verfasserin der Stellungnahme
des mitberatenden Ausschusses für Beschäftigung und
soziale Angelegenheiten. – (FR) Herr Präsident, ich
möchte lediglich darauf verweisen, dass diese heutige
Aussprache über die Zukunft der Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse zu einem bedeutenden Zeitpunkt
in der Geschichte Europas stattfindet, denn Europa
befindet sich gegenwärtig mitten in einer Debatte über
seine Zukunft, über seine Verfassung und wir stehen
kurz davor, zahlreiche Bürger aus den osteuropäischen
13/01/2004
Ländern in der Union willkommen zu heißen. Ich
verweise darauf, weil meiner Auffassung nach eine
gewisse
Parallelität
besteht
zwischen
den
Schwierigkeiten einerseits, denen wir in der Diskussion
über den Verfassungsentwurf begegnen, um eine
Einigung über die Anerkennung und Aufnahme des
positiven Rechts für die Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse zu erzielen, und andererseits den
nicht geringeren Schwierigkeiten, auf die wir gestoßen
sind bzw. die auf jeden Fall unser ausgezeichneter
Berichterstatter Herzog im Ausschuss für Wirtschaft und
Währung bewältigen musste, um diesen Grundsatz
voranzubringen.
Ich finde zudem, es wäre äußerst bedauerlich, wenn
dieser Bericht weniger ambitioniert wäre als der zwar
unzureichende, doch immerhin einen Fortschritt
darstellende Kompromiss, den wir im Rahmen der
Aussprache über den Verfassungsentwurf erreicht haben.
Es wäre in diesem Falle schwierig, liebe Kolleginnen
und Kollegen, den Bürgern zu vermitteln, dass wir sie
angemessen vertreten, denn für mich und andere steht
fest, dass die Bürger gerade davon überzeugt sind, dass
die Zukunft Europas mehr Dienstleistungen, bessere
Dienstleistungen, mehr Schutz, mehr Sicherheit –
Lebensmittelsicherheit, Meeressicherheit, Sicherheit im
umfassendsten Sinne – in dieser Risikogesellschaft
erfordert. Des Weiteren ist unübersehbar, dass heute
starke Bewegungen in den europäischen Gesellschaften
die konkrete Ausübung wesentlicher Rechte auf
Teilhabe der Bürger an der Gesellschaft fordern. Dabei
handelt es sich um das Recht auf Bildung, auf Kultur,
auf Gesundheit, auf Umweltschutz, auf sauberes Wasser
und saubere Luft, aber auch um das Recht auf Wohnung,
auf Verkehr, auf Kommunikation und Information, auf
Energieversorgung u. a.
Kurz gesagt, wir alle sind, wie ich hoffe, überzeugt, dass
diese Funktionen von wesentlicher Bedeutung sind, aber
ich habe den Eindruck, dass gewisse Mitglieder dieses
Hauses verbissen bemüht sind, beschämende Passagen
wieder aufzunehmen, welche die ausgezeichnete Arbeit
von Herrn Herzog beeinträchtigen. So preisen sie die
unschätzbaren Vorteile des Liberalismus an, doch es
wird ihnen nicht gelingen, uns zu überzeugen, denn der
Markt ist nicht in der Lage, alle diese Funktionen unter
Beachtung des Grundsatzes des gleichen Zugangs und
der Universalität bereitzustellen. Deshalb brauchen wir
unbedingt die Anerkennung eines positiven Rechts für
die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse. Daher
wünsche ich mir, dass die Änderungsanträge, die Sie
morgen annehmen werden, uns von einem Dokument
befreien, das äußerst kompromittierend für das
Europäische Parlament ist und das den Dialog, den wir
in den kommenden Monaten mit den Bürgern aller
Länder Europas führen werden, ernsthaft belastet.
2-014
Swoboda (PSE), Verfasser der Stellungnahme des
mitberatenden Ausschusses für Regionalpolitik, Verkehr
und Fremdenverkehr. – Herr Präsident, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatz zum Kollegen
Langen möchte ich sagen, dass der Verkehrs- und
9
Regionalausschuss ein etwas differenzierteres Bild
gezeichnet hat, als jetzt leider in diesem Bericht durch
die
Beiträge
des
Industrieund
des
Wirtschaftsausschusses zum Ausdruck kommt. Bei
dieser Gelegenheit möchte ich dem Kollegen Herzog
sehr danken, leider ist im gegenwärtigen Entwurf nicht
genug von seinen guten Ideen enthalten; vielleicht kann
man noch einiges korrigieren.
Der Regional- und Verkehrsausschuss hat sich auch mit
Unterstützung der Stimmen der PPE sehr wohl für ein
europäisches Rahmengesetz ausgesprochen, denn wir
sind in diesem Ausschuss der Meinung, dass
Dienstleistungen von öffentlichem Interesse etwas
Besonderes sind. Sie sind ein Charakteristikum, ein
Merkmal des europäischen Gesellschaftsmodells, und
das wollten wir damit deutlich unterstreichen.
Denken wir beispielsweise an die Post. Wir sind nicht
gegen Liberalisierungsschritte, im Gegenteil, auch dieser
Ausschuss
hat
verschiedene
sektorale
Liberalisierungsschritte vorbereitet. Wir wissen aber,
wie wichtig es für viele Menschen in Europa ist, dass sie
in ihrer Umgebung ein Postamt – Amt ist vielleicht ein
schlechter Begriff –, eine Poststelle haben. Das ist auch
ein Element der Zufriedenheit des europäischen Bürgers,
gerade was die öffentlichen Dienstleistungen betrifft.
Oder denken wir an den Nahverkehr. Dieses Haus hat
mehrheitlich die sturen – sage ich mal –
Liberalisierungsvorschläge der Kommission abgelehnt,
für die Kommission ist es jetzt äußerst schwierig, hier
neue Vorschläge zu machen, weil wir der Meinung
waren, dass der öffentliche Personennahverkehr nicht
einfach so zu sehen ist wie der Güterverkehr quer durch
Europa oder wie der Luftverkehr, und es hier besondere,
auch regionale Interessen gibt. Der Verkehrs- und
Regionalausschuss ist daher auch der Meinung, dass
insbesondere die kommunalen und regionalen
Körperschaften ein größeres Ausmaß an Freiheit, an
Gestaltungsfreiheit haben müssen. Dies spielt ja auch
demokratiepolitisch eine Rolle, weil die Bürgerinnen
und Bürger, wenn sie mit den Diensten unzufrieden sind,
entsprechend reagieren können. Sie können gewisse
Stadtregierungen abwählen, sie können andere Parteien
in die Regierung hineinwählen. Man sollte dieses
demokratische
Element
gerade
bei
der
Zurverfügungstellung öffentlicher Dienstleistungen nicht
übersehen, und ich hoffe daher, dass noch mehr getan
wird, um mit diesem Bericht Herzog den sozialen
Zusammenhalt in Europa zu stärken.
(Beifall)
2-015
Radwan (PPE-DE). – Herr Präsident, meine Damen
und Herren! Auch ich möchte mich bei Herrn Herzog für
die Kooperation bedanken. Die Zusammenarbeit war
schwierig, weil wir unterschiedliche politische
Meinungen hatten, aber wir haben den Bericht
gemeinsam auf den Weg gebracht.
10
Was war der Ausgangspunkt bei diesem Thema? Die
Kommission hat ein Entscheidungsmonopol im Bereich
der Daseinsvorsorge und sie hat in den letzten Jahren
diese Themen verstärkt aufgegriffen. Außerdem hat die
Kommission ein Entscheidungsmonopol bei der
Rechtsetzung
im
Zusammenhang
mit
dem
Wettbewerbsrecht. Wir waren gerade mit Blick auf den
Verfassungsvertrag der Meinung, das Europäische
Parlament sollte hier größere Kompetenzen bekommen.
Darum waren wir ursprünglich auch für eine
Rahmenrichtlinie.
Aber wir müssen uns bei der Diskussion um die
Rahmenrichtlinie durchaus auch inhaltliche Fragen
stellen. Können wir die Probleme, die das
Wettbewerbsrecht betreffen, lösen? Die EVP-Fraktion
ist zu dem Schluss gekommen, dass die
Rahmenrichtlinie als solche dazu ungeeignet ist. Und
gerade diejenigen, die sie verfechten, müssen sich immer
wieder fragen lassen, was in einer solchen
Rahmenrichtlinie stehen soll. Grundlage für die
Diskussion um die Daseinsvorsorge ist einerseits das
europäische Wettbewerbsrecht im Binnenmarkt,
andererseits wird aber die Daseinsvorsorge subsidiär in
den Mitgliedstaaten oder sogar in den Regionen und den
Kommunen definiert. Wir wollen auf keinen Fall, dass
zukünftig auf europäischer Ebene definiert wird, was
Daseinsvorsorge ist, weder in einer Rahmenrichtlinie
noch im Verfassungsvertrag. Wir sind für die
kommunale Zuständigkeit, für die kommunale
Verantwortlichkeit, und dort vor Ort kann der
Wettbewerb im Rahmen der Ausschreibung in
Kooperation mit Privaten Einzug halten. Aber die
künftige EU der 25 ist zu unterschiedlich, als dass wir
diesen Begriff auf europäischer Ebene regeln wollten.
Darum sagen wir nein zu einer Rahmenrichtlinie, ja zur
kommunalen Zuständigkeit. Das gilt insbesondere auch
für die Wasserversorgung. Hier sollte die Kommission
erst einmal darlegen und beweisen, dass Wettbewerb
positiv ist im Bereich Post, ÖPNV und in anderen
Gebieten, z. B. Energie. Gerade mit Blick auf Frankreich
gilt es hier viel nachzuholen, und, Herr Lamy, lösen Sie
erst einmal diese Probleme, bevor Sie sich eines neuen
Projektes annehmen!
2-016
Rapkay (PSE). – Herr Präsident, Kolleginnen und
Kollegen! Die Debatte um das Grünbuch zeigt ja nicht
zum ersten Mal, sondern zum wiederholten Male, dass
die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, ihre
Bereitstellung, ihre Ausgestaltung mehr denn je im
Rampenlicht sowohl in politischen Debatten als auch
hinsichtlich der Sorge europäischer Bürgerinnen und
Bürger über den Zugang zu Grundversorgungsleistungen
stehen. Für uns als sozialdemokratische Fraktion im
Parlament sind sie ein unverzichtbarer Bestandteil für
ein europäisches Gesellschaftsmodell, ich sage
ausdrücklich Bestandteil für ein europäisches
Gesellschaftsmodell, denn es geht nicht darum, ein
europäisches Modell der Daseinsvorsorge zu entwickeln.
Sie sind ein wesentlicher elementarer Bestandteil für ein
europäisches Gesellschaftsmodell mit Zielen, die allen
europäischen Gesellschaften gemeinsam sind. Sie
13/01/2004
spielen bei der Erhöhung der Lebensqualität aller
Bürgerinnen und Bürger und der Überwindung von
Wirtschaftsstagnation, sozialer Ausgrenzung und
Isolation eine entscheidende Rolle.
Und da will ich versuchen, mit einem Missverständnis
aufzuräumen. Es geht nicht darum, dass wir auf der
einen Seite Markt und Wettbewerb haben und auf der
anderen Seite Leistungen der Daseinsvorsorge.
Leistungen der Daseinsvorsorge können sehr wohl im
Rahmen von marktwirtschaftlichen Instrumenten in
einem wettbewerbsorientierten Regime erbracht werden.
Aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass es auch
Situationen gibt, wo der Markt solche Dienstleistungen
nicht effizient bereitstellt, und dann muss die
demokratische Gemeinde dazu in der Lage sein,
trotzdem dafür zu sorgen, auch außerhalb von
Marktmechanismen solche Leistungen bereitstellen zu
können.
Und in diesem Wechselspiel geht es eben darum, dass
wir ein bisschen mehr Rechtsklarheit brauchen.
Deswegen unterstützen wir hier als Fraktion die
Vorstellungen des Berichterstatters, und an dieser Stelle
möchte ich auch einen herzlichen Dank an Philippe
Herzog aussprechen. Philippe Herzog hat nun wirklich
alles getan, um zu einem Kompromiss zu kommen, er ist
in wesentlichen Bereichen selbst als Berichterstatter von
seinem Standpunkt abgerückt, und ich finde es etwas
schade, dass diese Leistung, dieser Versuch, hier zu
einem Konsens zu kommen, von Teilen des Hauses
schlicht und ergreifend nicht honoriert worden ist.
Deswegen unterstützen wir den Bericht, weil wir ihn
unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit, eines
gemeinsamen Rechtsrahmens für diese Fragestellungen
brauchen. Wir wollen aber vor allen Dingen, dass das
Europäische Parlament daran beteiligt ist. Und da will
ich mal etwas zum Kollegen Langen sagen, der erklärt
hat, die Fraktion der EVP hätte sich mittlerweile darauf
verständigt, doch keine Rahmenrichtlinie haben zu
wollen, weil das nach Artikel 95 nicht geht. Das sehe ich
überhaupt nicht so! Sie haben sich dazu entschieden, das
nicht haben zu wollen, weil Sie das politisch
mehrheitlich nicht mehr haben wollen. Aus welchen
Gründen auch immer, das kann man nachvollziehen,
man kann es auch sein lassen, aber kommen Sie mir
nicht damit, dass wir keine geeignete Rechtsgrundlage
haben und man das deswegen nicht machen kann! Das
hat uns noch nie gestört, und zwar zu Recht! Wenn wir
politisch etwas durchsetzen wollten, dann haben wir
auch eine Rechtsgrundlage dafür gefunden. Und die
Kommission ist nun geradezu ein Meister darin, und hier
kann man sie ja dann auch mal unterstützen, eine
geeignete Rechtsgrundlage zu finden. Das ist überhaupt
keine Frage, das wollen wir, aber es muss die
Mitentscheidung des Parlaments dabei gewährleistet
sein!
So ein gesetzlicher Rahmen braucht natürlich Inhalte,
und ich plädiere dafür, dass wir künftig mehr über die
Inhalte diskutieren und weniger über irgendwelche
Rechtsgrundlagen. Darüber sollten wir diskutieren. Es
13/01/2004
gibt eine Reihe von Punkten, die in so einem
Rechtsrahmen verankert sein müssen. Ich will nur
stichpunktartig sechs nennen: die Ziele der
Rahmenrichtlinie, ich habe es bereits gesagt, man muss
den Akteuren Rechtssicherheit bei der Anwendung
geltenden Gemeinschaftsrechts auf ihre Tätigkeit geben.
Klar ist, da gibt es auch keinen Dissens, dass die
konkrete Definition, die Ausgestaltung, die Organisation
und die Finanzierung von Dienstleistung von
allgemeinem Interesse Aufgabe der Mitgliedstaaten und
ihrer Untergliederungen – also da, wo die Kommunen
entsprechende Kompetenz haben, natürlich der
Kommunen – ist. Und so ist es nicht erstrebenswert, eine
einheitliche umfassende europäische Definition zu
haben, aber es gibt ein paar Standards und ein paar
Kriterien, die natürlich gleich sind und die auch darin
verankert werden müssen. Das sind Universalität
beispielsweise,
Kontinuität,
die
Qualität
der
Dienstleistung, Effizienz, Erschwinglichkeit sowie auch
die Beteiligung der Nutzer und die demokratische
Kontrolle der Erbringer. Wir müssen uns viel mehr als in
der Vergangenheit auf den eigentlich wesentlichen Punkt
konzentrieren: Wann handelt es sich um eine
wirtschaftliche
Tätigkeit,
wann
um
eine
nichtwirtschaftliche
Tätigkeit?
Das
ist
die
Bemessungsgrundlage, ob die Wettbewerbsregeln, ob
die Binnenmarktsregeln angewandt werden oder nicht,
und in diesem Bereich, denke ich, sollten wir die
Diskussion vorantreiben. Deswegen aus unserer
Situation heraus: Ja zu einem solchen Rechtsrahmen,
und lasst uns über die Inhalte diskutieren, nicht über
irgendwelche Rechtsgrundlagen!
11
Zweck einer horizontalen Richtlinie wäre es, bestimmte
Bereiche einzufrieren, von denen wir aus Erfahrung
wissen, dass sie sich laufend fortentwickeln. Das ist im
Moment völlig unangebracht, da wir in Europa schon
jetzt mit wirtschaftlichen Reformen ins Hintertreffen
geraten sind. Ganz im Gegenteil, wir müssen eine
weitere Liberalisierung fördern, aber zu gleichen
Bedingungen. Dies muss allerdings über sektorale
Richtlinien geschehen, wie man sie bereits mit großem
Erfolg in einigen Sektoren anwendet.
Die ELDR-Fraktion ist, wie gesagt, davon überzeugt,
dass es weder möglich noch wünschenswert ist, in einer
Rahmenrichtlinie brauchbare Definitionen solch
unterschiedlicher Leistungen wie der Leistungen, über
die es hier gerade geht, aufzustellen, wenn man sich die
gravierenden regionalen und nationalen Unterschiede
vor Augen hält, die im Bereich Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse bestehen. Wir haben allerdings
Verständnis für die Zweifel und Unsicherheiten, die
durch das so genannte Altmark-Urteil über die
Finanzierung örtlich angesiedelter Dienstleistungen
entstanden sind. Deshalb unterstützen wir auch
vorbehaltlos die Überlegungen der Kommission über
eine Gesetzesinitiative zur Klärung dieser Fragen. Aber
wie gesagt, sind wir nicht der Meinung, dass eine
Rahmenrichtlinie in diesem Zusammenhang hilfreich ist.
Wenn eine Gesetzesinitiative zustande kommen sollte,
bedauern wir allerdings sehr, dass der aktuelle Vertrag
dem
Europäischen
Parlament
keine
Mitentscheidungsbefugnis für eine solche Initiative
einräumt.
(Beifall)
2-017
Riis-Jørgensen (ELDR). – (DA) Herr Präsident,
zunächst möchte ich dem Berichterstatter für seinen
großartigen Einsatz danken, obwohl ich mit ihm
keineswegs einer Meinung bin. Ich freue mich jedoch
sehr über die Diskussionen, die durch diesen Bericht
ausgelöst worden sind, da eine Reihe wichtiger Themen
im Zusammenhang mit Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse angesprochen worden ist. Wir
führen eine erfrischende politische Diskussion, in der
sich die politischen Unterschiede dieses Hauses
widerspiegeln.
Im Namen der Fraktion der Liberalen und
Demokratischen Partei Europas möchte ich den Bericht
unterstützen, wie er im Ausschuss für Wirtschaft und
Währung beschlossen wurde. Für die ELDR-Fraktion ist
es wichtig zu betonen, dass die Liberalisierung, die in
einigen Bereichen bereits durchgeführt worden ist, im
Allgemeinen sehr erfolgreich war. So sind ca. eine
Million neuer Arbeitsplätze entstanden, und nicht zuletzt
hat sie zu besseren Dienstleistungen für weniger Geld
geführt. Gleichzeitig war die Frage, ob das Parlament
eine Rahmenrichtlinie fordern sollte oder nicht, für die
Unterstützung des vorliegenden Berichts durch die
ELDR von großer Bedeutung. Ich möchte betonen, dass
die ELDR-Fraktion eine Rahmenrichtlinie nicht
unterstützt.
Um alle Zweifel zu zerstreuen, möchte ich betonen, dass
unsere Ablehnung einer Rahmenrichtlinie nicht bedeutet,
dass die ELDR-Fraktion wünscht, die Pflicht zur
Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse in bestimmten Bereichen sollte abgeschafft
werden. Ganz im Gegenteil – wir sind der Meinung, dass
diese Pflicht problemlos mit der Liberalisierung und
beispielsweise Umweltschutzanforderungen vereinbar
ist, wenn seitens der Politik eine solche Anforderung
gestellt wird. Die Verantwortung für die Formulierung
von Qualitätsanforderungen liegt natürlich bei der
Politik, die auch dafür sorgen muss, dass die
Anforderungen eingehalten werden. Ich möchte, dass
wir ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bekommen.
2-018
Ainardi (GUE/NGL). – (FR) Ich möchte gleich
eingangs hervorheben, wie weit dieser Bericht des
Ausschusses für Wirtschaft und Währung trotz der
enormen Arbeit von Philippe Herzog von den
Erwartungen und Hoffnungen auf eine offensive
europäische Regelung zur Frage der Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse entfernt ist. Meine Fraktion
kann ihm daher nicht zustimmen.
Der Text ist zu einer Ode an die Liberalisierung
geworden, wobei der Wille dominiert, das Gesetz des
Wettbewerbs zum einzigen Regelungsmechanismus zu
machen. So wird in Erwägung H unterstrichen, dass die
12
Liberalisierung
in
führenden
Bereichen
des
Binnenmarktes einen Faktor für technischen Fortschritt
und wirtschaftliche Effizienz darstellt, und in Ziffer 13
wird die
Liberalisierung in den Bereichen
Telekommunikation, Postdienste, Verkehr und Energie
begrüßt.
Selbst die gemäßigte Forderung an die Kommission aus
dem doch von unserem Haus angenommenen Bericht
Langen,
vor
weiteren
Liberalisierungsschritten
möglichst rasch eine genaue, vergleichende Bewertung
der
Auswirkungen
der
Liberalisierungspolitik
vorzunehmen, findet in diesem Bericht keine Gnade.
In dem Bericht wird weiterhin aus fadenscheinigen
Gründen das Ziel einer Rahmenrichtlinie zur präziseren
Definition der Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse sowie der sich daraus für die Staaten wie auch
die öffentlichen und privaten Erbringer ergebenden
Verpflichtungen,
abgelehnt.
Lediglich
die
Erstausbildung und die Sozialschutzsysteme sollen im
öffentlichen Sektor verbleiben. Dies ist sehr weit
entfernt von dem für den Schutz der Grundrechte auf
Energie- und Wasserversorgung, auf Beförderung, auf
Wohnung, auf Kommunikation und Information
unbedingt erforderlichen Konzept.
Der Zweck der Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse müsste es jedoch sein, den Bürgern diese
Rechte über eine Reihe von Grundsätzen, wie gleicher
Zugang für alle, Information, Befragung und
Mitwirkung der Nutzer und Arbeitnehmer, finanzielle
Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Diese Ambition kann
nicht erreicht werden, wenn das einzige Ziel in der
rücksichtslosen
Weiterführung
der
begonnenen
Liberalisierung besteht.
Der Text ist in seiner jetzigen Form nicht akzeptabel. Im
Zusammenhang mit dem Grünbuch war die Erwartung,
die
Hoffnung
entstanden,
dass
öffentliche
Dienstleistungen eine ausschlaggebende Rolle für die
Gewährleistung der wirtschaftlichen, sozialen und
ökologischen Rechte spielen, dass Europa wirklich die
Ambition verfolgt, die Bedürfnisse möglichst aller
Mitglieder der Gesellschaft in Solidarität zu befriedigen.
Aus diesen Darlegungen ergibt sich, dass meine Fraktion
alle die Änderungsanträge unterstützen wird, mit denen
die ständig wiederkehrende Bezugnahme auf die
Liberalisierung
zurückgenommen
wird,
sowie
diejenigen, die das Konzept von Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse, die dieses Namens würdig sind,
stärken. Meine Fraktion bekräftigt die Notwendigkeit
einer Bewertung. Sie verweist darauf, dass die
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse von
elementarer Bedeutung für die Bürger sind. Sie bringt
weiterhin ihre Entschlossenheit zum Ausdruck, das
Recht der Gebietskörperschaften, frei darüber
entscheiden zu können, auf welche Weise sie die in ihre
Zuständigkeit
fallenden
Dienstleistungen
von
allgemeinem Interesse zu verwalten gedenken,
unmissverständlich zu bekräftigen. Dies sind die
Mindestvoraussetzungen, damit die Dienstleistungen
13/01/2004
von allgemeinem Interesse als Antriebsmotor für ein
solidarisches Europa wirken können.
2-019
Jonckheer (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, im
Namen der Fraktion der Umweltschützer möchte auch
ich die politische und geistige Arbeit würdigen, die
Philippe Herzog seit Jahren in diesem Haus und
insbesondere im Rahmen dieses Berichts geleistet hat.
Wie mehrere Vorredner bereits unterstrichen haben, soll
dieser Initiativbericht vor allem die Grundlagen der
Debatte klären und bewirken, dass die in der
Europäischen Union durchgeführten Maßnahmen zur
Wettbewerbsöffnung von mehr Rechtssicherheit, von
Finanzierungsgarantien und von der Erfordernis einer
Bewertung begleitet werden. Ich möchte erklären, dass
die Grünen die im Plenum nochmals eingebrachten
Änderungsanträge unterstützen werden, die darauf
abzielen, den ursprünglichen Geist des von Herrn
Herzog eingereichten Vorschlags wieder herzustellen.
Zur Debatte möchte ich zwei Elemente hinzufügen.
Erstens will ich das Europäische Parlament daran
erinnern, dass der Konvent sich ebenfalls mit diesem
Thema befasst hat und zu der Schlussfolgerung kam,
dass eine andere Rechtsgrundlage als die gegenwärtig
durch die Verträge gebotene erforderlich ist. Wenn sich
also das Europäische Parlament bei seiner morgigen
Abstimmung gegen den Standpunkt des Konvents stellen
sollte, dann hätten wir einen interessanten politischen
Legitimationskonflikt zwischen diesen beiden Gremien.
Zweitens möchte ich anmerken, wir Umweltschützer
haben festgestellt, dass in dieser Debatte letztlich eine
seltsame Allianz zwischen den Vertretern einer
maximalen Subsidiarität – die im Übrigen auch von
Philippe Herzog und unserer Fraktion befürwortet wird –
und den Befürwortern der These entstanden ist, dass es
keinerlei Hindernisse für die Ausübung des Wettbewerbs
geben dürfe. Diese Allianz hat letztlich bewirkt, dass im
Europäischen Parlament ebenso wie im Rat keine
Einigung erreicht wurde, eine Rahmengesetzgebung
voranzubringen.
Daher möchte ich ganz einfach folgende Frage stellen:
Wer wird, wenn alle Reden gehalten sind, in dieser
Auseinandersetzung obsiegen? Zweifelsohne nicht die
Befürworter der Subsidiarität, sondern die Verteidiger
der schrankenlosen Wettbewerbsfreiheit. Fakt ist, dass
wir Monat um Monat Sektorrichtlinien verabschieden
und feststellen müssen, dass der Gerichtshof
Schwierigkeiten hat, die Vorgabe von Verpflichtungen
zur Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse zu rechtfertigen. Im Ergebnis kommt es zu
einer Stärkung eines europäischen Modells, das
weitgehend auf steuerlichem und sozialem Wettbewerb
zwischen den Territorien beruht. Wenn wir dem etwas
entgegensetzen wollen, dann brauchen wir in der Tat
mehr Rechtssicherheit, um die Finanzierung der
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unabhängig
davon, wie die Mitgliedstaaten diese definieren, zu
gewährleisten.
13/01/2004
Daher fordere ich alle auf, über diese zweifelhafte
Allianz nachzudenken, die zwischen denen, die in ihrem
Land, ihrer Region, Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse definieren wollen, und den Verfechtern des
schrankenlosen Wettbewerbs besteht. Wir stimmen mit
den Ersteren überein, doch fordern wir sie auf, ihre
Allianz mit den Letzteren zu beenden.
13
Rechtsvorschrift, endgültig bestimmt werden. Diese
Sektoren sind nicht einfach festzulegen, da sie in einem
ständigen Wandel begriffen sind: was heute ein
öffentlicher Dienst ist, kann morgen ein Bereich sein, in
dem die Bereitstellung von Erzeugnissen und
Dienstleistungen vollkommen durch den Markt
sichergestellt wird. Eine definitive Fixierung wäre hier
ein Fehler.
2-020
Blokland (EDD). – (NL) Herr Präsident! Ich kann mich
noch lebhaft daran erinnern, wie der Bericht des
Kollegen Herzog über staatliche Beihilfen auf unserer
Sitzung im November 2002 mit einer Mehrheit von einer
Stimme angenommen wurde. Der verabschiedete Bericht
war allerdings derart geändert, dass von dem
ursprünglichen Vorschlag nichts mehr übrig blieb.
Allem Anschein nach hat Kollege Herzog auch jetzt
Mühe mit dem mehrheitlichen Standpunkt des
Parlaments, das sich zu Recht gegen die Einführung
einer Rahmenrichtlinie für Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse wehrt. Schon bevor die
Europäische Kommission im Mai 2003 ihr Grünbuch
vorlegte, hatte der Berichterstatter ein Arbeitspapier mit
seinen Auffassungen präsentiert. Das kam zu schnell und
auch zu früh, um die Fragen zu beantworten, die die
Kommission in ihrem Grünbuch dem Parlament
vorlegte. Bedauerlicherweise enthielt das Grünbuch
keine Visionen, dass der Berichterstatter aber bereits
eine Meinung zu der Kommissionsvorlage hatte, noch
ehe der Vorschlag vorlag, ist schlichtweg voreilig.
Das Grünbuch verweist ganz richtig auf die Befugnisse
der nationalen und regionalen Behörden für die
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse. Meiner
festen Überzeugung nach obliegt es deshalb den
nationalen und regionalen Politikern, über die
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu
entscheiden. Daher erkenne ich auch keinerlei
Notwendigkeit, der Kommission neue Befugnisse auf
diesem Gebiet zu übertragen. Ich kann dem im
Ausschuss für Wirtschaft und Währung angenommenen
Vorschlag zustimmen.
2-021
Della Vedova (NI). – (IT) Herr Präsident! Auch ich
möchte dem Kollegen Herzog meine Anerkennung für
seinen
durch
Engagement
und
Objektivität
gekennzeichneten Bericht aussprechen. Nach meinem
Dafürhalten enthält der Text des Ausschusses für
Wirtschaft und Währung eine zeitgemäßere Darstellung
der derzeitigen Lage und der Zukunftsperspektiven der
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse.
Die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sind ein
wesentlicher Bestandteil der europäischen Wirtschaft,
die immer mehr zu einer Dienstleistungswirtschaft wird;
auch in diesem so wichtigen Sektor sind Liberalisierung
und Wettbewerb für eine dynamische europäische
Wirtschaft sowie für ihre Wachstumsfähigkeit und
Beschäftigungswirksamkeit
von
entscheidender
Bedeutung. Meines Erachtens wäre es falsch zu glauben,
die Situation bezüglich der Erbringung von
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse könne in
einer Rahmenrichtlinie, in einer neuen Ad-hoc-
Nach meinem Dafürhalten sind die gegenwärtigen
Bestimmungen
des
Binnenmarktes
und
die
Wettbewerbsbestimmungen, wie in Ziffer 19 des
Berichts erwähnt, schon an sich eine Gewähr dafür, dass
in diesem und in anderen Sektoren notwendige
Maßnahmen der öffentlichen Hand im Rahmen der
bereits in den Verträgen festgeschriebenen Regeln
festgelegt werden, und sind damit eine Garantie für die
Wettbewerbsfähigkeit und Dynamik der öffentliche
Dienstleistungen erbringenden Wirtschaft. Andernfalls
besteht die Gefahr einer Stagnation der europäischen
Wirtschaft.
2-022
Grönfeldt Bergman (PPE-DE).  (SV) Herr Präsident!
Lassen Sie mich zunächst dem Berichterstatter, Herrn
Herzog, für eine äußerst umfangreiche Arbeit und viele
fruchtbare Diskussionen danken, auch wenn wir nicht
immer einer Meinung waren. Danken möchte ich auch
den Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaft und
Währung, die mit vielen Diskussionen und zahlreichen
guten Änderungsanträgen dazu beigetragen haben, dass
wir letztendlich von diesem Ausschuss ein Ergebnis
erhalten haben, das meines Erachtens sehr gut ist.
Ich stehe einer allgemeinen Rahmenrichtlinie negativ
gegenüber, da sie meiner Meinung nach keine Vorteile
bringt, sondern eher Verwirrung verursachen würde. Sie
wäre wie eine zusätzliche Vorschriftenschicht zwischen
den Wettbewerbsregeln des Binnenmarktes und den
sektoralen Richtlinien, was auch die Produktentwicklung
behindern würde. Die schrittweise Deregulierung der
Märkte in der EU war in den vergangenen zehn Jahren
die wichtigste Komponente bei der Verbesserung von
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem
Interesse. Einer der Gründe für die Deregulierung war
natürlich auch die allgemein schlechte Qualität, die für
die Dienstleistungen vor der Öffnung des Marktes
charakteristisch war. Ich bin sehr darauf bedacht, dass
wir nicht wieder in eine Monopolsituation geraten.
Aus diesem Grunde möchte ich das Parlament
auffordern, dem im Bericht des Kollegen Herzog
dargestellten Ergebnis des Ausschusses für Wirtschaft
und Währung zu folgen und nicht für die
Änderungsanträge der Linken zu stimmen. Wenn wir
uns der Position des Wirtschaftsausschusses anschließen,
stimulieren
wir
den
Wettbewerb
und
die
Produktentwicklung und schaffen die Voraussetzungen
dafür, dass den Verbrauchern billigere und bessere
Alternativen angeboten werden.
2-023
De Rossa (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich
beglückwünsche
Herrn
Herzog
zu
einem
14
ausgezeichneten Bericht. Ich hoffe, dass das Parlament
morgen die Ablehnung des Vorschlags für eine
Rahmenrichtlinie durch den Ausschuss für Wirtschaft
und Währung rückgängig machen wird. Das ist nicht das
Ende der Debatte: Das ist eine Debatte über ein
Grünbuch, die gerade erst beginnt und meiner Ansicht
nach recht langwierig sein wird. Das Parlament versucht,
zumindest in dieser Debatte, der Kommission eine
Orientierungshilfe für ihr weiteres Vorgehen im
Hinblick auf Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse, und zwar sowohl wirtschaftlicher als auch
nicht wirtschaftlicher Natur, zu geben. Aus meiner Sicht
spaltet die Frage der Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse – wirtschaftlicher wie nicht wirtschaftlicher
Natur – die Beteiligten in die Befürworter der sozialen
Marktwirtschaft und die Befürworter der neoliberalen
Marktwirtschaft. Es ist nicht akzeptabel, dass wir
klammheimlich
versuchen,
den
Bürgern
ihre
Bürgerrechte zu verwehren, auf die sie aufgrund ihrer
EU-Bürgerschaft Anspruch haben, indem wir den
Wettbewerb bei der Erbringung von Dienstleistungen
zum Maß aller Dinge erheben.
Schätzungen der OECD zufolge haben die Regierungen
in Europa in den neunziger Jahren Eigentum im Bereich
der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen im Wert
von etwa 300 Milliarden Euro privatisiert. Dies hatte
zum Teil katastrophale Konsequenzen in Bezug auf die
Erbringung der Dienstleistungen und kostete in einigen
Fällen sogar Menschenleben. Als Union und als
Parlament müssen wir uns konsequent dafür einsetzen,
dass jedermann Zugang zu qualitativ hochwertigen und
erschwinglichen Dienstleistungen hat, und wir müssen
erkennen, dass diese Dienstleistungen bestimmend sind
für die Lebensqualität unserer Bürger.
Wir konnten in Amsterdam, in der Charta der
Grundrechte und im Verfassungsentwurf Fortschritte in
Bezug auf die Wiederherstellung der Rechte der Bürger
auf öffentliche Dienstleistungen erzielen. Wir müssen
diese Rechte verteidigen. Es geht hier nicht um die
Verteidigung eines Ancien Régime, sondern darum zu
prüfen, wie unter neuen Bedingungen für unsere Bürger
durchgängig eine hohe Dienstleistungsqualität garantiert
werden kann. Vor allem müssen wir die Fortschritte
verteidigen, die wir diesbezüglich in der Verfassung
gemacht haben.
2-024
De Clercq (ELDR). – (NL) Herr Präsident!
Zweifelsohne ist der gemeinsame Binnenmarkt auf
wirtschaftlicher Ebene das größte Verdienst des
europäischen Einigungsprozesses. Europa hat uns einen
großen Handelsraum ohne Hemmnisse mit derzeit 375
Millionen und bald 450 Millionen Verbrauchern
beschert.
Im vergangenen Jahrzehnt hat sich der Markt immer
stärker auf andere Sektoren wie Telekommunikation,
Postdienste, Verkehr und Energie ausgedehnt. Der
Binnenmarkt ist ein sozial korrigierter freier Markt, das
heißt, die Märkte in diesen Sektoren wurden allmählich
und gelenkt geöffnet – und das mit Erfolg. Im Ergebnis
13/01/2004
entstanden
mehr
Wettbewerb
und
moderne
Dienstleistungen besserer Qualität zu niedrigeren
Preisen. Diese Liberalisierung hat sich also keinesfalls
nachteilig ausgewirkt, und das Beispiel sollte Anregung
für andere Sektoren sein.
Das Grünbuch der Kommission kommt mit Sicherheit
nicht zu früh und ist besonders lobenswert. Tatsächlich
ist zu prüfen, ob wir das Funktionieren des
Binnenmarkts und die Öffnung der Grenzen auf andere
Dienstleistungen von allgemeinem und insbesondere
wirtschaftlichem Interesse anwenden können. Wo
können Staatsmonopole weiter durchbrochen werden,
während weiterhin gewährleistet ist, dass jeder Bürger
die besten Dienstleistungen zu erschwinglichen Preisen
erhält? Gemeinsam mit vielen anderen fallen mir in
diesem Zusammenhang die Bereiche Wasserversorgung,
Abfallwirtschaft und sogar Information ein.
Die Debatte darüber muss allerdings nicht nur hier
geführt werden, sondern auch mit nationalen oder selbst
regionalen Behörden, die derzeit in diesen Sektoren
oftmals das Heft in der Hand haben. Nach dieser breiten,
interessanten und im Übrigen bereits jetzt fruchtbaren
Aussprache ist dann anhand der Ergebnisse zu prüfen,
ob und inwieweit EU-Recht speziell für die Bürger von
Vorteil sein kann.
2-025
Schmid, Herman (GUE/NGL).  (SV) Herr Präsident!
Der Kollege Herzog hatte wirklich eine undankbare
Aufgabe. Wenn es ein Gebiet gibt, zu dem die
Meinungen hier im Hause und in der Öffentlichkeit der
EU weit auseinander gehen, dann ist es dieses. Das
Problem besteht darin, dass wir ein Recht für den
Binnenmarkt haben, das im Grunde genommen zu
grenzenlosem und unbegrenztem Wettbewerb sowohl
bei Waren als auch bei Dienstleistungen einlädt. Damit
können wir nicht leben. Es wird gesagt, dass es sich vor
allem um Dienstleistungen von wirtschaftlichem
Interesse handelt, aber welche Dienstleistungen sind
denn nicht von wirtschaftlichem Interesse? Ist der
Bildungssektor nicht von wirtschaftlichem Interesse?
Oder der Gesundheitssektor? Sind nicht alle sozialen
Dienstleistungen
von
großem
wirtschaftlichem
Interesse? Wir reden hier von der Sozialpolitik
insgesamt, da steckt viel an politischem Zündstoff drin.
Was kann man also tun, wenn man eine ausgewogene
Entwicklung anstrebt und diesen Generalangriff auf die
Sektoren im sozialen Bereich stoppen will? Sollen wir
unsere Hoffnungen auf eine Rahmenrichtlinie setzen?
Da bin ich mir nicht ganz sicher. Im Grunde könnte eine
Rahmenrichtlinie dem Binnenmarktrecht Grenzen
setzen, was für Abkühlung und die Abschwächung der
Gegensätze sorgen würde. Angesichts des politischen
Klimas, wie es derzeit herrscht und sich in den nächsten
Jahren fortsetzen dürfte, befürchte ich jedoch, dass eine
solche Rahmenrichtlinie in hohem Maße von den
Anhängern des Marktes und den rechten Kräften
beherrscht würde. In diesem Fall ist eine derartige
Richtlinie ein Schritt in die falsche Richtung und kann
stattdessen zu einer Falle werden.
13/01/2004
Ist Dezentralisierung eine bessere Alternative? Soll man
sich lieber auf den Schutz der lokalen und regionalen
Aktivitäten konzentrieren? Das würde eventuell
bestimmte andere Möglichkeiten eröffnen, um einen
gewissen Schutz zu bieten, zudem würden sich
Gelegenheiten auftun, um lokale Kampagnen
durchzuführen, in denen wir für den Erhalt dessen
eintreten, was wir als erhaltenswert ansehen. Vor allem
aber benötigen wir Zeit für Untersuchungen und
Diskussionen als Gegengewicht zu den großen
Auseinandersetzungen, zu denen es in den nächsten
Jahren kommen wird.
2-026
VORSITZ: GERHARD SCHMID
Vizepräsident
2-027
Lambert (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident, es ist
doch interessant, dass keiner unserer konservativen
Kollegen aus dem Vereinigten Königreich heute hier ist,
um die Bilanz ihrer Liberalisierungsmaßnahmen in
Bereichen wie dem Schienenverkehr zu verteidigen. Aus
einem unlängst vom britischen Parlament erarbeiteten
Bericht über die Privatisierung der Wasserwirtschaft
geht hervor, dass viele der ärmeren Bürger wie
beispielsweise Rentner ihre Wasserrechnungen nur
deshalb noch bezahlen können, weil sie ihren
Wasserbrauch auf das absolute Minimum beschränken.
Es wurde festgestellt, dass die Situation in einigen Fällen
an eine Krise der öffentlichen Gesundheit grenzt.
Dieser Privatisierungsdrang war Teil einer Offensive zur
Senkung der Kosten im öffentlichen Sektor und ging
vielfach mit Lohnkürzungen vor allem für die
niedrigsten Einkommensgruppen einher. Die Rechnung
dafür zahlt noch immer die öffentliche Hand, indem sie
letztlich die Gehälter in diesem Bereich subventioniert.
Die Angestellten dieser Bereiche mögen zwar den
Mindestlohn erhalten, aber das bedeutet nicht, dass man
unbedingt davon leben kann. Das soll nicht heißen, dass
im öffentlichen Sektor alles perfekt ist, aber viele der in
diesem Bericht zugunsten der Liberalisierung
getroffenen Aussagen sind unserer Ansicht nach äußerst
fragwürdig.
Meine Fraktion ist nicht der Meinung, dass man mit
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in der
gleichen Weise verfahren kann wie beispielsweise mit
Unternehmen, die Schlüsselringe aus Kunststoff
herstellen. Dieser Bereich sollte nicht der allgemeinen
Wettbewerbspolitik unterliegen, und wir haben einen
entsprechenden Änderungsantrag eingereicht. Unserer
Ansicht nach sollten sich Wettbewerbsregeln den
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unterordnen
und nicht umgekehrt. Wir teilen die Forderung der
Kommission nach rechtlicher Klarheit. Wir haben diese
Thematik häufig in Verbindung mit GATS
angesprochen,
und
wir
haben
dazu
einen
Änderungsantrag eingebracht, der hoffentlich auf Ihre
Unterstützung zählen kann.
2-028
15
Butel (EDD). – (FR) Herr Präsident, in dem Glauben,
die
Überspitzungen
des
gemeinschaftlichen
Wettbewerbsrechts zu beseitigen, spielen einige
Abgeordnete mit dem Feuer. Diese Überspitzungen
würden eine Änderung des Rechts oder zumindest eine
explizite und uneingeschränkte Ausnahme zugunsten der
öffentlichen Dienstleistungen erforderlich machen.
Das Ziel muss unverändert in der Qualität von für alle
gleichen Dienstleistungen und nicht in einem
Rentabilitätskriterium
bestehen,
das
zur
Wettbewerbsöffnung führt. Daher ist es gefährlich, auf
europäischer Ebene eine Definition der Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse vornehmen zu wollen.
Erstens wäre eine durchgängige Definition aufgrund der
Unterschiedlichkeit der Gebietseinheiten und der
nationalen Praktiken nicht möglich, und zweitens fehlt
es in diesem Punkt an dem politischen Willen, so dass
nicht einmal eine einfache Mehrheit zu erreichen wäre.
Meine Fraktion befürwortet, Überlegungen mit dem Ziel
durchzuführen, Themen von allgemeinem Interesse für
alle Nutzer auf europäischer Ebene sowie Maßnahmen
zur Sicherung der Finanzierung zu ermitteln. Davon sind
das Grünbuch und dieser Bericht, in dem die bisher mit
der Liberalisierung erreichten Erfolge gepriesen werden,
weit entfernt.
Der
vom
Europäischen
Rat
von
Brüssel
zurückgewiesene Verfassungsentwurf des Konvents
hätte nichts geändert, denn die Dienstleistungen von
allgemeinem
Interesse
blieben
darin
dem
Wettbewerbsrecht untergeordnet. Die Ziele der
gegenwärtigen Bestrebungen sind eindeutig: es geht
darum, die in bestimmten Mitgliedstaaten bestehenden
öffentlichen Dienstleistungsunternehmen zu zerschlagen.
Für meine Fraktion ist das Wichtigste, dass wir mit
unseren Völkern eine demokratische Aussprache darüber
führen können und ihnen das Recht zugestanden wird, in
letzter Instanz selbst darüber zu entscheiden, welches
Modell ihrer Meinung nach künftig entwickelt werden
soll, um den Zusammenhalt zwischen den Bürgern und
den Territorien zu gewährleisten.
Wir werden daher diesen Text nicht unterstützen, auch
wenn wir selbstverständlich hier und da für die am
wenigsten schädlichen Vorschläge stimmen werden. Wir
folgen damit dem Appell des Berichterstatters, fordern
ihn aber auf, genauer darüber nachzudenken, welchem
Zweck mit der Annahme des Textes insgesamt gedient
wäre.
2-029
Berthu (NI). – (FR) Herr Präsident, der Bericht über die
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in der im
Ausschuss
angenommenen
Fassung
hat
die
Unzufriedenheit des Berichterstatters Philippe Herzog
hervorgerufen. In bestimmtem Maße ist dies
verständlich, denn unabhängig von jeder politischen
Beurteilung ist dieser Text nicht sehr kohärent.
Zahlreiche Passagen stehen im Widerspruch zueinander.
So findet sich in Ziffer 36 die Forderung nach
Einführung einer Rahmenrichtlinie mit gemeinsamen
16
Regeln im europäischen Maßstab, während in Ziffer 20
ein solches Vorgehen nachdrücklich verurteilt wird.
Wir unsererseits sind der Auffassung – und hier gehen
wir nicht mit dem Berichterstatter konform –, dass die
Rahmenrichtlinie, die eine Idee der vorangegangenen
französischen Präsidentschaft war, nur darauf
hinauslaufen würde, den Staaten
wesentliche
Regulierungsvollmachten zu entziehen, denn die
Dienstleistungen, um die es hier geht, sind eng mit den
typischen Merkmalen jeder Gesellschaft verbunden.
Zudem wäre sie zu allgemein, nicht für jeden Einzelfall
geeignet und würde zu endlosen Schwierigkeiten führen.
Diese Probleme sind sehr heikel und müssen von jedem
Staat möglichst bürgernah im Rahmen seiner nationalen
Demokratie geregelt werden. Und es erstaunt mich nicht
besonders, dass die Linke in dieser Hinsicht der
Zentralisierung und der Vereinheitlichung das Wort
redet.
Aus diesem Grund befürworten wir auch Artikel III-6
des europäischen Verfassungsentwurfs nicht, der
vorsieht, dass die Prinzipien und die Bedingungen für
die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse durch
ein europäisches Gesetz, d. h. durch die Mehrheit des
Rates und die Mehrheit des Parlaments festgelegt
werden könnten. Sollte dieser Artikel angenommen
werden,
würde
er
sich
rasch
gegen
die
Entscheidungsfreiheit der nationalen Demokratien und
die Subsidiarität richten.
2-030
Karas (PPE-DE). – Herr Präsident, meine sehr geehrten
Damen und Herren! Erstens müssen wir festhalten, dass
es hier um ein Gesetzgebungsverfahren geht, sondern
dass wir unsere Stellungnahme zum Grünbuch der
Kommission diskutieren. Wir hatten etwas anderes
verlangt, aber die Kommission hat als Antwort auf den
Bericht Langen dieses Grünbuch vorgelegt.
Zum Zweiten möchte ich mich bei allen
Berichterstattern dafür bedanken, dass sie im Laufe des
Diskussionsprozesses aus verschiedenen Richtungen
kommend im Ausschuss für Wirtschaft und Währung
einen sehr guten Beschluss, der jetzt zur Abstimmung im
Plenum steht, vorbereitet und mehrheitsfähig haben.
Zum Dritten: Was ist Daseinsvorsorge? Unter
Daseinsvorsorge verstehen wir Leistungen für unsere
Bürger im allgemeinen Interesse. Sie sollen für
Leistungen sorgen, die der Markt an sich nicht
flächendeckend, preisgünstig und in vielen Fällen auch
kostenlos zur Verfügung stellen kann. Die
Daseinsvorsorge sorgt für Versorgungssicherheit.
Anbieter können im Wettbewerb zueinander stehen,
müssen es aber nicht. Die Unterstützung durch die
öffentliche Hand ist notwendig. Es ist nicht
entscheidend, wer die Leistungen erbringt, sondern, dass
sie erbracht werden. Leistungen der Daseinsvorsorge
sind Ausdruck des europäischen Gesellschaftsmodells
und der ökosozialen Marktwirtschaft.
13/01/2004
Für mich war die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips
entscheidend. Ich kann dem Änderungsantrag 18 der
Sozialdemokraten zustimmen. Ich begrüße die
Formulierung, dass die freien Berufe Leistungen der
Daseinsvorsorge im allgemeinen Interesse übernehmen,
und ich begrüße, dass wir dafür Sorge getragen haben,
dass die Definition und die Verantwortung für
Leistungen der Daseinsvorsorge bei den Mitgliedstaaten
liegt und nicht auf europäischer Ebene.
2-031
Zrihen (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar,
liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst natürlich
vielen Dank an den Berichterstatter, Herrn Herzog, für
die ausgezeichnete Arbeit und die uns damit gegebene
Möglichkeit, über die Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse diskutieren zu können.
Auch
wenn
es
sich
nicht
um
ein
Gesetzgebungsverfahren handelt, so ist doch unsere
heutige Aussprache von grundlegender Bedeutung, denn
es geht darin um die Grenze zwischen dem Raum des
Marktes, wo Wettbewerb herrschen muss, und jenem
anderen Raum, in dem Solidarität, Gleichheit,
Demokratie und auch sozialer Zusammenhalt
bestimmend sein sollen. Sie ist von grundlegender
Bedeutung, weil es um die elementarsten Rechte der
Bürger geht, die insbesondere in der Grundrechtecharta
festgeschrieben sind.
Unter den europäischen Bürgern, den Vereinen, den
Gewerkschaften und den Kommunalverwaltungen
herrscht große Beunruhigung, da die verschiedenen
Liberalisierungs- und Privatisierungsmaßnahmen, ich
erinnere nur an die in Großbritannien, eher negative
Auswirkungen gezeitigt haben. Daher schlagen wir vor,
an diesem Bericht, der in seiner gegenwärtigen Form
völlig unakzeptabel ist, wesentliche Änderungen
vorzunehmen.
Erstens schlagen wir eine ernsthafte, öffentliche,
pluralistische und offene Bewertung der Entwicklung
der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
beispielsweise
mittels
einer
entsprechenden
Beobachtungsstelle vor. Im Übrigen können wir die
ablehnende Haltung der Rechten zu diesem Vorschlag
nicht verstehen, wenn die Liberalisierung wirklich, wie
ihre Mitglieder lauthals verkünden, nur positive
Ergebnisse mit sich bringt.
Aufgrund der Nichteindeutigkeit der zur Abgrenzung
von
wirtschaftlichen
und
nichtwirtschaftlichen
Aktivitäten verwendeten Kriterien sowie um die von
allen geforderte Subsidiarität zu gewährleisten, müssen
bestimmte Sektoren wie Bildung, Gesundheitswesen,
sozialer Wohnungsbau ausdrücklich aus dem
Geltungsbereich der Wettbewerbsregeln ausgenommen
bleiben.
Des
Weiteren
müssen
die
Kommunalverwaltungen
und
andere
örtliche
Volksvertretungen geschützt werden, damit sie
demokratisch über die Art der Erbringung bestimmter
Dienstleistungen wie beispielsweise Wasserversorgung
13/01/2004
und Müllabfuhr entsprechend den örtlichen Bedürfnissen
entscheiden können.
Und schließlich sind natürlich die Mitgliedstaaten, ihre
territorialen Untergliederungen sowie die örtlichen
Behörden für die Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse zuständig, woraus sich die Notwendigkeit einer
Rahmenrichtlinie ergibt, in der wirklich die
gemeinsamen Grundsätze für die Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse festgelegt werden könnten. Es
geht in der Tat um die Bereitschaft, zu einem
bestimmten Zeitpunkt die Bürger zu schützen. So ist
auch eine bestimmte Vision von Europa zu verstehen.
2-032
Caudron (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident, auch ich
möchte Philippe Herzog für seine umfangreiche Arbeit
und seine dabei aufgewendete Energie danken, doch
muss ich ganz klar sagen, dass ich dem Bericht in der
vom Ausschuss für Wirtschaft abgeänderten und
angenommenen Form morgen wirklich nicht zustimmen
kann.
Er ist in der Tat das Ergebnis von ultraliberalen
Bestrebungen, gegen die ich ankämpfe. Er ist Teil der
Versuche
zur
Zerschlagung
unseres
Gesellschaftsmodells, zur Zerstörung von Arbeitsplätzen
und der Aufgabe der Raumordnungspolitik.
Sollte das Plenum morgen den Standpunkt des
Ausschusses für Wirtschaft bekräftigen, dann müssen
wir, wie mehrere Vorredner bereits ankündigten, diesen
Text ablehnen und eine wirkliche Rahmenrichtlinie
sowie wirkliche europäische Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse fordern. Noch ist es Zeit, das
Steuer herumzuwerfen. Dies wäre im Interesse der
übergroßen Mehrheit der europäischen Bürger.
2-033
Schroedter (Verts/ALE). – Herr Präsident, liebe
Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich unterstütze alle, die mit
mir der Meinung sind, dass die Leistungen der
Daseinsvorsorge in erster Linie dem Gemeinwohl
verpflichtet sind. Es sind Leistungen, die den
Bürgerinnen und Bürgern garantiert werden müssen. Das
ist unsere Vorstellung von einem europäischen
Gesellschaftsmodell. Deshalb sind diese Leistungen in
erster Linie nicht politische Aufgabe der Kommission,
sondern sie sind Sache der lokalen und regionalen
Gebietskörperschaften. Es ist Aufgabe der Kommission
sicherzustellen, dass sie in den Kommunen möglich
sind, dass sie dort abgesichert sind. Die Kommission
muss die Leistungen der Daseinsvorsorge in den GATSVerhandlungen verteidigen und dort den Spielraum für
die Kommunen sicherstellen, damit diese Leistungen
den Bürgerinnen und Bürgern unter den Aspekten der
sozialen Gerechtigkeit, der Solidarität und des
territorialen Zusammenhalts gewährleistet werden
können. Es ist Aufgabe der Kommission, den Rahmen so
zu setzen, dass die Leistungen der Daseinsvorsorge
geschützt werden.
2-034
17
Bourlanges (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, der
zwischen der Ambition des Berichterstatters und der
meiner Ansicht nach übertriebenen Zaghaftigkeit des
Ausschusses festgefahrene Bericht von Herrn Herzog
macht deutlich, auf welche Schwierigkeiten wir stoßen,
wenn
wir
gemeinsam
ein
europäisches
Gesellschaftsmodell definieren wollen. Dieses Dilemma
müssen wir meiner Meinung nach überwinden, aber in
positiver Weise. Erstens muss die grundlegende
Legitimität der Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse anerkannt werden. Es gibt eine Reihe von
öffentlichen Gütern, deren Bereitstellung mehr oder
weniger unter Ausnahme von den Regeln des Marktes
erfolgen muss, weil sie entweder von der öffentlichen
Hand subventioniert werden müssen, um den gleichen
Zugang für alle zu gewährleisten, oder weil der
Gleichheitsgrundsatz
mit
übermäßigen
Preisschwankungen unvereinbar ist. Daher muss der
Grundsatz bekräftigt werden, dass wir uns in einer
Marktwirtschaft, nicht aber in einer Marktgesellschaft
befinden.
Zweitens wird ein Rechtsrahmen gebraucht, denn sonst
würden wir alle auf unsere gemeinsame Ambition
verzichten. Mit diesem Rechtsrahmen muss in erster
Linie nach dem Subsidiaritätsprinzip festgelegt werden,
wo die Zuständigkeiten liegen, d. h. auf welcher Ebene –
der europäischen, der nationalen oder örtlichen – die
Dienstleistungen zu organisieren sind. Des Weiteren
muss der Rechtsrahmen die Reichweite, die zulässige
Ausweitung des Bereichs der Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse bestimmen. Und drittens muss er
die Organisationsmodalitäten festschreiben. Es muss
insbesondere
darauf
geachtet
werden,
dass
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse nicht
zweckentfremdet werden, dass sie nicht zu einem
Monopol werden, das auf Kosten der Nutzer zu einer
lukrativen Einkommensquelle für die Erbringer wird.
Schließlich muss dieser Rechtsrahmen demokratisch
angelegt sein. Wir können uns in diesem Parlament nicht
vor unserer Verantwortung drücken. Wir dürfen uns
nicht wie die Frösche aufführen, die einen König
wollten. Dies ist eine Frage, die die Bürger, die Völker
betrifft. Wir müssen zusammen mit der Kommission
eine Rechtsgrundlage schaffen, die es ermöglicht, diese
Frage in einem demokratischen Prozess auf der Basis
des Vorschlags der Kommission unter Mitentscheidung
des Rates und des Parlaments zu regeln, denn sonst
würden wir unserer Pflicht nicht gerecht.
(Beifall)
2-035
Poignant (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr
Kommissar! Man kann diesen Bericht nicht losgelöst
vom europäischen Kontext betrachten. Was bleibt den
europäischen Bürgern von den letzten Monaten im
Gedächtnis?
Sie
erinnern
sich
an
die
Meinungsverschiedenheiten,
wenn es um die
Außenpolitik geht, an die Streitigkeiten im
haushaltspolitischen Bereich, an die Sackgasse, in die
die Verfassung geraden ist, und sie verspüren Ohnmacht,
18
wenn sie den Höhenflug des Dollar sehen. Wenn man
ihnen nun noch das Gesellschaftsmodell nimmt, was
bleibt dann in den kommenden Monaten? Auf das
Gesellschaftsmodell können sie immer noch stolz sein,
doch dazu gehören die Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse.
Der Markt ist gut und schön, aber wir wollen doch nicht
die Diktatur des Proletariats durch die der Aktionäre
ersetzen. Wir wollen doch nicht einen allmächtigen
Markt absegnen, wie er in der Gegend der RockyMountains zu erleben ist, oder zu einem allmächtigen
Staat zurückkehren, wie er in der Gegend des Urals
geherrscht hat. Der Bericht und die Vorschläge von
Philippe Herzog wiesen die richtige Ausgeglichenheit
auf.
Diese muss wiederhergestellt werden. Es muss ein guter
Kompromiss gefunden werden, insbesondere im
Interesse unserer europäischen Mitbürger. Es gibt
positive Punkte, die ausgebaut werden müssen: die
Festlegungen im Verfassungsvertrag, die Fortschritte,
die eine Rahmenrichtlinie verspricht, die Aussichten auf
eine angemessene und gesicherte Finanzierung der
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse. Wir
müssen den Geist wieder herstellen, der Philippe
Herzogs Bericht inspirierte, ehe er durch den Ausschuss
etwas seiner Substanz entledigt wurde; wir müssen ihn
vor
allem
im
Interesse
unserer
Mitbürger
wiederherstellen.
2-036
Patakis (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Die
vorgeschlagenen Regelungen zielen darauf ab, die
öffentlichen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
leichter den Privatinteressen überlassen zu können.
In einer Phase der wirtschaftlichen Krise kann als einzig
sicher gelten, dass das Großkapital danach strebt, seine
Hände auf den öffentlichen Reichtum zu legen, um seine
Gewinne zu maximieren. Die gemeinnützigen
Unternehmen
haben
außer
ihrer
wichtigen
entwicklungspolitischen Rolle für die nationale
Wirtschaft auch eine Rolle von strategischer Bedeutung
im Hinblick auf die Sicherheit und Unabhängigkeit eines
jeden Landes, besonders in Zeiten wirtschaftlicher und
anderer Krisen. Die Privatisierung dieser Unternehmen
und die Liberalisierung ihrer Märkte wird zu einer
Beschränkung dieser Entwicklung und sicherlich auch
zu größerem Reichtum der Aktionäre statt zu einer
Stärkung der nationalen Wirtschaft führen.
Die Feststellung, dass die Liberalisierung der Märkte
einen Faktor für technologischen Fortschritt und
wirtschaftliche Effektivität darstellt, trifft nicht zu, da sie
den Erfahrungen zufolge, die bei ihrer praktischen
Umsetzung gewonnen wurden, bislang offensichtlich
einen entgegengesetzten Effekt gehabt hat.
Die Privatisierungen führen zur Vernichtung von
Produktivkräften, zu einer problematischen Leistung,
einem Qualitätsabbau der erbrachten Dienstleistungen,
13/01/2004
verheerenden sozialen Ungleichheiten, höheren Preisen
und weniger Arbeitsplätzen.
Die Privatisierungen haben negative Auswirkungen für
die Arbeitnehmer, nicht nur durch die Erhöhung der
Preise der erbrachten Dienstleistungen, sondern vor
allem durch die Entlassungswellen und die darauf
folgende Ersetzung des Arbeitsregimes durch flexible
Arbeitsformen.
Auch wenn dem Großkapital in seinem Wirken im
Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
Grenzen gesetzt werden und gute Absichten zur
Sicherung bestimmter Prinzipien bei der Tätigkeit und
den angebotenen Dienstleistungen existieren, und selbst
wenn diese anfangs durchgesetzt werden, so lässt dies in
der Folge nach, wobei die ausschließlichen Opfer die
Bürger sind.
Wir wenden uns gegen den Ausverkauf des öffentlichen
Reichtums zugunsten des Großkapitals. Wir unterstützen
den öffentlichen Charakter der gemeinnützigen
Unternehmen, die, da sie für das werktätige Volk gute
und preiswerte Dienstleistungen erbringen, aufgewertet
werden und den Hebel einer Volkswirtschaft bilden
müssen.
2-037
Lamy, Kommission.  (FR) Herr Präsident, ich habe im
Namen der Kommission allen Rednern aufmerksam
zugehört. Die Vielfalt – um es milde auszudrücken – der
hier geäußerten Meinungen hat mich nicht erstaunt, und
ich hätte das Wort nicht nochmals ergriffen, wenn ich
nicht aus dem Beitrag von Herrn Langen einige kritische
Untertöne gegenüber der Kommission herausgehört
hätte, und zwar in der Art: zu diesem Thema wirft die
Kommission viele Frage auf, gibt aber keine eindeutigen
Antworten, oder genauer gesagt, sie zögert, eindeutige
juristische Antworten zu geben. Daher möchte ich zu
diesem Punkt einige Bemerkungen machen, damit er
zwischen uns etwas klarer wird.
Wenn die Kommission heute in der Lage wäre, Ihnen
eine eindeutige juristische Antwort vorzuschlagen, dann
hätte das hier debattierte Problem bereits seine Lösung
gefunden. Doch das von uns im letzten Jahr
veröffentlichte Grünbuch verfolgte gerade den Zweck,
eine möglichst breite Aussprache zu einer sehr
komplexen Frage zu eröffnen, und wir in der
Kommission haben den Eindruck, dass für eine solche
Aussprache mit der Zivilgesellschaft, mit Ihnen, mit
einer Reihe von Vertretern wirtschaftlicher und
territorialer Interessen ein Jahr keine übermäßig lange
Zeit ist.
Es handelt sich in der Tat um eine diffizile Problematik,
wie unsere Debatte zeigt. Es ist unübersehbar, dass in
politischer Hinsicht diese Frage das Kernstück eines
spezifischen europäischen Policy-Mix bildet, für den wir
alle eine leicht unterschiedliche Zusammensetzung
vorzuschlagen haben, je nachdem ob unsere politischen
Vorlieben der Marktwirtschaft, die wir wegen ihrer
Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz schätzen, oder
13/01/2004
bestimmten kollektiven Ansätzen im Bereich des
sozialen und territorialen Zusammenhalts gelten, wobei
es sich durchweg um Dimensionen der Solidarität
handelt, von denen wir uns alle in unterschiedlichem
Maße leiten lassen.
Politisch ist das Problem daher relativ klar, und ich kann
wirklich keine großen Unterschiede in der Art und
Weise erkennen, wie Sie die Konturen der
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bzw. der
öffentlichen Dienstleistungen umrissen haben, wenn
diese genauer auf europäischer Ebene definiert werden
müssten.
Die Schwierigkeit liegt natürlich im Wie. Und diese
Frage ist bis jetzt noch nicht geklärt. Ist das, was wir
bisher mit den Sektorrichtlinien und den gewissermaßen
ad hoc getroffenen Entscheidungen zu den staatlichen
Beihilfen tun, als Rechtsrahmen ausreichend? Das ist
doch die eigentliche Frage. Wie Sie dargelegt haben, hat
sich der Konvent mit dieser Frage befasst und ist zu dem
Schluss gekommen, dass ein europäisches Gesetz
erforderlich sein könnte, das die Rechtsgrundlage liefert,
über die heute im Kontext der gegenwärtigen Form des
Vertrags noch debattiert wird. Und genau diese Frage
müssen wir klären.
Wie ich in meinen einführenden Worten sagte, prüft die
Kommission mehrere Optionen. Um Herrn Langen zu
beruhigen, möchte ich wiederholen, dass die
Kommission insbesondere auf der Grundlage der
Debatte, die morgen mit der Abstimmung über eine
Entschließung zu Ende geht, ihre eigenen Positionen
noch vor dem Ende dieser Legislaturperiode darlegen
wird. Unabhängig davon, ob wir uns dann für ein
Instrument entscheiden, welches das Europäische
Parlament
über
das
Mitentscheidungsverfahren
einbezieht, oder für eine andere Lösung, möchte ich
darauf verweisen, dass zu diesem Zeitpunkt in den
Augen der Kommission die einzelnen Optionen noch
völlig offen sind.
2-038
Der Präsident.  Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Mittwoch um 11.30 Uhr
statt.
SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNGEN (ARTIKEL
120)
2-039
Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) In dieser
Aussprache zum Bericht Herzog über das Grünbuch zu
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, der vom
Ausschuss für Wirtschaft und Währung verwässert
wurde, bekräftigen wir die Notwendigkeit, Vorschläge
anzunehmen, die die Bedeutung qualitativ hochwertiger
öffentlicher Dienstleistungen anerkennen, die bei
Achtung der speziellen Merkmale jedes Landes das
Recht auf Zugang zu diesen Dienstleistungen für alle
Bürger gewährleisten.
19
Die Auswirkungen der Liberalisierungen treten in den
betroffenen Sektoren bereits offen zutage, nicht nur in
Form
von
Entlassungen
und
größerer
Arbeitsplatzunsicherheit bei der Eisenbahn, im
Energiesektor,
im
Postdienst
und
im
Telekommunikationsbereich, sondern in einigen Fällen
auch in Form höherer Tarife und Preise und einer
niedrigeren Qualität der erbrachten Dienstleistungen.
Diese Situation betrifft in zunehmendem Maße immer
weitere Wirtschaftsbereiche, insbesondere in Portugal.
Trotz der Anerkennung des Stellenwerts öffentlicher
Dienstleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse bedeutet ihre Unterwerfung unter die Regeln
des Wettbewerbs eine Abwertung der sozialen Rolle
öffentlicher Dienstleistungen, die eine entscheidende
Funktion für die Bevölkerung im Kampf gegen Armut
und
Ausgrenzung,
für
die
Sicherung
der
Menschenrechte, für die regionale Entwicklung
betroffener Gebiete, für den Umweltschutz sowie für den
wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt besitzen.
Wir bleiben dabei, dass wir Vorschläge annehmen
sollten, die den Schutz öffentlicher Dienstleistungen und
eine demokratische und pluralistische Bewertung der
Auswirkungen auf Markt und Wettbewerb fördern und
die Notwendigkeit qualitativ hochwertiger öffentlicher
Dienstleistungen und die schädlichen Folgen der
Liberalisierungen und Privatisierungen berücksichtigen,
die in vielen Bereichen bereits festzustellen sind.
2-040
Rahmenbedingungen für Regulierungsagenturen
2-041
Der Präsident.  Nach der Tagesordnung folgt der
Bericht (A5-0471/2003) von Frau Almeida Garrett im
Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen
(KOM(2002) 718 – 2003/2089(INI)) über die Mitteilung
der Kommission: „Rahmenbedingungen für die
europäischen Regulierungsagenturen“.
2-042
Almeida Garrett (PPE-DE), Berichterstatterin. – (PT)
Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Abgeordnete!
Das Parlament befasst sich heute mit der Mitteilung der
Kommission zu Rahmenbedingungen
für die
europäischen Regulierungsagenturen, in der die
Kommission
im
Nachgang
zum
Weißbuch
„Europäisches Regieren“ die Bedingungen für die
Einrichtung neuer Regulierungsagenturen, den Rahmen
für die Ausführung von deren Tätigkeiten und die
Zuständigkeiten, die ihr bei der Beaufsichtigung solcher
Agenturen zufallen sollen, vorlegt.
Zunächst einmal möchte ich Ihnen, Herr Kommissar, zu
dieser Initiative und auch zu deren weit gefassten
Kriterien gratulieren. Das Parlament stellt erfreut fest,
dass dabei seine in der Entschließung zum Weißbuch
über das europäische Regieren enthaltenen Vorschläge
angemessen berücksichtigt wurden, wobei die
Zuständigkeit für die Einrichtung der Agenturen
ausdrücklich dem Gesetzgeber überlassen wird, der von
Fall zu Fall durch einen auf dem Vertragsartikel
20
beruhenden
Rechtsakt
entscheidet,
der
die
Rechtsgrundlage für die durchzuführende spezielle
Gemeinschaftspolitik bildet.
Ein wichtiger Punkt, den wir hervorheben möchten, ist,
dass die Kommission akzeptiert, dass neue Agenturen
überlegt und planvoll eingerichtet werden sollten. Die
Einrichtung derartiger Agenturen ist nur in hoch
spezialisierten wissenschaftlichen oder technischen
Bereichen mit einer präzisen Definition der
auszuführenden Aufgaben und innerhalb eines Rahmens
von Zuständigkeit und Autonomie gerechtfertigt, der die
Einheit und Integrität der Exekutivfunktion nicht
beeinträchtigen oder die politische Verantwortlichkeit
der Kommission gegenüber Rat und Parlament nicht
vermindern darf.
Wie bei allem im Leben gibt es auch hier ein „Aber“: In
dem Bericht, den ich heute vorlege, wird Bedauern
darüber geäußert, dass die Kommission den
Anwendungsbereich
ihrer
Mitteilung
auf
die
„Regulierungsagenturen“ beschränkt, die künftig
innerhalb des institutionellen Rahmens des EG-Vertrags
eingerichtet werden sollen. Leider findet sich kein
Verweis auf die bestehenden Agenturen, obwohl wir uns
doch alle einig sind, dass die Arbeit dieser Agenturen
einer gründlichen Bewertung unterzogen werden muss,
um dann einen Vorschlag für die Überarbeitung einiger
ihrer Aufgaben und Befugnisse vorzulegen, und
möglicherweise den Aufbau und die Zusammensetzung
ihrer Organe zu aktualisieren. Wie Sie wissen, Herr
Kommissar, hat das Parlament diese Anliegen ja
gegenüber
der
Kommission
durch
die
Parlamentsausschüsse zum Ausdruck gebracht, die am
umfassendsten an der Überprüfung des Funktionierens
der Agenturen beteiligt waren, und wir betonen sie heute
noch einmal.
Außerdem bedauern wir, dass die Konsequenzen der im
Entwurf einer europäischen Verfassung vorgeschlagenen
tief greifenden Änderungen, insbesondere das Ende der
Pfeilerstruktur, die Einführung einer Normenhierarchie
und die ausdrückliche Einführung einer gerichtlichen
Kontrolle der Tätigkeit der Agenturen, nicht erörtert
wurden. Diese müssen richtig verstanden werden, damit
das künftige Regulierungsumfeld der Agenturen
vollständiger, zusammenhängender und zielstrebiger
festgelegt werden kann.
Im Hinblick auf den begrenzten Geltungsbereich der
Mitteilung wird das Parlament stets darauf bedacht sein,
dass die Einheitlichkeit der Exekutivfunktion auf
Gemeinschaftsebene gewahrt und die entsprechende
politische Zuständigkeit der Kommission gesichert ist.
Doch sicher verstehen Sie, dass das Parlament den
Vorschriften, die eine transparente und wirksame
Durchführung der Aufgaben ermöglichen, den
Stellenbesetzungen und dem Kostenmanagement der
neuen Agenturen besondere Aufmerksamkeit widmen
wird. Deshalb wird unser besonderes Augenmerk dem
Vorschlag für einen künftigen Rechtsrahmen gelten, der
alle Verpflichtungen der Agenturen bezüglich einer
ordnungsgemäßen Verwaltung, der Einhaltung der
13/01/2004
Rechtsvorschriften zu Transparenz und des Zugangs zu
Dokumenten und Regeln zum Schutz gegen Betrug und
zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft
festlegt.
Danken möchte ich noch dem Ausschuss für Recht und
Binnenmarkt, dem Haushaltsausschuss und dem
Ausschuss für Haushaltskontrolle für ihre kompetenten
und durchdachten Stellungnahmen sowie meinen
Kollegen, die durch ihre Teilnahme diesen Bericht mit
verfasst haben. Herr Kommissar, wir sehen mit
Zuversicht der Initiative für einen Rechtsrahmen für die
Agenturen entgegen, die uns die Kommission
irgendwann in der Zukunft vorlegen wird.
(Beifall)
2-043
Lamy, Kommission.  (FR) Herr Präsident, die
Kommission möchte zunächst Frau Almeida Garrett für
die ausgezeichnete Arbeit zur Mitteilung der
Kommission über die Rahmenbedingungen für
Regulierungsagenturen danken. Wenn wir von den
Fakten ausgehen, so gibt es heute 16 Agenturen, die
nacheinander im Rahmen der gegenwärtigen Verträge
eingerichtet wurden, um von Fall zu Fall punktuellen
Erfordernissen Rechnung zu tragen. Diese 16 Agenturen
sind
heute
gekennzeichnet
von
großer
Unterschiedlichkeit hinsichtlich ihrer Arbeitsweise, ihrer
Aufgabenstellung und ihrer Bezeichnung.
Wie wir 2001 betonten, sind wir der Auffassung, dass
die Schaffung weiterer Regulierungsagenturen zu einer
verbesserten Umsetzung der Gemeinschaftsregeln
beiträgt. Im Weißbuch von 2001 wurde vorgeschlagen,
dass die Kommission Parameter, genauere Kriterien für
die Einrichtung, die Arbeitsweise und die Kontrolle
dieser Agenturen erarbeitet. Mit unserer Mitteilung, die
Gegenstand Ihrer Aussprache ist, soll daher in erster
Linie ein Prozess des Nachdenkens mit Ihnen und im
Übrigen auch mit dem Rat in einem gemeinsamen
Rahmen über die Schaffung, die Arbeitsweise und die
Kontrolle künftiger Regulierungsagenturen, die wir als
aktive Mitwirkende bei der Ausübung der
Exekutivfunktion auf Gemeinschaftsebene betrachten, in
Gang gesetzt werden.
Wie Ihre Berichterstatterin bereits dargelegt hat, findet
ihre Tätigkeit in der Tat im Rahmen der
Exekutivfunktion
statt.
Um
Missverständnissen
vorzubeugen – darauf werde ich in meiner Antwort auf
die Aussprache und insbesondere auf den von der
Berichterstatterin angesprochenen Punkt nochmals
zurückkommen –, diese Initiative betrifft nicht die so
genannten Exekutivagenturen, die an der Durchführung
von Gemeinschaftsprogrammen mitwirken.
Worin besteht, kurz gesagt, der Zweck der Vorschläge
der Kommission? In der Herstellung eines
Gleichgewichts zwischen der Verstärkung der Integrität
und der Einheit der Exekutivfunktion – die bekanntlich
in erster Linie der Kommission zukommt – einerseits
und der Autonomie andererseits, welche diese
13/01/2004
Agenturen aufweisen müssen, um ihre Tätigkeit
langfristig gestalten zu können. Das Wesentliche besteht
in der Wahrung dieses empfindlichen Gleichgewichts.
Diese Agenturen sollen einerseits die Kommission von
sehr technischen Aufgaben entlasten, damit diese sich
wieder auf ihre Hauptaufgaben konzentrieren kann.
Allerdings muss – wie Sie, Frau Almeida Garrett,
darlegten – die letztliche politische Verantwortung für
die Ausführung der Rechtsvorschriften bei der
Kommission verbleiben, weil wir hauptsächlich darüber
Ihnen gegenüber rechenschaftspflichtig sind und weil es
gegenüber
Ihrem
Haus
eindeutig
festgelegte
Verantwortliche geben muss.
Es kommt also darauf an, dieses schwierige
Gleichgewicht zu verbessern, klarzustellen und zu
formalisieren, da die Regulierungsagenturen unabhängig
von kurzfristigen Überlegungen in immer stärkerem
Maße einem Bedarf an Sachwissen von ständig
steigendem Niveau in einer Reihe von Gebieten
nachkommen. Damit dieses Sachwissen ständig
verfügbar und ein gewisser Grad an Transparenz
gesichert ist, ist ebenfalls ein bestimmtes Maß an
Autonomie
und
selbstverständlich
Kontrolle
erforderlich. Dieses Gleichgewicht streben wir an, und
wir sind gespannt auf Ihre Aussprache, um feststellen zu
können, ob die Art, in der wir dieses Gleichgewicht
dargestellt haben, Ihrer Kompromissfähigkeit zu diesen
Spannungslinien entspricht, die unvermeidlich sind, mit
denen wir jedoch in positiver Weise umgehen wollen.
2-044
Medina Ortega (PSE), Verfasser der Stellungnahme
des mitberatenden Ausschusses für Recht und
Binnenmarkt. – (ES) Herr Präsident, ich möchte
zunächst der Kommission für die Vorlage dieser
Mitteilung und Frau Almeida Garrett für ihren Bericht
danken.
Die Kommission wird feststellen, dass substanziell
Übereinstimmung zwischen der Stellungnahme des
Ausschusses für Recht und Binnenmarkt und dem von
Frau Almeida Garrett vorgelegten Text besteht. Im
Bereich der Regulierungsagenturen besteht die Gefahr,
dass wir in den Fehler der USA verfallen und die Zahl
der Agenturen, die völlig autonom und ohne echte
Kontrolle durch die Legislative tätig sind, überhand
nimmt.
Die Absätze 2 und 3 der Entschließung im Bericht von
Frau Garrett sind von großer Bedeutung. Wenn wir
konkret in den strikt regulierenden Bereich eintreten,
dann handelt es sich um eine Legislative und nicht um
eine Exekutive. Folglich möchte ich die Kommission
ersuchen, bei der Abfassung eines Textes mit konkreten
Vorschlägen jeden Bezug zu vermeiden, der die
Übernahme von Legislativbefugnissen durch diese
Agenturen bedeuten könnte. Das heißt, man müsste
dafür sorgen, dass es für jede Art legislativer
Delegierung eine interinstitutionelle Vereinbarung mit
dem Rat und dem Parlament als Legislativgewalt gibt.
21
Zweitens muss ein Auswuchern der Agenturen, seien es
Regulierungsagenturen oder nicht, verhindert werden, da
sie
gegenwärtig
scheinbar
zu
einer
Art
Weihnachtsgeschenk geworden sind, das den
Regierungen jedes Jahr überreicht wird, damit sie in
ihren jeweiligen Hauptstädten sagen können, dass sie aus
institutioneller Sicht etwas erreicht haben.
Was die Rechtsgrundlage und die Tendenz anbelangt,
sich auf Artikel 308 zu berufen, so hätten die
Regulierungsagenturen nur dann Sinn, wenn es eine
konkrete Zuständigkeit der Europäischen Union auf
diesem Gebiet gäbe, aber nicht durch die Schaffung
besonderer Formen mit dem Ziel, diese Art von Kreation
zu rechtfertigen.
Schließlich
ist
es
wichtig,
dass
die
Regulierungsagenturen der gleichen Art von Kontrollen
wie die Kommission unterworfen sind. Angesichts ihrer
Entfernung eigentlich sogar noch mehr.
2-045
Van den Berg (PSE). – (NL) Herr Präsident! Die
Rechtsvorschriften für europäische Agenturen, zu denen
wir uns in dem Bericht der Kollegin Almeida Garrett
äußern, sind ein Thema, das den Kern der Debatte über
die Zukunft Europas trifft, nämlich den Kampf gegen die
Bürokratie in Europa. Gerade jetzt, da sich Europa in
einer Krise befindet, aus der wir uns gemeinsam befreien
müssen, kommt es darauf an, dass wir uns fragen, wie
wir die einzelnen Institutionen der Gemeinschaft, also
auch die derzeitigen und die künftigen Agenturen, in die
demokratische Struktur Europas einbetten können: ein
demokratisches, transparentes und effizientes Europa.
Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, dass 2004
ein entscheidendes Jahr für Europa sein wird. Ein Jahr,
in dem es ungemein wichtig ist, dass wir das Vertrauen
unserer europäischen Wähler zurückgewinnen. Diese
Wählerschaft blickt auf uns und hält Europa für einen
schwerfälligen und bürokratischen Apparat. Dafür tragen
übrigens auch die oft versagenden Staats- und
Regierungschefs eine nicht unerhebliche Verantwortung.
Der Bürger, der vornehmlich die Auseinandersetzungen
zwischen den Staats- und Regierungschefs um
Machtverteilung
und
Geld
sieht,
versteht
selbstverständlich immer weniger, worum es bei dieser
europäischen Zusammenarbeit nun eigentlich geht. Nicht
ohne Grund sprechen wir von einem demokratischen
Defizit in der Europäischen Union, das überwunden
werden muss. Europa ist zu schwerfällig, häufig
ineffizient, für seine Bürger unverständlich und leistet
mithin zu wenig. Das muss sich insbesondere mit Blick
auf die Erweiterung der Union am 1. Mai um zehn neue
Mitgliedstaaten ändern. Deshalb muss in Europa mehr
Effizienz und Demokratie Einzug halten. Wir müssen
die schwerfällige Bürokratie an der Wurzel beseitigen.
Zunächst geschieht dies selbstverständlich mittels
Vorschlägen in der europäischen Verfassung, die
hoffentlich so bald als möglich Wirklichkeit wird, aber
auch bei einem Thema wie dem heutigen, zu dem sich
die Verfassung für Europa nicht äußert, nämlich der
Aufstellung eines Rahmens für europäische Agenturen.
22
Im Mittelpunkt steht die Durchführung wesentlicher
Aufgaben, die mit Gemeinschaftsmitteln finanziert
werden.
Ich möchte einige Dinge herausgreifen, denen meines
Erachtens in diesem Rahmen wesentliche Bedeutung
zukommt. Erstens, direkte Kontrolle durch die
Europäische
Kommission
und
politische
Verantwortlichkeit gegenüber dem Rat und dem
Parlament müssen bei der Einrichtung der europäischen
Agenturen gewährleistet sein, und natürlich müssen die
Leitungen dieser Agenturen unter Androhung der
Kündigung sämtliche Probleme wirklich politischer
Natur unmittelbar dem politisch verantwortlichen
Kommissar vorlegen. Ich bin mir sicher, wir erinnern
uns alle an den Fall Eurostat. Zweitens, die heutige
verwirrende Situation mit nicht weniger als zwölf
verschiedenen Strukturtypen muss durch eine
einheitliche Struktur ersetzt werden, die kontrollierbar
und für jedermann verständlich ist. Drittens, der Sitz
einer Agentur muss nach Kriterien der Effizienz und der
Kosten-Nutzen-Bewertung festgelegt werden. Also kein
Streit um Parmaschinken und schwedische Modells.
Dieser Ansatz gilt nicht nur für neue, sondern auch für
die bestehenden Agenturen. Nur dann gehen wir
ernsthaft gegen Bürokratie vor. Den Bericht der Kollegin
Almeida Garrett unterstützen wir uneingeschränkt.
13/01/2004
Deshalb freue ich mich über den Bericht, den wir heute
behandeln, weil in ihm wichtige und eindeutige
Grundsätze darüber festgelegt sind, wie Beschlüsse über
Agenturen in Zukunft zu treffen sind, in welchem
Rahmen sie tätig werden sollen und wie ihre Stellung im
Verhältnis zu den Organen der EU sein soll. Ich
gratuliere Frau Garrett zu dem guten Ergebnis. Eine
Entscheidung über eine neue Agentur muss transparent
sein und sich auf Analysen der Vor- und Nachteile
stützen. Es muss eine gute Fachkompetenz gewährleistet
sein, und die Gründung einer Agentur darf nicht auf
direktem
Wege
zu
einem
Anstieg
der
Verwaltungsausgaben führen. Wichtig ist die
Festlegung, dass die Verantwortung stets bei der
Kommission liegt, das Parlament eine Kontrollfunktion
ausübt und die Macht nicht von den Agenturen ausgeht.
Der Änderungsantrag der Fraktion der Liberalen und
Demokratischen Partei Europas verdeutlicht dies, und
ich hoffe auf breite Unterstützung dieses Antrags.
2-047
Kuckelkorn (PSE), Verfasser der Stellungnahme des
mitberatenden Haushaltsausschusses. – Herr Präsident!
Als ständiger Berichterstatter für die Agenturen habe ich
der Stellungnahme zu diesem Vorhaben, das
federführend im Ausschuss für konstitutionelle Fragen
behandelt wird, folgende haushaltspolitische Aspekte
hinzuzufügen.
2-046
Jensen (ELDR). – (DA) Herr Präsident, beim Brüsseler
Gipfeltreffen im Dezember 2003 haben die Staats- und
Regierungschefs den Sitz für zehn neue Agenturen
festgelegt, darunter für eine Agentur für IT-Sicherheit.
In der Öresundregion hatten Hochschulen und
Unternehmen auf dänischer und schwedischer Seite ein
Konsortium gebildet und einen Vorschlag dazu
unterbreitet, wie man in der Praxis gute Bedingungen für
die Ansiedlung einer solchen Agentur für IT-Sicherheit
in diesem Gebiet schaffen könnte.
Die Öresundregion verfügt über eine gesunde
Infrastruktur, gute internationale Verkehrsanbindungen,
umfangreiche IT-Einrichtungen und ein gutes Umfeld
für Forschung und Entwicklung in diesem Bereich. Die
Hochschulen würden Einrichtungen zur Verfügung
stellen, um den Mitarbeitern der Agentur engen Kontakt
zur Forschung zu ermöglichen, und es war die
Bereitschaft vorhanden, Gebäude bereitzustellen, die den
Anforderungen der Agentur entsprochen hätten. Kurz
und gut, hier wurde ein Sitz vorgeschlagen, welcher der
Agentur einen schnellen Start in einer Region ermöglicht
hätte, die attraktiv ist für qualifizierte Arbeitskräfte. Ich
weiß, dass auch andere interessante Orte in den
Niederlanden und in Deutschland im Spiel waren. Aber
was ist bei diesen Anstrengungen herausgekommen?
Vergebene Liebesmüh. Die Staats- und Regierungschefs
haben beschlossen, dass diese Agentur in einer Stadt in
Griechenland angesiedelt werden soll. Ich habe
gegenüber Griechenland keinerlei Vorbehalte, aber das
Entscheidungsverfahren ist einfach nicht seriös. Er ist
nicht transparent und für die Öffentlichkeit nicht
nachvollziehbar.
Erstens sollte der Sitz der Regulierungsagentur aus
Kostengründen in der Nähe der Kommission festgelegt
werden.
Zweitens: Die Aufgaben der Regulierungsagenturen
sollen sich auf die Schaffung von abgeleitetem Recht im
Zusammenhang mit Initiativen der Kommission
beschränken und von der Haushaltsbehörde genehmigt
werden.
Drittens halte ich es für wichtig, dass die Autonomie der
neuen Regulierungsagenturen unter direkter Kontrolle
der Kommission wahrgenommen und vom Europäischen
Parlament politisch kontrolliert wird.
Viertens soll ferner festgelegt werden, dass für die
Regulierungsagenturen
alle
Bestimmungen
der
Haushaltsordnung sowie des Beamtenstatuts gelten.
Fünftens schließlich sollte die Kommission, bevor sie
einen Legislativvorschlag zur Errichtung einer
Regulierungsagentur vorlegt, eine Abschätzung der
Auswirkungen auf den Haushaltsplan und der
Rentabilität vorlegen und konkrete Vorschläge für die
Umschichtung und Verwaltung der Personalressourcen
unterbreiten.
(Beifall)
2-048
Leinen (PSE). – Herr Präsident! Die EU soll die
modernste Verwaltung der Welt haben, sagte
Kommissionspräsident Romano Prodi, und wir stimmen
dem zu.
13/01/2004
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen allerdings alle
administrativen Einheiten modernisiert werden, nicht nur
die Hauptverwaltung der Kommission, sondern auch die
nachgeordneten Dienststellen, die Agenturen. Und ich
sehe auch, dass bei der Einrichtung, bei der Organisation
und bei der Kontrolle der EU-Agenturen Wildwuchs
herrscht. Es gibt zu wenig Transparenz, mehrfach auch
weder die nötige Effizienz noch eine adäquate Kontrolle.
Und deshalb brauchen wir für die künftigen Agenturen
eine neue Basis.
Das Parlament verlangt hier in seinem Bericht, dass die
Einrichtung einer Agentur durch Gesetz erfolgt, und
zwar im Wege des Mitentscheidungsverfahrens. Es muss
in Zukunft Normalität werden, dass die Kommission,
das Parlament und der Rat gemeinsam an dieser
Entscheidung beteiligt sind. Teil dieses Rechtsakts zur
Einrichtung muss auch der Sitz der Agentur sein. Da
könnte man jetzt seine ganze Redezeit darauf
verwenden, wie das bei der Lebensmittelagentur war,
zwischen Helsinki und Parma. Das war ein Trauerspiel!
So etwas darf sich nicht wiederholen, und die Kriterien
für den Sitz müssen die Kompetenz sowie die
Kosteneffizienz einer solchen Sitzentscheidung sein.
Wir müssen die Zahl der Agenturmodelle verringern. Es
ist unmöglich, dass wir 15 Agenturen und 12 Typen
dafür haben. Und diese Agenturen unterstehen der
Kommission. Sie darf dann auch den Direktor dieser
Agenturen bestimmen.
Abschließend danke ich Frau Almeida Garrett für diesen
Bericht, und hoffe, dass er durchkommt.
(Beifall)
2-049
Marinho (PSE). – (PT) Herr Präsident! Ich
beglückwünsche Frau Almeida Garrett, deren Bericht
meines Erachtens eine klare und umfassende Analyse
des gesamten Bündels von Fragen die Agenturen
betreffend liefert, von denen ich wegen ihrer Relevanz
folgende ganz kurz hervorheben möchte:
- die dringende Notwendigkeit der Klärung des
geeigneten Rechtsinstruments durch die Kommission zur
Definition der allgemeinen Bedingungen für die
Einrichtung dieser Agenturen, wodurch sich die
Gefahren vermeiden ließen, die Herr Medina Ortega
genannt hat;
- die Notwendigkeit eines uneingeschränkten und
dauerhaften Mitspracherechts des Parlaments bei der
Ernennung der Verwaltungsratsmitglieder und bei der
Kontrolle der Tätigkeit dieser Agenturen;
- die unabdingbare Notwendigkeit, die Rechtmäßigkeit
der Handlungen der Regulierungsagenturen und ihrer
Verwaltungsräte anhand der Bestimmungen im vom
europäischen Konvent erarbeiteten Verfassungsentwurf
zu kontrollieren.
23
Wir hoffen, dass die Kommission die Vorschläge im
Bericht von Frau Almeida Garrett berücksichtigt, den sie
im Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen
verfasst
hat,
und
ich
beglückwünsche
die
Berichterstatterin noch einmal zu der ausgezeichneten
Arbeit, die sie uns vorgelegt hat.
2-050
Lamy, Kommission.  (FR) Herr Präsident, ich werde
mich bemühen, ganz kurz auf die Redebeiträge zu
antworten, die mir von weitgehender Übereinstimmung
und Konsenssuche gekennzeichnet scheinen. Erstens,
was den Geltungsbereich des Textes betrifft, so stellte
Ihre Berichterstatterin vorhin fest, dass sie sich
gewünscht hätte, die Kommission sei etwas
ambitionierter in diesem Stadium.
Gegenwärtig schlagen wir in der Tat nur Instrumente für
die künftigen Regulierungsagenturen vor. Warum? Ganz
einfach, weil wir mit dem anfangen wollen, was sofort
machbar ist, und weil wir den Eindruck haben, wenn wir
uns zunächst darum kümmern müssten, die bestehenden
Agenturen mit ihren ganz unterschiedlichen Charakteren
zu vereinheitlichen, dann wäre es schwierig oder gar
unmöglich, ein wirklich durchgängiges Konzept
anzuwenden. Da wir ein solches Konzept bevorzugen,
wollen wir es zunächst auf die künftigen Agenturen
anwenden.
Zur Art des Rechtsinstruments gibt es meiner Meinung
nach keine Meinungsverschiedenheiten zwischen uns:
erforderlich ist eine Rahmenrichtlinie, wie Sie sie
vorschlagen. Dabei handelt es sich um ein für die
Anwendung von gemeinsamen Prinzipien verbindliches
Instrument, und im vorliegenden Fall brauchen wir
genau das. Ein solches Instrument für die
Regulierungsagenturen hätte zudem den Vorteil, dass es
eine Parallelität mit der vom Rat im Dezember 2002 zur
Rechtsstellung der Exekutivagenturen angenommen
Rahmenrichtlinie aufweisen würde.
Inhaltlich gesehen, ergeben sich meiner Meinung nach
aus Ihrer Aussprache – und ich denke, in diesen Punkten
besteht völlige Übereinstimmung zwischen uns – einige
Grundsätze: Effizienz, Kontrolle, Verantwortlichkeit und
als Krönung des Ganzen der Grundsatz der Sparsamkeit,
den Ihre Berichterstatterin, wie mir scheint, sehr treffend
zum Ausdruck gebracht hat.
Zum Grundsatz der Effizienz sind wir uns einig.
Insbesondere müssen unsere diesbezüglich richtigen
Entschließungen
auf
die
Struktur
und
die
Zusammensetzung der Agenturen angewendet werden.
Wenn die Verwaltungsräte aufgebläht sind und die
Auswahl der leitenden Mitarbeiter Anlass zu endlosem
Tauziehen ist, dann werden wir ganz sicher nicht unser
Ziel erreichen. Es muss also mit der erforderlichen
Konsequenz gehandelt werden, und ich glaube, in
diesem Punkt können wir zusammenarbeiten.
Zweiter
Grundsatz:
Kontrolle.
Sie
haben
übereinstimmend festgestellt, dass diese Agenturen, die
eine Art Außenstellen der Kommission sind, in
24
juristischer, administrativer und finanzieller Hinsicht um
so mehr kontrolliert werden müssen, je weiter sie vom
Sitz der Exekutivbehörde entfernt sind.
Dritter Grundsatz: Verantwortlichkeit. Sie haben
gefordert, und damit sind wir einverstanden, dass die
Kommission die politische Verantwortlichkeit tragen
muss und diese Agenturen, einschließlich der
Regulierungsagenturen,
unter
der
politischen
Verantwortung der Kommission arbeiten, von der Sie
Rechenschaft fordern können müssen, was ja im Übrigen
Ihr Recht und Ihre Pflicht ist.
All dies, und damit komme ich zum Schluss, schließt
auch den Grundsatz der Sparsamkeit ein. So liegt
zuweilen die Versuchung nahe, dieses oder jenes
Problem mit der Gründung einer Agentur lösen zu
wollen. Dieser Versuchung müssen wir gemeinsam
widerstehen. Wir brauchen wirksame Barrieren, um
solchen Wildwuchs zu verhindern. Nach Ihrer
Aussprache scheint mir, dass Ihre Absichten in dieser
Hinsicht vollkommen mit denen der Kommission
übereinstimmen. Ich nehme daher an, dass wir gut mit
Kriterien und Grundsätzen ausgestattet sind, die uns eine
Verbesserung der gegenwärtigen Situation ermöglichen,
die – wie man sagen muss – manchmal schon einem
Teller Spaghetti ähnelt.
13/01/2004
Lassen Sie mich mit unserer eigenen Politik beginnen.
Wie Sie wissen, ist die Kommission nach Cancún in eine
Periode eingehenden Nachdenkens und der Konsultation
Ihres Parlaments, der Mitgliedstaaten, der Sozialpartner
und der Zivilgesellschaft eingetreten. Dies alles hat
Mitte November zu einer Mitteilung über die
Wiederaufnahme des Verhandlungsprozesses geführt,
der – wie wir weiterhin überzeugt sind – von äußerster
Wichtigkeit für die Europäische Union ist. Diese
Mitteilung haben Sie erhalten. Sie ist in Ihrem für
Außenhandel zuständigen Ausschuss beraten worden
wie auch bilateral mit einer Reihe Ihrer Fraktionen.
Ich möchte diese Politik nach dem heutigen Verständnis
zusammenfassen. Sie ist eindeutig. Vor allem
befürworten wir weiterhin nachdrücklich den
Multilateralismus. Er ist nach wie vor die höchste
Priorität der Handelspolitik der Union, und wir
wünschen, dass die Verhandlungen so rasch wie möglich
wieder aufgenommen werden.
Inhaltlich gesehen sind wir in unserer Position zu den so
genannten Singapur-Themen flexibler geworden,
worüber bestimmte Fraktionen in diesem Hause erfreut
sein werden. Auch in der Frage der geografischen
Bezeichnungen und sogar in der der Umwelt haben wir
eine flexiblere Haltung eingenommen, um die
Verhandlungen zu erleichtern.
2-051
Der Präsident.  Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet um 11.30 Uhr statt.
2-052
Perspektiven für die Doha-Runde nach dem Treffen
des Allgemeinen WTO-Rats am 15. Dezember 2003
2-053
Der Präsident.  Nach der Tagesordnung folgt die
Erklärung der Kommission zu den Perspektiven für die
Doha-Runde nach dem Treffen des Allgemeinen WTORates am 15. Dezember 2003.
2-054
Lamy, Kommission.  (FR) Herr Präsident, Sie hatten
den Wunsch, dass wir nochmals Bilanz ziehen über den
Stand der WTO-Verhandlungen zur so genannten
Entwicklungsagenda von Doha nach der Zeit des
Nachdenkens, der Arbeit und der Konsultationen,
welche die Kommission nach dem Scheitern der
Konferenz von Cancún eingeleitet hatte. Es besteht kein
Zweifel, dass sich seit unserer letzten Diskussion zu
diesem Thema, die unmittelbar nach Cancún am
24. September 2003 stattfand, die Situation sowohl auf
Seiten der Union als auch der WTO geändert hat.
Ich werde auf drei Aspekte des Post-Cancún-Prozesses
eingehen: auf unsere Politik nach der Mitteilung der
Kommission vom November letzten Jahres und dem Rat
„Allgemeine Angelegenheiten“, die Situation in der
WTO seit dem 15. Dezember sowie die Aussichten für
2004.
Im Agrarbereich haben wir unseren Wunsch bekräftigt,
den nur schleppend vorankommenden Verhandlungen
neue Impulse zu verleihen, zumal wir seit unseren
eigenen Reformen die Möglichkeit haben, aktiv dazu
beizutragen.
Einige kurze Bemerkungen zu Situation in der WTO,
insbesondere seit der Wiederaufnahme der Arbeiten am
15. Dezember. Positiv zu vermerken ist, dass nach
Cancún, wo sich einige leichte, wenn nicht gar ernsthafte
Meinungsverschiedenheiten zur Notwendigkeit der
Weiterführung der Verhandlungen gezeigt hatten, nun in
der WTO Einmütigkeit darüber herrscht, dass sie auf
jeden Fall weitergeführt werden müssen. Dies ist eine
gute Nachricht. Doch wird dies zu einem
Verhandlungstempo führen, das nach unserer
Einschätzung ermöglicht, 2004 ehrgeizige Ziele zu
erreichen? Um das sagen zu können, ist es noch zu früh.
Nun zum dritten Punkt, den Verhandlungsaussichten für
2004. Die wirkliche Herausforderung besteht meiner
Meinung nach nicht in der Wiederaufnahme der
Gespräche. Darüber besteht Einigkeit, und der Prozess
läuft bereits. Die wirkliche Herausforderung besteht
darin, mit dem erforderlichen Tempo, der notwendigen
Energie und Ambition zu verhandeln.
Zunächst wird es in Genf eine technische Phase von
einem oder zwei Monaten geben. Diese technische Phase
muss unbedingt so rasch wie möglich in eine politische
Phase einmünden, in der die einzelnen Minister sich
nochmals zum Zeitplan und zum Inhalt der
Schlussverhandlungen äußern können. Dafür hat sich die
13/01/2004
Europäische Union seit Mitte Dezember nachdrücklich
eingesetzt.
Wir sind erfreut darüber, dass sich uns in dieser Frage
die Amerikaner Ende letzter Woche angeschlossen
haben, denn mein amerikanischer Amtskollege selbst hat
sich für eine definitive Wiederaufnahme der Beratungen
in Genf ausgesprochen und dabei – wie wir dies auch
unsererseits getan haben – die Möglichkeit zu größerer
Flexibilität in einigen Fragen zum Ausdruck gebracht.
Dies ist, wie ich meine, eine positive Wendung. Sie
ermöglicht es, die hier und da geäußerte Auffassung zu
widerlegen, dass die Verhandlungen 2004, da dies ein
Wahljahr in den USA ist, sozusagen auf Eis gelegt
würden. Glücklicherweise hat mein amerikanischer
Amtskollege diese pessimistischen Voraussagen
entkräftet.
Was werden wir in den kommenden Wochen tun? Wir
werden
zunächst
unseren
Dialog
mit
den
Entwicklungsländern fortsetzen, insbesondere mit den
Ländern der G20 und der G90. Ich habe selbst die
erforderlichen Initiativen ergriffen und bin Mitte
Dezember nach Südamerika gereist. Wir werden den
dabei, wie ich meine, nutzbringend eingeleiteten Dialog
fortsetzen, was auch für die G90 gilt. Nächste Woche
werde ich in Bangladesch, in Indien und Indonesien sein,
um mit diesen Ländern, die zweifellos ausschlaggebende
Verhandlungspartner sind, über die einzelnen Themen
zu diskutieren.
Wie bereits gesagt, kommt es jetzt darauf an zu prüfen,
ob zu den Agrarfragen, zu den Industriezöllen, zu den
Dienstleistungen und den Singapur-Themen, die wir als
vorrangig erachten, d. h. Handelserleichterungen und
Transparenz der öffentlichen Aufträge, rasche
Fortschritte möglich sind. Ich habe den Eindruck, dass
auf allen Seiten, zumindest was die USA und Europa
betrifft, ausreichender Handlungsspielraum vorhanden
ist. Wir müssen jetzt darauf hinwirken, dass Brasilien,
Südafrika, Indien, China und unsere japanischen
Freunde die Verhandlungen mit ebenso viel Energie
angehen, wie wir dies tun werden.
Kurz gesagt, die Botschaft, zu der ich möchte, dass Sie
sich klar äußern, die Botschaft der Kommission besteht
darin, dass wir wünschen – und wir denken, dass dies zu
schaffen ist –, im Jahr 2004 einen Großteil dessen
aufzuholen, was wir 2003 in Cancún nicht erreichen
konnten,
2-055
Fischler, Kommission.  Sehr geehrter Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten,
meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur
einige Anmerkungen aus agrarischer Sicht zu dem, was
mein Kollege Pascal Lamy bereits ausgeführt hat,
machen. Sie haben gehört, welche Schritte die
Kommission unternommen hat, um einen relaunch der
Verhandlungen zu erreichen, und es war sicher
enttäuschend, dass die WTO-Mitglieder nicht schon im
Dezember in Genf in der Lage waren, die
Verhandlungen über die Entwicklungsagenda wieder
25
aufzunehmen. Mein Eindruck von den Umständen im
Vorfeld des Treffens in Genf vom 15. Dezember ist,
dass es unter anderem auch an der Art des Verfahrens
gelegen hat. Die WTO-Mitglieder haben nicht direkt
miteinander verhandelt, sondern alles lief über
Vermittlung des Vorsitzenden des Allgemeinen Rates
der WTO. Dieses Vorgehen war sicher einer Einigung
nicht besonders förderlich. Davon bin ich umso mehr
überzeugt, als ich kurze Zeit später am Rande der FAOKonferenz in Rom zahlreiche Minister getroffen habe,
die ebenfalls bedauerten, dass keine Direktkontakte
stattgefunden hatten, und dass sie solche erwartet hätten.
Meine Schlussfolgerung ist, dass wir für eine Einigung
auf jeden Fall mehr Gespräche und noch intensivere
Bemühungen unter den Mitgliedern der WTO brauchen
und dass dies unbedingt notwendig ist. Wie schon Pascal
Lamy gesagt hat, werden wir auf unserer Seite alles tun,
damit das Jahr 2004 kein verlorenes Jahr ist. Wir werden
hier eine besonders aktive Rolle spielen.
Zur inhaltlichen Seite ist zu sagen, dass wir nicht um
jeden Preis jeden Rahmen für Verhandlungsmodalitäten
akzeptieren können. Grundbedingung ist für uns, dass
dieser Rahmen Geist und Inhalt der Doha-Erklärung
widerspiegelt. Dazu gehört unter anderem auch erstens,
dass die am meisten handelsverzerrenden amber-boxMaßnahmen stärker eingeschränkt werden als die
weniger handelsverzerrenden blue-box-Maßnahmen.
Zweitens müssen bei den Erörterungen über den
Ausfuhrwettbewerb
alle
Formen
von
Ausfuhrsubventionen parallel angegangen werden. Wie
Sie wissen, sind wir in der Debatte über die
Ausfuhrsubventionen in die Offensive gegangen, indem
wir vorgeschlagen haben, bei einer Reihe von
Erzeugnissen, die für die Entwicklungsländer von
Bedeutung sind, alle Formen von Ausfuhrsubventionen
auslaufen zu lassen. Wir warten noch immer auf eine
Antwort auf dieses Angebot. Gleichzeitig müssen wir
feststellen,
dass
bei
anderen
Formen
der
Exportsubventionen immer noch die Bereitschaft fehlt,
vergleichbare
Verpflichtungen
einzugehen.
Beispielsweise hat der Canadian Wheat Board – soweit
ich weiß – seine jüngsten Verluste von der kanadischen
Regierung ausgeglichen bekommen. Argentinien zum
Beispiel nützt die differenzierten Ausfuhrabgaben auf
Sojabohnen und Sojabohnenmehl als indirekte
Subvention für den Bau der größten Sojamühle. Die
USA verwenden weiter Nahrungsmittelhilfen zum
Abbau ihrer Überschüsse. Wir haben hier von Anfang an
klar gestellt, dass im Ausfuhrwettbewerb alle
Maßnahmen parallel behandelt werden und auch
denselben Disziplinierungsgrad aufweisen müssen.
Daran werden wir weiter arbeiten.
(Beifall)
2-056
Van Velzen (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Zunächst
mein Dank an die beiden Kommissare für ihre
Anstrengungen sowie für die Punkte, die sie hier
angesprochen haben. Die Fraktion der Europäischen
26
Volkspartei (Christdemokraten) und der europäischen
Demokraten weiß Ihr Engagement und Ihre
Bemühungen sehr zu schätzen, die darauf ausgerichtet
sein müssen, dass 2004 mehr Erfolg beschert ist als
2003.
Ich teile den Standpunkt des Herrn Kommissars
insofern, als es nötig ist, die Mitgliedstaaten besser über
das Angebot zu informieren, das die Europäische Union
auf dem Gebiet der Landwirtschaft unterbreitet hat.
Bereits in Cancún hat sich gezeigt, dass die Menschen
nicht daran glaubten, und ich halte es für nützlich und
nötig, dieses Angebot weiterhin zu erläutern. Mir fällt
auf, dass Herr Zoellick zwar eine große Geste macht,
aber noch unklar ist, was er nun genau vorschlägt.
Selbstverständlich begrüßen wir, dass sich die USRegierung in diesem Punkt nunmehr flexibler zeigt,
gleichwohl möchte ich von den beiden Kommissaren
wissen, ob dies beispielsweise auch für Baumwolle gilt.
Denn so weit mir bekannt, ist die Position der USA
bezüglich Baumwolle nach wie vor recht starr. Vielleicht
können Sie uns dazu Näheres berichten?
Zudem frage ich mich, inwieweit Japan derzeit bereit ist,
seine Politik in Bezug auf Reis zu lockern, denn
bekanntlich stellte Reis in Cancún ein weiteres
Hindernis dar. Möglicherweise können Sie dazu näher
ins Detail gehen?
Die
Fraktion
der
Europäischen
Volkspartei
(Christdemokraten) und der europäischen Demokraten
vertritt die Auffassung, dass das Angebot, das wir im
Agrarbereich unterbreitet haben und das sogar die
Möglichkeit zum Abbau der Ausfuhrbeihilfen auf
nahezu Null sowie nunmehr auch die Lockerung bei den
geographischen Bezeichnungen umfasst, ausreicht, um
in die Verhandlungen einzutreten. Zudem begrüßen wir,
dass das Angebot in einem breiteren Kontext gesehen
wird und wir nicht nur die Landwirtschaft betrachten,
sondern auch die Dienstleistungen und die SingapurFragen. Leider werden wir auch akzeptieren müssen,
dass darin eine gewisse Form von Flexibilität steckt.
Nach meinem Dafürhalten dürfte das jetzt vorliegende
Paket jedoch hinreichend Spielraum bieten, um die
Verhandlungen aufzunehmen.
Ein wenig auf der Strecke bleibt die ganze Diskussion
über eine Art Reformierung der WTO. Wie wir alle
wissen, hat Cancún auch gezeigt, dass die Organisation
nicht wie bisher weiterarbeiten kann. Dies wird dann
hoffentlich in das Paket aufgenommen. Kommissar
Lamy richtete an uns die Frage, ob wir ihm freie Hand
lassen, damit er mit dem Paket, wie er es vorgeschlagen
hat, in die Verhandlungen eintreten kann. Im Namen der
EVP-ED-Fraktion kann ich ihm rundheraus antworten:
Ja, wir sind dafür.
13/01/2004
zügiger Wiedereintritt liegt im Interesse aller Teile der
Welt. Wir müssen unsere Entwicklungsversprechen
wahr machen, die über das Ziel hinaus geschossenen
Agrarsubventionen stoppen und sie stattdessen für die
Umwelt, für die Verbraucher und für eine
Landwirtschaft
verwenden,
die
für
die
Entwicklungsländer von Vorteil ist. Die europäische
Handelsagenda muss den Bürgern näher gebracht
werden.
Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas
will einer Agenda der Bürger mehr Priorität einräumen,
die da lautet: Gegenkraft. Der Bürger will an seinem
Arbeitsplatz mehr Schutz vor unlauterem Wettbewerb –
alle Achtung in diesem Zusammenhang für Ihr
Engagement gegen die USA im Stahlkrieg und gegen
Südkoreas unlautere Schiffswerftbeihilfen. Der Bürger
wünscht sich zudem Achtung für die Natur und Umwelt
sowie eine verbraucherfreundliche Landwirtschaft: keine
Tiertransporte, Qualität vor Quantität und Respekt für
die Natur. Er will soziale Macht. Er will keine
Erzeugnisse, die durch die Ausbeutung von Frauen oder
durch Kinderarbeit entstehen. Er will Unterstützung für
Fair Trade-Artikel und freie Gewerkschaften.
Mit unserem ergänzenden APS-Ansatz können wir
Ländern zusätzliche Hilfe leisten, die Bildung,
Gesundheitsfürsorge und freie Gewerkschaften ernst
nehmen, aber dafür wünschen wir uns ein multilaterales
Vorgehen. Dieser Ansatz würde es jedoch mit sich
bringen, dass wir die Singapur-Fragen in dem Sinne
fallen lassen, dass wir sie aus dem „Single Undertaking“
herausnehmen. Jetzt ist der rechte Zeitpunkt dafür. In der
Realität sieht es jedoch so aus, dass zahlreiche
Entwicklungsländer der Meinung sind, wir wollten dies
ebenso wie die USA nicht ernsthaft. Insbesondere im
Agrarbereich und bei den Singapur-Fragen ist die
Botschaft nicht richtig durchgedrungen. Gegenüber der
neuen Allianz werden wir uns hoffentlich großzügig
zeigen und die Ausfuhrbeihilfen für Produkte stoppen,
die für sie sensibel sind, unsere Märkte öffnen und bei
der Vermarktung ihrer Erzeugnisse in ihrer eigenen
Region und auf unserem Markt Hilfestellung leisten.
Über die G-21 müssen wir uns, wie Sie selbst sagen, im
Klaren sein. Die neue aufstrebende Weltmacht brauchen
wir zwar als multilateralen Akteur, aber die G-21 sollten
auch wissen, dass sie dann, wenn sie an uns Forderungen
stellen, auch ihren Teil dazu beitragen müssen. Sie
müssen ihren Bürgern das Recht auf freie
Gewerkschaften garantieren sowie der Kinderarbeit und
der Ausbeutung von Frauen ein Ende setzen. Weshalb
sollten sie nicht die Ersten sein, die dieser neuen Allianz
eine Chance geben, wie wir es mit „Alles außer Waffen“
getan haben, und es ihren Ländern gestatten,
Erzeugnisse einzuführen? Dadurch würde Lulas Agenda
glaubwürdig.
2-057
Van den Berg (PSE). – (NL) Herr Präsident, sehr
geehrter Herr Kommissar! Sie kennen die Position der
Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas. Ein
baldiger Wiedereintritt in die Doha-Agenda liegt im
Interesse einer Konjunkturbelebung in Europa. Eine
Europas Engagement für erschwingliche AIDSArzneimittel hat letztlich Früchte getragen. Daran hat
Europa erkennen lassen, dass es nicht auf kurzfristige
Gewinne für sich selbst aus ist, sondern dass es ihm um
den breiteren Kontext geht. Durch diesen Ansatz für
13/01/2004
einen globalen freien Markt mit fairen Regeln gewinnen
wir erheblich an Glaubwürdigkeit. Mit der zügigen
Umsetzung dieses Konzepts in den Mitgliedstaaten und
der Europäischen Union steuern wir meiner Meinung
nach in die richtige Richtung.
2-058
Plooij-van Gorsel (ELDR). – (NL) Herr Präsident! Die
Sitzung heute Morgen scheint ein privates
Plauderstündchen der Niederländer zu werden, also
fahren wir doch einfach fort. Immerhin sind die
Niederlande eine Handelsnation par excellence.
Im September während der Aussprache hier im
Parlament über das Scheitern der Verhandlungsrunde in
Cancún habe ich den Kommissaren Lamy und Fischler
bereits im Namen der Fraktion der Liberalen und
Demokratischen Partei Europas meine Unterstützung für
eine
baldige
Wiederaufnahme
bekundet.
Multilateralismus bleibt dabei der am besten gangbare
Weg hin zu einem globalen freien Markt, und der
Abschluss bilateraler Abkommen gereicht den kleineren
Ländern und den Entwicklungsländern zum Nachteil.
Diese Länder profitieren doch von allgemeinen
Standards, die weltweit gelten.
Die Kommission betrachtet die Reform der WTO als
weitere Priorität, und darin gehe ich mit Kommissar
Lamy konform, denn die Art und Weise, wie die
Organisation derzeit arbeitet, ist verbesserungsbedürftig
und im Jahr 2004 nicht mehr angemessen. Gleichwohl
sollte er bedenken, dass es die Mitglieder waren, die die
Verhandlungen haben platzen lassen. Mithin geht es vor
allem darum, bei den WTO-Mitgliedern für eine
konstruktive Unterstützung für die Fortsetzung der
Doha-Runde zu werben. Angesichts der USamerikanischen Präsidentschaftswahlen in diesem Jahr
wird es nicht leicht fallen, weil die Kampagnen
wahrscheinlich vor protektionistischer Rhetorik strotzen
werden.
Eine stärkere Rolle des Sekretariats in Genf und des
Generaldirektors halte ich für einen Schritt in die
richtige
Richtung.
Der
Generaldirektor
muss
Initiativrecht erhalten, um die Mitgliedstaaten zu mehr
Unterstützung und mehr Engagement zu bewegen, damit
die Verhandlungen wieder auf den rechten Weg gebracht
werden und damit auch die Mitglieder an den
getroffenen Vereinbarungen festhalten. Einem solch
gestärkten Mandat des Generaldirektors sollte dann
allerdings demokratische Kontrolle durch eine
parlamentarische Versammlung gegenüberstehen.
In Cancún haben wir dazu mittels einer
parlamentarischen Konferenz einen weiteren kräftigen
Anstoß gegeben. Das muss fortgesetzt werden, denn
diese demokratische Kontrolle können wir wirklich nicht
den NRO überlassen. Erstens besitzen sie nicht die
demokratische Legitimation, und zweitens hat Cancún
abermals gezeigt, dass diese Organisationen nicht gerade
ein Gelingen der Verhandlungsrunde anstreben.
27
Inhaltlich sollte die derzeitige Agenda meines Erachtens
erhalten bleiben, und den Singapur-Fragen und dem
Marktzugang kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.
Gerade Entwicklungsländer profitieren von einem
günstigen Investitionsklima, dem Zurückdrängen der
Einfuhrabgaben und transparenten Rechtsvorschriften.
Den Ländern im Süden kommen Erleichterungen im
Handelsverkehr zugute, 80 % aller Einfuhrabgaben
zahlen tatsächlich die Entwicklungsländer untereinander.
Allerdings muss die Europäische Union andere
Mitglieder auch gezielter informieren, wie mein Kollege
van Velzen bereits ausgeführt hat. Schließlich gibt die
Fraktion der Liberalen und Demokratischen Partei
Europas den Kommissaren Lamy und Fischler freie
Bahn, um ihre Strategie und das vorgeschlagene Paket
auf diesem Gebiet an den Mann zu bringen und auf
diesem Weg fortzufahren.
2-059
Der Präsident.  Frau Kollegin! Einmal Pfefferhandel,
immer Pfefferhandel!
2-060
Figueiredo (GUE/NGL). – (PT) Herr Präsident! Ich bin
dankbar dafür, dass wir jetzt diese Debatte führen, die
wir gefordert haben, auch wenn die anderen Fraktionen
zum meinem Bedauern nicht zugelassen haben, dass zu
den Verhandlungen in der Welthandelsorganisation ein
Entschließungsantrag vorgelegt werden konnte.
Der gescheiterte Versuch einer Einigung auf dem WTOMinistertreffen in Cancún bestätigt nur, dass die
derzeitigen Maßnahmen zur Handelsliberalisierung
gestoppt und umgekehrt werden müssen. Wir müssen
Maßnahmen durchführen, die faire und gleichberechtigte
Handelssysteme fördern und auf die nachhaltige
Entwicklung des wahren Potenzials jedes Landes
gerichtet sind, ohne Beziehungen der Dominanz und
Abhängigkeit aufzuzwingen, und die auch auf die
dringend
gebotene
Verbesserung
der
Lebensbedingungen der Völker der Welt sowie auf die
Stärkung ihrer Rechte und ihres sozialen Besitzstands
abzielen. Doch das gegenwärtige Mandat der
Kommission steht dem entgegen. Die soziale
Mobilisierung, die weltweit ihren Ausdruck in großen
Veranstaltungen gegen die WTO und ihre verschiedenen
Vorhaben, speziell gegen das qualitativ hochwertige
öffentliche
Dienstleistungen
gefährdende
Dienstleistungsabkommen, fand, insbesondere auch auf
dem Europäischen Sozialforum, ist ein Beleg dafür, dass
wir das Mandat der Kommission überprüfen müssen.
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die Europäische
Union in wesentlichen Verhandlungsgebieten, speziell
der
Landwirtschaft,
der
Liberalisierung
der
Dienstleistungen, den „neuen Singapur-Fragen“,
Investitionen, Wettbewerb und beim öffentlichen
Beschaffungswesen weiter auf die Seite der Vereinigten
Staaten von Amerika schlägt. Ebenfalls Rechnung zu
tragen ist solchen Bereichen, die für die Textil- und
Bekleidungsbranche wichtig sind, insbesondere in den
südeuropäischen Ländern wie Portugal, um die
Beschäftigung und Entwicklung in den großen
Landstrichen zu sichern, für die diese Branchen
lebenswichtig sind.
28
Deshalb halten wir daran fest, dass das gegenwärtige
Mandat überprüft werden muss, um katastrophale
soziale und ökologische Folgen der Handelssysteme zu
vermeiden, die die WTO errichtet hat. Wir wollen einen
fairen und gleichberechtigten Handel, der auf
Entwicklung, Volksgesundheit, Schutz der Umwelt und
kulturelle Vielfalt abstellt. Wir müssen die Gelegenheit
nutzen,
die
sich
mit
dem Scheitern
der
Einigungsversuche in Seattle, Cancún oder jetzt in Genf
bietet, und die von der Kommission unterbreiteten
Vorschläge überprüfen und dieser so notwendigen
Ausgewogenheit Rechnung tragen. Daher meine Frage
zur Bereitschaft der Europäischen Kommission, ihr
gegenwärtiges
Mandat
zu
überprüfen
und
Verhandlungen unter neuen Rahmenbedingungen zu
führen, bei denen die Prinzipien zum Tragen kommen,
die ich gerade genannt habe.
2-061
Lannoye (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, ich hatte
bereits Gelegenheit, in der Ausschusssitzung Kommissar
Lamy gegenüber meine Enttäuschung über die neuen
Vorschläge der Kommission und letztlich den
Standpunkt des Rates, der diese Vorschläge bestätigt hat,
zu äußern.
Angesichts der eindringlichen Worte, die er nach dem
Scheitern von Cancún geäußert hatte, hatte ich nämlich
erwartet, dass die Kommission eher an Vorschläge zu
einer tief greifenden Umgestaltung des internationalen
Handelssystems dachte, aber nicht an eine einfache
taktische Neupositionierung. Anstatt eines strategischen
Wandels ist nun also von einer taktischen
Neupositionierung die Rede. Hinsichtlich der SingapurThemen berichtet Kommissar Lamy von einer größeren
Flexibilität der Kommission, die sich bereits ganz am
Ende des Prozesses von Cancún gezeigt hatte, was
meiner Meinung nach viel zu spät war. Doch geht es
heute noch um Flexibilität?
Ich möchte nämlich daran erinnern, dass laut der
Erklärung von Doha die einstimmige und ausdrückliche
Zustimmung zu den Verhandlungsmodalitäten für diese
Themen erforderlich ist. Wir wissen jedoch, dass eine
solche Zustimmung unter den gegenwärtigen Umständen
nicht zu erreichen ist. Die G90-Länder, die die ärmsten
sind, haben ihre Ablehnung gegenüber der Einleitung
von Verhandlungen über die Singapur-Themen
bekräftigt. Meiner Meinung nach liegt es auf der Hand,
dass diese Länder von solchen Verhandlungen nichts für
ihre Entwicklung zu erwarten haben; ihre Prioritäten
sind andere, und das ist nachvollziehbar. Sowohl
technisch als auch im Hinblick auf die Humanressourcen
sind diese Länder nicht in der Lage, eine effektive Rolle
in solchen Verhandlungen zu spielen, was den Zeitplan,
der nach allgemeiner Meinung schon knapp genug
bemessen ist, nur noch zusätzlich belasten würde. Ich
denke, wenn die Europäische Union die SingapurThemen vorläufig beiseite lassen oder auf jeden Fall
ausklammern
würde,
dann
würde
sie
ein
nachdrückliches und bedeutsames Signal in Richtung der
G90 aussenden, um ihnen zu zeigen, dass wir
13/01/2004
Verständnis für ihre Anliegen haben. Eine solche
Haltung wäre auch strategisch klug, da sie die
Europäische Union in eine positivere Position im
Agrarbereich versetzen würde, was uns einen größeren
Spielraum verschaffen würde.
Was die Landwirtschaft ansonsten betrifft, so ist der
Rahmen der Welthandelsorganisation meines Erachtens
nicht geeignet, um die Rechte und Pflichten eines jeden
zu behandeln. Es wäre wichtig und dringlich, einen
Dialogprozess mit einer Organisation wie der FAO
wieder in Gang zu bringen, um sachlich über die
Ernährungssicherheit und den Schutz sowie die
Entwicklung des ländlichen Raums diskutieren zu
können. Ich denke insbesondere, dass eine dringliche
Problematik wie die der Baumwolle, die in Cancún
angesprochen wurde, von Seiten der Europäischen
Union absolute Priorität erhalten sollte, und ich wäre den
Kommissaren dankbar, wenn sie dies berücksichtigen
würden.
2-062
Hyland (UEN). – (EN) Herr Präsident, wir begrüßen die
jüngste Ankündigung der Amerikaner, dass sie erneut
den multilateralen Weg einschlagen wollen. Nach dem
Scheitern der Gespräche in Cancún gab es Besorgnis
erregende Anzeichen dafür, dass die USA den
multilateralen Ansatz aufgeben und weltweit eine Reihe
bilateraler Abmachungen erzwingen würden.
Im Zusammenhang mit den WTO-Gesprächen bereitet
mir die Agrarwirtschaft besondere Sorge. Die
diesbezüglichen Äußerungen der Amerikaner finde ich
beunruhigend, und ich glaube, dass sie versuchen, die
Spielregeln in Bezug auf die Agrarwirtschaft zu
verändern. Die europäischen Landwirte haben sich zu
Reformmaßnahmen bereit erklärt, die mit gewaltigen
Umwälzungen in diesem Sektor verbunden sein werden,
aber zumindest wissen sie, was auf sie zukommt. Der
Vorschlag, die im letzten Jahr in Luxemburg erzielte
Einigung neu zu verhandeln, ist völlig inakzeptabel.
Unsere Landwirte brauchen agrarpolitische Stabilität,
damit sie die Zukunft ihrer Betriebe und damit den
Lebensunterhalt ihrer Familien planen können. Es kann
überhaupt nicht angehen, dass wir unter dem Druck der
Amerikaner die Verpflichtungen, die wir mit unseren
Landwirten eingegangen sind, in irgendeiner Weise
zurücknehmen. Ich fordere die Kommission auf, klar
und deutlich zu erklären, dass sie einen derartigen Druck
nicht dulden und dass sie die bestehende Einigung
konsequent verteidigen wird.
Abschließend möchte ich die Kommission zudem daran
erinnern, dass sie kein Mandat zu Verhandlungen im
Hinblick auf die Abschaffung der derzeitigen
Ausfuhrerstattungen hat. Wir dürfen nicht zulassen, dass
die
Amerikaner
die
Abschaffung
der
Ausfuhrerstattungen fordern, während sie weiterhin im
Rahmen einer Vielzahl von Programmen Maßnahmen
ergreifen, die für die amerikanischen Farmer
gleichbedeutend mit Ausfuhrerstattungen sind.
2-063
13/01/2004
Belder (EDD). – (NL) Herr Präsident! Schon früher
habe ich in diesem Hause angemerkt, christliche
Nächstenliebe
verpflichte
dazu,
in
der
Entwicklungsagenda einen konstruktiveren Ansatz zu
verfolgen. Gestatten Sie mir in diesem Lichte einige
Bemerkungen zu der vorliegenden Strategie.
Erstens, die Landwirtschaft. Vor Cancún hat die EU mit
den Vereinigten Staaten einen Rahmen vereinbart. Der
US-amerikanische Handelsvertreter, Herr Zoellick,
sprach sich dieser Tage für eine Wiederaufnahme der
Verhandlungen in der gegenwärtigen Handelsrunde aus.
Wie ich annehme, befindet sich der Kommissar mit ihm
in Konsultationen, um einen Rahmen mit klaren Zusagen
zu schaffen.
Ein zweites Element der Doha-Agenda ist die
Herstellung und Einfuhr patentfreier Arzneimittel für
Entwicklungsländer, die eine schwer wiegende
Gesundheitskrise durchmachen. Das komplizierte
Einfuhrverfahren für die preisgünstigen Arzneimittel
muss vereinfacht werden. Die USA handeln hier
strategisch, so dass wir mit ihnen eine besser
funktionierende Lösung vereinbaren müssen. Die
notwendige Klarstellung in diesem Punkt vermisse ich in
der Kommissionsvorlage.
Schließlich
ist
diese
Handelsrunde
eine
Entwicklungsrunde. Der Fokus der Verhandlungen darf
nicht auf den Singapur-Fragen, sondern muss stattdessen
um so mehr auf den Entwicklungsthemen liegen.
2-064
Della Vedova (NI). – (IT) Herr Präsident, Herr
Kommissar Lamy, Herr Kommissar Fischler! Die
multilateral ausgerichtete Strategie der Kommission
findet meine Wertschätzung und meine Unterstützung.
Europa ist viel mehr als die USA auf multilaterale
Stützpunkte zum Ausbau des Welthandels angewiesen.
In einem Punkt, Herr Präsident, meine Herren
Kommissare, bin ich jedoch völlig anderer Meinung.
Kommissar Lamy sagte, im Agrarbereich wolle man die
Verhandlungen wieder aktivieren und die Europäische
Union sei nicht mehr in der Defensive. Politisch halte
ich dies nicht für ganz richtig. Gewiss, auch die
Vereinigten Staaten haben das Problem des
Agrarprotektionismus, ebenso wie Japan; Europa bildet
aber weiterhin den Eckpfeiler des weltweiten Systems
protektionistischer und staatlicher Stützmaßnahmen für
die Landwirte der reichen Länder. Die so genannte
Reform hat diesbezüglich keine ausreichenden
Fortschritte erbracht. Ein Blick auf die Haushalte der
Europäischen Union genügt: weiterhin geben wir 40 %
des Unionshaushalts zur Unterstützung und zum Schutz
der reichen Landwirte aus, die einen rückläufigen Sektor
der europäischen Wirtschaft repräsentieren.
Haben manche möglicherweise noch nicht begriffen,
dass wir über die Zukunft des internationalen Handels
Europas sprechen? Müssen wir diese Diskussion mit
Kommissar Lamy und – das hat uns gerade noch gefehlt!
– mit Kommissar Fischler führen? Ich habe nichts gegen
29
Kommissar Fischler persönlich; wir haben hier aber den
Vertreter der Kommission, oder des Rates, für die
Landwirtschaft – und nicht für die Technologie oder die
Industrie. Wie ist das möglich?
Bei den Verhandlungen über den Welthandel Europas,
Herr Präsident, stellt die Landwirtschaft weiterhin ein
Hindernis dar, und der Agrarprotektionismus ist für die
Europäische Union noch schädlicher als für die
Entwicklungsländer.
2-065
Schwaiger (PPE-DE). – Herr Präsident! Wenn wir als
EVP-ED-Fraktion auch heute wieder die beiden
Kommissare in ihrer Verhandlungsposition unterstützen,
bedeutet dies, dass wir natürlich auch dafür sind, dass
alle sich bewegen, wenn Verhandlungen über die
Landwirtschaft stattfinden, dass auch tatsächlich
Verhandlungen stattfinden, und dass die anderen parallel
zu uns ihre Reformen nicht nur ankündigen, sondern
auch umsetzen. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt: Wenn wir nun die Kommission und
den Rat in dem Mandat unterstützen, bedeutet dies auch,
dass wir als Europäisches Parlament konsequent bleiben
müssen. Es geht also nicht an, dass wir hier eine große
Mehrheit für die Unterstützung der Kommission haben
und auf der anderen Seite in der Paritätischen
Versammlung von der gleichen Fraktion und vom
gleichen Berichterstatter Berichte vorbereitet werden,
die im diametralen Gegensatz zu dem stehen, was wir
gegenüber der WTO vertreten haben. Ich beziehe mich
auf die Verhandlungen über die regionalen
Partnerschaftsabkommen, und da müssen die gleichen
Prinzipien gelten, die auch z. B. die Singapur-Fragen
einbeziehen. Ganz wichtig ist für uns die beiderseitige
Öffnung der Märkte und natürlich auch die besondere
Behandlung unserer AKP-Freunde. Wir können
jedenfalls nicht mit doppelter Zunge sprechen, und wir
werden als EVP und vielleicht auch mit anderen
Kollegen, die eine Mehrheit im Europäischen Parlament
bilden, darauf achten, dass wir dabei kohärent sind.
Der dritte Punkt: Wir müssen versuchen, wenn wir nun
unsere parlamentarische Dimension aktivieren, als
Europäisches Parlament eine wichtige führende Rolle zu
spielen, wobei wir – so schwierig es auch ist – immer
wieder unsere Partner aus dem Amerikanischen
Kongress einbeziehen. Das sind auch unsere großen
Handelspartner, und wir wollen uns nicht nur in das
Schlepptau der Inder und der Chinesen begeben.
2-066
Désir (PSE). – (FR) Herr Präsident, zunächst möchte ich
eine Bemerkung aufgreifen, die Frau Plooij vorhin über
die große Anzahl niederländischer Redner gemacht hat,
und unterstreichen, dass ich mich nicht nur deshalb, weil
mein Vorname niederländischer Herkunft ist, was in der
Tat zutrifft, an der heutigen Aussprache beteilige,
sondern weil ich meine, dass uns allen als Abgeordnete
der Europäischen Union sehr viel an der
Wiederaufnahme
der
multilateralen
Handelsverhandlungen gelegen ist.
30
Meiner Meinung nach, meine Herren Kommissare,
besteht das herausragendste Element der Mitteilung von
26. November, die Sie dem Rat vorgelegt haben, in der
Wende zu den Singapur-Themen. Wie Kommissar Lamy
bemerkte, gehöre ich zu denen in diesem Haus, die stolz
darauf sind, Sie darauf hingewiesen zu haben, dass die
Verhandlungen über die Singapur-Themen den ganzen
Prozess unnützerweise belasten. Ebenso wie Herr
Lannoye bin ich der Meinung, dass die WTO nicht das
geeignete Gremium ist, um über bestimmte dieser
Themen zu verhandeln.
Ich möchte Ihnen lediglich sagen, wie bedauerlich es
heute wäre, zu wenig und zu spät zu handeln. Sie haben
selbst am Ende der Konferenz von Cancún feststellen
können: Als sie am letzten Tag erklären wollten, dass
Sie bereit sind, einige dieser Themen fallen zu lassen,
war das Vertrauen nicht mehr da und dieser Schritt
reichte nicht mehr aus, um die Gespräche wieder in
Gang zu bringen.
Heute sind Sie bereit, einige der Singapur-Themen – die
Investitionen, den Wettbewerb – aus dem „Single
Undertaking“,
d. h.
dem
Prinzip
der
Gesamtverpflichtung, herauszunehmen, während Sie sie
gleichzeitig über multilaterale Vereinbarungen, die Sie
aushandeln wollen, im Verhandlungskontext belassen
wollen. Aber damit werden Sie nur Misstrauen und
Feindseligkeit ernten. Ich denke, dass vielmehr alle
Anstrengungen unternommen werden müssten, um das
Vertrauen zwischen der Europäischen Union und den
Entwicklungsländern wieder herzustellen.
13/01/2004
Widerspruch zum Geist von Doha, der gerade darin
bestand, gegenüber unseren Partnern in den
Entwicklungsländern
anzuerkennen,
dass
das
Handelssystem seit Ende der Uruguay-Runde seine
Versprechen nicht gehalten hat, dass es nicht gerecht im
Sinne der Entwicklung aller funktioniert hat und es
daher umgestaltet werden muss.
In dieser Hinsicht enthält die Mitteilung der
Kommission Positionen, die sich hinderlich auf die
Wiederaufnahme des Dialogs auswirken können. Dabei
denke ich beispielsweise an die äußert harte Kritik an
dem Präferenzsystem oder dem System der besonderen
und differenzierten Behandlung. 2004 darf kein
verlorenes Jahr werden. Ich bin erfreut darüber, dass Sie
Ihren Pilgerstab wieder aufgenommen haben, um den
Dialog mit den G20- und den G90-Ländern neu zu
beleben. Dies ist eine Haltung, die sich deutlich von dem
in Cancún geführten Diskurs abhebt, der zuweilen sehr
herablassend diesen Ländern gegenüber war. Wir
müssen die Agenda wiederherstellen, wir müssen das
Vertrauen in die Agenda von Doha wiederherstellen, in
eine verbesserte Agenda von Doha und in eine tief
greifende Reform der WTO, ihrer Arbeitsweise, ihrer
Regeln, ihrer Leitlinien, damit diese Organisation
wirklich für die Entwicklung aller wirkt. Es kommt also
darauf an, dieses internationale Handelssystem
umzugestalten, anstatt die Liberalisierung und den
Freihandel zur einzigen Priorität zu machen, denn diese
können unter sehr unterschiedlichen Beteiligten nur
unfair sein.
2-067
Darin besteht in etwa das Problem, das wir haben, wenn
wir Ihre Mitteilung betrachten. Wir haben das Gefühl,
dass Sie zwar versuchen, Lehren aus dem Scheitern von
Cancún zu ziehen, doch vermitteln Sie gleichzeitig den
Eindruck, nur den halben Weg zu gehen und das auch
noch rückwärts. Als ob Sie wollten, dass sich alles
bewegt, sich aber nichts ändert, um den Ausspruch von
Lampedusa zu zitieren. So wollen Sie zum Beispiel Ihr
Verhandlungsmandat behalten, das aus der Zeit von vor
Seattle stammt, doch soll es nur so wenig wie möglich
geändert werden. Sie wollen Ihre Positionen zur
Landwirtschaft
beibehalten.
Sie
wollen
die
ursprünglichen Ziele der Europäischen Union
hinsichtlich der Liberalisierung der Märkte der
Entwicklungsländer
bzw.
der
Dienstleistungen
beibehalten, und zwar mit einem sehr großen
Fragezeichen
hinsichtlich
der
öffentlichen
Dienstleistungen, wie in Erinnerung gebracht wurde. Sie
sagen zwar, diese werden erhalten bleiben, doch
gleichzeitig
kündigen
Sie
an,
dass
die
Umweltdienstleistungen liberalisiert werden sollen, die
zu den wichtigsten öffentlichen Dienstleistungen
gehören. Dabei denke ich natürlich in erster Linie an den
Wassersektor.
Sie machen sogar eine sehr kritikwürdige Aussage,
nämlich, so wörtlich: „Unserer Auffassung nach ist die
WTO kein strukturell ungerechtes System, das wieder
ins Gleichgewicht gebracht werden muss.“ Ich glaube,
mit einer solchen Behauptung setzen Sie sich in
De Clercq (ELDR). – (NL) Herr Präsident! Bekanntlich
ist die jüngste Ministerkonferenz in Cancún gescheitert.
Deshalb ist es richtig, dass die Europäische Kommission
jetzt erneut in Aktion treten und die gegenwärtigen
Verhandlungen wieder in Gang bringen möchte. Die
vorgeschlagene Entwicklungsrunde darf nicht scheitern,
sie muss zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht
werden. Immerhin steht eine Menge auf dem Spiel. Die
Gefahr
einer
vollständigen
Aushöhlung
der
Welthandelsorganisation
und
des
multilateralen
Handelssystems ist latent vorhanden. Bilaterale und
regionale Handelsabkommen stellen in einer zunehmend
globalisierten Welt keine Alternative zu einem System
dar, das nun schon fast 55 Jahre zu einem stabilen und
fortwährenden Wirtschaftswachstum beiträgt. Deshalb
ist es höchste Zeit, in Ergänzung zu den inhaltlichen
Diskussionen, die wir begrüßen, die Arbeitsverfahren
der Welthandelsorganisation zu verbessern.
Das Verhandeln und Entscheiden im Konsens in einem
Forum mit 148 Mitgliedern erfordert Verfahren, die
modern, einfach und effizient sind, und eben das sind die
WTO-Verfahren gegenwärtig nicht. Nach wie vor bin
ich
felsenfest
davon
überzeugt,
dass
die
Welthandelsorganisation mehr denn je vonnöten ist,
denn insbesondere für die Europäische Union ist eine
weitere Liberalisierung des Welthandels und die
Beseitigung von Hemmnissen für den Handelsverkehr
der Schlüssel für mehr Wirtschaftswachstum und
Beschäftigung.
13/01/2004
2-068
Markov (GUE/NGL). – Herr Präsident, meine Herren
Kommissare, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Nach dem Scheitern der WTO-Konferenz in Cancún ist
auch das Treffen des WTO-Rates im Dezember in Genf
ohne Ergebnis geblieben. Dies zeigt einmal mehr, dass
die WTO in einer Krise steckt und die von ihr
praktizierte Handelspolitik nicht mehr tragfähig ist.
Davon zeugt auch der wachsende Widerstand der
internationalen Sozialbewegung gegen die WTOHandelspolitik.
Die Kommission trägt einen entscheidenden Anteil an
der gegenwärtigen WTO-Handelspolitik. Mit ihrem
taktischen Auftreten hat sie gezeigt, dass es ihr in
Wirklichkeit nicht um Entwicklungspolitik und fairen
Welthandel geht, sondern um freien Handel. Sie haben
gefragt, ob Sie von meiner Fraktion das Mandat zu den
von Ihnen vorgeschlagenen Vorstellungen bekommen
würden. Da kann ich nur sagen: von uns nicht! Wofür
würden wir Ihnen ein Mandat erteilen?
Erstens: Es ist Zeit, der Forderung zahlreicher
Entwicklungsländern
nachzukommen
und
eine
Evaluierung der bisherigen Ergebnisse der WTO-Politik
vorzunehmen.
Zweitens: Die Subvention der Agrarexporte, die
Millionen von Landwirten in den Ländern des Südens in
den Ruin treibt, muss endlich abgeschafft werden.
Anstatt die Entwicklungsländer mit europäischen
Agrarprodukten zu Dumpingpreisen zu überschütten,
muss die Europäische Union diesen Ländern helfen,
gesunde Binnenmärkte aufzubauen und regionale
Wirtschaftskreisläufe herauszubilden.
Drittens: Die GATS-Verhandlung, die zu massiven
Liberalisierungsrunden in bisher verschonten Bereichen
der öffentlichen Daseinsversorgung führen werden,
müssen gestoppt werden. Auch hier gilt: Anstatt neue
Liberalisierungsrunden einzuläuten, sollte sich die
Kommission besser mit der Evaluierung der bisherigen
Ergebnisse auseinandersetzen. Und ich sage Ihnen schon
jetzt voraus, dass die Bilanz nicht positiv ausfallen wird,
weder was die Qualität betrifft noch die
Versorgungssicherheit noch die Preisstabilität.
Viertens: Die so genannten Singapur-Fragen gehören
nicht irgendwie verändert, sie gehören einfach vom
Tisch. Anstatt die WTO-Kompetenzen immer mehr
auszuweiten und neue Verhandlungsthemen auf die
Tagesordnung zu setzen, müssen die ungelösten
Aufgaben auf der Entwicklungsagenda gelöst werden.
Insbesondere
müssen Querschnittsaufgaben
wie
nachhaltige Entwicklung und öffentliche Gesundheit
wieder ins Zentrum der Arbeit der WTO rücken.
Fünftens: Die Funktionsweise und Strukturen der WTO
gehören auf den Prüfstand. Wir fordern eine
Demokratisierung der WTO, Transparenz bei allen
Verhandlungen, eine gleichberechtigte Behandlung aller
WTO-Mitgliedstaaten
und
eine
Revision des
Streitbeilegungsverfahrens. Insbesondere fordern wir die
31
Einbindung der WTO in internationale Verträge der
UNO und der ILO.
(Beifall)
2-069
Souchet (NI). – (FR) Herr Präsident, ich stelle fest, dass
das offenkundige Scheitern der Konferenz von Cancún,
das insbesondere auf die Europäer wie ein Elektroschock
hätte wirken müssen, im Grunde zu keinem wirklichen
inhaltlichen Nachdenken über die eigentliche Natur des
eingeleiteten Prozesses der Liberalisierung des
Welthandels geführt hat. Seither ist kein wirklich
neuartiger Vorschlag gemacht worden, um diesen
Prozess nachhaltig zu korrigieren.
Angesichts der Bedeutung der Agarfrage wäre es
angebracht gewesen, die Zweckmäßigkeit ihrer
Einbeziehung in einen Prozess zu hinterfragen, der es in
seiner gegenwärtigen Form nicht ermöglicht, ihre
Besonderheiten zu berücksichtigen, obgleich es sich um
einen
Sektor
handelt,
von
dem
die
Ernährungssouveränität abhängt und der die Grundlage
der Entwicklung darstellt.
Man hätte annehmen können, dass die europäischen
Länder angesichts der Bedeutung, die sie diesen beiden
Aspekten beimessen, prädestiniert wären, diese zentrale
Frage zu stellen. Dies ist nicht der Fall, wie wir
feststellen müssen. Das bedauern wir, denn dieses
Versagen stellt eine ernsthafte Belastung für die Zukunft
des Prozesses dar.
2-070
Der Präsident.  Da es Zeit für die Abstimmungsstunde
ist, unterbrechen wir die Aussprache, die heute
Nachmittag fortgesetzt wird.
2-071
VORSITZ: LORENZO IMBENI
Vizepräsident
Der Präsident. – Werte Kolleginnen und Kollegen,
bevor wir mit der Abstimmung beginnen, erteile ich
Herrn Zappalà das Wort für eine Antwort zu einer zu
Beginn der gestrigen Sitzung ungelöst gebliebenen
Frage, nämlich wann über seinen Bericht abgestimmt
werden soll: am Donnerstag hier in Straßburg oder
während der Tagung in Brüssel, wobei jedoch zu
berücksichtigen ist, dass unser Arbeitsprogramm die
Aussprache über dieses Thema auf jeden Fall für den
Donnerstagvormittag vorsieht.
2-072
Zappalà (PPE-DE), Berichterstatter. – (IT) Herr
Präsident, wir – und mithin ich persönlich als
Berichterstatter – stimmen dem Antrag der Fraktion der
Sozialdemokratischen Partei Europas zu, die Aussprache
am Donnerstagvormittag um 10.00 Uhr möglichst
beizubehalten und die – in erster Lesung als
Endabstimmung erfolgende – Abstimmung auf die
nächste Tagung, d. h. die Tagung in Brüssel Ende des
Monats, zu verschieben.
2-073
32
(Das Parlament
Abstimmung.)
13/01/2004
beschließt
die
Vertagung
der
2-074
Abstimmungen
2-075
Vereinfachtes Verfahren
Bericht (A5-0482/2003) von Herrn Daul im Namen
des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche
Entwicklung über den Vorschlag für eine
Verordnung des Rates zur Änderung der
Verordnung (EG) Nr. 2100/94 über den
gemeinschaftlichen Sortenschutz (KOM(2003)456–
C5-0573/2003–2003/0161(CNS))
(Das Parlament billigt den Vorschlag der Kommission.)
***
Bericht (A5-0438/2003) von Frau McKenna im
Namen des Ausschusses für Fischerei über den
geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Rates
zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1936/2001
des Rates vom 27. September 2001 mit
Kontrollmaßnahmen für die Befischung bestimmter
Bestände weit wandernder Arten
(KOM(2002) 421 – C5-0406/2002 – 2002/0186(CNS))
(KOM(2003) 417 – C5-0479/2003 – 2002/0186(CNS))
(Das Parlament billigt den Vorschlag der Kommission.)
***
Bericht (A5-0439/2003) von Herrn Piétrasanta im
Namen des Ausschusses für Fischerei über den
Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur
Änderung der Verordnung (EG) Nr. 973/2001 mit
technischen Erhaltungsmaßnahmen für bestimmte
Bestände weit wandernder Arten
(KOM(2002) 420 – C5-0407/2002 – 2002/0189(CNS))
(KOM(2003) 421 – C5-0429/2003 – 2002/0189(CNS))
(Das Parlament billigt den Vorschlag der Kommission.)
***
Bericht (A5-0483/2003) von Herrn Pirker im Namen
des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der
Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten über den
Vorschlag für eine Entscheidung des Rates
betreffend
den
Informationsaustausch,
die
Risikobewertung und die Kontrolle bei neuen
Suchtstoffen und neuen synthetischen Drogen
(KOM(2003) 560 – C5-0516/2003 – 2003/0215(CNS))
(Das Parlament billigt den Vorschlag der Kommission.)
***
Bericht (A5-0485/2003) von Frau Roure im Namen
des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der
Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten über die
Vorschläge für einen Beschluss des Rates:
I. zum Abschluss – im Namen der Europäischen
Gemeinschaft – des Übereinkommens der Vereinten
Nationen
gegen
die
grenzüberschreitende
organisierte Kriminalität
(KOM(2003) 512 – C5-0487/2003 – 2003/0195(CNS))
II. zum Abschluss – im Namen der Europäischen
Gemeinschaft – des Zusatzprotokolls gegen die
Einschleusung von Migranten auf dem Land- , Luftund Seeweg zum Übereinkommen der Vereinten
Nationen
gegen
die
grenzüberschreitende
organisierte Kriminalität
(KOM(2003) 512 – C5-0488/2003 – 2003/0196(CNS))
III. zum Abschluss – im Namen de Europäischen
Gemeinschaft
–
des
Zusatzprotokolls
zur
Verhinderung, Bekämpfung und Strafverfolgung des
Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und
Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten
Nationen
gegen
die
grenzüberschreitende
organisierte Kriminalität
(KOM(2003) 512 – C5-0489/2003 – 2003/0197(CNS))
Vor der Abstimmung
2-076
Roure (PSE), Berichterstatterin. – (FR) Herr Präsident,
meine Wortmeldung wird ganz kurz sein. Bei diesem
Übereinkommen handelt es sich um das erste globale
Instrument zur Bekämpfung krimineller Netze, das
universelle
Begriffsbestimmungen
bestimmter
strafrechtlicher Grundbegriffe im Bereich des Kampfes
gegen die organisierte Kriminalität enthält. Die
internationale Gemeinschaft verfügt damit nunmehr über
ein umfassendes Instrument, um die Entwicklung des
organisierten Verbrechens in abgestimmter Form zu
bekämpfen. Daher fordere ich die Mitgliedstaaten der
Europäischen Union, welche dieses Übereinkommen
noch nicht ratifiziert haben, auf, dies umgehend zu tun.
(Beifall)
2-077
(Das Parlament billigt den Vorschlag der Kommission)
***
Bericht (A5-0373/2003) von Herrn Di Lello Finuoli
im Namen des Ausschusses für die Freiheiten und
Rechte
der
Bürger,
Justiz
und
innere
Angelegenheiten über den Vorschlag für einen
Rahmenbeschluss des Rates zur Verstärkung des
strafrechtlichen Rahmens zur Bekämpfung der
Verschmutzung durch Schiffe
(KOM(2003) 227 – C5-0244/2003 – 2003/0088(CNS))
(Das Parlament billigt den Vorschlag der Kommission.)
***
Bericht (A50388/2003) von Herrn Pex im Namen des
Ausschusses für Regionalpolitik, Verkehr und
Fremdenverkehr über den Vorschlag für eine
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des
13/01/2004
33
Rates über die Meeresverschmutzung durch Schiffe
und die Einführung von Sanktionen, einschließlich
strafrechtlicher
Sanktionen,
für
Verschmutzungsdelikte
(KOM(2003) 92 – C5-0076/2003 – 2003/0037(COD))
(Das
Parlament
nimmt
Entschließungsantrag an.)
den
legislative
***
Bericht (A5-0413/2003) von Herrn Poignant im
Namen des Ausschusses für Regionalpolitik, Verkehr
und Fremdenverkehr über den Vorschlag für eine
Verordnung des Europäischen Parlaments und des
Rates zur Umregistrierung von Fracht- und
Fahrgastschiffen innerhalb der Gemeinschaft
(KOM(2003) 478 – C5-0366/2003 – 2003/0180(COD))
(Das
Parlament
nimmt
Entschließungsantrag an.)
den
legislativen
***
Bericht A5-0442/2003) von Herrn Vidal-Quadras
Roca im Namen des Ausschusses für Industrie,
Außenhandel, Forschung und Energie über den
Vorschlag für eine Richtlinie (EURATOM) des Rates
über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente
und radioaktiver Abfälle
(KOM(2003) 32 – C5-0229/2003 – 2003/0022(CNS))
(Das
Parlament
nimmt
Entschließungsantrag an.)
den
den Gebieten betrieben werden können muss, in denen
spezielle Probleme bestehen. Die Landwirtschaft hat als
Erwerbszweig für diese Regionen eine entscheidende
Bedeutung, wenn das ländliche Gebiet lebendig und
bewohnbar bleiben soll. Es stellt auch einen eigenen
kulturellen und ökologischen Wert dar.
legislativen
***
Ich halte es für wichtig, dass bei der Erneuerung der
Agrarpolitik Kriterien angelegt werden, die für nördliche
Agrargebiete geeignet sind. In meinem Bericht schlage
ich vor, dass die Kommission auf der Grundlage des
Klimas, der Vegetationsdauer, der geringen Besiedlung
und der Abgelegenheit klare Bestimmungen und
Kriterien schafft, damit die ständigen Nachteile der
nördlichen Agrargebiete Berücksichtigung finden
können. Mein Ansatz ist der, dass die Auswahl der
Instrumente der gemeinsamen Agrarpolitik so zu
entwickeln sind, dass die besonderen Bedingungen der
nördlichen Agrargebiete besser als bisher berücksichtigt
werden. Eine Überlegung ist dabei, die gemeinsame
Agrarpolitik regional aufzuteilen und flexibel zu
gestalten, so dass es die Bedingungen in den
verschiedenen Gebieten der Landwirtschaft besser als
bisher gestatten, auf dem Gemeinsamen Markt
gleichberechtigt am Wettbewerb teilzunehmen.
2-082
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
***
Bericht (A5-0471/2003) von Frau Almeida Garrett im
Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen
über
die
Mitteilung
der
Kommission
„Rahmenbedingungen
für
die
europäischen
Regulierungsagenturen“
(KOM(2002) 718 – 2003/2089(INI))
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
2-080
Bericht (A5-0443/2003) von Frau Breyer im Namen
des Ausschusses für Industrie, Außenhandel,
Forschung und Energie über den Vorschlag für einen
Beschluss des Rates zur Änderung des Beschlusses
77/270/Euratom zur Ermächtigung der Kommission,
im Hinblick auf einen Beitrag für die Finanzierung
von Kraftanlagen Euratom-Anleihen aufzunehmen
(KOM(2002)456 – C5-0570/2002 – 2002/0246(CNS))
(Das
Parlament
nimmt
Entschließungsantrag an.)
den
legislativen
***
Bericht (A5-0463/2003) von Herrn Pesälä im Namen
des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche
Entwicklung über die arktische Landwirtschaft
(2003/2051(INI))
Vor der Abstimmung
***
2-083
Breyer (Verts/ALE), Berichterstatterin. – Herr
Präsident! Leider habe ich nicht schnell genug reagiert.
Ich möchte meinen Namen vom Bericht Breyer
zurücknehmen, weil die Entscheidung der Mehrheit des
Parlaments, auch in Bau befindlichen Atomkraftwerken
in- und außerhalb der EU ihre Unterstützung zu geben,
völlig diametral zu meiner Position steht. Daher möchte
ich Sie bitten, im Protokoll zu verzeichnen, dass ich
nach dieser Abstimmung als Berichterstatterin dieses
Berichts zurücktreten möchte.
2-084
Der Präsident.  Herr Breyer, normalerweise gibt ein
Berichterstatter eine solche Erklärung vor der
Schlussabstimmung ab, aber vielleicht sind wir bei der
Abstimmung etwas zu schnell vorgegangen. Ihre
Erklärung wird jedenfalls in das Protokoll
aufgenommen.
2-081
Pesälä (ELDR), Berichterstatter. – (FI) Herr Präsident,
der Europäische Rat hat auf seinen Gipfeltreffen an drei
Stellen festgestellt, dass Landwirtschaft künftig auch in
Erklärungen zur Abstimmung
34
- Bericht Daul (A5-0482/2003)
2-085
Ribeiro e Castro (UEN), schriftlich.  (PT) Trotz der
offenkundigen Vielfalt, die dem Charakter der Pflanzen
in dem von uns zu prüfenden Bereich eigen ist, was im
Wesentlichen ein eigenes
Gemeinschaftsinstitut
verdient, sind Pflanzensorten seit langem mehr als
Studien- und Verbrauchsobjekte, vielmehr hat das
kreative Handeln des Menschen bei ihrer Entwicklung
eindeutig eine Rolle gespielt.
Angesichts der Vielzahl gewerblicher Schutzrechte, die
in dieser Frage betroffen sind, und der damit
verbundenen speziellen Merkmale habe ich mit Ja
gestimmt, weil ich akzeptiere, dass, wie der Rat und die
Kommission betont haben, das Gemeinschaftssystem für
den Sortenschutz in Einklang mit der Richtlinie über den
rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen
gebracht werden muss.
Der Wert von Rechtssicherheit und des Schutzes von
Urhebern und Erfindern, die Verflechtung dieser
Sachverhalte und ihre Bedeutung heute legen nahe, dass
es für die Nutzerrechte und gegenseitigen Lizenzen für
Pflanzensorten,
die
patentrechtlich
geschützte
Erfindungen einschließen, einheitliche Regelungen
geben muss.
Durch diese Harmonisierung wird insbesondere
gewährleistet, dass der Inhaber eines biotechnologischen
Patents eine Pflanzensorte nutzen kann, die seine
Erfindung einschließt, wenn der Inhaber des Rechts an
der Pflanzensorte sich weigert, eine vertragliche Lizenz
zu gewähren und wenn die Erfindung einen bedeutenden
technischen
Fortschritt
von
erheblichem
wirtschaftlichem Interesse darstellt.
2-086
- Bericht McKenna (A5-0438/2003)
2-087
Piscarreta (PPE-DE), schriftlich.  (PT) Illegale,
ungeregelte und nicht gemeldete Fischereitätigkeiten
stellen eine äußerst destruktive Praxis dar, eine Art der
Fischerei, die der Erhaltung und nachhaltigen
Bewirtschaftung der Fischbestände schadet. Der
Thunfischfang gehört zu den von diesen illegalen
Praktiken am schlimmsten betroffenen Fangarten.
Außerdem befischen die Gemeinschaftsflotten diese
Bestände mit am stärksten. In diesem Zusammenhang
hat die EU eine führende Rolle im Kampf gegen diese
Art der Fischerei gespielt, vor allem gegen Billigflaggen.
Allerdings haben sich diese Maßnahmen zweifellos als
unzureichend erwiesen.
In Portugal, insbesondere an der Algarve-Küste, sind uns
illegale,
ungeregelte
und
nicht
gemeldete
Fischereitätigkeiten nur zu gut bekannt, aber ich werde
keine Anschuldigungen wiederholen, die ich hier in
diesem Hause bereits erhoben habe. Allerdings
unterstütze ich diesen Bericht, der meiner Meinung nach
sowohl zur Erhaltung der Fischbestände beitragen als
auch etwas Ruhe in die Gemeinschaftsgewässer bringen
13/01/2004
wird. Ich unterstütze diesen Bericht, weil er die
Mitgliedstaaten auffordert, sich darum zu bemühen, ihre
Staatsangehörigen davon abzuhalten, sich an diesen
illegalen Fischereitätigkeiten zu beteiligen.
Ich beglückwünsche Frau McKenna zu diesem Bericht,
der, wenn er umgesetzt wird, effektiv Probleme lösen
könnte, die wir alle gut kennen, auch wenn es schwer für
uns ist, dagegen vorzugehen.
2-088
Ribeiro e Castro (UEN), schriftlich.  (PT) Hier geht es
um den der Sache angemessenen Vorschlag zur
Aktualisierung einer Gemeinschaftsverordnung, der die
von
den
verschiedenen
regionalen
Fischereiorganisationen
(RFO)
vereinbarten
Überwachungsmaßnahmen zusammenfasst. Seit dem
Erlass der Verordnung haben die RFO neue Maßnahmen
angenommen, die nun in Gemeinschaftsrecht umgesetzt
werden müssen. So hat die Internationale Kommission
für die Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik
(ICCAT), eine RFO, die im Kampf gegen illegale,
ungeregelte und nicht gemeldete Fänge eine führende
Rolle spielt, jetzt ein Maßnahmenpaket vorgelegt, mit
dem gegen diese destruktiven Praktiken vorgegangen
werden soll und das sich auf den Fischfang unter
Billigflaggen konzentriert.
Ein anderer Sachverhalt, bei dem Abhilfe zu schaffen ist,
betrifft die mangelhafte Qualität der von den
Flaggenstaaten bereitgestellten Daten, was nicht nur zu
den grundlegendsten Verpflichtungen der Flaggenstaaten
gehört, sondern auch dazu führt, dass die Bewertungen
der Bestände weniger sicher sind. Da die
Gemeinschaftsschiffe diese Bestände mit am stärksten
befischen, muss die EU verantwortungsbewusst
auftreten und mit gutem Beispiel vorangehen.
Wie die Berichterstatterin begrüße ich die Bemühungen
der ICCAT, diese Probleme in ihrem Regelungsgebiet zu
lösen. Diese Haltung wird für andere RFO und
internationale Entwicklungen in diesem Bereich ein
Vorbild sein.
Ich habe diesen Bericht unterstützt und für ihn gestimmt.
2-089
- Bericht Pirker (A5-0483/2003)
2-090
Coelho (PPE-DE), schriftlich.  (PT) Ich unterstütze
diesen ausgezeichneten Bericht von Herrn Pirker, der die
Neuausrichtung der Gemeinsamen Maßnahme von 1997
mit Blick auf eine schnellere und wirkungsvollere
Bekämpfung neuer synthetischer Drogen vorschlägt.
Wir stehen vor dem Problem eines kontinuierlichen
Anstiegs bei der Herstellung von synthetischen Drogen
und dem Handel damit. Strenge und wirksame
Kontrollen sind daher dringend geboten. Dieser
Vorschlag stellt sowohl auf eine Aktualisierung dieser
Gemeinsamen Maßnahme als auch gleichzeitig auf die
Gewährleistung einer größeren Transparenz und die
Ausweitung des Anwendungsbereichs der Gemeinsamen
13/01/2004
Maßnahme betreffend den Informationsaustausch, die
Risikobewertung und die Kontrolle bei neuen
synthetischen Drogen ab. Dieses Instrument hat sich für
den raschen Informationsaustausch als äußerst effektiv
erwiesen, und sein Anwendungsbereich wird jetzt auf
alle neuen synthetischen Drogen und neuen Suchtstoffe
erweitert, einschließlich derjenigen, die als Arzneimittel
definiert werden.
Zu begrüßen ist auch die vom Berichterstatter
vorgeschlagene Vereinfachung der Strukturen, um den
Informationsaustausch und die Risikobewertung so
unkompliziert und effektiv wie möglich zu gestalten.
Wir hoffen, dass die Gemeinsame Maßnahme künftig
nicht
darauf
beschränkt
ist,
nur
als
Schnellreaktionsmechanismus zu funktionieren, sondern
dass sie auch der langfristigen Überwachung einer
synthetischen Substanz im Wege eines fortlaufenden
Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten,
Europol und der EBDD dient.
2-091
Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich.  (PT) Dies ist ein
weitgehend technischer Bericht, der auf die
Aktualisierung und Ausweitung der Gemeinsamen
Maßnahme
und
die
Verbesserung
des
Informationsaustauschs, der Risikobewertung und der
Kontrolle von synthetischen Drogen und Suchtstoffen
auf der Grundlage aktueller Verfahren orientiert, wie
etwa dem Frühwarnsystem, dem Mechanismus für die
Beurteilung der sozialen und gesundheitlichen Risiken –
unter anderem durch einen wissenschaftlichen
Ausschuss – und dem Verfahren der Kontrolle in den
Mitgliedstaaten. Es bleibt zu hoffen, dass wir künftig
nicht nur den Schnellreaktionsmechanismus benutzen,
sondern neue synthetische Drogen langfristig auch im
Wege eines fortlaufenden Informationsaustauschs
überwacht werden.
Ich teile die Auffassung meiner Fraktion zur Absicht des
Berichterstatters, vorrangig eine Vereinfachung der
Strukturen des Informationsaustauschs zu erreichen,
indem er mehrere Änderungsanträge vorschlägt, die den
gesamten Vorgang effektiver gestalten sollen. Deshalb
verdient dieser Bericht im Großen und Ganzen unsere
Unterstützung.
2-092
Ribeiro e Castro (UEN), schriftlich.  (PT) Der
Kommissionsvorschlag dient der Aktualisierung,
Intensivierung und Ausweitung der Gemeinsamen
Maßnahme vom Juni 1997 betreffend den
Informationsaustausch, die Risikobewertung und die
Kontrolle bei neuen synthetischen Drogen durch Europol
und die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und
Drogensucht (EBDD).
Die Gemeinsame Maßnahme hat sich bei der
Koordinierung von drei Elementen – einem
Frühwarnsystem, einer Risikobewertung durch einen
wissenschaftlichen Ausschuss und einem Verfahren
auf EU-Ebene, mit dem gemeldete Substanzen in den
Mitgliedstaaten unter Kontrolle gestellt werden – als
35
effektiv erwiesen und so ihre Existenz im
Klärungsverfahren in vollem Umfang gerechtfertigt.
Wie der Berichterstatter begrüße auch ich die
Erweiterung ihres Anwendungsbereichs auf neue
Drogen sowie die Einführung von Fristen für jede
Verfahrensphase.
Da dieser Vorschlag in den Fachausschüssen des
Parlaments eine breite Mehrheit gefunden hat, entspricht
er nun mit den vom Berichterstatter vorgelegten
Änderungsanträgen den Wünschen derjenigen, die den
Krieg gegen Drogen nicht aufgegeben bzw. sich nicht
für den Weg des geringsten Widerstands entschieden
haben, bei dem Verantwortlichkeit keine Rolle mehr
spielt.
Ich habe mit Ja gestimmt, weil dies meines Erachtens ein
Bereich von erheblicher Bedeutung für die Zukunft der
Menschen in den Mitgliedstaaten ist, insbesondere der
Jugendlichen. Angesichts dieser Sachlage ist ein eng
koordiniertes Vorgehen in jeder Hinsicht gerechtfertigt,
ermöglicht es doch eine schnelle Reaktion und eine
wirksame Überwachung von Art, Herkunft, Handel und
Konsum neuer Suchtstoffe und neuer synthetischer
Drogen.
2-093
- Bericht Roure (A5-0485/2003)
2-094
Coelho (PPE-DE), schriftlich.  (PT) Ich begrüße den
Abschluss des internationalen Übereinkommens gegen
die organisierte Kriminalität, d. h. des Übereinkommens
der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende
organisierte Kriminalität und seiner Zusatzprotokolle
gegen den Menschenhandel und die Schleusung von
Migranten, durch die Europäische Gemeinschaft.
Bei diesem äußerst wichtigen Übereinkommen
handelt es sich um das erste rechtlich verbindliche
Instrument der Vereinten Nationen in diesem
Bereich und um das erste globale Instrument zur
Bekämpfung krimineller Netze, das universelle
Begriffsbestimmungen bestimmter strafrechtlicher
Grundbegriffe im Bereich des Kampfes gegen die
organisierte Kriminalität enthält.
Notwendig ist eine Zusammenarbeit, die so umfassend
wie möglich ist und der gemeinsame Verfahren sowie
eine
Mindestharmonisierung
der
Rechtsnormen
zugrunde liegen. Das ist der einzige Weg, transnationale
Kriminalität wirksamer zu bekämpfen und zu
verhindern, dass sich kriminelle Netze die Unterschiede
und Schlupflöcher in der Gesetzgebung der
Mitgliedstaaten zunutze machen.
Durch dieses Übereinkommen sollen die Signatarstaaten
befähigt werden, im Kampf gegen die organisierte
Kriminalität wirksamer zusammenzuarbeiten, indem die
Begriffsbestimmungen strafbarer Handlungen in den
verschiedenen nationalen Rechtssystemen harmonisiert
werden. Es wird vier Arten von schweren Straftaten
geben: Beteiligung an einer organisierten kriminellen
36
Gruppe, Geldwäsche, Behinderung der Justiz und
Korruption.
2-095
Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich.  (PT) Angesichts
der extrem schlechten Lebensbedingungen von
Millionen
Einwanderern
und
Opfern
von
Menschenhandel in der ganzen Welt und in Europa, die
gezwungen sind, Zustände unannehmbarer Ausbeutung
und Erniedrigung zu ertragen, ohne irgendwelche Rechte
zu besitzen, begrüße ich den Beschluss des Rates zum
Abschluss des UNO-Übereinkommens gegen die
grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und
dessen Zusatzprotokolle zum Menschenhandel und zur
Schleusung von Migranten.
Hierbei handelt es sich um ein völkerrechtliches
Instrument, das zu einer engeren Zusammenarbeit
zwischen den Ländern im Kampf gegen die organisierte
Kriminalität beitragen wird, insbesondere durch die
Harmonisierung der Begriffsbestimmungen strafbarer
Handlungen (Beteiligung an einer organisierten
kriminellen Gruppe, Geldwäsche, Behinderung der
Justiz und Korruption) und durch Maßnahmen wie
Rechtshilfe und gemeinsame Ermittlungen.
Die Protokolle sehen Maßnahmen zur Bekämpfung des
Menschenhandels – insbesondere von Frauen und
Kindern – vor, damit diese vor Sklaverei, sexueller
Ausbeutung und illegaler Beschäftigung geschützt
werden. Zu diesen Maßnahmen gehören die
Unterstützung und Hilfe für die Opfer. Diese
Maßnahmen müssen dringend und wirksam umgesetzt
und auf jeden Fall durch andere Konzepte ergänzt
werden, um die tief verwurzelten gesellschaftlichen
Ursachen
der
heutigen
organisierten
Wirtschaftskriminalität zu bekämpfen, die von der
Finanzkriminalität bis zur Ausbeutung von Männern,
Frauen und Kindern reicht.
13/01/2004
bestimmter strafrechtlicher Grundbegriffe im Bereich
des Kampfes gegen die organisierte Kriminalität enthält.
Es handelt sich außerdem auch um das erste rechtlich
verbindliche Instrument der Vereinten Nationen in
diesem Bereich.
In den beiden Protokollen sind strenge Maßnahmen zur
Bekämpfung des Menschenhandels – insbesondere von
Frauen und Kindern – vorgesehen, wodurch diese vor
Sklaverei, sexueller Ausbeutung und illegaler
Beschäftigung geschützt werden.
In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass auch
Maßnahmen für eine rechtliche und materielle
Unterstützung der Opfer von Menschenhandel
vorgesehen sind. So sind die Signatarstaaten gemäß
Artikel 6 nicht nur verpflichtet, Informationen über die
anwendbaren rechtlichen und administrativen Verfahren
weiterzugeben, sondern auch dazu, Maßnahmen zu
ergreifen, um die physische und psychologische
Genesung der Opfer des Menschenhandels zu
gewährleisten.
In Anbetracht der Probleme, um die es hier geht, und des
wahrhaften Pioniercharakters diese Übereinkommens
konnte ich nur dafür stimmen.
2-098
- Bericht Di Lello Finuoli (A5-0373/2003)
2-099
Coelho (PPE-DE), schriftlich.  (PT) Ich unterstütze
diese Initiative und betone die dringende Notwendigkeit,
dass ein Bündel von Vorschriften zum strafrechtlichen
Schutz der Umwelt zu beschließen. Es haben sich
verschiedene Umweltkatastrophen ereignet, wie etwa der
kürzliche Untergang der „Prestige“ vor der Küste
Galiziens. Nun müssen die notwendigen Maßnahmen
zur Verschmutzung durch Schiffe getroffen werden, um
zu verhindern, dass so etwas wieder geschieht.
2-096
Kirkhope (PPE-DE), schriftlich.  (EN) Die
konservativen Europaabgeordneten unterstützen die
Zusammenarbeit zu Fragen der grenzüberschreitenden
organisierten Kriminalität auf zwischenstaatlicher Ebene
im Rahmen der Vereinten Nationen. Die wachsende
Tendenz der Harmonisierung des Strafrechts auf
europäischer Ebene können wir jedoch nicht
unterstützen, da dies unnötig und unpraktisch ist. Aus
diesem Grund werden wir uns bei diesem Bericht der
Stimme enthalten.
2-097
Ribeiro e Castro (UEN), schriftlich.  (PT) Durch das
Übereinkommen der Vereinten Nationen sollen die
Signatarstaaten befähigt werden, im Kampf gegen die
organisierte Kriminalität wirksam zusammenzuarbeiten,
indem die Begriffsbestimmungen strafbarer Handlungen
in den verschiedenen nationalen Rechtssystemen
harmonisiert werden, so dass eine Tat, die in einem
Signatarstaat eine Straftat darstellt, auch in den übrigen
Signatarstaaten als solche gilt. Als solches handelt es
sich um das erste globale Instrument zur Bekämpfung
krimineller Netze, das eine universelle Bestimmung
Ich stimme der Feststellung des Berichterstatters zu, dass
der Vorschlag für eine Richtlinie zum strafrechtlichen
Schutz der Umwelt so zügig wie möglich angenommen
werden muss, da sie die Harmonisierung der
strafrechtlichen
und
sonstigen
abschreckenden
Sanktionen für gegen das Gemeinschaftsrecht
verstoßende schwere Verschmutzungsdelikte vorsieht.
Mit diesem Rahmenbeschluss soll dieser strafrechtliche
Rahmen mit Maßnahmen verstärkt werden, die eine
Harmonisierung
der
Rechtsund
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zur Straftat
der Verschmutzung durch Schiffe, die Zuweisung der
gerichtlichen Zuständigkeit (durch Verhinderung von
Zuständigkeitskonflikten) und die Förderung der
Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten (durch
Errichtung
von
Kontaktstellen
für
den
Informationsaustausch) vorsehen.
Wir müssen der Vielzahl unterschiedlicher Strafhöhen
ein Ende setzen, die letztendlich Verzerrungen bezüglich
der möglichen Konsequenzen, insbesondere der
finanziellen Konsequenzen, eines Vorfalls von
13/01/2004
Verschmutzung für den Ort, an dem er sich ereignet,
hervorruft, denn diese Verschmutzung kann mehrere
Mitgliedstaaten der Union betreffen.
2-100
Kirkhope (PPE-DE), schriftlich.  (EN) Die
konservativen Europaabgeordneten sind der Ansicht,
dass die Verschmutzung durch Schiffe ein Problem ist,
gegen das etwas getan werden muss. Wir stimmen
einigen der im Bericht vorgeschlagenen Maßnahmen,
einschließlich
der
Bildung
gemeinsamer
Untersuchungsteams, zu. Die wachsende Tendenz der
Harmonisierung des Strafrechts auf europäischer Ebene
können wir jedoch nicht unterstützen, und deshalb
können wir diesen Bericht nicht befürworten.
2-101
Queiró (UEN), schriftlich.  (PT) Vor dem Hintergrund
sowohl des Untergangs des Öltankers „Prestige“ als
auch des von diesem Parlament angenommenen
Vorschlags, auf Initiative des Unterzeichners ein
Gemeinschaftsprogramm aufzustellen, dessen einziges
Anliegen die Entwicklung von Mechanismen zum
Schutz der EU-Außengrenzen und insbesondere ihrer
Seegrenzen ist, habe ich diese Aussprache mit großem
Interesse verfolgt.
Alle Maßnahmen, die im Namen der Sicherheit des
Seeverkehrs getroffen werden, sind zu begrüßen und
tragen
einer
richtig
erkannten
allgemeinen
Notwendigkeit Rechnung. Es ist richtig, sich nicht allein
auf Unfälle zu konzentrieren, sondern auch auf die
Hauptursachen der Meeresverschmutzung, d. h. die
systematischen Verstöße gegen die Rechtsvorschriften
auf diesem Gebiet. Ein solches Herangehen offenbart
auch politische Sensibilität für die uns betreffenden
Umweltprobleme.
Ich habe deshalb für die Berichte zur Sicherheit des
Seeverkehrs gestimmt, allerdings nicht für den Bericht
Pex, da ich dem Vorschlag des Berichterstatters für die
Schaffung einer europäischen Küstenwache nicht
zustimme.
Die EU hat die Pflicht, die Sicherheit des Seeverkehrs zu
fördern, und darf unter keinen Umständen davon
entbunden werden. Die Schaffung einer europäischen
Küstenwache wäre jedoch ein Schritt zu weit. Wir wären
besser beraten, eine engere Zusammenarbeit zwischen
den Mitgliedstaaten zu unterstützen, die wiederum zu
größerer Interoperabilität und Kompatibilität der
innereuropäisch verfügbaren Ressourcen führen und
unnötige
Doppelungen
und
Überschneidungen
vermeiden würde.
2-102
- Bericht Pex (A5-0388/2003)
2-103
Andersson, Färm, Hedkvist Petersen, Karlsson,
Sandberg-Fries und Theorin (PSE), schriftlich.  (SV)
Zu Änderungsantrag 22 stellen wir fest, dass wir
Sanktionen für Verstöße gegen das Umweltrecht auf See
für außerordentlich wichtig halten. Wir begrüßen eine
verstärkte europäische Zusammenarbeit zwischen den
37
nationalen Küstenwachen in Form von gemeinsamen
Operationen, gemeinsamer Planung und Weiterbildung.
Aus diesem Grunde ist unserer Ansicht nach der Aufbau
einer neuen, parallelen Organisation auf europäischer
Ebene nicht erforderlich. Wir sehen der Arbeit der
Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs
mit großen Erwartungen entgegen.
2-104
Esclopé (EDD), schriftlich. – (FR) Ich habe für den
Bericht Pex gestimmt, denn er stellt einen großen Schritt
nach vorn im Kampf für die Verstärkung der Sicherheit
auf See dar.
Es braucht wohl nicht daran erinnert zu werden, dass
jährlich mehr als 6 Millionen Tonnen Schadstoffe
enthaltende Abfälle bewusst ins Meer eingebracht
werden.
Es ist dringend erforderlich, unerbittlich gegen diese
Kriminellen der Meere vorzugehen, die die Ozeane als
Müllkippe betrachten. Die Verschmutzer müssen mit
schweren Sanktionen belegt und alle am Warentransport
Beteiligten stärker in die Verantwortung einbezogen
werden.
Vorbeugen ist besser als heilen. Daher muss der Kampf
gegen diese skrupellosen Praktiken effizienter geführt
werden und sich stärker an der Realität orientieren. So
ist die Zahl der in flagranti ertappten Verschmutzer nur
minimal gegenüber der Zahl der bewussten
Verschmutzungen. Zudem sind die Verfahren, ehe diese
Straftäter abgeurteilt und zur Verhinderung von
Wiederholungstaten mit abschreckenden Sanktionen
belegt werden, oftmals sehr langwierig.
Ich unterstütze in einer ersten Phase die Zusammenarbeit
zwischen den Seepolizeikräften der einzelnen
Küstenstaaten. Später könnte dann eine gemeinsame
EU-Küstenwache geschaffen werden, sofern deren
Wirksamkeit strikt kontrolliert wird.
2-105
Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich.  (PT) Dieser
Bericht ist Teil eines Bündels von Vorschlägen zur
Sicherheit des Seeverkehrs, das nach der Havarie des
Öltankers „Prestige“ zusammengestellt worden ist. Es
sei darauf hingewiesen, dass die Meeresverschmutzung
durch Öltanker nicht nur das Ergebnis von Unfällen ist;
sie wird auch durch rechtswidrige Einleitungen
verursacht. Aus diesem Grund sieht der Vorschlag vor,
die bestehenden internationalen Vorschriften zu
Einleitungen – z. B. das Internationale Übereinkommen
über die Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe
(MARPOL) – in das Gemeinschaftsrecht einzubinden,
und enthält Leitlinien über die Art der zu verhängenden
Sanktionen. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass
diese Schlacht nicht allein mit noch mehr Vorschriften
gewonnen wird – es kommt darauf an, sie wirksam
umzusetzen und zu überwachen, und dazu bedarf es
geeigneter Mittel.
Ich lehne den Vorschlag zur Schaffung einer
europäischen Küstenwache (Änderungsantrag 6) ab, und
38
zwar nicht nur wegen der damit verbundenen
Souveränitätsproblematik, sondern auch, weil das nicht
die beste Lösung ist, um die Einhaltung von
Vorschriften und die Kontrolle zu sichern, und weil das
Grundproblem der Ressourcen damit nicht gelöst wird.
Deshalb enthält dieser Vorschlag breiter angelegte
Konzepte als lediglich die Bekämpfung von
Verschmutzung. Was wir brauchen sind eine wirksame
Zusammenarbeit und der Informationsaustausch
zwischen den verschiedenen nationalen Küstenwachen
sowie die Gewähr, dass jeder Mitgliedstaat die
Überwachung
und
Bekämpfung
der
Meeresverschmutzung angemessen finanziert – und an
dieser Stelle könnte auch der Gemeinschaftshaushalt
einen bedeutenden Beitrag leisten.
2-106
Foster (PPE-DE), schriftlich.  (EN) Die konservativen
Europaabgeordneten begrüßen generell die Vorschläge
für Regelungen, die eine strafrechtliche Verfolgung der
Verantwortlichen für rechtswidrige Einleitungen von Öl
und Chemikalien durch Schiffe ermöglichen.
Das Vereinigte Königreich sieht bereits strafrechtliche
Sanktionen für rechtswidrige Einleitungen gemäß dem
MARPOL-Übereinkommen vor, und in diesem Sinne
sollten Angelegenheiten strafrechtlicher Natur in die
Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und nicht der
Gemeinschaft fallen.
Unserer Ansicht nach ist die Schaffung einer
Europäischen Küstenwache weder notwendig noch
praktisch, da sie sich im Widerspruch zum
Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen
befände. Aus diesem Grund sind wir nicht in der Lage,
die Änderungsanträge, die die Schaffung einer
Europäischen Küstenwache vorsehen, zu unterstützen.
2-107
Queiró (UEN), schriftlich.  (PT) Vor dem Hintergrund
sowohl des Untergangs des Öltankers „Prestige“ als
auch des von diesem Parlament angenommenen
Vorschlags, auf Initiative des Unterzeichners ein
Gemeinschaftsprogramm aufzustellen, dessen einziges
Anliegen die Entwicklung von Mechanismen zum
Schutz der EU-Außengrenzen und insbesondere ihrer
Seegrenzen ist, habe ich diese Aussprache mit großem
Interesse verfolgt.
Alle Maßnahmen, die im Namen der Sicherheit des
Seeverkehrs getroffen werden, sind zu begrüßen und
tragen
einer
richtig
erkannten
allgemeinen
Notwendigkeit Rechnung. Es ist richtig, sich nicht allein
auf Unfälle zu konzentrieren, sondern auch auf die
Hauptursachen der Meeresverschmutzung, d. h. die
systematischen Verstöße gegen die Rechtsvorschriften
auf diesem Gebiet. Ein solches Herangehen offenbart
auch politische Sensibilität für die uns betreffenden
Umweltprobleme.
Ich habe deshalb für die Berichte zur Sicherheit des
Seeverkehrs gestimmt, allerdings nicht für den Bericht
Pex, da ich dem Vorschlag des Berichterstatters für die
13/01/2004
Schaffung
zustimme.
einer
europäischen
Küstenwache
nicht
Die EU hat die Pflicht, die Sicherheit des Seeverkehrs zu
fördern, und darf unter keinen Umständen davon
entbunden werden. Die Schaffung einer europäischen
Küstenwache wäre jedoch ein Schritt zu weit. Wir wären
besser beraten, eine engere Zusammenarbeit zwischen
den Mitgliedstaaten zu unterstützen, die wiederum zu
größerer Interoperabilität und Kompatibilität der
innereuropäisch verfügbaren Ressourcen führen und
unnötige
Doppelungen
und
Überschneidungen
vermeiden würde.
2-108
Ribeiro e Castro (UEN), schriftlich.  (PT) Eingedenk
der Folgen der durch den verunglückten Öltanker
„Prestige“
im
November
2002
verursachten
Umweltkatastrophe glaube ich, dass der durch illegale
Einleitungen von Öl oder anderen Schadstoffen
hervorgerufene Schaden ganze Gemeinschaften und die
Umwelt gefährdet und deshalb mit strafrechtlichen
Sanktionen belegt sein muss.
Nach der Verabschiedung einer Empfehlung für eine
Richtlinie,
die
härtere
EU-Vorschriften
zur
Umwelthaftung
festlegt,
muss
hier
das
Verursacherprinzip gelten.
Aus streng rechtlicher Sicht jedoch ist diese Sachlage
meines Erachtens keineswegs einfach, gründet sich die
geplante Richtlinie doch auf den der Beförderung im
Verkehr gewidmeten Artikel 80, auch wenn es darum
geht, eine Straftat zu definieren. Daher ist es legitim, die
Zweckmäßigkeit des Verfahrens zu hinterfragen.
Zudem hege ich einige Vorbehalte hinsichtlich der
Schaffung einer europäischen Küstenwache, da dies das
Vorrecht der Mitgliedstaaten ist, jedoch unbeschadet
sehr enger zwischenstaatlicher Zusammenarbeit oder der
Verantwortung der Gemeinschaft für Ausrüstungen und
moderne und wirksame Maßnahmen.
Auch wenn ich die eigentlichen Ziele vorbehaltlos
unterstütze, konnte ich mich nur der Stimme enthalten,
weil ich glaube, dass diese Angelegenheit noch weiter
geprüft werden muss, um eine technische Lösung für
dieses ernsthafte Problem zu finden.
2-109
Sacrédeus (PPE-DE), schriftlich.  (SV) Jedes Jahr gibt
es
Tausende
Fälle
von
vorsätzlicher
Meeresverschmutzungen durch die Einleitung von
Schiffsabfällen
und
Ladungsrückständen,
u. a.
Chemikalien und Öl, die verklappt werden. Daher ist die
Notwendigkeit gemeinsamer Vorschriften in diesem
Umweltbereich unumstritten.
Hingegen ist nicht erwiesen, und noch weniger belegt,
dass die geeignetste und effizienteste Methode, um mit
derartigen Übertretungen fertig zu werden, die
Einrichtung einer weiteren europäischen Agentur oder
einer gemeinsamen Küstenwache der EU ist. Eine
bessere Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten
13/01/2004
sowie die verstärkte Rechenschaftspflicht der
Regierungen der einzelnen Länder könnten sich als
ebenso effektiv erweisen.
Aus diesem Grunde habe ich gegen die
Änderungsanträge 6 und 22 gestimmt, die jedoch
angenommen wurden (382 Ja-Stimmen, 82 NeinStimmen und 20 Stimmenenthaltungen bzw. 392 JaStimmen,
71
Nein-Stimmen
und
33
Stimmenenthaltungen).
2-110
- Bericht Poignant (A5-0413/2003)
2-111
Hudghton (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident, ich
habe bei Herrn Poignants Bericht gegen den Vorschlag
gestimmt, dass alle EU-Schiffe die EU-Flagge führen
sollten. Die Vielfalt der Europäischen Union sollten wir
zelebrieren und nicht eliminieren. Ich sehe ferner mit
Freude dem Tag entgegen, an dem ein unabhängiges
Schottland seine Flagge auf seinen Schiffen und an
vielen anderen Orten führt und selbst entscheidet, ob und
wann es angebracht ist, daneben auch die EU-Flagge zu
führen. Meiner Ansicht nach ist dies in diesem Falle
weder angebracht noch notwendig oder wünschenswert.
2-112
Foster (PPE-DE), schriftlich.  (EN) Grundsätzlich
begrüßen die konservativen Europaabgeordneten den
Vorschlag für eine Verordnung zur Umregistrierung von
Frachtund
Fahrgastschiffen
innerhalb
der
Gemeinschaft und akzeptieren, dass dies zur
Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den für die
Register zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten
beiträgt.
Vorschläge, die Schiffen aus EU-Mitgliedstaaten das
Anlaufen von und Auslaufen aus Gemeinschaftshäfen
erleichtern und damit den freien Warenverkehr fördern,
sind zu begrüßen.
Die konservativen Europaabgeordneten haben jedoch
gegen Änderungsanträge gestimmt, die vorsehen, dass
Schiffe aus den Mitgliedstaaten in einer Ecke ihrer
Flagge das Emblem der Europäischen Union – d. h.
einen Kreis von zwölf goldenen Sternen auf blauem
Grund – führen, weil diese Änderungsanträge in keiner
Weise zur Erhöhung der Sicherheit im Seeverkehr
beitragen und in der EU registrierte Schiffe sogar zu
potenziellen Zielen machen könnten.
2-113
Krivine und Vachetta (GUE/NGL), schriftlich. – (FR)
Wir haben die Änderungsanträge zur Verstärkung der
Meeressicherheit unterstützt. Wir befürworten die
Ausweitung des Geltungsbereichs der Verordnung auf
Fahrgastschiffe, die Koordinierung mit den anderen
Gemeinschaftsinstrumenten und die Verstärkung der
Zusammenarbeit zwischen den nationalen Seebehörden.
Zu einem Zeitpunkt, da die Europäische Union Malta
und Zypern aufnimmt und so zur größten Seemacht der
Welt wird, sind diese Veränderungen dringend
erforderlich.
39
Die beiden Inselstaaten müssen unbedingt die
„moralischen“ Standards für ihre Flaggen erhöhen, die
wirkliche Gefälligkeitsflaggen für die Kriminellen der
Meere darstellen. Doch wir müssen auch diejenigen
anprangern, die wie Frankreich eine „Zweitflagge“
eingeführt haben. Die französischen Reeder benutzen
nur noch die Flagge der Französischen Süd- und
Antarktisgebiete. Daher beschäftigen sie auf ihren in
Frankreich eingetragenen Schiffen (was ihnen
insbesondere ermöglicht, beträchtliche Beihilfen und
Subventionen einzustreichen) bis zu 65 % Matrosen
ausländischer Staatsangehörigkeit. Die Entlohnung, die
Arbeits- und Lebensbedingungen richten sich natürlich
nach denen des Herkunftslands und stehen in keinem
Verhältnis zur Qualifikation dieser Seeleute. Diese
Überausbeutung ermöglicht Riesenprofite, die auf
Kosten der Würde, der Rechte, der Gesundheit und
zuweilen
auch
des
Lebens
dieser
Mannschaftsangehörigen erzielt werden, die im
Wesentlichen aus den ärmsten Ländern der Erde
stammen. Dies ist der wahre Skandal der Schiffsregister.
2-114
Queiró (UEN), schriftlich. – (PT) Vor dem Hintergrund
sowohl des Untergangs des Öltankers „Prestige“ als
auch des von diesem Parlament angenommenen
Vorschlags, auf Initiative des Unterzeichners ein
Gemeinschaftsprogramm aufzustellen, dessen einziges
Anliegen die Entwicklung von Mechanismen zum
Schutz der EU-Außengrenzen und insbesondere ihrer
Seegrenzen ist, habe ich diese Aussprache mit großem
Interesse verfolgt.
Alle Maßnahmen, die im Namen der Sicherheit des
Seeverkehrs getroffen werden, sind zu begrüßen und
tragen
einer
richtig
erkannten
allgemeinen
Notwendigkeit Rechnung. Es ist richtig, sich nicht allein
auf Unfälle zu konzentrieren, sondern auch auf die
Hauptursachen der Meeresverschmutzung, d. h. die
systematischen Verstöße gegen die Rechtsvorschriften
auf diesem Gebiet. Ein solches Herangehen offenbart
auch politische Sensibilität für die uns betreffenden
Umweltprobleme.
Ich habe deshalb für die Berichte zur Sicherheit des
Seeverkehrs gestimmt, allerdings nicht für den Bericht
Pex, da ich dem Vorschlag des Berichterstatters für die
Schaffung einer europäischen Küstenwache nicht
zustimme.
Die EU hat die Pflicht, die Sicherheit des Seeverkehrs zu
fördern, und darf unter keinen Umständen davon
entbunden werden. Die Schaffung einer europäischen
Küstenwache wäre jedoch ein Schritt zu weit. Wir wären
besser beraten, eine engere Zusammenarbeit zwischen
den Mitgliedstaaten zu unterstützen, die wiederum zu
größerer Interoperabilität und Kompatibilität der
innereuropäisch verfügbaren Ressourcen führen und
unnötige
Doppelungen
und
Überschneidungen
vermeiden würde.
2-115
Ribeiro e Castro (UEN), schriftlich.  (PT) Ich glaube,
mit dem in diesem Bericht gewählten Ansatz zur
40
Umregistrierung von Fracht- und Fahrgastschiffen
innerhalb der EU gelingt es, die einzelnen Faktoren in
ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu versetzen.
Zwar erreichte die Verordnung von 1991 ihr Ziel, den
Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der
Umregistrierung innerhalb der Union zu reduzieren,
doch haben der Berichterstatter und die Europäische
Kommission in ihrem Vorschlag das unerlässliche
Erfordernis der Sicherheit nicht aus dem Auge verloren,
ein Erfordernis, das auf tragische Weise durch die
Havarie des Öltankers „Prestige“ im Jahre 2002 bestätigt
wurde.
Ich halte es für möglich, das Fahren unter Flaggen von
Mitgliedstaaten attraktiv zu machen – die EU braucht
eine bedeutende Flotte –, ohne Sicherheitsbelange zu
vernachlässigen.
Damit nicht alles zentralisiert würde, entschied sich der
Berichterstatter, nicht die Schaffung eines einheitlichen
EU-Registers vorzuschlagen. Durch ein solches Register
ließen sich zwar Kosten einsparen, doch dies träfe nur
dann zu, wenn es die nationalen Register vollständig
ersetzen würde, was Fachleuten zufolge undurchführbar
zu sein scheint.
Vorzuziehen sind die Zusammenarbeit und insbesondere
die
Festlegung
wechselseitiger
Zuständigkeiten
zwischen den nationalen Seebehörden, was gewiss zur
Herstellung regelmäßiger Kontakte beitragen wird.
Förderlich wäre hier auch der Vorschlag des
Berichterstatters, dass die Kommission dem EP und dem
Rat über die Anwendung der neuen Bestimmungen
Bericht erstattet.
2-116
- Bericht Vidal-Quadras Roca (A5-0442/2003)
2-117
Hudghton (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident, die
heutige Abstimmung über radioaktive Abfälle ist
hochaktuell, zumal jüngste Untersuchungen ergeben
haben, dass sich mehr als die Hälfte der britischen
Standorte, die als potenzielle Lagerstätten für
radioaktive Abfälle in Frage kommen, in Schottland
befinden. Meine Fraktion stimmte heute gegen das Paket
zur Entsorgung nuklearer Abfälle, weil es nichts enthält,
was zur Umweltsicherheit beiträgt. Meine Partei wird
außerdem auch künftig dagegen kämpfen, dass sich
Schottland zur Mülltonne für nukleare Abfälle
entwickelt.
Die Vision, die die Scottish National Party im Hinblick
auf ein unabhängiges Schottland verfolgt, ist die eines
sauberen, grünen Schottland, das von seinen natürlichen
Ressourcen und seiner gesunden Umwelt profitiert.
Dagegen ist man in London offenbar der Ansicht, dass
bei der Entsorgung nuklearer Abfälle die Regel gilt, je
weiter weg, umso besser, und Schottland scheint sich
wohl als idealer Standort anzubieten. Das werden sich
die Bürger in Schottland nicht gefallen lassen, und
meine Partei wird diese schmutzige Industrie auch
weiterhin bekämpfen.
13/01/2004
2-118
Bordes, Cauquil und Laguiller (GUE/NGL),
schriftlich. – (FR) Beim Bericht Vidal-Quadras Roca
über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und
radioaktiver Abfälle sowie beim Bericht Seppänen, der
sich mit der Sicherheit kerntechnischer Anlagen befasst,
haben wir alle Änderungsanträge unterstützt, die auf eine
größere Sicherheit beim Betrieb der Anlagen sowie bei
der Behandlung und Lagerung radioaktiver Abfälle
abzielten.
Nicht
unterstützt
haben
wir
hingegen
die
Änderungsanträge, in denen jeder Zeitplan für diese
Verstärkung der Sicherheit, zuweilen aus technischen
Gründen abgelehnt und den Mitgliedstaaten faktisch
freie Hand gelassen wurde.
Ohne die der Kerntechnik innewohnenden Risiken
leugnen zu wollen, stellt die Tatsache, dass den
Regierenden nicht vertraut werden kann, da sie stets die
Finanzinteressen der Privatunternehmen über die
menschlichen Interessen der Bevölkerung stellen, die
schlimmste Gefahr in diesem Zusammenhang dar.
2-119
Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich.  (PT) Wir
glauben, dass die Notwendigkeit, akzeptable Lösungen
für die Entsorgung radioaktiver Abfälle zu finden, eines
der wichtigsten Probleme, wenn nicht das wichtigste
Problem überhaupt im Zusammenhang mit der
Kernenergie ist. Die Kommission ist der Meinung, dass
die derzeitige Politik in den meisten Mitgliedstaaten und
Kandidatenländern dem Problem der Nuklearabfälle
nicht ausreichend gerecht wird. Die Mitgliedstaaten
müssen zwingend geeignete Strategien entwickeln und
detaillierte Programme mit Zeitplänen für die
langfristige Entsorgung sämtlicher Arten von Abfällen in
ihrem Zuständigkeitsbereich ausarbeiten.
Ziel der Richtlinie ist es, Fortschritte in dieser Richtung
zu befördern und zugleich die Bedeutung der
verschiedenen diesbezüglichen Faktoren hervorzuheben:
die Auswahl und Erschließung von Endlagerstätten, die
Durchführung wichtiger FuE-Arbeiten für die
Ermittlung und Umsetzung der besten technischen
Lösungen und Technologien für die Abfallbeseitigung,
die eine erhebliche Verringerung der Abfallmenge und
der Gefährdung durch die Abfälle, die während des
Prozesses der Erzeugung von Kernenergie entstehen,
ermöglichen.
Die Mitgliedstaaten müssen dazu angehalten werden, bei
der Abfallentsorgung zusammenzuarbeiten, ohne das
Prinzip außer Acht zu lassen, dass jedes Land sich um
die eigenen Abfälle kümmern muss (ausgenommen unter
besonderen Umständen), und dass keine Aktivität auf
diesem Gebiet die Volksgesundheit oder die Umwelt
gefährden darf. Ich begrüße diese Richtlinie, die in jeder
Hinsicht gerechtfertigt scheint.
Der Bericht enthält einige Vorschläge, die nicht von
grundlegender Bedeutung zu sein scheinen, und einige
verdienten nicht...
13/01/2004
41
(Erklärung zur Abstimmung gekürzt gemäß Artikel 137
Absatz 1 GO)
der betroffenen Bevölkerung
Wissenschaftler stößt.
2-120
Daher haben wir gegen diesen Bericht gestimmt. Der
Kernsektor weist übermäßige Kosten auf und kommt
trotzdem in den Genuss von unglaublich günstigen
Bedingungen gegenüber den „saubere“ Energie
erzeugenden Sektoren. Diese Tendenz muss umgekehrt
werden. Wir solidarisieren uns deshalb mit der
gemeinsamen Demonstration für den Ausstieg aus der
Kernenergie, die am Samstag, dem 17. Januar in Paris
stattfindet.
Korakas (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Fast dreißig
Jahre nach Veröffentlichung der EWG-Richtlinie von
1975 über die Behandlung fester Abfälle haben sich die
Organe der EU entschlossen, sich endlich mit dem
Thema der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und
radioaktiver Abfälle zu beschäftigen.
In Wirklichkeit enthält die vorgeschlagene Richtlinie
außer
der
Aufwärmung
einiger
allgemeiner
Bestimmungen, die für alle Abfälle gelten, keinen
wesentlichen Bezug zu dem speziellen und für die
öffentliche Gesundheit sensiblen Charakter der
radioaktiven Abfälle. Die Vorschläge für die Schaffung
von Einrichtungen zur Lagerung in tiefen geologischen
Formationen innerhalb konkreter Fristen sind so vage,
dass sie eigentlich nur leeres Geschwätz darstellen.
Der Bericht des Ausschusses für Industrie, Außenhandel,
Forschung
und
Energie
bemüht
sich,
den
unzureichenden Text der Richtlinie mit Anmerkungen zu
unterstützen, die entweder neutral oder sogar negativ
sind. Beispielsweise akzeptiert der Bericht die Ausfuhr
abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle in
Drittländer, was wir grundsätzlich ablehnen.
Die vorgeschlagene Richtlinie und der Bericht des
Industrieausschusses bestätigen einmal mehr unsere
Einschätzung, dass es eine gewaltige Diskrepanz
zwischen dem Ernst und der Schärfe der durch das
unkontrollierte Wirken des Großkapitals verursachten
Umweltprobleme und dem Ergreifen grundlegender
Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung gibt.
Aus diesen Gründen stimmen die Abgeordneten der
Kommunistischen Partei Griechenlands im Europäischen
Parlament gegen die entsprechenden Texte.
2-121
Krivine und Vachetta (GUE/NGL), schriftlich. – (FR)
Der ständig höhere Anfall von radioaktiven Abfällen
stellt ein bedeutendes Problem für die Umwelt und die
öffentliche Gesundheit dar. Doch Länder wie Frankreich
verstärken
ihre
Programme
zum
Bau
von
Kernkraftwerken, die in dieser Hinsicht nicht besser als
die
Alten
sind.
Gleichzeitig
bringen
die
Liberalisierungsbestrebungen sowohl soziale wie auch
ökologische Gefahren mit sich, insbesondere durch die
immer stärkere Untervergabe von Aufträgen für die
Wartung von Kernanlagen.
In diesem Zusammenhang zielt der Bericht VidalQuadras Roca in seiner abgeänderten Form sicherlich
auf eine bessere Kontrolle der Kernabfälle ab, doch er
weist in zwei Punkten auch große Unzulänglichkeiten
auf: er lässt weiterhin zu, dass Mitgliedstaaten ihre
Abfälle in Drittstaaten exportieren (auch wenn er – und
dies ist eine Verbesserung –“die vorherige schriftliche
Einwilligung“ der betreffenden Staaten zur Bedingung
macht) und befürwortet die geografische Tiefenlagerung
von radioaktiven Abfällen, die auf die starke Ablehnung
sowie
zahlreicher
2-122
Meijer (GUE/NGL), schriftlich.  (NL) Als in den 50er
und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die
Kernspaltung als unerschöpfliche Energiequelle für die
Zukunft propagiert wurde, verschwendete man kaum
einen Gedanken an den Abfall. Die Radioaktivität dieses
Materials nimmt nur langsam ab und kann in
abgeschwächter Form zehntausende Jahre überdauern.
Dieses unlösbare Abfallproblem sollte ein zwingender
Grund sein, um von einer weiteren Nutzung der
Kernspaltung Abstand zu nehmen. Stattdessen wächst
der Druck, um mehr unterirdische Lagerkapazität für
dieses gefährliche Material zu schaffen, beispielsweise
in den unterirdischen Salzschichten der niederländischen
Provinz Drenthe. Ich habe die Europäische Kommission
im Juni 2003 um Aufklärung über die Vorhaben
gebeten, wonach die EU-Mitgliedstaaten ab 2018 zu
geologischen Lagerstätten für die Endlagerung der
gefährlichsten radioaktiven Abfälle verpflichtet werden
sollen. Der Antwort zufolge habe eine Studie zu der
Beurteilung
der
Eignung
geologischer
Einschlusssysteme gezeigt, dass alle europäischen
Staaten über einen geeigneten Untergrund aus Ton, Salz
oder kristallinen Felsschichten verfügen. Nunmehr
scheint man sich auch noch die Möglichkeit offen zu
halten, diesen Abfall als Handelsware zu betrachten, die
wegen der Freizügigkeit ohne Einfuhrgenehmigung in
jeden EU-Mitgliedstaat zugelassen werden muss. Weil
das Parlament nicht befugt ist, dies zu untersagen, kann
nur noch vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die
Einfuhr vorgegangen werden. Für mich ist das ein
Grund, um gegen diese ganze Richtlinie zu stimmen.
2-123
Queiró (UEN), schriftlich.  (PT) Bei der Abstimmung
über die drei Berichte über die Kernenergie habe ich
mich für das entschieden, was ich für den vernünftigsten
politischen Weg für diejenigen halte, die, wie ich, für
diese Energiequelle sind, sofern das höchste
Sicherheitsniveau eingehalten wird. Das würde sichere
Anlagen – nicht nur funktionierende Anlagen – und
sichere abgebrannte Brennelemente und radioaktive
Abfälle sowohl bei der Endlagerung als auch in jeder
Phase auf dem Weg zur Endlagerstätte bedeuten.
Alle Mitgliedstaaten erzeugen radioaktive Abfälle, die
aus Atomkraftwerken, Forschungsreaktoren und
verschiedenen
medizinischen
und
industriellen
Anwendungen stammen. Es ist schlimm genug, dass
diese Materialien in Zwischenlagern aufbewahrt werden,
42
aber noch schlimmer ist, dass es in keinem Mitgliedstaat
unmittelbare Pläne zum Bau von Endlagerstätten gibt.
In ihren Vorschlägen erklärt die Kommission, dass bei
Nutzung der Kernenergie für kommerzielle Zwecke ein
ausreichendes Sicherheitsniveau zu gewährleisten ist
und die Länder verpflichtet sein müssen, entsprechende
Regeln
durchzusetzen.
Dieses
Konzept
der
Verpflichtung hebt diese Vorschläge von den bereits
bestehenden internationalen Übereinkommen ab.
Deshalb habe auch ich für diese Vorschläge gestimmt.
2-124
Ribeiro e Castro (UEN), schriftlich.  (PT) Alle
Mitgliedstaaten und Beitrittsländer erzeugen radioaktive
Abfälle, deren radiologisch toxische Formen zurzeit in
Zwischenlagern aufbewahrt werden. Kein Mitgliedstaat
verfügt über eine Endlagerung, auch Pläne zum Bau
einer solchen Anlage in naher Zukunft gibt es nicht.
Daher ist es eine Sache höchster Dringlichkeit, dass wir
praktikable Lösungen finden. Der Berichterstatter
befürwortet zu Recht einen zweistufigen Ansatz, der
besser realisierbar und wirksamer wäre als ein einziger
Zeitplan. Zunächst soll jeder Mitgliedstaat bis spätestens
31. Dezember 2006 ein detailliertes Programm für die
langfristige Entsorgung aller Arten von radioaktiven
Abfällen in seinem Hoheitsgebiet in Übereinstimmung
mit internationalen Standards vorbereiten und dieses der
Kommission vorlegen. Danach legt jeder Mitgliedstaat
selbst die Fristen fest, zu denen das Programm in Kraft
tritt, wählt den Standort aus, errichtet die
Entsorgungseinrichtung und betreibt sie. Eine solche
Vorgehensweise wird es ermöglichen, das erklärte Ziel
mit der Flexibilität zu erreichen, die aufgrund der
unterschiedlichen Lage in den einzelnen Mitgliedstaaten
der EU erforderlich ist.
Diese Lösung, bei der das Subsidiaritätsprinzip
eingehalten wird, ist ein wichtiger Schritt, um dem
Wunsch der Bürger Europas nach einer Regelung in
diesem sensiblen Bereich Rechnung zu tragen. Durch die
Festlegung von Fristen, Zeitplänen und Zielvorgaben
wird auch ein effektiver Haftungsrahmen geschaffen.
Daher habe ich mit Ja gestimmt.
2-125
- Bericht Seppänen (A5-0441/2003)
2-126
Arvidsson, Cederschiöld, Grönfeldt Bergman und
Stenmarck (PPE-DE), schriftlich.  (SV) Wir
Mitglieder der Moderaten Sammlungspartei messen dem
bestmöglichen
Sicherheitsniveau
kerntechnischer
Anlagen höchste Priorität bei. Unserer Ansicht nach
erfüllt die schwedische Sicherheitsorganisation in
Verbindung mit der Arbeit der IAEA, der WENRA und
anderer Organisationen sehr wohl die Anforderungen an
die Erarbeitung von Sicherheitsbestimmungen und die
Kontrolle ihrer Einhaltung. Wir bezweifeln allerdings,
dass die EU über die erforderliche vertraglich festgelegte
Zuständigkeit für Beschlüsse über Richtlinien zur
Sicherheit kerntechnischer Anlagen verfügt, zumindest
was den Bericht Seppänen betrifft.
13/01/2004
In der Schlussabstimmung haben wir für den Bericht
gestimmt, da eine Abstimmung über die vorgeschlagene
Rechtsgrundlage für die Richtlinie nicht möglich war
und der Bericht wesentlich besser ist als der Vorschlag
der Kommission.
2-127
Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich.  (PT) Ein
rechtsverbindlicher Rahmen im Bereich der Sicherheit
kerntechnischer Anlagen ist unerlässlich, wenn man
bedenkt, dass die Maßnahmen der verschiedenen
Mitgliedstaaten im Bereich der nuklearen Sicherheit
weiterhin große Unterschiede aufweisen.
In der EU muss ein hohes Sicherheitsniveau gesichert
wird, da das zu verwirklichende System in die
Zuständigkeit der nationalen Sicherheitsbehörden fallen
wird. Das Gemeinschaftssystem dient der Ergänzung der
nationalen Systeme, und mit der Überwachung auf
Gemeinschaftsebene wird kontrolliert, in welcher Weise
die nationalen Behörden ihre Arbeit ausführen. Es
besteht nicht die Absicht, Vor-Ort-Inspektionen
kerntechnischer Anlagen durchzuführen.
Der Vorschlag der Kommission erscheint gerechtfertigt.
Einwände könnten jedoch von Mitgliedstaaten erhoben
werden, die der Meinung sind, dass sich die Kommission
in Angelegenheiten nationaler Souveränität einmischt,
was die Zuständigkeit für Entscheidungen zu den
sicherheits- und betriebstechnischen Bedingungen
kerntechnischer Anlagen betrifft. Aus diesem Grund
ging man bei der Formulierung der Bestimmungen zum
Kontakt mit den nationalen Sicherheitsbehörden und der
Form, in der die Gemeinschaftskontrolle erfolgen wird,
was wir für den richtigen Weg halten, mit so großer
Sorgfalt vor. Darum habe ich mit Ja gestimmt.
2-130
Queiró (UEN), schriftlich.  (PT) Bei der Abstimmung
über die drei Berichte über die Kernenergie habe ich
mich für das entschieden, was ich für den vernünftigsten
politischen Weg für diejenigen halte, die, wie ich, für
diese Energiequelle sind, sofern das höchste
Sicherheitsniveau eingehalten wird. Das würde sichere
Anlagen – nicht nur funktionierende Anlagen – und
sichere abgebrannte Brennelemente und radioaktive
Abfälle sowohl bei der Endlagerung als auch in jeder
Phase auf dem Weg zur Endlagerstätte bedeuten.
Alle Mitgliedstaaten erzeugen radioaktive Abfälle, die
aus Atomkraftwerken, Forschungsreaktoren und
verschiedenen
medizinischen
und
industriellen
Anwendungen stammen. Es ist schlimm genug, dass
diese Materialien in Zwischenlagern aufbewahrt werden,
aber noch schlimmer ist, dass es in keinem Mitgliedstaat
unmittelbare Pläne zum Bau von Endlagerstätten gibt.
In ihren Vorschlägen erklärt die Kommission, dass bei
Nutzung der Kernenergie für kommerzielle Zwecke ein
ausreichendes Sicherheitsniveau zu gewährleisten ist
und die Länder verpflichtet sein müssen, entsprechende
Regeln
durchzusetzen.
Dieses
Konzept
der
Verpflichtung hebt diese Vorschläge von den bereits
13/01/2004
bestehenden internationalen Übereinkommen ab.
Deshalb habe auch ich für diese Vorschläge gestimmt.
2-131
Ribeiro e Castro (UEN), schriftlich.  (PT) Ich habe für
diesen wichtigen Bericht gestimmt, und zwar aus
denselben Gründen, die ich schon im meiner Erklärung
zur Abstimmung zu anderen Berichten in diesem
„Kerntechnikpaket“ dargelegt habe.
Die Standpunkte der Mitgliedstaaten zu dieser sensiblen
Problematik gehen weit auseinander. Ebenso deutliche
Unterschiede bestehen auch bei der Akzeptanz der
Bürger gegenüber den Gefahren der Kerntechnik.
Glücklicherweise scheint in vielen Bereichen des
europäischen Lebens das Hauptaugenmerk jetzt auf der
zentralen Frage der Förderung und gemeinsamen
Nutzung „bewährter Praktiken“ zu liegen.
Die Kommission will mit diesem Vorschlag
sicherstellen, dass bewährte Praktiken auf dem Gebiet
der kerntechnischen Sicherheit in allen Mitgliedstaaten
und in allen zivilen kerntechnischen Anlagen umgesetzt
werden.
Ich glaube, es geht nicht darum, das Übereinkommen
über nukleare Sicherheit zu ersetzen, das unter der Ägide
der
Internationalen
Atomenergie-Organisation
abgeschlossen wurde und dem alle EU-Staaten
angehören.
Vielmehr
soll
ein
hohes
Mindestsicherheitsniveau geschaffen werden, und zwar
unter Aufsicht und Verantwortung der Mitgliedstaaten
und auf der Grundlage einer engeren Zusammenarbeit
und größeren Solidarität, woraus sich dann „bewährte
Praktiken“ ergeben.
Ich würde gegen diesen Vorschlag stimmen, wenn er
eine Verschiebung in Richtung gemeinsamer
Zuständigkeit und weg von dem, was bisher und
ausschließlich eine nationale Angelegenheit war,
erkennen ließe. Damit verfolgt der Berichterstatter ein
sehr vernünftiges Anliegen, eines, das stets eine Art
„Warnsignal“ ist und den Gesetzgeber eindeutig die
Schranken aufzeigt.
2-132
Sacrédeus (PPE-DE), schriftlich.  (SV) Ich habe für
den Änderungsantrag 29 der Fraktion der Grünen / Freie
Europäische Allianz gestimmt, der auf eine schärfere
und deutlichere Formulierung bezüglich des Schutzes
der Öffentlichkeit beim Umgang mit radioaktivem
Material ausgerichtet ist.
Ferner habe ich für den von der Fraktion der
Grünen / Freie Europäische Allianz eingebrachten
Änderungsantrag 30 gestimmt, in dem es um die
Ausräumung von Hindernissen auf dem Energiemarkt
im Interesse eines faireren Wettbewerbs zwischen
Kernenergie und anderen Energiequellen geht.
43
Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich.  (PT) Für uns
stellt sich die Frage, ob der Beschluss 77/270/Euratom
zur Ermächtigung der Kommission, im Hinblick auf
einen Beitrag für die Finanzierung von Kernkraftanlagen
Euratom-Anleihen aufzunehmen, an die Gegebenheiten
bestimmter Drittländer angepasst werden muss, die in
Kürze der EU beitreten und in denen solche
Investitionen eindeutig von erheblicher Bedeutung sind.
In diesem Vorschlag zur Änderung scheint für
nukleartechnische Erwägungen kein Raum zu sein. Ob
das Prinzip dieser Darlehen akzeptabel ist, ist eine
andere Frage. Doch diese Frage würde auch ohne den
uns vorliegenden Änderungsantrag aufkommen. Es sei
darauf hingewiesen, dass der Mechanismus der Darlehen
1977 eingeführt wurde und seinerzeit nur für die
Mitgliedstaaten galt. Er wurde 1994 geändert, als die
Frage der Beteiligung der EU an der Förderung der
Verbesserung der Sicherheit von Kernkraftanlagen in
Drittländern, insbesondere solcher sowjetischer Bauart
in früheren Ostblockstaaten, aufkam.
2-135
Fitzsimons (UEN), schriftlich.  (EN) Es ist allgemein
bekannt, dass ich die Nutzung von Kernkraft vehement
ablehne.
Ich respektiere das Recht eines jeden Mitgliedstaates,
über seine Energiepolitik selbst zu entscheiden. Diese
Entscheidung darf jedoch nicht die Entscheidung anderer
Staaten auf Atomfreiheit beeinträchtigen. Der Betrieb
von Kernkraftwerken und Aufbereitungsanlagen hat
jedoch
über
Ländergrenzen
hinausgehende
Auswirkungen.
Als Volksvertreter für die irische Ostküste bin ich mir
stets der Gefahr bewusst, die kerntechnische Anlagen
auf der anderen Seite der Irischen See für meine Wähler
und unsere Umwelt darstellen, insbesondere die
veraltete, marode und havarieanfällige Anlage von
Sellafield in Cumbria.
Wenn Mitgliedstaaten, die an ihrer Atomenergiepolitik
festhalten, ihre Nachbarn beruhigen wollen, dann
müssen sie den zuständigen Behörden in diesen
Nachbarstaaten
umfassenden
Zugang
zu
den
entsprechenden Informationen geben.
Jüngsten Angaben des Radiological Protection Institute
of Ireland zufolge ist es im Verlaufe der letzten Jahre
immer schwieriger geworden, von den britischen
Behörden Informationen über Sellafield zu erhalten. Das
ist weder ein Ausdruck gutnachbarlicher Beziehungen
noch des Gemeinschaftsgeistes.
Die Verwendung von EU-Mitteln für die Verlängerung
der Existenz gefährlicher Anlagen ist eine Heuchelei.
Anlagen, die strenge internationale Normen nicht
erfüllen, sollten stillgelegt werden.
2-133
- Bericht Breyer (A5-0443/2003)
2-134
2-137
Meijer (GUE/NGL), schriftlich.  (NL) Die EuroOptimisten hört man oft rufen, die Befugnisse des
Europäischen Parlaments seien in den 90er Jahren
44
gewaltig erweitert worden. Für die Zahl der der
Mitentscheidung unterliegenden Themen mag das zwar
zutreffen, für endgültige Entscheidungen jedoch nicht. In
einer normalen parlamentarischen Demokratie hat das
Parlament Initiativrecht und auch das letzte Wort über
Gesetzgebung, Haushaltsplan und Koalitionsbildung.
Dieser Vorschlag verdeutlicht einmal mehr das
Demokratiedefizit innerhalb der Europäischen Union,
jetzt da die Aufstockung der Obergrenzen für
EURATOM-Anleihen von 4 Milliarden Euro auf 6
Milliarden Euro offensichtlich keine Befugnis des
Parlaments, sondern ausschließlich des Rates ist. Am
sinnvollsten an diesem Vorschlag finde ich, dass die
Bekämpfung der nuklearen Unsicherheit nicht
ausschließlich für die EU-Mitgliedstaaten gilt, sondern
auch auf Russland, die Ukraine und Armenien
ausgedehnt wird. Darüber, wie diese Unsicherheit
bekämpft wird, gehen die Meinungen nach wie vor
auseinander. Der eine will modernere Kernkraftwerke,
der andere definitive Abschaltungen. Ich gehe mit der
Berichterstatterin Hiltrud Breyer insofern konform, als
Anleihen zur Finanzierung von Kernkraftwerken nicht
auf die Ausweitung von Kernenergie, sondern auf ihre
Abschaffung ausgerichtet sein müssen. Die Abstimmung
im Fachausschuss hat diesen Bericht nahezu ins
Gegenteil verkehrt, so dass ich, ebenso wie die
Berichterstatterin, nicht mehr zustimmen kann.
2-138
Pasqua (UEN), schriftlich. – (FR) Es bleibt zu hoffen,
dass der Ruck, den sich dieses Parlament mit dem
Bericht Breyer gegeben hat, nicht nur das Ende der
dogmatischen Bestrebungen der Antiatom-Ajatollahs
bedeutet, sondern auch ein sachliches Nachdenken
ermöglicht, das einen wirklichen Kurswechsel einleiten
kann.
Denn nur die Kernenergie, bereichert durch die
spektakulären Fortschritte der Forschung, dank derer
bereits reichliche Mengen hochqualitativer Energie
sicher verfügbar sind, ist in der Lage, der Sorge um den
Umweltschutz, der Notwendigkeit der Unabhängigkeit
in der Energieversorgung und der mit dem Aufschwung
der
Schwellenländer
verbundenen
gewaltigen
Herausforderung gerecht zu werden.
Kann man denn ernsthaft annehmen, dass der
unweigerlich mit der Entwicklung verbundene
Energiebedarf in Ländern wie Indien oder China durch
erneuerbare Energien gedeckt werden kann? Ist es
verantwortungsbewusst, das endgültige Aus für die
europäische Kernenergiesektor zu fordern, obwohl nur
dieser aufgrund seiner einschlägigen Erfahrung und
Sachkenntnis dazu beitragen kann, die neuen Anlagen
wirklich sicher zu gestalten, die in diesen Drittländern
nicht auf das grüne Licht der Union warten, um gebaut
zu werden?
Die für die Europäische Union sensible und für drei
Viertel der Welt lebenswichtige Energieproblematik
wird nur gelöst werden können durch ein
leidenschaftsloses und pragmatisches Herangehen ohne
13/01/2004
alle
Hirngespinste
Ökofundamentalismus.
und
Fantastereien
des
2-139
Queiró (UEN), schriftlich.  (PT) Bei der Abstimmung
über die drei Berichte über die Kernenergie habe ich
mich für das entschieden, was ich für den vernünftigsten
politischen Weg für diejenigen halte, die, wie ich, für
diese Energiequelle sind, sofern das höchste
Sicherheitsniveau eingehalten wird. Das würde sichere
Anlagen – nicht nur funktionierende Anlagen – und
sichere abgebrannte Brennelemente und radioaktive
Abfälle sowohl bei der Endlagerung als auch in jeder
Phase auf dem Weg zur Endlagerstätte bedeuten.
Alle Mitgliedstaaten erzeugen radioaktive Abfälle, die
aus Atomkraftwerken, Forschungsreaktoren und
verschiedenen
medizinischen
und
industriellen
Anwendungen stammen. Es ist schlimm genug, dass
diese Materialien in Zwischenlagern aufbewahrt werden,
aber noch schlimmer ist, dass es in keinem Mitgliedstaat
unmittelbare Pläne zum Bau von Endlagerstätten gibt.
In ihren Vorschlägen erklärt die Kommission, dass bei
Nutzung der Kernenergie für kommerzielle Zwecke ein
ausreichendes Sicherheitsniveau zu gewährleisten ist
und die Länder verpflichtet sein müssen, entsprechende
Regeln
durchzusetzen.
Dieses
Konzept
der
Verpflichtung hebt diese Vorschläge von den bereits
bestehenden internationalen Übereinkommen ab.
Deshalb habe auch ich für diese Vorschläge gestimmt.
2-140
Ribeiro e Castro (UEN), schriftlich.  (PT) Ich stimme
dem uns vorliegenden Vorschlag für einen Beschluss zu.
Außerdem bin ich der Auffassung, dass die Erhöhung
der Zahlungsermächtigungen in erster Linie der
Verbesserung der Sicherheit vorhandener Reaktoren
dienen muss. Im Gegensatz zur Berichterstatterin meine
ich jedoch, dass die Finanzierung von Vorhaben zur
Sicherung oder Verbesserung vorhandener Anlagen
davon nicht ausgeschlossen sein sollte. Das ist der Fall
bei dem Euratom-Darlehen Cernavoda 2, das derzeit zur
Fertigstellung eines von kanadischen, französischen,
italienischen
und
US-amerikanischen
Firmen
entworfenen und in Rumänien gebauten Reaktors
geplant ist.
Ich bin deshalb gegen solche einschränkenden
Maßnahmen, die nur auf die Stilllegung von Anlagen
gerichtet sind. Wie alle Bürger Europas bin auch ich
besorgt über die Sicherheit von Anlagen, vor allem nach
den gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen in
Osteuropa nach dem November 1989, und die laufenden
Stilllegungsprogramme. Die Unterstützung für diesen
Vorschlag für einen Beschluss erwächst aus dieser Sorge
und aus der Vorstellung, dass der wirtschaftliche und
soziale Zusammenhalt in Europa auch aktiv zur
Wiederbelebung der Volkswirtschaften in vielen
Ländern beitragen muss, in denen sich diese Anlagen
befinden,
wozu
Energiesicherheit
und
-versorgungssicherheit ganz gewiss erheblich beitragen
werden.
13/01/2004
2-141
Sacrédeus (PPE-DE), schriftlich.  (SV) Ich habe für
den Änderungsantrag 19 der Fraktion der Grünen / Freie
Europäische Allianz gestimmt, (der mit 71 Ja-Stimmen,
235 Nein-Stimmen und 11 Stimmenenthaltungen
abgelehnt wurde). In diesem Änderungsantrag wird
betont, dass die Bewohner potenziell betroffener Gebiete
in Nachbarländern die gleichen Rechte genießen müssen
wie die Bürger des Landes, in dem die Anlage liegt,
beispielsweise bei öffentlichen Konsultationen im Falle
der
Vergabe
von
Darlehen
aus
dem
Gemeinschaftshaushalt. Es ist wichtig, dass das
Übereinkommen von Espoo in der Praxis Anwendung
findet.
2-142
- Bericht Vidal-Quadras Roca (A5-0442/2003)
- Bericht Seppänen (A5-0441/2003)
2-143
Flemming und Rübig (PPE-DE), schriftlich.  Auf
Antrag des Europäischen Parlaments hat die
Kommission zwei Rahmenrichtlinien vorgestellt. Diese
fallen in die Kompetenz der Europäischen Institutionen,
und wir haben ihnen deshalb zugestimmt, wenn wir auch
nicht inhaltlich mit allem einverstanden sind.
2-144
- Bericht Vidal-Quadras Roca (A5-0442/2003)
- Bericht Seppänen (A5-0441/2003)
- Bericht Breyer (A5-0443/2003)
2-145
Lund und Thorning-Schmidt (PSE), schriftlich. –
(DA) Die dänische sozialdemokratische Delegation hat
heute für eine Reihe von Änderungsanträgen gestimmt,
die die ursprünglichen Vorschläge in Bezug auf
Sicherheit und Umwelt verbessern werden.
Wir haben uns aber letztendlich dafür entschieden, uns
bei der Abstimmung über diese Berichte als Ganzes der
Stimme zu enthalten, da wir finden, dass die Vorschläge
in Bezug auf Sicherheit und Umwelt nicht ausreichend
sind und weil wir generell die Nutzung von Atomkraft
ablehnen.
2-146
- Bericht Pesälä (A5-0463/2003)
2-147
Ribeiro e Castro (UEN), schriftlich.  (PT) Es ist in der
Tat wichtig, dass wir uns mit den besonderen Problemen
befassen, mit denen der Agrarsektor in den arktischen
und subarktischen Regionen Finnlands, Schwedens,
Schottlands, Österreichs und Estlands zu kämpfen hat.
Das kalte Klima dieser Regionen verursacht eine kürzere
Vegetationsperiode und höhere Kosten für die Tier- und
Pflanzenzucht. Auch die Getreideernten fallen schlechter
aus und die Sortenvielfalt ist geringer. Zusätzlich zu dem
nachteiligen Klima und zum Teil als dessen Folge
bereiten auch der Transport und die Vermarktung der
Erzeugnisse Schwierigkeiten.
Ich bin daher ebenfalls der Meinung, dass, wie von
mehreren Europäischen Räten bereits hervorgehoben
wurde, die Nachhaltigkeit und Umverteilung der
45
Landwirtschaft europaweit sichergestellt werden muss
und nicht nur das Postkartenimage der ländlichen
Landschaft erhalten werden muss, sondern die
Lebenskraft des ländlichen Raumes insgesamt.
Als ausgesprochener Verfechter einer wirklichen
Konvergenz und des Kampfes gegen regionale
Unterschiede, insbesondere in den Regionen in äußerster
Randlage, befürworte ich den besonderen Status der
nördlichen Regionen. Ich glaube, die EU hat die Pflicht,
einen ausgewogenen Ansatz gegenüber Agrargebieten
zu verfolgen, der sich auf die Kriterien der
Verhältnismäßigkeit und Zweckmäßigkeit gründet, ohne
nationale Identitäten oder die Begleitumstände der
Landwirtschaft außer Acht zu lassen. Da ich ständig von
den besonderen Merkmalen und Problemen der
portugiesischen Landwirtschaft spreche, darf ich auch
die spezifischen Probleme anderer Mitgliedstaaten nicht
unerwähnt lassen.
(Erklärung zur Abstimmung gekürzt gemäß Artikel 137
Absatz 1 GO)
2-148
- Bericht Almeida Garrett (A5-0471/2003)
2-149
Ribeiro e Castro (UEN), schriftlich.  (PT) Ich habe
mich bei vielen Gelegenheiten dafür ausgesprochen,
dass die Bedingungen der Regelung und Umsetzung von
EU-Rechtsvorschriften (und Arbeitsbestimmungen von
EU-Institutionen) möglichst klar formuliert sind. Wenn
das erreicht wird, erhalten diejenigen, die in den dieser
Ordnung unterworfenen Sektoren tätig sind, besseren
Schutz, und das gilt auch für die Bürger. Wir reden viel
darüber, Europa den Bürgern näher zu bringen, doch in
der Wirklichkeit bleibt es ihnen fern. Der effektivste
Beitrag, den wir leisten können, um eine Brücke zu
schlagen, besteht darin, die Vorschriften zu vereinfachen
und verständlicher zu gestalten. Das würde auch
Zweckmäßigkeit
und
Verhältnismäßigkeit
von
Maßnahmen auf der Gemeinschaftsebene gewährleisten,
wobei das Subsidiaritätsprinzip natürlich einzuhalten ist.
Ich gratuliere der Berichterstatterin zu ihrer Arbeit, in
der sie u. a. die Bedeutung einer Überprüfung der
Rechtmäßigkeit der europäischen „Exekutivagenturen“
betont, denen bestimmte Zuständigkeiten in der
Verwaltung von Gemeinschaftsprogrammen übertragen
wurden. Vor allem stimme ich der Forderung zu, dass
diese Agenturen dem Grundsatz der Transparenz und
den Bestimmungen für den Zugang zu ihren
Dokumenten folgen müssen.
Ich begrüße ferner den Vorschlag für eine Anhörung der
Kandidaten für das Amt des Direktors der jeweiligen
Agentur vor dem zuständigen Parlamentsausschuss
sowie die Anregung, dass das Parlament auf Empfehlung
des Ausschusses eine Stellungnahme zu der
vorgeschlagenen Kandidatur abgeben sollte. Diese Rolle
des Parlaments der „politischen Kontrolle ex-ante“
würde die natürliche Ergänzung der „politischen
Kontrolle ex-post“ in Form der Entlastung zur
Ausführung des Haushaltsplans bilden.
46
13/01/2004
2-150
Der Präsident.  Die Abstimmung ist geschlossen.
(Die Sitzung wird um 12.40 Uhr unterbrochen und um
15.00 Uhr wieder aufgenommen.)
2-156
VORSITZ: GIORGOS DIMITRAKOPOULOS
Vizepräsident
2-157
Perspektiven für die Doha-Runde nach dem Treffen
des Allgemeinen WTO-Rates am 15. Dezember 2003
2-158
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Fortsetzung der Aussprache zur Erklärung der
Kommission betreffend die Perspektiven für die DohaRunde nach dem Treffen des Allgemeinen WTORates am 15. Dezember 2003.1
2-159
Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident, sehr geehrter Herr
Kommissar Fischler, Herr Kommissar Lamy, meine sehr
geehrten Damen und Herren! Der internationale
Welthandel spielt eine wesentliche Rolle bei der
Sicherung und vor allem auch bei der Schaffung neuer
Arbeitsplätze in Europa. Wir haben jetzt eine
Entwicklungsrunde hinter uns, mit der Kernaufgabe, den
Import nach Europa in die richtige Richtung zu
entwickeln. Import ist im Prinzip eine sehr wichtige und
gute Unterstützung in der Entwicklungshilfe. Auf der
anderen Seite dürfen wir nicht übersehen, dass damit
auch unsere kleinen und mittleren Betriebe im Gegenzug
ermuntert werden müssen, in den Export zu gehen.
Angesichts der Parität zwischen Dollar und Euro und der
Tatsache, dass China derzeit ein Wachstumspotential
von plus 8 % pro Jahr hat, müssen wir überlegen, wie
wir unsere Handelsbilanz in Zukunft ausgeglichen halten
wollen.
Dazu
ist
natürlich
eine
globale
Wettbewerbsfähigkeit vonnöten. Ich glaube, für Europa
ist es gut und für die Zukunft wichtig, dass wir hier eine
gewisse leadership übernehmen, dass wir uns mit
regelmäßigen Konferenzen innerhalb Europas klar zu
diesen Themen bekennen und so bald wie möglich
Strategien und Ziele mit einer konkreten Zeittafel
vorlegen.
Für die kleinen und mittleren Betriebe Europas, in denen
immerhin zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten, ist ein
multilateraler einheitlicher Rechtsrahmen natürlich von
besonderem Interesse. Wir haben kein Interesse an einer
komplexen internationalen Struktur, die nur mehr für
Großkonzerne mit ihren Rechtsanwälten zu bewältigen
ist. Wir brauchen auch in den Entwicklungsländern klare
und einfache Strukturen, damit auch dort in Zukunft
Leistungsbereitschaft und ein entsprechendes Angebot
zu Wohlstand und letztlich zum Frieden führen. Deshalb
gilt es auch hier, immer wieder zwischen
Verteilungsgerechtigkeit und Leistungsgerechtigkeit zu
unterscheiden, und wir sollten beide Aspekte im Blick
haben. Das Erschließen unserer Märkte bringt aber auch
Probleme, denn wir müssen in Zukunft international
1
Genehmigung des Protokolls: siehe Protokoll.
wettbewerbsfähig bleiben. Aus diesem Grund sollte das
Europäische Parlament sich nicht nur generell mit dem
Thema beschäftigen, sondern diese parlamentarische
Versammlung sollte in Zukunft den Akzent auf Europa
setzen.
2-160
Mann, Erika (PSE). – Herr Präsident, verehrte
Kollegen, Herr Kommissar Lamy und Herr Kommissar
Fischler! Ich möchte zwei Kommentare aufgreifen, die
die beiden Kommissare heute morgen kurz gemacht
haben.
Kommissar Lamy hat davon gesprochen, dass wir uns
im Moment sozusagen im Verhandlungsprozess im
Übergang von der technischen Phase in die politische
Phase befinden, nachdem ja auf der Beamtenebene im
Dezember eine Quasi-Einigung erreicht worden ist, wie
man weiterverhandeln wird, aber es immer noch nicht
deutlich
ist,
wie
denn
die
politischen
Verhandlungsführer das nun tatsächlich in einen aktiven
Arbeitskalender werden umsetzen können.
Und der zweite Kommentar, den ich ebenfalls sehr
interessant fand, kam von Kommissar Fischler. Er sagte,
wir machen das, und dann kam sein Hinweis, aber nicht
um jeden Preis. Und das spielt dann natürlich auf die
europäische Agenda und die Frage an, wie wir unsere
Vorstellungen in den Rahmen der WTO-Verhandlungen
einbringen können.
Was bedeutet das aber – wenn ich die beiden
Kommissare fragen darf – denn nun eigentlich konkret?
Wir werden im kommenden Jahr ein schwieriges
Wahljahr haben, Sie beide haben wir noch in der ersten
Hälfte des Jahres, dann wird es kritisch werden, dann
sind Sie beide sozusagen nicht mehr da. Wir wissen
nicht, wer kommen wird. Auf amerikanischer Seite sieht
es ähnlich aus – Bob Zoellick wird auch nicht
wiederkommen – und geostrategisch ist die Lage auch
nicht einfach, wenn wir uns die Konstellation in Indien
anschauen, wenn wir uns China anschauen, wenn wir
uns Brasilien anschauen. Deshalb meine Frage an Sie
beide: Was erwarten Sie, was jetzt passieren wird? Und
wie bereiten Sie sich darauf vor? Wie sieht Ihr Kalender
im Januar, Februar, März aus, und wann – glauben Sie –
wird es diese politische Phase denn nun tatsächlich
geben?
Zweite Frage: Wo ist die Schmerzgrenze? Wo liegt sie
denn nun wirklich für uns? Wo ist das „Nicht um jeden
Preis“? Sind das die Singapur-Fragen? Das glaube ich
nicht. Ist es die Landwirtschaft? Vielleicht, aber wohl…
Ich habe den Entwurf für das Arbeitsdokument zur
Zuckermarktordnung gesehen. Werden Sie, Herr
Kommissar, bis Ende Ihrer Amtsperiode noch einen
endgültigen Entwurf vorlegen? Sehen Sie, wo ist denn
nun unsere Schmerzgrenze? Ich glaube, wenn wir da ein
bisschen mehr wissen, dann können wir auch vielleicht
den Prozess – wie Sie sich das alle und wie wir uns das
wünschen – ein wenig aktiver steuern. In dem
Zusammenhang erlauben Sie mir noch meine letzte
Frage an die beiden Kommissare: Wie bewerten Sie
13/01/2004
denn nun tatsächlich den letzten Vorstoß von Bob
Zoellick? Ich habe ganz kurz gehört: positiv, aber
können Sie auch im Detail schon sagen, wie positiv?
2-161
Abitbol (EDD). – (FR) Herr Präsident, angesichts der
vielen Misserfolge, von denen die Geschichte der
Europäischen Union 2003 geprägt war – Zerwürfnis in
der Irakfrage, Abfuhr des Euro in Schweden, Untergang
des Stabilitätspaktes, Fiasko des Verfassungsentwurfs –
hätte das Debakel der Kommission in Cancún, über das
wir hier kürzlich debattiert haben, im Grunde als ein
relativ unbedeutender Zwischenfall angesehen werden
können, denn die große Mehrheit der Länder und Völker
hat das Scheitern der Konferenz von Cancún mit Freude
zur Kenntnis genommen. Die Erde hat deshalb nicht
aufgehört, sich zu drehen, und der Welthandel ist auch
nicht zum Stillstand gekommen.
Dabei hätten wir es bewenden lassen und unsere
Lebensweise bewahren können, denn genau darum geht
es: um die Begehrlichkeit nach multinationalen Märkten.
Doch das hieße, die Rechnung ohne den Aktivismus der
Kommission zu machen, ohne – mit Verlaub zu sagen –
Ihren Aktivismus, Herr Kommissar Lamy. Doch dieser
Aktivismus beruht keineswegs auf irgendeiner
wirtschaftlichen und sozialen Notwendigkeit, denn
keiner hat jemanden sich über das Scheitern von Cancún
beklagen hören, sondern er beruht einzig und allein auf
Ihrem
Willen,
das
Vertretungsund
Verhandlungsmonopol der Kommission im Bereich des
internationalen und des Außenhandels wahrzunehmen
und zu verteidigen.
Diese wahrhafte Flucht nach vorn, die Sie vorschlagen,
ist in Wirklichkeit überhaupt nicht durch das
europäische Interesse geleitet, sondern von dem
Eigeninteresse der Brüsseler Kommission zu einem
Zeitpunkt, da die Gefahr für unseren Außenhandel,
meine Herren Kommissare, nicht im Fehlen neuer
Absatzmöglichkeiten für unsere Erzeugnisse besteht,
sondern ganz klar in dem unüberwindlichen,
unerträglichen Nachteil, der uns aus dem Autismus der
Europäischen Zentralbank erwächst, die uns die teuerste,
aber keineswegs die stärkte Währung der Welt beschert.
2-162
Sturdy (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, an die
Adresse der beiden Kommissionsmitglieder, von denen
einer in Cancún dabei war, möchte ich sagen, dass Sie
sich sehr intensiv um eine Lösung bei den WTOVerhandlungen bemüht haben.
Wie soll es nun von unserer neuen Position aus
weitergehen? Frau Mann sagte ganz richtig, dass wir es
sowohl auf amerikanischer Seite als auch in der
Europäischen Union mit neuen Verhandlungspartnern zu
tun haben werden. Wir müssen dafür sorgen, dass die
Position, die die Europäische Union bezieht, verstanden
wird. Kommissar Lamy sagte in seinem Beitrag, dass
wir die richtigen Reformen durchgeführt haben und jetzt
die nächsten Aufgaben in Angriff nehmen können. Wie
wahr. Die Gespräche in Cancún sind u. a. aufgrund des
Verhaltens der NRO fehlgeschlagen. Mir liegen zwei
47
Pressemitteilungen vor – die eine von Oxfam und die
andere von Friends of the Earth. In der einen heißt es,
die G21 hätten heute die europäischen Pläne zur
Erweiterung der WTO und für die Aufnahme neuer
Verhandlungen
zur
Liberalisierung
der
Investitionstätigkeit abgelehnt. Herr Rübig erwähnte
kleine und mittlere Unternehmen, genau die Strukturen,
die wir in der Europäischen Union und in den
Entwicklungsländern
brauchen,
um
diese
zu
unterstützen. Sie sind das Rückgrat ihrer Zukunft.
Die
andere
Pressemitteilung
spricht
von
einschüchternden Taktiken. Darf ich das Hohe Haus
fragen, ob unsere beiden Kommissare wie Leute
aussehen, die andere einschüchtern? Haben sie in der
WTO ihren Einfluss geltend gemacht, um aufstrebende
Demokratien zu tyrannisieren? Keineswegs. Wir haben
Reformen durchgeführt. Kommissar Fischler hat sich
intensiv um die Reformierung der Gemeinsamen
Agrarpolitik bemüht. Das ist der richtige Weg. Wir
müssen die Botschaft vermitteln, dass die Europäische
Union an Verhandlungen interessiert ist. Kommissar
Lamy hat die neuen Vorschläge zur Unterstützung dieser
unterentwickelten Länder unter das Motto „Alles außer
Waffen“ gestellt. Wir müssen diese Punkte vermitteln
und dafür sorgen, dass multilaterale Diskussionen unter
EU-Teilnahme stattfinden.
An dieser Stelle muss ich feststellen, wie gut die
Sitzungen des Europäischen Parlaments in Cancún
aufgenommen wurden und wie stark wir von einigen der
Entwicklungsländer unterstützt wurden. Wichtig ist, dass
wir bei den nächsten Verhandlungen eine gewichtige
und zukunftsorientierte Rolle spielen. Ich erwarte von
den neuen Verhandlungsführern, wer immer sie sein
mögen, dass sie unseren Standpunkt konsequent
vermitteln.
2-163
Corbey (PSE). – (NL) Herr Präsident! Am 30. August
letzten Jahres fiel eine wichtige Entscheidung. Am
Vorabend von Cancún haben die Vereinigten Staaten,
die EU und die Entwicklungsländer vereinbart,
Paragraph 6 der Erklärung von Doha betreffend die
Herstellung von Arzneimitteln für Entwicklungsländer,
die eine schwere Gesundheitskrise durchleben,
auszugestalten. Die Vereinbarung ist nicht brillant,
dennoch ist ein Anfang gemacht, obgleich wir jetzt über
ihre Umsetzung nachdenken müssen. Mittlerweile habe
ich aus der Presse erfahren, dass die USA einen
Rückzieher machen. Die Europäische Union sollte
deshalb gerade jetzt einige überzeugende Schritte
unternehmen. Bislang legt die Europäische Union
allerdings kaum Eifer an den Tag. Eine Chance zur
Umsetzung der Entscheidung vom 30. August in die
Praxis wurde kürzlich mit der Novellierung der
Rechtsvorschrift
über
Arzneimittel
vertan.
Offensichtlich ist die Kommission der Meinung zugetan,
diese Materie sei Sache des Gemeinschaftspatents und
des einzelstaatlichen Patentrechts, aber das reicht nicht
aus. Das Gemeinschaftspatent lässt noch auf sich warten
und schließt bestehende Patente nicht ein. Außerdem
ändert das Gemeinschaftspatent nichts am Datenschutz.
48
Die Gesundheitskrise in Afrika ist ein dringliches
Problem. Letzten Monat wurde bekannt, dass AIDS in
den vergangenen fünf Jahren fünf Millionen Todesopfer
gefordert hat. Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb
die EU bis heute nicht bereit ist, das zu tun, was die EU
vor der Konferenz von Cancún vereinbart hat.
Von Ihnen, Herr Kommissar, möchte ich wissen, wann
die Europäische Kommission die gesetzlichen
Maßnahmen getroffen haben wird, um die beschleunigte
Herstellung von Generika für Entwicklungsländer zu
ermöglichen. Welche Zusicherungen können Sie dem
Parlament heute geben?
2-164
Fiori (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident! Ich werde einige
Überlegungen zu dem mir am meisten am Herzen
liegenden Sektor – dem Agrarsektor – anstellen, weil ich
bei aller Zustimmung zu der Politik, die
Entwicklungsländer vom Ausbau des Welthandels
maximal profitieren zu lassen, darauf hinweisen möchte,
dass die Europäische Union bereits solche Vorteile und
so viele Handelspräferenzen gewährt hat, dass sie zum
größten Exportmarkt für Agrarprodukte geworden ist.
Ich möchte noch zu weiteren Zugeständnissen sowie zu
dem Vorschlag für einen zollfreien Zugang
Betrachtungen anstellen, denn nach meinem Dafürhalten
stellt dies nicht das wirksamste Mittel zur Unterstützung
der Landwirte dieser Länder dar, während zahlreiche
strategisch wichtige Produkte Europas dadurch ständig
gefährdet wären.
Als Verhandlungstaktik würde ich ein starkes Plädoyer
für den Schutz des Gemeinschaftssystems im Hinblick
auf die Gewährleistung von Stabilitätsmechanismen auf
dem Weltmarkt halten, in dem Wissen, dass stabile
Weltmarktpreise für sämtliche Mitglieder der
Welthandelsorganisation vorteilhaft sind. Zu diesem
Zweck und zur Vermeidung einer strukturellen Krise im
Agrarsektor fordere ich mit allem Nachdruck, die
Ergebnisse der WTO-Verhandlungen nicht über die im
Rahmen der Agenda 2000 in Berlin gefassten
Beschlüsse hinausgehen zu lassen sowie die Preis- und
Marktunterstützung als Grundelement der Gemeinsamen
Agrarpolitik aufrechtzuerhalten.
Nach den, meines Erachtens überaus vernünftigen,
Änderungen der Stützungsregelung in den Vereinigten
Staaten muss unsere interne Unterstützung überprüft
werden, um festzustellen, inwieweit das GATTAbkommen eingehalten wird, und um zu beurteilen, wie
sich die Beihilfen auf die Marktpreise und die
Wettbewerbsposition der Erzeugnisse auswirken.
Schließlich sollten im Rahmen der WTO-Verhandlungen
die gewaltigen Herausforderungen für die Europäische
Union durch die Erweiterung angesprochen werden. Es
handelt sich um einen Prozess von weltweiter
Bedeutung,
der
meiner
Meinung
nach
am
Verhandlungstisch anerkannt werden muss.
2-165
13/01/2004
Ayuso González (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident,
meine Damen und Herren Kommissionsmitglieder!
Vielen Dank für Ihre heutige Anwesenheit bei uns, die
ich nutzen werde, um über Baumwolle zu sprechen. Sie
stellt ein Problem für Spanien und Griechenland dar, ich
möchte jedoch, dass sich ganz Europa seiner annimmt.
Der Baumwollanbau in Europa macht faktisch nur 1 %
der Weltanbaufläche aus und deckt nur 15 % des
europäischen Bedarfs. Die restlichen 85 % werden
hauptsächlich aus ärmeren Ländern zollfrei eingeführt.
Andererseits haben wir weitere Drittländer, wie die
USA, den größten Baumwollexporteur der Welt, oder
China, den weltweit größten Produzenten, größten
Verbraucher von Industriebaumwolle und größten
Exporteur
von
Textilien,
der
damit
eine
marktbeherrschende Stellung einnimmt.
Aber trotz der geringen Bedeutung der Baumwolle in
Europa gab es gewisse Erklärungen gegen die
Gemeinschaftspolitik des Sektors, die mir absolut
demagogisch erscheinen, da in der Europäischen Union
keine Ausfuhrerstattungen gewährt werden und der
Import frei, ohne Zahlung von Zöllen durchgeführt wird.
Konkret war Frankreich das Land, das auf der WTOMinisterkonferenz in Cancún die von vier afrikanischen
Ländern aufgeworfene Frage der Abschaffung der
Beihilfen für Baumwolle vortrug und das später eine
europäische Baumwollinitiative vorgelegt hat, mit der
ein Maßnahmenprogramm der Kommission zugunsten
der Baumwollwirtschaften Afrikas gefördert werden soll
und in der gleichzeitig auf eine Reform der
Beihilferegelung für Baumwolle gedrängt wird, durch
die die Beihilfen teilweise von der Produktion
abgekoppelt werden sollen.
Ich hätte gern, dass Kommissar Lamy mich hört: Herr
Kommissar, ich glaube, dass diese Haltung nur als
Signal oder als Geste der Annäherung Frankreichs an
diese Länder und an die starken Interessen des
französischen Kapitals mittels des französischen
Unternehmens für die Entwicklung der Textilfasern und
seiner Tochtergesellschaften in Afrika, an deren Kapital
der französische Staat mehrheitlich beteiligt ist,
interpretiert werden kann.
Auf keinen Fall kann dies die von der Kommission in
Cancún zugelassene Aggressivität rechtfertigen, indem
ein für dieses Forum nicht geeigneter Vorschlag
vorgelegt wurde, der die Gemeinschaftspolitik in diesem
Sektor ungerechtfertigt verurteilt. Ebenso wenig
rechtfertigt es die Reform der Gemeinschaftsregelung zu
den Baumwollbeihilfen, wie sie von der Kommission
eingebracht wurde, deren Annahme den sozialen und
wirtschaftlichen Tod vieler Gemeinden bedeuten würde,
ohne dass dadurch – und das ist das Schlimme – die
Probleme der Wettbewerbsfähigkeit gelöst würden, die
der Sektor in Afrika hat.
Was die europäische Landwirtschaft im Allgemeinen
anbelangt, möchte ich schließlich darauf hinweisen, dass
das in der G20 vereinbarte Ziel darin besteht, ein
13/01/2004
Übereinkommen beim Abbau der Ausfuhrbeihilfen
sowie eine beträchtliche Reduzierung der Zölle und der
Direktbeihilfen zu erreichen, die den Markt verzerren.
Aber es scheint, Herr Lamy, als ob die Europäische
Union bei ihrem Treffen mit den Ländern der G20 in
Brasilia die Forderung akzeptiert hat, die Kriterien in
Bezug auf die Green Box noch restriktiver zu fassen. Ich
möchte, dass Sie mir diese Information bestätigen oder
sie dementieren, denn die Zusage, dies zu diskutieren,
Herr Kommissar, geht über das Mandat hinaus, das Sie
erhalten hatten, aber vor allem berührt sie unmittelbar
die eigentlichen Grundsätze der Reform der GAP, die
wir vor sechs Monaten gebilligt haben, und nicht nur in
Bezug auf die Baumwolle, über die wir hier diskutieren.
Es ist schön und gut, dass Maßnahmen zugunsten der
weniger entwickelten Länder getroffen werden, aber für
sie ist auch nach eigenen Aussagen eine höhere
Exportrentabilität von größerem Nutzen als eine
Steigerung der Exportvolumen, die in Wirklichkeit den
in den Industrieländern ansässigen Handelsunternehmen
nützt. Beispielsweise schätzen die Zuckerproduzenten
ein,
dass
die
Zuckerexportkontingente
zu
Garantiepreisen für ihre Wirtschaften rentabler sind als
die uneingeschränkte Ausfuhrmöglichkeit.
Ich fordere Sie alle auf, darüber sehr sorgfältig
nachzudenken und die durch alle diese Politiken
vermeintlich Begünstigten anzuhören.
2-166
Hansenne (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, Herr
Kommissar! Die jüngste Erklärung des US-Vertreters in
der WTO ist zweifellos das einzige neue Element, von
dem wir seit unserer letzten Diskussion Kenntnis erlangt
haben. Meiner Meinung nach handelt es sich um eine
interessante Erklärung, da sie von einem Wandel in der
Haltung der USA und von der Möglichkeit einer
Wiederaufnahme der Verhandlungen in der WTO zu
zeugen scheint. Zudem ergänzt sie die Initiativen,
welche die Kommission selbst zur Wiederaufnahme
dieser
Verhandlungen
ergriffen
hat.
Doch
Wiederaufnahme bedeutet nicht, die Dinge einfach
ihrem Lauf zu überlassen, erleichtern bedeutet nicht,
alles aufzugeben, denn nachdem ich die Redebeiträge
von heute Vormittag gehört habe, muss ich sagen, dass
ich etwas beunruhigt bin angesichts der Haltung, die
eine Reihe von Kollegen insbesondere zu den so
genannten Singapur-Themen zum Ausdruck gebracht
haben.
Wir haben uns hier im Europäischen Parlament stets für
geregelte Handelserleichterungen ausgesprochen. Wir
sind für eine Liberalisierung des Handels unter
Anwendung von Standards und Regeln, und es liegt auf
der
Hand,
dass
die
Singapur-Themen
die
Welthandelsorganisation veranlassen müssen, eine Reihe
von Regeln aufzustellen.
Man kann bedauern, dass diese nicht auch einige andere
Dimensionen umfassen. Ich meinerseits hätte
gewünscht, dass in diesem Zusammenhang die sozialen
Dimensionen mit einbezogen worden würden, doch in
49
Doha waren wir unter Druck gezwungen, die
entsprechenden Standards aufzugeben. Besorgnis
erregend finde ich, dass man nun gewillt scheint, die
Singapur-Themen aufzugeben. Welche Chance gäbe es,
wenn wir diese Haltung einnehmen, dass eines Tages
Themen wie die sozialen Belange wieder in die
Verhandlungen einbezogen werden, wenn die wenigen
Themen, die als potenzielle Verhandlungsgrundlagen
akzeptiert waren, heute aufgegeben werden?
Ich glaube, die Europäische Union hat über Sie eine
Reihe von Initiativen ergriffen, um die Dinge zu
erleichtern. Daran sollte man meiner Ansicht nach
festhalten. In der heutigen Debatte geht es nicht darum,
die Verhandlungen von Doha neu zu beginnen, sondern
darum, alle Vereinbarungen wirklich einzuhalten,
einschließlich derer zu den Fragen, die uns im
Zusammenhang mit der von uns angestrebten Art der
Globalisierung bewegen.
2-167
Ferrer (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, meine Damen
und Herren Kommissionsmitglieder! Heute Vormittag
sagte Herr Lamy, dass wir Doha brauchen, damit die
Welt besser wird. Ich bin mit dieser Aussage völlig
einverstanden, und daher muss ich, genauso wie ich
seinerzeit das Scheitern von Cancún bedauerte, heute die
geringen Fortschritte beklagen, die in der Beratung von
Genf im Dezember letzten Jahres erreicht wurden, auch
wenn allein die Tatsache, dass die Gespräche wieder
aufgenommen wurden, zugegebenermaßen positiv ist,
obwohl diese nur dazu gedient hätten – wie der Präsident
des Generalrats bekannte –, eine klarere Sicht auf die
Schlüsselfragen zu haben und die Schwierigkeiten zu
kennen, auf die wir stoßen werden, und um seitens der
Mitglieder der WTO die Verpflichtung gegenüber dem
Doha-Programm und vor allem gegenüber dem
multilateralen Handelssystem zu bekräftigen, was an
sich schon wichtig genug ist.
Nun ist der Zeitpunkt gekommen, Flexibilität in unseren
Positionen zu zeigen, um von Worten zu Taten
übergehen zu können und dies zudem mit dem Tempo
zu tun, das der in Doha festgelegte Zeitplan erfordert.
Daher müssen wir meiner Meinung nach den
Kommissionsmitgliedern, Herrn Lamy und Herrn
Fischler, für ihre Bemühungen danken, Wege des
Dialogs mit allen und zwischen allen zu bahnen, sowie
für die mit dem klaren Ziel geleistete Arbeit, die Agenda
von Doha voranzubringen, ohne dabei die legitimen
Interessen der Europäischen Union aus den Augen zu
verlieren.
In dieser Hinsicht bin ich völlig einverstanden mit der
Analyse und den Vorschlägen, die die Kommission in
ihrer Mitteilung formuliert hat, insbesondere was die
Industriezölle und die Notwendigkeit anbelangt, vor
allem den aufstrebenden Ländern sehr viel höhere
Verpflichtungen abzuverlangen, als im Dokument
Debray vorgesehen, die auf jeden Fall denen der
Europäischen Union gleichwertig sein müssen.
50
Was ganz konkret die Zölle für die Textilwaren betrifft,
so ist im Kommissionsdokument von der Aushandlung
weiterer Reduzierungen die Rede, die möglichst gegen
Null gehen, ein Vorschlag, mit dem ich völlig
einverstanden bin, vorausgesetzt, dies bedeutet nicht –
und ich hoffe, der Kommissar wird mir das erläutern –,
dass die Europäische Union sich gezwungen sehen wird,
ihre Zölle zu senken, solange die anderen nicht ein
gleichwertiges Niveau erreicht haben.
Ich möchte eine letzte Frage stellen, Herr Präsident.
Heute Vormittag sprach Herr Lamy auch die stärkere
Flexibilität der Europäischen Union im Umweltbereich
an. Ich möchte ihn fragen, wie weit er bei dieser
Flexibilisierung zu gehen gedenkt, da die hohen Kosten
im Umweltbereich ohne Zweifel einer der Gründe für
den Standortwechsel vieler Gemeinschaftsunternehmen
sind. Aber es gibt nur einen Planeten Erde, und die
geforderte Gesetzgebung zur Erreichung einer
Umweltentwicklung im Weltmaßstab muss ebenfalls
weltweit gelten.
2-168
Fischler, Kommission.  Herr Präsident, meine sehr
geehrten Damen und Herren Abgeordneten, meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ich darf es kurz machen.
Ich möchte mich für die konstruktiven Beiträge
bedanken, von denen wir im Laufe des heutigen Tages
sehr viele gehört haben. Ich möchte nur zu den
spezifischen landwirtschaftlichen Fragen Stellung
nehmen und dann wird mein Kollege Pascal Lamy das
Ganze entsprechend abrunden.
Es wurde die Frage gestellt, ob erkennbar sei, dass die
USA in Bezug auf die Baumwollfrage nunmehr mehr
Flexibilität zeigen. Nun, Sie wissen, dass Bob Zoellick
einen Brief an alle WTO-Mitglieder publiziert hat. In
diesem Brief geht er spezifisch auf die Baumwollfrage
ein, er widmet dieser Frage ein ganzes Kapitel, und aus
der Art der Darstellung ist eine gewisse Öffnung in
dieser Frage durchaus erkennbar. Er zeigt sich jedenfalls
aufgeschlossen nicht nur gegenüber Veränderungen
sowohl im Bereich der Exporterstattungen – dass diese
aufgegeben werden, auch, was die Marktöffnung und
eine weniger wettbewerbsverzerrende interne Förderung
betrifft – sondern auch dahingehend, dass man Mittel
und Wege entwickeln sollte, wie man den besonders
armen
Staaten,
die
einseitig
von
der
Baumwollproduktion abhängen, im Bereich der
Entwicklungshilfe besser unter die Arme greifen kann.
Was Frau González in Zusammenhang mit dem
Baumwollanbau und der Bedeutung der Baumwolle für
Europa gesagt hat, kann ich nur noch mal betonen, es
stimmt, dass die europäische Produktion nur etwa 2 %
der Weltmarktproduktion ausmacht. Es stimmt auch,
dass wir keinerlei Exportförderungen anwenden und
dass wir gegenüber den am wenigsten entwickelten
Staaten der Welt unsere Baumwollmärkte im Rahmen
der EBA-Entscheidung völlig geöffnet haben. Und wie
Sie wissen, gibt es einen Vorschlag zur Änderung
unserer Baumwollmarktordnung, der dazu führen wird,
dass es im Bereich der Baumwolle weniger
13/01/2004
wettbewerbsverzerrende Maßnahmen gibt. Also einen
Mix aus bluebox- und greenbox-Maßnahmen. Ich strebe
an, hier im März eine Entscheidung im Rat der
Agrarminister herbeizuführen.
Was die Reispolitik Japans anbetrifft, so wissen wohl
alle, dass Reis für Japan eine sehr sensible Frage ist und
auch stets als eine solche betrachtet wurde. Allerdings
stellen wir fest, dass Japan in der letzten Zeit mit einer
ganzen Reihe von WTO-Mitgliedstaaten bilaterale
Verhandlungen aufgenommen hat. Im Rahmen dieser
bilateralen Verhandlungen steht sehr wohl auch die
Reisfrage auf der Tagesordnung und ist Bestandteil
dieser Verhandlungen, was auch dazu geführt hat, dass
die Japaner in Genf begonnen haben, allgemein in dieser
Frage eine etwas – sagen wir mal -konstruktivere oder
weniger strikte Haltung einzunehmen.
Wenn gesagt wurde, dass wir kein Mandat hätten
vorzuschlagen, dass für bestimmte Produkte die
Exporterstattungen zur Gänze abgeschafft werden, so ist
das schlicht und ergreifend falsch, denn es steht explizit
in unserem Mandat, dass wir dies für verschiedene
Produkte sehr wohl vorschlagen können.
Frau Mann hat mich gefragt, wie es um unseren
Zuckervorschlag steht. Wir arbeiten hart an der
Vorbereitung eines Vorschlages und ich habe bereits
angekündigt, dass es mein Ziel ist, Mitte dieses Jahres
den Vorschlag in der Kommission einzubringen und
dann dem Parlament und dem Rat zu übermitteln.
Abschließend, meine Damen und Herren, nur noch eine
Bemerkung. Ich möchte das Parlament einladen, sich an
der Intensivierung des Dialogs, den wir in unseren
Eröffnungsstatements
vorgeschlagen
haben,
zu
beteiligen. Wir brauchen mehr, wir brauchen intensivere
Gespräche und ich möchte Sie insbesondere auffordern,
die Gespräche mit den NGOs zu vertiefen, denn gerade
bei manchen NGOs herrschen manchmal Vorstellungen,
die den europäischen Interessen total zuwiderlaufen.
Ich möchte, Sie einladen zu überlegen, dass Warten für
uns, für die Europäische Union auf jeden Fall schlecht
ist, auch für die europäische Landwirtschaft. Denn
bedenken Sie: Die durchaus positiven Reaktionen, die
unsere Reformen in der Welt hervorgebracht haben,
werden verblassen, je größer die Distanz zwischen der
Verabschiedung dieser Reformen und der Fortsetzung
der Verhandlungen in der WTO wird.
2-169
Lamy, Kommission.  (FR) Herr Präsident, auch ich
möchte meinerseits den Rednern der PPE-DE-Fraktion,
der PSE-Fraktion und der ELDR-Fraktion danken,
welche ihre Unterstützung für die von Franz Fischler
und mir dargelegten Vorschläge sowie für das dem Rat
und auch Ihrem Haus vorgelegte Papier zum Ausdruck
gebracht haben.
Unsere Hauptziele in diesen Verhandlungen bleiben
unverändert: erstens eine zusätzliche Etappe der
Marktöffnung; zweitens bessere Regeln zur Begleitung
13/01/2004
des Handels auf multilateraler Ebene und drittens eine
bessere Einbeziehung der Entwicklungsländer, die bisher
nur in sehr ungleichem Maße von der Intensivierung des
internationalen Handels profitiert haben. Wenn man
versucht, dies alles in eine Antwort auf Ihre Fragen zu
fassen – Was muss getan werden, und worin muss unser
Ziel für 2004 bestehen? – dann ist die Antwort recht
einfach. Unser Ziel für 2004 besteht darin, darauf
hinzuwirken, dass das, was in Cancún nicht erreicht
wurde, bis zum Sommer geschafft wird, d. h. zwei
Drittel des Weges dieser Verhandlungen zurückzulegen.
Darin besteht unser politisches Ziel für das Jahr 2004.
Angesichts dessen, was ich in meiner Einführung in die
Diskussion zum Stand der Arbeiten in Genf gesagt habe,
werden Sie mir sicher erwidern, dass ein solches Ziel
zweifellos voraussetzt, Druck zu machen und die Dinge
zu beschleunigen. Betrachtet man das gegenwärtige
Arbeitstempo und den Druck im Genfer Kessel, dann ist
ganz offensichtlich eine Beschleunigung erforderlich,
und wir werden wie auch andere mehr Druck im Genfer
Kessel machen, damit die Dinge vorankommen. Unter
diesem Blickwinkel ist das Schreiben, das mein
amerikanischer Amtskollege in den letzten Tagen in
Umlauf gebracht und gestern in der Presse kommentiert
hat, wie ich bereits sagte und in Beantwortung der Frage
von Frau Mann wiederholen möchte, eine gute
Nachricht, da es die sich immer weiter ausbreitende
These widerlegt, dass 2004, weil es ein Wahljahr in den
USA ist, ein verlorenes Jahr sei. Das ist eben nicht der
Fall! 2004 muss keineswegs ein verlorenes Jahr werden,
und es ist außerordentlich wichtig, dass zwei Giganten
des Welthandels wie die USA und Europa diese Idee
vertreten. Doch um dies zu erreichen, muss man sich
natürlich bewegen, und wir werden, wie wir dies bereits
seit der Erneuerung unseres Mandats begonnen haben,
mit der G20, mit der G90, mit den USA, mit Japan – um
nur die wichtigsten gegenwärtigen Akteure zu nennen,
im Rahmen einer variablen Geometrie arbeiten, die es
uns ermöglicht, unsere eigene Position unter den
günstigsten Bedingungen voranzubringen. Wie Franz
Fischler ganz richtig gesagt hat, sind wir in diesem
Prozess der Arbeit und der Anregung, um die
Temperatur zu erhöhen, auf Sie und die Kontakte
angewiesen, die Sie mit Ihren Kollegen in jedem der von
mir genannten großen Blöcke unterhalten. Dies war es,
was ich in Erwiderung auf die in dieser Aussprache von
einer
sehr
großen
Mehrheit
geäußerten
Unterstützungshaltung antworten wollte.
Ich möchte jetzt noch kurz auf einige Kritiken eingehen.
Herr Lannoye wirft uns im Wesentlichen zwei Dinge
vor: erstens hätten wir unser Mandat nicht neu
formuliert, sondern nur neu positioniert, und zweitens
verblieben in diesem Mandat immer noch Reste der so
genannten Singapur-Themen. Herr Lannoye hat in der
Tat Recht, wir haben unser Mandat nicht neu formuliert,
sondern wir haben es neu positioniert. Denn wenn es aus
der Entwicklung zwischen Cancún und heute eine Lehre
zu ziehen gilt, dann sollten wir uns vor Augen halten,
dass niemand am Verhandlungstisch der WTO gefordert
hat, das in Doha angenommene Verhandlungsprogramm
nochmals neu zu verhandeln. Dieses Programm liegt
51
weiterhin auf dem Tisch, und auf seiner Grundlage muss
verhandelt werden. Was die Singapur-Themen betrifft,
so vertreten wir in der Tat eine flexiblere Haltung. Als
vorrangig betrachten wir die Handelserleichterung und
die Transparenz bei öffentlichen Beschaffungen aus
Gründen, die die Grünenfraktion, welche stets großen
Wert auf Transparenz legt, verstehen sollte. Diese würde
sich in einer Reihe von Fällen sehr günstig auf die
Handelserleichterung auswirken, insbesondere für die
kleinen und mittleren Unternehmen, die leider meist
nicht die Mittel haben, um sich wie die großen
internationalen Multis Leute leisten zu können, die etwas
nachhelfen, damit in den Verfahren, beim Zoll und bei
anderen Stellen etwas schneller entschieden wird.
Frau Figueiredo und Herrn Désir möchte ich lediglich
nochmals sagen, dass ihre Beunruhigungen hinsichtlich
der öffentlichen Dienstleistungen nicht begründet sind.
Mein Mandat ist in diesem Punkt ganz klar und
eindeutig. Ich bin niemals davon abgewichen und werde
dies auch in Zukunft nicht tun.
Ich komme jetzt in Beantwortung der Ausführungen von
Frau Ferrer und Frau Corbey zu zwei speziellen
Punkten. Frau Ferrer, in Bezug auf den Textilsektor sind
wir bereit, unsere Textilzölle und damit das, was von
unserem industriellen Schutz noch bleibt, zu verringern,
allerdings unter einer Bedingung: dass andere das
Gleiche tun, was Teil der Verhandlungen ist. Frau
Corbey fragte, wie es um den Zugang zu Arzneimitteln
steht. Darauf möchte ich antworten, dass wir auf den
beiden Gebieten arbeiten, auf denen diese Bemühungen
fortgeführt werden müssen. In Genf kommt es darauf an,
den Inhalt der Vereinbarung vom August in das TRIPSAbkommen zu übernehmen, woran wir arbeiten. Dies ist
nicht ganz problemlos, denn das im August zwischen
den einzelnen Seiten und den einzelnen Erfordernissen
erreichte Gleichgewicht muss jetzt unverfälscht in einen
Rechtstext einfließen, was natürlich einige Arbeit
erfordert. Wir arbeiten auch in der Europäischen Union
daran, denn wir wollen gewissermaßen im Vorgriff
unsere eigene in der europäischen Gesetzgebung
enthaltene Zwangslizenzregelung neu fassen, um sie mit
dieser neuen WTO-Vereinbarung in Einklang zu bringen
und
so
gegebenenfalls
einer
Reihe
von
Entwicklungsländern den Zugang zu erleichtern. Wir
werden dies in Form eines Entwurfs einer Empfehlung
an den Ministerrat tun, denn bis zum In-Kraft-Treten der
europäischen Patentgesetzgebung, die zwar beschlossen
ist, aber erst in einigen Jahren rechtswirksam wird,
müssen wir sämtliche bestehenden nationalen
Rechtsvorschriften ändern, um diese Vereinbarung über
den Zugang zu Arzneimitteln umzusetzen. Wir werden
also vom Rat – wenn dieser einverstanden ist, und wir
haben allen Grund zu der Annahme, dass dies der Fall
sein wird –, eine Empfehlung annehmen lassen, um zu
gewährleisten, dass in jeder der nationalen
Gesetzgebungen die erforderlichen
Änderungen
vorgenommen werden, um die Zeit zu überbrücken, bis
eine aktualisierte europäische Regelung vorliegt, die –
wie gesagt – erst in einigen Jahren in Kraft treten wird.
Soweit meine Antworten, die ich zu diesem Zeitpunkt
52
geben wollte; gleichzeitig danke ich Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit.
2-170
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNGEN (ARTIKEL
120)
2-171
Berthu (NI), schriftlich. – (FR) Ist die Europäische
Kommission taub? Diese Frage kommt einem
zwangsläufig in den Sinn, wenn man sich ihre Leitlinien
für die Wiederaufnahme der Doha-Runde der
internationalen Handelsgespräche im Rahmen der WTO
ansieht.
Denn nach dem Scheitern von Cancún schien
festzustehen – und dies haben wir in diesem Haus auch
zum Ausdruck gebracht –, dass die in die Sackgasse
geratenen Verhandlungen zeigen, wie notwendig es ist,
das Ziel des weltweiten Freihandels zu revidieren und
das Konzept einer von den Völkern gesteuerten
Globalisierung zu verfolgen.
Das Programm der Kommission empfiehlt jedoch
wörtlich „eine überarbeitete Strategie für die
Verwirklichung der Ziele der EU in Form einer
erneuerten und aktualisierten Verhandlungsposition“.
Aus dieser sich selbst widersprechenden Formulierung
geht hervor, dass es keine tief greifende Revision geben
wird, sondern nur leichte Korrekturen am Rande.
Die Kommission behält ihre vorrangigen Ziele freier
Marktzugang, weltweite Wettbewerbsfreiheit und
Investitionsfreiheit (die so genannten Singapur-Themen)
bei, die sicherlich interessant sind, doch müsste sie jetzt
in unserem wie auch dem Interesse der
Entwicklungsländer anderen Anliegen den ihnen
gebührenden Platz einräumen.
Es kommt jetzt nämlich darauf an, die Regeln für einen
internationalen Handel festzulegen, der die Souveränität
der Völker besser achtet und in höherem Maße mit dem
Umweltschutz und der öffentlichen Gesundheit zu
vereinbaren ist.
2-172
Boudjenah (GUE/NGL), schriftlich. – (FR) Hat die
Kommission der Konferenz von Cancún Rechnung
getragen? Wenn man sich ihre für eine eventuelle
Wiederaufnahme der 2001 begonnenen Verhandlungen
zur Entwicklungsagenda ansieht, kann man das wohl
kaum behaupten! Ihre angebliche „Flexibilität“ zu den
Singapur-Themen – die nur leichte kosmetische
Korrekturen bedeutet –, der Ruf nach Gleichgewicht
zwischen Rechten und Markt, der Wille zu mehr
Flexibilität in ihren Positionen ändern nichts an ihren
neoliberalen
europäischen
Orientierungen.
Herablassung,
fehlende
Selbstkritik,
mangelnde
Bereitschaft zu Hinterfragungen sind nach wie vor die
Hauptelemente des Credos der Kommission. Ungeachtet
der vom Rat bestätigten Auslassungen Paul Lamys
werden die ärmsten Länder keinen Blankoscheck für die
13/01/2004
angeblich neuen Positionen ausstellen und ebenso wenig
der seit Seattle durchgeführten Politik ihre Zustimmung
erteilen. Ganz im Gegenteil, die Völker des Südens
organisieren sich und leisten Widerstand gegen die
europäischen Ansprüche und die WTO. Die im GATS
vorgesehene Liberalisierung des Dienstleistungshandels
und die nicht weniger hochheilige Marktöffnung – die
wie
eine
unzweifelhafte
Wohltat
für
die
Entwicklungsländer verkauft wird! – sind Gefahren,
deren sich die Länder des Südens wohl bewusst sind.
Gleichberechtigte internationale Kooperations- und
Handelsbeziehungen, welche die individuellen und
kollektiven Grundrechte achten, verdienen Besseres.
Notwendig ist jetzt eine von den gewählten Vertretern
getragene öffentliche Debatte, um diese Logik wieder
vom Kopf auf die Füße zu stellen.
2-173
Illegaler Handel mit Buschfleisch
2-174
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Aussprache über den Bericht (Α5-0355/2003) von Herrn
De Rossa im Namen des Petitionsausschusses zur
Petition 461/2000 betreffend den Schutz und die
Erhaltung von Großaffen und anderen durch den
illegalen Handel mit Buschfleisch bedrohten Arten
(2003/2078(ΙΝΙ)).
2-175
De Rossa (PSE), Berichterstatter. – (EN) Herr
Präsident, es ist natürlich unmöglich, der Bedeutung
dieser Thematik in fünf Minuten gerecht zu werden. Ich
möchte mich eingangs bei meinen Kollegen im
Parlament dafür bedanken, dass wir die Möglichkeit
haben, diese Aussprache durchzuführen. Es ist wichtig,
dass eine von 1,9 Millionen Bürgern in Europa
unterzeichnete Petition durch eine Anhörung in diesem
Haus gewürdigt wird. Eine Zeit lang sah es nicht danach
aus, und ich danke allen, die diese Anhörung durch ihre
unermüdliche Arbeit ermöglicht haben. Mein besonderer
Dank gilt Herrn Corrie, dem Berichterstatter des
Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit, der
an der Erarbeitung dieses Berichts beteiligt war, welcher
im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit gemeinsam
vom Petitionsausschuss und dem Entwicklungsausschuss
erstellt wurde.
An dieser Stelle möchte ich klarstellen, dass sich dieser
Bericht nicht mit der Jagd in Europa befasst. Deshalb
sind die drei eingebrachten Änderungsanträge nicht
erforderlich, und ich möchte die Kollegen bitten, sie
nicht zu unterstützen.
Als „Buschfleisch“ oder „Wildfleisch“ werden aus
wildlebenden
Tieren
gewonnene
Nahrungsmittelerzeugnisse bezeichnet, ganz gleich, ob
diese vor Ort verbraucht oder kommerziell gehandelt
werden. Obwohl der übermäßige Konsum von
Buschfleisch überall ein sich rasch verschärfendes
Problem darstellt, konzentriert sich dieser Bericht auf
Afrika, da das Buschfleischproblem hier am
13/01/2004
signifikantesten ist und in der
ausführlichsten beschrieben wurde.
53
Literatur
am
Dennoch ist auch der illegale Handel mit Fleisch von
Wildtieren nicht auf Afrika beschränkt. In Asien sind
viele Tierarten vom Aussterben bedroht, da sie zur
Gewinnung von Nahrungsmitteln, für den Handel mit
Haustieren oder aber aufgrund des Glaubens, dass der
Verzehr bestimmter Teile eines Tieres Krankheiten
heilen oder potenzstärkend wirken kann, zu stark bejagt
werden.
Der Handel mit wildlebenden Tieren in Südamerika
nimmt ebenfalls zu, und Wildtiere wie Affen, Vögel,
Kapibara und andere große Nagetiere, sowie Tapire,
Gürteltiere und Rotwild werden zum Verkauf angeboten.
Prinzipiell kann jedes Wildtier zur Versorgung eines
Marktes mit Buschfleisch genutzt werden. In Afrika
werden mehr als 50 Tierarten auf den Märkten und in
Restaurants zum Verkauf angeboten, einschließlich
Antilopen, Affen, Schuppentiere (Pangolins), Schweine,
große Nagetiere, Elefanten, Reptilien wie Schlangen,
Eidechsen und Krokodile, wirbellose Tiere wie
Schnecken und Insekten und Vögel wie beispielsweise
der Nashornvogel. Den Löwenanteil des Handels aber
machen Säugetiere von mehr als einem Kilogramm
Körpergewicht aus.
Aktuelle Schätzungen zeigen, dass Buschfleisch
hauptsächlich in den Tropen, vor allem in Afrika,
konsumiert wird. Die allerjüngsten Schätzungen des
Verbrauchs an Buschfleisch belaufen sich auf 23 500 t in
Sarawak, 67 000 bis 164 000 t in den brasilianischen
Amazonasgebieten und 1 Mio. bis 5 Mio. t – entbeint –
im Kongobecken.
Das führt zu einem Raubbau an den Tierbeständen. In
Afrika wurde im Jahre 2000 zumindest eine Art des
Roten Kolobusaffen wahrscheinlich aufgrund der
Bejagung ausgerottet. Viele andere Tierarten werden
bald folgen.
Dieser Raubbau an den Beständen wildlebender Tieren
zwecks
Deckung
des
Nahrungsmittelbedarfs
beeinträchtigt die Lebensbedingungen und die
biologische Vielfalt. Von den schätzungsweise
1,2 Milliarden Menschen, die von weniger als einem
Euro pro Tag leben müssen, leben 250 Millionen in
abgelegenen ländlichen Gebieten und weitere 350
Millionen in oder in der Nähe von Wäldern, wobei 60
Millionen von ihnen in den Tropenwäldern lebenden
Völkergemeinschaften angehören. Eine jüngste Studie
des Ministeriums des Vereinigten Königreichs für
internationale Entwicklung hat geschätzt, dass 150
Millionen Menschen (ein Achtel der ärmsten
Bevölkerung der Welt) wildlebende Tiere als wichtigen
Teil ihrer Existenzgrundlage betrachten. Daher gibt es
für dieses Problem keine einfache Lösung.
Bevölkerungswachstum,
Armut,
schlechte
Regierungsführung und Kommerzialisierung des
Konsums und Vermarktung von gewilderten Tieren sind
die Hauptursachen für das Buschfleischproblem.
Natürliche Ressourcen können sich angesichts einer
rasch wachsenden Nachfrage nicht erneuern. Kleine
demografisch stabile ländliche Bevölkerungen können in
ihrer eigenen Umwelt auf ihre natürlichen Ressourcen
zurückgreifen, ohne diese komplett auszuschöpfen. Die
Bevölkerungsexplosion
zusammen
mit
einem
expandierenden Städte- und Weltmarktsystem hat diese
Situation jedoch verändert. Die Nutzung der natürlichen
Ressourcen ist unnachhaltig geworden, seit die
Industrienationen beim Erwerb dieser Ressourcen
dominant sind. Die Armut gewinnt darüber hinaus
Überhand über die Besorgnis um die Erhaltung der
Ressourcen
und
lässt
Maßnahmen
der
Rechtsdurchsetzung in Gegenden, in denen die
Menschen für ihre Ernährung vom Buschfleisch
abhängen, als ungerecht und kaum durchsetzbar
erscheinen.
Viele der Buschfleischkrise zugrunde liegenden
Ursachen sind identisch mit den Ursachen der Armut
(z. B. schwache lokale Regierungen und ungünstige
Handelsbedingungen). Deswegen ist es notwendig, dass
Gremien, die sich für Erhaltung und Entwicklung
einsetzen, mit den indigenen Bevölkerungsgruppen und
der Zivilgesellschaft vor Ort zusammenarbeiten, um die
der Armut und der Schmälerung der biologischen
Vielfalt zugrunde liegenden Ursachen zu beseitigen.
Ich habe etwa 20 Probleme aufgelistet, die die
Kommission in Angriff nehmen sollte. Dafür werden
natürlich Ressourcen benötigt. Wir haben dafür bewusst
keine Zahlen genannt. Doch die Kommission sollte
einen konkreten Betrag vorsehen, um zu gewährleisten,
dass wirksame Maßnahmen ergriffen werden können,
und um die Zusammenarbeit mit den entsprechenden
Organisationen und den Menschen vor Ort, die als
Einkommens- oder Eiweißquelle auf Buschfleisch
angewiesen sind, zu ermöglichen.
2-176
Nielson, Kommission.  (EN) Herr Präsident, es muss
dringend etwas zur Linderung der Buschfleischkrise
getan werden. Wie Sie nur zu gut wissen, bedrohen
Wilderei und die nicht nachhaltige Bejagung das
Überleben einiger unserer nächsten Verwandten im
Tierreich, wie Gorillas, Schimpansen und andere Arten
von Menschenaffen.
Wie die fast zwei Millionen Unterschriften unter der
Petition zeigen, bereitet diese Angelegenheit der
Öffentlichkeit eindeutig Sorge. Dieses Problem liegt
auch der Kommission sehr am Herzen, die sich im
Rahmen der globalen Anstrengungen, mit denen der
Rückgang der Artenvielfalt bis 2010 gestoppt werden
soll, engagiert. Daher begrüßen wir den Bericht von
Herrn De Rossa, den ich für ausgewogen halte und der
meiner Meinung nach den Kern trifft.
Wir haben eine Reihe verschiedener Maßnahmen zur
Eindämmung des Problems ergriffen. Zunächst muss ich
aber unterstreichen, dass klar zwischen der
Buschfleischkrise – die bestimmte Tierarten bedroht –
54
und dem alltäglichen Verbrauch von Wildfleisch, der
einen festen Bestandteil der Sicherung der Versorgung
der Armen in den Entwicklungsländern darstellt,
unterschieden werden muss.
Uns allen ist bewusst, dass es in Verbindung mit
Buschfleisch verschiedene Aspekte gibt, die über die
Entwicklungsagenda
hinausgehen.
Dazu
zählen
gesundheitliche
Fragen
in
Europa,
einige
Handelsaspekte sowie wissenschaftliche Fragen. Doch
da der Raubbau an Buschfleisch größtenteils in
Entwicklungsländern stattfindet, besteht die beste
Lösung darin, diese Länder im Rahmen unserer
Entwicklungszusammenarbeit zu unterstützen und die
Buschfleischkrise vor Ort anzugehen.
Diese Krise kann im Zusammenhang mit der Thematik
natürliche Ressourcen, ländliche Entwicklung oder
Fragen des Regierungshandelns in Angriff genommen
werden oder sie kann beispielsweise im Rahmen von
Umweltverträglichkeitsprüfungen und strategischen
Umweltprüfungen als Querschnittsthema aufgegriffen
werden. Bei diesen Prüfungen sollten im Hinblick auf
Buschfleisch für sämtliche Entwicklungsaktivitäten
Risiken
und
mögliche
Maßnahmen
zur
Schadensbegrenzung ermittelt werden. Ich freue mich,
Ihnen in diesem Zusammenhang mitteilen zu können,
dass das Handbuch „Einbeziehung des Umweltaspekts in
die
entwicklungspolitische
und
wirtschaftliche
Zusammenarbeit“ kurz vor seinem Abschluss steht und
im ersten Halbjahr 2004 in Kraft treten wird. Das
überarbeitete Handbuch dürfte einen wesentlichen
Beitrag dazu leisten, dass Buschfleischfragen bei
Umweltprüfungen und damit bei allen unseren
Entwicklungsaktivitäten in diesem Bereich die
gebührende Aufmerksamkeit erhalten. Die in diesem
Jahr
fälligen
Halbzeitevaluierungen
unserer
Kooperationsstrategien werden wir nutzen, um
Umweltbelange besser zu integrieren. Das wird über
eine
systematischere
Nutzung
von
Länderumweltprofilen,
von
strategischen
Umweltprüfungen und den bereits erwähnten
Umweltverträglichkeitsprüfungen geschehen. All das ist
in Ordnung. Das mag keine sehr direkte Reaktion
darstellen, aber damit schaffen wir die Voraussetzungen
für eine ordnungsgemäße Prüfung dieser Problematik.
Sehr wichtig ist die nationale Eigenverantwortung. So
sind Maßnahmen zur Einschränkung des Raubbaus an
Buschfleisch völlig sinnlos, wenn die Buschfleischländer
selbst nicht mit gutem Beispiel vorangehen. Wir können
unterstützend eingreifen und die im Rahmen der
Überarbeitung
der
Länderstrategien
geäußerten
Ansichten weitergeben, aber von entscheidender
Bedeutung ist die Eigenverantwortung.
Ich möchte noch einen speziellen Punkt anfügen,
nämlich, dass der Frieden eine wesentliche Rolle spielt.
Wenn wir uns den Konflikt in der DRC und in anderen
Ländern der Region in den letzten zehn Jahren
anschauen, erkennen wir, dass diese Konflikte sämtliche
Versuche, auch nur ein Minimum an Ordnungspolitik in
Bezug auf das von uns erörterte Problem aufzubauen,
13/01/2004
blockieren. Für Soldaten, Binnenvertriebe und
Flüchtlinge gab es keinerlei Beschränkungen, Anreize,
Anleitung, Strafen oder sonstige staatliche Maßnahmen
bezüglich ihres Verhaltens in diesem Zusammenhang. In
diesem Bereich gab es weder Recht noch Ordnung, und
die schrecklichen Folgen sind uns bekannt. Das würde
ich zur wichtigsten Priorität erklären, und ich meine
sogar, dass die Umwelt und die Situation in Bezug auf
das Buschfleisch einen von vielen wichtigen Aspekten
für die Sicherung des Friedens in der DRC und anderen
Ländern der Region darstellen.
Die Kommission ist – auch ausgehend davon, was ich
über die Eigenverantwortung sagte – nicht davon
überzeugt, dass ein spezieller Aktionsplan die beste
Möglichkeit zur Lösung der Buschfleischkrise darstellt.
Sowohl die Strategie der Kommission für die Integration
von Umweltaspekten in die wirtschaftliche und
Entwicklungszusammenarbeit als auch der Aktionsplan
zur Erhaltung der biologischen Vielfalt im Rahmen der
Entwicklungszusammenarbeit stehen in diesem Jahr zur
Revision an. Es ist sinnvoller, sich mit der
Buschfleischproblematik im Rahmen dieser beiden
Strategien auseinander zu setzen, als eine spezielle
Buschfleischstrategie zu erarbeiten, die einen hohen
personellen
Aufwand
erfordern
würde,
ohne
notwendigerweise zu zusätzlichen Maßnahmen zur
Lösung dieses Problems zu führen. Ausgehend von den
sektorübergreifenden
Auswirkungen
der
Buschfleischfrage wäre dieser Ansatz nicht der beste.
Viele Gemeinschaftsvorhaben in Ost-, Süd- und
Westafrika greifen dieses Problem in sehr praktischer
Weise auf. Obwohl nur ein relativ geringer Anteil der
Gesamtausgaben für Hilfsprogramme auf die Umwelt
entfällt, haben wir in Schlüsselländern beträchtlich in
den Umweltschutz und das Umweltmanagement
investiert. So hat die Kommission seit 1992 annähernd
67 Millionen Euro in das ECOFAC-Programm für die
Erhaltung und rationelle Bewirtschaftung der
Waldökosysteme in Zentralafrika investiert, das sich für
die innovative Bewirtschaftung von Schutzgebieten in
wichtigen Lebensräumen der Großaffen einsetzt. Die
Kommission finanziert zudem Maßnahmen zur
Kontrolle der Bejagung und Wilderei in privaten
Konzessionsgebieten und fördert im Rahmen der
verantwortungsvollen Durchführung der Initiative den
Ökotourismus in der Region.
Des Weiteren setzen wir uns auf politischer Ebene für
eine Lösung der Buschfleischkrise ein. So haben wir
unlängst einen Zuschuss in Höhe von 500 000 Euro
bereitgestellt, um den auf ministerieller Ebene in Afrika
eingeleiteten Prozess zur Rechtsdurchsetzung und
Politikgestaltung im Forstsektor zu unterstützen. Obwohl
das Hauptziel dieses Prozesses darin besteht, die
Politikgestaltung im Forstsektor zu verbessern und den
illegalen Holzeinschlag zu bekämpfen, dürfte die
mehrfache Bezugnahme auf Buschfleisch und
wildlebende Tiere in der von der Konferenz
verabschiedeten Erklärung die Aufmerksamkeit auch auf
diese Thematik lenken.
13/01/2004
Wir begrüßen die Initiative, das Parlament mit dieser
Thematik zu befassen, die breiten Teilen der
Öffentlichkeit sehr an Herzen liegt. Das ist meines
Erachtens eine sehr konstruktive Methode, um diesem
Anliegen die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die es
verdient.
2-177
Corrie (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des
mitberatenden Ausschusses für Entwicklung und
Zusammenarbeit. – (EN) Herr Präsident, jede Petition
mit 1,9 Millionen Unterschriften verdient, dass man sie
ernst nimmt. Ich beglückwünsche Herrn De Rossa zu
seinem ausgezeichneten Bericht sowie zu seiner
heutigen Präsentation.
Kann der Kommissar erstens bestätigen, dass sich der
Aktionsplan lediglich auf tropische Gebiete und
insbesondere den afrikanischen Kontinent bezieht und
im Gegensatz zur Interpretation einiger Leute keinerlei
Auswirkungen auf die Jagd in der Europäischen Union
hat?
Sinnvolle Maßnahmen sind aus drei Gründen sehr
wichtig und dringend geboten. Erstens betrachten, wie
Herr De Rossa sagte, mindestens 150 Millionen der
ärmsten Menschen der Welt wildlebende Tiere als einen
äußerst wichtigen Bestandteil ihrer Existenzgrundlage.
Die kommerzielle Jagd, die Ausbeutung der Holzvorräte
und die Waldrodung zerstören das ökologische
Gleichgewicht und berauben die einheimische
Bevölkerung ihrer Ernährungs- und Existenzgrundlage.
Zweitens wird die wahllose Tötung von Großaffenarten
das Aussterben von Gorillas und Schimpansen zur Folge
haben, die in Ländern wie Ruanda eine wichtige
nachhaltige Touristenattraktion und Einkommensquelle
darstellen, die dadurch für immer verloren gehen wird.
Die Zerstörung der Wälder wird beträchtliche
ökologische
Schäden
verursachen,
wenn
der
Holzeinschlag nicht dringend unter Kontrolle gebracht
wird.
Es gibt einen dritten und noch wichtigeren Punkt. Der
illegale Export von Buschfleisch in alle Teile der Welt
könnte verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit
haben, im Vergleich zu denen SARS einer harmlosen
Erkältung gleichkäme. Viele Gorillas und Schimpansen
sind Träger des Affenaidsvirus (SIV), das auf den
Menschen überspringen kann und auch schon
übergesprungen ist. Schon das wäre schlimm, doch
wenn mit Ebola infiziertes Fleisch die Weltmärkte
erreichen würde, könnte es zu einer Katastrophe von
weit gefährlicheren Ausmaßen kommen als im Falle der
HIV-Infektionen. Vor kurzem wurden auf dem
Amsterdamer Flughafen 2 000 Affennasen in einem
Koffer gefunden. Das zeigt, dass der illegale Handel
blüht.
Im Entschließungsentwurf wird die Kommission
aufgefordert, eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen,
und ich hoffe, dass sie dies tut. Es wäre jedoch schon ein
wichtiger Fortschritt, wenn man die Staatschefs in den
55
Buschfleischländern auf die Situation aufmerksam
machen würde und sie, wie der Kommissar sagte, dafür
gewinnen könnte, beim Schutz der Ökosysteme und der
wildlebenden Tiere mit gutem Beispiel voranzugehen.
2-178
Stockton (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich
unterstütze die den Vorschlägen in Herrn De Rossas
ausgezeichnetem
Bericht
zugrunde
liegenden
Überlegungen und beglückwünsche ihn zu seinem
Bericht. Eines der Probleme, mit dem wir uns
auseinander setzen müssen, betrifft die Definition von
Buschfleisch, die nicht präzise genug ist. Wir wissen
oder glauben, dass wir alle über dieselbe Sache
sprechen: in erster Linie gefährdete Arten, vor allem die
Großaffen. Buschfleisch wird jedoch auch als
Delikatesse für den Verbrauch außerhalb von Afrika
gehandelt. Es ist natürlich sowohl in Afrika als auch in
Südamerika äußerst schwierig, Menschen, die hungern
oder nur sehr wenig zu essen haben, an der Wilderei in
den benachbarten Wäldern zu hindern.
Sowohl in Südamerika als auch in Afrika gibt es jedoch
Arten, die bewirtschaftet werden und die Grundlage für
einen organisierten Handel bilden könnten, wobei
bestimmte Schutzmechanismen anzuwenden wären.
Meine Sorge ist, dass es in Europa einen großen Markt
für Buschfleisch gibt. Jedes Jahr werden allein auf dem
Flughafen London Heathrow mehrere tausend Kilo
illegal eingeführtes Buschfleisch konfisziert, das sich
zumeist in einem äußerst schlechten Zustand befindet.
Eine beträchtliche Anzahl von Bewohnern und Bürgern
der Europäischen Union sowie afrikanischer und
südamerikanischer Länder wäre durchaus am legitimen
Konsum von Buschfleisch interessiert, wenn es auf
nachhaltiger Grundlage bereitgestellt werden könnte.
Diese Nachfrage wird ebenso wenig verschwinden wie
die Nachfrage von Herrn De Rossas irischen
Landsleuten nach Guinness, ganz gleich, wo sie sich
aufhalten. Es besteht die Gefahr, dass wir diese
Nachfrage noch mehr als bisher in den Untergrund
treiben.
Eine der Optionen, mit denen sich die Kommission sehr
ernsthaft beschäftigen sollte, ist die ordnungsgemäße
Abwicklung des Handels, die u. a. umfassende und
leider auch kostenaufwändige Erhebungen der
Tierpopulationen, die Kontrolle der selektiven Tötung
und, soweit es den Exporthandel betrifft, die
ordnungsgemäße
Regulierung
der
öffentlichen
Gesundheit umfassen würde. Wie Herr Corrie sagte,
wären die Auswirkungen dieses Handels für die
öffentliche Gesundheit, falls er auf den Schwarzmarkt
abgedrängt würde, entsetzlich. Es ist ein Skandal, dass
amerikanische Multimillionäre im Interesse der
Bodenbewirtschaftung Elefanten abschießen können, die
gekeult werden müssen, während es Afrikanern nicht
gestattet ist, legal angebotenes Buschfleisch zu kaufen
und zu verzehren.
Ich danke Herrn De Rossa für seine Zusicherung, dass
sich dieser Bericht nicht auf die Bewirtschaftung von
Rotwild und Elchen in Europa bezieht und beziehen
56
kann. Ich möchte ferner darauf hinweisen, dass jeglicher
Verweis auf leistungsfähige Feuerwaffen überflüssig ist.
In Afrika gibt es annähernd 20 Millionen AK-47, und
entsprechende Kontrollen, die wir in der Europäischen
Union vorsehen, sind dafür völlig wirkungslos. So wie
einige meiner Kollegen fordere ich die Kommission
jedoch auf, bald etwas zu unternehmen.
2-179
Ford (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich beglückwünsche
Herrn De Rossa zu seinem Bericht über den Schutz und
die Erhaltung von Großaffen und anderen durch den
illegalen Handel mit Buschfleisch bedrohten Arten.
Wie wir gehört haben, ist dieser Bericht das Ergebnis
einer von 1,9 Millionen Bürgern aus der ganzen EU
unterzeichneten Petition, die den Petitionsausschuss
veranlasst hat, diesen Bericht zu erarbeiten. Allerdings
ging das nicht ohne den Widerstand gewisser Fraktionen
dieses Hauses ab. So hatten die Christdemokraten, deren
Pressemitteilungen, in denen Herrn De Rossas Bericht
vielfach gepriesen wird, heute in großen Mengen im
Pressezentrum in Straßburg zu finden sind, zunächst
gegen die Erarbeitung dieses Berichts gestimmt. Wir
Vertreter der Tier- und Naturschutzbewegungen
begrüßen die Tatsache, dass sich die britischen
Konservativen schließlich doch noch auf die Seite des
Tierschutzes geschlagen haben. Gleiches gilt für die
Fraktionen der Grünen und der Liberaldemokraten, die
anfänglich ebenfalls gegen die Erarbeitung des Berichts
gestimmt hatten.
Im Interesse der öffentlichen Gesundheit, der
öffentlichen Sicherheit und des Schutzes gefährdeter
Arten unterstützen wir die Forderung, dass sich die EU
mit Zuckerbrot und Peitsche für die Erhaltung dieser
gefährdeten Arten in ihren angestammten Lebensräumen
einsetzen soll, dass sie die lokalen Gemeinschaften in
die Lage versetzen soll, alternative Nahrungsquellen zu
erschließen, und dass sie die illegale Einfuhr von
Buschfleisch in die EU unterbinden soll. Die von Herrn
Corrie erwähnte Konfiszierung von 2 000 Affennasen
vor kurzem in Amsterdam wirft ein Schlaglicht auf das
Ausmaß des Handels und das Leid, das diesen Tieren
angetan wird, deren Bestände vernichtet werden.
Wir werden keinen der drei Änderungsanträge
unterstützen, die unserer Ansicht nach schlecht
durchdacht und – ob mit oder ohne Absicht – boshaft
sind. Herrn De Rossas Bericht befasst sich mit der
illegalen Bejagung von gefährdeten Arten und stellt in
keiner Weise eine Gefahr für die Jagd in der
Europäischen Union dar, wie im Änderungsantrag der
EDD-Fraktion behauptet wird. Mit Ausnahme von
Gibraltar, wo der Schutz der Affen eine willkommene
Möglichkeit für die Ablenkung von einer Bedrohung
durch Spanien sein mag, gibt es keine Großaffen in
Europa. Außerdem stellt der Änderungsantrag der
ELDR-Fraktion einen Widerspruch in sich dar: Eine
nachhaltige Bejagung ernsthaft gefährdeter Arten gibt es
nicht.
2-180
13/01/2004
Lambert (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident, auch ich
möchte Herrn De Rossa für seinen Bericht danken. Fürs
Protokoll, Herr Ford, der offizielle Vorschlag an den
Ausschuss zur Erarbeitung dieses Berichts kam von mir.
Deshalb kann wohl kaum behauptet werden, dass die
Grünen ihn abgelehnt hätten.
Ich möchte eine Reihe von Problemen hervorheben.
Eines davon betrifft die Rolle der Holzunternehmen. Der
Bericht enthält Vorschläge darüber, wie wir ihnen helfen
können, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, zumal
sie bisweilen Buschfleisch als billige und leicht zu
beschaffende Nahrungsquelle für ihre Arbeitskräfte
einsetzen und ihre Fahrzeuge zum Transport von
gewildertem Fleisch benutzt werden. Es wird
vorgeschlagen,
entsprechende
Fragen
in
den
europäischen
Prozess
der
Rechtsdurchsetzung,
Politikgestaltung und des Handels im Forstsektor
einzubinden. Das begrüße ich.
Zweitens: Die Frage der Einfuhr in die Europäische
Union und die höchst fragwürdigen und grauenhaften
Umstände, unter denen dies gelegentlich geschieht,
wurden bereits angesprochen. Wir könnten hier mehr in
Bezug auf die Aufklärung von Verbrauchern und
Händlern in der Union tun, damit sie erkennen, welche
Auswirkungen ihr Handeln auf die Ökologie und die
Entwicklung in den Ursprungsländern hat, und damit sie
aufhören, Buschfleisch als eine Delikatesse zu
betrachten, und stattdessen erkennen, dass sie zum
potenziellen Aussterben bestimmter Tiere in einigen
Gebieten beitragen.
2-181
Mathieu (EDD). – (FR) Herr Präsident, bevor ich den
von mir vorgelegten Änderungsantrag vorstelle, möchte
ich erklären, dass meine Fraktion den Schutz und die
Erhaltung vor allem der afrikanischen Großaffen
unterstützt. Obwohl die Großaffen bereits durch das
Washingtoner Übereinkommen geschützt werden und
daher nicht bejagt werden dürfen, sollten sie dennoch
nach dem Vorbild des ABAC-Programms (Alternativen
zur Wilderei in Zentralafrika) einer gründlichen
Überwachung unterliegen. Doch wie der Berichterstatter
erläutert, ist die Jagd bei weitem nicht der einzige Grund
für das Aussterben dieser Arten. Die massive
maschinelle Abholzung der Wälder in Äquatorialafrika
und die Bevölkerungsexplosion auf dem gesamten
Kontinent stellen wichtige Faktoren bei der Zerstörung
der Lebensräume der Großaffen dar, wobei man auch
den beispiellosen und verheerenden Schaden, den das
Ebola-Virus in den letzten Jahren angerichtet hat, nicht
vergessen darf.
Deshalb müssen wir meiner Ansicht nach den Begriff
der Buschfleisch-Krise neu definieren, weil er mehr
umfasst als die exzessive Dezimierung der
Wildtierbestände. Für das Verschwinden dieser Arten
gibt es viele unterschiedliche Gründe.
Auch die Definition von Wildfleisch ist in ihrer jetzigen
Form meines Erachtens nicht akzeptabel, weil sie
bezüglich des Ursprungs des Wildes Verwirrung stiftet.
13/01/2004
Ich meine, dass in einem Rechtstext – um auf Herrn
Fords Äußerung einzugehen – jede Präzisierung sinnvoll
ist, und ich glaube, dass eine sehr strikte Definition des
Anwendungsbereiches in jedem Falle äußerst wichtig ist.
Wir sollten uns in diesem Bericht, der tropische und
äquatoriale Gebiete betrifft, auf den Begriff
„Buschfleisch“ beschränken. Der Begriff „Wildfleisch“
ist viel zu vage. Er umfasst auch die Arten von Wild, die
in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
vorkommen.
2-182
Parish (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte
eingangs dem Berichterstatter nochmals für diesen sehr
notwendigen Bericht danken. Ich bedauere, dass Herr
Ford daraus eine politische Angelegenheit machen will,
weil dies meiner Meinung nach eine Angelegenheit ist,
bei der alle politischen Parteien zum Wohle der
Allgemeinheit zusammenarbeiten könnten, um diesen
furchtbaren Handel zu stoppen.
Zur selben Zeit, da wir hier in Straßburg
zusammensitzen,
werden
Großaffen,
Gorillas,
Schimpansen und andere Affen für kommerzielles
Buschfleisch gejagt und sind vom Aussterben bedroht.
Derzeit zahlen Verbraucher hohe Preise, um mehr
Großaffen zu verzehren, als weltweit in Zoos und
Laboratorien gehalten werden. Wenn das Abschlachten
so weitergeht wie bisher, dann werden die jetzt noch
verbliebenen wildlebenden Affen in Afrika innerhalb der
nächsten 15 bis 50 Jahre verschwunden sein. Das ist ein
langer Zeitraum, aber wenn wir den Handel nicht bald
stoppen, wird es zu spät sein.
Ich möchte Dr. Brian Carroll vom Zoo in Bristol in
meiner
eigenen
Region
meine
Anerkennung
aussprechen. In Zusammenarbeit mit Zoos im gesamten
Vereinigten Königreich hat er eine halbe Million
Unterschriften für diese europaweite Kampagne
gesammelt.
Wir stehen vor einer Katastrophe, die sowohl das
Überleben unserer nächsten Verwandten als auch das der
Menschen bedroht, die für ihre Existenz auf die Wälder
angewiesen sind. Die wichtigste Aufgabe für die
Naturschützer besteht jetzt darin, die Nachfrage nach
Buschfleisch zu senken. Wichtig ist, dass wir die
Menschen aufklären und davon überzeugen, kein Fleisch
von Großaffen zu kaufen und zu verzehren.
Wir können hier in Europa jedoch mehr tun. Ich bin
jedes Jahr aufs Neue über das Ausmaß dieses
unerträglichen Handels schockiert. Buschfleisch wird
tonnenweise auf europäischen Flughäfen konfisziert.
Wir müssen die Kontrollen in allen Häfen und auf allen
Flughäfen der EU verschärfen, um zu verhindern, dass
dieses Fleisch nach Europa gelangt. Liebe Kollegen,
denken Sie nur an das Unheil, das die Maul- und
Klauenseuche in ganz Europa angerichtet hat. Wir haben
eigene Untersuchungen angestellt. Die Maul- und
Klauenseuche ist in Teilen Westafrikas weit verbreitet.
Eingeschmuggeltes Buschfleisch kann nicht nur einen
57
neuen Ausbruch der Seuche in Europa auslösen, es kann
auch unsere Tiere mit in Afrika auftretenden
Krankheiten und Epidemien in Kontakt bringen. Jedes
Kilo eingeschmuggeltes Fleisch in der EUNahrungskette birgt nicht nur die Gefahr von
Tierkrankheiten, sondern auch von Krankheiten für den
Menschen, wie z. B. Ebola.
Liebe Kollegen, Ihre Unterstützung für die
Schlussfolgerungen dieses nichtständigen MKSAusschusses und seine Forderung nach strengeren
Maßnahmen, um ein Eindringen derartiger Krankheiten
in die EU zu verhindern, war überwältigend. Dennoch
gibt es in meinem Heimatland lediglich sechs Spürhunde
für derartige Zwecke. Wir nehmen diese Gefahr nicht
ernst genug, und alle Mitgliedstaaten könnten mehr tun.
Gefährdete Arten und Lebensräume sind wertvoll und
unersetzbar. Wir müssen diesem barbarischen Handel
ein Ende setzen, bevor es zu spät ist.
2-183
Kinnock (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich denke, wir
sollten von Anfang an feststellen, dass die Gründe für
das Florieren dieses lukrativen illegalen Handels die
gleichen sind wie im Falle des illegalen Drogenhandels
und des illegalen Waffenhandels. Die Analyse dieser
Aktivitäten erfordert ein besseres Verständnis der
Auswirkungen, die, wie der Kommissar sagte, gerade
Konflikte
und
ein
schlecht
funktionierendes
Gemeinwesen auf dieses Problem haben, und wir in der
Europäischen Union sollten uns als Geber vielleicht
ernsthafter für die Unterstützung von Vorhaben im
Bereich des Naturschutzes und der biologischen Vielfalt
einsetzen. Daneben werden unsere Bemühungen zur
Konfliktverhütung und die für die Afrikanische Union
vorgeschlagene Friedensfazilität usw. ebenfalls einen
wichtigen Beitrag zur Lösung einiger der heute
angesprochenen Probleme leisten. Diese Problematik
wird
regelmäßig
von
der
Paritätischen
Parlamentarischen Versammlung AKP-EU diskutiert
und
genießt
die
Unterstützung
unserer
Parlamentskollegen in den AKP-Ländern. Sie sagen
selbst, dass ihre Regierungen, wie der Kommissar
betonte, der nachhaltigen Bewirtschaftung und Erhaltung
der natürlichen Ressourcen in ihren nationalen
Richtprogrammen vorrangige Bedeutung einräumen
müssen. Dazu müssen auch wir in der Paritätischen
Parlamentarischen Versammlung, im Ausschuss für
Entwicklung und Zusammenarbeit und in anderen
Gremien einen Beitrag leisten. Denn ich fürchte, wir
verschwenden unsere Energie, solange die Regierungen
dieser Sache keinen Vorrang einräumen.
Dabei ist zu bedenken, dass Buschfleisch eine wichtige
Eiweißquelle darstellt. In einigen Teilen Nigerias decken
die Menschen ihren Eiweißbedarf zu 84 % durch
Buschfleisch, das eine sehr große Rolle im Leben der
Menschen spielt. Wird der Zugang zu wildlebenden
Tieren eingeschränkt, müssen sich die Menschen
umstellen, was häufig noch größere Risiken birgt. Es ist
viel besser darüber zu sprechen, wie wir den Handel
kontrollieren
können,
als
seine
Einstellung
vorzuschlagen. Wenn wir über die Unterbindung des
58
illegalen Handels sprechen, dann treiben wir ihn damit
lediglich in den Untergrund und erschweren jegliche
Kontrolle.
Die Bedeutung von Buschfleisch für die Existenz der
Armen wurde nie bewertet. Wir haben heute Nachmittag
etliche Erklärungen abgegeben, aber es gab keine klare
Beurteilung der Bedeutung von Buschfleisch für die
Existenz der Menschen.
Abschließend möchte ich feststellen, dass eine bessere
Handelspolitik einen nicht unerheblichen Beitrag zur
Erreichung
unserer
Ziele
im
Bereich
der
Armutsbekämpfung leisten könnte.
2-184
Wyn, Eurig (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident, auch
ich möchte Herrn De Rossa für diesen sehr wichtigen
Bericht danken. Der illegale Handel mit Buschfleisch ist
für gefährdete Arten und Lebensräume in vielen
Entwicklungsländern von verheerender Wirkung. Ich
begrüße
und
unterstütze
vor
allem
einen
Änderungsantrag, und zwar sieht dieser vor, die
Maßnahmen zur Aufdeckung und Verhinderung von
illegalen Buschfleischimporten nach Europa zu
verstärken. Erstaunlicherweise ist es noch immer relativ
einfach, Fleisch über Häfen und Flughäfen nach Europa
zu schmuggeln, obwohl mit großer Wahrscheinlichkeit
davon ausgegangen werden kann, dass das 2001 zu dem
von Herrn Parish erwähnten verheerenden Ausbruch der
Maul- und Klauenseuche führte.
Die Europäische Union muss ein Exempel statuieren und
Schmugglern klarmachen, dass ihr Buschfleisch an den
Einreisestellen entdeckt wird und sie strafrechtlich
belangt werden. Leider hält dieser grausame und
profitable Handel unvermindert an, und jedes Jahr
gelangen Tausende von Tonnen illegales Buschfleisch,
das vor allem aus Westafrika stammt, unentdeckt nach
Europa, ohne dass die organisierten Banden belangt
werden. An dieser Stelle muss festgestellt werden, dass
uns die USA in diesem Punkt den Weg weisen. Jeder,
der in letzter Zeit über einen US-Flughafen eingereist ist,
hat zweifellos die Bekanntschaft eines eifrigen Beagle
gemacht, der jedes Gepäckteil nach importierten
Lebensmitteln absucht.
Ich bitte die Europäische Kommission inständig, strenge
Vorschriften für die Mitgliedstaaten einzuführen und
durchzusetzen. Abschließend fordere ich die Kollegen
auf, irrelevante Änderungsanträge abzulehnen, die dem
Schutz europäischer Jagdpraktiken dienen und lediglich
zur Abschwächung der Empfehlungen des Berichts
beitragen werden.
2-185
Nielson, Kommission.  (EN) Herr Präsident, als wir
meine Erklärung vorbereiteten, fehlte uns einfach die
Phantasie, um auch die Jagd in Europa zu integrieren.
Meiner Ansicht nach befindet sie sich ganz einfach
außerhalb des Anwendungsbereiches, auf den sich diese
Initiative normalerweise erstrecken sollte, und ich teile
die Ansicht von Herrn De Rossa, Herrn Corrie und
anderen, die dieses Missverständnis erwähnt haben.
13/01/2004
Wir haben genügend echte Probleme, mit denen wir
fertig werden müssen. Die Feststellungen von Frau
Mathieu und anderen Abgeordneten, dass die Jagd nicht
die einzige Gefahr für diese Arten darstellt, müssen
unbedingt berücksichtigt werden. Es gibt zwei
verschiedene Aspekte. Einerseits haben wir es mit der
absichtlichen, durch Habgier ausgelösten Bedrohung zu
tun und andererseits mit einer Bedrohung, die ihre
Ursache im Überlebenskampf der Menschen hat. Beide
sind für die Arten, um die es hier geht, gleichermaßen
gefährlich.
Ich stelle bei dieser Diskussion Parallelen mit einer
anderen schwierigen Thematik fest. Dabei geht es
darum, dass Afrikaner ihren auf der Weidewirtschaft
beruhenden Lebensstil ändern müssen, der sie zwingt,
mit ihren Tieren von Weideplatz zu Weideplatz zu
ziehen, und der ein Ungleichgewicht zwischen der
Anzahl der Menschen und Tiere und der zur Verfügung
stehenden Fläche zur Folge hat. Viele Menschen sind
überrascht, dass auf einem so großen Kontinent wie
Afrika ein derartiger Druck auf der Bodennutzung lastet,
der ein Ausdruck für die Urbanisierung und das
Bevölkerungswachstum ist.
Schaut man sich jedoch die Umweltzwänge wie Zugang
zu Wasser an, dann kann keine Rede von einem großen
Kontinent sein. Der auf den Wäldern lastende Druck ist
eines
dieser
kontinuierlich
vorhandenen
systembedingten und dramatischen Probleme, die
möglicherweise das größte Hindernis für die
Entwicklung einer nachhaltigen Alternative sind, weil
das Ganze etwas mit Armut und echten Problemen zu
tun hat. Wir sollten ganz entschiedene Maßnahmen zur
Bekämpfung von Straftaten ergreifen, die das Ergebnis
von Habgier sind. Im Rahmen unserer Bemühungen um
einen verantwortungsbewussten Umgang mit den
afrikanischen Wäldern müssen wir versuchen,
Holzunternehmen zur Einhaltung von Gesetzen und
sonstigen Vorschriften zu bewegen und auch
Regierungen für diese Ziele zu gewinnen. Das ist
eindeutig Teil unserer Strategie und unserer Politik.
Der Handel ist ein sehr vielschichtiges Problem. Ein
Aspekt betrifft schlicht und einfach den legitimen Schutz
unserer Gesundheitsnormen. Wir stellten die Einfuhr
von Nilbarsch aus dem Victoriasee für eine Reihe von
Jahren ein, bis es uns gelungen war, – das ist eines
meiner
Lieblingsbeispiele
–
eine
wirksame
Pflanzenschutzkontrolle aufzubauen. Diese Exporte sind
wieder angelaufen, und wir haben Tausende von
Arbeitsplätzen auf nachhaltiger Basis geschaffen. Ich
finde es jedoch etwas merkwürdig, dass wir in Bezug auf
Buschfleisch keine ähnlichen Maßnahmen ergriffen
haben. Was meine Vorredner gesagt haben, stimmt.
Ebola stellt eine Gefahr dar, und in Bezug auf den
Handel gibt es viele andere sehr schwierige Aspekte, die
beträchtliche Aufmerksamkeit erfordern. Gleichzeitig
sind viele Menschen darauf angewiesen, dass sie
Buschfleisch in ihrer normalen, traditionellen Umgebung
jagen und verzehren können. Das sollten wir
respektieren.
13/01/2004
59
Wir hatten eine Debatte über den Braindrain. Vielleicht
sollten wir eine Debatte über den „Proteindrain“
beginnen und der Versuchung, sich exotisches Protein zu
verschaffen, mit der Aufklärung der Öffentlichkeit über
die damit verbundenen Aspekte begegnen. Ich möchte
dem Parlament und dem Berichterstatter für diese
Initiative danken.
2-186
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
***
2-187
Der Präsident. – Das Wort hat Herr Ford für eine
persönliche Erklärung gemäß Artikel 122 der
Geschäftsordnung.
2-188
Ford (PSE). – (EN) Herr Präsident, zur
Geschäftsordnung. Sowohl Frau Lambert als auch
indirekt Herr Parish unterstellten, ich hätte das Haus
getäuscht, als ich behauptete, dass die PPE-DE-, die
ELDR- und die Verts/ALE-Fraktion versucht hatten zu
verhindern, dass der Bericht De Rossa auf die
Tagesordnung gesetzt wird. Zwar akzeptiere ich Frau
Lamberts persönliches Engagement für diesen Bericht
und die Tatsache, dass sie seine Erarbeitung
vorgeschlagen hat, doch meine Kritik richtete sich gegen
die Haltung ihrer Fraktion und die anderer Fraktionen.
Die Angelegenheit wurde vom Vorsitzenden des
Petitionsausschusses
auf
der
Konferenz
der
Ausschussvorsitzenden im letzten Herbst angesprochen.
Sie waren dagegen, dass der Petitionsausschuss die
Geschäftsordnung für die Erarbeitung dieses Berichts
heranzieht. Die Angelegenheit wurde an die Beratung
der Fraktionsvorsitzenden verwiesen, bei der zunächst
lediglich Herr Barón Crespo von der Fraktion der
Sozialdemokratischen Partei Europas für den Bericht
stimmte. Erst nach beträchtlicher Überzeugungsarbeit
der anderen Fraktionen konnten deren Vorsitzende
umgestimmt und davon überzeugt werden, dass der uns
heute vorliegende Bericht zu diesem wichtigen Thema
erarbeitet werden sollte.
2-189
EU-Hilfe für den Iran im Anschluss an das Erdbeben
2-190
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Aussprache über die Erklärung der Kommission
betreffend die EU-Hilfe für den Iran im Anschluss an
das Erdbeben.
2-191
Nielson, Kommission.  (EN) Herr Präsident, das
Ausmaß des Erdbebens von Bam und der von ihm
angerichteten Verwüstung haben die iranischen
Behörden veranlasst, um internationale Hilfe zu
ersuchen. Schon wenige Stunden nach der Katastrophe
liefen umfangreiche internationale und europäische
Hilfsmaßnahmen an. Die Zahl der Toten hat sich
inzwischen auf 30 000 erhöht, und die Anzahl der
Verletzten ist etwa ebenso groß. 45 000 Menschen sind
obdachlos, und die Stadt Bam ist zu 85 % zerstört. Die
Kommission hat humanitäre Soforthilfe veranlasst, in
deren Rahmen sie die Tätigkeit der Such- und
Rettungsteams aus EU-Mitgliedstaaten und dem EWR,
aus Kandidaten- und Beitrittsländern koordiniert.
Am Sonnabend, dem 27. Dezember 2003, fasste die
Kommission über ECHO, ihr Amt für humanitäre Hilfe,
einen Beschluss aufgrund absoluter Dringlichkeit über
die sofortige Bereitstellung von 2,3 Millionen Euro zur
Linderung der größten Not. 1 452 129 Euro wurden an
die Rotkreuzfamilie – die Internationale Föderation der
Rotkreuz- und Halbmondgesellschaften, das Finnische
Rote Kreuz und das Deutsche Rote Kreuz – zur
Unterstützung von Hilfsmaßnahmen des Iranischen
Roten Halbmondes mit Lebensmittelpaketen, Zelten,
Decken, Heizgeräten, Küchensets und Hygieneartikeln
bereitgestellt. Diese Mittel waren ferner für die
Einrichtung eines Notkrankenhauses und von BasisGesundheitsstationen bestimmt. Weitere 813 577 Euro
wurden dem Comité d’Aide Médicale und der
Organisation
Médecins
du
Monde
für
die
gesundheitliche Betreuung und ähnliche Maßnahmen
bereitgestellt. Schließlich wurden 34 294 Euro für
Télécoms Sans Frontières zum Aufbau eines
satellitengestützten
Kommunikationsnetzes
zur
Verfügung gestellt, um die Kommunikation und die
Koordination zwischen den im Katastrophengebiet
tätigen Hilfsorganisationen zu erleichtern.
Zusätzlich zur humanitären Hilfe hat das in der
Kommission
angesiedelte
Überwachungsund
Informationszentrum für den EU-Katastrophenschutz
nach Absprache mit den iranischen Behörden die
Entsendung von Hilfsteams eingeleitet. Unmittelbar
nach dem Erdbeben informierte das Überwachungs- und
Informationszentrum am Morgen des 26. Dezember
seine in den am Mechanismus zur Koordinierung der
Maßnahmen im Katastrophenschutz beteiligten Ländern
bestehenden
30
Kontaktpunkte
über
einen
bevorstehenden Einsatz. Am 26. Dezember verließen die
ersten Teams ihre Länder, und am 27. Dezember konnte
die durch die italienische Katastrophenschutzeinheit
geleitete
EU-Koordinierung
der
Suchund
Rettungsmaßnahmen in Bam anlaufen. Insgesamt waren
18 Länder an diesem gemeinsamen Einsatz beteiligt,
deren Beitrag von Such- und Rettungsteams –
Suchhunde, Brandbekämpfungs- und andere Spezialisten
– bis zur Bereitstellung von Hilfseinrichtungen wie
Notkrankenhäuser und andere Ausrüstungen reichte.
Mit dem Abschluss der Such- und Rettungsmaßnahmen
trat die Absicherung der humanitären Versorgung der
Überlebenden des Erdbebens für die kommenden
Monate in den Vordergrund. Am 8. Januar 2004 riefen
sowohl die Internationale Föderation der Rotkreuz- und
Halbmondgesellschaften als auch das Amt für die
Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der UNO
zur Unterstützung der Hilfsmaßnahmen in Bam auf.
Nach einem ersten Besuch zur Bewertung der Lage, der
60
zwischen dem 29. und 31. Dezember stattgefunden hatte,
entsandte ECHO eine zweite Expertengruppe nach Bam,
die sich zwischen dem 5. und 8. Januar einen Überblick
über die Lage verschaffte, eine Einschätzung des
Bedarfs vornahm und sich mit den anderen
Hilfsorganisationen vor Ort abstimmte. Diese zweite
Einschätzung ergab, dass in folgenden Bereichen
besonderer Handlungsbedarf bestand: Gesundheit;
Zugang zu sauberem Wasser und Abwasserentsorgung;
psychosoziale Betreuung und Suche nach Personen;
Betreuung gefährdeter Gruppen, vor allem Kinder und
alte Menschen.
Ausgehend von ihrer eigenen Einschätzung und den
Aufrufen der UNO und des Roten Kreuzes prüft die
Kommission derzeit die Bereitstellung von Hilfe für die
Erdbebenopfer von Bam im Rahmen eines zweiten
Beschlusses innerhalb der nächsten Wochen.
Dank unseres Vorgehens waren wir in der Lage, mit den
ersten 2,3 Millionen Euro den gesamten uns zum
gegebenen Zeitpunkt vorliegenden Bedarf abzudecken,
und wir sind jetzt in der Lage, neue Anfragen zu prüfen.
Es ist äußerst wichtig, dass die internationale
Gemeinschaft Unterstützung leisten kann, die über den
ersten unmittelbaren Bedarf in solchen Situationen
hinausgeht.
13/01/2004
leider in dieser Woche gekommen: Mehr als 80
amtierende Abgeordnete und Hunderte Kandidaten
wurden vom Wächterrat abgelehnt, darunter der
Hauptgesprächspartner und Gastgeber einer Delegation
des Europäischen Parlaments im Iran, der Vorsitzende
des auswärtigen Ausschusses, Mirdamadi, der auch im
vergangenen Jahr mit einer Delegation hier gewesen ist.
Ich glaube, wir sollten deutlich machen, so wie wir
menschliche Solidarität im Falle von Naturkatastrophen
äußern, so müssen wir auch politische Solidarität mit
den Reformkräften im Iran äußern, die sich in dem
beschränkten Rahmen, der zur Zeit dort besteht, um
mehr Demokratie und um freiere Wahlen bemühen. Das
ist ein wichtiger Punkt und ich gehe auch davon aus,
dass der Hohe Beauftragte des Europäischen Rates,
Solana, der sich zur Zeit im Iran aufhält, auch da
deutliche Worte findet. Ich glaube, es wäre ein falsches
Signal, wenn wir als Europäische Union in dieser
konkreten Situation darüber hinweggehen würden,
business as usual politisch praktizierten und damit
denjenigen, die im Februar, im nächsten Monat, eine
relativ freie Wahl dort durchführen wollen, den Mut
nehmen. Jetzt ist nicht nur Solidarität mit den Opfern
von Bam, sondern auch Solidarität mit den Reformern
im Iran gefragt.
2-193
2-192
Gahler (PPE-DE). – Herr Präsident! Das Erdbeben vom
26.12. hat die Stadt Bam fast vollständig vernichtet. Das
Ausmaß der Zerstörung und das daraus resultierende
menschliche Leid hat uns alle zutiefst erschüttert. Bei
dieser Tragödie ist aber eines positiv zu verzeichnen: die
unmittelbar einsetzende, schnelle und umfassende Hilfe
aus der ganzen Welt inklusive der EU, ihrer
Mitgliedstaaten und auch aus den USA, die vom Iran
akzeptiert wurde; lediglich die Hilfe aus Israel wurde
nicht angenommen.
Danke in diesem Hause an die Kommission, die bereits
am 27.12. tätig wurde! Dies zeigt der iranischen
Regierung, aber vor allem auch der Bevölkerung, wie
groß die menschliche Solidarität mit ihnen ist,
unabhängig von den politischen Beziehungen zu diesem
Land. Und ich bin überzeugt, das ist auch eine Reaktion
darauf, dass der Iran in der wichtigen Frage der
Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zum nuklearen
Nichtverbreitungsvertrag
den
Erwartungen
der
Weltgemeinschaft gerecht geworden ist.
Und gleichwohl gibt es unsererseits noch viel Anlass zu
Kritik, z. B. bei der Menschenrechtssituation, obwohl
wir begrüßen, dass der Menschenrechtsdialog mit dem
Land in Gang gekommen ist. Ich habe selbst an der
letzten Sitzung in Brüssel teilgenommen, es war ein
offener Dialog, nicht nur zwischen der EU -Delegation
und der iranischen Seite, auch innerhalb der iranischen
Delegation. Aber bereits im vergangenen Herbst haben
wir seitens des Europäischen Parlaments unsere
Befürchtungen geäußert, dass vor den Wahlen im
Februar ein crackdown gegen reformorientierte
Parlamentarier stattfinden könnte. Und genau dazu ist es
Swoboda (PSE). – Herr Präsident, Herr Kommissar,
liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Namen der
Sozialdemokratischen Fraktion möchte ich unsere tiefe
Betroffenheit und unsere Solidarität mit der iranischen
Bevölkerung zum Ausdruck bringen.
Ein furchtbares Unglück hat nicht nur eine Region und
eine Stadt zerstört, sondern auch ein ganzes Land und
dessen Bevölkerung getroffen. Ich bin sehr froh – und
möchte das auch Herrn Kommissar Nielson sehr deutlich
zum Ausdruck bringen –, dass die Kommission, aber
auch Europa insgesamt, als Zeichen dieser Solidarität so
rasch und tatkräftig reagiert hat.
Ich glaube aber auch, dass es gerade angesichts dieser
furchtbaren Katastrophe für den Iran wichtig ist zu
zeigen, dass das Land geschlossen an seiner Zukunft
weiterarbeitet. Meine Fraktion und ich selbst sind sehr
besorgt, dass schon vor den Wahlen eine Vorauswahl
stattgefunden hat, die verhindert, dass die Wählerinnen
und Wähler selbst entscheiden. Denn der Sinn der
Demokratie – und der Iran ist sehr stolz auf seine
Demokratie – ist doch, dass die Wählerinnen und
Wähler selbst entscheiden, wer sie im Parlament
vertreten soll. Ich hoffe inständig, dass es im Iran noch
Möglichkeiten gibt, diese Vorentscheidung zu
korrigieren und der Bevölkerung vorzulegen, wer
kandidiert, und auch der Bevölkerung die Entscheidung
zu überlassen. Ich will jetzt gar nicht auf Reformkräfte
oder Nichtreformkräfte eingehen, sondern nur im Namen
meiner Fraktion klar und deutlich zum Ausdruck
bringen, dass die Bevölkerung entscheiden muss. Ich
glaube, niemand im Iran muss vor der Entscheidung der
Bevölkerung Angst haben. Diese ist wach und klug
genug, von sich aus eine Entscheidung zu treffen.
13/01/2004
Zweitens möchte ich sehr positiv erwähnen, dass der
Iran – nicht zuletzt aufgrund der Initiative einiger
europäischer Außenminister – das Zusatzprotokoll im
Rahmen der Internationalen Atomenergie unterzeichnet
hat. Ich verstehe auch manche Angst im Iran und
manches Bestreben, die neueste Nukleartechnologie zu
besitzen, ist es doch so, dass es einige Staaten in der
Umgebung des Irans gibt, die Nuklearwaffen besitzen
und auf dem Gebiet der Nukleartechnologie forschen.
Ich denke dabei an Indien, Pakistan und Israel. Nur wird
die Region nicht sicherer, wenn noch mehr Staaten
Atomwaffen besitzen. Wir sind ja generell für die
Abrüstung in allen diesen Ländern, und ich glaube, dass
der Iran gut daran tut, hier nicht weiter nach
Atomwaffen zu streben, sondern ein anderes,
vernünftigeres und – wenn man so will – ein
europäisches Sicherheitskonzept zu entwickeln.
In diesem Sinne werden wir sicherlich gerne bereit sein,
den Iran zu unterstützen. Ich weiß, dass der Iran
durchaus
positive,
konstruktive
Beiträge
zur
Regionalentwicklung leistet, ich weiß das vom Libanon.
Es scheint auch im Irak so zu sein. Ich würde es mir
natürlich auch hinsichtlich Israel und Palästina
wünschen. Als einer, der immer wieder die israelische
Regierung kritisiert, bin ich dennoch der Meinung, dass
alle Länder in dieser Region und darüber hinaus ihren
Beitrag dazu liefern sollen, dass es zum Friedensprozess
im Nahen Osten kommt.
In diesem Sinn bekunde ich abschließend noch einmal
die Solidarität meiner Fraktion mit der iranischen
Bevölkerung, richte aber auch die Bitte und das
Ersuchen an den Rat, im Interesse des Iran selbst mehr
zu tun, um die Demokratie und die Menschenrechte voll
zur Entfaltung zu bringen.
2-194
VORSITZ: CATHERINE LALUMIÈRE
Vizepräsidentin
2-195
Malmström (ELDR).  (SV) Frau Präsidentin! Herr
Kommissar Nielson! Wir haben mit großer Bestürzung
die fürchterliche Nachricht vom Erdbeben in Bam
aufgenommen. Mitten in den Weihnachtsfeiertagen
waren auf den Fernsehbildschirmen die entsetzlichen
Bilder von toten und verletzten Menschen und
Tausenden verzweifelter Personen auf der Suche nach
ihren Angehörigen in einer in Schutt und Asche
liegenden Stadt zu sehen. Im Namen der Fraktion der
Liberalen und Demokratischen Partei Europas möchte
ich das iranische Volk in dieser schweren Stunde unseres
tief empfundenen Beileids und Mitgefühls versichern.
Natürlich sollte die EU auch weiterhin gemeinsam mit
den iranischen Behörden dazu beitragen, dass die
Betroffenen medizinische Betreuung, ein Dach über dem
Kopf und sonstiges Lebensnotwendiges erhalten. Ferner
sollten wir beim Wiederaufbau dieser schönen
historischen Stadt helfen.
Aber unsere Sorge um das iranische Volk und unsere
Solidarität mit ihm gilt auch seinem Zugang zu
61
Demokratie und Menschenrechten. In dieser Beziehung
ist die Fraktion der Liberalen und Demokratischen Partei
Europas sehr besorgt, denn es gibt hier noch viel zu tun,
da das iranische Regime alles andere als demokratisch
ist.
Ernsthafte
Übergriffe
gegenüber
Frauen,
Minderheiten, Oppositionellen und Andersdenkenden
gehören leider zum Alltag.
Wir sind äußerst beunruhigt über die neueste
Entwicklung und die Einmischung des Wächterrates in
die anstehenden Wahlen. Durch die Ablehnung
Tausender Kandidaten im ganzen Land – mehr als die
Hälfte aller insgesamt aufgestellten Personen – zeigt der
iranische Wächterrat erneut seinen Unwillen, das
iranische Staatssystem zu reformieren. Dabei klingt es
sehr hohl, wenn die Abgelehnten als ein Haufen
Krimineller bezeichnet werden, nur weil sie
beispielsweise Kontakt zu Gruppen unterhielten, die
dem Wächterrat missfallen. Mit dieser Logik wäre ein
Viertel der gegenwärtigen Gesetzgeber ebenfalls
kriminell.
Wenn der Iran sich irgendwann zu den demokratischen
Staaten zählen will, muss er anerkennen, dass politische
Legitimität vom Volk durch freie Wahlen erlangt wird
und nicht durch die willkürliche Auslegung des Willens
Gottes durch die Ayatollahs.
Ebenso wie alle anderen Völker will auch das iranische
Volk Demokratie und Menschenrechte. Wir von der
Fraktion der Liberalen und Demokratischen Partei
Europas appellieren an die iranische Führung, nicht in
die Wahlen einzugreifen, sondern die Aufstellung der
Kandidaten zuzulassen, damit die Wahlen so gerecht und
offen wie möglich durchgeführt werden können. In
diesem Zusammenhang möchte ich, wie auch meine
Kolleginnen und Kollegen, die Kommission zur
Verstärkung
und
Weiterentwicklung
des
Menschenrechtsdialogs mit dem Iran aufrufen, der mehr
als politischer Smalltalk werden muss. Wenn dieser
Dialog sinnvoll sein soll, muss er deutlich, beharrlich
und konsequent sein und regelmäßig ausgewertet
werden. Ich hoffe, dass es Ihnen, Kommissar Nielson,
gemeinsam mit Kommissionsmitglied Patten und Herrn
Solana gelingt, diesen Gesprächen neues Leben
einzuhauchen, auch als Teil der Bemühungen, den Iran
zur
Ratifizierung
und
Umsetzung
des
Atomwaffensperrvertrags zu bewegen.
2-196
Collins (UEN). – (EN) Frau Präsidentin, am
vergangenen Sonntag bin ich von einem offiziellen
Besuch irischer Parlamentsabgeordneter im Iran
zurückgekehrt. Im Rahmen dieses Besuchs trafen wir
mit Herrn Kharrazi, dem iranischen Außenminister, und
anderen Vertretern der Regierung und des Parlaments
zusammen, um generelle Fragen der aktuellen
Beziehungen zwischen der EU und dem Iran zu
diskutieren.
Die iranische Regierung und das iranische Parlament
haben gegenüber der EU und der internationalen
Gemeinschaft generell ihre Dankbarkeit für die
62
Unterstützung zum Ausdruck gebracht, die sie im
Hinblick auf den Wiederaufbau von Bam und die
Tausenden von Menschen der Region, die ihr Zuhause
verloren haben, erhalten haben. Bam wurde von einer
schrecklichen Tragödie heimgesucht, die Zehntausenden
von Menschen das Leben kostete und die Infrastruktur
dieser historischen Stadt völlig zerstörte.
Aus Sicht der EU stellt sich der Wiederaufbau im Iran
letztlich wie folgt dar: Es wird Monate und Jahre dauern,
bis die Stadt wieder aufgebaut ist und die Tausenden von
Menschen, die bei diesem furchtbaren Erdbeben alles
verloren haben, wieder zu einem normalen Leben
zurückgefunden haben werden. Ich fordere die
Regierungen der EU-Mitgliedstaaten und die
Europäische Kommission dringend auf, langfristig
finanzielle Hilfe bereitzustellen, um die iranische
Regierung bei ihren Bemühungen um den Wiederaufbau
zu unterstützen.
Die Europäische Union hat in den letzten Jahren über
200 Millionen Euro für den Wiederaufbau in
Afghanistan bereitgestellt. Sie muss beschließen, die
iranische Regierung für eine Reihe von Jahren finanziell
zu unterstützen, um zu gewährleisten, dass beim
Wiederaufbau von Bam die grundlegenden Erfordernisse
in Bezug auf die soziale Infrastruktur und die Bildung
gebührend berücksichtigt werden. Eine kurzfristige
finanzielle Hilfe reicht einfach nicht aus. Das Land ist
auf eine langfristige finanzielle Unterstützung
angewiesen, und die Regierungen der EU-Länder
müssen die politischen Weichen für eine umfassende
finanzielle Unterstützung der iranischen Regierung
stellen.
Ganz abgesehen davon, bin ich der Meinung, dass der
politische Dialog zwischen der Europäischen Union und
der iranischen Regierung wieder anlaufen sollte. Wir alle
wissen um die Schwierigkeiten, die der Standpunkt der
iranischen Regierung in Bezug auf die Einhaltung des
Atomwaffensperrvertrags
der
internationalen
Gemeinschaft bereitet. Die iranische Regierung hat
jedoch Protokolle zu diesem Vertrag unterzeichnet, was
wir begrüßen. Zwischen der EU und der iranischen
Regierung sollten Verhandlungen im Hinblick auf eine
Vereinbarung über Handel und Zusammenarbeit
aufgenommen werden, und es sollte ein strukturierter
politischer Dialog zwischen unseren jeweiligen Partnern
in Angriff genommen werden.
Die Entwicklung enger Beziehungen zwischen der
Union und dem Iran – in dem 70 Millionen Menschen
leben – sollte auf der Grundlage des Dialogs und der
Konsultation erfolgen und nicht auf der Basis von
politischen Vermutungen, Vorurteilen und Zwängen.
Die Absätze 6, 7, 8 und 9 der Entschließung haben
meine
uneingeschränkte
Unterstützung.
Die
Entscheidung, dass Bürger daran gehindert werden
sollen, bei den Wahlen zu kandidieren, ist äußerst
schockierend. Das können wir nicht akzeptieren. Ich bin
sicher, Ajatollah Chamenei wird diese Entscheidung
13/01/2004
zugunsten all jener, die dem Land Frieden und Reformen
bringen wollen, rückgängig machen, wie es sich gehört.
2-197
Pannella (NI). – (IT) Frau Präsidentin! Ich gratuliere
dem Kollegen, der seine Redezeit überschritten hat, denn
ich halte es für gut, sich über unnötige Restriktionen
hinwegzusetzen.
Zunächst möchte ich unser Befremden, unsere
Empörung sowie unsere Entschlossenheit zum Ausdruck
bringen, gegen eine Mehrheit der gewählten
Abgeordneten im derzeitigen iranischen Parlament zu
kämpfen, die zuvor nicht – sozusagen – von der Wahl
ausgeschlossen worden sind und die unter dem
Vorwand, dass ihnen aufgrund der fundamentalistischen
Übermacht der Ajatollahs die Hände gebunden waren,
seit 1997 eine regelrecht infame Politik praktiziert
haben. Das Problem ist, dass dieser Iran – der nicht
ausgeschlossenen Wahlbewerber und Abgeordneten –
ein Iran ist, der hinsichtlich der Zahl von Hinrichtungen
weltweit an zweiter Stelle hinter der Volksrepublik
China liegt. In dem Iran von Präsident Khatami werden
offiziellen Angaben zufolge nicht nur Frauen und
Männer weiterhin zum Tode durch Steinigung verurteilt,
sondern am 3. Februar 2003 hat Ajatollah Mahmoud
Hashemi-Shahrudi seinem Kollegen Chris Patten
gegenüber geäußert, der Iran sehe gegenwärtig keine
Alternative zur Verurteilung zum Tode durch Steinigung
vor, und das hat er uns gegenüber erklärt!
Selbstverständlich ist es, wenn ich das sagen darf, eine
grobe Verletzung der Demokratie, diese – als
reformorientiert bezeichneten – Kandidaten, daran zu
hindern, gewählt zu werden; was mich allerdings mit
Sorge erfüllt, ist, dass sie, wenn sie gewählt werden, sich
weiter mit Steinigungen, ungerechten Todesstrafen und
einem scheinheiligen gemäßigten Kurs abfinden werden.
Wir in Europa unterstützen Khatami, der Steinigungen
und noch mehr zulässt, während wir uns, liebe
Kolleginnen und Kollegen, darüber empören, dass in
Nigeria – wo es mehr als nur einen Hauch von
Demokratie gibt – die Gefahr bestand, dass eine Frau
gesteinigt wird, die einen Einzelfall darstellte und auch
ein Einzelfall geblieben ist.
Ich möchte also diejenigen, die den vorliegenden
Entschließungsantrag eingereicht haben, lediglich um
die Annahme einer Art mündlichen Änderungsantrags
bitten, wonach Zahlen von Todesurteilen und
Hinrichtungen mit aufgenommen und unser Wunsch
zum Ausdruck gebracht werden soll, die zum Tode
Verurteilten mögen nicht hingerichtet werden. Ich hoffe,
dass wir morgen entweder 32 Unterschriften sammeln
können oder den mündlichen Änderungsantrag
annehmen werden.
2-198
De Keyser (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr
Kommissar! Innerhalb von wenigen Wochen wurde Iran
von zwei Erschütterungen verheerenden Ausmaßes
heimgesucht. Die erste, das Erdbeben in Bam, forderte
40 000 Opfer. Die zweite, die politischen Charakter
trägt, hindert über 3 000 Personen daran, bei den am 20.
13/01/2004
Februar stattfindenden Wahlen zu kandidieren. Ist es
unangebracht, diese beiden Ereignisse, von denen das
eine eine Naturkatastrophe ist und das andere ganz
einfach eine politisch-religiöse Attacke, miteinander zu
vergleichen? Ich meine nicht.
Die Katastrophe von Bam hat die ganze Welt bewegt.
Die Europäische Union hat ihrerseits bereits humanitäre
Hilfe im Wert von 2,3 Millionen Euro freigegeben und
plant weitere Hilfsprojekte. Diese Maßnahmen zur
Linderung des Leids der Opfer, die Ausdruck unserer
Solidarität mit allen Menschen im Iran sind, haben
unabhängig von sonstigen Ereignissen unsere
uneingeschränkte Unterstützung.
Die Welt ist jedoch bestürzt darüber, dass 3 000
Vertreter der Reformbewegung daran gehindert werden
sollen, bei den bevorstehenden Parlamentswahlen zu
kandidieren. Im Vertrauen auf den von der iranischen
Regierung eingeleiteten Demokratisierungsprozess hat
Europa in bilateralen Verhandlungen Fortschritte erzielt,
und es zeichneten sich bereits Vereinbarungen am
Horizont ab. Natürlich steht es uns nicht zu, einem Land
eine bestimmte Politik zu diktieren oder uns in dessen
innere Angelegenheiten einzumischen, aber wir behalten
uns das Recht vor, uns unsere Freunde selbst
auszusuchen, Freunde, mit denen wir zusammenarbeiten
wollen und die unser Vertrauen genießen.
Wenn für die derzeitige Krise keine gerechte Lösung
gefunden werden kann, die für das iranische Volk als
Ganzes annehmbar ist, dann hat das keine Auswirkungen
auf die humanitäre Hilfe, aber es wird sich massiv und
dauerhaft auf die Beziehungen zwischen dem Iran und
der Europäischen Union auswirken. Das wäre eine
weitere Katastrophe mit unabsehbaren Folgen.
63
Es überrascht nicht, dass eine humanitäre Katastrophe
zur Weihnachtszeit eine so große Welle der
Hilfsbereitschaft bei den Bürgern in Europa ausgelöst
hat. Aber in dieser Debatte sollte auch auf die
vergessenen Krisenfälle verwiesen werden, die in den
Medien oder der Öffentlichkeit nicht dieselbe
Aufmerksamkeit finden. Dazu zählen Angola, wo der
Aufruf der UNO lediglich die Hälfte der benötigten 300
Millionen erzielen konnte, oder Mosambik, wo bisher
12 % der lediglich 1,6 Millionen, die benötigt werden,
zur Verfügung stehen, oder Sambia, wo nur 10 % der
benötigten Summe aufgebracht werden konnten. Herr
Kommissar, wir brauchen heute zumindest Ihre
Zusicherung, dass keine der für den Iran bereitgestellten
Mittel von diesen Ländern abgezogen werden, in denen
ebenfalls Menschenleben gefährdet sind.
Die Entschließung enthält zu Recht die Aufforderung an
den Iran, sich als Gegenleistung für unsere internationale
Solidarität für Menschenrechte und demokratische
Normen einzusetzen. Das vom iranischen Wächterrat
beschlossene Verfahren zur Überprüfung der Kandidaten
für die Wahlen widerspricht diesen Normen. Natürlich
ist es nicht unsere Absicht, Bedingungen an unsere Hilfe
zu knüpfen, aber wir schließen uns dem Wunsch der
zahlreichen Iraner an, die gerettet wurden und die freie
und gerechte Wahlen in ihrem Land fordern und
erwarten.
2-200
Nielson, Kommission.  (EN) Frau Präsidentin, eingangs
möchte ich Herrn Howitt versichern, dass wir keine der
für Angola, Sambia und die anderen genannten Länder
bestimmten Mittel für den Iran abziehen werden.
Verwaltungstechnisch ist das für
dramatische oder schwierige Situation.
ECHO
keine
2-199
Howitt (PSE). – (EN) Frau Präsidentin, zunächst sollten
wir dem Kommissar und ECHO zu der geleisteten Hilfe
gratulieren. Häufig wird in unfairer Weise Kritik an der
von der EU bereitgestellten Hilfe geäußert, und
sämtliche uns aus dem Iran erreichenden Berichte deuten
darauf hin, dass die von der Europäischen Union
innerhalb von 72 Stunden im Rahmen eines Beschlusses
aufgrund absoluter Dringlichkeit zur Verfügung
gestellten 2,3 Millionen Euro sowohl dankbar
angenommen als auch gezielt eingesetzt wurden. Trotz
der Schwere der Verluste konnten von den über
eintausend Such- und Rettungsteams eintausend
Menschenleben gerettet werden, und dieses Parlament
sollte dem Leiter des UNO-Teams in Bam zustimmen,
der den Einsatz als den besten Katastropheneinsatz, den
er im Verlaufe von 20 Jahren erlebt hat, beschrieb.
Wenn wir von Süd-Süd-Unterstützung sprechen, sollten
wir gleichzeitig den Iranischen Roten Halbmond dazu
beglückwünschen, dass es ihm gelungen ist, über 8 000
Einsatzkräfte und ungeachtet dessen, was Robert KilroySilk in Großbritannien sagte, die arabischen Länder zu
mobilisieren, die 400 Millionen für den Wiederaufbau
von Bam angeboten haben.
Ich habe die politischen Bemerkungen in den
verschiedenen Beiträgen zur Kenntnis genommen.
Politisch bin ich ebenfalls der Meinung, dass es weitere
Katastrophen gibt. Vieles von dem, was in der
Aussprache gesagt wurde, stimmt mich zuversichtlich.
Insgesamt sind Versuche, den Dialog anzukurbeln, sehr
sinnvoll.
Es ist sehr wichtig, dass wir die humanitäre Hilfe auch
künftig von der Politik trennen. Wir werden mit den
iranischen Behörden erörtern, wie der Zugang für alle
Einsatzkräfte gewährleistet, wie die Visapflicht für die
verschiedenen im Einsatz befindlichen NRO sowohl
jetzt als auch in den nächsten Monaten aufgehoben und
wie ein normaler Zugang zugunsten der Opfer und
anderer im Land gesichert werden können. Das sind
einige der Punkte, die wir im Rahmen der Erbringung
der humanitären Hilfe ansprechen werden.
Wir werden den politischen Dialog mit dem Iran – den
anderen wichtigen Punkt in der Debatte am heutigen
Nachmittag – im Rahmen der verschiedenen
bestehenden Möglichkeiten aufnehmen und verfolgen.
Ich möchte nochmals betonen, dass wir die beiden
Bereiche voneinander trennen müssen, um uns nicht in
64
13/01/2004
Widersprüche zu verstricken, denn bisweilen stehen wir
vor noch schwierigeren Situationen, in denen es noch
wichtiger ist, dass wir uns nur an das humanitäre Mandat
halten.
Ich begrüße, was während der Aussprache gesagt wurde.
Wie Herr Howitt ganz richtig feststellte, zeigt dieser
Fall, dass wir jetzt – nach den in den letzten Jahren
vorgenommenen verwaltungspolitischen Änderungen –
in der Lage sind, rasch zu reagieren.
2-201
Die Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Kommissar.
Die Aussprache ist geschlossen.
Ich habe zum Abschluss der Aussprache sechs
Entschließungsanträge erhalten.1
Die Abstimmung findet am Donnerstag statt.
2-202
Thunfisch
natürlich die Aussprache völlig zerrissen wird. Ich werde
bis 17.00 Uhr sprechen, und ich hoffe, dass Sie
zumindest den Berichterstatter in Ruhe reden lassen, da
ich glaube, dass für die Antwort des Kommissars keine
Zeit mehr bleibt. Er wird um 21.00 Uhr das Wort
ergreifen müssen. Auf jeden Fall halten wir Mitglieder
des Ausschusses für Fischerei dies nicht für gut und
erwarten, dass sich dies künftig bei uns nicht wiederholt.
Vielen Dank.
Meine Fraktion hatte um diesen Bericht ersucht, da sie
der Ansicht ist, dass der Ausschuss für Fischerei endlich
seine ganze Aufmerksamkeit auf die Untersuchung und
Analyse bestimmter Fischfangarten, ihre Situation, ihre
Funktionen, ihre Probleme und ihre Zukunft richten
muss. Dies könnte für verschiedene Fischfangarten getan
werden, aber wir haben beschlossen, mit dem
Thunfischfang zu beginnen, und zwar aus dem einfachen
Grund, dass diese Art, sowohl in Bezug auf ihren Fang
als auch auf ihre Verarbeitung und Vermarktung, auf
unserem Planeten am stärksten globalisiert ist. Das
bedeutet, dass mächtige Interessen und komplizierte
Probleme auf internationaler Ebene im Spiel sind.
2-203
Mitteilung des Präsidenten
2-204
Die Präsidentin. – Nach der Tagesordnung folgt der
Bericht (A5-0412/2003) von Herrn Varela SuanzesCarpegna im Namen des Ausschusses für Fischerei über
die Thunfischflotte und die Thunfischindustrie: Lage
und Zukunftsperspektiven in der EU und weltweit
(2003/2017(INI)).
Bevor ich Ihnen das Wort erteile, Herr Varela, muss ich
Ihnen mitteilen, dass wir gemäß der von der Konferenz
der Präsidenten aufgestellten Tagesordnung die
Aussprache genau um Punkt 17.00 Uhr unterbrechen
müssen, um dem Vertreter der Kommission das Wort für
die Mitteilung über Dienstleistungen im Binnenmarkt zu
erteilen.
Da die Tagesordnung eine sehr präzise Zeitplanung
vorsieht und die Mitteilung für exakt 17.00 Uhr
vorgesehen ist, müssen wir die Aussprache zu Herrn
Varelas Bericht unterbrechen. Die Aussprache wird nach
der Mitteilung der Kommission fortgesetzt.
2-205
Varela Suanzes-Carpegna (PPE-DE), Berichterstatter.
– (ES) Frau Präsidentin, ich bitte Sie, mir nicht die Zeit
für das anzurechnen, was ich jetzt sagen werde, da ich
im Namen aller meiner Kolleginnen und Kollegen einen
kleinen Protest angesichts dieser Situation vorbringen
will. Es ist nicht Ihre Schuld, Frau Präsidentin, das weiß
ich, aber es handelt sich um eine ärgerliche Situation, da
die Aussprache zunächst für den Vormittag vorgesehen
war, dann wurde sie auf den frühen Nachmittag
verschoben, und nun hat man sie für den Abend
gelassen, und das passiert uns in der Fischerei häufig.
Ich bitte darum, dass sich dies nicht wiederholt, da damit
1
Siehe Protokoll.
Beim Thunfisch gibt es eine ganz klare
Wechselbeziehung zwischen Flotte und Industrie, und
die Rolle der Europäischen Union ist von grundlegender
Bedeutung, da wir für diese Art den größten Markt der
Welt haben, und auch unsere Flotte die weltweit größte
ist. Der Thunfisch macht 60 % der Gesamtproduktion an
Fischkonserven aus, wobei die Europäische Union
gegenwärtig – mit einer Produktion von ca. 400 000
Tonnen Thunfischkonserven – der bedeutendste
Produzent weltweit ist. Dies schafft eine große Zahl von
Arbeitsplätzen – die zudem stark lokal begrenzt sind – in
Küstenregionen in Randlage, die in hohem Maße von
der Fischerei abhängig sind. Was die konkreten Zahlen
anbelangt, so verweise ich auf meinen Bericht.
Mit ihm beabsichtigen wir, eine technische und
politische Überlegung zur Gesamtheit des Sektors,
sowohl des Fischfangs als auch der Verarbeitung,
anzustellen, seine Stellung in der Europäischen Union
und in der Welt zu analysieren, um Schlussfolgerungen
zu ziehen, die wir der Kommission und dem Rat zur
Erhöhung von Bewusstsein und Sensitivität in Bezug auf
diese bedeutende Industrie zuleiten werden, und
schließlich eine Reihe von konkreten Maßnahmen für
einen besseren Schutz des Sektors vorzuschlagen.
Wir haben mit der Definition der Arten begonnen, auf
die der Bericht gerichtet ist, der sich im Wesentlichen
auf die tropischen Thunarten konzentriert, die 90 % der
von der Konservenindustrie verarbeiteten Menge
ausmachen. Wir setzen uns für den Schutz einer
nachhaltigen und verantwortungsvollen Fischerei als
Basis für ihre Zukunft ein. Wir verteidigen eine
Fischerei, die sich gegenüber den anderen Arten, wie
zum Beispiel den Delphinen, respektvoll verhält. So
unterstützen wir die Dolphin-Safe-Kennzeichnung des
APICD, der zwischenstaatlichen Organisation, der die
Europäische Union angehört; wir fordern Transparenz
und Klarheit für die Verbraucher; wir bekämpfen die
13/01/2004
illegale Befischung – IUU –, die Billigflaggen, die ihr
Unterschlupf gewähren, und wir unterstützen die
regionalen Fischereiorganisationen und die Rolle der
Kommission in diesen Organisationen, wir setzen uns
für die Schaffung weiterer neuer Organisationen ein und
fordern auch die Aufrechterhaltung und Erweiterung des
Netzes von internationalen Thunfischfangabkommen auf
Grund des stark wandernden Charakters dieser Arten
und der Garantie, die diese internationalen
Fischereiabkommen für eine verantwortungsvolle
Fischerei gegenüber den privaten Abkommen darstellen.
Ich glaube, dass der im Ausschuss für Fischerei erreichte
Konsens, bei dem der Berichterstatter Änderungsanträge
von allen Fraktionen annahm und konkrete
Kompromisse vorschlug, die aufgenommen wurden, wie
es bei der Unterstützung für die Änderungsanträge der
Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz der Fall
war, unser aufrichtiges Interesse an der Unterstützung
eines Fischfangs zeigt, der sowohl ökologisch als auch
wirtschaftlich und sozial nachhaltig sein muss. Ich danke
allen Abgeordneten für ihre Mitwirkung.
Wenn wir den Bericht inhaltlich grob zusammenfassen,
dann fordern wir Hilfe für die Gemeinschaftsflotte,
damit sie in der globalisierten Welt des Thunfischs nicht
an Wettbewerbsfähigkeit verliert, wir setzen uns für ein
spezifisches Register für diese Flotte ein, die nach der
Reform der Fischereipolitik ohne strukturelle Beihilfen
dastehen wird. Ihr müssen Anreize gegeben werden, die
Gemeinschaftsflagge zu behalten und den Versuchungen
des Anschlusses an die Billigflaggen zu widerstehen; es
muss eine von den jeweiligen RFO autorisierte
Registrierung erfolgen, und die illegale Fischerei und die
Anlandungen dieser Flotten müssen wirksam überwacht
werden, um den unlauteren Wettbewerb zu stoppen.
Dazu wird eine spezifische Einheit in der GD Fischerei
für weit wandernde Arten mit ausreichenden Mitteln und
dem erforderlichen Personal gefordert, um jederzeit die
europäischen Interessen in diesen Foren zu vertreten.
Wir ersuchen die Kommission auch, einen spezifischen
Beratenden Ausschuss für tropische Thunarten zu
schaffen.
Was unsere bedeutende Konservenindustrie anbelangt,
so fordern wir einen stabilen Rechtsrahmen, der ihr die
Möglichkeit gibt, ihre Tätigkeit besser zu planen und
ihre Investitionen besser zu schützen. Und wir erheben
dieselben Forderungen für die Gemeinschaftsindustrie
wie für jene, die ihre Erzeugnisse zu unseren Märkten
exportiert, um unter gleichen Voraussetzungen auf
einem stark liberalisierten Gemeinschaftsmarkt, der mit
Konzessionen für Drittländer, vor allem aus Südostasien,
weiter geöffnet wird, konkurrieren zu können. Dazu
fordern wir auch die Schaffung eines Netzes von
europäischen Referenzlabors, um die Qualität der
Produkte und die technisch-hygienischen Bedingungen
zu überwachen, auf welche die in der Europäischen
Union geltenden strengen Ursprungsregeln für Waren
anzuwenden sind.
65
Angesichts der Globalisierung des Thunfischmarkts
stehen wir vor sehr komplizierten Fragen, die eine
ständige und vorrangige Aufmerksamkeit erfordern, wie
es
bei
der
Rohstoffversorgung
der
Gemeinschaftsindustrie der Fall ist, weshalb wir eine
neue Studie über den wirklichen Versorgungsbedarf
beantragen, die es der Gemeinschaftsverwaltung erlaubt,
zu jedem Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen zu
treffen.
Unser Bericht, Herr Kommissar, soll der Kommission
helfen, richtig zu handeln. Deshalb ersuchen wir um
konkrete Dinge, zum Beispiel um einen spezifischen
Aktionsplan, einen globalen Rahmen für die strukturelle
Unterstützung, einen Plan zum Schutz gegenüber
Drittstaaten und zu diesem Zweck die Schaffung von
Einheiten und beratenden Ausschüssen, wie ich gerade
in meiner Rede gesagt habe. Dies ist also unsere
Meinung, es ist die Meinung des Europäischen
Parlaments; wir hoffen, dass die Europäische
Kommission dafür empfänglich ist und entsprechend
handelt. Von Seiten des Europäischen Parlaments haben
wir unsere Arbeit begonnen, und von jetzt an werden wir
die Erfüllung unserer Forderungen verlangen.
2-206
Die Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Varela. Ich habe
Ihren Protest nach der Ankündigung, dass diese
Aussprache unterbrochen werden muss, natürlich
sorgfältig zur Kenntnis genommen. Ich kann Ihnen auch
versichern, dass die Zeit, die Sie gebraucht haben, um
Ihren legitimen Protest zum Ausdruck zu bringen, nicht
auf Ihre Redezeit angerechnet wird. Damit gibt es also
kein Problem. Da Kommissar Bolkestein noch immer
nicht eingetroffen ist, freue ich mich, Kommissar
Fischler das Wort zu erteilen, damit er sofort auf Ihre
Ausführungen eingehen kann.
2-207
Fischler, Kommission.  Frau Präsidentin, meine sehr
geehrten Damen und Herren Abgeordneten, meine sehr
geehrten Damen und Herren! Zunächst herzlichen Dank
Ihnen, Herr Varela, für Ihren ausgezeichneten
Initiativbericht. Ich teile weitgehend Ihre Analyse
hinsichtlich der Lage des Thunfischsektors. Ich glaube,
alle Akteure – angefangen von den Fischern bis hin zur
verarbeitenden
Industrie
–
bilden
in
der
Thunfischbranche eine Kette, und die ist bekanntlich nur
so stark wie das schwächste Glied.
Aus Sicht der Kommission sind drei Dinge besonders
wichtig, um die Interessen der Thunfischbranche zu
unterstützen. Erstens brauchen wir auch in Zukunft
Zugang zu Thunfischbeständen in Gewässern von
Drittstaaten. Zweitens müssen wir die Interessen der
Thunfischbranche im Rahmen unseres Mandats in den
regionalen Fischereiorganisationen wahrnehmen, und
drittens wollen wir unsere Marktpolitik dafür
heranziehen, ein Sicherheitsnetz für die Betroffenen zu
bilden.
Was den Zugang zu den Thunfischbeständen in
Gewässern von Drittstaaten betrifft, so kann unsere
Fischereiindustrie nur gewinnen durch die neue Form
66
der Partnerschaftsabkommen, die auch das Parlament
unterstützt. Sie regen in Ihrer Entschließung eine Studie
über den Thunfischsektor an. Die Kommission erstellt
gerade eine Art Rahmenvertrag für die Bewertung des
jeweiligen Thunfischkapitels in den einzelnen
Fischereiabkommen und ich möchte Ihre Anregung in
diesem Rahmen gerne aufnehmen.
Was die regionalen Fischereiorganisationen betrifft, so
kann ich nur bestätigen, dass es mein Anliegen ist, die
Gemeinschaftsinteressen
im
Rahmen regionaler
Fischereiorganisationen im Sinne einer nachhaltigen
Fischerei zu stärken. Dabei verfolgen wir mehrere
Prioritäten,
die
mit
denen
des
Parlaments
übereinstimmen. Erstens, wir wollen auch die illegale
Fischerei bekämpfen, weil sie nichts anderes ist als
unlauterer Wettbewerb und ein Raubbau an den
Beständen. Unser Aktionsplan zur Bekämpfung der
illegalen und unregulierten Fischerei wurde ja auch vom
Parlament und vom Rat unterstützt. Er stellt für die
Kommission eine politische Priorität dar und wir haben
bereits in verschiedenen Fischereiorganisationen
entsprechende Initiativen eingebracht. Zweitens müssen
wir die Flottenkapazität an die Fischereimöglichkeiten
anpassen. Die Gemeinschaft kann nicht einen
aggressiven Ausbau der Flotten von Drittstaaten
akzeptieren, wenn gleichzeitig ihre eigene Flotte
Beschränkungen unterworfen ist. Drittens brauchen wir
eine mittel- und langfristige Strategie für die nachhaltige
Ressourcenbewirtschaftung. Auf unsere Initiative hin
wurden in einigen regionalen Fischereiorganisationen
mehrjährige Rahmenpläne verabschiedet. Beispiele sind
der Bewirtschaftungsplan für roten Thunfisch und
Schwertfisch
im
Atlantik
und
die
Kapazitätsbegrenzungen für die Thunfischfangflotte im
Indischen Ozean.
Damit zu den Marktfragen. Zunächst möchte ich
klarstellen, dass die Ausgleichszahlungen im Rahmen
der
Gemeinsamen
Marktorganisation
ein
Regulierungsinstrument für Krisensituationen bleiben
müssen
und
nicht
eine
Art
dauerhafte
Interventionsregelung werden können.
Dann möchte ich daran erinnern, dass für
Thunfischimporte, die von der Gemeinschaftsindustrie
verarbeitet werden, eine autonome Zollaussetzung gilt.
Dagegen unterliegen Einfuhren von Thunfischkonserven
und Halbfertigwaren, wie etwa Thunfischfilets, einem
Zollsatz von 24 %. Das ist der höchste Zollsatz im
Fischereibereich und er gilt seit über 30 Jahren.
Außerdem werden Thunfischkonserven und -filets in
internationalen Verhandlungen als sensibles Erzeugnis
eingestuft. Daher sind auch nur wenige Handelslizenzen
dafür vergeben worden. Das Zusammenwirken zwischen
Gemeinschaftszoll und Handelspräferenzen hat die
Wettbewerbsfähigkeit der Thunfischbranche deutlich
gefördert.
Dann wissen Sie, dass die Gemeinschaft bereits jetzt die
Einfuhr von Erzeugnissen der illegalen Fischerei
verboten hat. Die Kommission legt großen Wert darauf,
dass hier multilateral vorgegangen wird. Deshalb halten
13/01/2004
wir uns auch an die Empfehlungen der regionalen
Fischereiorganisationen. Und wichtig ist zweitens, dass
wir
die
Ursprungsbestimmungen
und
die
Gesundheitsvorschriften
für
die
Einfuhr
diskriminierungsfrei anwenden. Die Kommission will
gern
weiter
wie
bisher
mit
dem Sektor
zusammenarbeiten, wenn es darum geht, Lücken im
veterinären
Kontrollsystem
aufzuzeigen.
Die
Verantwortung für die Kontrolle liegt allerdings primär
bei den Mitgliedstaaten.
Letzter Punkt: Die Etikettierung von Erzeugnissen soll
lautere Handelspraktiken gewährleisten. Dabei muss
man
zwischen
der
Verantwortlichkeit
der
Marktbeteiligten und der Zuständigkeit staatlicher
Behörden unterscheiden. Die Kommission will dieses
Thema demnächst erneut aufgreifen. Selbstverständlich
werden wir das Europäische Parlament und den
Thunfischsektor an unseren Überlegungen beteiligen.
Lassen Sie mich abschließend unterstreichen, dass die
Kommission den Dialog mit allen Interessensgruppen
sucht.
In
diesem
Sinne
halten
wir
Vorbereitungssitzungen zu den Verhandlungen über
Fischereiabkommen oder bei der Festlegung unserer
Standpunkte vor den Tagungen der regionalen
Fischereiorganisationen ab, an denen auch der Sektor
teilnimmt. Diese Arbeitsweise hat sich bestens bewährt.
2-208
Stevenson (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin, ich
hoffe, Sie werden mir nicht die Redezeit kürzen, wenn
ich mich dem Protest von Herrn Varela anschließe. Als
Vorsitzender des Ausschusses für Fischerei bin ich es
leid, dass unser Thema von heute auf morgen einfach
verschoben wird. Es stand für heute Vormittag auf der
Tagesordnung, und jetzt muss die Hälfte der
Ausschussmitglieder, die an der Aussprache teilnehmen
wollen, heute Abend zurückkommen. So kann man doch
keine Terminkalender organisieren.
Ich möchte dem Berichterstatter eingangs zu seinem
ausgezeichneten Initiativbericht gratulieren. Herr Varela
selbst hatte vorgeschlagen, dass der Ausschuss für
Fischerei eingehende Untersuchungen zu einigen der
wichtigsten Fischarten durchführt, und was wäre
angebrachter als mit Thunfisch, einer Art von globaler
Bedeutung mit einem Wert von über 2 Milliarden USDollar jährlich, zu beginnen. Die Produktion von
Thunfischkonserven beläuft sich weltweit auf über zwei
Millionen Tonnen pro Jahr, und auch der Handel mit
frischem Thunfisch floriert. Unser Ausschuss hat eine
Sonderanhörung zu diesem Problem durchgeführt, bei
der zahlreiche Vertreter der Branche zu Wort kamen.
Ferner hatte die Intergruppe „Nachhaltige Entwicklung“
im November in Brüssel ein Seminar über die
Thunfischflotte und -branche und deren Aussichten für
die Zukunft durchgeführt, auf dem sich internationale
Referenten aus ganz unterschiedlichen Bereiche
äußerten.
Ich möchte mich auf einen wichtigen Aspekt des
Berichts konzentrieren, und zwar das AIDCP, das
13/01/2004
Übereinkommen
über
das
Internationale
Delphinschutzprogramm,
das
die
EU
ebenso
unterzeichnet hat wie die USA sowie die meisten der
Thunfisch produzierenden Länder Zentral- und
Südamerikas. Das ist die zuverlässigste Methode, um zu
gewährleisten, dass beim Thunfischfang möglichst keine
Delphine gefährdet werden. Ich danke Herrn Varela
dafür, dass er das in seinem Bericht sehr gezielt
unterstrichen hat. Er stellt in seinem Bericht fest, dass:
„…der vom AIDCP eingeführte Schutz von Delphinen
bei der Wadenfischerei im Vergleich zu anderen
Systemen …einzigartig ist“. Dieser Analyse stimme ich
voll und ganz zu.
Eines dieser privaten Zertifizierungssysteme, das von
der kalifornischen NRO „Earth Island“ unterstützt wird,
beherrscht den Thunfischkonservenmarkt seit Jahren.
Schätzungen zufolge sind über 97 % aller in Europa
angebotenen Thunfischkonserven mit deren „Dolphinsafe“-Label gekennzeichnet. Dieses „Dolphin-safe“Label schließt jedoch nicht den Schutz von Schildkröten
und Haien ein. In ihrer jetzigen Form verursacht die von
„Earth Island“ propagierte Fischfangmethode den Tod
von unzähligen Schildkröten, Haien und anderen Arten.
Sie ist auch verantwortlich für den Tod Tausender
Jungfische der Art Gelbflossenthun, die tot in das Meer
zurückgeworfen werden, weil sie ihr Marktgewicht noch
nicht erreicht haben.
Ich begrüße die Tatsache, dass Herr Varela mit seinem
Bericht das AIDCP-Kennzeichen unterstützt, und hoffe,
die Kommission wird sich nachdrücklich dafür
einsetzen, dass ausschließlich dieses Kennzeichen auf
den in der EU angebotenen Thunfischkonserven
verwendet wird.
2-209
Miguélez Ramos (PSE). – (ES) Frau Präsidentin, ich
bedauere, dass der Bericht, den wir heute Nachmittag
diskutieren, da es sich um einen Initiativbericht handelt,
nicht das entsprechende Legislativverfahren in der
Kommission durchläuft und der Ministerrat sich nicht
dazu äußern wird.
Meiner Meinung stellt er die Probleme, unter denen die
Thunfischflotte
der
Gemeinschaft
sowie
ihre
Verarbeitungsindustrie leiden, in hervorragender Weise
dar. Tatsache ist – das haben wir viele Male im
Ausschuss für Fischerei festgestellt –, dass der
Thunfisch das am stärksten globalisierte Segment des
Fischereisektors ist und dass die Nachfrage auf dem
Gemeinschaftsmarkt bei diesem Produkt – sowohl bei
frischem als auch bei verarbeitetem Thunfisch – höher
ist als die Liefermöglichkeiten der eigenen Flotte und
der eigenen Konservenindustrie.
Daher glauben wir, dass die von Herrn Fischler
eingegangene Verpflichtung wichtig ist, unseren
Thunfischsektor, unsere Flotte und unsere Konservenund Verarbeitungsindustrie genauso vorbehaltlos zu
schützen, wie die Regierungen von Drittstaaten
Aktionen zugunsten ihrer eigenen Fischereisektoren
fördern.
67
Auf diese Weise wird die Kommission das europäische
Sozialmodell und den wirtschaftlichen und sozialen
Zusammenhalt von Regionen wie meiner verteidigen,
die in hohem Maße von dieser Industrie abhängen. Wir
schließen uns den Worten des Berichterstatters, Herrn
Varela, an, wenn er von der Kommission fordert, eine
Strategie in Bezug auf den Thunfisch, zur Erhaltung der
am stärksten bedrohten Arten, wie des Roten Thuns, und
der anfälligsten Fanggründe auszuarbeiten. Wir wollen,
dass der Fang und die Vermarktung auf der Grundlage
von nachhaltigen und umweltgerechten Kriterien sowie
der Grundsätze der Nahrungsmittelsicherheit erfolgen
und das folglich Kontrollmechanismen an den Grenzen
festgelegt werden, damit die importierten Produkte die
gleichen phytosanitären Garantien bieten wie die unserer
eigenen Flotte und Industrie.
Diese Gemeinschaftsstrategie, um die wir die
Kommission ersuchen, ist umso dringender erforderlich,
wenn wir die Verwundbarkeit unseres Sektor gegenüber
einem möglichen unlauteren Wettbewerb und die
Unsicherheit von vielen Tausenden Arbeitsplätzen
unserer Industrie bedenken, von denen die meisten durch
Frauen besetzt sind.
Wir drängen daher die Kommission, auf internationaler
Ebene weiterhin Druck auszuüben, damit die Grundsätze
dieser verantwortungsvollen Fischerei eingehalten
werden, und die Kontrollen und die Inspektion weiter zu
fördern, aber wir erwarten, dass beim Thunfisch nicht
das geschieht, was wir bei anderen Gelegenheiten erlebt
haben: dass das, was Penelope Fischler in der Nacht
webt, von Penelope Lamy am Tage wieder aufgeräufelt
wird.
Wir erwarten deshalb, dass sich die uns heute von
Kommissar Fischler dargelegten Kriterien auch
durchsetzen.
2-210
McKenna (Verts/ALE). – (EN) Frau Präsidentin, Herrn
Varelas Bericht befasst sich mit einer sehr wichtigen und
interessanten Thematik – der Thunfischindustrie. Ich
möchte ihm ebenfalls dafür danken, dass er zahlreiche
der von der Fraktion Verts/ALE vorgelegten Vorschläge
aufgegriffen hat.
Viele Lehren lassen sich aus der Art und Weise ziehen,
in der der Thunfischfang geregelt wird. So haben
beispielsweise regionale Gremien für die Regulierung
des Thunfischfangs wie die ICAT erhebliche Fortschritte
im Kampf gegen den Fischfang durch unter Billigflagge
fahrenden Schiffen erzielt. Ein weiteres Beispiel betrifft
den Pazifik, wo es der Regionalbehörde – IATTC –
gelungen ist, bestimmte Arten von Beifang, konkret
Delphine, erheblich zu senken. Und schließlich sind
verschiedene Thunfischbehörden dabei, Obergrenzen für
die Kapazität von Fischfangflotten festzulegen, denen
der Thunfischfang gestattet ist.
Die in Herrn Varelas Bericht erwähnten Initiativen sind
sehr gut, doch der Bericht bleibt eine Lösung der
68
verbleibenden Probleme schuldig. Das betrifft
insbesondere die Überfischung verschiedener Arten wie
des Großaugenthun und des Blauflossenthun sowie die
unvertretbar großen und eine Vielzahl von Arten
umfassenden
Beifänge
beim
Fischfang
mit
Fischsammelgeräten, der von den EU-Schiffen
bevorzugt wird. Meiner Ansicht nach ist eine
nachhaltige Fischereipolitik ohne Lösung dieser
Probleme nicht denkbar.
13/01/2004
müssen, und wenn für Erzeugnisse aus Drittländern nicht
die gleichen Anforderungen gelten, entsteht mit dem
unvermeidbaren Vordringen von Erzeugnissen mit
Preisen weit unter denen der europäischen Produkte auf
den
Gemeinschaftsmarkt
für
die
europäische
Thunfischfangflotte und -konservenindustrie ein unfairer
Wettbewerbsnachteil. Die große Gefahr ist der Verlust
von Arbeitsplätzen in einem in den letzten Jahren durch
eine besorgniserregende sozioökonomische Krise
ohnehin hart getroffenen Sektor.
2-211
Musumeci (UEN). – (IT) Frau Präsidentin, Herr
Kommissar Fischler, werte Kolleginnen und Kollegen!
Im Namen der Fraktion Union für das Europa der
Nationen möchte ich zunächst Herrn Varela zu seiner
ausgezeichneten Arbeit beglückwünschen. Meine
Fraktion unterstützt seinen Bericht selbstverständlich
uneingeschränkt.
Ich möchte zwei unseres Erachtens besonders heikle
Punkte hervorheben: die Verbrauchergesundheit sowie
die Beschäftigung im Fischereisektor und im Thunfisch
verarbeitenden Sektor. Nach jahrelangen Tests,
wissenschaftlichen
Analysen
und
Sachverständigengutachten wissen wir alle, dass der
Fischkonsum ansteigt: Fisch ist der Gesundheit
förderlich, der Verbrauch an Fischerzeugnissen – ob es
sich um frischen, geräucherten, gefrorenen oder
konservierten Fisch handelt – durch die europäischen
Bürger nimmt von Jahr zu Jahr zu, nicht zuletzt dank
verschiedener
wirksamer
Werbeund
Informationskampagnen.
Ebenso ist uns nur allzu bewusst, dass in Europa
hergestellte
Fischkonservenerzeugnisse
für
ihre
Vermarktung in den Mitgliedstaaten verschiedenen
Anforderungen, insbesondere den Hygiene- und
Gesundheitsvorschriften, genügen müssen. Im Hinblick
auf einen angemessenen Gesundheitsschutz des
Verbrauchers sollten die gleichen Auflagen auch für
Erzeugnisse aus Drittländern gelten, in denen die
einschlägigen Gesundheitsvorschriften leider oft zu
lasch bzw. in einigen Fällen sogar völlig inexistent sind.
Die in den Ziffern 8 und 10 des Entschließungsantrags
enthaltenen Forderungen nach einer Intensivierung der
Inspektionen von Erzeugnissen aus Drittländern – wie
sie im Übrigen bereits in der Richtlinie 493/91/EWG
vorgesehen sind – bzw. nach der notwendigen
Einrichtung eines Netzes von Referenzlabors auf
Gemeinschaftsebene zur Gewährleistung der Qualität,
der Unbedenklichkeit von Verarbeitungserzeugnissen
und des Verbraucherschutzes werden deshalb von uns
unterstützt und nachdrücklich bekräftigt.
Mit dem diffizilen Aspekt des Gesundheitsschutzes der
Verbraucher verbunden ist der – gleichermaßen wichtige
– Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit und mithin der
Beschäftigung im Thunfischfang und in der Thunfisch
verarbeitenden Industrie. Wenn im Hinblick auf einen
angemessenen Verbraucherschutz gewisse Auflagen
erforderlich sind, zu denen die vorerwähnten Hygieneund Gesundheitsvorschriften gehören und zu deren
Erfüllung umfassende Investitionen getätigt werden
Wir weisen darauf hin, dass infolgedessen alle
erdenklichen Anstrengungen unternommen werden
müssen, um durch Rechtsvorschriften und durch
wirtschaftliche Hilfe den in Frage stehenden Sektor zu
unterstützen, durch den Arbeitsplätze auch in anderen
Regionen des Mittelmeerraums, darunter Sizilien,
geschaffen werden, in denen der Fang und die
Verarbeitung des roten Thunfischs seit Jahrhunderten die
wirtschaftliche Stütze für einen beträchtlichen Teil der
erwerbstätigen Bevölkerung bildet.
Mit dieser Botschaft der Hoffnung wollen wir auch die
Gewissheit vermitteln, dass etwas Konkretes geschieht.
2-212
Souchet (NI). – (FR) Frau Präsidentin, dank des
ausgezeichneten Initiativberichts von Herrn Varela liegt
uns nunmehr ein Referenzdokument über eine Tätigkeit
vor, dessen Bedeutung von den Europäern häufig
unterschätzt wird, obwohl wir über den größten
Fischereisektor der Welt verfügen. Diese Tätigkeit bietet
sehr vielen Menschen sowohl in Europa als auch in den
Entwicklungsländern, mit denen uns internationale
Vereinbarungen verbinden und in die die europäische
Industrie sehr stark investiert hat, in direkter und
indirekter Form Arbeit.
Die von unserem Berichterstatter durchgeführte sehr
umfassende
Analyse
der
verschiedenen
Gemeinschaftspolitiken, die Einfluss auf diesen Sektor
haben, macht deutlich, dass wir von einer einheitlichen
Gesamtstrategie der Gemeinschaft zur Förderung der
Entwicklung dieser Tätigkeit noch weit entfernt sind. Im
Gegenteil, man möchte meinen, die Gemeinschaft
versuche nach Kräften, die eigene Thunfischflotte und
die eigene Verarbeitungsindustrie zu benachteiligen und
die Thunfischflotte und -industrie in Drittländern zu
bevorzugen.
So hat die Kommission zu einer Zeit, da weltweit der
unregulierte Fischfang unter Flaggen beträchtlich
zunimmt, die wenig Respekt für das internationale
Seerecht zeigen, vorgeschlagen, sämtliche öffentlichen
Beihilfen für Schiffsneubauten in Europa zu verbieten
und den Bau neuer Schiffe von der entschädigungslosen
Verschrottung alter Schiffe abhängig zu machen. Es hat
den Anschein, als wollten wir Schiffseignern in der
Gemeinschaft nahe legen, auf Flaggen von Drittländern
umzusteigen, für die sie sich normalerweise nicht
entscheiden würden.
13/01/2004
Ferner senken wir die Zollsätze für Thunfischkonserven
aus Drittländern beträchtlich, während wir unseren
eigenen Verarbeitern immer neue Auflagen erteilen,
ohne zu bedenken, welche Auswirkungen diese Zwänge
auf
die
Wettbewerbsfähigkeit
unserer
Verarbeitungsindustrie haben. Deshalb ist es an der Zeit,
diese Gemeinschaftspolitiken zu überprüfen, die die
Zukunft eines Sektors, der dennoch auf beispielhafte
Erfolge verweisen kann, gefährden. Wir dürfen nicht
zulassen, dass inkonsequente Politiken und das Fehlen
einer Gesamtvision sowie einer konkreten Strategie dem
Sektor potenziellen Schaden zufügen.
2-213
Lisi (PPE-DE). – (IT) Frau Präsidentin, Herr
Kommissar Fischler! Der Kollege Varela SuanzesCarpegna ist in der Tat zu seinem ausgezeichneten
Bericht zu beglückwünschen, dessen Zielrichtung und
Zielsetzungen, jedenfalls dem Kommissar zufolge, auch
die Zustimmung der Kommission finden. Dies ist
selbstredend tröstlich und ermutigend für uns. Das
Thema Fischfanggerät und ökologische Nachhaltigkeit
dieses so wichtigen Fischereisektors ist vorzüglich
behandelt worden, und es gibt noch zwei weitere
Aspekte, um deren Ausgewogenheit – und hier möchte
ich einen Appell an die Kolleginnen und Kollegen
richten – wir stets bemüht sein müssen.
Innerhalb des Fischereisektors ist die Thunfischindustrie
für die Europäische Union von großer Bedeutung; sie
umfasst zwei Sektoren: auf der einen Seite den Fang –
die in Gewässern innerhalb und außerhalb der
Europäischen Union operierenden Thunfischflotten –
und
andererseits
die
wichtige
Säule
des
Verarbeitungssektors, der Thunfisch europäischer
Herkunft, aber auch, wie in Erinnerung gebracht wurde,
Thunfisch hauptsächlich aus asiatischen und anderen
Meeren verarbeitet. Selbstverständlich müssen wir auf
die Sicherheit bedacht sein, insbesondere bei diesen
Produktionen, aber ebenso ist – und erfreulicherweise
vertrat hier auch der Berichterstatter die Auffassung, es
bestehe keine Veranlassung für ein übereiltes Vorgehen
– große Vorsicht in Bezug auf die Regelung betreffend
Zölle geboten. In dem vorliegenden Bericht wird eine
von der Kommission auszuarbeitende Studie, eine
Evaluierung, gefordert. Ich pflichte dem Kommissar bei,
dass das Präferenzsystem bis jetzt Ergebnisse erbracht
hat, während wir im Vergleich zu anderen Ländern einen
der höchsten Zollsätze haben. Die Aufrechterhaltung des
Gleichgewichts zwischen den beiden Pfeilern der
europäischen Fischindustrie – verarbeitender Sektor und
Thunfischflotten – stellt ein unverzichtbares Ziel dar,
dem unsere Aufmerksamkeit gelten muss.
Mit der für dieses Parlament kennzeichnenden Klugheit
– und Beweis dafür ist der vorliegende Bericht – wird es
uns meines Erachtens gelingen, beide Aspekte und
mithin eine stärker florierende und nachhaltigere
Thunfischindustrie in der Europäischen Union zu
gewährleisten.
2-214
Stihler (PSE). – (EN) Frau Präsidentin, Thunfisch zählt
zu den beliebtesten Fischarten in der EU wie auch zu
69
den kommerziell wertvollsten. Die meisten Menschen
kennen Thunfisch als Konserve. Frischer Thunfisch wird
jedoch immer populärer und ist in meinem Heimatland
Schottland problemlos erhältlich. Deshalb ist Absatz 11
der Entschließung so wichtig, denn dort wird gefordert,
dass der Verbraucher über den Ursprung des Produkts
informiert wird und auf dem Produkt vollständige und
wahrheitsgetreue Informationen über die Art der
Thunfischkonserve und die Zutaten angegeben sind. Wie
viele meiner Kollegen feststellten, ist die präzise
Kennzeichnung von Thunfisch, dessen Fang keine
Gefährdung für Delphine darstellt, wichtig, damit die
Verbraucher wissen, dass der von ihnen verzehrte
Thunfisch gefährdeten Arten keinen Schaden zufügt.
Hier besteht ein direkter Zusammenhang mit dem
jüngsten Vorschlag der Kommission in Bezug auf
Walbeifänge und den daraus resultierenden Schutz
dieser gefährdeten Arten.
Der Schutz von Delphinen und anderen Walarten liegt
den Menschen in meinem Wahlkreis, insbesondere
vielen Schülern, mit denen ich spreche, am Herzen.
Deshalb ist die Inspektion von Erzeugnissen aus
Drittländern wichtig, denn dabei geht es nicht nur um
gesundheitspolitische Fragen, sondern auch um die
Information der Verbraucher.
Dieser Bericht setzt sich für einen umweltbewussten
Thunfischfang ein, und ich begrüße ihn als eine
Grundlage für eine nachhaltige Fischereipolitik.
2-215
Parish (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin, darf ich
eingangs feststellen, dass ich Ihnen nicht persönlich die
Schuld gebe, aber viele Kollegen sind in der Aussprache
nicht zu Wort gekommen, weil sie den Saal verlassen
haben, während wir auf einen anderen Kommissar
warten. Kommissar Fischler hört unserer Aussprache
geduldig zu, und die Hälfte unserer Kollegen konnte
nicht daran teilnehmen. So kann man die Arbeit nicht
organisieren. Diese Aussprache sollte jetzt beendet und
die auf der Liste stehenden Personen sollten
zurückgerufen werden, damit sie ihren Beitrag halten
können. Bevor ich mich dem Berichterstatter zuwende,
möchte ich Sie bitten, die 38 Sekunden abzuziehen, die
ich eben gesprochen habe.
Ich möchte zunächst dem Berichterstatter für seinen
umfassenden Bericht danken. Viele seiner Argumente
sind sehr zu begrüßen. Besonders freut mich der
dringende Verweis darauf, dass die versehentliche
Tötung von Delphinen und anderen Arten beim
Thunfischfang vermieden werden muss. In meiner
Heimat im Südwesten werden außerdem viele tote
Delphine an Land gespült, die Opfer der ZweischiffSchleppnetzfischerei werden. Das ist also ein wichtiges
Problem.
Gefreut habe ich mich ebenfalls über die Forderung des
Berichterstatters, dass Erzeugnisse aus Drittländern in
Bezug auf Lebensmittelsicherheit und Qualität den
gleichen Normen wie unsere Erzeugnisse entsprechen
sollten. Das ist eine Sache, für die wir uns im Ausschuss
70
für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung im
Zusammenhang mit Agrarerzeugnissen konsequent
einsetzen. Für Fischereierzeugnisse sollten natürlich die
gleichen Auflagen gelten. Unsere Verbraucher haben ein
Recht auf sichere Lebensmittel, und Einfuhren aus
Drittländern müssen denselben hohen Anforderungen
genügen.
Kommissar Fischler erwähnte Abkommen mit
Drittstaaten. Derartige Abkommen bereiten mir immer
etwas Unbehagen, weil in der Realität von dem in vielen
der
neueren
Abkommen
vorgesehenen
Umweltschutzmaßnahmen wenig zu spüren ist. Was vor
der Küste von Afrika geschieht, ist weit mehr als nur
eine Ausbeutung der Gewässer. Meiner Ansicht nach
bedrohen wir die Existenz der einheimischen Fischer.
Jegliche Übereinkommen mit Drittstaaten müssen viel
besser überwacht werden, und wir müssen
gewährleisten, dass der Fisch sicher gefangen wird und
unsere Mittel sinnvoll ausgegeben werden.
Abschließend noch ein Wort zur Kennzeichnung der
Fänge als „thunfisch-freundlich“ oder der Erzeugnisse
als „delphin-freundlich“. Wir müssen sicher sein, dass
die Praktiken wirklich „thunfisch- und delphinfreundlich“ sind, dass beim Thunfischfang keine riesigen
Beifänge anfallen und dass die Bürger derartige
Produkte nicht kaufen, weil sie meinen, dass sie
umweltfreundlich und beifangfreundlich sind, obwohl in
Wahrheit gleichzeitig sehr viele Schildkröten, Haie und
Delphine ins Netz gehen. Das ist irreführend, und wir
müssen mit der Kennzeichnungen „freundlich“ sehr
vorsichtig umgehen.
2-216
Piscarreta (PPE-DE). – (PT) Frau Präsidentin, meine
Damen und Herren! In Anbetracht der kritischen
Situation in der Thunfischindustrie hat das Europäische
Parlament beschlossen, einen Initiativbericht vorzulegen,
um
sowohl
die
EU-Flotte
als
auch
die
Thunfischverarbeitungsbranche zu schützen. Durch
seine große Artenvielfalt ist Thunfisch eine kommerziell
und
sozioökonomisch
zu
einer
bedeutenden
Fischereiressource geworden und erzielt seit einiger Zeit
hohe Wachstumsraten. Dazu einige Zahlen: Thunfisch
macht 60 % der gesamten Fischkonservenproduktion in
der EU aus, und mehr als 40 000 Menschen sind direkt
in diesem Sektor beschäftigt. Die europäische
Thunfischflotte, in der Spanien, Italien, Frankreich und
Portugal die Spitzenpositionen einnehmen, weist die
weltweit höchste Produktion mit einem Anteil von 20 %
an den Gesamtfängen auf.
Diese gewerbliche Tätigkeit ist durch lange historische
Traditionen geprägt. Mit der Erstellung dieses Berichts
verfolgt das Parlament das alleinige Ziel, eine detaillierte
und eingehende Studie über die derzeitige Lage und die
Zukunftsperspektiven dieses Sektors zu fordern. Daher
stellt der Bericht zu Beginn zwei grundlegende
Probleme des Thunfischsektors in den Mittelpunkt: der
Verlust
der
Flotte
und
der
Branche
an
Wettbewerbsfähigkeit in der EU durch Einfuhren aus
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Drittländern sowie die nachhaltige Erhaltung und
Bewirtschaftung der Bestände.
Zugegebenermaßen sind diese Merkmale nicht nur auf
Thunfisch beschränkt; sie sind weit verbreitet und
betreffen fast alle Fischereiarten. Um sicherzustellen,
dass die EU den Sektor ohne Wenn und Aber unterstützt,
fordert dieser Bericht einen spezifischen Aktionsplan
und einen Rahmen für die strukturelle Unterstützung des
Thunfischsektors. Mit diesem Instrument soll die EU
verlangen, dass Produkte aus Drittländern die gleichen
Standards der Qualität und Lebensmittelsicherheit wie
Erzeugnisse aus der Gemeinschaft erfüllen.
Desgleichen fordert die Europäische Union erneut
regelmäßigere Inspektionen der Erzeugnisse, damit
gewährleistet ist, dass die Vorschriften für die
Konservierung vollständig eingehalten werden. Was die
Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen
anbelangt, so ist Thunfisch eine wandernde Art, die für
die illegale Fischerei in internationalen Gewässern
besonders interessant ist. Deshalb muss die EU die
Umregistrierung von EU-Schiffen in Billigflaggenländer
verhindern. Außerdem müssen die Kapazitäten der
Fischereiflotte wirksamer an die verfügbaren Ressourcen
angepasst werden. Abschließend möchte ich diese
Gelegenheit nutzen und dem Berichterstatter, Herrn
Varela Suanzes-Carpegna, Anerkennung für seine
ausgezeichnete Arbeit zollen, die mit Sicherheit in
positiver Weise zur Klärung der Zukunftsperspektiven
dieses Sektors beitragen wird.
2-217
Nicholson (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin, ich
nehme an, dass diejenigen von uns, die geblieben sind,
Kommissar Bolkestein für seine Verspätung dankbar
sein können. Zumindest brauchen wir nicht nach 21.00
Uhr zurückzukommen. Ich bin sicher, dass das auch
Kommissar Fischler freuen wird. Dennoch sollte so
etwas in diesem Haus nicht passieren, und wir sollten
unsere Aussprachen effizienter organisieren.
Ich begrüße diesen sehr guten Bericht und
beglückwünsche den Berichterstatter zu seiner
Erarbeitung. Wie einige meiner Vorredner bereits
sagten, ist Thunfisch für die südlichen Regionen in
Europa so wichtig wie es Kabeljau und Hechtdorsch für
die nördlichen sind, und wir aus den nördlichen
Regionen verstehen daher die Befürchtungen. Ein
beträchtlicher Teil des Fangs wird weiterverarbeitet. Das
bedeutet, dass sehr viele Arbeitsplätze sowohl auf See
als auch an Land von ihm abhängen. Wie Frau Stihler
sagte, werden bis zu 60 % des gefangenen Fischs zu
Konserven verarbeitet, und ein großer Teil davon wird
von uns auf der nördlichen Halbkugel verzehrt. Wie
viele andere Menschen esse auch ich gern Thunfisch aus
der Dose. Hier gibt es jedoch einige wesentliche
Probleme, die mir Sorge bereiten. Wir können nur eine
nachhaltige
und
verantwortungsvolle
Fischerei
unterstützen. Ich stimme Herrn Parish und anderen
Abgeordneten zu, die ihre Besorgnis bezüglich der
Delphine geäußert haben. Dieses Problem liegt auch
vielen Menschen in meinem Wahlkreis am Herzen.
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Doch letztlich muss sich unsere Flotte langfristig im
Wettbewerb behaupten können.
Wir brauchen eine Qualitätskontrolle, und die Größe der
gefangenen Fische muss genauestens überwacht werden.
Der Kommissar erwähnte drei wichtige Punkte, von
denen einer den Zugang zu Drittländern betraf. Wenn
wir Zugang zu Drittländern haben werden, den wir
wahrscheinlich brauchen, dann muss dieser streng
überwacht und die Kontrollen müssen verschärft
werden. Vor allem muss die illegale Fischerei verhindert
werden, und wir müssen die gefährdeten Arten schützen.
Wir brauchen einen Mechanismus für sowohl lang- als
auch kurzfristige Strategien für den Sektor. Doch dabei
sind die Anforderungen des Sektors ebenso zu
berücksichtigen wie Fragen in Bezug auf Biomasse und
Thunfischbestände. Wir müssen uns für mehr
Nachhaltigkeit in diesem Sektor einsetzen.
2-218
Die Präsidentin. – Herr Kommissar Fischler, ich glaube
nicht, dass Sie darauf antworten wollen.
Die Aussprache ist daher geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
Ich möchte die Abgeordneten, die heute Nachmittag
sprechen wollten, aber aufgrund einer kleinen
verfahrenstechnischen Verwechslung abwesend waren,
daran erinnern, dass sie ihren Beitrag schriftlich
einreichen können. Vielleicht könnten die anwesenden
Abgeordneten ihre abwesenden Kollegen entsprechend
informieren.
Da Kommissar Bolkestein noch nicht eingetroffen ist,
kann die Mitteilung der Kommission über
Dienstleistungen im Binnenmarkt jetzt nicht vorgestellt
werden. Aus diesem Grund müssen wir die
Tagesordnung ändern. Ich schlage deshalb vor, dass die
Mitteilung der Kommission über Dienstleistungen im
Binnenmarkt auf heute Abend 21.00 Uhr vertagt wird.
Gemäß Artikel 111 Absatz 2 der Geschäftsordnung bin
ich verpflichtet, den Vorschlag zur Änderung der von
der
Konferenz
der
Präsidenten
aufgestellten
Tagesordnung dem Parlament zur Billigung vorzulegen.
71
großen Teil vom lukrativen Thunfisch-Markt sichern.
Der Aufschwung der außereuropäischen Mitbewerber
liegt meines Erachtens auch darin begründet, dass sie
gegenüber den Reedern der Gemeinschaftsflotte einen
großen Kostenvorteil besitzen. Europäische Reeder
müssen
den
Gemeinschaftsrechtsvorschriften
hinsichtlich
Hygiene,
Überwachung
der
Fischereitätigkeit,
Produktionsbedingungen,
Umweltschutz, Sozialschutz der Arbeitnehmer gerecht
werden. Das ist wichtig und richtig, aber kostet Geld.
Um zu verhindern, dass nun Reeder aus
Wettbewerbsgründen die Gemeinschaftsflagge aufgeben,
fordere ich ein Gegensteuern: 1. Notwendig ist eine
Koordinierung der politischen Maßnahmen der
Gemeinschaft, die die Thunfischflotte und die
Konservenindustrie betreffen; 2. Notwendig sind
zusätzliche Fischereiabkommen; 3. Wollen Drittländer
ihre Erzeugnisse auf dem EU-Markt absetzen, muss die
Einhaltung der Hygiene- und Gesundheitsvorschriften
absolut verpflichtend sein; 4. Die Zölle für
Thunfischkonserven müssen erhalten bleiben, bis
Einfuhr- und Handelshemmnisse, aufgehoben werden.
Fazit ist: Die EU muss eine koordinierte Strategie auf
internationaler Ebene konzipieren.
2-219
VORSITZ: ALONSO JOSÉ PUERTA
Vizepräsident
2-220
Fragestunde (Kommission)
2-221
Der Präsident.  Nach der Tagesordnung folgt die
Fragestunde (B5-0002/2004). Wir behandeln eine Reihe
von Anfragen an die Kommission.
Teil I
2-222
Der Präsident.  Anfrage Nr. 12 von Marialiese
Flemming (H-0822/03):
Betrifft:
Gewalt gegen ältere Menschen
Gewalt gegen ältere Menschen, sei es im häuslichen Umfeld, sei es in
Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern, nimmt in allen EUStaaten stetig zu.
(Das Parlament billigt den Vorschlag.)
Was gedenkt die Kommission zu tun, um das Problem der Gewalt
gegen ältere Menschen europaweit zu bekämpfen?
Wir haben also letztlich Ihrem Wunsch entsprochen,
Herr Varela, und ich freue mich, dass Ihr Bericht
vollständig behandelt werden konnte.
Ist die Kommission aufgrund der Dringlichkeit der Situation bereit,
binnen vier Jahren die Mitgliedstaaten der EU zu veranlassen,
notwendige Gesetze zu verabschieden, damit die Rechte älterer
Menschen geschützt werden und ihre Teilnahme am gesellschaftlichen
Leben ohne Beeinträchtigung garantiert ist?
2-218-500
Langenhagen (PPE-DE), schriftlich. – Es ist eine
Tatsache: Der Thunfisch ist das wichtigste Erzeugnis
nicht nur der gemeinschaftlichen, sondern auch der
weltweiten Konservenindustrie. Einige Länder der
Gemeinschaft haben im Thunfischsektor traditionell eine
starke
Position
und
reagieren
sensibel
auf
Marktänderungen. Das Fischereiausschuss-Hearing
sowie die Ausführungen meines Kollegen Varela
machen deutlich: Es ist Zeit zum Handeln! Seit Kurzem
wollen sich Drittländer, insbesondere aus Asien, einen
2-223
Diamantopoulou, Kommission.  (EL) Herr Präsident!
In einem Europa, in dem es ein ernsthaftes
demografisches Problem gibt und die Zahl der älteren
Menschen kontinuierlich zunimmt, ist klar, dass bei den
Politiken, die die älteren Menschen betreffen, neue
Probleme auftreten. Ich möchte daran erinnern, dass die
Europäische Union den Altersfaktor bereits in der
Richtlinie berücksichtigt hat, die im Jahr 2000
eingebracht und vom Rat angenommen wurde und die
72
Bekämpfung aller Formen von Diskriminierung am
Arbeitsplatz auf der Grundlage des Alters betrifft. Ich
möchte außerdem daran erinnern, dass Artikel 25 der
Charta der Grundrechte ganz eindeutig sagt, dass das
Recht der älteren Menschen auf ein Leben in Würde und
ihr Recht auf Teilnahme am wirtschaftlichen und
kulturellen Leben anerkannt wird.
Wenn wir zu dem spezielleren Thema der Gewalt gegen
ältere Menschen kommen, die noch in mehreren
europäischen Ländern eine Tatsache ist und zu einem
großen Teil mit der Veränderung des Familienmodells,
aber
auch
mit
dem
ständig
steigenden
Bevölkerungsanteil der älteren Menschen zu tun hat,
würde ich sagen, dass es sehr schwierig ist, eine legale
Grundlage für ein Vorgehen auf Gesetzgebungsebene zu
finden. Ich möchte Sie daran erinnern, dass es während
der Diskussionen im Verfassungskonvent ein starkes
Bestreben gab, in die neue Verfassung eine legale
Grundlage zu integrieren, die der Europäischen Union
die Möglichkeit gibt, bei Themen der Gewalt insgesamt,
sei es gegen Frauen, gegen Kinder oder gegen ältere
Menschen, gesetzgeberisch tätig zu werden. Am Ende
wurde keine Übereinkunft erzielt, und es existiert im
Moment nicht einmal im Entwurf des Konvents ein
Bezug auf eine legale Grundlage zur Gewalt.
Was nun also das legale Problem betrifft, so fällt dies in
die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Hinsichtlich der
Politiken und Programme verfügt die Kommission über
das Daphne-Programm, das in globalerer Weise an die
Themen der Gewalt herangeht, und wir haben in den
Mitgliedstaaten eine Reihe wichtiger Initiativen, die die
Gewalt gegen ältere Menschen betreffen. Die Absicht
der Kommission ist es, das Daphne-Programm so weit
wie möglich zu finanzieren.
2-224
Flemming (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau
Kommissarin! Vielen Dank für Ihre Beantwortung. Sie
haben natürlich Recht, dass in erster Linie die
Mitgliedstaaten hier zuständig sind. Als Mitglied des
Vorstandes der europäischen Seniorenunion habe ich
mich in letzter Zeit sehr intensiv mit diesen Fragen
beschäftigt, und es ist zutage gekommen – unsere
Organisation hat jetzt Mitglieder in 20 europäischen
Staaten –, dass die Situation in den Heimen in allen
europäischen Staaten immer stärker in Diskussion
gebracht wird. Unsere Frage wäre: Wäre es nicht
möglich, eine Art Empfehlung zu geben, wie
Heimverträge abzuschließen sind? Wir wissen von
Heimen, in denen die Menschen oft sehr respektlos
behandelt werden, sogar in Gitterbetten eingesperrt
werden, obwohl sie das nicht wollen, dass sie daran
gehindert werden, auszugehen, dass sie ihr Abendessen
so früh bekommen, dass sie dann sehr bald Hunger
haben, aber ab 20.00 Uhr/21.00 Uhr keine Chance mehr
haben, irgendetwas zu essen zu bekommen, dass sie,
wenn sie ihre Notdurft verrichtet haben, ohne eine
Windel zu haben, oder auch mit einer Windel, oft
stundenlang so liegen gelassen werden, dass sie vom
Pflegepersonal unfreundlich behandelt werden, dass sie
angeschrieen werden, dass sogar Gewalt angewendet
13/01/2004
wird. Ich glaube, Richtlinien für Heimverträge wären
notwendig.
2-225
Der Präsident.  Sie wissen, dass dies eine Fragestunde
ist. Es ist nicht der Zeitpunkt für Erklärungen oder
Debatten, aber wir haben Frau Flemming aufmerksam
zugehört. Ich weiß nicht, ob die Kommissarin antworten
möchte.
2-226
Diamantopoulou, Kommission.  (EL) Wie ich bereits
sagte, hat die Kommission keine Möglichkeit für eine
solche Art von Intervention. Dies ist durch keine legale
Grundlage gerechtfertigt. Ich denke aber, es ist wichtig,
dass in Zukunft Artikel 25 der Charta der Grundrechte,
insbesondere der Bezug auf das Leben älterer Menschen
in Würde, auch eine Grundlage für die von Frau
Flemming erwähnten Seniorenverbände bildet, sodass
diesen die Gelegenheit gegeben wird, die Gerichte
anzurufen, und die Europäische Union sowie
selbstverständlich die staatlichen Behörden die
Möglichkeit haben, in bestimmten Fällen zu
intervenieren.
2-227
Bowis (PPE-DE). – (EN) Ich begrüße Frau Flemmings
Frage und ich bin ebenfalls der Meinung, dass hier etwas
getan werden kann. Die Zuständigkeit der Europäischen
Union ist durchaus gegeben, und zwar betrifft dies den
Bereich
der
Gesundheitsförderung
und
der
Krankheitsvorbeugung. Dazu zählen auch Krankheiten
und Leiden, die durch Gewalt gegen ältere Menschen
verursacht werden können. Ich schlage vor, dass wir dies
prüfen.
Als ich in meinem Heimatland für diesen Bereich
zuständig war, haben wir in umfangreichen
Untersuchungen versucht herauszufinden, wie Gewalt
gegen ältere Menschen verhindert werden kann. In den
USA und in anderen Ländern wurden ebenfalls
umfassende Untersuchungen durchgeführt. In vielen
Fällen sind ältere Menschen das Opfer von Straftaten,
die von bösartigen Menschen verübt werden. Doch sehr
oft geht die Gewalt auch von Familienangehörigen oder
Pflege- und Betreuungspersonal aus, die am Ende ihrer
Kräfte sind, weil sie sich nicht unterstützt fühlen.
Menschen, die nie gedacht hätten, dass sie zu Gewalt
gegen ältere Menschen in der Lage wären, stellen
plötzlich fest, dass sie die Kontrolle verloren und
jemanden, den sie lieben, geschlagen und verletzt haben.
Ich schlage deshalb vor, dass wir versuchen, die
Erfahrungen, die wir in den einzelnen Mitgliedstaaten
gesammelt haben, gemeinsam zu nutzen, um in diesem
Bereich innerhalb der von mir erwähnten Zuständigkeit
Regeln für eine gute Praxis zu erarbeiten.
2-228
Diamantopoulou, Kommission.  (EN) Ich denke, dass
wir auf jeden Fall Bereiche der Zusammenarbeit in der
Gesundheitspolitik ermitteln können. Ich kann Ihnen
mitteilen, dass wir bereits begonnen haben, die Methode
der offenen Koordinierung auf den Bereich der Fürsorge
für ältere Menschen anzuwenden. Dieser Bereich, in
13/01/2004
dem einige Mitgliedstaaten bereits zusammenarbeiten,
bietet sich dafür an. Obwohl diese Maßnahmen nicht die
Form von Empfehlungen haben, widerspiegeln sie unser
eigentliches Ziel.
Ich habe versucht, auf das spezielle Problem der Gewalt
einzugehen. Das ist eine ganz andere Sache. Sie könnte
in den Bereich der gesundheitlichen Betreuung fallen,
ohne sich jedoch auf sie zu beschränken.
2-229
Der Präsident.  Anfrage Nr. 13 von Reino Paasilinna
(H-0823/03):
Betrifft:
Kontrolle zur Eindämmung der „Spam“-Flut
Ende Oktober sollten die Mitgliedstaaten die Richtlinie über die
Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der
Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation umgesetzt haben.
Am 5. Dezember teilte die Kommission mit, dass sie gegen neun
Mitgliedstaaten
ein
Vertragsverletzungsverfahren
wegen
Nichtumsetzung der Richtlinie einleiten würde. Der größte Teil der
elektronischen Nachrichten besteht derzeit aus „Spams“. Welche
weiteren Maßnahmen wird die Kommission ergreifen, damit die Ziele
der Richtlinie erreicht werden? Die Zuverlässigkeit des E-MailSystems ist nicht mehr gewährleistet, und seine Entwicklung ist zum
Stillstand gekommen. Wie will die Kommission sicherstellen, dass die
Mitgliedstaaten unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um beispielsweise
bei den Betreibern darauf hinzuwirken, dass sie sicherstellen, dass der
größte Vorteil der elektronischen Kommunikation, nämlich die
Flexibilität, gewährleistet wird?
2-230
Liikanen, Kommission.  (EN) Es stimmt, die Flut der
unerbetenen E-Mails bzw. von „Spam“ hat Besorgnis
erregende Ausmaße angenommen. So macht „Spam“
heute nach Ansicht vieler Experten über 50 % des
gesamten E-Mail-Verkehrs aus.
Die Kommission ist ebenfalls der Meinung, dass „Spam“
nicht nur die Privatsphäre und den Verbraucherschutz
unterminiert, sondern auch die Produktivität am
Arbeitsplatz und den Produktivitätszuwachs insgesamt.
Einigen Studien zufolge sinkt das Vertrauen der
Verbraucher in die Nachrichtenübermittlung per E-Mail.
Sie bildet jedoch eine Voraussetzung für die erfolgreiche
Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs und
der Informationsgesellschaft generell.
Die Kommission ist an mehreren Fronten aktiv. Erstens
hat die Europäische Union etwas auf der Ebene der
Gesetzgebung unternommen, indem sie 2002 die
Richtlinie über den Schutz der Privatsphäre in der
elektronischen Kommunikation beschlossen hat, wie
Herr Paasilinna wissen wird, denn er hat einen
beträchtlichen Beitrag zur Diskussion geleistet. Im
November 2003 wurden Vertragsverletzungsverfahren
gegen eine Reihe von Mitgliedstaaten eingeleitet, die es
versäumt
hatten,
die
notwendigen
Umsetzungsmaßnahmen zu ergreifen.
Zweitens weiß die Kommission, dass Gesetze nur einen
Teil der Lösung darstellen. Die Kommission hat mit
interessierten Parteien eine Reihe von Maßnahmen
diskutiert, die Mitgliedstaaten, die Industrie und
Verbraucher ergreifen können. Diese Maßnahmen
werden gesetzliche Regelungen ergänzen und sollen das
73
„Spam“-Verbot möglichst wirksam machen. Im
Mittelpunkt
stehen
dabei
die
wirksame
Rechtsdurchsetzung
durch
Mitgliedstaaten,
die
freiwillige Selbstkontrolle durch die Industrie,
technische Lösungen wie Filter und Sicherheit sowie die
Information der Verbraucher.
Was die Rechtsdurchsetzung betrifft, so müssen die
Mitgliedstaaten nicht nur für die entsprechenden
Beschwerdemechanismen, Abhilfemaßnahmen und
Sanktionen sorgen, sondern „Spammer“ auch effektiv
strafrechtlich verfolgen und „Spam“ überwachen. Dabei
ist auch die Zusammenarbeit zwischen Industrie und
öffentlichen Behörden von Bedeutung. Ferner ergreift
die Kommission Maßnahmen zur Verbesserung der
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit innerhalb der
Union und kommt zu diesem Zweck mit den
entsprechenden Behörden zusammen.
Da „Spam“ in sehr vielen Fällen seinen Ursprung
außerhalb der Europäischen Union hat, kommt der
internationalen
Zusammenarbeit
entscheidende
Bedeutung zu. Verschiedene Maßnahmen sind bereits
angelaufen, von denen ich einige erwähnen möchte.
Erstens wird in der auf dem UN-Weltgipfel zur
Informationsgesellschaft vereinbarten Erklärung sowie
im dazugehörigen Aktionsplan gefordert, dass auf
nationaler und internationaler Ebene angemessene
Schritte gegen „Spam“ eingeleitet werden. Zweitens
wird die Kommission am 2. und 3. Februar 2004
Gastgeber eines OECD-Seminars in Brüssel zum Thema
„Spam“ sein. Drittens gibt es bilaterale Kontakte mit
Drittländern, einschließlich der zuständigen Behörden in
den USA, da große Mengen von „Spam“ aus
Unternehmen mit Sitz in den USA zu kommen scheinen.
Diese Aktivitäten sind Gegenstand einer Mitteilung über
„Spam“, die die Kommission in den nächsten Tagen zu
verabschieden gedenkt. Und schließlich werden wir im
Rahmen des Aktionsplans für mehr Sicherheit im
Internet und verstärkt im Rahmen von dessen
wahrscheinlichem Nachfolger „Safe Internet Plus“
Maßnahmen
zur
Bekämpfung
von
„Spam“,
einschließlich von an Kinder gerichteten „Spam“-EMails, ergreifen.
Abschließend möchte ich noch einen Punkt
unterstreichen: Dieses Problem kann keiner im
Alleingang lösen; eine erfolgreiche Lösung bedarf der
festen Entschlossenheit aller Beteiligten.
2-231
Paasilinna (PSE). – (FI) Herr Präsident, ich danke
Herrn Liikanen für die detaillierte und meiner Meinung
nach gute und positive Antwort. Dennoch möchte ich
eine weitere Frage anschließen. In letzter Zeit haben die
für die Verursachung und Verbreitung von Viren
Verantwortlichen die Computer anderer Leute als
Verteiler von Spams benutzt. Dieses Prinzip wird als
Trojanisches Pferd bezeichnet. Selbst wenn vielleicht
etwa 60 % der Computer geschützt wären, so gibt es
immer noch einige, die nicht mit einem adäquaten
Schutz ausgestattet sind, und die Hacker und Cracker
74
13/01/2004
können sie als Basis und Verteiler für Spams benutzen.
Hat die Kommission Überlegungen angestellt, wie
diesem sehr internationalen Virusproblem beizukommen
ist, wenn durch die Computer unschuldiger Menschen
Spam ein solches Ausmaß annimmt?
Da die Kommission trotz ihrer Zusage vom Mai 2000 neue
wissenschaftliche und andere Erkenntnisse über Fluorid im
Trinkwasser nicht durch ihren Wissenschaftlichen Ausschuss
„Toxizität, Ökotoxizität und Umwelt“ hat prüfen lassen, droht dieses
Versäumnis nun die Glaubwürdigkeit der neuen Trinkwasserrichtlinie
zu untergraben.
2-232
Um die Glaubwürdigkeit der neuen Trinkwasserrichtlinie sowie den
gesamten Prozess ihres Zustandekommens zu retten, möchte ich die
Kommission auffordern, die Überprüfung der vorgeschlagenen Werte
für die Parameter für Fluorid transparenter zu gestalten. Dies ist
notwendig, um die Argumente, die für die Einbeziehung einer
eigentlich gefährlichen Chemikalie in die Regelungen für eine
künstlichen Anreicherung mit Fluorid im Rahmen der
Trinkwasserrichtlinie sprechen, verspätet, aber gleichwohl sorgfältig
unter die Lupe nehmen zu können.
Liikanen, Kommission. – (FI) Dieser von Herrn
Paasilinna erwähnte Fall des „Trojanischen Pferdes“ ist
eine äußerst gemeine Art und Weise, das Internet zur
Belästigung der Menschen und zur Einschränkung ihrer
Handlungsmöglichkeiten zu missbrauchen. Dieses
Thema beabsichtigen wir in unserer Mitteilung zu
behandeln, die in Kürze veröffentlicht wird, und darüber
hinaus auf einem Seminar, das im Februar von der
OECD in Brüssel abgehalten wird. Ich hoffe, dass Herr
Paasilinna daran teilnehmen kann. Gleichzeitig ist es
natürlich auch so, dass jetzt, da wir dabei sind, ein
Sicherheitsnetzwerk zu installieren – das in dem
betreffenden Bericht von Herrn Paasilinna in diesem
Hause bereits vorgestellt worden ist – das genannte
Problem auch in diesem Komplex enthalten ist. Ich bin
bereit und willens, diesem „Trojanischen Pferd“ und der
dadurch verursachten Verbreitung von Spam besondere
Aufmerksamkeit zu widmen. Unschuldige Menschen
werden
unwissentlich
zum
Werkzeug
einer
ungesetzlichen Tätigkeit, die auch dieser Richtlinie
zuwiderläuft.
2-233
Thors (ELDR).  (SV) Herr Präsident! Herr
Kommissar! Ich teile Ihre Auffassung, dass die von
Herrn Paasilinna aufgeworfene Frage von großer
Bedeutung ist. Ich hoffe, dass die Europäische Agentur
für Netz- und Informationssicherheit in der Lage sein
wird, eine Beurteilung von Spam vorzunehmen und dass
wir verschiedene Bewertungen von Spam-Programmen
erhalten können. Als der Herr Kommissar in der vorigen
Woche einigen finnischen Abgeordneten eine E-Mail
zukommen ließ, wurde diese vom Spam-Programm des
Parlaments als „suspected spam“ gekennzeichnet,
allerdings nicht mit der Einstufung „suspected high“,
sondern „suspected low“. Um einen effektiven Schutz zu
erreichen brauchen wir eine Beurteilung der
Funktionsweise der Spam-Programme. Ich hoffe auch,
dass wir gemeinsam Werkzeuge zur Aufdeckung der
falschen Identitäten entwickeln können. Es gibt im
Internet nicht nur Trojanische Pferde, sondern auch sehr
viele falsche Identitäten.
2-234
Liikanen, Kommission.  (SV) Herr Präsident! Ich
werde wohl mit den Dienststellen des Europäischen
Parlaments reden müssen, die nicht wissen, wer die
Kommissare sind. Wenn ein Kommissar eine E-Mail an
fünfzehn Abgeordnete des Europäischen Parlaments
verschickt, dann sollte diese als echte und sachliche
Information bewertet werden.
2-235
Der Präsident.  Anfrage Nr. 14 von Avril Doyle (H0832/03):
Betrifft:
Fluorid im Trinkwasser
Außerdem: Solange noch keine stichhaltige und umfassende
wissenschaftliche Überprüfung des künstlichen Zusatzes von Fluorid
zum Trinkwasser in der EU vorliegt, sollte die Richtlinie nach dem
Vorsorgeprinzip vorgehen und die Verwendung von Fluoriden im
Trinkwasser in den Mitgliedstaaten klipp und klar verbieten.
2-236
Wallström, Kommission.  (EN) Zunächst möchte ich
Frau
Doyle
für
ihre
Frage
danken.
Die
Trinkwasserrichtlinie von 1998 legt Qualitätsstandards
für eine Reihe von chemischen Parametern
einschließlich der für Fluor fest. Die Parameter für Fluor
in der Richtlinie basieren auf den verfügbaren
wissenschaftlichen Angaben und entsprechen den von
der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Werten.
Zweitens sind sich die Wissenschaftler darin einig, dass
Fluor im Trinkwasser je nach Konzentration positive
oder negative Wirkungen haben kann. Nach Ansicht der
Weltgesundheitsorganisation sorgt der zulässige
Höchstwert von 1,5 mg/l für ein ausgewogenes
Gleichgewicht zwischen positiven und negativen
Auswirkungen. Die Kommission sieht sich durch die
jüngsten Dokumente der Weltgesundheitsorganisation
aus dem Jahre 2003 in ihrer Beurteilung bestätigt. Dabei
handelt es sich um einen neuen Entwurf der von der
WHO
herausgegebenen
„Leitlinien
für
die
Trinkwasserqualität“, in dem die Werte für Fluor
unverändert beibehalten werden. Gleichzeitig fällt die
Frage des künstlichen Zusatzes von Fluor zum
Trinkwasser in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten,
wobei in den einzelnen Ländern unterschiedlich
verfahren wird. In einigen Ländern ist die Anreicherung
verboten, in anderen liegt die Entscheidung bei den
lokalen Gebietskörperschaften. In jedem Falle ist jedoch
der zulässige Höchstwert einzuhalten.
Drittens organisierte die Kommission im Oktober 2003
ein Seminar über Trinkwasser, um jüngste Erkenntnisse
und Erfahrungen zusammenzufassen. Es vereinte
Experten aus der gesamten Europäischen Union, den
neuen
Mitgliedstaaten
und
von
der
Weltgesundheitsorganisation und befasste sich u. a. mit
der Fluor- und Fluorzusatzthematik. Man war sich einig,
dass bei Fluor der derzeitige Wert von 1,5 mg/l den
aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht.
Auf Wunsch der Kommission evaluierte der
Wissenschaftliche Ausschuss „Toxizität, Ökotoxizität
und Umwelt“ eine Studie über die Qualität von
Trinkwasser in ausgewählten europäischen Städten. In
13/01/2004
75
seiner Evaluierung aus dem Jahre 2003 verwies er in
Übereinstimmung mit dem u. a. von der WHO
vertretenen wissenschaftlichen Standpunkt sowohl auf
die schützende als auch die schädliche Wirkung von
Fluor. Er empfahl jedoch keine Veränderung bezüglich
des Fluorwertes in der Richtlinie.
2 mg/l auf. Skelettfluorose tritt erst bei höheren
Konzentration zwischen 3 und 6 mg/l auf. In Dublin
beispielsweise wird dem Trinkwasser Fluor zugesetzt,
aber der Parameterwert von 1,5 mg/l wurde nicht
überschritten, und laut diesem Bericht lagen die
Konzentrationen bei maximal 0,9 mg/l.
2-237
Wir fordern jeden Mitgliedstaat auf, sich an die
bestehenden Regelungen zu halten, die auf der
Grundlage wissenschaftlicher Empfehlungen erarbeitet
wurden. Es gab keinen Grund für eine erneute
Evaluierung dieser Empfehlung. Wir haben eine Gruppe
von Experten aus sowohl den alten wie auch den neuen
Mitgliedstaaten – sämtliche Experten, an die wir uns
wenden konnten – befragt, und sie kamen zu dem
Schluss, dass es keinen Grund für eine diesbezügliche
Änderung der Richtlinie gibt. Das ist zudem Sache der
Mitgliedstaaten.
Doyle (PPE-DE). – (EN) Ich danke der Kommissarin
für die Beantwortung meiner Frage. Ich bin jedoch
immer noch nicht zufrieden. In Beantwortung der
parlamentarischen Anfrage E-1434/00 von Mai 2000
sagten Sie, Frau Kommissarin, dass Sie prüfen würden,
ob es neue Erkenntnisse zur künstlichen Anreicherung
von Trinkwasser mit Fluor gebe. Sie sagten, dass sich
die Kommission „diesbezüglich vom wissenschaftlichen
Ausschuss für Toxizität, Ökotoxizität und Umwelt über
den neuesten Stand informieren lassen“ wird. Offenbar
haben Sie diesen Ausschuss nicht konsultiert, sondern
sich direkt an die WHO gewandt, denn Sie zitieren noch
immer Werte, die diese für wünschenswert hält.
Die Angaben auf diesem Gebiet sind äußerst unsicher.
Es stimmt, ein endgültiges Urteil steht noch aus, aber 13
von 23 Entwicklungsländern, die sich an die Leitlinien
der WHO halten, stellen bei der zahnärztlichen
Betreuung ihrer Bürger ernsthafte Probleme aufgrund
von Fluorvergiftungen bzw. Fluorose fest. In meinem
eigenen Land wird die Fluorose vor allem bei Teenagern
zunehmend zu einem Problem.
Ich möchte Sie bitten, vor allem die Problematik der
Neugeborenen und Kleinkinder zu prüfen, die mit
Babymilchpulver gefüttert werden, dem fluoridiertes
Leitungswasser zugesetzt wird. Ausgehend davon, dass
dies einen großen Teil ihrer Ernährung ausmacht, stellt
fluoridiertes Leitungswasser, das nicht kontrolliert und
bei dem der Fluorzusatz nicht regelmäßig überprüft
wird, ein ernsthaftes gesundheitliches Risiko für unsere
Neugeborenen und Kleinkinder in Irland und in den
Teilen des Vereinigten Königreichs dar, in denen dem
Leitungswasser noch Fluor zugesetzt wird.
Können Sie sich sowohl zur ethischen Frage der
flächendeckenden Medikation der Öffentlichkeit, die
eine Anreicherung ihres Trinkwassers mit Fluor ablehnt,
sowie zu anderen ethischen Fragen und Fragen im
Zusammenhang mit Kleinkindern äußern?
2-238
Wallström, Kommission.  (EN) Wir erhalten die
wissenschaftlichen Empfehlungen in dieser Sache von
der Weltgesundheitsorganisation. Wir konsultieren auch
den von Ihnen erwähnten Ausschuss, von dem wir erst
2003 eine Stellungnahme zum Fluorzusatz erhielten.
Darin heißt es, dass die üblicherweise in fluoridiertem
Trinkwasser
enthaltene
Fluormenge
kein
Gesundheitsrisiko darstellt, wie zahlreiche Tierstudien
und die Humanepidemiologie ergeben haben.
Die
Trinkwasserleitlinie
der
Weltgesundheitsorganisation sieht denselben Höchstwert
vor wie die Richtlinie der EU, nämlich 1,5 mg/l.
Dentalfluorose tritt bei Konzentration von über 1,5 und
Also in Ihrem Falle, Frau Doyle, müssten Sie versuchen,
die irische Politik in dieser Angelegenheit zu ändern,
wenn Sie meinen, dass sie falsch ist, und wenn Sie der
Ansicht sind, dass Ihr Land nicht die in der Richtlinie
vorgegebenen Werte einhält. Ausgehend von dem
eingeholten Rat, haben wir keinen Grund, die in der
Richtlinie für den Zusatz von Fluor zum Trinkwasser
vorgesehenen Parameter zu verändern.
2-239
McKenna (Verts/ALE). – Ich kann meiner Kollegin
Frau Doyle nur zustimmen, und ich denke eigentlich
nicht, dass die Kommissarin deren Frage angemessen
beantwortet hat.
Was die flächendeckende Medikation angeht, so ist es
unter dem Gesichtspunkt der Entscheidungsfreiheit
völlig inakzeptabel, dass 9 Millionen britische Bürger
und 2,7 Millionen irische Bürger zwangsweise
flächendeckend medikamentös behandelt werden. In
Irland wurde in 91 % der Eingaben der Zusatz von Fluor
zum Trinkwasser abgelehnt. Hier mangelt es eindeutig
an einem öffentlichen Konsens.
Die EU hält sich nicht an das Vorsorgeprinzip, obwohl
es ihre Aufgabe wäre. Ich möchte, dass sich die
Kommission für die Einstellung der Anreicherung des
Trinkwassers mit Fluor in der gesamten EU einsetzt,
solange keine ordnungsgemäße und angemessene
Bewertung der Situation erfolgt ist. So wurde bei der
Diskussion
der
durchschnittlich
getrunkenen
Wassermenge nicht berücksichtigt, dass zwischen heißen
und kalten Ländern ein großer Unterschied im
Wasserverbrauch besteht. In den heißeren Ländern
trinken viele Menschen wesentlich mehr Wasser und
verbrauchen daher mehr, und in einigen der neuen
Mitgliedstaaten wird auch dem Warmwasser Fluor
zugesetzt.
Frau Doyles Verweis auf Kleinkinder ist ein wirklich
wichtiges Argument, da Babymilchpulver mit
fluoridiertem Wasser gemischt wird, und ich glaube,
dass dies für die betroffenen Kinder ernste
76
13/01/2004
Konsequenzen hat. Meiner Ansicht nach sollten wir
ohnehin kein Milchpulver verwenden.
asylpolitischen Ziele, vorgesehene fünfjährige Frist am
1. Mai 2004 ablaufen.
2-240
Die jährliche Parlamentsdebatte über die Entwicklung
eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts,
die im Rahmen der Februartagung stattfinden wird, wird
uns erstmals Gelegenheit geben, die Bewertung unserer
Politiken in diesen Bereichen mit dem Parlament zu
diskutieren. Die Kommission plant, dem Europäischen
Parlament und dem Rat im Juni 2004 eine Mitteilung
über die Fortschritte bei der Umsetzung der Ziele von
Tampere vorzulegen. Diese Mitteilung wird eine
Evaluierung sämtlicher Aspekte in Bezug auf
Einwanderung, Asyl, die Integration von Einwanderern
in unsere Gesellschaft und die Entwicklung unserer
Beziehungen zu Drittländern umfassen. Ich hoffe, dass
die Mitteilung auch einige Leitlinien für eine potenzielle
künftige „Tampere-II“-Agenda umfassen wird.
Wallström, Kommission.  (EN) Die wissenschaftlichen
Empfehlungen sowohl der Weltgesundheitsorganisation
als auch unseres Ausschusses berücksichtigen diese
Tatsache. Fluor kann auch natürlich auftreten. Das
Wasser aus dem Brunnen in unserem Hof beispielsweise
weist eine sehr hohe Fluorkonzentration auf. Es kann in
der Natur in so hohen Konzentrationen auftreten, dass
geraten wird, Kinder derartiges Wasser nicht trinken zu
lassen, weil ihre Zähne Schaden nehmen könnten.
Die Entscheidung liegt jedoch bei den einzelnen
Mitgliedstaaten, solange sie sich an die entsprechenden
Empfehlungen und die in der Richtlinie vorgesehenen
Grenzwerte halten. Wir haben wissenschaftlichen Rat
eingeholt, den wir sehr genau befolgen. Wir achten
darauf, dass wir diesbezüglich stets auf dem neuesten
wissenschaftlichen Stand sind. Wie ich bereits sagte,
sehen wir uns angesichts der Erkenntnisse und der in den
Arbeitsgruppen geleisteten Arbeit sowie nach
Konsultation aller Experten – zumindest zum jetzigen
Zeitpunkt – nicht veranlasst, die in der Richtlinie
vorgesehenen Grenzwertempfehlungen zu ändern.
Sobald uns neue wissenschaftliche Erkenntnisse
vorliegen oder wir Änderungen für angebracht halten,
werden wir diese vornehmen. Vorerst jedoch müssen Sie
versuchen, Einfluss auf die irische Politik zu nehmen,
denn diese Politik ist Sache der einzelnen
Mitgliedstaaten.
2-241
Der Präsident.  Vielen Dank, Frau Kommissarin.
Wir gehen nun zum zweiten Teil der Anfragen an die
drei heute anwesenden Kommissionsmitglieder über.
Teil II
Anfragen an Herrn Vitorino
2-242
Anfrage Nr. 15 von Claude Moraes (H-0829/03):
Betrifft:
Ziele des Europäischen Rats von Tampere
Welche Fortschritte wurden nach Ansicht der Kommission bei der
Erreichung der Ziele des Europäischen Rats von Tampere über
Einwanderung und Asyl, insbesondere in Bezug auf die Fragen der
Steuerung der Migration und des Aufbaus einer engeren Partnerschaft
mit den Entsendestaaten, erzielt?
2-243
Vitorino, Kommission.  (EN) In der Frage des
verehrten Abgeordneten geht es darum, welche
Fortschritte nach Ansicht der Kommission bei der
Erreichung der in Tampere festgelegten Ziele in Bezug
auf die Erarbeitung einer gemeinsamen Einwanderungsund Asylpolitik erreicht wurden. Die Frage ist sehr
aktuell, nähern wir uns doch dem Ende des ersten
Abschnitts der Erarbeitung entsprechender Maßnahmen,
wie sie die Agenda von Tampere vorsieht. Darüber
hinaus wird die im Amsterdamer Vertrag für die
Umsetzung bestimmter Ziele, insbesondere der
2-244
Moraes (PSE). – (EN) Vielen Dank für diese
umfassende Antwort, Herr Kommissar. Ich möchte die
für Juni 2004 vorgesehene Mitteilung der Kommission
nicht vorwegnehmen, aber ich wüsste gern, ob der
Kommissar persönlich zuversichtlich ist, dass die
Mitteilung auf gewisse Fortschritte in den Beziehungen
zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen
Union sowie den Entsendestaaten verweisen kann.
Sicher weiß er, dass nicht zuletzt dank seiner Arbeit und
der Arbeit vieler anderer die Frage der gesteuerten
Migration in der Europäischen Union zunehmend an
Bedeutung gewinnt.
Ich möchte ihn um seine persönliche Meinung bitten.
Glaubt er, dass er oder jemand anders in der Lage sein
wird, in der Mitteilung neue positive Aussagen zur Frage
der gesteuerten Migration und der spezifischen
Partnerschaft zu Drittstaaten zu treffen? Vielleicht kennt
er Fälle wie z. B. die Beziehungen zwischen dem
Vereinigten Königreich und den Philippinen, die
Gesundheitspersonal
entsenden,
und
andere
diesbezügliche Probleme. Kann er dazu etwas sagen?
2-245
Vitorino, Kommission.  (EN) Ich danke Ihnen für diese
Zusatzfrage, die mir Gelegenheit zu folgender
Feststellung gibt. Ich hoffe, dass das Parlament und der
Rat in der Zwischenzeit eine Vereinbarung über die
Verabschiedung einer Verordnung in Bezug auf das
mehrjährige Programm zur Finanzierung von
Partnerschaften mit Drittstaaten, die die gemeinsame
Steuerung von Migrationsströmen betreffen, abschließen
werden. Im Verlaufe der nächsten fünf Jahre werden
250 Millionen Euro für dieses Programm bereitgestellt
werden, und wir beabsichtigen, bei der Bewertung dieses
Finanzierungsinstruments denjenigen Ländern Vorrang
einzuräumen, die derzeit mit der Europäischen Union
über Rückübernahmeabkommen verhandeln.
Zweitens plant die Kommission, dem Rat im April einen
Bericht über die Zusammenhänge zwischen legaler und
illegaler Einwanderung vorzulegen, der vor allem die
Schlussfolgerungen einer Studie darlegen wird, die die
Kommission derzeit zur Möglichkeit der Schaffung
13/01/2004
eines Systems für die Koordinierung der legalen
Einwanderung in die Mitgliedstaaten erarbeitet. Ein
solches System könnte sich für Drittländer, die
Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels und
der illegalen Einwanderung ergreifen wollen, als
hilfreich erweisen.
Als dritte Maßnahme plant die Kommission einen
Bericht, den sie dem Rat bis Juni 2005 vorlegen wird
und in dem es um neue Möglichkeiten zur Verbesserung
des internationalen Schutzes und insbesondere um die
Möglichkeit der Schaffung von europaweiten
Umsiedlungsprogrammen und der Verbesserung des
Schutzes für Flüchtlinge in der Region gehen wird. Ich
hoffe, dass ich im Juni, wenn ich zur globalen
Bewertung der Agenda von Tampere wieder ins
Parlament kommen werde, über Fortschritte auf allen
diesen Gebieten berichten kann.
2-246
Evans, Robert J.E. (PSE). – (EN) Wie immer habe ich
den Ausführungen und Erläuterungen des Kommissars
mit Bewunderung zugehört. Er sprach von der Steuerung
der Migration und der legalen Einwanderung. Könnte er
angesichts der Hysterie in einigen Kreisen der britischen
Presse in Bezug auf das, was im Zusammenhang mit der
Einwanderung nach der Erweiterung passieren wird, die
Gelegenheit nutzen und einige der von ihm eingeleiteten
Initiativen erläutern, mit denen gewährleistet werden
soll, dass die Migration aus den neuen osteuropäischen
Ländern der Europäischen Union vernünftig erfolgen
und in einer Weise gesteuert werden wird, die sowohl
den Bürgern dieser Länder als auch den jetzigen
Mitgliedstaaten der Europäischen Union Nutzen bringt.
2-247
Vitorino, Kommission.  (EN) Ich werde die Frage des
verehrten Abgeordneten anhand meines eigenen
Beispiels beantworten. Ich komme aus Portugal, das vor
seinem EU-Beitritt angeblich vorhatte, in die EU
einzumarschieren. Es gab zahlreiche Befürchtungen in
Bezug auf die Portugiesen und, wenn ich mich recht
erinnere, Herr Präsident, auch die Spanier: Die
Portugiesen und die Spanier waren drauf und dran,
Europa zu überrennen.
Tatsächlich sind wir der Ansicht, dass der Beitritt zur
Union eine solch riesige Chance zur wirtschaftlichen
Entwicklung dieser Länder darstellen wird, dass sich die
Migrationsströme in Grenzen halten werden. Die
Beitrittsverträge enthalten spezielle Bestimmungen, die
die Freizügigkeit der Arbeitnehmer während eines
Übergangszeitraums betreffen. Wir verfügen also über
den notwendigen Rechtsrahmen, um sicherzustellen,
dass diese Prozesse sorgfältig, rasch und sehr vernünftig
abgewickelt werden. Ich hoffe, dass diese Informationen
zur britischen Öffentlichkeit vordringen werden.
2-248
Der Präsident.  Anfrage Nr. 16 von Alexandros
Alavanos (H-0837/03):
77
Am 25. Juni 2003 wurde in Washington das Abkommen zwischen der
EU und den USA über die Auslieferung von Straftätern unterschrieben,
das daraufhin im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht
wurde.1
Kann die Kommission bestätigen, dass die USA kraft des Abkommens
nicht das Recht haben, die Auslieferung von Personen durch einen
Mitgliedstaat zu verlangen, wenn die von der betreffenden Person
verübte Straftat in dem Mitgliedstaat begangen worden ist, aber nach
der nationalen Gesetzgebung des ersuchten Staates bereits verjährt ist,
und dass die USA aufgrund des Abkommens auch nicht das Recht
haben, die Auslieferung von Personen durch einen Mitgliedstaat zu
verlangen, wenn die betreffende Person für die Straftat in dem
ersuchten Staat bereits verurteilt worden ist? Ist das Abkommen in
Kraft getreten? Falls nein, wie sehen die Planungen seitens der
Kommission aus?
2-249
Vitorino, Kommission.  (PT) Herr Präsident, verehrte
Abgeordnete! Am 23. Juni 2003 wurden zwei
Abkommen zwischen der Europäischen Union und den
Vereinigten Staaten über Auslieferung und über
Rechtshilfe in Strafsachen unterzeichnet.
Diese Abkommen wurden gemäß Artikel 38 und 24 des
Vertrages vom Ratsvorsitz ausgehandelt, die dabei zu
jeder Zeit von der Kommission unterstützt wurden. Das
Auslieferungsabkommen enthält keine spezielle
Bestimmung, die den USA das Recht geben würde, von
einem Mitgliedstaat die Auslieferung einer Person zu
verlangen, die in diesem Mitgliedstaat eine nach dessen
Gesetzgebung verjährte Straftat begangen hat. Die
Mitgliedstaaten können jedoch eine Verweigerung mit
Sachverhalten begründen, die nicht im Abkommen
erfasst sind und möglicherweise aufgrund von geltenden
bilateralen Verträgen zwischen einem Mitgliedstaat und
den USA anwendbar sind. Das sieht Artikel 17 des
Auslieferungsabkommens zwischen der EU und den
USA vor.
Das gleiche Kriterium gilt für Ihre zweite Anfrage, d. h.
wenn die Auslieferung einer Person durch einen
Mitgliedstaat für eine Straftat gefordert wird, für die sie
in diesem Mitgliedstaat bereits verurteilt wurde. Keines
der beiden Abkommen zwischen der EU und den USA
ist bisher in Kraft getreten, da einige Mitgliedstaaten
erklärt haben, dass sie verpflichtet sind, sich an nationale
verfassungsrechtliche Verfahren für das In-Kraft-Treten
solcher Abkommen zu halten, und dass schriftliche
bilaterale Instrumente zwischen jedem Mitgliedstaat und
den USA erforderlich sind, damit die Abkommen
zwischen der EU und USA gelten.
Diese ergänzenden bilateralen Instrumente befinden sich
momentan in der Verhandlungsphase. Sobald alle
bilateralen Instrumente vereinbart sind, müssen sie noch
durch den US-Kongress ratifiziert werden.
2-250
Anfragen an Herrn Byrne
Der Präsident.  Anfrage Nr. 17 von Patricia McKenna
(H-0801/03):
Betrifft: Abkommen zwischen der EU und den USA über die
Auslieferung von Personen
1
ABl. L 181 vom 19.7.2003, S. 25.
78
Betrifft: Tierschutz beim Transport von Windhunden von Irland
nach Spanien
In Irland für Rennen gezüchtete Windhunde werden, wenn sie nicht
mehr bei Rennen eingesetzt werden können, häufig nach Spanien
ausgeführt, wo sie schrecklich behandelt werden und ihrem
Wohlergehen von den spanischen Behörden wenig Beachtung
geschenkt wird. Der Kommission dürfte bekannt sein, dass bis 2002
bestimmte EU-Mittel für die Finanzierung der Windhundzucht in
Irland bereitgestellt wurden.
Kann die Kommission über das zuständige Kommissionsmitglied für
Tierschutz mitteilen, welche Maßnahmen getroffen werden, um das
Wohlergehen dieser Windhunde zu gewährleisten, deren Zucht zum
Teil von der EU finanziert wurde? Kann die Kommission ferner
mitteilen, wie viele dieser Windhunde, für die EU-Mittel bereitgestellt
wurden, von Irland nach Spanien ausgeführt worden sind und unter
welchen Bedingungen?
2-251
Byrne, Kommission.  (EN) Ich danke Frau McKenna
für ihre Frage. Der Kommission liegt das Wohlergehen
von Tieren sehr am Herzen, und sie räumt ihm sehr
große Priorität ein. Für den Schutz von Tieren,
einschließlich von Hunden, während des Transports
gelten Gemeinschaftsvorschriften.
Gemäß dem Protokoll über den Tierschutz und das
Wohlergehen der Tiere im Anhang zum EG-Vertrag sind
die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten verpflichtet,
bei der Festlegung und Durchführung der Politik der
Gemeinschaft in den Bereichen Landwirtschaft,
Verkehr,
Binnenmarkt
und
Forschung
den
Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere in vollem
Umfang Rechnung zu tragen und dabei die Rechts- und
Verwaltungsvorschriften und Gepflogenheiten der
Mitgliedstaaten insbesondere in Bezug auf religiöse
Riten, kulturelle Traditionen und das regionale Erbe zu
berücksichtigen.
Daraus folgt, dass die Bedingungen, unter denen Hunde
wie Windhunde in den Mitgliedstaaten gehalten oder zu
Rennen bzw. zur Jagd eingesetzt werden, nicht
gemeinschaftsrechtlich geregelt sind. Diese Belange
fallen ausschließlich in die Rechtsprechung der
betreffenden Mitgliedstaaten. Da es Aufgabe der
einzelnen Mitgliedstaaten ist, eine Lösung für dieses
Problem zu finden, kann die Kommission lediglich die
zuständigen Behörden auffordern, die schlechte
Behandlung der Tiere, auf die sich die verehrte
Abgeordnete bezieht, abzustellen. Von Bedeutung ist in
diesem Zusammenhang, dass der größte spanische
Tierschutzverein im letzten Jahr erklärte, dass
Fortschritte in Bezug auf das Wohlergehen dieser Tiere
erzielt werden, und zwar u. a. durch eine Aktualisierung
der Gesetzgebung der autonomen Regionen. Ferner
wurden durch die Polizei Schritte gegen die grausame
Tötung der Tiere nach Ende der Jagdsaison eingeleitet.
Obwohl die grausame Behandlung von Hunden bzw.
deren Einsatz bei Rennen und bei der Jagd in die
ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt,
wird der kommerzielle Transport dieser Tiere über
Entfernungen von mehr als 50 km durch die Richtlinie
91/628/EWG des Rates, abgeändert durch die Richtlinie
95/29/EG geregelt.
13/01/2004
Bei den irischen, spanischen und britischen Behörden
sind offizielle Beschwerden eingegangen.
In ihrer umfassenden Erwiderung vom 5. März 2002
erläuterten die irischen Behörden die verschiedenen
Maßnahmen, die zum Schutz von Windhunden ergriffen
werden, die für den Transport in andere Mitgliedstaaten
vorgesehen sind. Sie stellten gleichzeitig Informationen
über Aspekte der Windhundaufzucht und von
Windhundrennen
bereit,
die
nicht
in
den
Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen. Die
Erwiderung von Irland bietet keine Grundlage für ein
Vertragsverletzungsverfahren.
Was Belange betrifft, die in die Zuständigkeit der
Gemeinschaft fallen, nämlich der kommerzielle
Transport von Tieren, so ließen die spanischen Behörden
verlauten, dass sie nicht in der Lage seien, spezielle
Windhundlieferungen aus Irland zurückzuverfolgen. Die
Kommission setzt ihre Nachforschungen fort.
Die
Kommission
bestätigt,
dass
keine
Gemeinschaftsmittel für die Windhundaufzucht oder
Windhundrennen bereitgestellt werden. Obwohl frühere
operationelle Programme die Bereitstellung von Mitteln
für Unterbringungs- und Aufzuchteinrichtungen für
Windhunde gestatteten, wurden seit 1993 keine
Gemeinschaftshilfen mehr gezahlt.
2-252
McKenna (Verts/ALE). – (EN) Sie sagen, dieser
Bereich wird nicht gemeinschaftsrechtlich geregelt.
Soweit ich weiß, wurden bis 2002 EU-Mittel in
bestimmter Höhe für die Windhundzucht in Irland
bereitgestellt, nachdem die Beihilfen für die Schafzucht
eingestellt worden waren, weil es zu viele Schafe gab.
Wenn das der Fall ist, sollten die Tiere, deren Zucht z. T.
aus EU-Mitteln finanziert wurde, der Kommission am
Herzen liegen. Die Lage in Spanien ist unverändert. Ich
habe vor wenigen Tagen mit jemandem gesprochen, der
einer dieser illegalen Rennstrecken in Spanien einen
Besuch abgestattet und dabei festgestellt hatte, dass dort
neun Windhunde aus Irland unter furchtbaren
Bedingungen in Rennen eingesetzt werden.
Was die Frage der mangelnden Rückverfolgbarkeit der
Tiere betrifft, so möchte ich die Kommission bitten,
Möglichkeiten für eine strenge Regelung der
Windhundzucht und der Ausfuhr von Windhunden zu
prüfen. Mikrochips ermöglichen eine ordnungsgemäße
Identifizierung und Ermittlung des Ursprungsorts eines
Tiers. Die Kommission könnte hier die Initiative
ergreifen und ein entsprechendes Gesetz erlassen. Sie
könnte die Windhundbesitzer für ihre Tiere
verantwortlich machen, und zwar nicht nur während der
zweieinhalb Jahre in Irland, in denen sie ihren Besitzern
wirtschaftlichen Nutzen bringen, sondern während ihres
ganzen Lebens.
Es ist inakzeptabel, dass diese Tiere in Ländern
Spanien unter erbärmlichen Bedingungen gehalten
in Rennen zu Tode gehetzt werden. Wir müssen
Verantwortung übernehmen. Deshalb muss
wie
und
hier
die
13/01/2004
79
Kommission die Initiative ergreifen und Vorschriften
erlassen, um dieses Problem zu beseitigen.
Bekämpfung der Ringfäule ebenfalls von
niederländischen Behörden umgesetzt wurde.
2-253
Unmittelbar nachdem die Kommission von den
britischen Behörden über den Ausbruch der Krankheit
informiert worden war, nahm sie eine sehr sorgfältige
Prüfung der vom Vereinigten Königreich bereitgestellten
Informationen vor. Die Kommission gab dem
Vereinigten Königreich die Möglichkeit, die anderen
Mitgliedstaaten auf den jüngsten Tagungen des
Ständigen Ausschusses für Pflanzenschutz im November
und Dezember 2003 entsprechend zu informieren. Der
Ursprung des Ausbruchs wird jedoch noch immer
geprüft, und für konkrete Schlussfolgerungen ist es noch
zu früh.
Byrne, Kommission.  (EN) Die verehrte Abgeordnete
hat vollkommen Recht: Bis 1992 wurden Mittel dafür
sowie für die Aufzucht von Windhunden bereitgestellt.
Wie ich bereits sagte, wurde dies aus einer Reihe von
Gründen 1993 eingestellt, und zwar u. a. weil auf EUEbene und in der Kommission Befürchtungen bezüglich
der artgerechten Tierhaltung bestanden.
Ich wiederhole, dass dies eine Frage der Zuständigkeit
ist. Weder die Kommission noch die Europäische Union
sind befugt, in Mitgliedstaaten Untersuchungen zu
Problemen durchzuführen, die eindeutig nicht in die
Zuständigkeit der EU fallen. Es ist nicht möglich, eine
EU-Zuständigkeit für ein solches Unterfangen zu
erwirken, nur weil bis 1992 eine EU-Finanzierung
bestand, die dann eingestellt wurde. Das bedeutet, dass
nur sehr wenig getan werden kann. Doch wie ich bereits
andeutete, ließen die Behörden sowohl in Irland als auch
in Spanien sowie die wichtigste Tierschutzorganisation
in Spanien in Erwiderung auf Anfragen seitens der
Kommission verlauten, dass sich die Lage beträchtlich
verbessert hat, und zwar nicht zuletzt, weil Spanien in
den autonomen Regionen entsprechende Gesetze
erlassen hat und weil die Polizei strenger gegen
Regelverstöße vorgeht.
2-254
Der Präsident.  Anfrage Nr. 18 von Philip BushillMatthews (H-0808/03):
Betrifft: Maßnahmen gegen die Niederlande wegen Verstoßes gegen
die gemeinschaftliche Pflanzenrichtlinie
Seit wann ist der Kommission bekannt, dass die Niederlande gegen die
gemeinschaftliche Pflanzenrichtlinie verstoßen?
Was hat die Kommission unternommen bzw. gedenkt sie zu
unternehmen, um die unverzügliche Beachtung der Richtlinie zu
gewährleisten, und wann will sie diese Maßnahmen ergreifen?
Wird die Kommission den Grundsatz unterstützen, dass britische
Landwirte und Züchter, die kranke Pflanzen und Saaten aus den
Niederlanden bezogen haben, entschädigt werden müssen?
2-255
Byrne, Kommission.  (EN) Ich danke Herrn BushillMatthews für seine Frage zu dieser Problematik.
den
Ich möchte unterstreichen, dass das Lebensmittel- und
Veterinäramt der Kommission im Verlauf der letzten
Jahre zu Prüfungszwecken eine Reihe von Besuchen in
den Mitgliedstaaten durchgeführt hat, um sich einen
genauen Überblick über die Kartoffelproduktion in der
Gemeinschaft zu verschaffen. Ich kann dem verehrten
Abgeordneten versichern, dass die Kommission die Lage
auch weiterhin sehr aufmerksam verfolgen wird. Die
Kommission ist zum jetzigen Zeitpunkt einverstanden
mit den vom Vereinigten Königreich im Anschluss an
den Ausbruch ergriffenen Präventivmaßnahmen sowie
mit den sowohl vom Vereinigten Königreich als auch
von den Niederlanden veranlassten Untersuchungen, um
festzustellen, wo die Krankheit ihren Ursprung und
welchen Verlauf sie genommen hat.
Zur Frage der Entschädigung. Das Gemeinschaftsrecht
sieht die Möglichkeit eines als „Solidarbeitrag“
bezeichneten finanziellen Beitrags an betroffene
Mitgliedstaaten vor. Damit sollen Ausgaben beglichen
werden, die für Maßnahmen zur Bekämpfung von aus
anderen Gebieten der Gemeinschaft eingeschleppten
Schadorganismen der Pflanzen notwendig sind. Die
Kommission hat die Vertretung von Wales in Brüssel
über die Existenz dieses Beitrags sowie die praktischen
Schritte informiert, die zu ergreifen wären, falls sie eine
solche Entschädigung beantragen möchte. Nach Eingang
der entsprechenden Unterlagen wird die Kommission
prüfen, ob die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen
für die Gewährung eines solchen Beitrags erfüllt sind.
2-256
Der Kommission sind keine konkreten Verstöße seitens
der Niederlande gegen die EU-Pflanzenschutzrichtlinie
bekannt. Es ist sogar so, dass die Richtlinie 2000/29/EG
des
Rates,
die
die
Grundlage
für
das
Pflanzenschutzregime in der Gemeinschaft bildet, von
den Niederlanden vollständig umgesetzt wurde.
Da in der Frage kein konkretes Problem angesprochen
wird, nehme ich an, dass das Auftreten von
Kartoffelringfäule in Saatkartoffeln in Wales der Anlass
für die Frage des verehrten Abgeordneten war. Diese
Kartoffeln wurden 2002 aus Samen gezogen, der aus den
Niederlanden eingeführt worden war. Ich kann
bestätigen, dass die Richtlinie 93/85/EG zur
Bushill-Matthews (PPE-DE). – (EN) Ich danke dem
Kommissar für diese sehr klare Antwort. Ich möchte
diese Frage erweitern und mich gleichzeitig dafür
entschuldigen, dass ich mich nicht von Anfang an
deutlich genug ausgedrückt habe. Es geht nicht nur um
die Kartoffelringfäule, sondern auch um eine Krankheit,
die als Phytophthera ramorum oder „Sudden Oak Death“
bezeichnet wird. Sie wurde in der EU erstmals 1997 in
den Niederlanden festgestellt und hat jetzt das
Vereinigte
Königreich
erreicht.
Sie
befällt
Rhododendron, Kamelien und einheimische Baumarten,
und letzten Monat wurde sie in Großbritannien in
Gehölzen in freier Natur festgestellt. Das ist eindeutig
ein großes Problem für unser Land. Die wichtigsten
Exporteure derartiger Produkte sind die holländischen
80
13/01/2004
Pflanzenauktionen. Es wurde zudem behauptet, dass
einige Betreiber derartige Pflanzen mit Fungiziden
besprüht haben, um potenzielle Anzeichen für eine
Erkrankung zu verbergen, was bedeutet, dass die
Erkrankung zu einem späteren Zeitpunkt offenkundig
wird.
Ich wäre der Kommission dankbar, wenn sie diese
Behauptungen prüfen und untersuchen könnte, ob eine
Verletzung der Pflanzenschutzrichtlinie vorliegt, denn
die Krankheit hat inzwischen eindeutig die Grenze
überschritten. Wir möchten, dass sie an Ort und Stelle
ausgerottet wird und dass kein anderes Land von ihr
betroffen wird wie die Pflanzen und Wälder in unserem
Land.
2-257
Byrne, Kommission.  (EN) Ich möchte dem verehrten
Abgeordneten versichern, dass ich eine Untersuchung
und eine ordnungsgemäße Beantwortung seiner
Zusatzfrage zu P. ramorum durch meine Dienststellen
veranlassen werde. Ich werde mich dann zum gegebenen
Zeitpunkt schriftlich an ihn wenden.
2-258
Der Präsident.  Anfrage Nr. 19 von John Bowis (H0813/03):
Betrifft:
Überwachung von Krebs, Tuberkulose und HIV/AIDS
Mit Sicherheit ist der Kommission die Bedeutung von Überwachung
und Vernetzung auf den Gebieten Krebs, Tuberkulose und HIV/AIDS
bewusst; die entsprechende EU-Finanzierung soll allerdings mit den
Änderungen am Aktionsprogramm für den Gesundheitsbereich enden.
Daher wird eine Lücke entstehen, und zwar im Fall von Tuberkulose
und HIV/AIDS, bis das Europäische Zentrum für die Vermeidung und
Kontrolle von Krankheiten im Jahr 2005 eingerichtet wird, und im Fall
von Krebs eine nicht zu quantifizierende Lücke. Welche Schritte
konnte die Kommission unternehmen, um sicherzustellen, dass es
keine Lücken bei der Überwachung dieser wichtigen Krankheiten gibt?
2-259
Byrne, Kommission.  (EN) Ich möchte eingangs
feststellen, dass die Überwachung von HIV/AIDS,
Tuberkulose und Krebs für die Gemeinschaft insgesamt
von großer gesundheitspolitischer Bedeutung ist und für
mich auch weiterhin eine wichtige Priorität darstellt. Die
Verantwortung für diese Überwachung – für
Krebsvorsorgetests – liegt bei den Mitgliedstaaten. Die
Aufgabe der Gemeinschaft besteht darin, einen
angemessenen Rahmen für die Koordinierung dieser
Aktivitäten zu schaffen, die gemeinsame Nutzung von
und die Information über bewährte Praktiken zu
erleichtern und die Entwicklung gemeinsamer
Methodologien und Verfahren zu fördern.
Zu diesem Zweck stellt die Kommission Mittel für die
Einrichtung von Netzwerken bereit, die standardisierte
Methoden für die Erfassung und Verarbeitung von
Informationen über Krankheiten wie AIDS, TB und
Krebs auf Gemeinschaftsebene vorsehen. Sind die
Netzwerke eingerichtet, dürften die daran beteiligten
Strukturen in der Lage sein, routinemäßige
Netzwerkaktivitäten durchzuführen. Die Gemeinschaft
sollte sich auf die Entwicklung der Zusammenarbeit im
Rahmen der Netzwerke konzentrieren, und die
Kommission wird im Rahmen der Möglichkeiten, die
der derzeitige Haushalt bietet, ihre Aktivitäten auf
diesem Gebiet fortsetzen, bis das vorgeschlagene
Europäische Zentrum für die Prävention und die
Bekämpfung von Seuchen eingerichtet ist.
Durch die Mitgliedstaaten sind die für eine
ordnungsgemäße Überwachung auf ihrem Territorium
erforderlichen
Ressourcen
bereitzustellen.
Die
Kommission wird auch weiterhin über das Netz für
übertragbare Krankheiten die Zusammenarbeit und
Koordination zwischen den Mitgliedstaaten fördern. Die
von
dem
verehrten
Abgeordneten
erwähnten
Finanzierungsentscheidungen werden daher nicht zu
einer Lücke in der Überwachung führen.
Das bedeutet nicht, dass die Gemeinschaft keinen
Beitrag zur Bekämpfung von Krebs, Tuberkulose und
HIV/AIDS leistet. Wir finanzieren bereits 15 Projekte zu
AIDS mit einem Mittelumfang von insgesamt über
4,2 Millionen Euro. Im Rahmen des Haushalts für 2003
planen wir die Unterstützung eines Projekts zum Ausbau
der Koordinierung bei der Überwachung von Infektionen
in der nördlichen Region, einschließlich HIV/AIDS und
Tuberkulose. Das Projekt wird auch Russland, die
Ukraine und Weißrussland umfassen, wo die
Infektionsraten für HIV/AIDS und Tuberkulose
Besorgnis erregend hoch sind und wo vor allem vor dem
Hintergrund der Erweiterung die Überwachung dringend
verbessert werden muss.
Bei Krebs ist die Finanzierung von drei Projekten aus
dem Haushalt für 2003 vorgesehen. Bei zwei der
Vorhaben wird es um die Rolle des Rauchens gehen und
bei einem um Informationen zum Thema Krebs. Dafür
sind insgesamt etwa 4,4 Millionen Euro vorgesehen.
Diese Mittel werden zusätzlich zu den riesigen
Investitionen der letzten 15 Jahre in die Krebsvorsorge
bereitgestellt, die bereits dazu beigetragen haben, dass
sich die Krebsepidemiologie zu einem der
höchstentwickelten Bereiche der Gesundheitsstatistik
entwickelt hat.
Es wurden viele wertvolle Vorschläge für das Programm
im Bereich der öffentlichen Gesundheit für 2003
unterbreitet, dessen Finanzierung der uns zur Verfügung
stehende Haushalt jedoch nicht gestattete. Ich verstehe
die
Probleme
derjenigen,
die
mit
den
Überwachungsnetzwerken zu tun haben, deren
Entwicklung die Kommission seit 1996 finanziert.
Die Kommission hat verschiedene Schritte zur
Verbesserung der Situation eingeleitet. Erstens haben
wir Experten mobilisiert, die uns in Bezug auf die
Finanzierungsprioritäten
im
Bereich
der
Krankheitsüberwachung im Rahmen des Arbeitsplans
für
2004
sowie
in
Bezug
auf
künftige
Finanzierungsrunden im Rahmen des Programms im
Bereich der öffentlichen Gesundheit beraten sollen.
Zweitens haben wir Empfehlungen zu Projekten im
Hinblick
auf
krankheitsspezifische
Überwachungsnetzwerke gegeben, um deren Qualität
und Finanzierungspotenzial zu verbessern. Drittens
prüfen wir derzeit dringend Möglichkeiten, wie in
13/01/2004
81
diesem
Jahr
andere
Finanzierungsmechanismen
einschließlich des Forschungsprogramms für die
Datenerfassung und –verarbeitung in den Bereichen
HIV/AIDS und Tuberkulose sowie bei der
Krebsvorsorge genutzt werden können.
Kontrollmechanismen behalten wir diese Angelegenheit
im Auge. Ich werde mich in den nächsten Wochen und
vielleicht Monaten im Rahmen der bevorstehenden
Diskussionen über den diesjährigen Haushalt dieser
Problematik erneut zuwenden.
Wir sollten ferner bedenken, dass der Haushalt 2003
nicht das Ende vom Lied ist. Künftige Arbeitspläne im
Rahmen des Programms im Bereich der öffentlichen
Gesundheit dürften vielleicht schon 2004 Möglichkeiten
zur Finanzierung von Vorhaben zur Bekämpfung von
Krebs, Tuberkulose und HIV/AIDS bieten. Die
Betonung wird dabei vor allem darauf liegen, dass die
Fortsetzung der Unterstützung der wichtigsten
Netzwerke im Bereich der übertragbaren Krankheiten
gesichert werden muss, bis das vorgeschlagene
Europäische Zentrum für die Prävention und die
Bekämpfung von Seuchen eingerichtet ist. Meine
Dienststellen werden sich dafür einsetzen, dass dies auch
bei künftigen Finanzierungsrunden deutlich wird. Ich
hoffe, dass ich mit den zahlreichen von mir
beschriebenen Vorhaben und Maßnahmen zur weiteren
Koordinierung der Überwachungsaktivitäten die Frage
des verehrten Abgeordneten beantworten konnte.
2-262
2-260
Bowis (PPE-DE). – (EN) Wie der Kommissar bin auch
ich der Ansicht, dass die Überwachung dieser
Krankheiten von fundamentaler Bedeutung ist, und
deshalb halte ich es für so wichtig, dass keine Lücke
entsteht. Als Berichterstatter für das Europäische
Zentrum für die Prävention und die Bekämpfung von
Seuchen weiß ich, dass es auch nach optimistischsten
Schätzungen frühestens 2005 seine Arbeit aufnehmen
kann. Und die bis dahin auftretende Lücke bereitet mir
Sorgen.
Natürlich wird sich das Zentrum nicht mit Krebs
befassen, da Krebs keine übertragbare Krankheit
darstellt. Es wird sich mit den beiden anderen
Krankheiten beschäftigen. Ich weiß, dass der Kommissar
nach Lösungen für die Krebsbekämpfung sucht, weil er
in der Vergangenheit mit unserem Ausschuss
entsprechende Diskussionen geführt hat. Trotzdem
möchte ich ihn bitten, genau zu prüfen, wie die für die
Überwachung
zuständigen
Organisationen
–
insbesondere im Falle von Tuberkulose und HIV/AIDS
– während der nächsten zwei Jahre unterstützt werden
können. Wir haben es hier mit einem doppelten Problem
zu tun. Einerseits ist, wie der Kommissar bereits sagte,
in Osteuropa ein sprunghafter Anstieg der Fälle zu
beobachten, und andererseits nimmt die Zahl der hier
und auf der anderen Seite des Atlantik neu
diagnostizierten Fälle mit Mehrfachresistenz gegenüber
Arzneimitteln in beängstigender Weise zu. Es kann
passieren, dass von zwei Seiten eine Krise auf uns zu
rollt.
2-261
Byrne, Kommission.  (EN) Wie ich bereits zu Herrn
Bowis sagte, sind mir diese Befürchtungen bekannt, und
ich kann nur betonen, dass die Verantwortung für diese
ganze Problematik bei den Mitgliedstaaten liegt. Mit
Hilfe
verschiedener
Überwachungsund
Der Präsident.  Anfrage Nr. 20 von José Manuel
García-Margallo y Marfil (H-0819/03):
Betrifft:
Einfuhren von Zitrusfrüchten aus der südlichen Hemisphäre
Im November sah sich Spanien gezwungen, die Einfuhren von frischen
Zitrusfrüchten aus Argentinien und Brasilien einzustellen, nachdem für
die gemeinschaftlichen Erzeugungen sehr schädliche Krankheiten
entdeckt worden waren, darunter der so genannte „Zitruskrebs“, der
schädlichste Organismus für den spanischen Zitrusfrüchteanbau.
Spanien beschloss Sofortmaßnahmen, um die Verbreitung dieser
Bakterie, bekannt als „Xanthomonas campestris (axonopodis) pv.
citri“, sowie von zwei weiteren Pilzen, „Guignardia citricarpa“ und
„Elsinoe spp.“, zu verhindern.
Plant die Europäische Kommission, im Hinblick auf die nächste
Zitrusernte der Länder der südlichen Hemisphäre irgendwelche
Vorsichtsmaßnahmen zu beschließen, um die Länder der Gemeinschaft
vor der Einschleppung dieser Organismen zu schützen, wobei
außerdem zu berücksichtigen ist, dass im konkreten Fall des
„Zitruskrebses“ dieser in diesem Jahr erstmals in Spanien festgestellt
wurde?
2-263
Byrne, Kommission.  (EN) Die Kommission teilt die
Sorge des verehrten Abgeordneten bezüglich der Gefahr,
die von den in Spanien festgestellten Organismen für die
Zitrusernte der Gemeinschaft ausgeht.
Auf der Grundlage der Mitteilung über die von Spanien
ergriffenen
Präventivmaßnahmen
gegen
Zitrusfruchteinfuhren aus Argentinien und Brasilien und
in Übereinstimmung mit den entsprechenden
Bestimmungen
des
Pflanzenschutzregimes
der
Gemeinschaft regte die Kommission auf der Sitzung des
Ständigen Ausschusses für Pflanzenschutz am 11. und
12. Dezember 2003 Diskussionen zu diesem Problem an.
Ferner hat die Kommission Argentinien und Brasilien
um zusätzliche technische Informationen über die
Situation, in der sich Spanien befindet und die auch der
Kommission große Sorge bereitet, gebeten.
Die Kommission und die Mitgliedstaaten kamen
überein, den Standpunkt auf der nächsten Sitzung des
Ständigen Ausschusses am 22. Januar 2004 zu
überdenken. Die Kommission wird dann prüfen,
inwiefern Maßnahmen zu ergreifen sind, um die
Einschleppung und Verbreitung von für Zitrusfrüchte
schädlichen Organismen wie Zitruskrebs, die in der
Gemeinschaft nicht vorkommen, zu verhindern. Die
Kommission geht davon aus, dass bis zur nächsten
Einfuhrkampagne eine zufrieden stellende Lösung
gefunden werden kann.
2-264
García-Margallo y Marfil (PPE-DE). – (ES) Herr
Präsident, ich möchte dem Kommissar für seine Antwort
danken.
82
13/01/2004
Meine Anfrage war ganz klar, die Antwort der
Kommission ebenfalls. Die Fakten sind ganz eindeutig,
und was sie betrifft, stimme ich der Kommission zu. Es
geht nicht um die Diskussion der Diagnose, es geht jetzt
um die erforderliche Therapie.
Es freut mich, dass am 22. Januar Maßnahmen ergriffen
werden sollen, und ich würde gern wissen, welche Art
von Maßnahmen die Kommission vorgesehen hat, denn
dies ist nicht der Zeitpunkt für Debatten, sondern es
heißt jetzt – wie in dem berühmten Traktat von Lenin –:
Was tun. Was tun und zwar möglichst bald, denn wenn
eine solche Krankheit eingeschleppt wird, könnte sie,
wenn sie nicht rechtzeitig aufgehalten wird, schwer zu
reparierenden Schaden anrichten.
Herr Kommissar, ich würde gern wissen, was die
Kommission auf dieser Tagung am 22. und 23. Januar
vorschlagen wird, und zwar die konkreten Maßnahmen,
die vorgeschlagen werden, und ich würde gern die
konkrete Analyse der konkreten Realität kennen lernen.
2-265
Byrne, Kommission.  (EN) Wie Sie wissen, sieht die
europäische Gesetzgebung für derartige Situationen eine
Reihe von Maßnahmen vor. Ich möchte das Ergebnis der
für den 22. Januar vorgesehenen Diskussionen nicht
vorwegnehmen, aber es gibt eine Reihe von Maßnahmen
einschließlich zeitweiliger Sofortmaßnahmen, die in
Bezug auf die nächste Einfuhrkampagne ergriffen
werden können. Ich bin sicher, Sie wissen, um welche
Maßnahmen es sich dabei handelt. Sie sind recht
einschneidend, und die Kommission ist befugt, sie zu
ergreifen. Um diese Fragen wird es gehen, falls die
Diskussion zu dem Ergebnis kommt, dass derartige
Maßnahmen erforderlich sind. Mehr kann ich im
Moment dazu nicht sagen, weil ich der Diskussion nicht
vorgreifen möchte.
2-266
Anfragen an Herrn Patten
Der Präsident.  Da sie dasselbe Thema betreffen,
behandeln wir nun die Anfragen Nr. 21, 22 und 23
gemeinsam.
Anfrage Nr. 21 von Dorette Corbey (H-0796/03):
Betrifft:
Veraltete Pestizide
Das Problem der veralteten Pestizide, von denen 20 000 Tonnen an
mehr als 5 000 Orten in der Ukraine gelagert sind, muss mit modernen
und ökologisch vertretbaren Technologien beseitigt werden. Insgesamt
werden dafür Beträge zwischen 60 und 100 Millionen US-Dollar
benötigt.
Ist die Kommission in der Lage, im Rahmen ihres bestehenden
Finanzsystems ein konkretes Programm für die Lösung dieses
Problems in der Ukraine aufzulegen?
Anfrage Nr. 22 von Jan Marinus Wiersma (H-0797/03):
Betrifft:
Veraltete Pestizide
Das Problem der veralteten Pestizide in der Ukraine spitzt sich zu. Dort
lagern über 20 000 Tonnen Pestizide an über 5 000 verschiedenen
Stellen und gefährden das Trinkwasser und die Gesundheit der
ortsansässigen Bevölkerung. Zwar wurde im Juni 2001 das Sechste
Umweltrahmenprogramm verabschiedet, das einen eigenen Abschnitt
über Pestizide enthält, der u. a. Sondermaßnahmen zur Beseitigung der
von den veralteten Pestiziden ausgehenden Gefahren vorsieht, aber
inzwischen sind dreieinhalb Jahre vergangen, ohne dass sich die
Situation entscheidend verbessert hätte.
Ist die Kommission in der Lage, eine konstruktive finanzielle Lösung
oder Maßnahme für die Ukraine vorzulegen?
Anfrage Nr. 23 von Robert Goodwill (H-0798/03):
Betrifft:
Veraltete Pestizide
Das große Problem, das die Existenz veralteter Pestizide in der
Ukraine darstellt, hat Folgen für die Gesundheit und für die Umwelt,
und es muss dringend etwas gegen die über 20 000 Tonnen veralteter
Pestizide getan werden, die über das ganze Land verteilt sind und sich
an mindestens 5 000 Stellen im Land befinden.
In Anbetracht der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23.
Oktober zum Entwurf des Gesamthaushaltsplans der EU für das
Haushaltsjahr 2004, in deren Ziffer 74 auf die Gefahren persistenter
organischer Schadstoffe und insbesondere veralteter Pestizide
hingewiesen wird und die Kommission eindringlich aufgefordert wird,
die erforderlichen zusätzlichen Anstrengungen zu unternehmen, um im
Rahmen der bestehenden Instrumente ausreichende Mittel für die
Vernichtung dieser Stoffe in der Ukraine zur Verfügung zu stellen,
wird die Kommission um folgende Auskunft gebeten.
Ist die Kommission in der Lage, Maßnahmen zu treffen, um eine
angemessene Lösung herbeizuführen?
2-267
Patten, Kommission.  (EN) Wir wissen um die
Gefahren, die von den in der Ukraine lagernden
veralteten Pestiziden für die Umwelt und die Gesundheit
der Verbraucher ausgehen, und wir wissen auch, welch
enorme Aufgabe deren Beseitigung für das Land
darstellt.
Die Ukraine hat positive Schritte zur Beseitigung einiger
der veralteten Pestizide, vor allem von persistenten
organischen Schadstoffen, unternommen, indem sie das
Stockholmer Übereinkommen über die Beseitigung und
Verringerung der Produktion und Verwendung
derartiger Schadstoffe unterzeichnete. Die Ratifizierung
des Übereinkommens steht noch aus. Die Kommission
fordert die Ukraine dringend auf, das Übereinkommen
zu ratifizieren und bei der Lösung dieses schwierigen
Problems mit der internationalen Gemeinschaft
zusammenzuarbeiten.
Die Verantwortung für den Umgang mit veralteten
Pestiziden liegt in erster Linie bei dem betreffenden
Land selbst. Während die Kommission bereit ist, die
Ukraine im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu unterstützen
– wobei ich erwähnen möchte, dass sich unsere
Unterstützung für die Ukraine auf 126 Millionen Euro
pro Jahr beläuft –, sehen die derzeitigen Hilfsprogramme
für die Ukraine keine Mittel zur Beseitigung von
veralteten Pestiziden in der Ukraine vor. Es ist sogar so,
dass Umweltfragen nicht Bestandteil der von der
ukrainischen Regierung gewählten Schlüsselbereiche für
die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union sind.
Projektvorschläge für die Beseitigung von veralteten
Pestiziden könnten jedoch in Tacis-Programme für
13/01/2004
Kleinvorhaben aufgenommen werden. In Anbetracht des
Umfangs der zu beseitigenden Pestizide kann die EU mit
ihren Mitteln lediglich einen Teil zur Lösung des
immensen Problems beitragen. Als Unterzeichner des
Stockholmer Übereinkommens hat die Ukraine
Anspruch auf Mittel aus der vorläufigen Globalen
Umweltfazilität, die den Finanzierungsmechanismus des
Übereinkommens bildet.
83
geht es um ganz beträchtliche Summen. Schätzungen
zufolge wird die Beseitigung des von mir beschriebenen
Problems mindestens 100 Millionen Euro kosten, und
deshalb wäre es unserer Ansicht nach möglicherweise
sinnvoller, die Globale Umweltfazilität für ein Problem
in Anspruch zu nehmen, das der verehrte Abgeordnete
zu Recht hervorgehoben hat.
2-270
2-268
Wiersma (PSE). – (EN) Wir bemühen uns sehr aktiv um
die Beseitigung der Folgen von Tschernobyl und anderer
Umweltkatastrophen, und werden dies auch weiterhin
tun. Doch ich möchte den Kommissar fragen, was wir
außerdem tun können, um eine neue Umweltkatastrophe
zu verhindern, sollte mit diesen Pestiziden etwas schief
gehen. Könnte er diese Problematik bei den ukrainischen
Behörden ansprechen, denn wir werden uns auf der
nächsten Tagung des Parlamentarischen Ausschusses für
die Zusammenarbeit EU-Ukraine, die für nächsten
Monat vorgesehen ist, mit ihr befassen. Sieht er weitere
Möglichkeiten bezüglich einer Kontaktaufnahme mit der
ukrainischen Regierung und für Maßnahmen im Rahmen
des Tacis-Programms? Nach den Erfahrungen mit
Tschernobyl müssen wir die Ukraine veranlassen, etwas
zu unternehmen. Der Kommissar weiß ebenso gut wie
ich, wie dieses Land funktioniert. Dieses Problem wird
für die Ukraine schwerlich oberste Priorität genießen.
Wir müssen das Land wissen lassen, dass diese
Problematik für die EU absoluten Vorrang hat.
2-269
Patten, Kommission.  (EN) Ich stimme dem Herrn
Abgeordneten vollkommen zu; veraltete Pestizide sind
ein reales und ernstes Problem, und zwar nicht nur in der
Ukraine, sondern in zu vielen Regionen der ehemaligen
Sowjetunion sowie in einigen Bewerber- und
Kandidatenländern. Schätzungen zufolge lagern in der
Ukraine etwa bis zu 20 000 t dieser Pestizide an 5 000
Standorten, und, wie der verehrte Abgeordnete weiß,
stellen sie aufgrund einer potenziellen Verseuchung von
Grundwasser, Boden, Nahrungsmitteln und selbst der
Luft eine Gefahr für die menschliche Gesundheit dar.
Der verehrte Abgeordnete erwähnte Tschernobyl. Ich
war neulich dort. Wir haben für dieses außerordentlich
komplizierte und gefährliche Umweltproblem sehr viel
Zeit und Geld bereitgestellt. Dabei arbeiten wir mit der
ukrainischen Regierung zusammen, die diesem Problem
Vorrang einräumen möchte. Doch selbst unter diesen
Bedingungen ist es nicht immer leicht. Noch schwieriger
ist es für uns, unsere Prioritäten über ein Programm wie
Tacis durchzusetzen, bei dem vom Partnerland ein
Eigenanteil bei dem von uns unterstützten Programm
erwartet wird.
Ich kann dem Herrn Abgeordneten versichern, dass wir
diese Frage und andere Umweltfragen auch weiterhin im
zuständigen Unterausschuss des Partnerschafts- und
Kooperationsabkommens ansprechen werden. Wir
werden dieses Problem auf diesen Sitzungen zur Sprache
bringen, und sollte die ukrainische Regierung uns bitten,
einige unserer Mittel dafür bereitzustellen, so werden
wir diese Bitte sehr wohlwollend prüfen. Doch dabei
De Roo (Verts/ALE). – (NL) Ich darf dem Kommissar
für seine Erläuterungen danken. Auch ich weiß, dass auf
der Ebene der ukrainischen Regierung ein Problem
besteht, aber es gibt in der Ukraine auch politische
Kräfte, die sich ganz eindeutig mit diesem Problem
befassen und die durchaus an der Seite des Europäischen
Parlaments stehen, das erklärt hat, dieses Problem müsse
gelöst werden.
Ich möchte von dem Herrn Kommissar wissen, ob er
bereit ist, den politischen Kräften in der Ukraine, die
zwar derzeit nicht an der Regierung sind, aber
möglicherweise in Zukunft sehr wohl, Mut zuzusprechen
und sie bei der Suche nach einer Lösung für dieses
überaus komplizierte und äußerst gefährliche Problem in
der Ukraine zu unterstützen.
2-271
Patten, Kommission.  (EN) Der verehrte Abgeordnete
hat völlig Recht mit seiner Feststellung, dass das von uns
diskutierte Problem vielen Gruppen in der Ukraine wie
auch vielen Umwelt-NRO am Herzen liegt, die bereits
erste Schritte eingeleitet haben. Das Problem, für das er
sich ganz besonders interessiert – die Verseuchung des
Wassers – bereitet vielen Menschen große Sorge.
Ich kann nur wiederholen, dass wir dieses Problem bei
den ukrainischen Behörden ansprechen werden. Wir sind
bereit zu prüfen, wie wir im Rahmen des TacisProgramms Unterstützung leisten können, sofern sie dies
wünschen. Der Mittelbedarf für die Beseitigung
sämtlicher Pestizide in der Ukraine übersteigt jedoch die
derzeitigen Haushaltsmittel der Europäischen Union,
obwohl wir der Ukraine nahe legen können, sich zur
Lösung dieses immens schwierigen Problems an andere
mögliche Finanzierungsquellen zu wenden.
2-272
Der Präsident.  Da die Fragestellerin nicht anwesend
ist, ist die Anfrage Nr. 24 hinfällig.
Anfrage Nr. 25 von Glenys Kinnock (H-0817/03):
Betrifft:
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
Wie reagiert die Kommission auf Besorgnisse angesichts der
Notwendigkeit, die Zielvorgaben der GASP mit der Unterstützung der
Ziele der Entwicklungszusammenarbeit im Hinblick auf die
Beseitigung der Armut in Einklang zu bringen?
2-273
Patten, Kommission.  (EN) Die Debatte über
Entwicklungsfragen und Sicherheit führt nicht dazu,
dass eine Entscheidung für das eine Ziel das andere
ausschließen
muss.
Eine
der
wichtigsten
Herausforderungen der Europäischen Union besteht
darin, die uns für die Außenbeziehungen zur Verfügung
84
stehenden Mittel besser zu nutzen. Das galt auch als eine
der Hauptaufgaben für den Europäischen Konvent.
Mehr Kohärenz erreichen wir nur, wenn wir einen
nahtlosen und abgestimmten Einsatz der gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik und aller anderen
Instrumente der Außenbeziehungen gewährleisten,
einschließlich des jährlichen Gemeinschaftshaushalts für
Maßnahmen
im
Zusammenhang
mit
den
Außenbeziehungen
in
Höhe
von
annähernd
10 Milliarden Euro, von denen 6 Milliarden Euro für die
offizielle Entwicklungshilfe vorgesehen sind.
Uns ist seit langem klar, dass die Entwicklungspolitik
und
andere
Kooperationsprogramme
die
schlagkräftigsten Instrumente der Gemeinschaft im
Kampf gegen die Ursachen von Konflikten sind. Diese
Tatsache kommt auch in der unlängst beschlossenen
Sicherheitsstrategie der Europäischen Union zum
Ausdruck. Dahinter steht eine ganz einfache Logik:
Konflikte sind eine der Ursachen für die katastrophalen
Bedingungen, unter denen die Menschen in Afghanistan
und im südlichen Sudan leben. Wenn es uns mit der
Armutsbekämpfung ernst ist, dann müssen wir etwas
gegen die Konflikte unternehmen. Ohne Frieden kann es
keine Entwicklung geben. Deshalb haben mein Kollege,
Herr Nielson, und ich auf Ersuchen unserer
afrikanischen Partner unlängst einen ehrgeizigen
Vorschlag für eine afrikanische Friedensfazilität in Höhe
von etwa 250 Millionen Euro zur Unterstützung der
Friedensbemühungen
der
Afrikanischen
Union
vorgelegt.
2-274
Kinnock (PSE). – (EN) Von einem alten Hasen der
Entwicklungspolitik, wie Sie ja selbst einer sind, können
Sie in Bezug auf die Möglichkeiten, die wir haben – vor
allem was Kohärenzfragen im Zusammenhang mit
Entwicklung, Außenpolitik und anderen Politikbereichen
wie Agrarwirtschaft und Handel in der Europäischen
Union betrifft – eine gewisse Skepsis erwarten. Einige
Probleme sind also noch offen.
Sie erwähnten die Friedensfazilität, bei der es sich um
eine Initiative der Europäischen Union handelt, die wir
natürlich sehr begrüßen. Doch soweit ich weiß, haben
einige Mitgliedstaaten vorgeschlagen, dass die
Finanzierung über regionale und subregionale
Organisationen wie die Wirtschaftsgemeinschaft
westafrikanischer Staaten erfolgen soll. Teilen Sie meine
Ansicht, dass wir uns den afrikanischen Staatschefs
anschließen sollten, die meinen, dass die Finanzierung,
Organisation, Verwaltung und Entscheidungsfindung
über die Afrikanische Union selbst erfolgen und nicht
verschiedenen anderen regionalen Organisationen
übertragen werden sollte?
13/01/2004
Patten, Kommission.  (EN) Erstens ein Wort zur
speziellen Frage der Friedensfazilität. Zu einer Zeit, da
wir versuchen, die institutionalisierte afrikanische
Solidarität zu fördern und zu unterstützen, wäre es schon
merkwürdig, wenn wir unsere maximale Unterstützung
nicht auf die Institutionen der Afrikanischen Union
konzentrieren würden. Ich stimme der verehrten
Abgeordneten daher in diesem Punkt zu.
Zweitens ein Wort zur Frage der Gesamtkohärenz. Wie
sich denken lässt, haben sich in diesem Punkt einige
Veränderungen vollzogen, seit ich vor vielen Jahren
britischer Entwicklungsminister war. Aber ich muss
sagen, dass die Gemeinschaftsprogramme mehr
Kohärenz aufweisen als zu meiner Zeit als britischer
Minister. Das heißt nicht, dass wir vollkommen sind: Es
bleibt noch vieles zu tun, nicht zuletzt im Hinblick auf
den gesamten Bereich der Außenbeziehungen. Ich
spreche nicht nur von der GASP und der offiziellen
Entwicklungshilfe. Ich hoffe, dass in der nächsten
Kommission zwei ehemalige Entwicklungsminister die
Arbeit übernehmen werden, die jetzt Herr Nielson und
ich leisten – das wäre recht hilfreich.
Was die Frage des Außenministers und die Tatsache
betrifft, dass entsprechende Bemühungen nach
Abschluss der Regierungskonferenz auf Eis gelegt
wurden, so bin ich nach wie vor der Meinung, dass,
sollte im Verlaufe der nächsten Jahre im Zuge der
Regierungskonferenz eine solche Person – Frau oder
Mann – ernannt werden, wir uns dennoch unbedingt auf
die Stärken sowohl des Rates als auch der Kommission
besinnen sollten. Es macht wenig Sinn, einen
Außenminister zu ernennen, der mit dem lächerlichen
Argument, seine Aktivitäten dürften nicht durch zu enge
Kontakte mit der Kommission beeinträchtigt werden,
von der Kommission fern gehalten wird. Es ist durchaus
möglich, die Integrität der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik zu wahren und die Beziehungen zum
Rat und zu den Mitgliedstaaten aufrechtzuerhalten und
gleichzeitig die Kompetenzen zu nutzen, für die die
Kommission zuständig ist und die uns in ihrer
Gesamtheit in die Lage versetzen sollten, eine Strategie
für die Außenbeziehungen zu erarbeiten, die den
Anforderungen des 21. Jahrhunderts entspricht.
Heute ist die Außen- und Sicherheitspolitik kein Bereich
mehr, über den einfach in den Kanzlerämtern der
europäischen Hauptstädte entschieden wird, falls er es je
war. Heute sind sowohl die Außen- und
Sicherheitspolitik als auch die Entwicklungspolitik, die
Handelspolitik, die Agrarpolitik und die externe Politik
in den Bereichen Justiz und Inneres für den Einfluss
Europas in der Welt und den spürbaren positiven
Beitrag, den wir hier leisten können, von Bedeutung.
2-276
Welche Folgen hat Ihrer Ansicht nach das Scheitern der
Regierungskonferenz in Bezug auf den – von Ihnen
entschieden befürworteten – Vorschlag in Bezug auf die
Ernennung eines europäischen Außenministers, der für
einige dieser Fragen zuständig wäre?
2-275
Korhola (PPE-DE). – (FI) Herr Präsident, wie schätzen
Sie, verehrter Herr Patten, die gestern begonnenen
Verhandlungen zwischen den USA und Lateinamerika
ein? Werden sie die Bestrebungen der Gemeinschaft, die
Kollege Kinnock in seiner Frage angesprochen hat,
13/01/2004
85
stärken oder schwächen, und wie wird die EU auf die
Initiative der USA reagieren?
Syrien einen wichtigen Anreiz für justizielle und
institutionelle Reformen.
2-277
Ferner würde das Abkommen Syrien die Integration in
die Weltwirtschaft erleichtern, und es könnte
Ausgangspunkt für weitere Initiativen sein wie die
Mitgliedschaft Syriens in der Welthandelsorganisation.
Patten, Kommission.  (EN) Ich werde diese Frage nach
den für April geplanten Tagungen im Rahmen des
ASEM-Prozesses besser beantworten können. Im
Anschluss an die informelle Tagung der Außenminister
im irischen Tullamore werden wir im April im Rahmen
des Dialogs Asien-Europa mit unseren asiatischen
Partnern zusammenkommen. Beratungen mit Indonesien
und anderen Partnerländern sind ebenfalls vorgesehen.
Ich hoffe, sie werden die Bedeutung unserer
Partnerschaft unterstreichen.
Für viele asiatische Länder ist Europa der größte
Anbieter von Entwicklungshilfe und der wichtigste
Handelspartner, und in den meisten asiatischen Ländern
ist Europa in jedem Falle der wichtigste Anbieter von
Fremdinvestitionen. Ich bin nicht davon überzeugt, dass
unser politischer Einfluss in diesen Ländern so groß ist
wie unser ökonomischer Einfluss, und ich hoffe, dass
wir das ändern können. Wir haben sehr viel getan, um
unser Verhältnis zu China zu verbessern; ich bin sehr
daran interessiert, dass uns das auch im Falle von Indien
gelingt, und ich hoffe, dass wir noch in diesem Jahr ein
Strategiedokument für unsere Beziehungen zu diesem
Land vorlegen können. Für unsere Beziehungen zu
Südostasien haben wir bereits ein Strategiedokument
erarbeitet. Wir machen erste Fortschritte, die wir auch
der Hilfe durch das Parlament zu verdanken haben, das
uns beim Aufbau von fünf neuen Delegationen in
verschiedenen asiatischen Ländern unterstützt hat.
Ich gehe davon aus, dass die Bestimmungen über
Achtung
der
Menschenrechte,
Nichtweiterverbreitung und die Kooperation bei
Terrorismusbekämpfung unsere Zusammenarbeit
Syrien in diesen Fragen erleichtern würde.
die
die
der
mit
Was die Förderung der regionalen Integration angeht, so
würde
das
Abkommen
das
Netz
der
Assoziierungsabkommen
mit
unseren
Mittelmeerpartnern vollenden. Es bildet den letzten
Schritt bei der Schaffung der in der Erklärung von
Barcelona vorgesehenen Freihandelszone EuropaMittelmeer. Wir sollten jetzt unsere Zusammenarbeit
fortsetzen, um eine Liberalisierung des Handels
zwischen
den
Mittelmeerpartnerländern
selbst
herbeizuführen.
Das Abkommen wäre das wichtigste Element in unserer
Politik der konstruktiven Zusammenarbeit mit Syrien.
Wir sind überzeugt davon, dass das Abkommen die
Reformanreize für Syrien verstärken wird, und zwar
sowohl durch eine Öffnung der Wirtschaft und der
Gesellschaft als auch durch die Eröffnung des
politischen Dialogs zu Fragen wie der Achtung
demokratischer Grundsätze und der Menschenrechte.
2-278
Der Präsident.  Anfrage Nr. 26 von Rodi KratsaTsagaropoulou (H-0825/03):
Betrifft:
Assoziierungsabkommen EU-Syrien
Am 9. Dezember 2003 sind die Europäische Kommission und Syrien
über das Assoziierungsabkommen zwischen Syrien und der EU
übereingekommen. Das Abkommen orientiert sich an den Abkommen
mit den übrigen Partnerstaaten in der Mittelmeerregion und umfasst
ein politisches, ein wirtschaftlich-finanzielles und ein sozial-kulturelles
Kapitel.
Wie beurteilt die Kommission in diesem Rahmen die Perspektiven, die
das Abkommen beiden Seiten bietet? Ist sie der Ansicht, dass der
Abschluss dieses Abkommens in naher Zukunft die regionale
Integration, die Schaffung eines positiven Klimas für die Lösung des
arabisch-israelischen Konflikts und die Demokratisierung Syriens
fördern wird?
Wie beurteilt die Kommission die vollkommen entgegengesetzte
Haltung der Vereinigten Staaten, wonach der Kongress und Präsident
Bush (vor nur wenigen Tagen) ein Gesetz angenommen haben, das
wirtschaftliche und diplomatische Sanktionen und Beschränkungen für
Syrien vorsieht? Hält die Kommission die Gründe, auf die die USA
sich bei der Annahme ihrer Politik gegenüber Syrien berufen, für
korrekt?
2-279
Patten, Kommission.  (EN) Das Abkommen, das wir
mit unseren syrischen Partnern diskutiert haben, dessen
Paraphierung jedoch noch aussteht, würde meiner
Ansicht nach eine solide Grundlage für ökonomische
und politische Reformen in Syrien darstellen. Der Abbau
von Zöllen und die Öffnung der Märkte bilden für
Ich glaube, dass die USA ebenso wie wir grundsätzlich
daran interessiert sind, Syrien als ein Land, das das
Völkerrecht respektiert und in den Bereichen
Nichtweiterverbreitung und Terrorismusbekämpfung –
so hoffen wir – zur Zusammenarbeit bereit ist, in die
internationale Gemeinschaft zu integrieren. Das
Assoziierungsabkommen sollte in dieser Beziehung als
Rahmen für die langfristige Zusammenarbeit mit Syrien
betrachtet werden.
2-280
Kratsa-Tsagaropoulou (PPE-DE). – (EL) Herr
Kommissar! Ich danke Ihnen sehr dafür, dass Sie die
Ziele und das Verfahren für den Abschluss des
Assoziierungsabkommens mit Syrien genannt haben. Ich
möchte Sie jedoch bitten, den letzten Teil meiner Frage
zu klären: Teilen Sie die Auffassungen der Vereinigten
Staaten von Amerika zu den Beziehungen mit Syrien
und seiner Rolle in der Region und bei der Erreichung
des Friedens?
Die von der Europäischen Union verfolgte Methode
unterscheidet sich von derjenigen der Vereinigten
Staaten. Im allgemeinen Rahmen gesehen mag das Ziel
übereinstimmen, aber die Methode ist unterschiedlich.
Teilen Sie die von den Vereinigten Staaten konkret
geäußerten Befürchtungen? Stehen diese Befürchtungen
in irgendeiner Weise im Zusammenhang mit der Politik
der Europäischen Union?
86
2-281
Patten, Kommission.  (EN) Ich kann mich erinnern,
dass sich Colin Powell, der amerikanische
Außenminister, den ich sehr respektiere und bewundere,
im Rahmen seiner Anhörungen vor dem Kongress, bevor
er als Außenminister bestätigt wurde, sehr konsequent
gegen automatische Sanktionen und gegen Versuche
aussprach, seine politischen Ziele durchzusetzen, indem
man jemanden durch Sanktionen zur Ordnung ruft. Er
hat das möglicherweise nicht mit eben diesen Worten
gesagt, aber zumindest sinngemäß. Er war stets ein
energischer Vertreter konstruktiver und nüchterner
Maßnahmen. Ich sage nicht, dass er uns in punkto Syrien
unbedingt zustimmen würde, aber ich denke, dass wir
diesen Ansatz im Falle von Syrien verfolgen, so wie wir
ihn auch im Falle des Iran verfolgen. Das bedeutet nicht,
dass wir einfältig sind. Das bedeutet nicht, dass es
unseren Maßnahmen an Konsequenz fehlt, aber wenn
jemand bereit ist, mit uns über Probleme wie
Menschenrechte,
Terrorismus,
Massenvernichtungswaffen und Handelsliberalisierung
zu reden, dann sollten wir bereit sein, die Hand
auszustrecken und den Betreffenden zu ermutigen.
Im Verlaufe der letzten Monate haben wir eine Reihe
äußerst nützlicher Verhandlungen mit Syrien geführt.
Die Kommission hat ebenso wie Syrien sehr viel Energie
und Mühe in diesen Prozess investiert. Syrien hat sich in
Bezug auf Fragen wie den Abbau von Zöllen in den
letzten Monaten mehr bewegt, als die meisten von uns
für möglich gehalten hätten. Als ich vor einigen
Monaten in Damaskus war, habe ich die
Menschenrechtsklausel ausgehandelt oder so gut wie
ausgehandelt, und meine ausgezeichneten Mitarbeiter
verhandeln über andere Dinge wie beispielsweise
Massenvernichtungswaffen.
Jetzt
werden
die
Vorschläge, die wir mit Syrien ad referendum des Rates
diskutiert haben, im Rat diskutiert. Der Rat wird zu
entscheiden haben, ob wir an den Verhandlungstisch
zurückkehren
und
versuchen
sollten,
mehr
herauszuholen.
Wenn es uns gelingt, ein solides und sinnvolles
Abkommen mit Syrien zu erzielen – das letzte Teilstück
im Mosaik unserer Partnerschaft Europa-Mittelmeer –
dann, davon bin ich überzeugt, wird jeder etwas davon
haben: jeder, der an einer blühenden Zukunft für die
Region
interessiert
ist;
jeder,
der
einen
Zivilisationskonflikt zwischen der europäischen, der
nordamerikanischen und der islamischen Welt
vermeiden will, und jeder, der an möglichst wirksamen
und nachhaltigen Maßnahmen gegen Terrorismus und
Instabilität interessiert ist.
2-282
Purvis (PPE-DE). – (EN) Herr Kommissar, in Ihrer
ersten Antwort kam mehrfach das Wort „Hoffnung“ vor.
Man scheint sich wohl mehr zu erhoffen als zu erwarten.
Könnten Sie uns sagen, was wir Ihrer Ansicht nach von
Syrien in Bezug auf dessen Beziehung zum Libanon und
dessen Okkupation des Landes sowie die syrische
Unterstützung der Hisbollah erwarten können?
2-283
13/01/2004
Patten, Kommission.  (EN) Man kann mit Fug und
Recht feststellen, dass wir im Rahmen der
Verhandlungen mit Syrien einen zunehmend offenen
und umfassenden Dialog über politische Fragen der
Region geführt haben. Dazu zählten die Lage im
Südlibanon, Palästina und Israel sowie die Lage auf den
Golanhöhen. Ich habe Hoffnung geäußert – und ich
hoffe, dass ich mit meinen geostrategischen
Bemerkungen nicht völlig danebenliege – weil wir von
Syrien in einer Reihe von Fragen mehr
Entgegenkommen erwarten.
Ich halte es für wesentlich sinnvoller, Gespräche zu
führen und sich um eine Einigung zu bemühen, als die
Standpunkte der Syrer der Presse zu entnehmen. Das
Wort „Hoffnung“ ist ein kleines zerbrechliches Wort,
das wir vielleicht etwas zu sehr beanspruchen. Ich würde
mich jedoch freuen, wenn es noch vor meinem
Ausscheiden aus der Europäischen Kommission zur
Unterzeichnung eines Abkommens mit Syrien käme.
2-284
Der Präsident.  Da die für die Fragestunde mit
Anfragen an die Kommission vorgesehene Redezeit
erschöpft ist, werden die Anfragen Nr. 27 bis 47
schriftlich beantwortet.1
Die Fragestunde ist geschlossen.
(Die Sitzung wird um 19.05 Uhr unterbrochen und um
21.00 Uhr wieder aufgenommen.)
2-286
VORSITZ: CHARLOTTE CEDERSCHIÖLD
Vizepräsidentin
2-287
Dienstleistungen im Binnenmarkt
2-288
Die Präsidentin.  Nach der Tagesordnung folgt eine
Mitteilung der Kommission über Dienstleistungen im
Binnenmarkt.
Nach dem Redebeitrag des Kommissars wird das
Verfahren der Wortmeldung durch Handzeichen zur
Anwendung kommen.
2-289
Bolkestein, Kommission.  (EN) Frau Präsidentin, ich
vermute, Sie erwarten, dass ich etwas sage – ich habe
früher einmal Ihre Sprache gesprochen, aber das ist
schon über 40 Jahre her.
Ich bin heute Abend hierher gekommen, um zwei
Erklärungen abzugeben. Die erste betrifft die
Dienstleistungsrichtlinie, die heute Nachmittag von der
Kommission beschlossen wurde, und bei der zweiten
handelt es sich um eine kurze Ankündigung im Namen
der Kommission und insbesondere im Namen meines
Kollegen Herrn Solbes über die Strategie zur
wirtschaftspolitischen Koordinierung und Überwachung.
1
Siehe Anlage „Fragestunde“.
13/01/2004
Beginnen möchte ich mit der Dienstleistungsrichtlinie.
Ich freue mich sehr, Ihnen heute mitteilen zu können,
dass die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie
zur Schaffung eines echten Binnenmarktes im Bereich
der Dienstleistungen angenommen hat. Das ist ein
ehrgeiziger und dabei ausgewogener und schrittweiser
Vorschlag, der die Beseitigung der rechtlichen und
administrativen Hemmnisse zum Ziel hat, die
Dienstleistungsunternehmen an der Entwicklung von
grenzüberschreitenden Aktivitäten hindern. Er stellt
möglicherweise den größten Ansporn für den
Binnenmarkt seit dessen Einführung im Jahre 1993 dar.
Er wird die Wettbewerbsfähigkeit nicht nur des
Dienstleistungssektors,
sondern
der
gesamten
europäischen
Wirtschaft
einschließlich
des
verarbeitenden Gewerbes verbessern.
Der Vorschlag trägt wesentlich dazu bei, dass die
Agenda von Lissabon wieder ins richtige Fahrwasser
gerät. Er ist das Ergebnis eines langen Prozesses, an
dessen Anfang die Dienstleistungsstrategie der
Kommission von Dezember 2000 stand. Er setzt sich mit
den im Bericht der Kommission über den Stand des
Binnenmarktes für Dienstleistungen von Juli 2002
genannten Binnenmarkthemmnissen auseinander. Das
Europäische Parlament war an diesem gesamten Prozess
beteiligt und beschloss hilfreiche Stellungnahmen zu
beiden Dokumenten. Ich freue mich daher sehr, dass ich
Ihnen heute unseren Lösungsvorschlag vorstellen kann.
Der Vorschlag entspricht der Forderung des
Europäischen Parlaments nach einem umfassenden
Vorschlag, der die Dienstleistungsfreiheit durch
Anwendung des Prinzips des Ursprungslandes, der
administrativen
Zusammenarbeit
und
der
Harmonisierung,
sofern
unbedingt
erforderlich,
gewährleisten soll.
Der Richtlinienvorschlag ist insofern umfassend, als er
sich auf sämtliche Dienstleistungen erstreckt, bei denen
aufgrund von rechtlichen oder administrativen
Hemmnissen die Vorzüge des Binnenmarktes derzeit
noch nicht genutzt werden können. Er erstreckt sich
sowohl auf die Niederlassungsfreiheit als auch die
Dienstleistungsfreiheit. Er wird einer breiten Palette von
Dienstleistungen zugute kommen, zu denen die
freiberuflichen Dienstleistungen, Dienstleistungen für
Unternehmen, Dienstleistungen in den Bereichen
Sicherheit, Umwelt, Vertrieb, Reisebüros, Hotels,
Restaurants und Unterhaltung sowie im Bereich
Gesundheit zählen. Ausgenommen sind lediglich die
Dienstleistungen, die bereits durch weit reichende
spezifische EU-Vorschriften geregelt werden wie
Finanzdienstleistungen,
Telekommunikation
und
Verkehr.
Um
die
Niederlassung
eines
Dienstleistungsunternehmens
in
einem
anderen
Mitgliedstaat zu erleichtern, sieht der Vorschlag den
Abbau des Verwaltungsaufwandes durch umfassende
Vereinfachungen administrativer Prozesse vor. So
werden eine Reihe von Niederlassungsschranken wie
Anforderungen in Bezug auf die Nationalität oder
87
„wirtschaftliche Bedarfstests“ abgeschafft. Außerdem
werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, elektronische
Verfahren einzurichten und Dienstleistungsanbietern die
Möglichkeit zu geben, an einem einzigen Anlaufpunkt
Genehmigungen einzuholen oder sonstige Formalitäten
zu erledigen. Überflüssige Genehmigungsverfahren
sollen überprüft und abgeschafft werden; die übrigen
Genehmigungsverfahren sollen transparenter und
berechenbarer gestaltet werden, wobei ausschließlich im
Voraus bekannte objektive Kriterien zur Anwendung
kommen dürfen. Weitere Schranken wie Auflagen in
Bezug auf die Anzahl der Geschäfte pro Kopf der
Bevölkerung oder feste Tarife sind ebenfalls in einem
transparenten Verfahren zu überprüfen und gegenseitig
zu evaluieren.
Um die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung
zu vereinfachen, sieht der Richtlinienvorschlag die
Anwendung des Ursprungsland-Prinzips vor, dem
zufolge ein Dienstleistungsanbieter, der bereits in einem
Mitgliedstaat „legal“ tätig ist, seine Dienstleistungen
auch in anderen Mitgliedstaaten erbringen kann, ohne
dass er weitere Auflagen des „Gast“-Mitgliedstaates
erfüllen muss. Zur Untersetzung dieses Prinzips sieht der
Vorschlag
eine
verstärkte
administrative
Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie
einige elementare einheitliche EU-weit geltende
Qualitätsanforderungen vor. So schreibt er für
Dienstleistungen, die mit bestimmten Risiken verbunden
sind, eine angemessene Berufshaftpflichtversicherung
vor.
Der Richtlinienvorschlag anerkennt den spezifischen
Charakter der reglementierten Berufe und insbesondere
die Bedeutung der Selbstregulierung, und er ruft
Berufsverbände
zur
Erarbeitung
europäischer
Verhaltensregeln auf dem Gebiet der Berufsethik auf. Er
befindet sich im Einklang mit dem Richtlinienvorschlag
über die Anerkennung beruflicher Qualifikationen und
ergänzt diesen.
Der Vorschlag präzisiert und stärkt die Rechte der
Nutzer von Dienstleistungen, um die Inanspruchnahme
von
in
anderen
Mitgliedstaaten
angebotenen
Dienstleistungen zu ermöglichen. Er stellt klar, dass
diese Rechte die Mitgliedstaaten daran hindern,
Hemmnisse zu errichten wie beispielsweise die Pflicht
zur Einholung einer Genehmigung für die
Inanspruchnahme von Dienstleistungen (z. B. von
Architekten oder Bauunternehmern aus anderen
Mitgliedstaaten)
oder
diskriminierende
Steuervorschriften zu erlassen, die Dienstleistungen aus
anderen
EU-Ländern
verteuern.
Der
Richtlinienvorschlag präzisiert die Rechte der Patienten,
indem er auf der Grundlage des Fallrechts des
Europäischen Gerichtshofs genau festlegt, unter welchen
Bedingungen
die
einzelstaatlichen
Sozialversicherungssysteme verpflichtet sind, die Kosten
für die in einem anderen Mitgliedstaaten in Anspruch
genommene medizinische Versorgung zu erstatten.
Der
Richtlinienentwurf
grenzüberschreitende
zielt
auf
Ausweitung
die
des
88
13/01/2004
Dienstleistungsangebots ab, die für die Unternehmen
neue Märkte erschließt, so dass diese wachsen und
Arbeitsplätze schaffen können. Die Verstärkung des
Wettbewerbs wird zudem wahrscheinlich eine Senkung
der Preise zur Folge haben, zur Verbreitung bewährter
Praktiken beitragen und die Innovation fördern. Vor
allem KMU werden von der erhöhten Rechtssicherheit
und besseren Marktmöglichkeiten aufgrund des
grenzüberschreitenden Angebots profitieren. Für die
Wirtschaft
insgesamt
bedeutet
dies
mehr
Wettbewerbsfähigkeit
und
mehr
und
bessere
Arbeitsplätze. Deshalb muss dieser Vorschlag
schnellstmöglich angenommen, in die einzelstaatliche
Gesetzgebung übernommen und umgesetzt werden. Das
bedeutet, dass er von allen beteiligten Institutionen ein
Höchstmaß an politischer Unterstützung erhalten muss.
Konsultation einer breiten Palette von Interessengruppen
zu diesem äußerst umfassenden Vorschlag beginnen
können. Ebenso wichtig ist, dass sich auch der Rat damit
beschäftigt. Die politischen Punkte, die ich heute Abend
ansprechen möchte und zu denen ich gern die Ansichten
des Kommissars gehört hätte, betreffen in erster Linie
den Rat. Ich freue mich, dass ich einen Vertreter des
Rates sehe, aber eben leider nur einen. Wie der
Kommissar in seiner Erklärung sagte, wird die ganze
Sache nur dann funktionieren, wenn der Rat bereit ist,
die Grundprinzipien des Binnenmarktes zu akzeptieren:
das Ursprungsland-Prinzip für die Erbringung von
grenzüberschreitenden
Dienstleistungen,
die
gegenseitige
Anerkennung
der
Niederlassungsbedingungen und den vernünftigen
Umgang mit dieser Problematik.
Die Kommission ist sich dessen bewusst, dass der
Vorschlag für eine erste Lesung im Parlament leider zu
spät kommt. Da er jedoch der Bitte des Europäischen
Parlaments nach einem umfassenden Ansatz bei der
Schaffung
eines
wahren
Binnenmarktes
für
Dienstleistungen entspricht, gehe ich davon aus, dass die
Abgeordneten
diesen
Vorschlag
gebührend
berücksichtigen und die Diskussion aufnehmen werden,
um eine solide Arbeitsgrundlage für das neue Parlament
zu schaffen und dem Ministerrat den Weg zu weisen.
Soweit zur Dienstleistungsrichtlinie.
Ich brauche den Kommissar nicht daran zu erinnern –
obwohl er möglicherweise darauf eingehen möchte –
dass der Rat, was seinen Umgang mit dieser Problematik
angeht, eine wirklich traurige Bilanz vorzuweisen hat.
Die Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der
Verkaufsförderung, die einen festen Bestandteil dieser
Problematik bildet, liegt bereits seit 15 Monaten beim
Rat. Nach dem Vorschlag des Kommissars werden wir
in der Lage sein, problemlos Marketingagenturen in
anderen Ländern einzurichten, die jedoch nicht nach
gemeinsamen Grundsätzen funktionieren werden. Ich
wüsste gern, wie der Kommissar gedenkt, den Rat
gemeinsam mit uns dazu zu bringen, dass er einen
ernsthaften Zeitplan für die Bearbeitung dieser Probleme
akzeptiert und seinen Aufgaben im Zusammenhang mit
den auf dem Tisch liegenden Paketen gerecht wird.
Nun noch einige Worte zur zweiten Problematik. Ich
teile Ihnen mit, dass die Kommission heute beschlossen
hat, die Schlussfolgerungen des Rates im Europäischen
Gerichtshof anzufechten. Diese Anfechtung wird sich
jedoch auf rein verfahrensrechtliche Elemente
beschränken,
während
die
Aspekte
der
Schlussfolgerungen des Rates, welche sich auf die
länderspezifische wirtschaftspolitische Überwachung
beziehen, unberührt bleiben. Weitere Einzelheiten dazu
finden Sie in einem Dokument mit der Bezugsnummer
IP/04/35, dass soeben veröffentlicht wurde.
2-290
Die Präsidentin.  Vielen Dank Herr Kommissar
Bolkestein. Wir wären Ihnen insbesondere dankbar,
wenn Sie uns unverzüglich über das Ergebnis
informieren würden.
2-291
Harbour (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin, im
Namen meiner Fraktion und des Ausschusses für Recht
und Binnenmarkt möchte ich den Vorschlag der
Kommission herzlich begrüßen. Wir haben die
Entwicklung des Vorschlags aufmerksam verfolgt. Wie
der Kommissar freundlicherweise feststellte, hat die
Kommission eine Reihe unserer Berichte berücksichtigt.
Ich war der Berichterstatter für die letzte Runde, und wir
arbeiten gegenwärtig an einem neuen Bericht zum
Binnenmarkt.
Wir werden also die Möglichkeit haben, uns detailliert
damit zu befassen, und ich teile die Ansicht des
Kommissars, dass es höchst wünschenswert wäre, mit
der Debatte in diesem Parlament zu beginnen. Ich hoffe,
dass mein Ausschuss das tun kann, damit wir mit der
Kollegen, ohne die Unterstützung durch den Rat
erreichen wir gar nichts. Der Binnenmarkt steht an
einem Scheidepunkt. Wenn sich der Rat nicht mit
diesem Vorschlag anfreunden kann, dann heißt das, dass
es ihm mit Lissabon und mit dem Binnenmarkt nicht
ernst ist. Offen gestanden, bildet die Zustimmung des
Rates zu dieser Richtlinie die größte Herausforderung
für den Vorschlag von Lissabon. Der Rat muss diese
Angelegenheit endlich in Angriff nehmen.
2-292
Mombaur (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Herr
Kommissar! Ich möchte Ihre zweite Erklärung sehr
herzlich und warm begrüßen, der zufolge die
Kommission
die
Verfahrensfragen
zur
Haushaltsüberwachung beim EuGH klären lässt.
Der Euro – das sei hier mal gesagt – hat bisher, in den
fünf Jahren, die wir überblicken können, eine deutlich
höhere Stabilität, als die D-Mark sie hatte. Die EuroWährung ist andererseits eine schwierige Währung, denn
sie hat nicht eine, sondern 15 nationale Finanz- und
Wirtschaftspolitiken an der Seite, sie hat einen offenen
Teilnehmerkreis, und es ist eine junge Währung. Umso
wichtiger ist es, Artikel 104 des Vertrages sowie den
begleitenden Stabilitätspakt sorgfältig einzuhalten, und
die acht Staaten und die Bürger, die ihre Hausaufgaben
gemacht haben, haben ein Recht darauf, sich darauf zu
verlassen. Deswegen ist es richtig, dass die Kommission
13/01/2004
diese Rechte klärt und die Haushaltsdisziplin einfordert.
Das alleine dient dem Vertrauen in diese neue Währung,
über die wir noch viel Arbeit vor uns haben. Herzlichen
Dank für Ihren Entschluss!
2-293
Andersen (EDD). – (DA) Frau Präsidentin, meine Frage
bezieht sich ebenfalls auf die kurze Erklärung bzw.
kurze Ankündigung, ein Verfahren gegen den Rat
anzustrengen. Ich möchte den Kommissar fragen: Mit
welchem Ergebnis rechnet die Kommission im
günstigsten Fall? Rechnet sie damit, den Fall zu
gewinnen? Welche Folgen würde das haben? Wäre es in
gewissem Maße möglich, in die Entscheidungen des
Rates einzugreifen? Was ist mit der Aussage der
Kommission gemeint, dass sich das Verfahren auf reine
Verfahrenselemente beziehen wird?
2-294
Villiers (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin, ich möchte
auf beide Erklärungen des Kommissars eingehen. Ich
begrüße den Vorschlag zur Dienstleistungsrichtlinie.
Sehr bedauerlich ist, dass er sich nicht auf
Finanzdienstleistungen erstreckt. Sofern nicht in letzter
Minute Änderungen vorgenommen wurden, sind diese
nicht Bestandteil des allgemeinen Vorschlags. Das ist
bedauerlich, weil die im Dienstleistungsvorschlag
enthaltenen allgemeinen Prinzipien wie Ursprungsland
und
gegenseitige
Anerkennung
auch
auf
Finanzdienstleistungen zutreffen, und es wäre sinnvoll
gewesen, dies durch deren Aufnahme in diesen
Vorschlag zu unterstreichen.
Vor allem aber möchte ich auf den Beschluss der
Kommission, die Aussetzung des Stabilitätspaktes durch
den ECOFIN-Rat gerichtlich anzufechten, eingehen. Das
ist eine ernste Auseinandersetzung, die sich heute noch
wesentlich verschlimmert hat. Sie führt auf anschauliche
Weise vor Augen, was zwangsläufig passiert, wenn man
versucht, in zwölf verschiedenen Ländern eine
einheitliche Währung durchzusetzen. Diese Spannungen
werden anhalten und weiter zunehmen, weil es wirklich
unmöglich ist, eine einheitliche Wirtschaftspolitik zu
verfolgen, die den Erfordernissen jedes einzelnen dieser
zwölf Länder entspricht. Mit der Erweiterung der
Eurozone und der Erweiterung der Europäischen Union
werden diese Spannungen zu- und nicht abnehmen. Ich
hoffe, dass es eine zufrieden stellende Lösung für dieses
Problem gibt, aber im Moment fügt der Verzicht der
Finanzminister im ECOFIN-Rat auf Durchsetzung der
Regelungen der Glaubwürdigkeit des Euro weiteren
Schaden zu. Erst hieß es, diese Regelungen seien die
Voraussetzung dafür, dass der Euro funktioniert. Jetzt ist
die Kommission gezwungen, diese drastischen
Maßnahmen zu ergreifen, und ein Ende der
Unstimmigkeiten ist nicht abzusehen.
Unter diesen Umständen kann es nicht verwundern, dass
die Bürger im Vereinigten Königreich, in Dänemark und
Schweden den Euro grundsätzlich ablehnen.
2-295
Bolkestein, Kommission.  (EN) Frau Präsidentin, ich
danke den Abgeordneten, die der Kommission Fragen
89
gestellt haben. Ich möchte zunächst auf die
Dienstleistungsrichtlinie eingehen. Danach werde ich
mich der anderen Problematik zuwenden.
Ich danke Herrn Harbour und Frau Villiers für ihre
Unterstützung für die Richtlinie oder zumindest für
meine allgemeinen Ausführungen zu dieser Richtlinie.
Herr Harbour sagte offen, dass die Billigung durch das
Parlament ja schön und gut ist, aber wie steht es mit der
andere Hälfte der gesetzgebenden Körperschaft in der
Union – dem Rat? Mit seiner Feststellung, dass sich der
Rat zuviel Zeit lässt – und zwar nicht nur in der von ihm
angesprochenen Frage, sondern auch in anderen Fragen
– hat er ganz Recht. Das ist sehr schlecht. Die von Herrn
Harbour angesprochene Verkaufsförderung ist nur ein
Beispiel. Es gibt noch weitere.
Herr Harbour möchte, dass der Rat einen ernsthaften
Zeitplan akzeptiert. Ich wünschte, ich könnte ihn dazu
bringen. Wie Herr Harbour weiß, hat die Kommission
sehr viel Macht, aber nicht genug, um den Rat zu
zwingen, sich an einen Zeitplan zu halten. Wir müssen
uns dem Ratsvorsitz fügen. Herr Harbour kann sich
darauf verlassen, dass die Kommission den irischen
Ratsvorsitz dringend auffordern wird, in diesem Punkt
ernsthaft etwas zu unternehmen. Letztlich spricht jedoch
der Ratsvorsitz das letzte Wort, und die Kommission
spielt die Rolle des Chors in einer griechischen
Tragödie: Sie schaut zu, kann aber kaum etwas sagen
außer: „Wehe!“ Trotzdem werden wir den irischen
Ratsvorsitz bedrängen und ihn auf seine Pflichten
hinweisen.
Frau Villiers beklagt den Umstand, dass die
Finanzdienstleistungen nicht Teil des Vorschlags sind.
Das hängt damit zusammen, dass wir, wie Frau Villiers
besser als jeder andere weiß, über einen sehr
ausgefeilten Rahmen für Finanzdienstleistungen
verfügen. Der Aktionsplan für Finanzdienstleistungen
mit seinen 42 Maßnahmen steht kurz vor dem
Abschluss. Um Unklarheiten und Überschneidungen zu
vermeiden, hielten wir es wie im Falle von anderen
Bereichen, die durch andere Rechtsinstrumente geregelt
werden, für sinnvoller, die Finanzdienstleistungen
auszunehmen.
In Bezug auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt und
die Tatsache, dass die Kommission beschlossen hat, die
Entscheidung des Rates vor dem Gerichtshof
anzufechten, sagte Herr Mombaur, dass die Kommission
die Haushaltsdisziplin einfordern müsse. Genau das tut
die Kommission; deshalb ziehen wir ja vor Gericht. Ich
freue mich, dass das Parlament die Kommission dabei
im Wesentlichen, wenn auch nicht in jedem einzelnen
Punkt, unterstützt. Die Kommission vertritt den
Standpunkt, dass wir in einer Rechtsgemeinschaft leben.
Der Stabilitätspakt stellt ein Übereinkommen zwischen
Vertragsparteien dar, und ein Übereinkommen zwischen
Vertragsparteien ist für diese rechtsverbindlich, und
dieses Recht muss gewahrt werden.
Ich sagte bereits, dass das von der Kommission beim
Gerichtshof angestrengte Verfahren verfahrensrechtliche
90
13/01/2004
Fragen betreffen wird. Unserer Ansicht nach ist es nicht
Aufgabe des Europäischen Gerichtshofes, der Union
vorzuschreiben, wie sie ihre Wirtschaftspolitik zu
formulieren hat. Deshalb wird sich der Gerichtshof auf
verfahrensrechtliche Aspekte konzentrieren, auf die
Bereiche, in denen der ECOFIN-Rat seiner Ansicht nach
vom Wege abgekommen ist.
Gleichzeitig möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass
Verfahren und Inhalt ein einheitliches Ganzes bilden.
Jetzt muss der Gerichtshof entscheiden, inwiefern die
Mitgliedstaaten bzw. der Rat auf Abwege geraten sind
bzw. ist. Ich hoffe, dass dies bald passiert. Wir wollen
nicht, dass sich das Verfahren jahrelang hinzieht. Wir
hoffen, dass ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt
werden kann, so dass uns die Stellungnahme des
Gerichtshofs im Herbst vorliegen wird.
Frau Villiers ließ uns wieder einmal wissen, dass sie den
Euro ablehnt bzw. dass Großbritannien der EWR nicht
beitreten sollte. Auf diese Debatte werde ich mich jetzt
nicht einlassen. Ich weiß, dass blinder Eifer nur schadet.
Deshalb werde ich mich aus der britischen Debatte über
den Euro heraushalten. Ferner sagte sie, dass es
„zwangsläufig“ – sie benutzte dieses Wort – zu diesen
Problemen kommt, wenn es keine einheitliche
Wirtschaftspolitik gibt, an die sich alle zwölf Länder
halten. Da bin ich anderer Meinung. Zwölf Länder haben
sich
zur
Einhaltung
des
Stabilitätsund
Wachstumspaktes verpflichtet. Solange sie ihren
Verpflichtungen nachkommen, können die zwölf Länder
unterschiedliche Wirtschaftspolitiken verfolgen. Solange
ihr Haushaltsdefizit die berühmte Grenze von 3 % nicht
überschreitet, ist meiner Ansicht nach alles in Ordnung.
Ich bin sicher, dass die Kommission diesbezüglich
weitere Vorschläge vorlegen wird. Das ist meine
Antwort an Frau Villiers in punkto Souveränität in
Wirtschaftsfragen und Defizite in der Fiskalpolitik.
2-296
Die Präsidentin.  Vielen Dank Herr Kommissar
Bolkestein.
Die Aussprache ist geschlossen.
2-297
Detergenzien
2-298
Die Präsidentin.  Nach der Tagesordnung folgt die
Empfehlung für die zweite Lesung (A5-0455/2003) von
Herrn Nobilia im Namen des Ausschusses für
Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik
betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im
Hinblick auf den Erlass der Verordnung des
Europäischen Parlaments und des Rates über
Detergenzien (1095/3/2003 – C5-0521/2003 –
2002/0216(COD)).
2-299
Nobilia (UEN), Berichterstatter. – (IT) Frau Präsidentin,
Herr Kommissar Liikanen! Als das Parlament vor zwei
Jahren mit der Prüfung der zur Diskussion stehenden
Verordnung begann, schien es völlig unvorstellbar, dass
der Rechtsetzungsprozess mit nahezu einmütiger
Zustimmung beendet werden könnte. Mit der morgigen
Abstimmung und dem Abschluss der zweiten Lesung
können wir jedoch sagen, dass das Verfahren mit der
Zustimmung aller beteiligten Akteure unter Dach und
Fach gebracht worden ist. Es sei angemerkt, dass der
anfängliche
Kommissionstext
die
einschlägigen
Rechtsvorschriften grundlegend reformiert hat, doch
waren die an dem ursprünglichen Text vorgenommenen
Änderungen
keineswegs
geringfügig.
Die
Begriffsbestimmung „Tenside“, die ergänzenden
Prüfungen,
die
Ausnahmegenehmigung,
die
Kennzeichnung, eine bessere und umfassendere
Verbraucherinformation sind Aspekte, die den Schutz
der Umwelt und der menschlichen Gesundheit
tatsächlich erweitern und das Wohlergehen von Tieren
im Rahmen der Forschung für die Weiterentwicklung
der Produkte mit berücksichtigen.
Des Weiteren sei darauf hingewiesen, dass in dem zur
Diskussion stehenden Text der Schwierigkeiten der
kleinen und mittleren Unternehmen Rechnung getragen
wird, für die einfachere Verfahren eingeführt worden
sind, ohne die notwendigen Schutzvorschriften außer
Acht zu lassen. Ich will den Text nun nicht weiter
erläutern, den das Parlament morgen hoffentlich mit
großer Mehrheit annehmen kann. Vielmehr möchte ich
sämtlichen
Fraktionen
und
ihren
Schattenberichterstattern danken, die nach einem sehr
ausführlichen Dialog den fraglichen Text während dieser
langen Phase verfasst haben. Ich denke, dass es für jeden
einen Grund gibt, um mit einzelnen Aspekten oder
Teilen des Textes im Sinne des damit geleisteten
konstruktiven Beitrags zufrieden zu sein, und dass bei
der vorerwähnten Abstimmung alle dem Gesamttext
werden zustimmen können.
Ferner möchte ich der Kommission für ihre Bereitschaft
zur Revision ihrer Vorschläge sowie für ihre
Bemühungen danken, einen sicherlich nicht einfachen
Text zu harmonisieren, damit er die jeweiligen
Standpunkte befriedigt. Ich muss sagen, durch einen
ständigen Austausch von Vorschlägen und durch das
Verständnis für die jeweils vorgebrachten Forderungen
ist am Ende auch mit der Kommission selbst eine
allgemein zufrieden stellende Rechtsvorschrift erarbeitet
worden. Einen wesentlichen Beitrag zu diesem Text hat
in der Tat auch der Rat geleistet, der angesichts der
großen Bemühungen der soeben zu Ende gegangenen
italienischen
Ratspräsidentschaft
den
Entwicklungsprozess des Textes wirksam begleitet und
unverzüglich interveniert hat, als eine Verzögerung des
Gemeinsamen Standpunkts, durch den die zweite
Lesung eingeleitet werden sollte, zu drohen schien.
Auch nicht vergessen möchte ich das Interesse der
Vertretung der irischen Regierung, die sich lange vor
ihrer Übernahme des gegenwärtigen Vorsitzes eingesetzt
und damit gezeigt hat, dass sie wirklich bestrebt ist,
besagten Text soweit wie möglich zu optimieren.
Nach diesen Darlegungen, an denen zu sehen ist, dass
wir einen langen gemeinsamen Weg hinter uns haben,
weigere ich mich, es für möglich zu halten, dass der
13/01/2004
einzige
Punkt,
in dem offensichtlich noch
Meinungsunterschiede bestehen, tatsächlich ein Grund
für die Einleitung des Vermittlungsverfahrens sein
könnte. Ich beziehe mich auf die Bestimmung der so
genannten Revision, mit der die Kommission sich
verpflichtet, dem Parlament und dem Rat einen Text für
den anaeroben biologischen Abbau der Tenside sowie
für den biologischen Abbau der anderen Komponenten
binnen fünf Jahren sowie Vorschläge zur Überprüfung
des Phosphatgehalts in drei Jahren zu unterbreiten. Das
Problem besteht offensichtlich jedoch weniger darin als
vielmehr in der Möglichkeit, dass dies in der nächsten
Legislaturperiode geschieht, und zwar deswegen, weil
die übliche Formel hinsichtlich des In-Kraft-Tretens der
vorliegenden Verordnung faktisch verhindern würde,
dass die oben genannte Verpflichtung in der kommenden
Legislaturperiode erfüllt wird. Bekanntlich sind
Kompromisstexte vorgelegt worden, die alle, wie schon
gesagt, auf allgemeine Zustimmung gestoßen sind.
Die Lösung des soeben dargelegten Problems ist in den
vorgenannten Texten enthalten. Ich bin mir sicher, alle
Fraktionen werden mit einer solchen Lösung konform
gehen können, und mit einem Appell an die Kommission
möchte ich hoffen, dass ein glücklicher Ausgang für das
Problem gefunden werden kann, um einen recht
problematischen Gesetzgebungsprozess zu einem
allgemein zufrieden stellenden Abschluss bringen zu
können.
2-300
Liikanen, Kommission.  (EN) Frau Präsidentin, ich
möchte eingangs das Parlament dazu beglückwünschen,
dass es ihm gelungen ist, diesen technisch recht
komplexen Vorschlag zu einem erfolgreichen Abschluss
zu bringen.
Die zweite Lesung ist trotz der Vielzahl der Fragen, die
noch zu klären waren, sehr zügig verlaufen. Mein
besonderer
Dank
gilt
Herrn
Nobilia,
dem
Berichterstatter, für seinen großen persönlichen Einsatz
in dieser Angelegenheit.
Die Kommission ist erfreut darüber, dass der Vorschlag
jetzt in die Endphase geht. Der Vorschlag verfolgt zwei
Ziele: Die Verbesserung des Schutzes der Umwelt und
der Verbraucher bei gleichzeitiger Gewährleistung und
Verbesserung des Binnenmarktes für Detergenzien.
Der Vorschlag modernisiert die Gesetzgebung zu
Detergenzien in dreierlei Hinsicht. Erstens führt er
strengere Tests in Bezug auf die biologische
Abbaubarkeit von Tensiden ein. Zweitens erweitert er
den Anwendungsbereich der Gesetzgebung, so dass er
sämtliche Tenside umfasst. Drittens sieht er eine
Kennzeichnung zugunsten der Gesundheit der
Verbraucher vor.
Ferner möchte ich daran erinnern, dass dieser Vorschlag
die EU-Gesetzgebung vereinfacht, indem fünf
Richtlinien und eine Empfehlung der Kommission durch
eine einzige Verordnung ersetzt werden. Es handelt sich
91
dabei um eine echte Vereinfachung; in diesem Bereich
wird meist viel geredet und wenig gehandelt.
Allerdings bedauert die Kommission, dass das Parlament
es vorgezogen hat, in einem Vorschlag für
Gemeinschaftsvorschriften, der u. a. auf mehr
Harmonisierung und die Förderung des Binnenmarktes
abzielte, die Betonung auf einzelstaatliche Maßnahmen
zu Detergenzien zu legen. Dennoch stellt die
vorgeschlagene Verordnung in Bezug auf strengere
Tests und die Erweiterung des legislativen
Geltungsbereichs im Falle von Tensiden sowie die
bessere
Information
der
Verbraucher
einen
beträchtlichen Fortschritt dar. Das sind die Aspekte, auf
die wir uns im Moment konzentrieren sollten.
Es liegt sowohl im Interesse der Kommission als auch
des Parlaments, dass der Text noch vor Ablauf der
jetzigen Legislaturperiode definitiv angenommen wird.
Die Chancen dafür stehen gut, sofern wir uns darauf
einigen können, unwesentliche Punkte beiseite zu lassen
und uns auf die wesentlichen Vorzüge zu konzentrieren.
Deshalb unterstützt die Kommission das vom
Berichterstatter vorgelegte Kompromisspaket, also die
Änderungsanträge 30 bis 37. Folglich kann die
Kommission keinen der anderen Änderungsanträge
befürworten.
2-301
Florenz (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Herr
Kommissar, lieber Herr Kollege Nobilia! Herzlichen
Dank für die sehr angenehme und erfolgreiche
Zusammenarbeit in den letzten Jahren. Ich freue mich,
dass wir uns in der letzten Phase auf sieben wichtige
Kompromissänderungsanträge geeinigt haben, und ich
darf Ihnen sagen, dass die EVP nach kritischer
Abwägung alle sieben Änderungsanträge unterstützen
wird.
Ich persönlich bin sehr froh, dass wir nationale
Regelungen beibehalten dürfen. In Ihrem Land z. B. gibt
es schon erhebliche Verbote beim Phosphateinsatz, in
meinem auch. Ich glaube, dass dies der richtige Weg ist,
dass die Länder, die in dieser Frage weiter gehen, jetzt
nicht gestutzt werden oder gar die Uhr zurückdrehen
müssen, sondern dass sie ihre bisherigen erfolgreichen
Standards weiter behalten dürfen. Ich glaube, das ist ein
gutes Signal für die Umweltpolitik, aber insbesondere
auch ein gutes Signal in Hinblick auf die Erweiterung
der Europäischen Union. Der Änderungsantrag mit den
fünf Jahren – die Fachleute wissen, was das ist – bleibt
zwar bestehen, aber die EVP wird im Großen und
Ganzen die drei Jahre in dem Kompromiss unterstützen.
Ich halte es auch für wichtig, dass in dieser Verordnung
mit den Ausnahmeregelungen wirklich Maß gehalten
worden ist, und ich freue mich, dass es in der Frage der
Umsetzungspflichten so gut wie keine Ausnahmen gibt.
Ich freue mich außerdem, dass wir in anderen Bereichen,
von denen wir wissen, dass wir Ausnahmen brauchen,
auch mutig Ausnahmen gemacht haben, nämlich im
Bereich von ganz speziellen Reinigungsmitteln für kleinund mittelständische Unternehmen, die sich ja gerade
92
eine Nische suchen mussten und hier eben nicht
Allerweltsdetergenzien einsetzen können, sondern ganz
spezielle, z. B. in Krankenhäusern oder Großküchen. Die
Abwägung aller Komponenten bei der Frage der
Nachhaltigkeit, nämlich Ökologie, Ökonomie und
Soziales, ist hier – glaube ich – gelungen.
Vor etwa zehn Jahren waren markante Schaumberge auf
unseren Flüssen der Auslöser, um die Wasserpolitik
bezogen auf Phosphate zu ändern. Wir sind dabei
tatsächlich einen Schritt weiter gekommen. Ich freue
mich, dass wir nicht mehr am Ende bei der Kläranlage
reparieren, sondern dass wir bereits bei der
Stoffeinleitung zu innovativen Regeln in Europa
kommen, und dies nicht immer mit der Keule des
Gesetzes, lieber Alexander, sondern indem wir unsere
Unternehmen mit innovativen Instrumenten motivieren,
weiterzuarbeiten. Ich glaube, das haben wir geschafft.
Ein Punkt, der für uns alle gilt, bleibt offen: Der
Gesetzgeber kann nur Auflagen für Mengen und
Produkte vorschreiben, aber er kann den Umgang mit
Waschmitteln und Detergenzien nicht regulieren. Wenn
für ein Kilo die gleiche Menge an Waschmittel
verwendet wird wie für fünf Kilo, dann liegt da die
tatsächliche Umweltverschmutzung. Da gibt es am
Bewusstsein der europäischen Bürger – bei mir natürlich
auch – noch eine Menge zu tun.
2-302
Sacconi (PSE). – (IT) Frau Präsidentin! Die Bedeutung
des Verfahrens, um das es hier geht, ist offenkundig,
darin sind wir uns alle einig. Der Gemeinsame
Standpunkt des Rates bietet eine akzeptable Grundlage
für einen Kompromiss. Gleichwohl sind einige der
Punkte, die Diskussionsgegenstand waren und vom
Parlament in erster Lesung angenommen wurden, nicht
hinlänglich berücksichtigt worden. Deshalb halte es auch
ich für wünschenswert, unter Beachtung der Hauptziele
dieser
Verordnung,
nämlich
Gesundheit,
Verbraucherschutz und Umweltschutz, hier zu einem
besseren Gleichgewicht zu gelangen.
Zweck der von meiner Fraktion im Einverständnis mit
dem
Berichterstatter
erneut
eingebrachten
Änderungsanträge ist die Verwirklichung eben dieser
Ziele im Interesse der Grundprinzipien der
Umweltstrategie: Vorsorgeprinzip, Verursacherprinzip
und Substitutionsprinzip. Die Beschränkung des
Anwendungsbereichs der Verordnung auf den
biologischen Abbau der in den Detergenzien enthaltenen
Tensiden stellt keinen Widerspruch zu diesen
Grundsätzen dar. Der anaerobe biologische Abbau, der
biologische Abbau der wichtigsten organischen
Inhaltsstoffe von Detergenzien, die nicht zu den Tenside
gehören, sowie der Phosphatgehalt und insbesondere die
Verwendung von Phosphaten müssen als Ergänzung zur
Verordnung über Detergenzien gesondert geregelt
werden. Der Ausschuss fordert nahezu einstimmig die
Unterbreitung eines neuen Legislativvorschlags zum
schrittweisen Verbot dieser Substanzen oder zur
Begrenzung ihrer spezifischen Anwendungen auf drei
13/01/2004
Jahre nach
Verordnung.
Veröffentlichung
der
vorliegenden
Dies wurde zwischen den Vertretern des Parlaments und
des Rates im Voraus vereinbart, um zu versuchen, das
Rechtsetzungsverfahren, das meines Erachtens ein
vernünftiges Paket beinhaltet, in zweiter Lesung
abzuschließen, vor allem im Hinblick auf die rasche
Verabschiedung der Verordnung. Die Annahme
irgendeines von diesem Kompromiss abweichenden
Änderungsantrags würde meiner Meinung nach deshalb
nur geringe Verbesserungsmöglichkeiten bieten, wenn
nicht gar die gesamte Verordnung gefährden.
Infolgedessen bin ich der Meinung, das Parlament darf
sich von diesem Gleichgewicht nicht entfernen, und es
wäre paradox, wenn dies im Zuge einer Revision der
ökologischen Bedeutung der Verordnung geschähe.
Abschließend bleibt mir nur noch, den Berichterstatter
und die Schattenberichterstatter sämtlicher Fraktionen zu
ihrer Bereitschaft und zu ihrem Engagement zu
beglückwünschen.
2-303
Sjöstedt (GUE/NGL).  (SV) Frau Präsidentin! Unsere
Fraktion unterstützt die vom Berichterstatter vorgelegten
Kompromissänderungsanträge. Wir hätten in vielen
Bereichen
gern
weitergehende
und
strengere
Rechtsvorschriften erreicht, halten es aber für sehr
wichtig, zu einem Beschluss zu gelangen, der dann
möglichst umgehend in Kraft tritt.
Die Vorschläge, die den einzelnen Mitgliedstaaten die
Beibehaltung und Einführung strengerer Vorschriften
ermöglichen, was mehrere Mitgliedstaaten bereits getan
haben, sind für uns besonders wichtig. Eine der
Hauptfragen ist die Beendigung der Verwendung von
Phosphaten. Es gibt gute Argumente für eine sofortige
Aufgabe dieser Stoffe. Wir wissen, dass Phosphate zu
einer
erheblichen
Eutrophierung
führen
und
beispielsweise in der Meeresumwelt beträchtliche
Umweltprobleme verursachen. Es gibt bekanntlich
vollwertige Ersatzstoffe, und einige Länder haben die
Verwendung von Phosphaten bereits auslaufen lassen.
Manchmal besteht in der Politik ein Widerspruch
zwischen dem, was politisch möglich und dem, was
wünschenswert ist. Aus diesem Grunde unterstützen wir
einen politisch möglichen Kompromiss, d. h. die
schrittweise Einstellung der Verwendung von
Phosphaten innerhalb von drei Jahren. Wünschenswert
wäre jedoch, sie bereits heute vom Markt zu nehmen.
Daher werden wir versuchen, beide Wege zu gehen. Wir
werden für den Änderungsantrag der Fraktion der
Grünen / Freie Europäische Allianz stimmen, der ein
sofortiges Ende der Verwendung fordert, glauben
jedoch, dass letztendlich der politische Kompromiss
angenommen wird.
2-304
De Roo (Verts/ALE). – (NL) Frau Präsidentin!
Zunächst möchte ich dem Kollegen Nobilia für die
phantastische Zusammenarbeit danken. Da mir nur eine
Minute bleibt, muss ich mich kurz fassen. Im Grunde ist
13/01/2004
nur noch ein großes Problem übrig geblieben, und das
sind die Phosphate. Phosphatfreie Detergenzien sind in
einigen Ländern vorgeschrieben, beispielsweise auf der
Grundlage einer freiwilligen Vereinbarung mit den
Herstellern
und
mitunter
in
Form
von
Rechtsvorschriften. Allerdings sind in einigen Ländern
der alten Fünfzehn wie Spanien nach wie vor
phosphathaltige Detergenzien auf dem Markt. In einer
Vielzahl der neuen Länder, die demnächst beitreten,
enthalten zwei Drittel der Detergenzien manchmal noch
immer Phosphate. Es wäre ganz einfach, diese zu
ersetzen, und eigentlich hätte die Kommission dies
schon lange vorschlagen müssen. Soviel ich weiß, liegt
dazu auch ein Kommissionsvorschlag in der Schublade.
Was hindert die Kommission also daran, ihn nun endlich
herauszuholen und diese drei Jahre nicht abzuwarten?
Zudem noch eine Frage an die Kommission. Trifft es zu,
dass ein Land, nämlich Frankreich, den Kompromiss
blockiert hat? Sonst hätte sich diese ganze Sitzung
erübrigt und hätten wir schon längst einen Kompromiss
herbeigeführt. Ich hätte gern eine Antwort auf diese
Frage. Hat nur Frankreich eine Blockadehaltung
eingenommen?
2-305
Blokland (EDD). – (NL) Frau Präsidentin! Im Namen
der Fraktion für das Europa der Demokratien und der
Unterschiede möchte ich den Berichterstatter Nobilia zu
dem
erzielten
Kompromiss
mit
dem
Rat
beglückwünschen. Im Hinblick auf die Beurteilung von
Detergenzien trägt diese Rechtsvorschrift den
Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit
hinreichend Rechnung. Übereinstimmung wurde über
Befreiungen, Phosphate und Kennzeichnung erzielt, und
auch ich habe meine Unterstützung bekundet, indem ich
die Kompromissänderungsanträge mitunterzeichnet
habe. Speziell hinsichtlich der Phosphate halte ich es für
sinnvoll, dass Mitgliedstaaten diese verbieten können,
wie es bereits einige praktiziert haben. Eine Verbot von
Phosphaten zeitigt zudem den positiven Effekt, dass die
Verbreitung des schädlichen Cadmiums in die Umwelt
zurückgeht. Bei der Gewinnung von Phosphaten wird
nämlich Cadmium freigesetzt.
Die jüngste Schlussfolgerung des wissenschaftlichen
Ausschusses für Toxikologie, Ökotoxikologie und
Umwelt gibt jedoch Anlass, ein EU-weites Verbot von
Phosphaten zu überdenken. Der wissenschaftliche
Ausschuss hat die nachteiligen Auswirkungen von
Phosphaten aufgezeigt und die Alternativen für gut
befunden. Wie steht der Kommissar dazu?
Abschließend
stimmt
es
mich
froh,
dass
Übereinstimmung über die Kennzeichnung erzielt
worden ist. Einfache Texte auf Erzeugnissen, die nach
eingehender Bewertung genehmigt worden sind, sollten
ausreichen. Wenn der neugierige Verbraucher noch
mehr wissen will, dann sollte er den Hersteller über die
Website oder das Telefon konsultieren.
2-306
Doyle (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin, das
Hauptziel der EU-Politik im Bereich der Detergenzien
93
besteht darin, den Binnenmarkt für diese Erzeugnisse zu
gewährleisten und vor allem ein hohes Schutzniveau für
Mensch und Umwelt zu sichern. Der Vorschlag stellt,
wie der Kommissar sagte, eine Konsolidierung und
Modernisierung der fünf bestehenden Richtlinien dar,
aus denen eine Verordnung im Hinblick auf die
biologische Abbaubarkeit von Tensiden hervorgehen
soll. Bei diesen Stoffen handelt es sich um wichtige
Substanzen, die in Detergenzien als Katalysatoren zum
Abbau der Oberflächenspannung der Flüssigkeit, in der
sie gelöst sind, verwendet werden, wie im Falle von
Ölen oder Fetten, die auf dem Abwaschwasser
schwimmen. In erster Linie geht es darum, eine Lösung
für das Problem des von Tensiden verursachten Schaums
auf unseren Gewässern zu finden. Die fehlerhafte
Installation von Geschirrspülern und Waschmaschinen
hat im Verlaufe der Jahre – auf jeden Fall in meinem
Heimatland, aber ich vermute auch in anderen Ländern –
ganz wesentlich zu dieser Schaumbildung auf unseren
Gewässern beigetragen. Häufig werden diese Geräte von
den Besitzern falsch angeschlossen, so dass ihr
Abwasser als Oberflächenwasser direkt in die Flüsse
gelangt,
anstatt
an den
Schmutzwasserablauf
angeschlossen zu werden, über den das Abwasser zu
Aufbereitungsanlagen gelangt. Dadurch werden unsere
Gewässer unnötig stark belastet.
Die
gemeinschaftsweite
Harmonisierung
der
Gesetzgebung für Detergenzien durch diese Verordnung
gewährleistet gleiche Ausgangsbedingungen und
befindet sich im Einklang mit den Vorschlägen von
Lissabon. Sie berücksichtigt zudem die Grundsätze einer
nachhaltigen bzw. umweltfreundlichen Entwicklung, wie
die Göteborger Strategie sie vorsieht. Die Kosten einer
saubereren Umwelt und von saubererem Wasser lassen
sich jedoch nur schwer quantifizieren. Dieser integrierte
zweigleisige Ansatz, der ökologische und ökonomische
Belange vereint, ist ein positiver Ausgangspunkt.
Ich begrüße diesen Vorschlag, weil er einerseits für eine
bessere Information der Verbraucher sorgt – vor allem
derjenigen, die unter Allergien leiden – und weil er
durch ein höheres Maß an Transparenz und
Verantwortung der Hersteller zu mehr Produktsicherheit
beiträgt, die mit Hilfe eines Systems nationaler
Sanktionen im Falle von Verstößen durchgesetzt wird.
Dieser Prozess ist für alle Beteiligten – Hersteller,
nationale Behörden, Verbraucher – von Bedeutung. Sie
alle werden von der Verordnung profitieren. Ich begrüße
nicht nur die Tatsache, dass der Vorschlag der
biologischen Abbaubarkeit von Tensiden die ihr
gebührende Bedeutung beimisst, sondern auch die
Änderung
in
der
Überprüfungsklausel
im
Kompromisspaket, der zufolge innerhalb von drei
anstelle von fünf Jahren die Notwendigkeit von
Vorschriften für Phosphate zu prüfen ist. Phosphatfreie
Detergenzien sind notwendig.
Studien in meinem Heimatland haben eine statistisch
relevante ursächliche Verbindung zwischen der
Eutrophierung oder Algenblüte, die sich sehr nachteilig
auf die Wasserqualität und Wasserökosysteme auswirkt,
94
und Phosphorkonzentrationen ergeben. Aus einer
unlängst in Irland durchgeführten Erhebung ging hervor,
dass die Sauberkeit der irischen Binnengewässer zwar
noch immer deutlich über dem europäischen
Durchschnitt liegt, dass jedoch bis zu 30 % der
Flussläufe Phosphatverschmutzungen aufweisen. Unsere
Regierung hat 1999 Vorschriften erlassen, um dieser
Tendenz entgegenzuwirken, die einschlägigen Angaben
zufolge seit den achtziger Jahren das größte Problem für
die irischen Binnengewässer darstellt. Dieses Problem
muss jedoch auf europäischer Ebene im Einklang mit der
Richtlinie über gefährliche Stoffe im Wasser und in
Verbindung mit der im Oktober 2000 erlassenen
Wasserrahmenrichtlinie geprüft werden.
Abschließend möchte ich mich der Unterstützung
anschließen, die der irische Ratsvorsitz für das vom
italienischen Ratsvorsitz, der Kommission und dem
Berichterstatter vereinbarte Kompromisspaket zum
Ausdruck gebracht hat.
2-307
Bowe (PSE). – (EN) Frau Präsidentin, wie meine
Vorredner kann auch ich das als Kompromiss geschnürte
Paket befürworten. Ich danke dem Berichterstatter für
die von ihm geleistete Arbeit. Der Kompromiss konnte
sehr rasch und in einem sehr nützlichen Verfahren erzielt
werden. Doch wie so viele meiner Kollegen befürworte
ich ihn nicht ganz uneingeschränkt.
In den letzten Jahren ist zumindest in Westeuropa der
Phosphatgehalt des Trinkwassers um 50 bis 80 %
gesunken. Seit den 80er Jahren ist ein ständiger
Rückgang zu verzeichnen. Das ist in erster Linie auf die
Kontrolle der Detergenzien zurückzuführen. Jetzt
entscheiden wir uns, wie ich hoffe, für noch strengere
Gesetze. Sie werden für ein größeres Gebiet gelten, das
von Limerick – das Frau Doyle sehr gut kennt – bis zu
neuen Standorten wie Lettland, Nikosia und anderen
Teilen Mittel- und Osteuropas reichen wird. Wir können
davon ausgehen, dass dies zur Erhöhung der Sauberkeit
sämtlicher in die Ost- und die Nordsee mündenden
Flüsse beitragen wird. Die europäischen Flüsse werden
weniger Schaum aufweisen als die Badewannen der
Europäer.
Diese neuen Maßnahmen in Bezug auf die
Kennzeichnung
von
Detergenzien
und
die
Gewährleistung ihres sicheren Abbaus bei Einleitung in
Wasser sind jedoch nicht ausreichend. Durch die
Entfernung von Phosphaten aus den Waschmitteln für
unsere Wäsche ließe sich dieses Problem ganz einfach
lösen oder zumindest in vielerlei Hinsicht verringern.
Das ist uns mit diesem Vorschlag jedoch nicht gelungen.
Ich glaube, dass das Parlament dies gern erreichen
möchte, und unserer Ansicht nach sollte die Kommission
dieses Problem aufgreifen.
Eine Sache, auf die meine Vorredner nicht eingegangen
sind, betrifft die Fortsetzung von Tierversuchen zur
Bewertung von Detergenzien. Diese Praxis kann nicht
mehr hingenommen werden. Die Kommission muss
einen klaren Zeitplan für die Entwicklung alternativer
13/01/2004
Testmethoden vorlegen. Das ist seit langem überfällig.
Die Kommission hat offenbar diese Gelegenheit erneut
verpasst. Dennoch werde ich so wie meine Kollegen
dem Kompromiss morgen zustimmen.
2-308
Schörling (Verts/ALE).  (SV) Frau Präsidentin!
Lassen Sie mich zunächst dem Berichterstatter und allen,
die an dem eingebrachten Vorschlag beteiligt waren,
gratulieren. Ich finde, es ist eine überraschend gute
Arbeit geleistet worden.
Dieser Bericht ist wichtig für die Umwelt, spricht aber
auch eine Verbraucherfrage von großer Bedeutung an,
da Detergenzien wichtige Waren des täglichen
Gebrauchs sind. Die Verbraucher müssen vollständige
und ausreichende Informationen erhalten, damit sie die
Marktentwicklung durch die Wahl umweltfreundlicher
Produkte beeinflussen können.
Was die Phosphate betrifft, so wird in Schweden, wo
immer noch phosphatenthaltende Detergenzien im
Umlauf sind, dahingehend argumentiert, dass wir
einerseits Kläranlagen besitzen, die Phosphate behandeln
können und dass andererseits auch die Alternativen nicht
gänzlich problemfrei seien. Ich habe diese Argumente
akzeptiert.
In den nun von der Fraktion der Grünen / Freie
Europäische Allianz eingebrachten Änderungsanträgen
40-46
gehen
wir
von
der
Aussage
des
Wissenschaftlichen Ausschusses aus, dass die Phosphate
erhebliche Probleme verursachen, die bei den
vorhandenen Alternativen nicht auftreten. Damit ist es
meines Erachtens an der Zeit, die Phosphate wirklich zu
verbieten, wenn sie derart gefährlich sind und das
Mittelmeer verschmutzen usw. Lassen Sie uns nicht
darauf warten. Aus diesem Grunde möchte ich, dass wir
für diese Änderungsanträge stimmen, so dass die
Kommission einen diesbezüglichen Vorschlag erarbeiten
kann.
2-309
Marques (PPE-DE). – (PT) Frau Präsidentin, Herr
Kommissar, meine Damen und Herren! Wie ich während
der Aussprache zur ersten Lesung erklärt habe, stellt die
uns vorliegende Verordnung meiner Meinung nach einen
Fortschritt dar, insbesondere für Hersteller, Verbraucher
und den Umweltschutz. In der Tat bewegen wir uns in
Richtung der erwünschten Modernisierung des
Rechtsrahmens für die Überwachung des biologischen
Abbaus von Detergenzien, der ja bereits von Anfang der
siebziger Jahre datiert. Bitte gestatten Sie mir jedoch,
meine Enttäuschung über zwei Punkte zu äußern, die ich
für besonders relevant und heikel halte.
Der
erste
betrifft
die
Notwendigkeit,
die
Rechtsvorschriften für die zusätzliche Kennzeichnung zu
harmonisieren, vor allem das Verbot von Abbildungen,
die die Gefahr eines Verschluckens von Detergenzien
noch erhöhen, beispielsweise Darstellungen von
Früchten oder anderen Lebensmittelerzeugnissen. Diese
Bilder sind besonders für Kinder gefährlich, weil sie ins
Auge fallen und damit das Risiko erhöhen, dass Kinder
13/01/2004
den Inhalt schlucken. Das derzeit geltende System
verbietet nur gefährliche Stoffe und Zubereitungen, was
doch eindeutig nicht ausreicht. Ich schlage deshalb vor,
dass wir zum Schutz der Verbraucher, insbesondere der
schwächsten, noch weiter gehen.
Ferner möchte ich mein Unverständnis über die
obligatorische
Einführung
nationaler,
nicht
harmonisierter Prüfverfahren mit der Verordnung zum
Ausdruck bringen, ohne dass die Verordnung einen
Zeitplan für ihre Veröffentlichung enthält. Aus meiner
Sicht sind die Lösungen, die wir für all diese Aspekte
gefunden haben, keineswegs ideal.
2-310
Liikanen, Kommission.  (EN) Frau Präsidentin, ich
danke den Parlamentsabgeordneten für diese sehr
konstruktive Aussprache. Ich möchte auf die
Phosphatproblematik zurückkommen, die von einer
Reihe von Abgeordneten angesprochen wurde. Wir
dürfen nicht vergessen, dass Dünger eine wichtige
Phosphatquelle darstellen. Etwa 50 % der Phosphate
stammen von Düngemitteln. Ich habe vor Jahren in
einem mir wohl bekannten Land eine Abgabe auf stark
Phosphat haltige Düngemittel vorgeschlagen. Damit
konnte das Problem zumindest teilweise gelöst werden.
In vielen Ländern haben die Behörden reagiert. Die
Verwendung von Phosphaten in Detergenzien ist durch
einzelstaatliche
Regelungen
oder
freiwillige
Vereinbarungen in Mitgliedstaaten, die derartige
Maßnahmen für erforderlich halten, praktisch verboten.
Einzelstaatliche Maßnahmen existieren derzeit in den
meisten Mitgliedstaaten, und in einigen Fällen gibt es sie
bereits seit vielen Jahren. Deshalb wird sich die
Kommission jetzt in erster Linie darum bemühen, dass
jegliche Vorschläge in diesem Bereich eine solide
wissenschaftliche Grundlage aufweisen und mit einem
zusätzlichen Nutzen auf Gemeinschaftsebene verbunden
sind.
Der Wissenschaftliche Ausschuss stellte fest, dass der
Beraterbericht über Phosphate ernsthafte Mängel
aufwies – beispielsweise hinsichtlich der Auswirkungen
von Alternativlösungen –, und er ermittelte eine Reihe
von anderen Bereichen, für die noch nicht genügend
Daten vorliegen. Ich möchte Ihnen versichern, dass sich
die Kommission intensiv bemüht, diese Lücken
baldmöglichst zu schließen und, ausgehend davon,
entsprechende Maßnahmen vorzuschlagen.
2-311
Die Präsidentin.  Vielen Dank Herr Kommissar
Liikanen.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
2-312
Armutslinderung und übertragbare Krankheiten
2-313
95
Die Präsidentin.  Nach der Tagesordnung folgt der
Bericht (A5-0474/2003) von Frau Sandbæk im Namen
des Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit
über die Mitteilung der Kommission über die
Aktualisierung
des
EG-Aktionsprogramms:
beschleunigte Aktion zur Bekämpfung von HIV/Aids,
Malaria
und
Tuberkulose
im
Rahmen
der
Armutslinderung; offene politische Fragen und künftige
Herausforderungen (KOM(2003) 93 – C5-0384/2003 –
2003/2146(INI)).
2-314
Sandbæk (EDD), Berichterstatter. – (DA) Frau
Präsidentin, im Februar 2001 beschloss die Kommission
das Aktionsprogramm „Beschleunigte Aktion zur
Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose
im Rahmen der Armutslinderung“. Jetzt hat die
Kommission eine Bewertung der Durchführung
vorgelegt und Rechenschaft über offene Fragen und
künftige Aufgaben abgelegt.
Wie sich zeigt, ist eine durchsetzungsfähigere und in
sich geschlossenere Strategie vonnöten, denn an zu
bewältigende Aufgabe mangelt leider es auch weiterhin
nicht. Fast 20 000 Todesfälle – nicht pro Jahr, nicht pro
Monat, sondern pro Tag –, so lautet die Bilanz, wobei es
die Bevölkerung der ärmsten Länder am stärksten trifft.
Die Krise verursacht enormes menschliches Leid und
stellt
eine
ernsthafte
Gefahr
für
die
Entwicklungsmöglichkeiten dieser Länder dar.
Deshalb brauchen wir konzertierte und erweiterte
Maßnahmen in einer Reihe damit zusammenhängender
Bereiche. So müssen zum Beispiel neue Medikamente
entwickelt werden. Die Medikamente müssen in
ausreichenden Mengen und in guter Qualität hergestellt
werden. Der Preis muss so gestaltet sein, dass er im
Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Staaten und
ihrer Bevölkerung liegt, und die Medikamente müssen
für alle zugänglich sein.
In diesem Zusammenhang möchte ich die Notwendigkeit
betonen, den Globalen Fonds zur Bekämpfung von
HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria vermehrt und auch
in
Zukunft
zu
unterstützen.
Hauptsächliches
Aktionsgebiet des Fonds ist Afrika, wohin 60 % der
Mittel fließen. Dieser Fonds gehört zu unseren besten
Möglichkeiten, die weitere Verbreitung dieser drei
Krankheiten einzudämmen und gleichzeitig die Folgen
für jene zu lindern, die bereits an diesen Krankheiten
leiden. Zum Beispiel hat ein Betrag aus dem Fonds, der
an Haiti gezahlt wurde, das Land 2002 in die Lage
versetzt, eine öffentliche Klinik und einen
Operationssaal wieder zu eröffnen, fünf öffentliche
Krankenhäuser mit wichtigen Medikamenten zu
versorgen und in vier Kliniken grundlegende
Labordienstleistungen einzurichten. Mehr als 600
Personen wurden antiretroviral behandelt und über 300
Tuberkuloseerkrankungen sind festgestellt worden. In
diesem Fall werden mit den Mitteln aus dem Fonds nicht
nur die Bemühungen Haitis, HIV- und TuberkuloseErkrankungen zu verhindern und zu behandeln,
unterstützt, vielmehr tragen sie auch zur allgemeinen
96
Verbesserung des Gesundheitszustandes der Menschen
in einem Gebiet mit 250 000 Einwohnern bei.
Präsident Prodi hat vor einiger Zeit die Zusage gegeben,
dass die EU und die Mitgliedstaaten den Fonds mit einer
Milliarde Euro unterstützen würde. Ich möchte daher die
Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich
auffordern, zumindest diesen Betrag aufzubringen. Ich
unterstütze auch den Änderungsantrag der PSE-Fraktion,
in dem diese Zusage deutlicher und präziser formuliert
wird.
Vorbeugung ist auch weiterhin sehr wichtig. Doch
werden Bemühungen in dieser Richtung durch die
„Mexico-City-Politik“ von Präsident Bush unterminiert,
was buchstäblich Millionen Männer und jetzt besonders
Frauen das Leben kostet, weil dadurch lebenswichtige
Artikel für den Bereich der reproduktiven Gesundheit
zurückgehalten werden. Das kann man nicht anders als
unethisch bezeichnen. Für die EU ergibt sich daraus
unabdinglich die Notwendigkeit, auf diese katastrophale
Situation zu reagieren.
Ebenso wichtig ist es, dafür zu sorgen, dass die
Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf die
besonderen Bedürfnisse der Entwicklungsländer
ausgerichtet sind. Die Überlegungen der Kommission zu
speziellen Rechtsakten zur Förderung von Forschung
und Entwicklung zu bislang vernachlässigten und
armutsbezogenen Krankheiten könnte eine Lösung von
vielen sein.
Wenn ein Medikament entwickelt ist, muss es für alle
Patienten zur Verfügung stehen, die es benötigen. Um
dies zu erreichen, müssen wir die Durchführung der
Doha-Erklärung über den Zusammenhang von TRIPSAbkommen
und
Volksgesundheit
unterstützen.
Außerdem muss die Diskussion über die Bedeutung des
TRIPS-Abkommens für den Zugang zu generischen
Medikamenten zu realistischen Preisen fortgeführt
werden.
Es ist lange darüber diskutiert worden, ob man mehr auf
Vorbeugung oder auf Heilung setzen soll. Wir müssen
uns natürlich um beide Anliegen kümmern. Wenn keine
Behandlungsmöglichkeit besteht, fehlt auch der Anreiz
sich testen zu lassen. Die Möglichkeit, behandelt zu
werden, besteht jedoch. Die Produktion von Generika
und die Zulassung von Wettbewerb haben zu einer
erheblichen Absenkung der Preise antiretroviraler
Medikamente geführt, so dass heute einige der ärmsten
Länder der Erde die Möglichkeit haben, Behandlung zu
weniger als einem Dollar pro Tag anzubieten.
Deshalb kann man die Bedeutung der Unterstützung von
Behandlungsprogrammen durch Bereitstellung qualitativ
hochwertiger antiretroviraler Medikamente zu einem
niedrigen Preis gar nicht hoch genug einschätzen. In
Afrika südlich der Sahara wird nur ein Prozent der vier
Millionen Menschen behandelt, die eine Behandlung
nötig hätten.
13/01/2004
Ein kürzlich von der WHO und der Weltbank
herausgegebener Bericht zeigt, dass im Hinblick auf das
Vorhaben,
das
von
den
UNO
gesetzte
Millenniumentwicklungsziel
für
Gesundheit
zu
erreichen, keinerlei Fortschritte gemacht worden sind.
Das
geringe
Tempo
der
Entwicklung
im
Gesundheitsbereich ist insbesondere deshalb Besorgnis
erregend, weil viele Technologien, die zur Verbesserung
des Gesundheitszustands erforderlich sind, in
Wirklichkeit zu einem angemessenen Preis bereits zur
Verfügung stehen. Das Problem besteht darin, sie den
Menschen zur Verfügung zu stellen und in allen Ländern
ein gut ausgebautes Gesundheitssystem zu schaffen.
Was die Partnerschaft mit den AKP-Ländern betrifft, so
sollte man sich vorrangig um die nicht verbrauchten
Mittel aus dem Europäischen Entwicklungsfonds
kümmern und versuchen, betroffenen Ländern bei der
Bekämpfung dieser Krankheiten zu helfen, wirken sich
diese doch sehr negativ auf die wirtschaftlichen
Möglichkeiten dieser Länder aus und zerstören ihren
sozialen Zusammenhalt.
Ich möchte auch auf die enorme Bedeutung der
HIV/Aids-Epidemie für die Kinder hinweisen. Über
13 Millionen von ihnen haben durch Aids mindestens
ein Elternteil verloren. Wir brauchen also eine klar
formulierte EU-Politik, um diesen Bereich stärker in den
Mittelpunkt rücken zu können.
Deshalb freue ich mich über die Zusicherung des
irischen Ratsvorsitzes, dass die Probleme Afrikas einen
der oberen Plätze auf der Tagesordnung der EU
einnehmen und dass die EU geschlossen, ernsthaft und
konsequent
mit
afrikanischen
Partnern
zusammenarbeiten und Initiativen unterstützen will,
damit den enormen Herausforderungen begegnet werden
kann, denen sich Afrika gegenübergestellt sieht.
In dieser Hinsicht wäre es ein begrüßenswertes und
deutliches Symbol für die Verpflichtung der EU, wenn
man – wozu im Bericht aufgefordert wird –, einen EUBotschafter zur Koordinierung und Leitung der EUArbeit in diesem Bereich ernennen würde.
2-315
Nielson, Kommission.  (EN) Die Kommission begrüßt
das Interesse des Parlaments an ihrem Bericht über das
Aktionsprogramm. Wir teilen die allgemeine
Auffassung, dass wesentliche Fortschritte erzielt
wurden, jedoch weitere Maßnahmen erforderlich sind –
vonseiten
der
Entwicklungsländer,
der
EUMitgliedstaaten und anderer Geber, der Wirtschaft, der
NRO und europäischer Organe – um HIV/AIDS,
Tuberkulose und Malaria zu begegnen und zu
bekämpfen.
Wir wissen, dass diese Krankheiten sich bei den
einzelnen Menschen auf unterschiedliche Art und Weise
auswirken und dass Frauen, Kinder und die ärmsten
Teile der Bevölkerung häufig am gefährdetsten sind und
am schwersten getroffen werden. Dies sollten die
Entwicklungsländer, wann immer es praktisch möglich
13/01/2004
ist, mit Hilfe der internationalen Gebergemeinschaft
dokumentieren. Gleichzeitig sollten wir es vermeiden,
Frauen nur als Opfer darzustellen, und uns bemühen, den
ungeheuren Beitrag, den sie bei der Betreuung von
Menschen mit HIV/AIDS oder hinterbliebenen Kindern
leisten,
anzuerkennen.
Frauen
stellen
die
Bevölkerungsgruppe dar, die am stärksten negativ von
Armut und Krankheit betroffen ist, aber seltsamerweise
weist diese Gruppe gleichzeitig das größte Potenzial für
Veränderungen und Hoffnung auf.
Ich nehme die Bedeutung, die der Bericht unserer
Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation
beimisst, mit Zufriedenheit zur Kenntnis. Dies wird nun
durch die strategische Partnerschaft deutlicher
anerkannt, die zwischen unseren beiden Institutionen
aufgebaut wird, und die beispielsweise zur
Unterzeichnung eines Abkommens geführt hat, mit dem
die WHO zur Unterstützung der Ausarbeitung ihrer
Arzneimittelpolitik Gemeinschaftsmittel in Höhe von
25 Millionen EUR erhält.
Ich kann auch verstehen, dass die Berichterstatterin den
Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdiensten und den
Wunsch nach einer höheren Mittelausstattung für diesen
Sektor nachdrücklich betont. Die Kommission ist für
eine verstärkte Förderung von Gesundheitsdiensten und
anderen sozialen Diensten offen – wie es uns auch
immer möglich ist. Hierbei handelt es sich jedoch um
einen nachfrageorientierten Prozess, bei dem unsere
Partnerländer die Verantwortung übernommen haben.
97
gestaffelten Preisen in Entwicklungsländern verkauften
Medikamenten nach Europa zu verhindern. Dies ist von
großer Bedeutung.
Der Bericht verweist zu Recht auf die entscheidende
Rolle, die die Erforschung und Entwicklung neuer
Arzneimittel und Impfstoffe bei der Bekämpfung dieser
drei todbringenden Krankheiten spielen könnte. In der
staatlichen und privaten Forschung muss mehr getan
werden, um neue Produkte für die Behandlung dieser
Krankheiten zu entwickeln. Es liegt auf der Hand, dass
Pharmaunternehmen bei der Deckung dieses Bedarfs
eine konstruktive Rolle spielen könnten. Die
Partnerschaft
zwischen
Europa
und
den
Entwicklungsländern im Bereich der klinischen
Versuche zielt darauf ab, einen derartigen Beitrag
vonseiten der Industrie zu erleichtern. Die Kommission
trägt bereits zu dieser Initiative bei, doch wir erwarten
auch Mittelzuweisungen von den Mitgliedstaaten und
der Industrie.
Ich möchte auch auf die Bemerkungen von Frau
Sandbæk über die negativen Auswirkungen der „Mexiko
City-Politik“ der Bush-Administration in Washington
antworten. Ich stimme der Wortwahl von Frau Sandbæk
zu. Wir haben auf diese Politik, die bei Präsident Bushs
Amtsantritt verkündet wurde, reagiert, indem wir klar
und deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass Europa
bereit und willens ist, die Missstände zu beseitigen – und
genau das tun wir auch.
2-316
Was den Weltgesundheitsfonds anbelangt, so haben sich
unsere Beiträge stetig erhöht, wobei wir uns auf die
große Unterstützung des Parlaments verlassen konnten.
Wir haben nun die Finanzierung für die kommenden vier
Jahre
gesichert,
sowohl
durch
den
Gemeinschaftshaushalt als auch durch den Europäischen
Entwicklungsfonds. Nichtsdestotrotz sind die Mittel für
den Weltgesundheitsfonds noch alles andere als
ausreichend. Wir haben uns verpflichtet, gemeinsam mit
dem Mitgliedstaaten auf eine nachhaltige Lösung
hinzuarbeiten.
Die EU als Ganzes – die Mitgliedstaaten und die
Kommission – haben bisher mehr als 50 % der Mittel
zum Weltgesundheitsfonds beigetragen. Dies ist eine
Zahl, die es sich angesichts der hin und wieder
geäußerten Beschwerden anderer Geberländer im
Gedächtnis zu behalten lohnt.
Der Zugang zu Arzneimitteln zu erschwinglichen
Preisen stellt ein bedeutendes Element in unserem
Aktionsprogramm dar. Durch ein Preisstaffelungssystem
und die Aufhebung der Lieferbindungen für Hilfen
konnten wir zu einem Prozess beitragen, mit dem die
Preise für Medikamente um bis zu 90 % gesenkt wurden.
Die Versorgung mit Arzneimitteln zu gestaffelten Preise
ist unerlässlich, und die Europäische Union hat eine
Verordnung angenommen, um den Reimport von zu
8 Angenommener Text P5_TA(2003) 0387.
Corbey (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des
mitberatenden Ausschusses für Industrie, Außenhandel,
Forschung und Energie. – (NL) Frau Präsidentin! Da
einige Entwicklungsländer eine noch nie dagewesene
Gesundheitskrise durchmachen, liegt es im Interesse der
ganzen Welt, die notwendigen Maßnahmen zur
Linderung und insbesondere zur Bekämpfung dieser
Krise zu treffen. Der Ausschuss für Industrie,
Außenhandel, Forschung und Energie ist sich seines
begrenzten Beitrags zur Überwindung dieses Problems
bewusst, unterstreicht gleichwohl, wie wichtig dieser
Beitrag ist.
Im Namen des Ausschusses für Industrie, Außenhandel,
Forschung und Energie möchte ich drei Punkte
herausstellen. Erstens die industrielle Seite. Nach wie
vor gibt es zu viele Krankheiten, die vernachlässigt
werden, die nicht erforscht werden, weil sich kein
Industriezweig einen finanziellen Vorteil davon
verspricht. Im Grunde ist es für die europäische Industrie
eine Schande, aber auch eine vertane Chance. Die
Arzneimittelindustrie Europas ist nicht innovativ genug,
und die Konzentration auf vernachlässigte Krankheiten
könnte neuen Schwung bringen. Die EU muss jetzt
politische Führung beweisen und die Industrie zu
Investitionen in Krankheiten bewegen, die bislang nicht
rentabel sind. Eine Richtlinie oder ein Rahmen für so
genannte „neglected diseases“ ist dringend vonnöten,
und wir sollten auch vor unorthodoxen Maßnahmen,
Zuschüssen, Protokollunterstützung, Verzicht auf
Gebührenerhebung und sogar Übertragung von
98
Patentrechten nicht zurückschrecken. Die EU muss
einen Rahmen schaffen, auf dessen Grundlage sie in den
Dialog
und
die
Verhandlungen
mit
der
Arzneimittelindustrie über Investitionen in die
Erforschung von unter anderem Malaria, Tuberkulose
und Schlafkrankheit eintreten kann.
Ein zweiter Punkt ist die Forschung. Die EU muss sich
jetzt selbst um ihre Forschungsprogramme kümmern.
Die Plattform für klinische Versuche war zwar ein
richtiger Schritt, aber was geschieht in der Praxis? Die
EU sollte eine Forschungsagenda aufstellen und darin
sämtliche Wissenslücken ermitteln. Im Anschluss
könnten sich Forschungseinrichtungen und Unternehmen
einschreiben. Im Übrigen würdigt der Ausschuss für
Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie
sämtliche Anstrengungen von Kommissar Busquin auf
diesem Gebiet.
Mein dritter Punkt betrifft den Handel. Hier kommt
selbstverständlich der Entscheidung vom 30. August
2003 am Vorabend der Konferenz in Cancún
außerordentliche Bedeutung zu. Der Ausschuss für
Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie würde
es begrüßen, wenn diese Entscheidung auch tatsächlich
in Arzneimittelrecht umgesetzt wird. Wir drängen auf
eine baldige Implementierung dieses Rechts. Doha darf
kein leeres Versprechen bleiben.
13/01/2004
Die Zahl der Frauen, die mit dem AIDS-Virus infiziert
sind, ist hoch und steigt ständig, was nicht nur
Auswirkungen auf die Frauen selbst, sondern im Fall
einer Schwangerschaft auch auf ihre Kinder hat. Wie
Frau Sandbaek sagte, gibt es 13 Millionen
Waisenkinder, und diese Zahl wird sich dank unserer
Zivilisation bis zum Jahre 2010 voraussichtlich auf
25 Millionen belaufen.
Als Frauenausschuss fordern wir sowohl von den
Regierungen der Entwicklungsländer als auch von der
Europäischen Union und den anderen auf diesem Gebiet
tätigen internationalen Organisationen, dass sie die
vollständige Einbeziehung der Geschlechterperspektive
in die Gesundheitspolitik sichern und die führende Rolle,
die die Frauen dabei spielen, berücksichtigen.
Ich möchte ebenfalls trotz aller Differenzen und
zeitraubenden Prozesse oder Verzögerungen, die
dazwischenkamen, das Übereinkommen der WTOMitglieder vom August 2003 begrüßen und darüber
hinaus die Bemühungen der UNO zur Versorgung
aidsinfizierter Kranker mit qualitativ hochwertigen
Arzneimitteln sowie den Beschluss des Rates der Union
über verstärkte Anreize für die Arzneimittelindustrie mit
dem Ziel, Medikamente zu niedrigeren Preisen zu
verkaufen. Ich denke, Herr Präsident, dass wir unsere
Anstrengungen zur Bekämpfung dieser furchtbaren
Geißel intensivieren müssen.
2-317
Karamanou (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des
mitberatenden Ausschusses für die Rechte der Frau und
Chancengleichheit. – (EL) Frau Präsidentin, Herr
Kommissar! Ich möchte im Namen des Ausschusses für
die Rechte der Frau und Chancengleichheit, dessen
Vorsitzende ich bin, unsere Stellungnahme zu dem
exzellenten Bericht von Frau Sandbaek vortragen. Ich
übernehme dies, da Frau Valenciano nicht anwesend ist.
Herr Kommissar! Nach einem halben Jahrhundert
Versprechungen,
Analysen
und
Plänen
zur
Entwicklungshilfe
befinden
sich
die
meisten
Entwicklungsländer leider nicht nur nicht auf dem Wege
der Entwicklung, sondern versinken zunehmend in
Armut und in den todbringenden Krankheiten unseres
Jahrhunderts.
Opfer
dieser
Situation
sind
selbstverständlich die Frauen, die Bevölkerungsgruppe,
die nach wie vor keinen Zugang zu den elementarsten
Leistungen der gesundheitlichen und pharmazeutischen
Betreuung
sowie
den
Sexualund
Reproduktionsgesundheitsdiensten hat.
Der Beitrag der Frauen ist, wie Sie, Herr Kommissar,
sagten, gewiss sehr groß, auch in den Ländern, in denen
ihnen die Grundfreiheiten und Menschenrechte nicht
zugestanden werden. Trotzdem, Herr Kommissar, wenn
die Frauen regierten, wäre die Welt, glaube ich, sehr viel
menschlicher. Ich betrachte es als Schande für unsere
Zivilisation, dass jeden Tag 30 000 Menschen in den
Entwicklungsländern an Krankheiten sterben, die in
unserer zivilisierten Welt heilbar sind. Die Tuberkulose
ist die Haupttodesursache bei Frauen im gebärfähigen
Alter und übertrifft dabei noch die Müttersterblichkeit.
2-318
Martens (PPE-DE). – (NL) Frau Präsidentin! Das
Aktionsprogramm gegen HIV/AIDS, Malaria und
Tuberkulose aus dem Jahr 2001 ist nunmehr zwei Jahre
in Kraft. Die Lage ist nach wie vor entsetzlich. Die drei
Krankheiten zusammen fordern täglich mehr als 20 000
Todesopfer. Allein im vergangenen Jahr infizierten sich
der WHO zufolge jeden Tag circa 40 000 Menschen mit
HIV/AIDS, und laut neuesten Angaben verloren
mittlerweile 16 Millionen Kinder unter 15 Jahren ein
oder beide Elternteile an AIDS.
Tuberkulose
zählt
zu
den
schlimmsten
Infektionskrankheiten auf der Welt. Ein Drittel der
Weltbevölkerung ist infiziert, und den Erwartungen
zufolge werden 5 bis 10 % auch tatsächlich daran
erkranken. Malaria befindet sich massiv auf dem
Vormarsch. Allein in Afrika sterben jedes Jahr etwa eine
Million Menschen an Malaria, Schwangere und
Kleinkinder sind am stärksten betroffen. Der Ernst der
Lage kann nicht genug betont werden. Die
Mortalitätsrate infolge dieser Krankheiten wächst nach
wie vor, und das wird noch so weitergehen.
Es sollte klar sein, dass die am wenigsten entwickelten
Länder am schlimmsten betroffen sind, weshalb von
armutsbedingten Krankheiten die Rede ist. Sie hemmen
die soziale und wirtschaftliche Entwicklung. In
zahlreichen
Entwicklungsländern
kommt
die
Gesellschaft völlig zum Erliegen. Die Todesfälle treffen
große Teile der arbeitenden Bevölkerung, und
Unternehmen und Organisationen müssen auf
Mitarbeiter verzichten. Das Bildungssystem ist in
13/01/2004
zahlreichen Ländern wegen der Todesfälle unter den
Lehrern nicht mehr funktionsfähig, und die Zahl der
Waisen wächst, wie gesagt, rapide. Welche Zukunft
haben sie? Eine ganze Generation droht verloren zu
gehen.
Die Krankheiten beanspruchen die Gesundheitssysteme
stärker,
als
diese
verkraften
können.
Das
Aktionsprogramm kann zwar als ein solides Programm
betrachtet werden, ist aber in einigen Punkten
verbesserungswürdig. Wie die Bewertung der
europäischen Entwicklungspolitik zeigt, zeitigen die
derzeitigen Programme nicht hinreichend Wirkung. Die
Europäische Union hat für sich selbst Millenniumsziele
formuliert. Ein Punkt besteht darin, die stetig
anwachsende Verbreitung von AIDS im Jahr 2015 zu
stoppen, aber nach wie vor unternehmen wir nicht
genug, um diese Ziele zu verwirklichen. Deshalb möchte
ich Sie eindringlich bitten, mehr Mittel für dieses
Programm bereitzustellen sowie die Erforschung der
Ursachen und die Bekämpfung der Krankheiten zu
intensivieren. Bei Malaria besteht das größte Problem
bekanntlich darin, dass wegen der zunehmenden
Resistenz ständig neue Arzneimittel entwickelt werden
müssen. Meines Erachtens gibt der Bericht deutlich
wieder, worin das Engagement des Parlaments besteht,
wenn es um die Bedeutung, wie bereits gesagt, der
Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von grundlegender
Gesundheitsversorgung, von Arzneimitteln, von
Prävention, der möglichen Rolle der Zivilgesellschaft für
die Forschung und Überwachung geht.
Ich möchte einen Punkt herausstellen, der spezielle
Aufmerksamkeit verdient, nämlich die Sonderstellung
der Frau. Frauen sind von diesen Krankheiten zuerst und
am stärksten betroffen. In der Altersgruppe von 15 bis
24 Jahren sind unter den Opfern fast doppelt so viele
Frauen wie Männer. Ein schlechterer Zugang zu Bildung
und Gesundheitsversorgung, ein biologisch größeres
Risiko für Infektionen und eine komplizierte soziale
Stellung tragen dazu bei. Diese Bevölkerungsgruppe
verdient deshalb eine besondere Beachtung und Politik,
zumal Projekte beispielsweise auf dem Gebiet der
Gesundheitsversorgung offensichtlich erfolgreicher sind,
wenn Frauen einbezogen werden. Investitionen in
Mädchen scheinen zu niedrigeren Mortalitätsraten unter
Frauen und Kindern zu führen, bieten höhere
Nahrungsmittelsicherheit und kommen dem Kampf
gegen Armut zugute. Die von UNICEF am 11.
Dezember dieses Jahres veröffentlichte Untersuchung
macht dies noch einmal deutlich. In dem Bericht heißt es
sogar, beispielsweise ohne Maßnahmen, die mehr
Mädchen einen Schulbesuch ermöglichen, ließen sich
die Millenniumsziele nicht verwirklichen. Außerdem
zeigt sich, dass es nicht nur für Mädchen von Vorteil ist,
wenn mehr Mädchen eine Schule besuchen, sondern
auch für die Jungen und für die Länder.
Abschließend möchte ich der Berichterstatterin meinen
Dank und meine Glückwünsche aussprechen, die
Expertin auf diesem Gebiet ist und abermals einen
exzellenten Bericht zu Papier gebracht hat. Die
99
Europäische Union und die einzelnen Mitgliedstaaten
haben noch eine Menge zu tun.
2-319
Carlotti (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, heute sind wie
an jedem Tag über 8 000 Menschen an Aids gestorben,
weil ihre Krankheit nicht behandelt wurde. In Afrika
sind über vier Millionen Aids-Kranke dringendst auf
eine Behandlung angewiesen, doch nur 50 000
Menschen
haben
Zugang
zu
entsprechenden
Versorgungsleistungen. Hinzu kommt, dass die Länder
im Süden nicht nur von Aids überrollt werden: Die Zahl
der Tuberkulosefälle nimmt ständig zu, und jährlich
sterben zwei Millionen Menschen an dieser Krankheit;
Malaria, an der zwischen 300 und 500 Millionen
Menschen erkrankt sind, ist für den Tod von ein bis zwei
Millionen Menschen pro Jahr verantwortlich.
Wir haben die Möglichkeiten, diese Krankheiten zu
heilen oder die Sterblichkeitsziffer signifikant zu senken.
Doch die Behandlung ist teuer, zu teuer für Länder, die
nur
lächerlich
geringe
Summen
für
ihr
Gesundheitswesen ausgeben können, sodass die
Medikamente dem Norden und die Särge dem Süden
vorbehalten bleiben.
Zum Glück ändern sich die Dinge allmählich. Im Jahre
2003 konnten beträchtliche Fortschritte erzielt werden,
so dass es einen Hoffnungsschimmer gibt. Dazu zählen
die WHO-Initiative zur Behandlung von drei Millionen
Erkrankten bis 2005, das am 30. August 2003 von den
WHO-Mitgliedern in Genf erzielte Übereinkommen, die
Entscheidung der südafrikanischen Regierung, ein
nationales Behandlungsprogramm ins Leben zu rufen,
die Bemühungen um die Senkung des Preises von
antiretroviralen Arzneimitteln auf dem Weltmarkt sowie
das Programm „Partnerschaft Europas und der
Entwicklungsländer im Bereich der klinischen
Versuche“, das mit einem Budget von 600 Millionen
Euro ausgestattet ist.
Diese Initiativen sind sehr ermutigend, aber sie reichen
bei weitem nicht aus. Die Union löst ihre finanziellen
Zusagen nur langsam ein, sodass der Bericht Sandbæk
sehr gelegen kommt, weil er die Europäische Union
ermahnt, ihre Verpflichtungen zu untersetzen und ein
Ziel zu formulieren, das dem eigentlichen Bedarf
entspricht. Er erinnert uns daran, dass der Zugang zu
Medikamenten für alle Erkrankten in Übereinstimmung
mit der Doha-Erklärung absoluten Vorrang haben muss.
Die Existenz von Patenten sollte daher kein Hindernis
für die Herstellung oder den Erwerb lebenswichtiger
Arzneimittel sein.
Ferner unterstreicht der Bericht sehr entschieden, dass
die Verhütung und Behandlung übertragbarer
Krankheiten alle angehen, weil sie globale
Kollektivgüter darstellen. Mit einer Milliarde Euro pro
Jahr stellt er ein ehrgeiziges Ziel für die finanzielle
Beteiligung der Europäischen Union und der
Mitgliedstaaten auf. Mit der Annahme dieses Berichts
wird Europa bekräftigen, dass es gedenkt, eine wichtige
100
Rolle im Kampf gegen diese furchtbaren Krankheiten zu
spielen.
2-320
Modrow (GUE/NGL). – Frau Präsidentin! Ich möchte
meine Zustimmung zum Bericht mit einem Dank an
meine Kollegin Sandbaek verbinden.
Dieser Bericht setzt alarmierende Zeichen und ist eine
besondere Herausforderung, Armut und solche
verheerenden Krankheiten wie Aids, Malaria und
Tuberkulose weit entschiedener als bisher zu
bekämpfen.
Meine
Fraktion
unterschätzt
die
Bemühungen der Kommission nicht. Doch die Fakten
des Berichtes sprechen eine eigene Sprache.
In Afrika sind die Auswirkungen wohl am größten. Mit
den Menschen sterben auch ganze Dörfer. Armut und
Krankheit führen dazu, dass weite Landstriche auch
ohne Krieg praktisch entvölkert werden. Natürlich geht
es um konkrete Schritte und Maßnahmen zur
Eindämmung der Krankheiten. Aber allgemeine
gesellschaftliche
Zusammenhänge
dürfen
nicht
ausgeblendet werden. Menschen, die in Armut leben,
haben keine Kraft, sich den tödlichen Krankheiten zu
widersetzen, und verfügen auch nicht über jene Mittel,
die für Medikamente nötig sind. In Heerscharen auf der
Flucht, auf offenem Feld oder in Zelten kampierend
werden sie eine leichte Beute der Seuchen. Wo das
Profitstreben den Markt beherrscht, ist es schwer,
preiswerte Medikamente mit hoher Qualität in den
Entwicklungsländern anzubieten. Doch gerade auf
diesem Gebiet muss die Politik ihre Verantwortung
erkennen und ihr mehr gerecht werden.
WTO-Konferenzen zielen leider mehr auf die
Bevorteilung großer Monopole als auf eine umfassende
stabile Daseinsvorsorge ab, die so dringend gebraucht
wird. Und wer die Signale der Weltsozialforen überhört,
wird sie auch weiter als in Mumbai hören. Angesichts
dieser Not, deren Wurzeln bis in die Kolonialzeit
zurückgehen, ist es nicht verwunderlich, sondern nur gut
und billig, wenn die einstigen Kolonien auch jetzt
Entschädigungen von den damaligen Kolonialmächten
fordern.
Die Union, Kommission und Parlament, bleiben – wie
der Bericht zeigt – auch zu neuen Anstrengungen
herausgefordert.
2-321
Rod (Verts/ALE). – (FR) Frau Präsidentin, der Kampf
gegen Aids, Malaria und Tuberkulose zählt seit langem
zu den Hauptanliegen der Grünen. Ferner begrüßen wir
den Konsens, der inzwischen im Hinblick auf diesen
Bericht erzielt werden konnte und der vor vier Jahren
nicht möglich gewesen wäre.
Es ist Besorgnis erregend, dass die Zahl der Toten noch
immer in die Millionen geht, insbesondere, wenn man
bedenkt, dass von diesen Krankheiten zahlreiche Kinder
und schwangere Frauen betroffen sind. Festzustellen,
dass noch immer Menschen an diesen Krankheiten
sterben, obwohl Behandlungsmethoden existieren, ist
13/01/2004
traurig und niederschmetternd. Der Zugang zu
Arzneimitteln muss garantiert werden. Wir müssen nicht
nur eine Senkung der Preise erreichen, sondern auch die
Abtretung von Patenten, denn nur so sind die
Entwicklungsländer in der Lage, diese Produkte für ihre
Menschen herzustellen bzw. zu niedrigen Preisen zu
importieren.
Kinder und schwangere Frauen müssen im Mittelpunkt
der Maßnahmen stehen, auf die wir uns einigen. Frauen,
die die Zukunft des Kontinents in sich tragen, müssen
echte Hilfsangebote erhalten. Neben der Behandlung
umfasst diese Hilfe Informationen über diese
Infektionen, und in dieser Beziehung gilt es, die
Gesundheitsstrukturen in diesen Ländern zu festigen.
Die Verabschiedung dieses Berichts wird das
Engagement der Europäischen Union für die Gesundheit
Afrikas bekräftigen.
2-322
Sacrédeus (PPE-DE).  (SV) Frau Präsidentin! Die
Europäische Union und die einzelnen Mitgliedstaaten
haben die moralische Pflicht, alle Anstrengungen zur
Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose
zu unternehmen. 20 000 Tote täglich oder mehr als
7 Millionen Todesopfer jährlich sind erschreckende
Zahlen. Das erinnert uns an die Pest, die im Mittelalter
hier in Europa grassierte. Der Schwarze Tod ist wieder
da. Für 41 % der Weltbevölkerung besteht die Gefahr
einer Ansteckung mit Malaria.
Vor dem Hintergrund beispielsweise der MillenniumZiele der UN und des G8-Gipfels in Evian über
nachhaltige Entwicklung möchte ich Herrn Nielson
sagen, dass keine Mühe gescheut werden darf, um den
von Malaria, Tuberkulose und HIV/Aids betroffenen
Manschen zu helfen und diesen Krankheiten
vorzubeugen.
Hier geht es im Grunde um eine Mobilmachung der
gesamten Zivilisation auf dieser Erde. Frauen dürfen
nicht länger ausgebeutet, sexuell erniedrigt und einer
Sklaverei ausgesetzt werden, die einer modernen und
zivilisierten Gesellschaft unwürdig ist.
Männer auf der ganzen Welt müssen die Würde der
Frauen anerkennen. Wir brauchen eine Gesellschaft, die
einer neuen und überzeugenderen Ordnung unterliegt, in
der Männer den Frauen und der Menschenwürde mit
Achtung begegnen. Ich möchte an Kommissar Nielson
appellieren, sich mit Fragen des Lebensstils zu
beschäftigen, insbesondere, wenn es um den Lebensstil
der Männer geht, der, wenn man ihn insbesondere im
Zusammenhang mit der Verbreitung von HIV/Aids
betrachtet, die Frauen erniedrigt und zu einer absolut
unmoralischen Ausbreitung dieser Krankheit beiträgt.
2-323
Kinnock, Glenys (PSE). – (EN) Frau Präsidentin, ich
danke der Berichterstatterin für einen ausgezeichneten
Bericht und für ihr anhaltendes Interesse an diesen
Fragen und ihr Engagement auf diesem Gebiet. Wie sie
begrüße auch ich die Tatsache, dass die Kommission
13/01/2004
sich weiterhin auf die Bekämpfung und Behandlung von
HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria konzentriert.
Das im Jahr 2001 in Angriff genommene Programm hat
einige sehr wichtige und beeindruckende Ergebnisse
hervorgebracht. In diesem Bericht und diesem Parlament
müssen wir immer wieder zum Ausdruck bringen, wie
wichtig es ist, dass wir diese speziellen Krankheiten im
Rahmen unserer Bemühungen zur Beseitigung der
Armut weiterhin bekämpfen. Es ist absolut unerlässlich
anzuerkennen, welche Bedeutung der Konzentration
unserer Bemühungen auf diese Krankheiten beikommt,
die, wie andere heute Abend bereits sehr anschaulich
berichtet haben, so viele Menschenleben fordern und so
großes Leid verursachen.
Ich gehe davon aus, dass die Kommission ihre
Bemühungen fortsetzen wird, um den erforderlichen
politischen Willen zu schaffen, der seit 2001 auf immer
größerem Wissen darüber basiert, was in diesem Bereich
momentan tatsächlich geschieht. Es besteht weiterhin ein
größerer Bedarf an Gebergeldern und nationalen Mitteln,
und die Kommission muss sich weiterhin für größere
Mittelbindungen in bilateralen Programmen für die
Bekämpfung von AIDS, das Programm und den
Weltgesundheitsfonds einsetzen.
Ich begrüße die Tatsache, der die Berichterstatterin und
andere im Bericht bereits beipflichteten, dass anerkannt
wird, dass das Elend von Millionen äußerst gefährdeter
Kinder, die durch die Krankheit zu Waisen geworden
sind, wohl die durch HIV/AIDS verursachte Krise ist,
die am meisten vernachlässigt wird. Wie einige von uns
bereits vor Ort gesehen haben, übersteigt die Zahl der
betroffenen Kinder die Grenze dessen, was Familien und
Gemeinschaften bewältigen können.
Wir sehen definitiv einer durch die AIDS-Pandemie
verursachten Entwicklungskatastrophe entgegen. Für ihr
Ausmaß und ihre Grausamkeit gibt es kein besseres Maß
als die Krise der Waisenkinder. Ich bitte die
Kommission dringend, Daten zu den Auswirkungen aller
dieser Krankheiten auf Kinder und Frauen
zusammenzustellen.
Alle diese Bemühungen werden durch die gefährlichen
Fehlinformationen der Römisch-Katholischen Kirche
mit ihren pseudo-wissenschaftlichen Äußerungen über
die Spermien, die durch das von einem Kondom
gebildete Netz dringen, nicht unterstützt. Dieser Unsinn
und die von den Vereinigten Staaten vertretene
Auffassung, dass vor der Ehe sexuelle Enthaltsamkeit
erforderlich ist, sind falsch und ganz einfach gefährlich.
Diese Taktiken der USA retten keine Menschenleben:
Sie gehen nur auf die fundamentalistisch konservativen
Wähler in ihrem Land ein.
Kofi Annan hat die AIDS-Krise als eine Frage der
Massenvernichtungswaffen beschrieben. Es muss sehr
viel getan werden, und dies wird eine umfangreiche
Finanzierung durch unsere Programme in den
Entwicklungsländern erfordern. AIDS muss ein
Kernthema unserer Entwicklungshilfe sein.
101
2-324
Bordes (GUE/NGL). – (FR) Frau Präsidentin, wir
werden für diesen Bericht stimmen, weil er das Desaster
beschreibt, das armutsbedingte Krankheiten verursachen.
Wer diesen Bericht liest und auch nur über einen Funken
an Menschlichkeit und Verstand verfügt, wird erkennen,
dass seine Erkenntnisse eine Anklage gegen unser
Wirtschafts- und Sozialsystem sind, das zulässt, dass
Millionen von Menschen an Krankheiten sterben, die
geheilt werden können, insbesondere Tuberkulose und
Malaria.
Der übrige Text ist allenthalben ein Eingeständnis der
Unfähigkeit. Das ist nicht die Schuld der
Berichterstatterin, sondern des Gesamtsystems. Das
Parlament ist aufgefordert abzustimmen, aber es hat
nicht die Macht, etwas gegen die Wurzel des Übels zu
unternehmen. Wir können armutsbedingte Krankheiten
erst dann wirksam bekämpfen, wenn wir die Armut
selbst bekämpfen und folglich etwas gegen die
skandalösen Ungleichheiten einer sozialen Organisation
unternehmen, in der bestimmte Personen mehr
Reichtümer anhäufen können als ganze Länder besitzen.
Was ist beispielsweise gemeint mit dem Vorschlag – und
ich zitiere – dass die europäische Arzneimittelindustrie
umgehend in die Bekämpfung von armutsbedingten
Krankheiten miteinbezogen werden muss? Jeder weiß,
dass die Pharmakonzerne nur an Profit interessiert sind,
und zwar selbst auf Kosten der ärmsten Menschen, und
die Verteilung von Arzneimitteln an Kranke, die sich
diese nicht leisten können, kommt für sie selbst dann
nicht in Frage, wenn deren Entwicklungskosten bereits
hundertfach abgeschrieben sind. Und wenn für diese
Konzerne keine Aussicht auf Profit besteht, weil die
fraglichen Krankheiten nur in armen Ländern auftreten,
stellen sie ihre Forschung ein, wie der Bericht am
Beispiel der Schlafkrankheit selbst feststellt.
Die pharmazeutische Industrie sollte der Kontrolle durch
die Gesellschaft unterstellt werden und keine privaten
Profite erwirtschaften. Sie sollte die benötigten
Arzneimittel herstellen, damit diese an all jene verteilt
werden können, die sie brauchen. Das würde die Armut
zwar nicht beseitigen, aber zu einem bestimmten Maß an
Gleichheit bei der medizinischen Behandlung beitragen.
2-325
Schörling (Verts/ALE).  (SV) Frau Präsidentin!
Meines Erachtens war die Mitteilung der Kommission
über die Aktualisierung sehr konstruktiv. Ich meine
auch, Frau Sandbaek hat einen sehr guten Bericht
abgefasst. Sie hat eine ganze Reihe von Vorschlägen
unterbreitet, die die Bereiche verstärken, für die die
Kommission eine Verstärkung angemahnt hat, um die
Ziele der Armutslinderung und der Bekämpfung dieser
Krankheiten zu erreichen.
Ich möchte mich zunächst auf Ziffer 26 des Berichts von
Frau Sandbaek konzentrieren, der von zentraler
Bedeutung ist. Dort wird darauf hingewiesen, dass die
Schuldenrückzahlung und der Schuldendienst jährlich an
die 40 % des Bruttoinlandsprodukts der am wenigsten
entwickelten Länder aufzehren. Das ist unglaublich.
102
Meiner Meinung nach sollte die EU die Initiative zu
Schuldenabschreibung
ergreifen.
Ein
solcher
Schuldenerlass könnte auch zweckgebunden eingesetzt
werden, so dass die Gelder in erster Linie im Kampf
gegen HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose sowie
vielleicht auch für die Bildung verwendet werden. Auf
diese Weise könnte die Armutsbekämpfung wirklich
verstärkt werden und neuen Schwung erhalten.
13/01/2004
konzentrieren, da diese Menschen bereits den gesamten
Tag mit der Suche nach Wasser und Brennholz
verbringen, um ihre nächste Mahlzeit zu kochen.
Ich weiß, dass der Herr Kommissar engagiert ist. Er ist
großartig. Ich weiß, dass dieses Parlament hinter ihm
steht. Lassen Sie uns die Sache anpacken und
sicherstellen, dass wir in diesem Jahr und darüber hinaus
das erreichen können, was wir uns vorgenommen haben.
2-326
Khanbhai (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin, als ich
vor zwei Jahren meinen Bericht über HIV/AIDS schrieb,
war ich nicht sicher, wie das Ergebnis ausfallen würde.
Es freut mich jedoch sehr, dass die EU, die Kommission
und dieses Parlament ziemlich viel getan haben, wie
mehrere Redner, einschließlich des Herrn Kommissars,
zum Ausdruck brachten.
Ich möchte nun aber, dass sie Ihr Augenmerk auf eine
Afrikanerin richten, die an HIV/AIDS, Tuberkulose oder
Malaria leidet und stirbt. Was sieht und hört sie, wenn
sie CNN sehen würde? Sie sieht die Konflikte im Irak,
im Kongo, in Afghanistan, Burundi, Sambia, Simbabwe
usw. Sie sieht den Verlust von Menschenleben, die
Verschwendung von Milliarden von Euro, einschließlich
der 75 Milliarden EUR, die Präsident Bush für den
Wiederaufbau des Irak versprochen hat. Dies ist
notwendig, doch im Vergleich zu den 15 Milliarden
Euro, die die USA für HIV/AIDS, woran täglich 10 000
Menschen sterben, für einen Zeitraum von fünf Jahren
versprochen haben, ist es eine sehr große Summe.
Diese Afrikanerin sieht also Terrorismus in Istanbul,
New York und Saudi-Arabien. Sie sieht eine
Naturkatastrophe im Iran – 20 000 Tote, eine Stadt dem
Erdboden gleichgemacht – und sie sagt sich: „Ich habe
Tuberkulose und keine zehn Dollar oder zehn Euro, um
sie heilen zu lassen. Ich sterbe.“ Was fühlt sie, wenn sie
all die Milliarden Euro sieht, die wir für den
Wiederaufbau von Gebäuden ausgeben, die zerstört
wurden und dann wieder zerstört werden? Die – wirklich
sehr hohen – von Ländern wie den Vereinigten Staaten
von Amerika versprochenen Summen für den
Wiederaufbau des Irak belaufen sich auf 75 Milliarden
Euro. Was tragen sie zur Bekämpfung von HIV/AIDS,
Tuberkulose und Malaria bei? In dieser Hinsicht war die
Europäische Union großartig, sehr großzügig und zeigt
der übrigen Welt den Weg. Ich sehe mir auch die
erdölreichen Länder an. Was tun sie? Wie viel tragen sie
bei? Wenn nicht, warum nicht? Was ist mit Japan und
anderen Ländern?
Wenn wir diese Frage angehen wollen, müssen wir es
ernst meinen und sie in einen Kontext stellen, da die
Menschen, welche leiden, arm und krank sind,
unterdrückt werden, nicht frei arbeiten können und unter
harten Bedingungen leben. Sie haben kein Wasser und
keinen Strom, keine Hilfsmittel, um den Boden
bearbeiten zu können, und sie leben auch nicht in der
Nähe des Meeres. Welche Chance haben sie? Aus
diesem Grund ist es entscheidend, die EU-Hilfen neu zu
fokussieren und sich wieder auf die grundlegenden
Dinge des Lebens wie Wasser und Zugang zu Energie zu
2-327
Junker (PSE). – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen
und Kollegen! Ich will mich auf einige Anmerkungen
zum Thema HIV/Aids beschränken.
Auch wenn schon viel getan wurde, es ist beileibe nicht
genug, und es wird auf Dauer teurer, etwas zu
unterlassen, als jetzt massive Hilfe zu leisten mit einer
Summe, die uns vielleicht hoch erscheint. HIV/Aids ist
nicht nur einfach ein Gesundheitsproblem. HIV/Aids ist
eine gesamtgesellschaftliche Bedrohung. Der Aidstod
macht die bescheidenen Erfolge der Vergangenheit
zunichte.
In einer Reihe von Ländern im subsaharischen Afrika
geht die Lebenserwartung drastisch zurück. Es sterben
immer mehr Männer und Frauen im erwerbsfähigen
Alter, und dies führt zu Bildungsdefiziten, denn es gibt
Regionen, in denen mehr Lehrer an Aids sterben als
neue Lehrkräfte ausgebildet werden können. Damit sinkt
der Bildungsstandard. Dieser Effekt wird noch dadurch
verstärkt, dass junge Mädchen nicht mehr zur Schule
gehen können, weil sie ihre an Aids erkrankten Eltern
pflegen müssen. So ist in Swasiland der Schulbesuch
von Mädchen um 36% zurückgegangen.
HIV/Aids verursacht auch Nahrungsmangel und Hunger,
denn die erkrankte Landbevölkerung kann ihre Felder
nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr bestellen. In
Burkina Faso ist daher die landwirtschaftliche
Produktion um fast ein Fünftel zurückgegangen. Zurück
bleiben Millionen von Waisen mit einem ungewissen
Schicksal, und diese Beispiele ließen sich beliebig
verlängern.
Sie machen klar, HIV/Aids vergrößert das Elend der
Armen ins Unermessliche, aber anders ausgedrückt:
Jeder Euro, der in Prävention, in Behandlungen und in
die Gesundheitsinfrastruktur gesteckt wird, zahlt sich
aus, nicht nur zum Wohl Einzelner, sondern auch als
eine ökonomische und gesellschaftliche Stärkung. Dafür
ist die geforderte Milliarde mehr als gut angelegt.
2-328
McAvan (PSE). – (EN) Frau Präsidentin, ich stimme
fast allem, was heute Abend gesagt wurde, zu. Ich
möchte mich nun auf den EU-Beitrag zum
Weltgesundheitsfonds konzentrieren. Es wurden zwei
Änderungsanträge eingebracht, um klarzustellen, dass
wir über eine Milliarde Euro vonseiten der EU und der
Mitgliedstaaten sprechen. Ich freue mich darüber, dass
Frau Sandbæk diese Änderung akzeptieren wird.
Präsident Prodi hat dieses Ziel unterstützt. Es hört sich
nach einer großen Geldsumme an, besonders in einer
13/01/2004
Zeit der knappen öffentlichen Finanzen, aber sie ist nicht
unrealistisch. Sie beträgt vielmehr ungefähr ein Drittel
der für dieses Jahr angekündigten Aufstockung des
Agrarhaushalts in der EU, weswegen es nicht undenkbar
ist, dass wir diese Summe erreichen können. Wir können
sie uns leisten, und die anderen Industrieländer können
es auch.
Herr Khanbhai fragte, was die an diesen Krankheiten
leidende Frau denken würde. Was hätte sie gedacht,
wenn sie letzte Woche den Fernseher eingeschaltet und
Präsident Bush gesehen hätte, wie er ein mehrere
Milliarden Dollar schweres Raumfahrtprogramm mit
wirklich astronomischen Summen ankündigte? Es ist an
der Zeit, dass wir die Probleme dieser Welt lösen, bevor
wir auf der Suche nach anderen abheben.
2-329
Paasilinna (PSE). – (FI) Frau Präsidentin, wir sind
dagegen abgestumpft, dass in dieser entwickelten,
globalisierten Gemeinschaft noch immer Menschen an
Hunger und Krankheiten sterben. Sie wären mit
modernen Medikamenten und Lebensmitteln, die
weggeworfen werden, zu retten. Mit kostengünstigen
Hilfsprogrammen könnten jährlich sechs Millionen
Kinder im Alter unter fünf Jahren gerettet werden.
Wir akzeptieren, dass Menschen weltweit immense
Gewinne anhäufen. Diebstahl von Milliardensummen ist
an der Tagesordnung. Es ist nicht wahr, dass die
Anhäufung von gewaltigen Reichtümern einiger
Individuen der Gemeinschaft insgesamt zugute kommt.
Der Hunger hat eine Grenze, Gier nicht. Die beste
Medizin ist die Besteuerung. Gegen die sind die
Reichen. Das hieße ja teilen. Barmherzigkeit ist keine
Solidarität, Teilen schon. Der Kapitalismus gedeiht
durch Gier, und auch die Armut. Lassen Sie uns, liebe
Kolleginnen und Kollegen, das Problem des Mangels auf
die gleiche Art lösen wie Kriege in Europa: durch
Zusammenarbeit.
2-330
Nielson, Kommission.  (EN) Frau Präsidentin, Frau
Sandbæk nahm auf die nicht ausgezahlten EEF-Mittel
Bezug, die dafür verwendet werden könnten. Die Höhe
der noch nicht ausgezahlten Mittelbindungen aus dem
haushaltspolitischen
Teil
unserer
Entwicklungszusammenarbeit beträgt 11 Milliarden
Euro. Beim Europäischen Entwicklungsfonds sind es
8 Milliarden Euro. Wir sind nun an einem Punkt
angelangt, wo die Kommission und die Mitgliedstaaten
zur Verwirklichung von Dingen fast genau dieselbe
Anzahl an Jahren brauchen. Wir sind heute nicht
langsamer, sondern verfügen über einen Berg alter
Entscheidungen, die wir umsetzen müssen. Dies gilt
sowohl für den Haushalt als auch für den EEF. Ende
2003 haben wir festgestellt, dass wir EEF-Ausgaben in
Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro erreicht haben: die
höchsten Ausgaben aller Zeiten, rund 60 % mehr als
beim Amtsantritt der Kommission.
Den Mitgliedstaaten wurde angekündigt, dass sie sich
lieber darauf vorbereiten sollten, für das letzte Quartal
des Jahres zu zahlen, damit wir diese bessere Leistung
103
einhalten können. Bedauerlicherweise bezahlten einige
Mitgliedstaaten ihre Beiträge nicht, so dass wir sie bitten
mussten, sich zu entscheiden, ob ihr Wunsch ernst
gemeint sei, dass die Kommission besser arbeiten solle.
Der Kommission ist es ernst damit.
Die Kommission geht das TRIPS-Abkommen an. Wir
waren erfreut darüber, dass dieses Abkommen vor
Cancún geschlossen werden konnte, nachdem wir seit
Dezember des vorherigen Jahres auf die USA warten
mussten. Wir befinden uns nun mitten in der Phase der
Überlegungen, wie dies in Bezug auf Rechtsvorschriften
umzusetzen ist. Wir sehen dem mit Freude entgegen und
werden diesem eine sehr hohe Priorität einräumen.
Die von der Union, den Mitgliedstaaten und der
Kommission für den Weltgesundheitsfonds zur
Verfügung gestellten Mittel betragen 2,6 Milliarden
Euro. Insgesamt wurden dem Fonds 4,8 Milliarden Euro
zugesagt. Ich stimme mit denjenigen überein, die der
Ansicht sind, dass dies noch immer nicht genug ist, doch
sollte berücksichtigt werden, dass unsere Budgethilfen
für den Gesundheitssektor und selbst unsere allgemeinen
Budgethilfen es unseren Entwicklungspartnerländern
ermöglichen, die Leistungen der grundlegenden
Gesundheitsdienste zu erhöhen.
Die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben für öffentliche
Gesundheitsdienste in der Region südlich der Sahara
liegen irgendwo zwischen zwei und sechs Dollar. Auch
wenn
die
antiretroviralen
Arzneimittel
sehr
kostengünstig werden, gibt es kein System für ihre
Verabreichung und den korrekten Umgang mit ihnen.
Ich meine damit nicht, dass wir die Behandlung
aufgeben sollten, sondern vertrete nach wie vor die
Ansicht, dass bei HIV/AIDS die Prävention das einzige
Heilmittel ist, um es ganz klar zu sagen. Ich tendiere
dazu, Herrn Sacrédeus hinsichtlich der Veränderung der
Lebensweise – insbesondere von Männern –
zuzustimmen. Aus diesem Grund stellt die gesamte
Agenda zu reproduktiver und sexueller Gesundheit und
zu den entsprechenden Rechten den Schlüssel für eine
richtige Behandlung des Themas HIV/AIDS dar.
In Afrika sterben mehr Menschen – insbesondere
Kinder – an Malaria als an HIV/AIDS. Hierbei handelt
es sich um armutsbedingte und durch Unkenntnis
verursachte Krankheiten, weswegen es durchaus Sinn
macht, eine Verbindung zwischen der Bekämpfung der
Armut
und
der
Aufgabe,
die
Millenniumsentwicklungsziele zu erfüllen, herzustellen.
Ich danke dem Parlament aus ganzem Herzen für seine
Zusammenarbeit und die uns gewährte Unterstützung.
Lassen Sie uns weitermachen, damit dies zu einem
gemeinsamen Bestreben wird.
2-331
Die Präsidentin.  Vielen Dank Herr Kommissar
Nielson.
Die Aussprache ist geschlossen.
104
13/01/2004
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
2-332
Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas
2-333
Die Präsidentin.  Nach der Tagesordnung folgt der
Bericht (A5-0329/2003) von Herrn Bébéar im Namen
des Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit
über die Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas
(NEPAD) (2003/2106(INI)).
2-334
Bébéar (PPE-DE), Berichterstatter. – (FR) Frau
Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Neue
Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas oder NEPAD
ist eine politische Initiative, die im Oktober 2001 von
fünf afrikanischen Staatschefs ergriffen wurde: dem
südafrikanischen Präsidenten Mbeki, dem algerischen
Präsidenten Bouteflika, dem ägyptischen Präsidenten
Mubarak, dem nigerianischen Präsidenten Obasanjo und
dem senegalesischen Präsidenten Wade. Diese fünf
Länder gründeten dann den Lenkungsausschuss der
NEPAD.
Eigentlich ist NEPAD Teil eines ehrgeizigen Projekts,
das unter dem Namen „Wiedergeburt Afrikas“ bekannt
ist. Ziel der Partnerschaft ist es, dass Afrika sein
Schicksal selbst in die Hand nimmt. Das Besondere an
der Partnerschaft ist, dass eine beispielgebende
innerafrikanische Dynamik in Gang gesetzt werden soll.
Die an der NEPAD beteiligten Länder verpflichten sich
zur
Achtung
der
Menschenrechte,
zur
Konfliktprävention
und
Konfliktbeilegung,
zu
demokratischen Prinzipien, zur verantwortungsvollen
Regierungsführung
und
erstmals
auch
zur
Korruptionsbekämpfung,
was
einer
kulturellen
Revolution gleichkommt.
Kurz gesagt, geht es um eine regionale afrikanische
Integration, die optimale Voraussetzungen schaffen soll,
um Privatinvestoren Anreize zu geben, sich an der
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zu beteiligen.
Hierbei handelt es sich endlich um eine glaubwürdige
afrikanische Initiative, die auf dem Grundsatz beruht,
dass die Beteiligung des privaten Sektors eine
unerlässliche Ergänzung der öffentlichen Hilfe
angesichts des immensen Bedarfs des afrikanischen
Kontinents darstellt.
Dem Bericht liegen zwei zentrale Themen zugrunde, und
zwar die Prävention und Beilegung von Konflikten auf
der einen Seite und die verantwortungsvolle
Regierungsführung auf der anderen. Frieden und
Stabilität
sind
Voraussetzungen
einer
jeden
Entwicklung. Dies gilt für öffentliche Investitionen, aber
vor allem für private Investitionen. In der Tat können die
öffentlichen Geber nach einem Konflikt relativ rasch
ihre Investitionstätigkeit wieder aufnehmen. Bei den
privaten Investoren liegen die Dinge anders. Sie müssen
erst das Vertrauen zurückgewinnen. Unter diesem
Aspekt könnte sich der Konflikt in Côte d’Ivoire auf
Jahre hinaus negativ auf die Wirtschaft in der Region
auswirken.
Verantwortungsvolle Regierungsführung ist ebenso
unerlässlich wie Stabilität. Demokratie und Achtung der
Rechtsstaatlichkeit sind Voraussetzungen für die
wirtschaftliche und menschliche Entwicklung. Mit der
NEPAD haben sich die Afrikaner selbst diesen
Grundsatz zu eigen gemacht und sind klare
Verpflichtungen eingegangen.
Die NEPAD umfasst zehn Schwerpunktthemen. Die
wichtigsten
davon
sind
verantwortungsvolle
Regierungsführung,
verantwortungsvolles
privatwirtschaftliches Handeln, Infrastruktur – und wir
wissen, wie wichtig dieser Aspekt ist – Bildung und
natürlich Gesundheit, Landwirtschaft, Umwelt, Energie
und schließlich Zugang zu den Märkten der
Industrieländer, was derzeit recht schwierig ist.
Die NEPAD hat in den Industrieländern, insbesondere in
der Europäischen Union und den G8, wie letztes Jahr in
Evian zu beobachten war, ein ausgesprochen positives
Echo gefunden, auch wenn die daraufhin gewährte Hilfe
nicht immer den Erwartungen der Initiatorenländer
entsprach. Generell kann festgestellt werden, dass der
Kommissionsbericht die NEPAD-Initiative begrüßt und
deren unverzügliche Umsetzung anregt. Er verweist auf
bestimmte Bereiche, die nachgebessert werden sollten,
und warnt vor potenziellen Risiken. Der Bericht nimmt
die Kritik zahlreicher Akteure der afrikanischen
Zivilgesellschaft zur Kenntnis und ermutigt die
Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union und
insbesondere deren Initiatorenländer, die aktive und
demokratische
Beteiligung
aller
Teile
der
Zivilgesellschaft, einschließlich der NRO, der
Gewerkschaften und der Unternehmerorganisationen
sowie der Kirchen zu ermöglichen.
Der Bericht weist uns ferner darauf hin, dass die
NEPAD ein sozioökonomisches Programm der
Afrikanischen Union für die Entwicklung Afrikas und
keine unabhängige Einrichtung ist. Ferner bekräftigt der
Bericht die Überzeugung, dass alle Maßnahmen, die die
Förderung und parlamentarische Kontrolle der NEPAD
betreffen, naturgemäß dem Panafrikanischen Parlament
zukommen müssen, das bis Ende des Jahres gebildet
werden soll, und Doppelarbeit und -ausgaben sowie
unkontrollierte Zunahme und Überschneidungen von
Institutionen vermieden werden sollten.
Schließlich misst der Bericht der Umsetzung und
demokratischen parlamentarischen Kontrolle des
African-Peer-Review-Mechanismus (APRM) größte
Bedeutung bei. Der Bericht ist ausgewogen. Er
entspricht dem Kern der politischen Sensibilität dieses
Parlaments. Ich hoffe, dass er in seiner jetzigen Form
und ohne Änderungsanträge – mit Ausnahme einiger
weniger mündlicher Änderungsanträge – angenommen
wird.
2-335
Nielson, Kommission.  (EN) Frau Präsidentin, die
Kommission begrüßt die Unterstützung der NEPAD und
der Afrikanischen Union durch das Parlament.
13/01/2004
Die durch die NEPAD und die Afrikanische Union
entstandene neue panafrikanische Realität verdient
unsere
besondere
Aufmerksamkeit
und
volle
Unterstützung. Wir dürfen die Dynamik nicht verlieren,
die durch die jüngsten grundlegenden Veränderungen in
Afrika entstanden ist, dessen Staatschefs die Initiative
ergriffen haben, den Kontinent von Armut und
Marginalisierung
zu
befreien,
wobei
die
Eigenverantwortung
ein
Leitprinzip
darstellte.
Tatsächlich könnte man von denjenigen, die ich oft als
die Helden der NEPAD bezeichne, sagen, dass sie
bewiesen haben, dass Eigenverantwortung etwas ist, das
man übernimmt, nicht etwas, das man erhält. Das war
die echte Idee der gesamten Initiative. Die Kommission
hat sich der Unterstützung panafrikanischer Initiativen
verpflichtet. Wir befinden uns mitten im Aufbau
strukturierter Beziehungen zur Afrikanischen Union und
den Einrichtungen der NEPAD.
Die Europäische Kommission bleibt der Unterstützung
der NEPAD und der Prioritäten und Ziele der
Afrikanischen Union weiterhin stark verpflichtet. Diese
Haltung wurde durch die Teilnahme von Präsident Prodi
am Gipfeltreffen der Afrikanischen Union in Maputo im
Juli 2003 sowie die Entwicklung des Dialogs zwischen
unserer Kommission und neuen panafrikanischen
Strukturen unter Beweis gestellt. Die Tatsache, dass
deren administrativer und exekutiver Arm Afrikanische
Kommission genannt wird, kommentiert in angenehmer
Weise, wofür wir in Europa stehen, und zweifelsohne
gewähren wir Unterstützung für Initiativen auf
kontinentaler Ebene, um diese enge Arbeitsbeziehung
unter Beweis zu stellen.
Zahlreiche
politische
Kontakte
zwischen
der
Europäischen Kommission und der Kommission der
Afrikanischen Union haben bisher den Weg für einen
strategischen, strukturierten Dialog zwischen den beiden
Einrichtungen
bereitet.
Gleichzeitig
wird
ein
regelmäßiger Dialog mit dem NEPAD-Sekretariat
entwickelt. Die Einrichtung anderer panafrikanischer
Institutionen, einschließlich des Friedens- und
Sicherheitsrates und des Panafrikanischen Parlaments,
bietet neue Perspektiven für einen Dialog zwischen der
Europäischen Union und ganz Afrika. Vor kurzem
erreichte der Prozess der Ratifizierung des Protokolls
des Friedens- und Sicherheitsrates in den Mitgliedstaaten
der Afrikanischen Union den Punkt, an dem diese
Einrichtung nun offiziell gegründet wird. Wir hoffen,
dass beim Panafrikanischen Parlament sehr bald
dasselbe geschehen wird.
Zugleich bietet die Europäische Gemeinschaft
panafrikanischen Initiativen konkrete Unterstützung.
Dabei sind Frieden und Sicherheit von besonderer
Bedeutung: Sie stellen eine Voraussetzung für die
gesamte Entwicklung dar. Die Schaffung einer
Friedensfazilität zur Unterstützung von Maßnahmen zur
Sicherung des Friedens, die unter der Schirmherrschaft
von Afrikanern ergriffen und auch von ihnen geleitet
werden, wird ein Durchbruch sein. Es war und ist noch
105
immer entscheidend, dass die Afrikanische Union auf
diesem Gebiet die Führung übernimmt.
Ich möchte noch ein wenig bei der Schaffung der
Friedensfazilität bleiben. Als die afrikanischen
Staatschefs in Maputo im Juli 2003 baten, einen Teil
ihrer nationalen Mittelzuweisungen für die Schaffung
einer Friedensfazilität zu „opfern“, handelte die
Kommission schnell. Nach intensiven Diskussionen mit
dem Rat der Europäischen Union und unseren AKPPartnern, gaben beide ihre Zustimmung zur Schaffung
dieser Fazilität. Nun treten wir in eine operativere Phase
ein, in der wir einen speziellen Finanzierungsvorschlag
in Höhe von 250 Millionen Euro ausarbeiten, der bei der
nächsten Sitzung des EEF-Ausschusses eingereicht
werden soll. Es geht demnach voran.
Die Philosophie dieser Friedensfazilität wird von drei
Grundprinzipien untermauert: Erstens soll die
Fähigkeiten der Menschen in Afrika, mit afrikanischen
Konflikten umzugehen, durch die Eigenverantwortung
gestärkt werden. Wir hoffen, dass die Fazilität das
erforderliche finanzielle „Fundament“ bieten wird, um
die politische Entschlossenheit der Afrikanischen Union
zu begleiten und die kontinentale Architektur zu
festigen, die sie mit dem Friedens- und Sicherheitsrat als
ihrer wichtigsten Einrichtung konzipiert hat. Zweitens
muss durch finanzielle Beiträge aller Länder Afrikas
Solidarität herrschen. Drittens gibt es Entwicklung, denn
es ist anerkannt, dass es in Afrika ohne Frieden und
Stabilität keine Entwicklung geben kann.
Wir wollen eine angemessene Reaktion auf den neuen
panafrikanischen Kontext erarbeiten. Wir – die
Europäische Union – stehen noch immer vor der
Aufgabe, Afrika als ein Ganzes zu betrachten. Unsere
Hilfe für den gesamten Kontinent muss in einem
schlüssigen Rahmen erfolgen. Dies erfordert unter
anderem Maßnahmen, um sicherzustellen, dass unsere
nationalen und regionalen Kooperationsprogramme mit
den Prioritäten und Zielen der NEPAD und der
Afrikanischen Union übereinstimmen. Dieser Prozess
liegt in den Händen unserer afrikanischen Partner, und
die Kommission wird in den kommenden Monaten
gewährleisten, dass er in unseren „Halbzeitbewertungen“
im Rahmen des Cotonou-Abkommens und in Bezug auf
die anderen für das übrige Afrika relevanten
Länderstrategien zum Ausdruck kommt.
Die Kommission legte im Juli in ihrer Mitteilung über
den EU-Afrika-Dialog konkrete Vorschläge vor, um
zwischen den verschiedenen die EU und Afrika
verbindenden Abkommen Brücken zu bauen. Ziel dieser
Mitteilung war es, eine überzeugende Diskussion über
die viel versprechendsten Wege und künftigen
praktischen Vereinbarungen für den Dialog und die
Zusammenarbeit zwischen der EU und Afrika zu
fördern.
Abschließend möchte ich sagen, dass der Bericht von
Herrn Bébéar und die heutige Aussprache willkommene
Beiträge zu dieser Diskussion sind.
106
2-336
Corrie (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin, ich möchte
Herrn Bébéar für seinen ausgezeichneten Bericht
danken.
Die NEPAD ist eine Vision, ein Konzept in den Köpfen
der afrikanischen Staatschefs, das den gesamten
Kontinent Afrika umfasst und einen strategischen
Rahmen für die Erneuerung Afrikas festlegt. Teil dieser
Vision muss eine demokratische Stimme in Form eines
Parlaments und der Beteiligung der Zivilgesellschaft
sein. Jedoch sollte die Afrikanische Union der
Hauptinitiator der im Rahmen der NEPAD festgesetzten
Politiken sein, die auf regionaler Integration basieren.
Alles, was wir Europäer verlangen und worauf wir
bestehen müssen, sind die Ziele und Grundsätze, zu
denen Folgendes gehört: die Bekämpfung der Armut, die
Anhebung des Status Afrikas in der Welt, eine
verantwortungsvolle
Regierungsführung
als
Grundvoraussetzung, die Schaffung eines friedlichen,
sicheren und stabilen Kontinents, der seine
Volkswirtschaften so ankurbeln kann, dass sie vom
Welthandel profitieren können, und der Versuch zu
gewährleisten, dass die Millenniumsentwickungsziele in
den Bereichen Gesundheit und Bildung erfüllt werden.
Europa hilft bereits bei all diesen Zielen. Wir müssen die
NEPAD-Vision weiterhin unterstützen und fördern, aber
Taten bringen mehr als Worte. Für die Erreichung dieser
Ziele werden große Geldsummen vonnöten sein. Man
kann nur hoffen, dass die erdölreichen Staaten auch
einen Beitrag leisten werden. Frieden und Stabilität setzt
große natürliche Reserven frei, die ihnen auch bei der
Verwirklichung ihrer Vision helfen könnten. Es ist zu
hoffen, dass die afrikanischen Staatschefs mit einer auf
dem Prinzip des Peer-Review gründenden Einrichtung
nun die Verantwortung für ihr eigenes Schicksal selbst
in die Hände nehmen und dass Instabilität und Armut
beseitigt werden und die Menschenrechte, insbesondere
für Frauen und Kinder, zu einer der wichtigsten
Prioritäten werden.
2-337
Kinnock, Glenys (PSE). – (EN) Frau Präsidentin, wir
sind uns alle einig, dass die NEPAD und ihre
Durchführungsbehörde, die Afrikanische Union, keine
schnelle Lösung für die Probleme Afrikas bieten. Es
wird nicht leicht sein, die Versprechen zu halten, und
Afrika sowie Außenseiter wie wir werden in der Tat
lange Zeit damit zu tun haben.
Wie im Bericht erwähnt, gab es in der NEPAD anfangs
und auch später in intellektueller Hinsicht nur recht
unzulängliche Konsultationen, insbesondere an der
Basis – sie wurde von politischen Führern geleitet. Wir
hoffen, gewährleisten zu können, dass es in der
künftigen Arbeit der Afrikanischen Union viel mehr
Konsultationen an der Basis, mit der Zivilgesellschaft
geben wird. Was die NEPAD betrifft, so zeigt sich
beispielsweise im Zusammenhang mit unseren letzten
Gesprächen, dass die NEPAD kaum auf Probleme im
sozialen Sektor eingeht. HIV/AIDS werden so gut wie
gar nicht erwähnt, und daraus ergibt sich ein sehr
13/01/2004
deutlicher und ernsthafter Widerspruch
Vorschlägen für Maßnahmen der NEPAD.
bei
den
Wie der Kommissar sagte, bewegen wir uns auf eine
Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union hin, die
nun die Aufgabe erhalten wird, die Politiken
durchzuarbeiten und umzusetzen. Wie wird die
Kommission die Bemühungen unterstützen, die Art von
Kohärenz zu schaffen, die für die Strategie der NEPAD
und der Afrikanischen Union nunmehr erforderlich sein
wird? Ist es beispielsweise von Bedeutung, dass der
African Peer Review Mechanism nun irgendwie immer
mehr institutionalisiert und als eine Art separates
Sekretariat abgetrennt wird? Sollte uns das nicht
irgendwie zu denken geben?
Der Kommissar sprach sehr richtig über die Bedeutung
der Friedensfazilität. Beabsichtigt die Kommission, für
die andere Arbeit – die selbst durchgeführte
Entwicklungsarbeit der Afrikanischen Union in Bezug
auf
Demokratie,
Menschenrechte
und
verantwortungsvolle
Regierungsführung –
entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen? Werden
wir ähnliche Unterstützung für diese Arbeit anbieten, die
mit der Arbeit Hand in Hand gehen muss, die für
Konfliktlösung und Friedensstiftung erforderlich sein
wird?
Wie es im Bericht heißt, ist es wichtig, dass die
Afrikanische Union in dieser Phase die rechtmäßige
politische und einem Mandat unterstellte Institution ist.
Frieden und Regierungsführung können nicht durch
Erklärungen wie die NEPAD erreicht werden. Was wir
jetzt brauchen, ist, wie der letzte Redner sagte, stärkere
Konzentration und viel bessere Maßnahmen.
2-338
Rod (Verts/ALE). – (FR) Frau Präsidentin, wird die
NEPAD das Instrument der afrikanischen Wiedergeburt
sein, nachdem andere Pläne fehlgeschlagen sind? Die
Grünen sind möglicherweise die Einzigen, die das
bezweifeln.
Natürlich
unterstützen
wir
den
Menschenrechtsaspekt der NEPAD, obwohl er unserer
Ansicht nach bedauerlicherweise lediglich theoretischen
Wert hat. Wir wollen hier nicht länger auf die
Verachtung eingehen, die die Autoren der NEPAD für
die vorherige Konsultation der Menschen bei der
Erarbeitung des Plans gezeigt haben, und wir möchten
darauf hinweisen, dass politische Gegner und
Journalisten in Afrika, selbst in Senegal nach wie vor
unterdrückt werden.
Aus ökonomischer Sicht verspricht die NEPAD
denselben Liberalismus, wie ihn die Weltbank und der
IWF
verkünden;
einen
Liberalismus
der
Strukturanpassungspläne; denselben Liberalismus, der
Argentinien in die Knie gezwungen hat und der
gemeinwirtschaftliche
Leistungen,
den
Gesundheitsdienst, die Wasserversorgung und die
Bildung in Frage stellt und damit letztlich die
Ungleichbehandlung und Armut verstärkt, und zwar
insbesondere im Hinblick auf Frauen.
13/01/2004
Es ist an der Zeit, eine Evaluierung der Auswirkungen
früherer Politiken der kommerziellen Liberalisierung auf
die soziale und wirtschaftliche Entwicklung und den
Schutz der Umwelt vorzunehmen. Die NEPAD ist mit
Freiheiten nicht knauserig. Da wären z. B. die Freiheit
des Kapitals, der freie Güter- oder der freie
Dienstleistungsverkehr. Doch wie steht es um die
Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Gemeinschaft
Afrikanischer Staaten? Wie steht es um die Freiheit der
Völker, über ihre Zukunft selbst zu entscheiden?
Darüber hinaus möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die
schrittweise Regionalisierung lenken, die die NEPAD
vorsieht. Das ist insofern problematisch, als die
Europäische Union derartige Zonen unterstützt, die
offenbar darauf hinauslaufen, dass die Initiatorenländer
der NEPAD benachbarte afrikanische Länder unter ihre
politischen und wirtschaftlichen Fittiche nehmen.
Ebenso wenig kann die NEPAD für sich in Anspruch
nehmen, eine wirtschaftlich vertretbare Lösung
darzustellen, während sie gleichzeitig ignoriert, was
aufgrund der enormen Schuldenlast der afrikanischen
Länder auf dem Spiel steht. So ist eine
Schuldenerleichterung lediglich im Falle von Ländern
vorgesehen, die einen neoliberalen Weg eingeschlagen
haben. Die Europäische Union sollte einen totalen und
bedingungslosen Schuldenerlass fordern und anwenden.
Die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in Afrika
ist nicht gleichzusetzen mit der Auslieferung des
Kontinents an die multinationalen Konzerne und
Auslandsinvestoren. Sie ist nicht gleichzusetzen mit der
Unterstützung der Ausbeutung seiner Ressourcen durch
ausländische Mächte. So werden der Agrar- und der
Bergbausektor, denen die NEPAD Vorrang einräumt,
völlig von Preisen abhängen, die von den Ländern des
Nordens festgesetzt werden. Afrika steht nicht zum
Verkauf. Afrika muss von Afrikanern und für Afrikaner
aufgebaut werden.
2-339
Gahler (PPE-DE). – Frau Präsidentin! Ich möchte
zunächst dem Kollegen Bébéar herzlich für seinen
exzellenten Initiativbericht danken. Die Partnerschaft für
die Entwicklung Afrikas ist ein ehrgeiziges Programm
und wir sollten unsere afrikanischen Partner dazu
beglückwünschen, denn es ist eben ein Programm von
Afrikanern für Afrikaner.
Über zwei Jahre ist dieses Konzept jetzt bereits in der
Welt und nun wird es Zeit, dass nach der erfolgten
Gründung der Afrikanischen Union und nach der für die
dritte März-Woche vorgesehenen ersten Sitzung des
Panafrikanischen
Parlaments
die
vorgesehenen
Mechanismen in Gang kommen.
Ich möchte mich insbesondere auf den African Peer
Review Mechanism beziehen und den genauer
beleuchten. Da habe ich allerdings den Eindruck, dass
einige derjenigen, die ihn entwickelt haben, doch Angst
vor der eigenen Courage haben. Der Kommissar hat
vorhin von den heroes of NEPAD gesprochen, das sind
dann die cowards of NEPAD, denn Grundsätze wie gute
107
Regierungsführung und Menschenrechte aufstellen,
heißt dann auch, sie zu implementieren. Und
Implementierung heißt konkrete Kontrolle und
Bewertung dessen, zu dem man sich verpflichtet hat.
Wir müssen leider feststellen, dass sich die Schlimmsten
in Afrika, wie z. B. Herr Mugabe in Simbabwe, natürlich
gar nicht erst diesem Mechanismus unterwerfen.
Insgesamt haben sich bisher erst 16 von über 50 Staaten
diesem Mechanismus unterworfen. Genau das ist der
Punkt, glaube ich, wo wir positiv ins Spiel kommen
sollten, sei es die EU oder auch die G8. Letztere hatten
sich ja bereits im Jahr 2002 zu einem Aktionsplan für
Afrika verpflichtet. Da sollten wir unsere Unterstützung
speziell denen geben, die ihre Standards tatsächlich
verbessern und sich in der Praxis diesem Mechanismus
unterwerfen. Nur so können wir Afrika individuell
behandeln und eben nicht als Einheit betrachten, was der
Kommissar vorhin beklagt hat. Zu diesem Zweck sollten
die EU, aber auch die G8 ihren Zeitplan für die
Realisierung ihrer Verpflichtungen, die sie jetzt abstrakt
eingegangen sind, konkretisieren, dann sind auch in
Afrika gute Ergebnisse zu erwarten.
2-340
Junker (PSE). – Frau Präsidentin! Die meisten
afrikanischen Länder, die sich die NEPAD-Initiative zu
Eigen gemacht haben, zählen zu den AKP-Ländern. Das
gibt der Kommission die Möglichkeit, die NEPADInitiative im Rahmen der AKP-Zusammenarbeit
partnerschaftlich zu begleiten, und das gibt dem
Europäischen Parlament die Möglichkeit, im Rahmen
der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung einen
regelmäßigen Dialog über die Notwendigkeiten und
auch die Erfolge mit den betroffenen Ländern zu
pflegen. Die neuen parlamentarischen Ausschüsse der
AKP-Versammlung bieten dafür ein hervorragendes
Forum, in dem auch in Form kritischer Solidarität
Probleme angesprochen werden können.
Die NEPAD-Länder haben mit ihrer Initiative zweifellos
einen
Grundstein
für
eine
erfolgreiche
eigenverantwortliche Entwicklung gelegt. Nun kommt es
darauf an, ein solides Fundament für eine gedeihliche
Zusammenarbeit zu schaffen und ein panafrikanisches
Haus darauf zu erstellen, in dem alle eine
menschenwürdige Unterkunft finden.
Die
Befriedung
in
Krisengebieten
ist
eine
Grundvoraussetzung für die Verbesserung der
Lebensverhältnisse in weiten Teilen Afrikas. Um
dauerhafte
Erfolge,
insbesondere
bei
der
Armutsbekämpfung, zu erreichen, bedarf es einer
anhaltenden politischen Stabilisierung. Diese kann nur
zuverlässig
gelingen,
wenn
die
politisch
Verantwortlichen die Unterstützung der Zivilgesellschaft
gewinnen. Das heißt, es bedarf der aktiven und
demokratischen pluralen Beteiligung der maßgeblichen
Gruppen
der
Zivilgesellschaft,
der
Nichtregierungsorganisationen
ebenso
wie
der
politischen
Gremien
und
Vereinigungen,
der
Gewerkschaften
ebenso
wie
der
Arbeitgeberorganisationen, der Kirchen ebenso wie der
108
kulturellen Vereinigungen und Bildungsinstitutionen,
um nur einige zu nennen.
Besonders notwendig ist die gleichberechtigte
Beteiligung von Frauen an der Entwicklung von
Vorhaben und Strategien zur Entwicklung, denn sie sind
es, die das tägliche Leben organisieren und nicht selten
das Überleben ihrer Familien sichern müssen.
(Beifall)
2-341
Maes (Verts/ALE). – (NL) Frau Präsidentin, sehr
geehrter Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die NEPAD-Geschichte betrachten wir mit
ein wenig gemischten Gefühlen. Obgleich der Bericht
unseres Kollegen positiv ausfällt – und wir können ihm
größtenteils zustimmen –, hegen wir doch gewisse
Zweifel, und die rühren aus den Erfahrungen in jüngster
Zeit her.
Die NEPAD-Geschichte war die Antwort der
afrikanischen Führer auf die Globalisierung der
Weltwirtschaft. Das ist verständlich, denn Afrika droht
in vielerlei Hinsicht der Erdteil zu werden, der den
Kürzeren zieht, während sich dort jedermann eindeckt.
Das zeugt von Visionen, hat aber auch den Nachteil
eines großen Vorhabens, das nicht von unten gewachsen
ist.
Befürchtet wird hauptsächlich, dass NEPAD letzten
Endes zur Bereicherung derjenigen führen wird, die
bereits reich sind, und die Herausforderung besteht
darin, die NEPAD-Geschichte nicht als etwas zu
betrachten, das den Millenniumszielen entgegensteht,
wie die Halbierung der Zahl der Armen, die mit nicht
einmal 1 Dollar überleben müssen. Dieses Problem lässt
sich nicht mit großen Handelsströmen aus der Welt
schaffen, denn der Handel war noch nie Garant für eine
wahrhaft faire Verteilung.
2-342
Van Orden (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin, wir
haben heute Abend einige sehr schöne Worte
vernommen, aber wir dürfen nicht vergessen, dass es
sich bei der Neuen Partnerschaft für die Entwicklung
Afrikas – der NEPAD – um ein Geschäft handelte.
Einerseits verpflichteten sich die Industrieländer dazu,
Milliarden von Dollar für neue Ressourcen zur
Verfügung zu stellen, die afrikanischen Regierungen
verpflichteten
sich
jedoch
ihrerseits
zu
verantwortungsvoller Regierungsführung, Demokratie,
Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit. Eines ist
sicher: Ohne verantwortungsvolle Regierungsführung in
Afrika werden aufgestockte Finanzhilfen nur einen
geringen Wert haben.
Ich weise auf die von Herrn Bébéar zitierte Schätzung
der Kommission hin, der zufolge die illegal erworbenen
und hauptsächlich in ausländischen Banken angelegten
Gelder mehr als die Hälfte der Auslandsschulden
Afrikas ausmachen. Ich frage mich, welcher Anteil
dieser gestohlenen Gelder Herrn Mugabe und seinen
Komplizen gehört. Denn letzten Endes sind es Herr
13/01/2004
Mugabe und seine ZANU-PF-Kumpane, die das einst
wohlhabende Land Simbabwe systematisch geplündert
und brutalisiert haben, seinen Menschen Gesetzlosigkeit
und Hunger gebracht und so viele von ihnen gezwungen
haben, in Angst und Verzweiflung zu leben. Täglich
erfahre ich von furchtbaren, neuen Fällen.
Bedauerlicherweise haben viele Nachbarn Simbabwes
das Mugabe-Regime nicht nur unterstützt, sondern
Mugabe auch gestattet, die Bedingungen der
Beziehungen Afrikas zu uns zu bestimmen. Die Lage in
Simbabwe gerät nun außer Kontrolle. Dieses Parlament
hat bei sechs verschiedenen Anlässen effektive
Maßnahmen des Rates gefordert. Bisher ist es dem Rat
nicht gelungen, diese Forderungen zu befolgen. Am
Donnerstag müssen wir noch einmal darauf bestehen,
dass wir jetzt effektive Maßnahmen wollen! Dies
bedeutet nicht einfach die Erneuerung der gezielten
Sanktionen der EU nach deren Ablauf am 18. Februar,
sondern auch die Ergreifung neuer, härterer
Maßnahmen.
Vor allem Südafrika muss eine echte moralische und
politische Führungsrolle übernehmen. Denn letztendlich
ist Südafrika besonders für die Aspekte der
verantwortungsvollen Regierungsführung der NEPAD
verantwortlich. Ich sage Herrn Präsident Mbeki, dass
stille Diplomatie nicht funktioniert. Sie hat nicht
funktioniert, als es um die Abschaffung der Apartheid
ging, und wird auch bei Herrn Mugabe nicht
funktionieren. Er muss hart werden. Ich flehe die
Afrikanische Union und die Länder Afrikas an, alle
ihnen zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um
Herrn Mugabe und seine Sippe zum Rücktritt zu
bewegen. Wir müssen die Menschen in Simbabwe
befreien. Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben.
Simbabwe ist der Test für die NEPAD.
2-343
McAvan (PSE). – (EN) Frau Präsidentin, ich danke dem
Berichterstatter für diesen Initiativbericht, der uns die
Möglichkeit gibt, über eine solche wichtige Initiative zu
diskutieren. Sie ist wichtig, da sie im Lande selbst
entstanden ist. Sie stammt von den Völkern Afrikas.
Auch wenn es Vorbehalte gibt, ist dieser Punkt von
äußert großer Bedeutung.
Erst, als wir erkannt hatten, dass Armut,
Arbeitslosigkeit, Diktatur und Krieg zu nichts führen,
konnten wir auf unserem Kontinent die Europäische
Union gründen und dann von dort aus weitermachen.
Hoffentlich kann Afrika, das diese politische
Entscheidung jetzt trifft, dann auch Fortschritte machen.
Im Nachkriegseuropa konnten wir es nicht alleine
schaffen, wir waren auf Hilfe von außen angewiesen.
Der Berichterstatter spricht in seiner Schlussfolgerung
über den Marshall-Plan. Dieser Plan war 1948 über vier
Jahre mit 13,4 Milliarden Dollar dotiert. Das war sehr
viel Geld. Hilfe muss angemessen ausgegeben werden,
doch angemessene Hilfe muss überhaupt erst einmal da
sein, neben besserem Freihandel und der Aufhebung der
Mittelbindung der Hilfe für afrikanische Länder, damit
13/01/2004
das Geld für das ausgegeben wird, wofür es auch
gebraucht wird, und nicht für Dinge, die wir bevorzugt
hätten.
Wir können in der EU viel mehr zur Unterstützung
dieser bedeutenden Initiative tun. Ich hoffe, dass die
Kommission alles tun wird, um sicherzustellen, dass wir
mit den politischen Führern Afrikas zusammenarbeiten,
die diese Art der Veränderung wollen, und zu
gewährleisten, dass dies auch geschieht.
2-344
Khanbhai (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin, die Liste
der Ziele für die NEPAD ist sehr lang: Sie umfasst
verschiedene
unterschiedliche
Konzepte
wie
Konfliktprävention,
Demokratie
und
regionale
wirtschaftliche Integration. Der Bericht meines Freundes
und Kollegen Bébéar ist ausgezeichnet. Ich möchte
jedoch hervorheben: Wenn, wie er sagt, alle diese Ziele
verwirklicht
werden
sollen,
müssten
jährlich
64 Milliarden Dollar bereitgestellt werden. Ich glaube
nicht, dass so viel Geld verfügbar sein wird.
Wie die letzte Rednerin bereits sagte, müssen wir das
Problem der Armut in Afrika angehen, wenngleich
Korruption, Misswirtschaft, Betrug und schlechte
Regierungsführung existieren. Wenn die NEPAD eine
Lösung der afrikanischen Regierungen ist, mag es eine
Chance geben. Es gibt Beispiele für Misswirtschaft und
Betrug: Wir brauchen uns nur die Nachrichten der
vergangenen Woche anzusehen, als Parmalat in Italien
10 Milliarden EUR verlor – in einem hoch entwickelten,
modernen, westlichen Land! Es überrascht also nicht,
dass es in Afrika Schwierigkeiten geben wird. Ich nehme
diese nicht hin und habe überall, insbesondere in Afrika,
stets gegen Korruption protestiert und sie bekämpft.
Wir müssen die NEPAD fördern, vor allem die Idee, das
Wachstum und den Unterhalt kleiner und mittlerer
Unternehmen in Afrika, die Afrikanern gehören und von
ihnen betrieben werden, unter Verwendung der
natürlichen Ressourcen ihrer Länder und mit ihren
eigenen Menschen, mit der angemessenen Ausbildung
und Unterstützung, die wir ihnen geben können. Das ist
der Motor für die NEPAD – der wirtschaftliche Motor,
der Entwicklung bewirken kann. Zunächst muss er aus
ihren Ländern kommen, die regionale Wirtschaft fördern
und dann hin zur EU und auf die Weltmärkte gehen. So
war die NEPAD ursprünglich gedacht. Das Dach kann
die Afrikanische Union sein, die Wände das
Panafrikanische Parlament, aber der Grundstein für das
Wirtschaftswachstum und die Bekämpfung der Armut in
Afrika muss etwas wie die NEPAD sein. Wir sollten sie
unterstützen.
2-345
Nielson, Kommission.  (EN) Frau Präsidentin, ich
möchte mit einem Kommentar zu Frau Kinnocks
Äußerung über die Notwendigkeit beginnen, ähnliche
Unterstützung wie für die Friedensfazilität auch für
andere Dinge zu mobilisieren. Wir geben keine
ähnlichen Summen für alle anderen Dinge aus: Wie
geben viel mehr aus. Neu an der Friedensfazilität ist,
dass wir eine Grundlage für Ausgaben für Dinge
109
schaffen, für die wir zuvor niemals Geld ausgeben
konnten. Die Finanzierung der Durchführung von
Friedensmissionen, die von Afrika beschossen und in
einem afrikanischen Kontext verwirklicht werden, ist
neu. Wir sollten sicherstellen, dass wir dieses Geld nur
für Dinge verwenden, die durch die bereits bestehenden
regulären Systeme nicht finanziert werden können.
Mir gefiel Herrn Corries Äußerung zu den erdölreichen
afrikanischen Staaten, die mehr tun könnten. Wir sollten
noch einmal darauf zu sprechen kommen. Ich verstehe
auch, dass es sehr sinnvoll wäre, in der Paritätischen
Parlamentarischen Versammlung die Leistung der Erdöl
exportierenden Volkswirtschaften und anderer ähnlicher
Förderindustrien in Afrika zu diskutieren. Die
Diskussion kommt gerade erst in Gang, aber genau dort
sollten in vielen Fällen die großen Geldsummen für
soziale Zwecke aufgetrieben werden.
Das Fantastische an der NEPAD war die Wahl des
richtigen Zeitpunkts und ihr Charakter sowie das Ziel zu
akzeptieren, den weltweiten Kriterien hinsichtlich der
Demokratie ausgesetzt zu sein und an ihnen gemessen zu
werden. Diese afrikanischen Länder geben an, dass sie
nach denselben Prinzipien beurteilt werden wollen und
wiederholen somit das, worauf wir uns im Rahmen des
Cotonou-Abkommens alle geeinigt hatten. Sie wollten,
dass dies aufgenommen wird. Sie taten es gegen den
Willen der G8, was international großes Aufsehen
erregte, und erhöhten in dieser Hinsicht den Einsatz im
Demokratisierungsprozess Afrikas.
Die NEPAD und die Demokratie in Afrika sind noch
immer sehr neu. In den besten Ländern haben nur zwei,
bestenfalls drei einigermaßen gerechte Wahlen
stattgefunden. Wir neigen dazu, dies zu vergessen: In
den besten Ländern gab es zwei annehmbare
demokratische Wahlen. Es gibt nicht viel mehr als eine
große Handvoll dieser besten Beispiele. Die Dinge
entwickeln sich jedoch in die richtige Richtung.
Diese Peer Review ist ein fantastisches, sehr gewagtes
Unterfangen. Selbstverständlich musste institutionalisiert
werden. Es war ein sehr kluger Schritt, sie so schnell wie
möglich in den Kontext der Afrikanischen Union
einzubetten, denn, wie Herr van Orden richtig sagte, was
hätten sie mit Simbabwe und einer Vielzahl anderer
Fälle getan, wenn die ursprünglichen fünf Helden der
NEPAD es erledigt hätten? Sie hätten die politische
Autorität verloren. Es wäre als eine Art Verschwörung
aufgefasst worden, bei der den anderen gezeigt wird, wo
es langgeht. Stattdessen wurde sie klug in die
Afrikanische Union eingebettet – wenn ich dieses Wort
in Bezug auf diesen Kontinent verwenden darf –, die sie
angenommen hat.
Diese Arbeit geht weiter. Es ist schon großartig, dass
Standards eingeführt werden, um diese Überprüfung im
Peer Review-Verfahren zu überstehen. Ich habe ihnen in
einem Gespräch gesagt, dass es so aussieht, als ob es
schwieriger wäre, im Peer Review-Verfahren gute Noten
zu bekommen, als die von uns festgelegten Kriterien zu
erfüllen, um Mitglied der Europäische Union zu werden.
110
13/01/2004
Das ist sehr ehrgeizig. Ich kann nur empfehlen, dass
jeder, der sich für Afrika interessiert, sich genau ansieht,
wie hier die Norm gesetzt wird. Ich habe sie davor
gewarnt, zu ehrgeizig zu sein, aber sie möchten dies zu
einem weltweiten Standard für Regierungsführung
machen. Sie wissen, dass es nicht leicht sein wird.
Als Institution freuen wir uns sehr auf eine
systematische, enge, gut organisierte Zusammenarbeit
mit der entstehenden Kommission in Addis Abeba. Ich
hoffe, dass wir wieder auf den richtigen Weg kommen
und die Schwierigkeiten bewältigen können – auch in
Bezug auf Simbabwe. Ich hoffe, dass das Jahr 2004 ein
positiver Wendepunkt sein wird, der uns die Möglichkeit
gibt, den Dialog zwischen der EU und Afrika in vollem
Umfang wieder aufzunehmen.
2-346
Die Präsidentin.  Vielen Dank Herr Kommissar
Nielson.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
2-347
Kulturelle Vielfalt
2-348
Die Präsidentin.  Nach der Tagesordnung folgt der
Bericht (A5-0477/2003) von Frau Prets im Namen des
Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und
Sport über die Erhaltung und die Förderung der
kulturellen Vielfalt: die Rolle der europäischen
Regionen und internationaler Organisationen wie der
UNESCO und des Europarates (2002/2269(INI)).
2-349
Prets (PSE), Berichterstatterin. – Frau Präsidentin, Frau
Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Kulturelle Vielfalt zu definieren, ist ebenso kompliziert
und vernetzt wie die Kultur selbst. Kulturen sind einem
ständigen Wandel unterzogen, und dieser dynamische
Prozess gibt den Impuls für den Fortschritt der
Menschheit. Wir müssen aber im Zusammenhang mit
Abkommen internationaler Organisationen wie WTO
oder mit der Schaffung eines internationalen Instruments
der kulturellen Vielfalt eine formale Definition für
Kulturpolitik, kulturelle Güter und Dienstleistungen
sowie kulturelle Vielfalt finden.
Die Tatsache, dass die Bürger und Bürgerinnen bei einer
Eurobarometer-Umfrage zum Thema Erweiterung im
April 2003 den Bereich Kultur als einen der großen
Gewinner der Erweiterung neben Umwelt und Handel
bezeichnet haben, spricht für das Engagement, das der
Sicherung und Förderung der kulturellen Vielfalt von
internationalen Organisationen entgegengebracht wird.
Die Identität der Europäischen Union zeichnet sich
durch ihre Vielfalt aus, die nach dem Beitritt der neuen
Länder weitere Kulturkreise einbinden wird. Die
Außengrenzen verschieben sich an eine Bruchlinie völlig
anderer Kulturräume. Ab 2004 wird die Europäische
Union in direkter Nachbarschaft zu Russland,
Weißrussland, Ukraine und Moldawien stehen.
Parallelen und Ähnlichkeiten lassen sich trotz
bestehender Unterschiede feststellen, die sich durch
Migration und den Dialog der Kulturen erklären lassen.
Ziel ist es, vor allem im Hinblick auf die Erweiterung
sowohl Minderheits- bzw. Randkulturen als auch
stärkere Kulturen miteinander in Bezug zu bringen,
damit es nicht zu einem Kampf der Kulturen kommt,
sondern der kulturelle Dialog das gegenseitige
Verständnis im Interesse des Friedens fördert.
Sicherung der kulturellen Vielfalt heißt nicht, sie
einzugrenzen und zu konservieren, sondern sie zu
öffnen,
individuelle
Entwicklungsund
Marktmöglichkeiten zu bieten, ohne den geltenden
Marktmechanismen unterworfen zu werden. Sie ist
Grundpfeiler für Identität und Wirtschaftsfaktor
zugleich. Diese Tatsache erfordert, dass wir uns nicht
nur für den Schutz, sondern auch für die Förderung der
kulturellen Vielfalt
einsetzen,
sie
in einen
internationalen Kontext stellen, so dass Austausch,
Entwicklung und Dialog stattfinden können. Z. B.
scheinen Musik- und Filmindustrie sehr lukrative
Bereiche im internationalen Handelskontext zu sein, vor
allem wenn wir den Marktanteil von Filmen in der
Europäischen Union im Jahr 2000 genauer betrachten:
amerikanische Filme 73 %, nationale Filme im eigenen
Land 15 %, nationale Filme außerhalb der Landesgrenze
8 %.
Viele Menschen sind erst durch die STOPP GATSAktionen auf die Verhandlungen der Kommission im
Rahmen der WTO aufmerksam gemacht worden. Diese
Verhandlungen haben aufgrund der Intransparenz für
Aufregung und somit Aufmerksamkeit von Seiten der
Bürger gesorgt. Diese Intransparenz hat auch dazu
geführt, dass Zweifel und Befürchtungen hinsichtlich
einer zu weit gehenden Liberalisierung aufgekommen
sind und sich bei den Kulturakteuren die Meinung
verstärkt hat, dass das Ziel der internationalen
Wettbewerbsfähigkeit Vorrang vor der Verteidigung der
kulturellen Vielfalt hat. Noch gilt die kulturelle
Ausnahme. Sie ist aber auf Dauer nicht gesichert. Auch
öffentliche Bildungssysteme sind derzeit aus dem
Anwendungsbereich von GATS ausgenommen. Das
muss auch so bleiben, um freie Zugänglichkeit,
Chancengleichheit und Qualität zu sichern. Privat
finanzierte Bildungsmärkte sind weitgehend geöffnet.
Unsere Forderung ist es, dass es in diesem Bereich zu
keiner weiter forcierten Liberalisierung kommt. Wir
müssen verhindern, dass das Streben nach
internationaler Wettbewerbsfähigkeit die kulturelle
Vielfalt negativ beeinflusst. Das heißt, der Schutz der
Förderinstrumente und somit der kulturellen Vielfalt soll
nicht im Rahmen der WTO und von GATS erreicht
werden, sondern durch die Aushandlung einer
Konvention zur Sicherheit der kulturellen Vielfalt im
Rahmen der UNESCO. Es ist erfreulich, dass die
UNESCO mit großer Mehrheit der Ausarbeitung einer
Konvention zugestimmt hat, und ich wünsche mir, dass
es sehr rasch geht, denn wir brauchen hier eine sehr
schnelle Entscheidung. Nicht nur der Schutz, sondern
13/01/2004
auch die Förderung sind notwendig – wie ich schon
gesagt habe –, um die Vielfalt aufrecht zu erhalten.
Europäische Kulturpolitik muss einhergehen mit einer
nationalen, aktiven, eigenständigen Kulturpolitik und in
manchen
Bereichen
sogar
einer
verstärkten
Dezentralisierung in den Regionen und Gemeinden. Die
unterschiedlichen Ebenen dürfen sich nicht ersetzen,
sondern müssen sich ergänzen. Der Binnenmarkt und
somit freier Verkehr von Dienstleistungen dürfen
nationalen Fördermechanismen nicht vorgereiht werden.
Durch eine verstärkte Zusammenarbeit internationaler
Organisationen soll der spezifische Charakter der
Kulturen weltweit gesichert und gefördert werden.
(Beifall)
2-350
Reding, Kommission.  (FR) Frau Präsidentin, Frau
Prets, verehrte Abgeordnete! Das ist nicht der erste
Bericht, den das Europäische Parlament zum Thema der
kulturellen Vielfalt annimmt. Er ist Teil einer langen
Kette von Ideen, die einander ergänzen, bestätigen und
untermauern. Das ist genau der Grund, weshalb Berichte
wie dieser so wichtig sind, weil sie uns jedes Mal zur
Ordnung rufen und uns zeigen, dass das Parlament
präsent ist, dass es aufpasst und dass es nicht schläft. Es
sorgt dafür, dass die kulturelle Vielfalt elementarer
Bestandteil der internen und externen Politiken der
Europäischen Union ist.
Ich möchte Frau Prets meinen aufrichtigen Dank für
diesen Bericht aussprechen, der sich im Einklang mit
den Wünschen des Europäischen Parlaments, dem
Sprachrohr der europäischen Bürger, befindet. Sie haben
Recht, Frau Prets: die kulturelle Vielfalt ist ein Kampf,
ein Kampf, den wir tagtäglich ausfechten, und wir
kämpfen nicht allein: Wir brauchen Verbündete. In
diesem Zusammenhang begrüße ich die kontinuierliche
und langjährige Unterstützung durch das Europäische
Parlament, eine Unterstützung, die mein Herz erwärmt
und die niemals nachlässt, eine Unterstützung, die dazu
beiträgt, dass die Kommission den Vertrag auf dem
Gebiet der kulturellen Vielfalt weiter erfolgreich
umsetzen kann.
Ausgehend davon fordert uns der Bericht Prets auf,
darüber nachzudenken, was auf dem Spiel steht. Es
stehen viele Dinge auf dem Spiel, und Frau Prets hat sie
aufgelistet. Da wären zunächst die einzelstaatlichen
Politiken mit zugegebenermaßen immer knapperen
Haushalten, aber es ist unabdingbar, dass ein Teil dieser
Haushalte auch weiterhin für die Kultur, ihre Vielfalt
und – gerade vor dem Hintergrund der kulturellen
Produktion – für den Schutz der schwächsten
Kettenglieder ausgegeben wird, damit unsere kulturelle
Vielfalt hier in Europa überleben kann. Dann wäre da
unsere Außenpolitik, und so wie Sie begrüße auch ich
die Tatsache, dass wir diesen Kampf auf internationaler
Ebene gewonnen haben – es ist nur ein Kampf und kein
Krieg – und die Mehrzahl der Nationen davon
überzeugen
konnten,
sich
unserem
Kampf
anzuschließen, damit wir auch im Hinblick auf den
111
internationalen Handel unsere kulturellen Eigenheiten
bewahren können. Wir brauchen tatsächlich Prinzipien
für unser Handeln, wenn die Maßnahmen der Union
sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Grenzen unser
Engagement für diese kulturelle Vielfalt widerspiegeln
sollen, die unseren Lebensquell bildet.
Ich bin davon überzeugt, dass dieser in Europa absolut
einmalige Prozess, den wir erfunden haben müssen, weil
wir ihn nicht kopiert haben können, da es ihn bisher
nirgendwo sonst gab, weltweite Vorbildwirkung hat. Ich
bekomme auf meinen Reisen in verschiedene kleine wie
große Länder immer wieder folgenden Satz zu hören:
„Wir nehmen uns ein Beispiel daran, wie Sie Ihre
Minderheiten schützen und ihre Kulturen – ob groß oder
klein, bedeutend oder unbedeutend – fördern.“ Können
wir der Welt ein besseres Geschenk machen, als ihr zu
zeigen, wie das kulturelle Erbe erhalten werden kann,
wie das erhalten werden kann, was den Menschen am
meisten am Herzen liegt, wobei man bereit sein muss,
seinem Herzen Vorrang vor dem Markt einzuräumen.
Denn darum geht es; um die Erhaltung unserer
Traditionen, unserer Kulturen, unserer künftigen
Talente, unserer jungen Menschen, die nach einer
Möglichkeit suchen, sich selbst auszudrücken. Sie
müssen wir erhalten, damit diese jungen Menschen auch
künftig die Möglichkeit haben, sich selbst auszudrücken.
Eben diese menschliche Dimension müssen wir auf
lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene
stärken, weil die kulturelle Vielfalt universellen
Charakter trägt. Wir können nicht von „meiner
kulturellen Vielfalt“ sprechen, denn die kulturelle
Vielfalt ist auch die kulturelle Vielfalt der anderen, von
Bürgern, die im Allgemeinen nicht in der Lage sind, sich
zu artikulieren, es sei denn, wir helfen ihnen dabei.
Wichtig ist meiner Ansicht nach ebenfalls, dass sich
dieser Bericht über kulturelle Vielfalt direkt an den
Bericht über Entwicklungshilfe anschließt. Das ist ein
treffendes Symbol, stellt die Entwicklungshilfe doch
auch eine Art von Unterstützung dar, die zur Erhaltung
der Kultur derjenigen beiträgt, die nicht über die Mittel
verfügen, um sie selbst zu bewahren. Deshalb ist unser
weltweites Handeln in diese Richtung von großer
Bedeutung.
Es liegt auf der Hand, dass wir innerhalb der Union
unsere Möglichkeiten zur Förderung der kulturellen
Vielfalt durch die Bereitstellung von Mitteln auf lokaler,
regionaler, nationaler und europäischer Ebene erhalten
sollten, und die Kommission setzt sich konsequent für
die Umsetzung von Artikel 151 Absatz 4 EGV ein, der
die Gemeinschaft verpflichtet, bei ihrer Tätigkeit
bereichsübergreifend der kulturellen Vielfalt innerhalb
aller anderen Kulturen Rechnung zu tragen. Meine
Damen und Herren, ich kann Ihnen versichern, dass die
Berücksichtigung der Tatsache, dass die kulturelle
Vielfalt ein Teil unseres Lebens ist, für die Kommission,
ja selbst für die Kommissare, die für Bereiche wie
Wirtschaft,
Außenhandel
oder
internationale
Angelegenheiten
zuständig
sind,
zu
einer
Reflexhandlung geworden ist.
112
Deshalb sind unsere diesbezüglichen Aktionen sehr
wichtig, und wir werden keine Anstrengungen scheuen.
Für eine Berichterstattung über unsere Arbeit fehlen mir
die Mitarbeiter. Ich ziehe es vor, meine Mitarbeiter für
konkrete Maßnahmen anstelle einer Berichterstattung
über potenzielle Maßnahmen einzusetzen. Deshalb wird
es mir nicht möglich sein, ergänzende Berichte
vorzulegen. Wir arbeiten jedoch zurzeit an einem
Bericht über die kulturellen Ausgaben im Rahmen der
Strukturfonds. Das ist meiner Ansicht nach deshalb sehr
wichtig, weil der größte Teil der Kulturausgaben in der
Union nicht im Rahmen des Programms „Kultur 2000“
bereitgestellt wird, sondern im Rahmen der
Strukturfonds. Deshalb sollten wir uns meines Erachtens
etwas genauer mit diesen Zahlen beschäftigen.
Ferner teile ich die Ansicht, dass wir die Vielfalt auch in
unserer Politik der Zusammenarbeit und der
Entwicklung gegenüber Drittländern vertiefen sollten.
Vielfalt bedingt Austausch. Das gilt für alle Länder und
alle Ausdrucksformen, und ich verpflichte mich, die für
Außenbeziehungen zuständigen Kommissionsmitglieder
daran zu erinnern – was nicht schwierig ist, da ihnen
dies ohnehin klar ist – dass unsere Außenpolitik den
kulturellen Aspekt berücksichtigen muss, der ein
menschlicher Aspekt und damit von ursprünglicher
Bedeutung ist. Ich brauche Sie nicht daran zu erinnern,
was wir im Verlaufe sehr vieler Jahre mit unseren AKPPartnern bereits erreicht und was wir mit unseren
Mittelmeerpartnern in die Wege geleitet haben. Wir
bringen jedoch etwas Neues in die Beziehungen zu all
unseren Partnern ein, etwas, das sich auch dank des
Parlaments möglicherweise zu einer der neuen, im
Entstehen begriffenen Politiken entwickelt.
Ich war kürzlich in China. Worüber haben die Menschen
dort gesprochen? Sie haben über Kultur und kulturelle
Vielfalt gesprochen. Im Übrigen unterstützen uns die
Chinesen im Rahmen der UNESCO. Ferner sprachen die
Chinesen über Bildung, und all das in einem riesigen
Land wie China, das bei der Erhaltung seiner kulturellen
Vielfalt auf die Hilfe Europas zählt. Sie sehen also, dass
wir uns weltweit engagieren. Daher meine Freude über
die erfolgreich geschlagene Schlacht in der UNESCO.
Es war nicht leicht, aber es ist uns in der UNESCO
gelungen, die Nationen der Welt dafür zu gewinnen, sich
Seite an Seite mit uns für die Erhaltung dessen
einzusetzen, was uns allen lieb und teuer ist. Ich zweifle
nicht einen Moment daran, dass jetzt, da die
Generalkonferenz der UNESCO die Einrichtung eines
internationalen Instruments zur Erhaltung der kulturellen
Vielfalt beschlossen hat, dieses Instrument Wirklichkeit
werden und wirkungsvoll sein wird. Auf dieses Ziel
werden wir hinarbeiten, und zwar nicht nur innerhalb
von Europa, sondern auch gegenüber Drittländern. So
wie wir es geschafft haben, die Schlacht zu gewinnen,
werden wir weiter arbeiten, um den Krieg zu gewinnen.
Wie Sie wissen, stehen wir bei diesen Verhandlungen
noch ganz am Anfang, aber ich kann Ihnen mitteilen,
dass wir mit der Veröffentlichung einer Mitteilung der
Kommission – und zwar haben wir es hier mit einer
Premiere seitens der europäischen Exekutive insgesamt
13/01/2004
zu tun – an den Rat und das Parlament über die
Beziehungen der Europäischen Union zur UNESCO sehr
starke Signale an unsere Partner ausgesandt haben. Das
bildete eine sehr solide Grundlage für unsere Partner, die
sie in die Lage versetzt, uns bei unseren Bemühungen in
diesem Bereich zu unterstützen. Wir haben noch etwas
Zeit, bevor wir entsprechende Schritte einleiten müssen.
Die UNESCO wird uns Zeit geben, und ich möchte Sie
bitten, diese Zeit zu nutzen und gründlich über die
verschiedenen
Aspekte
nachzudenken,
die
wahrscheinlich in diese künftige Konvention einfließen
werden und zu denen wir alle Beteiligten, die
Beschäftigten des Kultursektors und der Kulturindustrie
konsultieren müssen.
Gemeinsam müssen wir konkrete Regeln für die
Zusammenarbeit mit aufeinander folgenden Präsidenten
der Union definieren, die die Verhandlungen mit der
UNESCO führen werden, um zu zeigen, dass sich
Europa in diesem Punkt einig ist. Das ist wichtig, weil
die übrige Welt, die anderen Kontinente von uns
erwarten, dass wir mit einer Stimme sprechen, damit das
Europa der kulturellen Vielfalt, das auf andere
Vorbildwirkung haben soll, nicht in einem
Durcheinander und in einer Kakophonie untergeht.
Auf dieses Ziel, meine Damen und Herren, sollten wir
hinarbeiten, und ich darf Ihnen, Frau Präsidentin,
abschließend versichern, wie sehr ich mich über die
unermüdliche Unterstützung seitens des Europäischen
Parlaments freue. Sie ist für mich eine sehr große Hilfe,
und die erzielten Erfolge sind auch Ihre Erfolge. Vielen
Dank. Sie haben sich als würdige Verfechter der
kulturellen Vielfalt Europas erwiesen.
2-351
Maes (Verts/ALE), Verfasserin der Stellungnahme des
mitberatenden
Ausschusses
für
auswärtige
Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame
Sicherheit und Verteidigungspolitik. – (NL) Frau
Präsidentin! Kulturelle Vielfalt ist in der Europäischen
Union ein populärer Begriff. Dem Problem der
kulturellen Identität gehen wir jedoch meistens aus dem
Wege, denn das ist weitaus sensibler, zumal dann, wenn
es um Definitionen geht. Deshalb möchte ich mich dazu
äußern.
Meine Vorstellungen sowie die anderer Kolleginnen und
Kollegen sind größtenteils in Frau Prets’ Bericht
eingeflossen, und ich möchte ihr für die Art und Weise
unserer Zusammenarbeit danken. Ich schließe mich
mithin dem an, was sowohl die Berichterstatterin als
auch Frau Reding in ihren wunderbaren Reden
ausgeführt haben.
Ich lasse mich von dem Motiv leiten, dass Achtung der
kulturellen Identität einer Gemeinschaft Voraussetzung
für friedliche Koexistenz ist. Zudem ist es eine
Grundbedingung für die Integration von Personen in
eine andere Kulturgemeinschaft, ohne Frustrationen und
Entfremdung zu erzeugen. Wer die Sprache und die
Kultur einer Person nicht achtet, zeugt nicht von
Achtung für diese Person selbst, lädt nicht zu
13/01/2004
113
gegenseitigem Respekt ein und zeigt sich nicht zum
Führen eines kulturellen Dialogs bereit, der in einer Welt
der stets fortschreitenden Globalisierung für die
kulturelle Entwicklung erforderlich ist. Das Streben nach
der Wahrung einer eigenständigen Kultur darf uns nicht
zu Abschottung, Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus
führen.
Andererseits sollten wir uns bewusst sein, dass der
Markt die Vielfalt nicht retten wird. Deshalb brauchen
wir die Instrumente und Mittel zum Erhalt dieser Vielfalt
sowie die Möglichkeiten, um den Erhalt der kulturellen
Identität festzuschreiben. Dennoch verschwinden
Sprachen und Kulturen sehr schnell, und daher stimmt es
mich insofern überaus froh, als Sie den Akzent auf
dieses Prinzip gelegt haben, von dem wir uns
beispielsweise auch in den Kontakten zu den
Entwicklungsländern leiten lassen sollten.
Meiner Überzeugung nach muss es jeder Gemeinschaft
möglich sein, die eigene Kultur vor Unterdrückung wie
beispielsweise vor Sprachimperialismus zu schützen.
Die Achtung für Sprachen ist einer der größten Trümpfe
in der Erweiterung Europas, den alle unsere Kolleginnen
und Kollegen bereits haben erleben dürfen.
Recht, wenn sie sagt, dass Kulturgüter und dienstleistungen sich nicht dem normalen freien Markt
der
kommerziellen
und
handelspolitischen
Möglichkeiten anpassen sollten.
Können wir unseren Regierungen vertrauen, dass sie
unsere nationalen, europäischen und regionalen Kulturen
erhalten? In meinem Land, von dem man sagen könnte,
dass Fremdsprachenunterricht nicht mehr stattfindet, die
Geschichte einfach zu einem Hintergrund der aktuellen
Geschehnisse geworden ist und in dem Shakespeare
offenbar zu schwierig für englische Studenten ist, wären
diejenigen, die sagen „Ja, wir können unseren
Regierungen vertrauen, dass sie unsere Kulturen
erhalten“ vielleicht unklug. Die Vorschläge, dies auf
internationaler Ebene zu vereinbaren, sind richtig, aber
wir sollten uns auch selbst an unsere eigenen Völker und
unsere eigenen Studenten wenden. Durch die
Internationalisierung, insbesondere das Fernsehen, haben
wir viel zu befürchten. Ich hoffe, dass das Parlament
weiterhin positive Vorschläge unterbreiten wird, die von
Kommission und Rat angenommen werden, erwarte
jedoch eine spezielle Antwort des Kommissars zu dem
Punkt, den ich anfangs angesprochen habe.
2-354
Abschließend hoffe ich, dass die Instrumente, die
internationaler Ebene entwickelt werden, und
Instrumente, die Sie und die Union konzipieren,
Vielfalt dienen und eine kulturelle Identität
eigentlichen Sinne des Wortes ermöglichen.
auf
die
der
im
2-352
Beazley (PPE-DE). – (FR) Frau Präsidentin, Frau
Kommissarin, Frau Prets! Ich habe unserer Kommissarin
sehr genau zugehört. Leider ist mir dabei wohl die
Antwort auf die äußerst klaren und präzisen Fragen
entgangen, die in diesem Bericht enthalten sind. Wenn
ich mich nicht irre, dann wird Ihnen, Frau Kommissarin,
in Ziffer 45 eine direkte Frage gestellt, und zwar geht es
darum, ob Sie im Namen der Kommission
beabsichtigen, dem Rat und dem Europäischen
Parlament eine Mitteilung vorzulegen, die sich konkret
auf die UNESCO-Konvention über die kulturelle
Vielfalt bezieht. Wenn ich Sie recht verstanden habe,
dann sind Sie zwar ausführlich auf diese Frage
eingegangen, aber ich weiß immer noch nicht, ob das
Parlament mit einer Mitteilung von Ihnen rechnen kann.
Sollte die Antwort Ja lauten, könnten Sie mir sagen,
wann Sie im Verlaufe dieses Jahres beabsichtigen, diese
Mitteilung vorzulegen?
2-353
(EN) Über die kulturelle Vielfalt und ihre Bedeutung
könnte man sehr viel sagen. Doch in dieser Aussprache
haben wir nicht genug Zeit dafür. Es ist bezeichnend,
dass wir dieses Thema um 23.50 Uhr diskutieren. Harold
Macmillan – der britische Premierminister und
Großvater eines heutigen Parlamentsmitglieds – der vor
über vierzig Jahren die EU-Mitgliedschaft des
Vereinigten Königreichs beantragte, sagte, dass man bei
der Diskussion der Dinge, die für ein Volk wertvoll sind,
nicht das Familiensilber verkauft. Das gilt eindeutig für
die kulturellen Werte. Die Berichterstatterin hat daher
Junker (PSE). – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin,
meine Damen und Herren! Ich möchte ein besonderes
Thema ansprechen, bei dem es bisher am Schutz der
kulturellen Vielfalt in der vom Parlament gewünschten
Weise gefehlt hat und auch weiterhin noch fehlen wird,
nämlich die Konzentration der elektronischen Medien,
vor allem des Fernsehens, das ja bekanntlich den
entscheidendsten Einfluss auf die gesellschaftliche
Meinungsbildung nimmt. Auch die Wahrung von
Medienvielfalt ist ein wichtiges Element des Schutzes
der kulturellen Vielfalt und der kulturellen Identität.
Diesen Schutz können wir nicht allein der europäischen
Gerichtsbarkeit überlassen, so erfreulich das heutige
Urteil des italienischen Verfassungsgerichts ist. Ich habe
daher die inständige Erwartung an das erhoffte
internationale Rechtsinstrument, dass hier Vorgaben
gemacht werden, die dazu beitragen, die Wahrung der
medialen Vielfalt tatsächlich erhalten zu können.
Wenn Sie schon von Kriegen und Schlachten reden,
Frau Kommissarin, hier haben wir ein entscheidendes
Schlachtfeld vor uns. Ohne Ihre anderweitigen
Verdienste schmälern zu wollen, auf diesem Feld sind
wir bisher aber ohne Truppen geblieben, und das gibt
dem Ganzen doch einen bitteren Nachgeschmack.
Meinungsvielfalt und Pluralismus in den Medien ist ein
hohes Gut, wofür es auch sehr viele positive Beispiele in
Europa gibt, wobei wir aber auch zunehmend
Gefährdungen ausgesetzt sind. Deshalb hat das
Europäische Parlament seit Jahren wiederholt, aber
leider vergeblich die Forderung nach einer Richtlinie zur
Begrenzung von Medienkonzentrationen erhoben. Ich
möchte heute eine solche Maßnahme erneut anmahnen.
Meine Fraktion unterstützt daher auch einen
Ergänzungsantrag von Frau Fraisse, der sich genau dafür
ausspricht und die Unterstützung dieses Hauses verdient.
114
Ich hoffe, dass dies auch die Unterstützung der
Kommission findet.
2-355
Vallvé (ELDR). – (ES) Frau Präsidentin, Frau
Kommissarin!
Zunächst
möchte
ich
die
Berichterstatterin, Frau Prets, zu ihrem Bericht und auch
Frau Maes zu der von ihr erarbeiteten Stellungnahme für
den
mitberatenden
Ausschuss
für
auswärtige
Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame
Sicherheit und Verteidigungspolitik beglückwünschen.
Europa ist Einheit und Vielfalt zugleich, und es ist der
Bereich der Kultur, in dem diese Pluralität am klarsten
und überzeugendsten zum Ausdruck kommt. Es gibt
Pluralität auf europäischer Ebene, aber auch innerhalb
jedes europäischen Staates; und häufig wirken diese
unterschiedlichen Kulturen, die sich im Innern der
Staaten manifestieren, über die Grenzen der
Staatsgebiete hinaus.
In diesem Sinne ist die Existenz verschiedener Sprachen
in den Staaten, wie im Falle meiner Muttersprache, des
Katalanischen, das von mehr als zehn Millionen
Menschen gesprochen wird, ein Ausdruck dieser
Pluralität. Wenn wir in den Fällen von kultureller
Vielfalt sprechen, in denen diese Kultur auch eine
differenzierte Geschichte hat, eigene linguistische
Merkmale und eine strukturelle Form der Gesellschaft,
dann sprechen wir von Nationen ohne Staat, ein
Phänomen, das auch in der Europäischen Union
existiert.
Andererseits manifestieren sich diese Nationen ohne
Staat in vielen Fällen, gerade in diesem Hohen Haus,
durch die Existenz von politischen Parteien, die keinen
Staatsbereich haben, sondern zu bestimmten Territorien
gehören. Ich denke da zum Beispiel an die Scottish
National Party, die Baskische Nationalistische Partei
und auch die Partei, der ich selbst angehöre.
In diesem Sinne muss die Europäische Union meines
Erachtens über die Anerkennung dieser in ihrem Innern
bestehenden Pluralität wachen. Einige Staaten wie der
spanische erkennen sie in ihrer offiziellen Verfassung
an, aber diese Anerkennung existiert nicht in Bezug auf
die Europäische Union. Es ist bedauerlich, dass mit der
europäischen Verfassung, anders als bei anderen
Themen, in dieser Hinsicht keine Fortschritte durch die
Vereinbarung progressiver Maßnahmen erreicht hat.
Die Pluralität ist auch eine Anerkennung der Existenz
von Einwanderung in der Europäischen Union, die
künftig von Bedeutung sein wird.
13/01/2004
Erstens war diese Konvention bzw. dieses internationale
Instrument noch bis vor ganz kurzer Zeit wenig mehr als
eine Utopie. Ich erinnere mich, dass ich gemeinsam mit
meiner Fraktion im Herbst 2002 eine öffentliche
Anhörung organisiert habe, um diese Idee im Parlament
zu lancieren. Meiner Ansicht nach sollten wir
bescheidener auftreten, denn ich würde nicht sagen, dass
diese Idee aus Europa und von der Europäischen Union
stammt. Sie hat ihren Ursprung unter anderem in
Ländern wie Kanada und anderen Ländern, die
Beziehungen mit bestimmten europäischen Ländern
hergestellt haben. Obwohl ich die Tatsache, dass aus
dieser Utopie innerhalb der Europäischen Union Realität
wird, nur begrüßen kann, meine ich doch, dass etwas
mehr Bescheidenheit nicht schaden könnte.
Wenn ich zu Bescheidenheit aufrufe, dann deshalb, weil
ich nicht möchte, dass sich diese künftige Konvention
lediglich in eine lange Reihe von Deklarationen einreiht.
Wir wissen doch, wie das mit Deklarationen zugunsten
der kulturellen Vielfalt so läuft. Wir können sie abgeben,
aber dann müssen wir eine restriktive und legislative
Konvention erarbeiten, die eine Beilegung von
Differenzen in einem marktbestimmten Umfeld
ermöglicht. Ich möchte feststellen, dass die kulturelle
Vielfalt auch mit der Marktfrage in Verbindung steht.
Wir dürfen nicht verhehlen, dass die Verbindung von
kultureller Vielfalt und Markt ein beträchtliches Problem
darstellt. Deshalb bin ich auch in diesem Punkt
bescheiden und nicht immer optimistisch.
Drittens bin ich nicht sehr optimistisch, weil ich nicht
sicher bin, ob wir tatsächlich ein Vorbild für andere sind,
auch wenn wir uns in dieser Rolle gefallen. Sind wir uns
in der Europäischen Union tatsächlich darin einig, dass
wir die kulturelle Vielfalt fördern wollen, und falls ja,
welche Vielfalt? Ich denke, dass es uns schwer fallen
dürfte, vollkommen mit uns zufrieden zu sein, wenn wir
die Fakten betrachten. Frau Junker hat wie auch einige
andere Abgeordnete einige Probleme genannt. Meiner
Ansicht nach werfen die Erhaltung und Förderung der
kulturellen Vielfalt mitten in Europa und nicht nur
außerhalb der EU Probleme auf.
Erwähnen möchte ich beispielsweise nur die Frage der
Förderung durch staatliche Beihilfen, die, wie Sie alle
wissen, sowohl einen provisorischen als auch einen
Ausnahmecharakter trägt und in keiner Weise Teil der
verfassungsmäßigen oder sonstigen Logik der Verträge
ist. Die kulturelle Vielfalt stellt daher ein Recht dar, aber
sie ist ein Recht, das wir erst schaffen müssen, und nicht
einfach ein Recht auf Kultur, auf Bildung usw. Das
Recht auf kulturelle Vielfalt gibt es noch nicht, und ich
hoffe, dass wir wissen, wie wir es aufbauen können.
2-356
Fraisse (GUE/NGL). – (FR) Frau Präsidentin, Frau
Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
fürchte, dass sich meine Ausführungen zum Thema der
kulturellen Vielfalt nicht so optimistisch anhören werden
wie die meiner Vorredner und vor allem Ihr Beitrag,
Frau Kommissarin. Dafür gibt es mehrere Gründe.
2-357
Mayol i Raynal (Verts/ALE). – (FR) Frau Präsidentin,
die Welt ist keine Ware. Dieser Slogan der
Globalisierungsgegner könnte das Motto unserer
heutigen Aussprache sein. Wenn die Welt nicht zum
Verkauf steht, dann müssen wir gegen das eherne Gesetz
von Angebot und Nachfrage kämpfen, das alle Aspekte
des Lebens beherrscht. Zum Glück formiert sich der
13/01/2004
Widerstand gegen die Desillusionierung der Welt.
Einige von uns werden in Kürze am Weltsozialforum
teilnehmen.
115
Sprachen, Kulturen, kollektive Identitäten haben das
unveräußerliche Recht, sich gegen Mac-World zu
wehren. In diesem Sinne stellt der Bericht einen Schritt
in die richtige Richtung dar, weil Vielfalt in der Natur
wie in der Kultur Leben bedeutet. Die permanente
Entstehung von Leben gilt es zu erhalten, zu fördern und
zu stimulieren. Das ist nur dann möglich, wenn wir den
Grundsatz, dass alle Sprachen und Kulturen vor dem
Gesetz gleich sind, respektieren. Ich möchte in diesem
Haus analog zu einem Gericht all jene altehrwürdigen
Sprachen und Kulturen als Zeugen aufrufen, die noch
heute diskriminiert werden, und zwar nicht nur in ihren
jeweiligen Staaten, sondern auch in unseren
europäischen Institutionen.
gemeinsame Politiken in die Wege zu leiten, um den
Minderheitenbevölkerungen
und
-sprachen
auf
vernünftige Art und Weise Entwicklungsmöglichkeiten
an die Hand zu geben. Wir haben hier ein Kerneuropa
von einigen Ländern, wie zum Beispiel Italien, aus dem
ich komme, das hier Bahnbrechendes geleistet hat, und
lassen Sie mich das als Angehöriger einer Minderheit
sagen, die nicht italienischer Herkunft ist, sondern eine
deutschsprachige österreichische Minderheit in Italien
bildet. Es gibt Länder, in denen diese Entwicklung leider
noch zurückgeblieben ist, und hier glaube ich, dass auch
die
Bemühung
und
die
Abschaffung
des
Einstimmigkeitsprinzips einiges bewirken kann. Man
muss vor allem jenen Ländern, die Sorgen haben, ihre
Befürchtungen nehmen. Ich glaube, dass die
Minderheiten und die Kulturen – dieser Bericht kann
dabei einiges leisten – als Brücken empfunden werden
und nicht als Belastung.
2-358
2-359
Ebner (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Frau
Kommissarin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Die Thematik der kulturellen Vielfalt ist eine Thematik,
mit der wir uns ständig auseinandersetzen müssen. Wir
brauchen ja nicht einmal bis zur WTO zu gehen, sondern
wir hatten in diesem Parlament doch mehrfach schon die
Auseinandersetzung, ob die Kultur und der Markt
vereinbar sind, zum Beispiel beim Thema der
Buchpreisbindung, bei den Urheberrechten, und man hat
gesehen, wie divergierend doch die Vorstellungen
innerhalb des Parlaments, aber auch zwischen dem
Parlament und zum Teil der Kommission gewesen sind.
Auch in der Kommission selbst gab es sehr
unterschiedliche Auffassungen, und ich beziehe mich
hier vor allem auf die Vorgängerkommission. Mit Herrn
Kommissar van Miert jedenfalls haben wir diesbezüglich
einige Sträuße ausgefochten.
Iivari (PSE). – (FI) Frau Präsidentin, über die
Bewahrung und Förderung des kulturellen Erbes in
Europa wird viel gesprochen. Damit die Kulturen
wirklich erblühen können, brauchen wir neben Worten
konkrete Taten. Ich bin der Überzeugung, dass der
Bericht meiner Kollegin, Frau Prets, uns ein Stück
weiterbringt. Die von der Generalkonferenz der
UNESCO vorgeschlagene Konvention für kulturelle
Vielfalt sollte unterstützt werden.
Ich glaube, dass die kulturelle Vielfalt als sinnvolle
Gegenmaßnahme zum melting pot eine absolute
Notwendigkeit ist, und ich bin der Frau Kollegin Prets
sehr dankbar für diesen umfassenden und ausführlichen
Bericht und auch der Kommissarin Reding, dass sie
heute in dieser Ausführlichkeit diese Arbeit aus eigener
Sicht nochmals dargestellt und darauf hingewiesen hat,
dass der natürliche Verbündete der Kommission und vor
allem der Frau Kommissarin Reding das Parlament ist
und bleiben soll.
Ich danke Frau Prets im Besonderen, dass es in Ziffer 15
heißt, das Parlament werde die Behandlung der
Minderheitenbevölkerung und der Minderheitensprachen
einschließlich der autochthonen Sprachen im Rahmen
des erweiterten Europas aufmerksam verfolgen. Dies
sollte die Vorgabe für das Europäische Parlament sein,
wenn dieser Bericht angenommen wird.
Ich glaube, dies sollte nicht nur in einem erweiterten
Europa für die Erweiterungsländer gelten, sondern auch
für die jetzigen Mitgliedstaaten. Hier haben wir
sicherlich ein Manko, dass wir im kulturellen Bereich
bisher aufgrund des aus meiner Sicht unseligen
Einstimmigkeitsprinzips nicht in der Lage waren,
Ich begrüße den Ansatz der Berichterstatterin, die Kultur
als Bestandteil aller EU-Politiken zu betrachten. Dieser
Ansatz muss auch in die praktischen Maßnahmen
hineinreichen. Das Programm Kultur 2000 ist das
auffälligste, wenngleich nicht einzige Instrument. Von
den Strukturfonds werden Mittel für Projekte auf
kulturellem Gebiet bereitgestellt, aber der Nutzungsgrad
könnte durch effizientere Informationssysteme weiter
erhöht
werden.
Die
Rechtsvorschriften
des
Binnenmarkts wirken sich teilweise auf die Mobilität der
kulturellen Güter bzw. der Kunst und Künstler aus. Hier
stoßen wir nach wie vor oft auf Probleme, insbesondere
im Hinblick auf die Besteuerung.
Das in Lissabon aufgestellte Ziel für eine europäische
Informationsgesellschaft hat dem kulturellen Bereich
eine neue Dimension verliehen. Die Technologie bietet
neue Möglichkeiten und Instrumente, aber sie müssen in
den Dienst der Kultur gestellt werden und nicht
umgekehrt.
Die europäischen Netze auf dem Gebiet der Kultur sind
eine wichtige Ressource für die Förderung der
kulturellen Vielfalt. Ich hoffe, dass wir die
Rechtsgrundlage zur Sicherung ihrer Finanzierung
möglichst schnell herbeiführen.
Ich möchte der Berichterstatterin, Frau Prets, für ihren
persönlichen Einsatz zur Förderung der kulturellen
Vielfalt danken. Im Laufe dieser Legislaturperiode hat
sie verschiedene Workshops für europäische Kunst
organisiert.
2-360
116
Martelli (ELDR). – (IT) Frau Präsidentin! Wie unsere
Berichterstatterin richtig bemerkt hat, ist die Definition
kultureller Vielfalt ebenso kompliziert wie die Definition
der Kultur selbst und sogar riskant. Dennoch zögert der
gerade auf einem komplizierten und gewagten Konzept
beruhende Entschließungsantrag nicht, in nicht weniger
als 47 Ziffern die so genannte kulturelle Vielfalt
reglementieren, standardisieren und fördern zu wollen,
in der trügerischen Hoffnung, im Zeitalter des Internet
den Liberalisierungs- und Globalisierungsprozess der
Kultur, der Information und des Wissens aufhalten zu
können. Nachdem Europa in der Vergangenheit Gefahr
lief,
durch
Nationalismus,
Faschismus
und
Kommunismus zu sterben, riskiert es somit heute den
Tod durch Legalismus.
Der Text des vorliegenden Entschließungsantrags ist
dafür ein eindeutiges Beispiel. Sein Inhalt stellt eine
Herausforderung an das Prinzip des ausgeschlossenen
Widerspruchs und selbst an den elementaren gesunden
Menschenverstand dar und fällt schließlich einer
vulgären Scheinheiligkeit anheim. Außerdem ist es
scheinheilig, jede Form kultureller Produktion
gleichermaßen für würdig zu befinden, nicht nur zu
überleben, sondern sogar gefördert zu werden, und
liberale Kultur und autoritäre Kultur, die Kultur der
Infibulation und die der Gleichberechtigung der
Geschlechter, die Kultur der Toleranz und die des
Rassismus und Antisemitismus auf die gleiche Ebene zu
stellen.
Die Widersprüche dieses Entschließungsantrags spiegeln
in Wahrheit die unserer Politik wider, die nach
Verbündeten in der Dritten Welt sucht, um diese und
sich selbst im Namen der Wahrung der kulturellen
Vielfalt vor dem Vordringen des amerikanischen
audiovisuellen Sektors zu schützen, und es sich dann
vorbehält, beispielsweise die Frankofonie in Afrika
großzügigst zu finanzieren; die Kultur, die im Namen
der Assimilation das Kopftuch und andere religiöse
Symbole in den Schulklassenzimmern verbietet, aber
nichts dagegen einzuwenden hat, wenn sie in anderen
Ländern autoritär aufgezwungen werden; die Kultur,
welche die europäische Demokratie selbst dann rühmt,
wenn sie nicht ohne weiteres als existent feststellbar ist,
die aber in ihrer rassistischen Denkweise die Dritte Welt
für nicht demokratiefähig hält; die Kultur, welche den
„Export“ der Freiheit ablehnt, zögert nicht, mit
Diktatoren und Tyrannen zusammenzuarbeiten und
heute den Kampf der islamistischen Dissidenten zu
ignorieren, so wie sie sich in der Vergangenheit nicht um
die Dissidenten des kommunistischen Ostens gekümmert
hat.
In all dem sehe ich keine gerechtere und respektvollere
Entscheidung zum Schutz des Erbes der Völker Europas
und der Welt, sondern vielmehr einen gestaltlosen,
scheinheiligen und widersprüchlichen Protektionismus,
der nationale und regionale intellektuelle Eliten vor der
Dynamik und dem kulturellen Konflikt schützen möchte,
der seinem Wesen nach stets ...
(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)
13/01/2004
2-361
Cappato (NI). – (IT) Frau Präsidentin! Aus dem Bericht
ergibt sich der Eindruck, der Feind der Kultur seien die
Liberalisierung
der
Märkte
und
die
Welthandelsorganisation, während die Nationalstaaten
das Bollwerk der Kultur bzw. der Kulturen sind. Das ist
nicht der Fall: Nationalstaaten und nationalistische
Ideologien haben in der Vergangenheit Kulturen und
Völker ausgelöscht. Frau Kommissarin Reding, in China
wurden und werden noch immer die schlimmsten
Genozide an Völkern und Kulturen begangen: am
tibetanischen Volk und seiner Kultur, am uighurischen
Volk und seiner Kultur. China darf in diesem Saale nicht
als ein Modell fruchtbarer Zusammenarbeit im Hinblick
auf die kulturelle Vielfalt präsentiert werden, sofern man
sich bei dem Wort „kulturell“ nicht auf die frühere
Kulturrevolution bezieht.
Die kulturelle Vielfalt ist nicht an und für sich ein Recht;
sie kann selbstverständlich auch aus Vorschriften
resultieren, jedoch aus Vorschriften, die auf der
Kommunikations- und Meinungsfreiheit beruhen müssen
und nicht auf Protektionismus – protektionistischen oder
staatlichen Stützmaßnahmen für die Kultur –, auf
kulturellem
Relativismus
der
Nationalstaaten.
Vorschriften sind selbstredend vonnöten, insbesondere
um der Zerstörung von Sprachen entgegenzuwirken; die
in unseren Nationalstaaten betriebene Politik, nur eine
Fremdsprache zu lehren, oder die für die EUInstitutionen geltenden Regelungen stehen jedoch im
Widerspruch zu dem in dem Entschließungsantrag
geforderten Geist der Vielfalt: EU-Institutionen mit einund zweisprachigen Agenturen, von denen Berichte
veröffentlicht werden, die nicht einmal in den
Amtssprachen der Europäischen Union verfasst sind.
In der Erklärung zur Abstimmung werden wir, die
radikalen Abgeordneten, auf unsere Vorschläge für eine
Beobachtungsstelle
zur
Überwachung
der
Sprachenpolitik im Hinblick auf die Förderung der
internationalen Esperantosprache, im Hinblick auf das
Recht auf eine freie und nicht diskriminierende
internationale Kommunikation und im Hinblick auf die
Erhaltung und Bewahrung der sprachlichen Vielfalt
verweisen.
2-362
Zabell (PPE-DE). – (ES) Frau Präsidentin, ein
Dankeschön an die Kommissarin für all ihre
Bemühungen um die europäische Kultur und ein
Dankeschön an die Berichterstatterin, Frau Prets, für die
von ihr geleistete Arbeit und vor allem für die
Bewältigung der großen Zahl von Änderungsanträgen.
Mein Land Spanien besitzt eine große Vielfalt und einen
großen Reichtum an Kultur, und, wie es nicht anders
sein kann, sind wir absolut für kulturelle Vielfalt. Aber
ich möchte sagen, dass wir es lieber gesehen hätten,
wenn der Bericht – anstatt von den nicht einheitlichen
kulturellen Identitäten – von der Vielfalt der kulturellen
Identitäten in der Europäischen Union gesprochen hätte.
Die Sichtweise erscheint uns insgesamt als etwas
negativ. Und Tatsache ist, dass in vielen Ländern
13/01/2004
Europas die kulturellen Identitäten nicht einheitlich sind,
gerade weil sie vielfältig sind, und wir dürfen nicht
vergessen, dass dies einer unserer großen Reichtümer ist.
Wir dürfen nicht vergessen, dass das Recht jedes
Mitgliedstaats,
seine
Kulturpolitik
festzulegen,
anzuwenden und anzupassen, an die nationale
Gesetzgebung gebunden ist und dies folglich in
Übereinstimmung mit ihren jeweiligen nationalen
Rechtsvorschriften erfolgen muss.
Abschließend möchte ich sagen, dass es mir, da es in der
Europäischen Union unterschiedliche Standpunkte und
Vorbehalte zu diesem Thema gibt, richtig erscheinen
würde, die Frage auch in den Händen der UNESCO zu
belassen.
117
daran, dass dieser Aspekt im Verfassungsentwurf
berücksichtigt ist. Lassen Sie uns die kulturelle und
sprachliche Vielfalt respektieren, aber niemandem
aufzwingen. Die Achtung der Vielfalt besteht auch in
der Respektierung jener, die eine andere Sprache
sprechen.
Im Baskenland muss die baskische Sprache ohne Frage
erhalten werden, aber wir dürfen sie niemandem
aufzwingen und diejenigen nicht diskriminieren, die sie
nicht sprechen. Gewisse nationalistische Parteien haben
versucht, die Sprache als politisches Werkzeug zu
benutzen, und sind vom rassischen Nationalismus zu
einem sprachlichen Nationalismus übergegangen. Ich
glaube, dass die Kultur Eigentum aller ist, dass wir alle
sie verteidigen müssen und niemand sie für sich
beanspruchen darf.
2-363
Oreja Arburúa (PPE-DE). – (ES) Frau Präsidentin,
zunächst möchte ich natürlich die Berichterstatterin zu
ihrer Initiative beglückwünschen und auch der
Kommissarin zu ihrer Rede gratulieren – und ich habe
mir gestattet, einige Punkte aus ihrer Rede zu notieren,
um sie zu zitieren, wenn bei anderen Gelegenheiten über
kulturelle Vielfalt gesprochen wird.
Ich spreche hier im Plenum als Spanier, als Mitglied der
Fraktion
der
Europäischen
Volkspartei
(Christdemokraten) und der europäischen Demokraten
und als Baske. Ich komme aus einem Land, in dem wir
unsere eigene Sprache, eine autochthone Sprache neben
dem Spanischen haben, das Baskische, und das eine
Kultur besitzt, die genau wie seine Sprache eine
Jahrtausende lange Geschichte hat.
Ich stimme mit der Berichterstatterin in Bezug auf die
Bedeutung des Erhalts der sprachlichen Vielfalt überein.
Ich stimme auch mit ihr darin überein, dass wir die
Behandlung der Minderheitensprachen, einschließlich
der autochthonen Sprachen, überwachen müssen.
In einem immer fester vereinten Europa, in einer immer
stärker globalisierten Welt müssen wir der kulturellen
Vielfalt besondere Aufmerksamkeit widmen. Der
Reichtum Europas – und was uns von anderen Regionen
der Welt unterscheidet, wie die Kommissarin sagte – ist
ohne Zweifel unsere kulturelle Vielfalt, und wir müssen
versuchen, dieses Modell zu exportieren.
Wir müssen verhindern, dass die Union zu einem Mittel
der Standardisierung wird, und ich möchte daran
erinnern, dass in der Präambel des Verfassungsentwurfs
von einem „in Vielfalt geeinten Europa“ gesprochen
wird.
Aber wir müssen die Aneignung der kulturellen und
sprachlichen Vielfalt für politische Zwecke verhindern.
Wir dürfen nicht zulassen, dass der Schutz einer Sprache
oder einer Kultur, die allen gehört, zu einer politischen
Waffe, zu einer Schleuderwaffe wird oder gar zu einem
Mittel der Diskriminierung oder Spaltung zwischen uns.
Weder die Sprache noch die Verteidigung einer Sprache
dürfen ein Grund für Diskriminierung sein. Denken wir
Gestatten Sie mir, abschließend die Präambel der
Verfassung zu zitieren, in der es heißt, dass „die Völker
Europas, wiewohl stolz auf ihre Identität, entschlossen
sind, immer enger vereint ihr Schicksal gemeinsam zu
gestalten“.
2-364
Reding, Kommission.  (FR) Frau Präsidentin, Sie
werden verstehen, dass ich angesichts der wenigen noch
verbliebenen Kämpfer im Plenum nicht auf die
Ausführungen aller eingehen werde, die den Saal bereits
verlassen haben, was ich um fünfzehn Minuten nach
Mitternacht durchaus verstehen kann. Dennoch möchte
ich etwas sagen, was mir sehr am Herzen liegt. Ich
spreche als eine Luxemburgerin zu Ihnen, und diese
Luxemburgerin hat gemeinsam mit Ihnen das
Europäische Jahr der Sprachen ins Leben gerufen, das
ohne Ausnahme alle Sprachen umfasst, ob es sich dabei
um anerkannte oder nicht anerkannte Sprachen handelt
oder um Mehrheits- oder Minderheitssprachen, denn ich
habe stets erklärt, dass es keine großen oder kleinen
Sprachen gibt. Alle Sprachen sind Muttersprachen, und
alle sind wichtige Sprachen – das liegt in der Natur der
Sache.
Wir werden die eingeschlagene Richtung beibehalten.
Wir haben unseren Aktionsplan für Sprachen auf der
Grundlage der Vielsprachigkeit erarbeitet, und diese
umfasst auch all jene Sprachen, die keine Amtssprachen
sind. Sie umfasst jedoch nicht Esperanto, weil wir
genügend lebende Sprachen mit Problemen haben, ohne
dass wir zusätzlich noch künstliche Sprachen schaffen
müssen. Deshalb sollten wir unsere Kinder
Fremdsprachen lehren. An dieser Stelle freue ich mich,
feststellen zu können, dass sich fast alle – ja, ich würde
sagen alle – unsere Bildungsminister entsprechend
bemühen, wobei einige bei Null anfangen. Sie setzen
sich dafür ein, dass Fremdsprachen auf der Primarstufe
gelehrt werden. In den vergangenen zwei Jahren konnten
enorme Fortschritte erzielt werden. Noch bleibt viel zu
tun, aber wir kommen voran, und zumindest haben
diejenigen Minister, die sich nicht entsprechend
bemühen, ein schlechtes Gewissen. Es liegt an Ihnen,
den Abgeordneten des Europäischen Parlaments, dafür
zu sorgen, dass sie auch weiterhin ein schlechtes
118
Gewissen haben, damit Reformen auf lokaler, regionaler
und nationaler Ebene in Gang kommen. Als zuständiges
Kommissionsmitglied vertrete ich gegenüber allen
Ministern stets nachdrücklich den Standpunkt, dass der
Fortbestand der Vielsprachigkeit in Europa eine Frage
des Überlebens ist.
Ich komme jetzt zur Beantwortung bestimmter konkreter
Fragen, auch wenn die Abgeordneten, die sie gestellt
haben, schon gegangen sind. Zur Frage der UNESCO
und unserer Verbündeten. Klar ist, dass wir alle Länder
in der UNESCO brauchen, um eine Mehrheit für die
Annahme einer Konvention über die kulturelle Vielfalt
zu erzielen. Außerdem müssen wir weltweit Vorbild im
Hinblick auf die kulturelle Vielfalt sein. Wir versuchen,
die Haltung vor allem der Länder zu beeinflussen, in
denen die Lage alles andere als ideal ist. Das wird uns
dank unserer Vorbildwirkung und der Tatsache, dass wir
die Achtung der Rechte von Minderheiten konsequent
einfordern, auch gelingen. Wir wissen alle, um welche
Länder es sich dabei handelt, und einige von ihnen
wurden auch bereits genannt. Als Europaabgeordnete
wissen Sie das, weil Sie sich mit dieser Materie ständig
auseinander setzen, aber wir können diesen
Minderheiten nur helfen, wenn wir sie einbeziehen,
wenn wir ihnen sagen, dass wir sie nicht zurücklassen
werden. Das geht nicht, wenn wir zwischen denen, die
Recht haben, und denen, die Unrecht haben, eine Mauer
errichten.
Lassen Sie mich ein ganz konkretes Beispiel nennen. Im
Mai des vergangenen Jahres eröffneten wir erstmals die
Filmfestspiele von Cannes mit dem Tag des
europäischen Kinos. In Begleitung von jungen
bekannten Produzenten demonstrierten 25 Minister
voller Stolz auf die eigene nationale Filmindustrie der
Welt, welch große Bedeutung sie dem Kino beimessen.
Für den Nachmittag des „Tags des europäischen Kinos“
hatten wir und unsere Partner weltweit eine Konferenz
über das Kino der Welt organisiert, um all jenen Gehör
zu verschaffen, deren Stimme gewöhnlich untergeht, und
um dem Minderheitenkino, das ohne europäische Hilfe
keine Möglichkeit hätte, sich auszudrücken, eine Chance
zu geben. Genau so sollte europäische Politik sein. Sie
ist Vorbild, und sie demonstriert unser einzigartiges
Modell.
Ich möchte jetzt Herrn Beazleys sehr konkrete Frage
beantworten. Er wollte wissen, ob wir eine Mitteilung in
Bezug auf die UNESCO erarbeiten werden. Herr
Beazley, ich weiß nicht, ob Sie es bemerkt haben, aber
im August veröffentlichte die Kommission – soweit mir
bekannt ist erstmals in der Geschichte der Europäischen
Union – eine Mitteilung über die UNESCO, die als
Grundlage für unser weiteres Vorgehen dient. Wir haben
jetzt eine Schlacht gewonnen. Ich sage „Schlacht“, weil
der Krieg noch nicht zu Ende ist. Die Fraktionen hoffen
– und die Ersten haben bereits entsprechende Sitzungen
durchgeführt –, dass jetzt Gespräche auf der Ebene der
UNESCO aufgenommen werden. Ich glaube, dass es
möglich sein wird, Ende 2004 oder Anfang 2005 die
eigentlichen
internationalen
Verhandlungen
13/01/2004
aufzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt, wenn uns die ersten
Entwürfe vorliegen, sollten wir in der Lage sein zu
definieren, was Europa im Rahmen dieser
Verhandlungen erreichen will. Die vierteljährliche
Veröffentlichung einer Mitteilung reicht nicht aus.
Damit würden wir nichts erreichen. Ich bin eine
Verfechterin dessen, was die Deutschen als
„Realpolitik“ bezeichnen. Das bedeutet, dass ich an
ergebnisorientierten Maßnahmen interessiert bin. Mit
unserer Mitteilung vom letzten Sommer haben wir den
Stein ins Rollen gebracht und demonstriert, dass Europa
an der Erarbeitung eines internationalen Instruments
beteiligt ist. Sobald die ersten Ergebnisse der
Diskussionen vorliegen, werden wir erklären, welches
Hauptziel wir in der Debatte anstreben. Deshalb sollten
wir effizient vorgehen und nicht Militanz als
Selbstzweck demonstrieren.
Was Frau Junkers Verweis auf die Medienkonzentration
angeht, so haben wir wohl den gleichen Ausgangspunkt,
aber wir orientieren uns auch an demselben Vertrag.
Dieser Vertrag hindert die Kommission daran, einen
Vorschlag für ein Instrument zur Harmonisierung, zur
Erhaltung der Vielfalt oder des Pluralismus der Medien
vorzulegen. Da der Vertrag dies nun einmal vorsieht und
die Kommission die Hüterin der Verträge ist, sind mir
die Hände gebunden. Die Kommission würde mir ihre
Unterstützung versagen, wenn ich vom Vertrag abwiche.
Wir können nur hoffen, Frau Junker, dass der neue
Vertrag, wie viele Abgeordnete bereits klar sagten, viel
deutlichere Elemente hinsichtlich der Vielfalt in all ihrer
breit gefächerten Vielschichtigkeit enthalten wird. Dabei
geht es nicht nur um den Tanz und die Künste, sondern
auch und vor allem um Sprachen, Minderheiten, das
Kino und den Pluralismus des Ausdrucks, also um die
Medien und die audiovisuelle Technologie. Deshalb
möchte ich, dass der neue Vertrag mehr Möglichkeiten
vor allem für die Volksvertreter enthält, aber auch in
Bezug auf die Initiative der Kommission, die dann einen
Schritt weiter gehen soll.
Man sagt, die Welt sei keine Ware, aber noch mehr gilt
das für die Kultur. Meiner Ansicht nach hat die
Kommission in diesem Punkt durch ihr Handeln – und
zwar nicht nur im Bereich des Außenhandels, sondern
auch durch die Genehmigung nationaler Beihilfen
beispielsweise für die Filmkunst und öffentliche
Fernsehstationen usw. – eindeutig nachgewiesen, dass
sie nicht bereit ist zu akzeptieren, dass die Kultur als
Ware betrachtet wird. Doch obwohl die Kultur keine
Ware ist, hat sie ihren Preis, und den müssen wir zahlen.
Deshalb müssen wir bei den nationalen Regierungen
Überzeugungsarbeit leisten und dafür sorgen, dass
Europa in der Lage ist, genügend Mittel in das
Überleben dieser Kulturen zu investieren. Es muss
möglich sein, dass Europa der Welt als lebendiges
Vorbild dient, damit wir diese Welt verändern können,
denn obwohl das, was wir in Bezug auf Vielfalt und die
Achtung anderer Kulturen erleben, nicht perfekt ist, ist
unser Beispiel durchaus wertvoll. Weisen wir den Weg,
und die Welt wird es uns danken.
2-365
13/01/2004
Die Präsidentin.  Vielen Dank, Frau Kommissarin
Reding.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
(Die Sitzung wird um 00.20 Uhr geschlossen) 1
2-366
Dillen (NI), schriftlich. – (NL) Ich stamme aus Flandern,
einem Land, dessen Kultur über Jahrzehnte durch die
Dominanz
der
belgischen
Gemeinschaft
der
Französischsprachigen gelähmt wurde. Selbst heutzutage
wird der niederländischen Sprache und Kultur,
insbesondere in der flämischen Peripherie um Brüssel,
von der zahlenmäßig vorherrschenden frankophonen
Minderheit Verachtung entgegengebracht. Auch
innerhalb der Union wird das Niederländische zuweilen
ignoriert. Niederländisch verschwand beispielsweise als
Arbeitssprache in Institutionen wie dem Markenamt der
Gemeinschaft. Deshalb weiß ich ganz genau, dass die
europäischen Institutionen selbst Dreck am Stecken
haben, wenn es um die Missachtung der kulturellen
Vielfalt geht oder wenn es heißt, auch die linguistische
Vielfalt müsse respektiert werden. Dieser Bericht mit
einer Menge lobenswerter Empfehlungen kommt
keineswegs zu früh, und ich hoffe von ganzem Herzen,
dass die hehren Absichten, nach der Erweiterung der EU
allen Sprachen, die in dem Europa der 25
Mitgliedstaaten gesprochen werden, Schutz angedeihen
zu lassen, dieses Mal kein leeres Versprechen bleiben.
Ich möchte betonen, dass es auch Minderheitensprachen
wie Gallisch und Bretonisch verdienen, mit EU-Hilfen
gefördert zu werden. Europa muss im Kulturbereich
zunächst seine Angelegenheiten in Ordnung bringen, ehe
es den Moralapostel für die ganze Welt spielt.
119
letzten Jahr erfüllt uns mit Trauer und tiefer Sorge. Das
war ein dunkler Moment, der uns gleichzeitig erneut vor
Augen führte, dass wir als Demokraten die echten
Fortschritte, die in Serbien und Montenegro und der
Region insgesamt bisher erzielt wurden und weiterhin
notwendig sind, nicht als Selbstverständlichkeit
hinnehmen dürfen, und der uns daran erinnert, dass wir
miteinander im Gespräch bleiben und die Kräfte der
Veränderung, der Reform und der Demokratie stärken
müssen. Aus diesem Grunde hoffen wir im Europäischen
Parlament, dass die Ergebnisse der jüngsten Wahlen in
Serbien nicht das Wiederaufleben eines Nationalismus
bewirken werden, der mit solch tragischen
Konsequenzen für die Region verbunden war.
Ich begrüße Sie heute als einen Staatsmann, dessen
Worte und Taten uns mit Optimismus erfüllen. Sie, Herr
Präsident, verkörpern in vielerlei Hinsicht das Beste,
was wir für Ihre Region erhoffen. Die unlängst von
Ihnen eingeleiteten Akte der Versöhnung – zunächst
zwischen Ihnen und dem Präsidenten von Kroatien und
danach im November zwischen Ihnen und dem
Präsidenten von Bosnien-Herzegowina – verdienen
unsere Anerkennung. Diese ausdrucksstarken Akte sind
zutiefst europäisch. Sie erinnern uns an die Worte von
Robert Schuman, einem unserer Gründungsväter, der
von der Kraft der schöpferischen Versöhnung sprach.
Wir brauchen heute auf dem westlichen Balkan solche
Ideen und solche mutigen Männer und Frauen mit einer
politischen Vision. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie in
dieser Beziehung Pionierarbeit geleistet haben.
Wichtig ist, dass wir jetzt über Erklärungen und
Schlussfolgerungen von Ratstagungen hinaus praktische
Bezugspunkte für den demokratischen Fortschritt
zwischen der Europäischen Union und den Staaten Ihrer
Region entwickeln.
2-151
Anhang – Feierliche Sitzung
2-152
VORSITZ: PATRICK COX
Präsident
(Die feierliche Sitzung wird um 12.00 Uhr eröffnet.)
Der Präsident. – Liebe Kollegen, es ist mir eine große
Freude, heute Herrn Marović, den Präsidenten der
Staatenunion von Serbien und Montenegro, hier im
Europäischen Parlament in Straßburg zu begrüßen. Herr
Präsident, Ihr Besuch beim Europäischen Parlament
findet zu einem äußerst wichtigen Zeitpunkt in den
Beziehungen zwischen Serbien und Montenegro und der
Europäischen Union, ja in mancherlei Hinsicht an einem
Scheidepunkt für Serbien und Montenegro selbst statt.
Die neue Union, die demnächst 25 Mitgliedstaaten
umfassen wird, verfolgt mit Hoffnung und Erwartung
den Wandlungs- und Reformprozess, der sich seit
einigen Jahren in Ihrem Land und der gesamten Region
vollzieht. Der abscheuliche Mord an Zoran Djindjić im
Herr Präsident, über Sie möchten wir den Menschen in
Serbien und Montenegro und generell den Menschen auf
dem westlichen Balkan signalisieren, dass wir in diesem
Parlament bereit sind, Sie auf diesem Weg zu begleiten.
Sie brauchen diesen Weg nicht allein anzutreten.
Ich freue mich, Ihnen jetzt das Wort für Ihre Ansprache
an das Europäische Parlament erteilen zu können.
(Beifall)
2-153
Ansprache von Herrn Svetozar Marović, Präsident
von Serbien und Montenegro
2-154
Marović, Präsident von Serbien und Montenegro2. 
(EN) Herr Präsident, verehrte Abgeordnete, es ist mir
eine Ehre, zu Beginn dieses Jahres, in dem wir eine
weitere Beschleunigung unserer Annäherung an
europäische Strukturen erwarten, zu Ihnen zu sprechen.
2
1
Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll.
Übersetzung der englischen Übersetzung der auf Serbisch gehaltenen
Ansprache.
120
Ich bin der aufrichtigen Meinung, dass die
bevorstehenden
politischen
Dialoge
und
die
Fertigstellung der Machbarkeitsstudie weitere wichtige
Schritte auf dem Weg zum Abschluss eines
Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens zwischen
unserer Staatenunion und der Europäischen Union sein
werden. Dies wird von entscheidender Bedeutung sein.
Ohne
eine
günstige
Beurteilung
in
der
Machbarkeitsstudie und eine Intensivierung der
Maßnahmen zum Abschluss des Stabilisierungs- und
Assoziierungsabkommens zwischen Serbien und
Montenegro und der Europäischen Union werden sich
der Prozess der Europäisierung und die für die Sicherung
eines besseren Lebens für alle Bürger erforderlichen
Fortschritte verzögern.
Deshalb rufen wir jedermann in der Europäischen Union
auf, sich mit noch mehr Begeisterung gemeinsam für die
Beschleunigung
des
Europäisierungsprozesses
einzusetzen, und zwar nicht nur zum Wohle der
europäischen Zukunft von Serbien und Montenegro,
sondern auch aus Gründen der dringend erforderlichen
Sicherheit, Stabilität und Fortschritte für den gesamten
westlichen Balkan.
In diesem Prozess kommt der Staatenunion von Serbien
und Montenegro eine herausragende Bedeutung zu, nicht
nur aus geostrategischen oder sicherheitspolitischen
Gründen, sondern vielmehr auch aus Gründen der
Förderung demokratischer und europäischer Normen im
Bemühen um die Lösung noch offener Fragen der
europäischen Integration dieser Region, wobei der
Kosovofrage natürlich ganz besondere Bedeutung
zukommt.
Durch den Dialog und nur durch den Dialog wird es
unter Achtung der UNO-Resolutionen und unter aktiver
und verantwortungsvoller Mitarbeit der internationalen
Gemeinschaft möglich sein, die Gefahr ethnischer
Spannungen und des Drucks vor allem auf die nicht
albanische Bevölkerung zu beseitigen. Serbien und
Montenegro unterstützen den Grundsatz „Standards
before Status“, denn nur ein multiethnisches Kosovo, ein
freies und sicheres Kosovo, in das frühere Bewohner
zurückkehren und in dem sie leben können, ein Kosovo
der europäischen Normen kann sich zu einem Raum der
Zukunftsaussichten und des Fortschritts für alle seine
Bürger entwickeln.
Im Verlauf der Geschichte hat der Balkan oft den
tragischen Preis für Intoleranz gezahlt. Unter einer
solchen Politik haben in erster Linie stets die Bürger und
Völker gelitten, die in den betroffenen Regionen leben.
Ich bin sicher, dass wir inzwischen alle reifer geworden
sind und erkannt haben, dass der Weg zu einer
modernen, entwickelten und demokratischen Welt für
alle Nationen des westlichen Balkans über den
politischen
Dialog
sowie
Kompromissund
Verhandlungsbereitschaft
führt.
Radikalisierungstendenzen werfen uns zurück. Allein
Einvernehmen und Dialog bieten Aussicht auf eine
tolerante und stabile europäische Gesellschaft der
13/01/2004
ethnischen und religiösen Vielfalt. Das sind unsere
Vision, unser politisches Ziel und unsere Hoffnung.
Die Vertreter der Europäischen Union, die unser Land in
wenigen Tagen besuchen werden, werden sich selbst
davon überzeugen können, dass der Reformprozess in
Serbien und Montenegro nicht zum Stillstand gekommen
ist, obwohl uns das vergangene Jahr sowohl global als
auch regional und im eigenen Land mehrfach schwere
Prüfungen auferlegt hat.
Ich erinnere daran, dass das Attentat auf den serbischen
Premierminister Zoran Djindjić mit all seinen tragischen
Konsequenzen nach Ansicht vieler Beobachter in erster
Linie dem Ziel diente, die Bildung der Staatenunion von
Serbien und Montenegro zu durchkreuzen und die
Region generell zu destabilisieren. Unser Land hat sich
auch gegen diese Anfechtung behauptet. Die Sicherheit
wurde aufrechterhalten, und die Staatenunion von
Serbien und Montenegro wurde nicht nur gebildet,
sondern auch in den Europarat aufgenommen. Sie hat
sich ferner zu einem gleichberechtigten Teilnehmer am
europäischen Integrationsprozess entwickelt.
Ich will nicht verhehlen, dass wir bezüglich des EUBeitritts mit größeren Fortschritten gerechnet und vor
allem mehr Verständnis erwartet hatten. Vielleicht hatte
auch Europa mehr erwartet. Ich zweifle jedoch nicht
daran, dass der Wunsch unseres Landes, sich der
erweiterten demokratischen europäischen Familie
anzuschließen, auf Gegenseitigkeit beruht. Ausgehend
davon sollten sowohl wir als auch Europa prüfen,
welche Fehler gemacht wurden, um weitere Fehler
künftig zu vermeiden, und wir sollten alles in unseren
Kräften Stehende tun, um unser gemeinsames Ziel der
weiteren Annäherung von Serbien und Montenegro
sowie des westlichen Balkan an europäische Werte und
Lebensweisen zu fördern.
Offen gesagt, bestand unser größter Fehler darin, dass
wir nicht immer schnell genug reagiert haben.
Andererseits hat die Welt oder, um genau zu sein, haben
bestimmte Institutionen bisweilen etwas übereilt oder in
für unsere demokratische Öffentlichkeit nicht immer
nachvollziehbarer Weise reagiert. Das haben viele
globale Analysten erkannt, die auf die zahlreichen
negativen Konsequenzen verwiesen haben, welche die
von unserer Staatenunion ergriffenen reformpolitischen
und demokratischen Schritte zu bremsen drohen. Das
gilt insbesondere für die letzten vier Anklagen, die vor
den Wahlen in Serbien vom Haager Tribunal erhoben
wurden.
Der Zweifel, man arbeite mit dem Haager Tribunal trotz
der ganz offensichtlich erzielten Ergebnisse auf diesem
Gebiet nicht in der gewünschten Form zusammen, ist
schwer zu ertragen. Der von einigen Bürgern
ausgehende Druck, die die Zusammenarbeit mit dem
Internationalen Strafgerichtshof für das frühere
Jugoslawien – welche auf der Grundlage der Umsetzung
des vom Parlament der Staatenunion erlassenen Gesetzes
über die Zusammenarbeit mit dem IStGHJ erfolgt – als
seitens der demokratischen Behörden von Serbien und
13/01/2004
Montenegro übertrieben und schädlich für die eigenen
Bürger empfinden, stellt ebenfalls ein Problem dar.
Ich möchte Ihnen versichern, dass wir auch künftig an
der Zusammenarbeit mit Den Haag auf der Grundlage
der eingegangenen Verpflichtungen, der beschlossenen
internationalen Instrumente und unserer nationalen
Gesetze interessiert sind. Wir rechnen dabei auf das
Verständnis der internationalen und der nationalen
Öffentlichkeit sowie ihre Zusammenarbeit. Dies wird ein
weiteres Mal unser aufrichtiges Engagement für die
Werte der zivilisierten und demokratischen Welt
unterstreichen, die Sie in diesem hohen Haus vertreten.
Wir wollen weder Geiseln der Vergangenheit noch Den
Haags oder der Generale sein. Wir sind allenfalls bereit,
uns unserer Zukunft zu opfern zum Wohle kommender
Generationen, die gleichberechtigt mit anderen Völkern
in Europa und der übrigen Welt zusammenleben
möchten.
Getragen von dem Wunsch, die politischen Bedingungen
zu
stabilisieren,
hielt
Serbien
vorgezogene
Parlamentswahlen ab. Die Mehrheit der Bürger sprach
den demokratischen Kräften ihre Unterstützung aus.
Ganz gleich wie man das Ergebnis dieser Wahlen
kommentieren mag, ist es eine Tatsache, dass die
demokratischen Kräfte über 60 % der abgegebenen
Stimmen auf sich vereinigen konnten, und zwar jetzt –
nicht im Kampf gegen Milosević, sondern im Kampf um
eine demokratische und europäische Zukunft für Serbien
und Montenegro. Das ist nicht der Zeitpunkt für eine
weitere Radikalisierung, sondern jetzt geht es in Serbien
und in Montenegro darum, alles in unseren Kräften
Stehende zu tun, um einen möglichst breiten nationalen
Konsens in Bezug auf die europäischen und
entwicklungspolitischen Prioritäten von Serbien und
Montenegro zu erzielen. Die demokratischen Kräfte
lassen sich bereits von dieser Notwendigkeit leiten. Wie
Ihnen bekannt ist, sind sie zurzeit mit der Bildung einer
neuen demokratischen Regierung beschäftigt, die eine
Fortsetzung der demokratischen, reformorientierten und
proeuropäischen Prozesse in der Staatenunion von
Serbien und Montenegro ermöglichen wird.
Viel wurde in der Vergangenheit auf politischer und
ökonomischer Ebene getan. Das ist u. a. daran zu
erkennen, dass das eindeutig vorhandene politische
Vakuum nicht nur der Währungsstabilität nichts anhaben
konnte, sondern dass im Gegenteil mehrere
umfangreiche Kapitalanlageverträge mit weltweit
renommierten Firmen abgeschlossen werden konnten.
Serbien und Montenegro setzen den Aktionsplan für die
Harmonisierung der Wirtschaftssysteme Serbiens und
Montenegros fort, und an Herrn Pattens Adresse möchte
ich sagen, ja, es gibt noch offene Fragen, aber wir sind
ganz klar an der Fertigstellung der Machbarkeitsstudie
bezüglich der Aufnahme von Verhandlungen über das
Stabilisierungsund
Assoziierungsabkommen
interessiert.
121
Auch auf dem Gebiet der Bildung wurden
ordnungsgemäße Reformen durchgeführt, so dass unser
Land jetzt zu den Unterzeichnern der Erklärung von
Bologna zählt. Unsere Reformen im Bereich der Justiz
genießen umfassende Unterstützung. Im Kampf gegen
die organisierte Kriminalität können wir auf umfassende
Zusammenarbeit zählen, wie auch in Verbindung mit
den Verfahren, die vor dem Sondergericht zur
Bekämpfung der organisierten Kriminalität angelaufen
sind, deutlich wird. Wie Sie wissen, wurde zudem ein
Sondergericht zur Ahndung von Kriegsverbrechen
gebildet, und wir gehen davon aus, dass es schon bald
Fälle verhandeln wird, die vom Strafgerichtshof in Den
Haag an dieses Gericht verwiesen wurden oder werden.
Die Streitkräfte wurden ebenfalls reformiert. Es wurde
eine umfassende demokratische und zivile Kontrolle des
Militärs eingeführt. Der Wehrdienst wurde verkürzt, und
es wurde ein Entmilitarisierungsprozess an den
Landesgrenzen eingeleitet.
Wir gehen davon aus, dass Serbien und Montenegro
demnächst in das Programm „Partnership for Peace“
aufgenommen werden. Was die Region betrifft, so sind
die vom Präsidenten Ihres Parlaments, Herrn Cox,
erwähnten gegenseitigen Entschuldigungen für die im
ehemaligen Jugoslawien verübten Verbrechen keine
leeren Worte. Durch Einführung eines liberaleren
Visaregimes haben wir die regionale Zusammenarbeit
und gute nachbarliche Beziehungen weiter gefestigt.
Serbien und Montenegro haben die bisher für die
Einreise in über 40 Länder bestehende Visapflicht
abgeschafft. Wir haben die Voraussetzungen für die
Rückkehr von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen
geschaffen und die ökonomische und kulturelle
Zusammenarbeit weiter verbessert.
Sich zu entschuldigen bedeutet jedoch, dass man sich
seiner Vergangenheit umfassend, aufrichtig und
verantwortungsbewusst stellt. Einen anderen Weg gibt
es nicht. Vollkommene und schuldlose Menschen gibt es
nur im Himmel. Als Sünder, die wir auf dieser Erde
wandeln, müssen wir den Mut haben, unsere Fehler als
solche zu erkennen, sie zu korrigieren und neue
Beziehungen einzugehen. Für die Irrtümer der
Vergangenheit mussten viele Nationen auf dem von den
heftigen Stürmen der Geschichte gezeichneten Balkan
einen hohen Preis zahlen.
In Serbien und Montenegro leben derzeit fast 650 000
Flüchtlinge und Binnenvertriebene. Bei den meisten von
ihnen handelt es sich um Serben aus der Krajina, aus
Bosnien und dem Kosovo. Das macht deutlich, welch
große Opfer diese Menschen aufgrund einer Politik
bringen mussten, die nationale Interessen über die
Realität gestellt hatte.
Jede Politik, die nur eigene Interessen verfolgt und eine
realistische, zeitgemäße und politische Lösung offener
Fragen ignoriert, ist eine blinde Politik. Deshalb
erwarten die Bürger von Serbien und Montenegro, die
Opfer einer solchen Politik waren, zu Recht Verständnis
und eine Entschuldigung für alles, was sie in dieser Zeit
122
der verfehlten Politik und Hoffnung erdulden mussten.
Es ist ein Irrtum zu glauben, man könne allein und ohne
Zusammenarbeit mit Europa und der Welt leben, ohne
Pflege der historischen Freundschaftsbande und ohne
den Aufbau einer gemeinsamen, stabilen, blühenden,
demokratischen und europäischen Zukunft für alle
Völker und Staaten des Kontinents.
Dieses Gefühl des Verständnisses und der
Entschuldigung trage ich als Präsident von Serbien und
Montenegro tief in meinem Herzen, und ich erwarte
dieses Verständnis auch von allen unseren Freunden.
Das sage ich, weil die Vereinbarung von Belgrad zu
positiven Ergebnissen geführt hat. Die Vereinbarung von
Belgrad, die auf der Grundlage einer mit Unterstützung
der Europäischen Union erzielten demokratischen
Einigung zwischen Serbien und Montenegro zustande
kam, ist für die derzeit guten Beziehungen zwischen
Serbien und Montenegro verantwortlich, die von
mangelndem Verständnis und Konflikten geprägten
Beziehungen vorzuziehen sind. Heute stellt der Dialog
für uns das Mittel zur Erzielung einer Übereinkunft über
Fragen von gegenseitigem Interesse in der Staatenunion
dar, der eine Überstimmung und Gefährdung der
Autonomie beider Staaten ausschließt.
Unsere Institutionen übernehmen zunehmend volle
Verantwortung für die einheitliche Umsetzung der
Verfassungscharta. Zusammen mit den Bemühungen der
Regierungen der beiden Staaten haben diese
Maßnahmen Serbien und Montenegro Europa und dem
europäischen Integrationsprozess näher denn je gebracht.
Das ist eines der wichtigsten Ziele, die die Staatenunion
im Rahmen der Vereinbarung von Belgrad und der
Verfassungscharta verfolgt.
Als Präsident der Staatenunion von Serbien und
Montenegro bin ich überzeugt davon, dass die
Unterzeichnung der Vereinbarung von Belgrad und der
Verfassungscharta für die neue Staatenunion von
Serbien und Montenegro unter den gegebenen
Bedingungen eine gute Entscheidung war und dass es
nun auf allen Ebenen unsere Aufgabe ist, unseren
Pflichten verantwortungsbewusst und wirksam in
Übereinstimmung mit den von uns eingegangenen
Verpflichtungen nachzukommen. Die von Europa
zugesagte ökonomische und politische Unterstützung
wird dazu zweifellos den größtmöglichen Beitrag
leisten. Die im früheren Jugoslawien und weltweit
gesammelten Erfahrungen beweisen, dass – um den
heutigen politischen Jargon zu benutzen – das
Zuckerbrot stets wirksamer ist als die Peitsche. Europa
kann für jedes seiner konkreten Ziele eine Frist setzen –
wir sind bereit.
Das ist die Art von Ansporn und Ermutigung, die wir
uns von der Europäischen Union erhoffen, und zwar vor
allem im Hinblick auf die Erarbeitung der
Machbarkeitsstudie. Deshalb bin ich davon überzeugt,
dass Serbien und Montenegro den Weg in die
europäische Integration erfolgreich zurücklegen werden,
wenn die Studie zu einem positiven Ergebnis kommt und
das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen
13/01/2004
rechtzeitig abgeschlossen wird. Mit unserer aufrichtigen
und unermüdlichen Arbeit verfolgen wir das Ziel, an den
gemeinsamen Werten einer friedlichen, demokratischen
und zivilisierten Welt teilzuhaben.
Ich grüße Sie im Namen von Serbien und Montenegro:
seiner Bürger, seiner Hoffnungen und seiner
Erwartungen für ein Leben an der Seite der Länder in
der Region und aller Nationen in Europa.
(Lebhafter Beifall)
2-155
Der Präsident.  Herr Präsident Marović, ich möchte
Ihnen für Ihre heutige Ansprache und für Ihre von einer
europäischen Perspektive und Engagement Ihrerseits
gekennzeichneten Botschaft an dieses Parlament danken.
(Die feierliche Sitzung wird um 12.25 Uhr geschlossen.)
13/01/2004
123
INHALT
SITZUNG AM DIENSTAG, 13. JANUAR
2004 .........................................................5
Dringlichkeitsantrag ...............................5
Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse ..................................................5
Rahmenbedingungen für
Regulierungsagenturen ....................... 19
Perspektiven für die Doha-Runde nach
dem Treffen des Allgemeinen WTO-Rats
am 15. Dezember 2003 ......................... 24
Abstimmungen ..................................... 32
Perspektiven für die Doha-Runde nach
dem Treffen des Allgemeinen WTORates am 15. Dezember 2003 .............. 46
Illegaler Handel mit Buschfleisch ....... 52
EU-Hilfe für den Iran im Anschluss an
das Erdbeben ........................................ 59
Thunfisch .............................................. 64
Mitteilung des Präsidenten .................. 64
Fragestunde (Kommission) ................. 71
Dienstleistungen im Binnenmarkt....... 86
Detergenzien ......................................... 90
Armutslinderung und übertragbare
Krankheiten ........................................... 95
Neue Partnerschaft für die Entwicklung
Afrikas ................................................. 104
Kulturelle Vielfalt ................................ 110
Anhang – Feierliche Sitzung.............. 119
Ansprache von Herrn Svetozar Marović,
Präsident von Serbien und Montenegro
............................................................. 119
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