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3-001
SITZUNG AM MITTWOCH, 20. MÄRZ 2002
___________________________
Begrüßung
3-002
VORSITZ: PATRICK COX
Präsident
(Die Sitzung wird um 15.05 Uhr eröffnet.)
3-003
Wiederaufnahme der Sitzungsperiode
3-004
Der Präsident. – Ich erkläre die am Donnerstag, dem
14. März 2002 unterbrochene Sitzungsperiode des
Europäischen Parlaments für wiederaufgenommen. 1
3-005
Erklärung des Präsidenten
3-006
Der Präsident. – Kollegen, während die Europäische
Union auf dem Europäischen Rat von Barcelona bei der
wirtschaftlichen
Reform
und
Modernisierung
bedeutende Schritte noch vorn genommen hat, ist
gestern Abend in Bologna Professor Marco Biagi,
Professor für Arbeitsrecht an der Universität Modena
und Berater der italienischen Regierung in Fragen der
Arbeits- und Beschäftigungspolitik, von Terroristen
ermordet worden. Professor Biagi hinterlässt seine
Ehefrau und zwei Kinder.
Terrorakte sind immer scheußlich, und in diesem Fall ist
das Opfer mit Bedacht gewählt worden. Mit Marco
Biagi töteten die Terrorristen einen beruflich und
persönlich hoch geachteten Menschen, einen der Väter
der unverzichtbaren Politik der Reform des
Arbeitsmarktes, um in Italien und in Europa mehr
Arbeitsplätze zu schaffen. Zudem befürwortete er aktiv
den sozialen Dialog und die Solidarität sowie den
Fortschritt und die Modernisierung in seinem
Heimatland, und er war dem europäischen Ideal zutiefst
verpflichtet.
Aus all diesen Gründen hat seine Ermordung nicht nur
Auswirkungen auf Italien, sondern trifft auch unser
gemeinsames europäisches Ideal mitten ins Herz.
Ich spreche der Familie von Herrn Biagi sowie seinen
Kollegen an der Universität mein tief empfundenes
Beileid aus, und im Namen unserer italienischen
Kollegen und aller anderen Abgeordneten dieses Hauses
übermittle ich den italienischen Behörden unsere tiefe
Erschütterung und Empörung.
(Das Parlament erhebt sich zu einer Schweigeminute.)
3-007
Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung – Vorlage
von Dokumenten – Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat
- Haushaltskalender: BNH (Frist für die Einreichung von
Änderungsanträgen): siehe Protokoll.
1
3-008
Der Präsident. – Meine Damen und Herren
Abgeordneten! Ich freue mich, die auf der Tribüne
anwesende Delegation des kroatischen Parlaments, des
Hrvatski Sabor, unter Leitung von Ivo Skrabalo,
Vorsitzender des Unterausschusses für Beziehungen mit
dem Europäischen Parlament und Vorsitzender des
Ausschusses für Interparlamentarische Zusammenarbeit
des Kroatischen Parlaments, begrüßen zu dürfen.
(Beifall)
Sie werden sich erinnern, dass das Europäische
Parlament vor nur wenigen Monaten, am 12. Dezember
2001, dem Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen
zugestimmt hat, das eine ausgezeichnete Grundlage für
unsere künftige Zusammenarbeit darstellt.
Im weiteren Verlauf des Tages werden unsere verehrten
Gäste mit der Delegation des Europäischen Parlaments
für die Beziehungen zu Südosteuropa unter Leitung von
Frau Doris Pack zum 10. Interparlamentarischen Treffen
Europäisches Parlament/Kroatien zusammenkommen.
Ganz besonders, Herr Skrabalo, schätzen wir Ihre
Anwesenheit zu dieser für die Entwicklung von
Stabilität und Frieden in Südosteuropa wichtigen Zeit
und danken Ihnen für Ihren Besuch in unserem
Parlament am heutigen Nachmittag.
3-009
Mitteilung des Präsidenten
3-010
Der Präsident. – Ehe wir in die Aussprache eintreten,
möchte ich eine Reihe wichtiger Hinweise zu unserem
Zeitplan und unserer Vorgehensweise bekannt geben.
Der Präsident des Europäischen Rates, Herr José María
Aznar, muss uns um 16.30 Uhr verlassen, um an der
Internationalen
Konferenz
über
Entwicklungsfinanzierung in Monterrey in Mexiko
teilzunehmen. Er wird deshalb als Erster in der
Aussprache sprechen, zur ersten Runde Stellung
nehmen, und sich danach zurückziehen.
Der Präsident der Europäischen Kommission, Herr
Romano Prodi, der ebenfalls an der genannten
Konferenz in Mexiko teilnehmen wird, hält es für seine
Pflicht, angesichts der dramatischen Umstände der
Ermordung Professor Biagis, der ein enger persönlicher
Freund von Herrn Prodi gewesen ist, heute Nachmittag
nach Bologna zu reisen, um dort persönlich zu
kondolieren. Ich weiß, dass das Parlament seine
persönliche Überzeugung in dieser Angelegenheit
respektiert. Er wird deshalb ebenfalls am ersten Teil der
Aussprache über den Europäischen Rat Barcelona
teilnehmen und danach von Frau de Palacio,
Vizepräsidentin der Kommission, abgelöst.
6
20/03/2002
Ehe ich die Aussprache eröffne, möchte ich anmerken,
dass ich in der vergangenen Woche in Barcelona zum
ersten Mal als Präsident dieses Hauses die Ehre hatte,
mich in Ihrem Namen vor dem Europäischen Gipfel zu
äußern. Hervorgehoben habe ich dabei insbesondere
unseren Beitrag, die Arbeit, die von den zahlreichen
Berichterstattern,
Ausschussvorsitzenden
und
Koordinatoren der Fraktionen an führender Stelle
geleistet wurde bzw. an der sie sich beteiligt haben. Ich
möchte allen in diesem Hause danken, die besondere
Anstrengungen unternommen haben, damit inhaltlich
Konkretes vorgelegt worden konnte und damit dies zum
richtigen Zeitpunkt geschah. Es war eine große Freude,
als Präsident des Europäischen Parlaments einen so
wesentlichen Beitrag zum Gipfel von Barcelona leisten
zu können.
Im Verlaufe des Treffens habe ich den Wunsch unseres
Parlaments hervorgehoben, zu einer breiten Palette von
Fragen eine neue, reifere Partnerschaft und einen Dialog
mit dem Europäischen Rat zu entwickeln. Ich hoffe und
glaube, dass wir einen Prozess in Gang gesetzt haben,
der dies in naher Zukunft ermöglichen wird.
3-011
Ergebnisse des Europäischen Rates (Barcelona
15./16. März 2002)
3-012
Der Präsident. – Den nächsten Punkt bildet die
Erklärung des Rates und der Kommission zu den
Ergebnissen der Tagung des Europäischen Rates vom
15. bis 16. März 2002 in Barcelona.
Ich bin heute sehr erfreut, den amtierenden
Ratsvorsitzenden, den spanischen Ministerpräsidenten,
Herrn José Maria Aznar, und auch den Präsidenten der
Europäischen Kommission, Herrn Romano Prodi, zu
unserer Debatte begrüßen zu dürfen.
Seit Ende vergangenen Jahres, als die Kommission
meinem
Vorgänger
mitteilte,
dass
es
eine
Umsetzungslücke gäbe, haben wir auf unsere Weise
unser Möglichstes getan, diese Lücke zu schließen. Mit
Lissabon und der darauffolgenden Überprüfung und dem
Ausblick auf Barcelona wurden neue Fristen zur
Umsetzung festgelegt. Unser Parlament hat seinen Teil
zu Barcelona beigetragen und wird dies im Hinblick auf
unsere rechtlichen Verpflichtungen in aktiver
Partnerschaft auch weiterhin tun.
Ich habe dem Ratsvorsitz dargelegt, dass hinsichtlich der
Vereinfachung
und
Verbesserung
des
Regelungsumfeldes – also herauszufinden, wie
unionsweit eine bessere Rechtsetzung und ein besseres
Regieren erreicht werden können -, unsere
Gemeinschaftsorgane, d. h. das Parlament, der Rat und
die Kommission, von der Aussicht auf einen neuen und
reiferen Dialog profitieren könnten. Diesen Standpunkt
habe ich dem amtierenden Ratsvorsitzenden erläutert.
Ich bin erfreut, Ihnen mitteilen zu können, dass dies auf
politischer Ebene als eine wünschenswerte Entwicklung
anerkannt wird. Ich hoffe, dieses Ziel bis zum Gipfel
von Sevilla durch die guten Dienste von Herrn Aznar
und seinen Kollegen im Vorsitz bzw. durch Herrn Prodi
und seinen Kollegen in der Kommission zu
verwirklichen.
Vor diesem Hintergrund bin ich sehr erfreut, den
amtierenden Ratsvorsitzenden zu bitten, unsere Debatte
über den Gipfel von Barcelona einzuleiten.
3-013
Aznar López, Rat. – (ES) Herr Präsident des
Europäischen Parlaments,
Herr Präsident der
Kommission, meine Damen und Herren Abgeordneten!
Im Namen des Europäischen Rates möchte ich mich
Präsident Cox anschließen und den gestern in Bologna
verübten Mord an Professor Marco Biagi, dem Berater
des italienischen Arbeitsministers Maroni, auf das
Schärfste verurteilen. Im Namen des Europäischen Rates
spreche ich der Familie von Herrn Biagi und darüber
hinaus den italienischen Behörden und dem italienischen
Volk unser aufrichtiges Beileid aus.
Der Kampf gegen den Terrorismus ist für die
Europäische Union von entscheidender Bedeutung. Wir
wissen, dass Terrorismus eine Bedrohung für Freiheit
und Demokratie bedeutet und entschieden und
unnachgiebig mit allen Mitteln, die uns der Rechtsstaat
bietet, bekämpft werden muss. Wir müssen deshalb
unsere feste Entschlossenheit bekräftigen, dem
Terrorismus mit Besonnenheit und politischem Mut zu
begegnen, aus Solidarität mit den Opfern und aus der
eigenen demokratischen Würde heraus.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist mir
eine Freude, in diesem Haus zu Ihnen zu sprechen,
nachdem ich bereits im Januar dieses Jahres Gelegenheit
hatte, Ihnen die Prioritäten des spanischen Ratsvorsitzes
in der Europäischen Union darzulegen. Diesmal möchte
ich Sie über die Ergebnisse des Europäischen Rates von
Barcelona informieren.
Auf dem Europäischen Rat von Lissabon vor zwei
Jahren warfen wir Staats- und Regierungschefs die Frage
auf, wie Europa dem enormen Wandel begegnen könne,
den wir heute in unserer Gesellschaft erleben und der
eine Folge der Globalisierung ist, und wie wir uns den
Herausforderungen einer wissensbasierten Wirtschaft
würden stellen können.
Damals setzten wir uns mit Blick auf das kommende
Jahrzehnt für die Europäische Union ein strategisches
Ziel:
Europa
zum
wettbewerbsfähigsten
und
dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der
Welt zu machen – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist,
ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und
besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen
Zusammenhalt zu erzielen.
Zwei Jahre später und nach Abschluss des Rates von
Barcelona kann ich mit Genugtuung feststellen, dass der
in Lissabon eingeleitete Prozess der wirtschaftlichen und
20/03/2002
7
sozialen Erneuerung sich konsolidiert hat und erstarkt
ist.
Meine Damen und Herren, eine erfolgreiche Erneuerung
unserer Volkswirtschaften hängt wesentlich vom
politischen Willen ab, eine Reihe von Reformen in
Angriff zu nehmen.
Ich möchte mich bei Ihnen ausdrücklich für den Beitrag
des Europäischen Parlaments zum positiven Ablauf des
Prozesses von Lissabon und zu den guten Ergebnissen in
Barcelona bedanken. Diese Anerkennung wurde
gegenüber Präsident Cox bei seiner erstmaligen
Teilnahme am Europäischen Rat einmütig zum
Ausdruck gebracht.
Eine Vielzahl von Aufgaben und Entscheidungen im
Zusammenhang mit dem Prozess von Lissabon ist von
Ihnen bewältigt worden.
Aus der langen Liste der von Ihnen beratenen Themen
möchte ich an dieser Stelle an den Bericht über die
„Umsetzung
der
Rechtsvorschriften
für
Finanzdienstleistungen“ erinnern, mit dem der Weg für
eine so weitreichende Maßnahme wie die Schaffung von
integrierten Finanzdienstleistungen in der Europäischen
Union geebnet worden ist.
Ihre Entschlossenheit, in dieser Frage voranzukommen,
hat die Schaffung wettbewerbsfähiger Finanzmärkte
nicht nur wesentlich unterstützt, sondern auch dazu
beigetragen, dass in Zukunft ein Paket von Maßnahmen
verabschiedet werden kann, die voraussichtlich zu einem
zusätzlichen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts der
Europäischen Union von jährlich 0,5 % führen werden.
Ebenso hervorheben möchte ich Ihre Entschließungen
zur Ratifizierung des Kyoto-Protokolls und zur
nachhaltigen Entwicklung oder die in der letzten Woche
angenommenen Berichte zum Binnenmarkt für Strom
und Gas und zum grenzüberschreitenden Stromhandel.
Der wesentliche Beitrag des Europäischen Parlaments
zum Rat von Barcelona beschränkt sich deshalb nicht
auf die spezifische Arbeit an den Wirtschaftsreformen,
sondern umfasst eine Vielzahl verschiedener Bereiche.
Der Einsatz dieses Hauses wird es ohne Zweifel
ermöglichen, in die Zusammenarbeit zwischen Rat,
Kommission und Parlament neue Leitgedanken
einzubringen mit dem Ziel, die politische und
interinstitutionelle Partnerschaft im Geist des
gegenseitigen Vertrauens zu stärken.
Dies wird in der ersten Schlussfolgerung
Europäischen Rates von Barcelona klar betont.
des
Meine Damen und Herren, bevor ich auf den Inhalt der
Beratungen und die auf dem Rat gefassten Beschlüsse
eingehe, möchte ich ausdrücklich hervorheben, dass die
Kandidatenländer an einer ordentlichen Arbeitssitzung
im Rahmen des Rates teilgenommen haben.
Dieser Europäische Rat hat mit großer Freude das
Engagement
der
zukünftigen
Mitglieder
der
Europäischen Union für die Reformstrategie von
Lissabon zur Kenntnis genommen. Wir können
feststellen, dass die Kandidatenländer schon vor ihrem
Beitritt zur Union diese Reformen entscheidend
vorantreiben.
Die guten Ergebnisse des Europäischen Rates von
Barcelona dürfen uns nicht vergessen lassen, dass noch
ein weiter Weg vor uns liegt, um das ehrgeizige Ziel zu
erreichen, Europa bis zum Ende dieses Jahrzehnts zu
einer Gesellschaft mit Vollbeschäftigung zu machen.
Erlauben Sie mir deshalb, dass ich bei der Darlegung der
Ergebnisse des jüngsten Europäischen Rates sowohl das
bereits Erreichte würdige als auch das in den
kommenden acht Jahren zu Erreichende hervorhebe.
Meiner Ansicht nach hat der Rat in Barcelona zwei
wesentliche Botschaften ausgesandt: das Vertrauen in
die wirtschaftliche Erholung und die Wiederbelebung
des „Geistes“ von Lissabon.
Wir waren übereinstimmend der Auffassung, dass die
wirtschaftliche Erholung begonnen hat, und wir
vertrauen darauf, dass sich diese Erholung im Laufe des
Jahres fortsetzt. Eine solide, dauerhafte Erholung ist
dann gewährleistet, wenn wir in der Lage sind, in
unserer Reformagenda voranzuschreiten und einen
stabilen, wachstumsfördernden Rahmen zu schaffen.
Der Europäische Rat hat mit Nachdruck auf die
Bedeutung verwiesen, die der Einhaltung der
Bedingungen des Stabilitätspakts zukommt. Aus diesem
Grund sind alle Mitgliedstaaten die Verpflichtung
eingegangen, im Jahr 2004 einen nahezu ausgeglichenen
Haushalt oder einen Haushaltsüberschuss zu erreichen,
und
sind
zugleich
übereingekommen,
ihre
Wirtschaftspolitik noch besser zu koordinieren.
Meine Damen und Herren, wir können die Themen, auf
die sich der Europäische Rat von Barcelona konzentriert
hat, in vier großen Blöcken zusammenfassen.
Den ersten bildet das Paket von Beschlüssen zur
Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarkts und
zur Vertiefung der Integration des europäischen
Wirtschaftsraums. Dies ist der beste Weg zur Schaffung
von mehr Reichtum.
So umfassen die Schlussfolgerungen die Verpflichtung
der Mitgliedstaaten, das am BIP gemessene
Gesamtniveau der staatlichen Beihilfen zu verringern
und bei ihrer Verwendung für eine größere Transparenz
zu sorgen. Der Europäische Rat hat darüber hinaus die
Wirtschaftsminister beauftragt, die Transparenz unserer
Grundsätze in den Bereichen Rechnungslegung,
Beratung und Rechnungsprüfung zu evaluieren.
Wirksame Regelungen werden wir nur haben, wenn wir
ihre Einhaltung garantieren. Deshalb ist der Rat
übereingekommen, dass bis zum Europäischen Rat im
8
Frühjahr 2003 diejenigen Richtlinien, deren Übernahme
in die Rechtsordnungen bereits mehr als zwei Jahre
überfällig ist, zu 100 % umgesetzt sein müssen.
Der von uns angestrebte europäische Wirtschaftsraum
kann nur Wirklichkeit werden, wenn in einem
transparenten und flexiblen Rechtsrahmen weitere
Schritte zur Öffnung und Verknüpfung von
Schlüsselsektoren
wie
Verkehr,
Energie
und
Telekommunikation sowie zur Schaffung eines
Finanzsystems unternommen werden, das Einsparungen
wirksam steuert und die kostengünstigste Finanzierung
ermöglicht.
In diesem Bereich hat der Europäische Rat
möglicherweise die bedeutendsten Fortschritte erzielt.
Im Bezug auf die Finanzmärkte wird es nach der
Übereinkunft zwischen Kommission, Rat und Parlament
möglich sein, die Zeitpläne zur Schaffung eines
integrierten Wertpapiermarktes bis 2003 und zur vollen
Integration der Finanzdienstleistungen bis 2005
einzuhalten. Hierzu haben wir sieben Richtlinien und
eine Verordnung vorgesehen, die dieses Jahr
angenommen werden müssen, um das Ziel zu erreichen.
Was den Energiesektor betrifft, so konnte sowohl bei der
Öffnung der Märkte als auch bei ihrer europäischen
Integration auf dem Wege der Zusammenschaltung der
Netze ein Fortschritt erzielt werden.
Wie Sie wissen, ist für das Jahr 2004 die Öffnung der
Gas- und Strommärkte für alle europäischen
Unternehmen beschlossen worden. Das bedeutet, dass
etwa 70 % des europäischen Energiemarkts für den
Wettbewerb offen sein werden. Was den übrigen Markt
betrifft, so hat der Europäische Rat ein Mandat erteilt,
bis zur Frühjahrsratstagung 2003 einen Beschluss zu
fassen.
Diese Maßnahmen zur Öffnung des Energiemarkts
werden andererseits durch das Ziel ergänzt, bis 2005
einen Elektrizitätsverbund der Mitgliedstaaten zu
schaffen, der mindestens 10 % ihrer installierten
Produktionskapazität umfasst. Wenn dieses Ziel erreicht
ist, werden wir nicht mehr von einzelnen nationalen
Märkten sprechen können, sondern von einem wahrhaft
europäischen, offenen und integrierten Strommarkt.
In den Bereichen Verkehr und Telekommunikation
haben wir ein Arbeitsprogramm aufgestellt, das
entscheidend zu einer besseren Leistungsfähigkeit des
Binnenmarkts beitragen wird.
So werden wir dieses Jahr die überarbeitete Fassung zu
den transeuropäischen Verkehrsnetzen annehmen und
dadurch in der Lage sein, wesentliche Probleme in
Regionen wie dem Ostseeraum, den Alpen oder den
Pyrenäen zu auszuräumen.
Darüber hinaus haben wir den Start des Programms
GALILEO beschlossen, das nicht nur klar auf die
Entwicklung von Verkehrsverbindungen in Europa
20/03/2002
ausgerichtet ist, sondern auch eine
technologische Komponente beinhaltet.
wichtige
Ferner haben wir uns für das Jahr 2004 auf das
Inkrafttreten des „einheitlichen europäischen Luftraums“
verständigt, was die Flugzeiten und die Kosten der
Luftbeförderung senken und eine effizientere
Abwicklung des Flugverkehrs ermöglichen wird.
Schließlich kamen wir überein, dass der Entwicklung
von Breitbandnetzen als wesentlichem Element für die
Entwicklung der Informationsgesellschaft allergrößte
Bedeutung zukommt.
Meine Damen und Herren, der zweite Themenbereich,
auf den ich zu sprechen kommen möchte, bezieht sich
auf die Strategie der nachhaltigen Entwicklung, die wir
auf dem Europäischen Rat von Göteborg angenommen
haben.
Der Europäische Rat hat beschlossen, dass die Richtlinie
über Energiebesteuerung im Dezember 2004, parallel
zur Öffnung der Energiemärkte, in Kraft tritt.
Wie Ihnen bekannt ist, haben die Union und ihre
Mitgliedstaaten die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls
beschlossen. Der Rat hat darauf gedrängt, dass alle
einzelstaatlichen Verfahren zur Ratifizierung bis Juni,
bevor der Gipfel von Johannesburg stattfindet,
abgeschlossen sind.
Im Hinblick auf den Gipfel von Monterrey haben wir
uns schließlich darauf verständigt, die durchschnittliche
staatliche Entwicklungshilfe der Europäischen Union als
Zwischenschritt auf dem Weg zu den zugesagten 0,7 %
auf 0,39 % im Jahr 2006 anzuheben.
Meine Damen und Herren, der dritte Themenkomplex
des Europäischen Rates von Barcelona umfasst den
Arbeitsmarkt sowie die sozialen Fragen.
Wie Sie wissen, fand am Vorabend des Europäischen
Rates ein Spitzengespräch mit den Sozialpartnern statt.
Das Ergebnis dieses Sozialgipfels war das ausdrückliche
Bekenntnis der Sozialpartner zu der Strategie und den
Zielen von Lissabon.
Während des gesamten Europäischen Rates herrschte
weitgehend Einigkeit, dass die Mitgliedstaaten
Anstrengungen unternehmen sollten, um Hindernisse bei
der Eingliederung der Europäer in den Arbeitsmarkt aus
dem Weg zu räumen. Diese Hindernisse betreffen die
Steuer- und Sozialschutzsysteme, aber auch die
Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Union.
Deshalb haben wir uns auf die Einführung einer
Europäischen Krankenversicherungskarte geeinigt, die
die ärztliche Versorgung der Bürger auf ihren Reisen
erleichtern wird, und darüber hinaus beschlossen,
europaweit
einheitliche
Internet-Seiten
für
Stellenangebote einzurichten.
Es wurde auf Maßnahmen zugunsten zweier konkreter
Bevölkerungsgruppen
gedrängt:
erstens,
die
20/03/2002
Erleichterung des Zugangs der großen Mehrzahl der
Kinder zu Betreuungseinrichtungen als Mittel zur
besseren Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben
und, zweitens, Maßnahmen, um angesichts der niedrigen
Geburtenrate und der Überalterung der Bevölkerung
unserer Länder das tatsächliche durchschnittliche
Rentenalter in diesem Jahrzehnt um fünf Jahre
anzuheben.
Schließlich widmete sich der Rat auch Fragen im
Zusammenhang mit Bildung sowie Forschung
Entwicklung und technologischer Innovation, also
Bereichen, die wichtige Elemente für einen
Wettbewerbsvorteil Europas darstellen dürften.
Der Europäische Rat vertritt die Ansicht, dass eine gute
Ausbildung zu den Wesensmerkmalen einer offenen
Wohlstandsgesellschaft gehört. Deshalb haben wir für
die Bildungssysteme das „Arbeitsprogramm für 2010“
angenommen. Konkret hat sich der Europäische Rat im
Bildungsbereich für den Fremdsprachenunterricht in
mindestens zwei Sprachen anderer Mitgliedstaaten vom
jüngsten Kindesalter an sowie für die generelle
Einführung des Erwerbs von Internet- und
Computerkenntnissen für Schüler weiterführender
Schulen ausgesprochen.
Zu den Bereichen Forschung, Entwicklung und
technologische Innovation möchte ich betonen, dass wir
in Barcelona eine überaus bedeutende Verpflichtung
eingegangen sind, die Ihnen sicher schon bekannt ist:
Die Investitionen in diese Gebiete sollen verstärkt
werden und im Jahr 2010 3 % des BIP betragen, wobei
zwei Drittel dieser Investitionen von der Privatwirtschaft
finanziert werden sollen.
Meine Damen und Herren, in Lissabon wurde
beschlossen, dass der Europäische Rat in jedem Frühjahr
eine Arbeitstagung zu wirtschaftlichen und sozialen
Fragen abhält, um die Gesamtkohärenz und die
wirksame Überwachung der Fortschritte auf dem Weg
zu dem neuen strategischen Ziel sicherzustellen.
Der Europäische Rat von Barcelona hat sich in
Übereinstimmung mit diesem Mandat in seiner Arbeit
hauptsächlich der Lissabonner Strategie gewidmet. Dies
soll nicht heißen, dass er sich nicht mit anderen Themen
befassen konnte, so mit der Außenpolitik der
Europäischen Union oder weiteren institutionellen
Fragen.
Was Letztere betrifft, würde ich gern die Aussprache
hervorheben, die auf Anregung des irischen
Premierministers im Europäischen Rat stattfand und in
der die Ratifizierung des Vertrags von Nizza durch die
Republik Irland erörtert wurde.
Der Europäische Rat hat das vom irischen
Premierminister dargelegte Konzept begrüßt und seine
Bereitschaft bekräftigt, die irische Regierung bei der
Ratifizierung des Vertrags von Nizza zu unterstützen,
sowie vereinbart, sich in Sevilla erneut mit dem Thema
zu befassen.
9
Der Europäische Rat von Sevilla wird auch der erste
sein, der dem Fortgang der Debatte über die Zukunft
Europas eine Arbeitssitzung widmen wird.
Ein Bericht des Präsidenten des Konvents wird es uns
ermöglichen, aus erster Hand zu erfahren, welche
Fortschritte in diesem die nächste Regierungskonferenz
vorbereitenden Forum erzielt worden sind.
Hinsichtlich der institutionellen Fragen haben wir das
Mandat des Europäischen Rates von Göteborg sowie das
des Rates von Laeken erfüllt. Dem Rat von Laeken
folgend, legte uns der Generalsekretär des Rates einen
Bericht vor, aus dem wir die konkreten
Schlussfolgerungen für die auf der Tagung in Sevilla
anstehenden Fragen zur Reform des Europäischen Rates
ziehen müssen.
In den kommenden Wochen werden der Vorsitz und das
Generalsekretariat des Rates die erforderlichen Kontakte
aufnehmen, um dieses Ziel zu erreichen.
Meine Damen und Herren, bei der Erörterung
außenpolitischer Themen stellte die Lage im Nahen
Osten ein wichtiges Kapitel dar. Ebenso zur Sprache
kamen die zwischen Serbien und Montenegro erzielten
Abkommen,
die
Beziehungen
zwischen
der
Europäischen Union und dem Atlantischen Bündnis
sowie die zukünftige Rolle der Europäischen Union in
der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien.
Des Weiteren möchte ich die besondere Unterstützung
des Europäischen Rates für den Brüsseler Prozess
betreffend Gibraltar herausstreichen.
Die Europäische Union hat mit der verabschiedeten
„Erklärung von Barcelona“ erneut ihre Verurteilung aller
terroristischen Angriffe bekräftigt und macht
gleichzeitig
darauf
aufmerksam,
dass
die
Palästinensische
Autonomiebehörde
als
einzig
rechtmäßige Autorität für die Bekämpfung des
Terrorismus
verantwortlich
ist.
In
diesem
Zusammenhang hat der Europäische Rat gefordert, alle
Einschränkungen der Bewegungsfreiheit des Präsidenten
der Palästinensischen Autonomiebehörde, Jassir Arafat,
umgehend aufzuheben.
Darüber hinaus hat der Europäische Rat bekräftigt, dass
Israel seine Streitkräfte aus den unter der Kontrolle der
Palästinensischen
Behörde
stehenden
Gebieten
zurückziehen,
außergerichtliche
Hinrichtungen
einstellen, die Blockaden und Einschränkungen
aufheben, die Siedlungspolitik stoppen und das
Völkerrecht einhalten muss.
Der Europäische Rat hat mit dieser Erklärung erneut die
bisherige zweifache Zielsetzung der Union in dieser
Region zum Ausdruck gebracht: Schaffung eines
demokratischen, lebensfähigen und unabhängigen
Staates Palästina, die der Besetzung von 1967 ein Ende
setzt, und Anerkennung des Rechts Israels, innerhalb
sicherer Grenzen, die durch die entsprechende
10
20/03/2002
Verpflichtung der Völkergemeinschaft und insbesondere
der arabischen Länder garantiert werden, in Frieden zu
leben.
über die Informationen in Bezug auf die möglichen
Steinigung einer Frau in Nigeria zum Ausdruck
gebracht.
Nur durch eine enge Koordinierung zwischen der Union,
den Vereinten Nationen, den Vereinigten Staaten,
Russland und anderen Staaten der Region werden wir in
wirksamer Weise zur Lösung des Konflikts beitragen
können.
Der Europäische Rat hat die Behörden dieses Landes
eindringlich
aufgefordert,
die
Menschenrechte,
insbesondere die der Frauen, uneingeschränkt zu achten.
Meine Damen und Herren, auch die europäische Politik
gegenüber dem Balkan gründet sich auf ein klares
Prinzip, nämlich das Prinzip der Unverletzlichkeit der
Grenzen und der Achtung der territorialen Integrität der
Staaten. Die am 14. März zwischen den Führern von
Serbien und Montenegro erzielte Einigung stellt in
dieser Hinsicht einen wichtigen Schritt dar, da sie die
Aufrechterhaltung ihrer verfassungsrechtlichen Einheit
und ihrer territorialen Integrität verankert.
Ich kann Ihnen mitteilen, dass ich in Monterrey
Gelegenheit haben werde, den Präsidenten von Nigeria
ausdrücklich darum zu ersuchen, allen entsprechenden
Forderungen nachzukommen, um diesen Akt der
Steinigung eines Menschen, einer Frau, in diesem Land
zu verhindern.
Dieses Abkommen wird ein guter Prüfstein sein für die
europäische Perspektive der staatlichen Union zwischen
Serbien und Montenegro, und die Europäische Union
wird den Grad ihres Engagements von der Beibehaltung
dieser Union abhängig machen.
Meine Damen und Herren, der Europäische Rat hat seine
Bereitschaft bekundet, den Prozess der Stabilisierung,
der Aussöhnung und des Wiederaufbaus in der
ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien
weiterhin zu unterstützen.
Im Einklang mit der Entscheidung der Europäischen
Union, ab dem 1. Januar kommenden Jahres die
Polizeimission in Bosnien-Herzegowina zu übernehmen,
hat der Europäische Rat die Bereitschaft der Union
erklärt, künftig die Verantwortung für eine derzeit vom
Atlantischen Bündnis durchgeführte Operation zu
übernehmen, und übereinstimmend festgestellt, dass die
Dauervereinbarungen für die Zusammenarbeit zwischen
der Europäischen Union und dem Atlantischen Bündnis
nun endlich erzielt werden müssten.
Aus diesem Grund hat der Europäische Rat Spanien, das
den Ratsvorsitz der Europäischen Union innehat, dazu
aufgefordert, gemeinsam mit dem Hohen Vertreter die
entsprechenden Kontakte auf hoher Ebene aufzunehmen,
um zu einem positiven Ergebnis zu gelangen, das diesen
Prozess wieder in Gang bringt.
Meine Damen und Herren, die Länder des
subsaharischen Afrikas sind in den Beratungen des
Europäischen Rates ebenfalls zur Sprache gekommen.
Der Rat hat zum einen seine Freude darüber bekundet,
dass es in Angola zu einem Ende der Feindseligkeiten
gekommen ist, nachdem der Konflikt mehr als
fünfundzwanzig Jahre lang verheerende Folgen für die
Bevölkerung hatte, zum anderen hat er den Mangel an
politischen Garantien beim Ablauf der jüngsten Wahlen
in Simbabwe verurteilt.
Die Europäische Union hat zudem ihre Besorgnis über
die Entwicklung der Lage in der Republik Kongo sowie
(Beifall)
(Beifall)
Wie gesagt, möchte ich betonen, dass der Europäische
Rat mit großer Zufriedenheit den Beschluss des
Vereinigten Königreichs und Spaniens aufgenommen
hat, den 1984 eingeleiteten Brüsseler Prozess betreffend
Gibraltar wieder aufzunehmen, und dass er das
Engagement beider Regierungen unterstützt, ihre
Meinungsverschiedenheiten
bezüglich
Gibraltar
auszuräumen und bis zum Sommer ein umfassendes
Abkommen zu schließen.
Meine Damen und Herren, Herr Präsident, in letzter Zeit
war von der Notwendigkeit die Rede, dem Bürger den
europäischen Aufbauprozess näher zu bringen. In
jüngster Zeit konnte die Europäische Union den
Eindruck erwecken, als beschäftigte sie sich mit
Themen, die vom Alltag unserer Bürger weit entfernt
sind.
Ich denke, der Europäische Rat von Barcelona hat das
Gegenteil bewiesen. Er hat sich und wir haben uns mit
Entscheidungen
befasst,
die
die
konkreten
Lebensumstände und den Alltag der Unionsbürger
betreffen werden.
Das Ergebnis ist ein, wie ich denke, wichtiger und
umfassender Arbeitsplan für die kommenden Jahre.
Noch in diesem Jahr wird das Programm GALILEO
eingeleitet, wird die überarbeitete Fassung der
transeuropäischen
Energieund
Verkehrsnetze
angenommen, werden die Vorschläge über Hafendienste
und öffentliche Dienstleistungsaufträge sowie die
Regeln über die Zuweisung von Zeitnischen auf
Flughäfen angenommen, werden sieben Richtlinien und
eine Verordnung über Finanzdienstleistungen sowie die
wichtige Verordnung über den grenzübergreifenden
Stromhandel angenommen.
In Sevilla wird man sich unter anderem auf die
Annahme des 6. Rahmenprogramms für Forschung und
Entwicklung und die gemeinsame Strategie der
Europäischen Union für Johannesburg konzentrieren
müssen, darüber hinaus auf das neue Programm eEurope
20/03/2002
2005 und die Reform des Europäischen Rates,
schließlich auf die Aussprachen zur Erweiterung.
Im Jahr 2003 werden wir die vollständige Umsetzung
des Telekommunikationspakets, die Einrichtung des
europäischen Web-Portals für die Arbeitsplatzsuche und
die
Einführung
der
Europäischen
Krankenversicherungskarte sowie die Integration der
europäischen Wertpapiermärkte bewerkstelligen.
11
Ich möchte deshalb meine Ausführungen so beenden,
wie ich sie begonnen habe: mit einem aufrichtigen Dank
für den Beitrag zu Ergebnissen, die, wie ich denke, die
Mühe wirklich wert sind.
Vielen Dank, Herr Präsident.
(Beifall)
3-014
Im Jahr 2004 wird sich die Öffnung der Gas- und
Elektrizitätsmärkte für alle Unternehmen vollziehen,
werden die Mitgliedstaaten einen ausgeglichenen oder
überschüssigen Haushalt vorweisen, wird die Richtlinie
über Energieerzeugnisse in Kraft treten und ein
einheitlicher europäischer Luftraum geschaffen werden.
Im Jahr 2005 werden wir vollständig integrierte Märkte
haben, in denen 10 % der Stromkapazität in das
Verbundnetz fließt und in denen Breitbandnetze zur
Verfügung stehen.
Im Jahr 2010 werden 3 % des BIP in die Bereiche
Forschung, Entwicklung und Innovation fließen müssen;
wir werden das Arbeitsprogramm zur Bildung, die
Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben und die
Heraufsetzung des Rentenalters, ausgehend von der
derzeitigen
Beendigung
des
Beschäftigungsverhältnisses, in die Tat umgesetzt haben.
Ich glaube ernsthaft, dass das Ziel, die in Lissabon
vereinbarte Reformagenda auf den Weg zu bringen, im
Wesentlichen und auf sinnvolle Weise erreicht worden
ist.
Darüber hinaus glaube ich, dass wir heute „mehr
Europa“ und vor allem „ein besseres Europa“ als vor der
Tagung des Europäischen Rates von Barcelona haben.
Und ich glaube abschließend, dass wir mit unseren
Vereinbarungen
dazu
beigetragen
haben,
die
wirtschaftliche Erholung voranzutreiben und zu
beschleunigen.
Genau dies waren die großen Ziele, die sich der
spanische Vorsitz für den Rat von Barcelona gesetzt hat.
Die Mitgliedstaaten haben den notwendigen Ehrgeiz und
die notwendige Flexibilität unter Beweis gestellt und
dadurch entscheidend dazu beigetragen, diese
ausgewogenen, positiven Vereinbarungen zu erzielen.
Die Europäische Kommission hat Dokumente vorgelegt,
die dem Europäischen Rat als hervorragende
Arbeitsgrundlage gedient haben, und hat durch ihre
aktive Beteiligung das Engagement für Europa und den
europäischen Fortschritt belebt.
Selbstverständlich möchte ich, wie ich bereits sagte, für
die Vorschläge und Beiträge des Europäischen
Parlaments danken, das bei der Entwicklung der
Lissabonner Strategie eine sehr dynamische Rolle
gespielt hat.
Prodi, Präsident der Kommission. – (IT) Herr
Parlamentspräsident, Herr Ratspräsident, meine sehr
verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir haben
uns heute zusammengefunden, um über die Ergebnisse
der jüngsten Tagung des Europäischen Rates in
Barcelona zu sprechen. Ich möchte meine Ausführungen
beginnen, indem ich eines Mannes gedenke, den viele
von Ihnen in diesem Hohen Haus gekannt haben: Er hieß
Marco Biagi – wir waren befreundet – und wurde
gestern Nacht in Bologna ermordet. Er war 52 Jahre alt
und hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Er war
Professor an der Universität Modena, ein Experte für
Arbeitsrecht, und wie schon für andere Arbeitministerien
früherer Regierungen, einschließlich der von mir
geführten, so war er auch für das Arbeitsministerium der
gegenwärtigen italienischen Regierung als Berater tätig.
Er hat sich sein ganzes Leben lang dafür eingesetzt, den
Dialog zwischen den Sozialpartnern in meinem
Heimatland, Italien, und in Europa zu fördern. Aufgrund
der Ernennung durch die Europäische Kommission war
er Mitglied der hochrangigen Gruppe, die sich mit der
Zukunft der Arbeitsbeziehungen beschäftigte und den
Bericht über den Sozialdialog erarbeitet hat, den wir vor
einigen Tagen gemeinsam in Barcelona erörtert haben.
Um Marco Biagi ein ehrendes Gedenken zu bewahren,
müssen
wir,
Herr
Parlamentspräsident,
Herr
Ratspräsident und meine Damen und Herren
Abgeordneten, alles dafür tun, um die Einheit unserer
Gesellschaften zu bewahren, müssen wir gemeinsam den
Terrorismus bekämpfen und alles daran setzen, ihn zu
zerschlagen, denn er ist der unversöhnliche Feind der
Demokratie.
Wir sind uns dessen bewusst, dass Entwicklung, soziale
Gerechtigkeit und gegenseitige Solidarität in unseren
Gesellschaften gemeinsam vorangebracht werden
müssen. Auf der Grundlage dieser Werte wollen wir
Europa gestalten: ein freies und demokratisches Europa,
ein Europa, in dem der notwendige Ideenstreit die
Gewaltanwendung prinzipiell ausschließt. Das sind die
Werte, die wir niemals, und ganz besonders nicht in
Augenblicken wie diesem, vergessen dürfen.
(Beifall)
Herr Parlamentspräsident, Herr Ratspräsident, meine
sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich
bin hier, um Ihnen über die Ergebnisse der Tagung des
Europäischen Rates zu berichten, die Ende letzter
Woche in Barcelona stattgefunden hat.
Der Gipfel in Barcelona war, wie Präsident Aznar
betonte, ein Erfolg. Ein Erfolg für Europa, denn es
12
wurde ein entscheidender Schritt nach vorn zur
konkreten Verwirklichung der Strategie von Lissabon
getan; ein Erfolg auch der Methode und der Organe der
Union, d. h. der Kommission, des Rates und des
Parlaments: ein Erfolg der Kommission, die mit ihrem
Frühjahrsbericht den Diskussionen des Europäischen
Rates und den Vorschlägen, die sich in den
Schlussfolgerungen widerspiegeln, eine bestimmte
Richtung gab;
ein Erfolg der
amtierenden
Ratspräsidentschaft und ihrer klugen Leitung und
Organisation, für die ich Präsident Aznar und der
Gruppe seiner Mitarbeiter herzlichst danken möchte; und
ein Erfolg des Europäischen Parlaments, das innerhalb
derselben Wochen praktisch alle Vorschläge, die im
Hinblick auf den Gipfel von Barcelona vorgelegt
wurden, behandelt und angenommen hat. Das bedeutet –
wie Sie, Herr Cox, zu Recht hervorgehoben haben –,
dass wir von einer Kultur der Konfrontation zu einer
Kultur des Wandels übergegangen sind. Auf diese Weise
werden der Geist der Zusammenarbeit zwischen den
Organen
und
eine
größere
Effizienz
des
Reformprozesses untrennbar miteinander verbunden.
Deshalb
möchte
ich
auch
Ihnen,
Herr
Parlamentspräsident Cox, meinen aufrichtigen Dank
aussprechen. Darüber hinaus habe ich insbesondere Ihre
Ausführungen anlässlich der Eröffnung der Tagung des
Europäischen Rates begrüßt, mit denen diese beiden
fruchtbaren Arbeitstage auf die beste Weise eingeleitet
wurden. Sie hatten nämlich die feste Entschlossenheit
des Europäischen Parlaments bekräftigt, ein wichtiger
Partner für die Reform und den Fortschritt des
europäischen Aufbauwerks sein zu wollen. Ich stimme
mit diesem Standpunkt vollkommen überein.
Besonders in der letzten Zeit hat das Parlament im
Rahmen
des
Mitentscheidungsverfahrens
ein
Arbeitspensum bewältigt, auf das wir alle stolz sind und
wofür Ihnen mein besonderer Dank gilt. Ich freue mich
hauptsächlich über diese Entwicklungen, weil sie es
ermöglichen, den zeitlichen Abstand zwischen der
Ankündigung einer politischen Maßnahme und ihrer
effektiven Umsetzung zu verkürzen. Im November
letzten Jahres und auch noch im Frühjahrsbericht hatte
ich nachdrücklich auf die Gefahren einer Diskrepanz
zwischen den politischen Erklärungen und ihrer
konkreten Verwirklichung hingewiesen. Ich hege
nämlich die große Befürchtung, dass wir weiterhin neue
Erwartungen bei den Bürgern wecken, um sie dann nicht
zu erfüllen. Wenn wir Europa wirklich den Bürgern
näher bringen wollen, müssen Beschlüsse nicht nur
gefasst, sondern auch umgesetzt werden. Heute bin ich
froh, dass wir in Barcelona für die nächsten Jahre einen
Fahrplan mit klaren Terminen festgelegt haben. Dieser
Fahrplan wurde von Präsident Aznar dargelegt und in
Erinnerung gebracht.
Herr Präsident, ich möchte mich nun ganz kurz auf
einige besonders wichtige Punkte konzentrieren. In
Barcelona haben wir faktisch ein Datum für die Öffnung
der Elektrizitäts- und Gasmärkte festgesetzt. Dieses
Projekt kam seit Monaten nicht voran, wodurch
verhindert wurde, dass den europäischen Unternehmen
Kosteneinsparungen
und
somit
20/03/2002
Produktivitätssteigerungen zugute kamen. Bis Ende
2004 werden die gewerblichen Kunden ihre
Versorgungsunternehmen frei wählen können. Es muss
jedoch auch gesagt werden, dass die Öffnung geregelt
wird, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Die Kommission hatte bereits Gelegenheit, ihr
besonderes Verantwortungsbewusstsein hinsichtlich der
Notwendigkeit oder vielmehr der Verpflichtung, die
Wettbewerbs- und Produktivitätserfordernisse mit den
Erfordernissen der Erbringung von Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse in Einklang zu bringen, unter
Beweis zu stellen.
In Barcelona wurde außerdem das Projekt GALILEO
wieder in die richtigen Bahnen gelenkt und hat einen
neuen Impuls erhalten. GALILEO war ein unerwartetes
Ergebnis und ist ein äußerst wichtiger Schritt nach vorn
mit bedeutenden politischen und wirtschaftlichen
Auswirkungen.
Darüber hinaus möchte ich hervorheben, dass ein
wichtiges Ziel im Hinblick auf die Öffnung der
Finanzmärkte erreicht wurde. Der Rat hat die
Verpflichtung zur Umsetzung des Aktionsplans für
Finanzdienstleistungen und zur vollständigen Integration
der Märkte bekräftigt. Das bedeutet, dass bis 2003 voll
integrierte Wertpapier- und Risikokapitalmärkte sowie
bis 2005 voll integrierte Finanzdienstleistungsmärkte
geschaffen werden. Dieser Beschluss darf keineswegs
unterschätzt werden, auch wenn er vielleicht in den
Medien weniger Beachtung fand als der Beschluss zur
Öffnung des Elektrizitätsmarktes, doch hinsichtlich der
wirtschaftlichen Folgen ist er noch bedeutsamer, weil ein
integrierter europäischer Kapitalmarkt zusammen mit
einer einheitlichen Währung den Verbrauchern und
Investoren riesige Vorteile bieten wird.
In Vorbereitung auf den Gipfel von Barcelona wurden
auch Fortschritte in Bezug auf die verstärkte
Zusammenschaltung
der
europäischen
Telekommunikations- und Stromnetze erreicht. Trotz
des scheinbar technischen Charakters dieses Themas
muss klargestellt werden, dass dies eine stärkere
Integration der Märkte und eine höhere Produktivität der
europäischen Industrie ermöglichen wird.
Schließlich wurde auch eine Einigung zu dem neuen
Aktionsplan e-Europe 2005 erzielt, der unsere Strategie
zur Verbreitung der neuen Technologien in Bereichen
wie Handel, Gesundheitswesen und öffentliche
Verwaltung stärken wird. Zudem hat sich der Rat auf
eine bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitiken,
insbesondere im Euro-Raum, verständigt.
Die erzielten Ergebnisse können sich sehen lassen, und
wir dürfen sie nicht unterbewerten. Wir dürfen die
Erfolge nicht immer als selbstverständlich hinstellen und
uns nicht nur auf die Versäumnisse und
Unzulänglichkeiten konzentrieren.
Die Frühjahrstagung des Europäischen Rates ist bereits
zu einem wichtigen politischen Ereignis geworden, in
dessen Rahmen Bilanz gezogen und dem laufendem
20/03/2002
Prozess neuer Schwung verliehen wird. Ein
entscheidendes Element dieses Prozesses ist die
wirtschaftspolitische Koordinierung. Wie ich bereits
mehrfach hervorgehoben habe, ist es Zeit, Kapital aus
der außerordentlich erfolgreichen Einführung des Euro
zu schlagen. Nach der Euro-Einführung müssen wir uns
nun Maßnahmen auf der politischen Ebene zuwenden
und unser Augenmerk auf die Frage lenken, wie wir
durch die verstärkte wirtschaftspolitische Abstimmung
der Mitgliedstaaten eine Wirtschaftspolitik für den EuroRaum festlegen und durchführen können. Insbesondere
muss unser Handeln durch ein Paket gemeinsam
vereinbarter Grundsätze und Regeln zur Ausrichtung der
Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten bestimmt werden.
Ich bin froh, dass der Europäische Rat dieses Konzept
unterstützt hat, das den strukturellen Haushaltspolitiken
Kohärenz verleiht und sie berechenbar macht. Das
beweist, dass der Rat die Verantwortung übernommen
hat, diesem Prozess der Entwicklung einer europäischen
Wirtschaftspolitik auf seinen Frühjahrstagungen eine
politische Orientierung zu geben. Er ist auch bereit, auf
den Frühjahrstagungen seine Rolle in Bezug auf die
jährliche
Überprüfung
dieser
allgemeinen
wirtschaftlichen Strategie wahrzunehmen. Auf diese
Weise wird die wirtschaftliche Basis, auf die sich der
Euro stützt, gestärkt und ein positiver Zusammenhang
zwischen Währung und realer Wirtschaft geschaffen.
Herr Präsident, in Barcelona haben wir den
Wirtschaftsreformen, bei denen im Vergleich zum
ursprünglichen Zeitplan Verzögerungen aufgetreten
waren, einen starken Impuls verliehen, ohne jedoch
unsere soziale Dimension diesen Zielen unterzuordnen.
Themen wie der Schaffung von Arbeitsplätzen, der
Schaffung der Voraussetzungen für den Erhalt der
Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt und dem
Umweltschutz
haben
wir
größte
Bedeutung
beigemessen.
Wie
wir
im
Frühjahrsbericht
hervorgehoben haben, bedeutet unsere Entscheidung,
uns auf einige Prioritäten zu konzentrieren, jedoch nicht,
dass wir die anderen vergessen haben. Wir müssen bei
den Reformen in allen Bereichen gleichermaßen
voranschreiten, denn wir sind uns wohl bewusst, dass
der integrierte Ansatz von ausschlaggebender Bedeutung
für die Erreichung des Endziels ist. Wir haben eine
doppelte Verpflichtung: Wir müssen sofort handeln, um
das in Barcelona Erreichte fortzuführen, und wir müssen
unsere Bemühungen zur Verwirklichung der anderen
Ziele unserer Strategie fortsetzen. Es geht nämlich nicht
um ein Nullsummenspiel, sondern um ein Spiel mit
positivem Ergebnis. Wenn wir in unseren politischen
Entscheidungen ein Element bevorzugen, so heißt das
nicht, ein anderes zu vernachlässigen. Deshalb werden
wir auch in Zukunft die sozialen und die Umweltbelange
mit unseren allgemeinen politischen Entscheidungen
verbinden. Selbstverständlich müssen weitere Initiativen
folgen: Wir dürfen nie vergessen, dass wir eine sich über
zehn Jahre erstreckende Strategie durchführen. Unsere
Ergebnisse müssen am Ende des Jahrzehnts gemessen
werden: Diese Perspektive dürfen wir nie aus den Augen
verlieren.
(Beifall)
13
3-015
Poettering (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Präsident
des Europäischen Rates, Herr Kommissionspräsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit tiefer Abscheu und
Trauer haben wir von der Ermordung von Marco Biagi
erfahren, und unsere Sympathie gilt seiner Familie.
Unsere Fraktion erklärt allen Terroristen in Europa und
in der Welt: Wir werden niemals den Terroristen
nachgeben! Wer den Terroristen nachgibt, der stellt
unsere demokratische Ordnung in Frage. Wir werden mit
allen demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln
entschlossen den Terrorismus in Europa und in der Welt
bekämpfen.
Ich möchte dem Parlamentspräsidenten, Pat Cox,
herzlich für seine sehr praktischen und politischen
Vorschläge danken, die er dem Europäischen Rat
unterbreitet hat. Ich glaube, das war eine gute Grundlage
für die Debatte. Der Präsident des Europäischen Rates
und der Kommissionspräsident, dem wir eine gute Reise
nach Italien zu seinem ermordeten Freund und dessen
Familie wünschen, haben ja zum Ausdruck gebracht,
wie wir ihm für seinen Beitrag danken müssen.
Ich möchte aber auch besonders dem Präsidenten des
Europäischen Rates ein Wort der Anerkennung sagen
und seine Verantwortung würdigen, auch dafür, dass er
dreimal während der spanischen Präsidentschaft ins
Europäische Parlament kommen wird. Heute ist es schon
das zweite Mal. Ich glaube, dass ist auch ein gutes
Beispiel für nachfolgende Präsidentschaften.
Der Gipfel von Barcelona ist ein Gipfel, den auch wir im
Grundsatz positiv beurteilen. Aber natürlich bleiben
viele Wünsche offen. Interessant ist die Sprache. Herr
Präsident des Europäischen Rates, der Europäische Rat
fordert uns - das Parlament und den Rat - auf, in einem
bestimmten Zeitraum doch den Energiemarkt für
Versorgungsunternehmen zu öffnen. Wir wären dankbar
gewesen, wenn der Europäische Rat uns aufgefordert
hätte, auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher
den europäischen Energiemarkt zu öffnen, weil wir
nämlich
gerne
dazu
bereit
wären.
Die
Unentschlossenheit des Rates, die ja auf ein
Mitgliedsland zurückzuführen ist - und ich weiß, dass
der Präsident des Europäischen Rates sich alle Mühe
gegeben hat -, diese negative Haltung wird in dieser
Aufforderung an den Ministerrat und das Europäische
Parlament verschleiert. Also, wir wollten eigentlich
mehr.
Wir möchten Sie sehr zu Ihrer Entscheidung
beglückwünschen. Herr Präsident des Europäischen
Rates, ich weiß auch um Ihr persönliches Engagement,
mit dem Sie dafür gesorgt haben, dass Galileo nun eine
Zukunft hat. Das ist von strategischer Bedeutung für
Europa. Ich freue mich, dass sowohl die politischen als
auch die finanzpolitischen Widerstände überwunden
werden konnten. Wir nehmen auch mit Freude zur
Kenntnis, dass Sie sich zur Stabilität bekennen und bis
zum Jahre 2004 für alle Mitgliedstaaten der
Europäischen Union einen nahezu ausgeglichenen
Haushalt wünschen. Aber wir hätten uns noch sehr viel
14
mehr gewünscht, wenn der Europäische Rat in
Barcelona hätte feststellen können, dass er die Haltung
der Kommission begrüßt, nämlich zwei Mitgliedsländern
der Europäischen Union den so genannten Blauen Brief
zu schicken, der dann - wie wir alle wissen - durch ein
bestimmtes Verhalten eines Mitgliedslandes durch die
Finanzminister gestoppt wurde. Wir würden uns
wünschen, dass diese positive Erklärung eines nahezu
ausgeglichenen Haushaltes auch in Zukunft eine
praktische Umsetzung dadurch erfährt, dass die
Kommission in ihren Stabilitätsbemühungen gegenüber
den Mitgliedsländern der Europäischen Union
unterstützt wird. Dann wird auch der Europäische Rat
glaubwürdig, wenn bei den konkreten Maßnahmen auch
die Finanzminister entsprechend handeln.
(Beifall)
Herr Präsident des Europäischen Rates, wir begrüßen
sehr, dass die Konferenz der Staats- und
Regierungschefs starke Worte für den Nahen Osten
gefunden hat. Wir sind entschieden dafür, dass die
Palästinenser in Würde einen Staat bekommen, und wir
sind entschieden dafür, dass Israel in gesicherten
Grenzen leben kann. Aber wir müssen den Terrorismus
auf beiden Seiten bekämpfen. Wir halten es nicht für
richtig - und ich freue mich, dass Sie darauf Bezug
genommen haben -, wenn man den Präsidenten der
palästinensischen Behörde, Jassir Arafat, unter
Hausarrest stellt und heute noch fraglich ist, ob er am
arabischen Gipfel in Beirut teilnehmen kann. Es muss
doch sichergestellt werden, dass er an diesem Gipfel
teilnehmen kann. Wir haben ja beschlossen, Jassir Arafat
und Simon Peres ins Europäische Parlament einzuladen.
Wir wollen doch frei sein, diese Persönlichkeiten
einzuladen, und wir müssen auch sicher sein, dass sie
dann anschließend wieder nach Hause zurückkehren
können.
(Beifall von rechts)
Lassen Sie mich noch zwei Aspekte ansprechen, die
über Barcelona hinausführen. Erstens: Die Reform des
Rates. Herr Präsident des Europäischen Rates, Sie haben
im Januar gesagt, Sie sind für eine institutionelle
Arbeitsgruppe zwischen Rat, Kommission und
Parlament, und wir haben auch Äußerungen von Ihrer
Seite, dass dieses nun auch wirklich so geschehen soll.
Wir haben Informationen, dass das auf einer bestimmten
Ebene - nicht auf der politischen Ebene - unterbunden
werden soll. Wir möchten Sie ermutigen, diese
institutionelle Arbeitsgruppe auf politischer Ebene
umzusetzen, auch dadurch, dass der Präsident des
Parlaments durch ein Mitglied des Parlaments vertreten
wird, damit wir in Sevilla auch zu guten Ergebnissen
kommen. Wenn wir in Sevilla zu guten Ergebnissen
kommen, dann gereicht das der spanischen
Präsidentschaft und auch Ihnen persönlich zur Ehre. Das
ist unser aller Vorteil.
Unter Ihrem Vorsitz - und ich nehme an, des
Außenministers, aber Sie werden sicher auch dort sein wird am 21. und 22. April in Valencia die Tagung über
20/03/2002
den Mittelmeerdialog stattfinden. Ich komme gerade aus
Algerien zurück, und mein Eindruck ist: So sehr wir
nach Osten in die Beitrittsländer schauen müssen, so
sehr müssen wir auch nach Süden schauen, denn die
Entwicklungen in einigen Ländern des südlichen
Mittelmeerraumes sind so dramatisch, dass wir dort auch
einen Schwerpunkt unserer Politik setzen müssen. Wir
dürfen es nicht bei theoretischen, politischen
Erklärungen belassen, sondern wir brauchen eine breite
Kooperation in der Wirtschaft, im Finanzsektor und auch
zwischen den Völkern, die dran beteiligt sind. Ich
möchte Sie sehr ermutigen, dem Barcelona-Prozess im
Sinne des Mittelmeerdialogs große Aufmerksamkeit zu
schenken. Unsere Fraktion wird dabei sehr an Ihrer Seite
stehen, und wir wünschen Ihnen für die zweite Hälfte
Ihrer Präsidentschaft viel Erfolg! Wenn Sie dabei auch
ein Stück auf uns und die Kommission hören, dann bin
ich ganz sicher, dass es eine sehr erfolgreiche
Präsidentschaft sein wird. Viel Erfolg für die spanische
Präsidentschaft!
(Beifall von rechts)
3-016
Barón Crespo (PSE). – (ES) Herr Präsident, Herr
amtierender Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident,
meine Damen und Herren! Als erstes möchte ich im
Namen der Sozialistischen Fraktion unser Mitgefühl und
unsere Trauer angesichts der Ermordung von Professor
Biagi zum Ausdruck bringen, wie es auch das
Europäische Parlament getan hat. Wir verurteilen den
Terrorismus und diese feige Tat zutiefst, die dem
Gedanken der Freiheit und der europäischen Sache
zuwiderlaufen; sie dürfen nicht ungestraft bleiben.
Was das Gipfeltreffen von Barcelona angeht, Herr
amtierender Ratspräsident, so möchte ich da anfangen,
wo Sie aufgehört haben. Sie haben von der öffentlichen
Meinung gesprochen. Ich glaube, dass der Gipfel von
Barcelona, abgesehen davon, dass er die katalanische
Hauptstadt zu einer offenen und kosmopolitischen
Metropole Europas machte, einen häufig vorgebrachten
Einwand widerlegt: Es heißt immer, dass sich die Bürger
nicht für das interessieren, was wir tun. Mit dem Euro
und in Barcelona haben sie gezeigt, dass dies nicht wahr
ist. Hunderttausende von Menschen haben in Barcelona
friedlich demonstriert, und dies zeugt von ihrem
Interesse an unserer Arbeit in der Europäischen Union.
Es zeigt ferner: Das Schengener Abkommen muss nicht
ausgesetzt werden, denn die Menschen wissen, wie man
sich korrekt und angemessen verhält.
(Beifall)
Wenn ich mir den Inhalt des Gipfeltreffens ansehe,
glaube ich, dass der Europäische Rat von Barcelona den
Prozess von Lissabon wieder auf das rechte Gleis
gebracht hat. Und da Sie, Herr amtierender
Ratspräsident, momentan der Zugführer des Rats sind,
muss ich hervorheben, dass in meiner Fraktion größte
Besorgnis herrschte, der ganze Wagenzug könne
entgleisen, nachdem Sie verkündet hatten, Sie würden
sich im Hinblick auf das Gipfeltreffen von Barcelona mit
20/03/2002
15
der sozialistischen Mehrheit im Rat anlegen. Ich glaube,
unser Bemühen um Ausgewogenheit hilft uns allen in
einem Prozess, der das Gleichgewicht zwischen
Wachstum und Sozialschutz wahren muss, um
Vollbeschäftigung und eine nachhaltige Entwicklung
sicherzustellen.
Für uns ist die Kombination der einzelnen
Politikbereiche sehr wichtig. Wir halten die
Liberalisierung, die eine geregelte Deregulierung ist, für
sinnvoll, wenn sie bessere Dienstleistungen zu einem
besseren Preis anbietet. Aber dafür sind eine bessere
Regulierung und Überwachung erforderlich – in den
Schlussfolgerungen des Rates ist dies vorgesehen. Die
staatlichen Monopole dürfen nicht durch private
Monopole ersetzt werden. Und vor allem – und damit
wende ich mich an die Kommission – muss der
Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie verwirklicht
werden, der die Erbringung von Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse gewährleistet.
(Beifall)
Dies ist unseres
Wichtigkeit.
Erachtens
von
grundlegender
Was den Stabilitäts- und Wachstumspakt betrifft, so sind
wir für Wachstum. Aber warum überprüfen Sie diesen
Pakt nicht? Ich habe noch nie verstanden – und ich
glaube auch nicht, dass die Leute das verstehen –,
warum ein Land, dessen Defizit sich der Grenze von 3 %
nähert, bestraft werden muss. Dies hat nur zur Folge, das
dieses Land in noch größere Schwierigkeiten gerät. Ein
Pakt, der auf Anregung der deutschen Konservativen
geschaffen wurde, muss daher überarbeitet werden, um
wirklich sinnvoll zu sein.
(Beifall)
Angesichts dessen sind meines Erachtens auch auf dem
Arbeitsmarkt Reformen nötig. Ich möchte aber auf den
Stand der Richtlinie über die Regulierung der Arbeitszeit
hinweisen und einen positiven Umstand hervorheben,
nämlich das Netz der Kinderbetreuungseinrichtungen.
Ferner meine ich, dass die Frage des Rentenalters im
Verhältnis zur Überalterung der Bevölkerung in Europa
betrachtet werden muss.
Abschließend
noch
zwei
Punkte.
Erstens:
Nachdrückliche Unterstützung der Erklärung zum Nahen
Osten. Zweitens: Meine Fraktion versteht nicht, warum
der ECOFIN-Rat bei der Einrichtung einer EuropaMittelmeer-Bank mehr vermag als der Europäische Rat.
Ich denke, der ECOFIN-Rat muss sich dem
Europäischen Rat unterordnen und nicht umgekehrt ...
(Beifall)
… Und schließlich bitte ich den Präsidenten, die
Botschaft zu überbringen, dass wir angesichts von
Monterrey anfangen – und das meinen wir ernst – unsere
Hilfe zurückzufordern.
Ein letzter Punkt, Herr Präsident. Sie haben dem Rat
durch einen praxisorientierten und pragmatischen Dialog
ein Friedensangebot gemacht. Wir werden das in die
Realität umsetzen. Präsident Aznar hat sich im Januar
hier zu einer interinstitutionellen Vereinbarung über die
bessere Regulierung und das Gemeinschaftsrecht
verpflichtet. In den Schlussfolgerungen von Barcelona
finde ich diesen Punkt nicht. In Ziffer 19 wird der
phantasmagorische Mandelkern-Bericht erwähnt, und in
Ziffer 35 werden wir ersucht, auf einen Schlag acht
Richtlinien
über
die
Liberalisierung
der
Finanzdienstleistungen anzunehmen. Warum gehen wir
nicht darauf ein und schließen eine interinstitutionelle
Vereinbarung zur Verbesserung der europäischen
Gesetzgebung? Wir sind dazu bereit, nun hat der Rat das
Wort.
3-017
Watson (ELDR). – (EN) Herr Präsident, ich möchte
mich den Äußerungen der vorherigen Sprecher
bezüglich Herrn Marco Biagi anschließen.
Herr Präsident, ich gratulieren Ihnen zum Erfolg ihres
ersten Gipfeltreffens als Präsident unseres Parlaments.
Sie beabsichtigten, unser Parlament als einen
glaubwürdigen
und
zuverlässigen
Partner
im
interinstitutionellen Dialog zu etablieren und zu zeigen,
dass das Parlament die von Herrn Prodi angesprochene
„Umsetzungslücke“ geschlossen hat. Sie haben
bewundernswerterweise beide Punkte erfolgreich in die
Tat umgesetzt.
Herr Präsident des Rates, die Liberalen Demokraten
begrüßen die konkreten Errungenschaften von
Barcelona. Die Erhöhung der Entwicklungshilfe auf EUweit durchschnittlich 0,39 % des Bruttoinlandsprodukts
kann als positiver Schritt angesehen werden. Wenn die
Union außerdem den UN-Zielwert von 0,7 % des
Bruttoinlandsprodukts erreicht, dann werden wir den
Armen der Welt nicht mehr 100 Mrd. EUR an
Entwicklungshilfe pro Jahr vorenthalten. Wir begrüßen
außerdem, dass beim Gipfeltreffen besonderes
Augenmerk darauf gelegt wurde, Arbeit wieder
lohnenswert zu machen, die Steuerbelastung für
Niedriglohnempfänger zu verringern, sowie ein
Übereinkommen über die Energiebesteuerungsrichtlinie
zu
erzielen.
Wir
benötigen
ein
stärkeres
Wirtschaftswachstum, aber dies darf nicht auf Kosten
der Umwelt gehen, die wir für künftige Generationen
treuhänderisch verwalten.
Was den Nahen Osten anbelangt, so begrüßen wir die
Erklärung des Europäischen Rates. Wir fordern Israelis
und Palästinenser auf, neue Gespräche auf der
Grundlage der Resolution 1397 des UN-Sicherheitsrates
zu eröffnen, internationale Beobachter zu akzeptieren,
die Genfer Konvention einzuhalten und von Terrorismus
und wahlloser Gewalt Abstand zu nehmen.
Ich möchte auch dem Hohen Vertreter, Herrn Solana,
gratulieren, dass er eine Einigung zwischen Serbien und
Montenegro vermittelt hat – wahrhaft ein Novum für die
Diplomatie der Europäischen Union.
16
Der britische Premierminister Tony Blair beschrieb den
Barcelona-Gipfel als ein alles entscheidendes Ereignis.
Diese übertriebene Feststellung mag er inzwischen
bedauern, denn obwohl Barcelona zweifelsohne einen
Schritt vorwärts auf dem Weg zu Wirtschaftsreformen
darstellt, steht außer Frage, dass dieser Weg lang und
beschwerlich sein wird. Wir müssen dafür Sorge tragen,
dass sich die von Herrn Prodi festgestellte
Umsetzungslücke nicht in eine Glaubwürdigkeitslücke
verwandelt, wenn es der Rat nicht schafft, die Vielzahl
der auf den einzelnen Gipfeltreffen festgelegten
Zielvorgaben auch einzuhalten. Ein Beispiel für eine
solche Glaubwürdigkeitslücke ist das Teilabkommen
über die Liberalisierung der Energiemärkte. Werden wir
in den Augen unserer Bürger noch glaubwürdig
erscheinen, wenn wir Ihnen die Vorzüge einer freien
Lieferantenwahl
und
geringerer
Energiepreise
vorenthalten? Wir appellieren an den Rat, die Forderung
des Parlaments nach einer zweiten Phase der
Liberalisierung der Energiemärkte hinsichtlich der
Einbeziehung von Privatkunden bis 2005 zu
unterstützen.
Die Glaubwürdigkeit der EU steht auch im Bereich der
Finanzdienstleistungen
auf
dem
Spiel.
Der
Richtlinienentwurf über Rentenfonds, der vom
Parlament bei unserer ersten Lesung im Juli des
vergangen Jahres verabschiedet wurde, ist seither im Rat
blockiert.
Dies
ist
beispielhaft
für
eine
Umsetzungslücke, die vom Parlament geschlossen
wurde, wo jedoch mehr als nur freundliche Worte vom
Rat erforderlich sind. Der Rat beschäftigt sich zudem
auch mit anderen anspruchsvollen Vorhaben, wie der
Erzielung einer Einigung über das Gemeinschaftspatent
bis zum Mai und der Aufstellung eines Rahmens für das
öffentliche
Beschaffungswesen.
Wenn
die
Glaubwürdigkeit
dieser
Frühjahrsgipfel
zu
Wirtschaftsfragen nicht untergraben werden soll, dann
müssen sich die Premierminister zusammensetzen, um
dafür zu sorgen, dass ihre jeweiligen Minister bei diesen
Fragen Fortschritte erzielen.
Herr Präsident des Rates, wenn wir die Lücke zwischen
der Europäischen Union und ihren Bürgern schließen
wollen, dann erreicht man dies sicherlich nicht, indem
den Menschen das Recht auf Freizügigkeit entzogen
wird, insbesondere wenn diese Menschen ihr
demokratisches Recht auf Manifestierung ihres Protestes
ausüben möchten.
Zudem kann die EU ihren Bürgern nur näher gebracht
werden, indem der Transparenzprozess vorangetrieben
wird. Aus Randnummer 51 der Schlussfolgerungen geht
hervor, dass für eine größere Transparenz des
Rechtsetzungsprozesses Sorge getragen werden muss.
Dennoch sind bis Juni keine spezifischen Maßnahmen
vorgesehen und außerdem fallen laut dem Bericht des
Generalsekretärs
an
den
Rat
nur
solche
Rechtsdokumente unter Transparenz, bei denen der
jeweilige
Rechtsakt
im
Wege
des
Mitentscheidungsverfahrens verabschiedet wurde. Dies
verstößt gegen die von uns im vergangenen Jahr
20/03/2002
verabschiedete Verordnung über den Zugang zu
Dokumenten, wonach der Begriff Rechtsdokumente
wesentlich weiter auslegt wird. Sie sind mit der
Umsetzung bereits vier Monate im Verzug. Wir fordern
Sie auf, endlich damit zu beginnen.
Schließlich
wird
in
Randnummer
20
der
Schlussfolgerungen des Rates der Einsatz einer Gruppe
der Weisen vorgesehen. Ich frage mich, ob man in einer
Zeit, da Sie die Bedeutung der Beteiligung der Frauen
am Erwerbsleben anerkennen und Sie ihrer Sorge über
das Wohl der Frauen in Nigeria Ausdruck verleihen, für
diese Gruppe nicht eine Bezeichnung finden kann, die
Männer und Frauen gleichermaßen einschließt,
schließlich leben wir im dritten Millennium.
3-018
Frassoni (Verts/ALE). – (IT) Herr Präsident, als Erstes
möchte auch ich, gemeinsam mit meiner Fraktion,
Marco Biagi meine Ehrerbietung erweisen, der nach
Ezio Tarantelli und Massimo D'Antona der dritte
hochrangige Arbeitsrechtler ist, der in den letzten Jahren
ermordet wurde. Diese Männer suchten nach Wegen, um
den sozialen Dialog und den sozialen Zusammenhalt zu
verstärken bzw. wiederaufzunehmen: Das sind
gegenwärtig die Feinde der Terroristen, und wenn wir
heute über Barcelona diskutieren, dürfen wir das unter
keinen Umständen vergessen.
Der Europäische Rat in Barcelona hat einen nach
Ansicht meiner Fraktion seit langem bestehenden Trend
bestätigt, nämlich das Unvermögen derartiger Tagungen,
wichtige Fragen zu behandeln und schlüssige Leitlinien
vorzugeben. Ich denke zum Beispiel an das höchst
merkwürdige Schweigen in Bezug auf den Irak und
daran, dass nur wenige Worte über die Strategie der
nachhaltigen Entwicklung verloren wurden. Stattdessen
findet man zusehends Gefallen daran, sich mit
Problemen zu beschäftigen, die nicht unmittelbar der
Zuständigkeit des Europäischen Rates unterliegen, wie
etwa die Anzahl der Computer je Schüler, über welche
die Schulen in der Europäischen Union in den nächsten
Jahren verfügen sollen. Das ist Besorgnis erregend, auch
weil es immer mehr Verwirrung beim Bürger stiftet, der
nicht mehr unterscheiden kann, inwieweit diese
Schlussfolgerungen in Beschlüsse auf nationaler Ebene
umgesetzt werden, inwieweit sie den Institutionen der
Union, insbesondere dem Ministerrat, eine konkrete
Orientierung geben und inwieweit sie indessen rein
rhetorischen Wert haben und bei dem nachfolgenden
Gipfel oder während der nachfolgenden Präsidentschaft
regelmäßig vergessen werden.
Ich muss zugeben, auch wir sind dieser Verwirrung
anheim gefallen, als wir uns in Göteborg darüber
freuten, dass man endlich verstanden hatte, es gibt
keinen nachhaltigen Weg zu Entwicklung und
Wohlstand ohne einen integrierten Ansatz, der neben
den wirtschaftlichen auch die sozialen und die
Umweltaspekte berücksichtigt. Abgesehen von dem
kurzen Passus, in dem es um die nachhaltige
Entwicklung geht, finden die Umweltbelange in den
Schlussfolgerungen des Rates nur ein einziges Mal
20/03/2002
Erwähnung. Meiner Überzeugung nach gab es trotz der
positiven Atmosphäre und des positiven Geistes in
Barcelona keine Gesamtvorstellung darüber, in welche
Richtung die Wirtschaftsreformen vorangetrieben
werden müssen, um die Ziele von Lissabon und
Göteborg zu erreichen. Und dessen waren sich wohl
auch die 500 000 Demonstranten in vollem Umfang
bewusst.
Ich möchte noch etwas zur Frage der Liberalisierung
sagen, weil ich möchte, dass wir uns ein einziges Mal
von einer Standardideologie lösen und uns bewusst
machen, dass die Probleme gegenwärtig noch lösbar
sind. Der Missbrauch marktbeherrschender Stellungen
und die Verzerrung der Märkte zugunsten der
Kernenergie sind heute unsere Hauptprobleme. Wir
wissen nämlich sehr wohl, dass öffentliche Unternehmen
wie EDF, EON, und RVE den Markt verzerren, indem
sie andere europäische Unternehmen mit den Mitteln
aufkaufen, die sie durch die Bewirtschaftung nuklearer
Abfälle und die Demontage von Kraftwerken beiseite
gelegt haben. Andererseits wird der angestrebte
Elektrizitätsverbund zwischen Spanien und Frankreich
in Höhe von 10 Prozent absolut nichts an der
marktbeherrschenden Stellung von Endesa und
Iberdrola ändern, weshalb sich auch nicht viel für die
Verbraucher ändern wird.
Abschließend möchte ich dem Präsidenten Aznar, wenn
er mich hören kann, zwei konkrete Fragen zum
Nahostproblem stellen. Ich möchte gern wissen, warum
in dem Entschließungsentwurf zum Nahen Osten ein
Hinweis auf das vierte Genfer Abkommen zum Schutz
von Zivilpersonen in Kriegszeiten enthalten war, der
dann
in
der
Endfassung
der
betreffenden
Schlussfolgerungen gestrichen wurde. Ich würde gern
wissen, warum, denn ich glaube, dass das auch für unser
ganzes Parlament wichtig sein wird.
17
der öffentlichen und der Sozialausgaben und der
Lohnmäßigung; von der Flexibilisierung – oder anders
ausgedrückt – der Prekarisierung des Arbeitsmarktes.
Glauben Sie, dass unsere Mitbürger darin ihre Anliegen
erkennen? Wie bewerten Sie, Herr Ratspräsident, die
Fortschritte, die in den seit dem Gipfel von Lissabon
vergangenen zwei Jahren bei der Realisierung des
seinerzeit für 2010 angekündigten Zieles der
Vollbeschäftigung erreicht worden sind? Ist man auf
dem Wege, die Arbeitslosigkeit zu zügeln und die Armut
zu beseitigen? Warum haben Sie nicht die von der
Kommission selbst zu diesem Thema veröffentlichten
Zahlen genannt, z. B. dass in den Mitgliedstaaten trotz
Sozialtransfers 600 Millionen Menschen an der
Armutsgrenze leben? Und welche Schlussfolgerungen
ziehen Sie daraus? Wie steht es mit der Umsetzung der
in Nizza angenommenen Sozialagenda? Ich möchte dazu
gern Antworten bekommen, die über die sehr allgemein
gehaltenen Angaben in den Schlussfolgerungen des
Gipfeltreffens hinausgehen.
Meine zweite Anmerkung bezieht sich auf die Frage der
Daseinsvorsorge. Wir haben die an die Kommission
gerichtete Aufforderung, einen Vorschlag einer
Rahmenrichtlinie zu diesem Bereich zu erarbeiten, mit
Interesse zur Kenntnis genommen. Wir werden den
Inhalt und die tatsächliche Relevanz dieses Dokuments
aufmerksam prüfen. Zudem hat das Europäische
Parlament am 13. November 2001 gefordert, ich zitiere,
„eine genaue und vergleichende Bewertung der Qualität
der tatsächlichen Auswirkungen der Liberalisierung der
Leistungen der Daseinsvorsorge [vorzunehmen], bevor
neue Liberalisierungsmaßnahmen eingeleitet werden“.
Wie steht es mit dieser Untersuchung? Sie ist nicht
durchgeführt worden, und trotzdem haben Sie den
Liberalisierungsprozess weiter vorangetrieben. Ist daraus
der Schluss zu ziehen, dass Ihnen die ausdrücklichen
Forderungen der europäischen Abgeordneten und Bürger
gleichgültig sind?
3-019
Wurtz (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident, im Namen
meiner Fraktion schließe ich mich voll und ganz Ihren
zu Beginn der Sitzung gemachten Ausführungen an und
möchte auch meinerseits den verabscheuenswürdigen
terroristischen Anschlag in Italien vorbehaltlos
verurteilen.
Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Frau
Vizepräsidentin der Kommission! In gewisser Weise
sagen die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates
von Barcelona mehr über die Lage der Union aus als die
beste Rede zu diesem Thema. Ich möchte drei Beispiele
anführen, um dies zu verdeutlichen.
Auf dem jährlich stattfindenden Frühjahrsgipfel der
Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten wird
gewöhnlich die soziale Dimension des europäischen
Aufbauwerks in den Vordergrund gestellt. Was hat
Barcelona in dieser Hinsicht gebracht? Herr
Ratspräsident, Sie haben von der Entscheidung
gesprochen, das tatsächliche Rentenalter um fünf Jahre
anzuheben; von der feierlichen Verpflichtung zur
Einhaltung des Stabilitätspaktes, d. h. der Begrenzung
Um beim Elektrizitätssektor zu bleiben, glauben Sie,
keine Lehren aus dem Fiasko in Kalifornien oder der
Pleite von Enron ziehen zu müssen? Auch in Ihrem
eigenen Land, in Spanien, arbeiten bereits fünf private
Elektrizitätsgesellschaften. Die speziell in Barcelona
vorherrschende Gesellschaft war nicht in der Lage, ihre
Kunden voll zu beliefern, und so kam es im Dezember
letzten Jahres zu Stromausfällen in Katalonien. Der
Vorsitzende einer anderen spanischen Gesellschaft hat
vorausgesagt, man müsse sich künftig auf noch
Schlimmeres gefasst machen. Und zur Belohnung will
ihnen Ihre Regierung 7,8 Milliarden Euro aus spanischen
Steuergeldern zahlen, damit sie sich auf eine noch weiter
gehende Dereglementierung vorbereiten können. Stimmt
dies oder nicht, Herr Ratspräsident? Ist dies das
Konzept, mit dem Sie die Europäische Union zum
wettbewerbsfähigsten
und
dynamischsten
Wirtschaftsraum der Welt machen wollen, um den
hochtrabenden und etwas selbstgefälligen Ausdruck
aufzugreifen, der gegenwärtig in unseren Institutionen
Mode ist?
18
Und schließlich fanden vor, während und nach dem
Gipfel von Barcelona die von El País zu Recht als
größte Manifestation für eine anders geartete
Globalisierung bezeichneten Demonstrationen statt. Und
zwar, wie ich hinzufügen möchte, trotz der von Ihnen
durchgesetzten inakzeptablen Begrenzungen des Rechtes
auf Freizügigkeit für Hunderte von europäischen
Bürgern. In welcher Weise sind Sie, Herr Ratspräsident,
auf diese Forderungen eingegangen, die mit bisher
beispiellosem Nachdruck von unseren jeweiligen
Gesellschaften an die europäischen Spitzenpolitiker
gerichtet wurden? In Wirklichkeit lässt sich der
Leitspruch der Europäischen Union in Barcelona mit den
drei Worten zusammenfassen, mit denen Sie selbst
kürzlich auf einer Konferenz in El Estorial Ihre
Philosophie charakterisierten, nämlich „Liberalisierung,
Privatisierung, Wettbewerb“. Das ist sicherlich der
Traum eines jeden Geschäftsmannes oder Aktionärs,
aber keinesfalls der Masse unserer Mitbürger. Denn es
gibt nicht wenige, die an eine andere europäische
Zielsetzung glauben, die der Welt eine Alternative zu
der liberalen, rücksichtslosen, unerbittlichen Logik
eröffnet, die die gegenwärtige Globalisierung
charakterisiert. Wir, d. h. meine Fraktion und viele
andere,
sind
integraler
Bestandteil
der
bürgerschaftlichen,
von
Vereinigungen
und
Gewerkschaften getragenen Mobilisierung, die das neue
Merkmal der ganzen jetzigen Etappe darstellt. Auf ein
Neues in Sevilla.
3-020
Muscardini (UEN). – (IT) Herr Präsident, nach dem
Gipfel von Barcelona haben zwei Ereignisse nicht nur
Italien, sondern wegen ihrer Schwere auch Europa
erschüttert. Die Ermordung von Professor Marco Biagi
rückt das Terrorismusproblem wieder in den Mittelpunkt
der Debatte. Der tödliche und tragische Anschlag
erfolgte am Tag der Veröffentlichung eines Artikels von
Marco Biagi in der bedeutenden Finanzzeitschrift Il Sole
24 Ore, in dem der Autor auf brillante Weise die
Notwendigkeit analysierte, in Europa und in Italien
umgehend Reformen durchzuführen, die endlich die
Wiederankurbelung der Beschäftigung und die
Liberalisierung des Arbeitsmarktes ermöglichen, um
gegen das seit Jahren alle 15 Mitgliedstaaten plagende
Problem anzugehen: die millionenfache Arbeitslosigkeit
und die neue Armut.
Wir müssen uns energisch und mit klarem Kopf mit dem
Phänomen
des
Terrorismus
auseinandersetzen,
angefangen bei dem, bei dessen Anschlag – wie in New
York – Tausende von Menschen getötet werden, bis hin
zu dem, der einzelne Menschenleben auslöscht, denn der
Terrorismus ist eine ernsthafte Bedrohung nicht nur für
die Reformen, sondern für die Demokratie an sich. Die
Maßnahmen von Barcelona und die zahlreichen Signale
der spanischen Präsidentschaft zu einer verstärkten
Integration und einer umfassenderen Entwicklung der
Systeme der Information und Terrorismusbekämpfung
müssen umgehend vorangebracht werden, wobei wir
bekräftigen, dass zwar das Leben von Professor Biagi
ausgelöscht wurde, seine Ideen und Reformprojekte
jedoch in uns fortleben werden.
20/03/2002
Das zweite tragische Ereignis ist die Landung von fast
1 000 Kurden, darunter 360 von den Erwachsenen als
Schild benutzte Kinder, und die Präsenz weiterer
Schiffe, die nur darauf warten, ihre Passagiere auf
italienischem, d. h. europäischem Territorium an Land
zu bringen: weitere Tausende von verzweifelten
Menschen, unter denen sich auch Terroristen und
gemeine Verbrecher verbergen, die von diesem
epochalen Exodus profitieren. Diese Anlandungen
konfrontieren uns erneut mit dem brisanten Problem
einer Einwanderung, deren Ursachen nicht nur in der
Armut, sondern auch in der Duldsamkeit einiger
Regierungen und in den inhumanen Lebensbedingungen
einiger Regimes, die ihre Bevölkerung unter
menschenunwürdigen Bedingungen leben lassen, zu
suchen sind, sowie mit der Notwendigkeit, neue
Strategien und neue Methoden im Hinblick auf das
Verständnis von Kooperation festzulegen. Es kann
nämlich keine Kooperation mit jemandem geben, der
seine Grenzen nicht kontrolliert und sämtliche
Menschen- und Bürgerrechte verletzt.
Die Kommission und der Rat müssen dem EuropaMittelmeer-Dialog höchste Priorität beimessen, um
Wachstum, Beschäftigung und sozioökonomische
Strukturen, die besser mit der Marktwirtschaft vereinbar
sind, zu fördern. Wir betrachten den Rückgriff auf ein
begrenztes Finanzinstrument wie die EuropaMittelmeer-Investitionsfazilität als unzureichend, denn
es ist nunmehr unerlässlich, eine unabhängige und
finanzkräftige Mittelmeerbank zu schaffen.
Ebenso bekräftigen wir die Notwendigkeit, das Projekt
zur Stabilisierung des westlichen Balkan – einer Region
von entscheidender Bedeutung für Sicherheit und
Frieden – auf den Weg zu bringen. Wir fordern, dass die
vom Europäischen Rat in Feira im Jahr 2000
übernommenen Verpflichtungen, auch im Hinblick auf
die Beitritte, erfüllt werden. Wir heben hervor, dass nach
wie vor Engpässe in den Verkehrsnetzen einiger
Regionen, wie z. B. im Alpenraum, bestehen, welche die
effektive Wahrnehmung der Reisefreiheit verhindern
und
die
Funktionsweise
des
Binnenmarkts
beeinträchtigen.
Zu lange schon sind wir daran gewöhnt, nach jedem
Gipfel die Verkündung optimistischer Intentionen und
sorgloser Prognosen zu hören. Heute bestehen die
Voraussetzungen, um die besten Absichten zu
verwirklichen. Wir wollen nicht, dass der Optimismus,
wie so oft schon, in manierierten Pessimismus umschlägt
und die Prognosen durch die Realität widerlegt werden.
Wir wünschen der spanischen Regierung, die alle
Voraussetzungen für die Beantwortung dieser
dringenden Fragen besitzt, und uns allen, dass wir das,
was wir und die Bürger anstreben, nämlich Freiheit und
Gerechtigkeit, Demokratie und im Einklang mit der
Menschenwürde stehenden Fortschritt, erreichen.
3-021
Bonde (EDD). – (DA) Herr Präsident, das Gipfeltreffen
hat jetzt eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Reformen der
20/03/2002
Ratsarbeit zustande bringen soll. Das ist wirklich
überfällig. Heute werden 70 % aller Gesetze der EU von
Beamten in den Arbeitsgruppen des Rates beschlossen,
15 % vom Botschafterausschuss der Ständigen Vertreter
und 15 % erreichen den Ministerrat. Mir liegen keine
Angaben darüber vor, wie die Minister es sehen, aber ich
weiß, dass die legislative Gewalt den Wählern und
Volksvertretern gehört; in der EU ist sie aber von
Beamten und ihren wechselnden Ministern erobert
worden. Wir könnten unsere eigenen Minister
austauschen, aber wir können keine neuen Gesetze durch
unsere Stimmabgabe in Wahlen erreichen. Wenn uns ein
Gesetz nicht gefällt, kann es nur geändert werden, wenn
wir die Kommission zu einem Entwurf bewegen können,
dann kommt es im Rat hinter verschlossenen Türen in
der Regel zu einem Beschluss mit 62 von 87 Stimmen.
Das Europäische Parlament kann mit absoluter Mehrheit
einen Änderungsvorschlag verabschieden und ein Gesetz
im Vermittlungsverfahren ablehnen, aber es hat nicht die
legislative Gewalt bekommen, die man den Wählern und
unseren Volksvertretern in den Mitgliedstaaten
genommen hat. Es gibt noch immer ein demokratisches
Defizit, das ständig größer wird. Ich möchte
vorschlagen, dass jedes EU-Gesetz parallel in den
nationalen Parlamenten beraten wird. Das ist der Ort, wo
die Bürger Anteil nehmen können, dort beginnt die
Demokratie.
Die nächste Reform betrifft die Arbeit des Rates und die
Öffentlichkeit.
Gesetzesverhandlungen
müssen
öffentlich sein, wie dies in den nationalen Parlamenten
und im Europäischen Parlament der Fall ist. Auch die
Abstimmungen müssen öffentlich nachvollziehbar sein.
Volksvertreter müssen Zugang zu allen Dokumenten der
Arbeitsgruppen des Rates haben, und auch über den
Entwurf
des
Bürgerbeauftragten
für
eine
Verwaltungsreform könnte man sich Gedanken machen.
Bei den Verhandlungen über die Verordnung über den
Zugang der Öffentlichkeit zu amtlichen und
Verwaltungsdokumenten waren Deutschland, Frankreich
und Spanien die größten Gegner von mehr Offenheit.
Jetzt hat Aznar López die Möglichkeit, Spanien ein
anderes Image zu verschaffen. Das Gipfeltreffen in
Sevilla im Juni könnte als der Ort in die Geschichte
eingehen, an dem sich die EU ihren Bürgern wirklich
öffnet. Ich hoffe auch, dass dort der Versuch der großen
Länder zu Fall gebracht werden wird, die Präsidentschaft
in der EU zu erobern. Es dürfen keine
Gruppenpräsidentschaften gebildet werden, in denen
jedes der fünf großen Länder vier/fünf kleinere Staaten
in einer Gruppenpräsidentschaft um sich versammelt; es
besteht das Risiko, dass das große Land dominieren
wird. Auch kleine Länder müssen die gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik nach außen vertreten
können. Wir müssen als Zusammenarbeit selbständiger
Länder in Erscheinung treten, nicht als neuer Staat.
Wenn die großen Länder gemeinsam auftreten möchten,
müssen sie sich zu einem gemeinsamen Staat
zusammenschließen. Aber sie dürfen nicht die
Institutionen der Gemeinschaft dazu benutzen, die
kleineren Mitgliedstaaten an den Rand zu drängen.
19
3-022
Della Vedova (NI). – (IT) Herr Präsident, Professor
Marco Biagi berichtete in seinem letzten, gestern in der
Zeitschrift Il Sole 24 Ore erschienenen Leitartikel über
die Ergebnisse des Gipfels von Barcelona und forderte,
dass die Empfehlungen des Rates zu den
Arbeitsmarktreformen in den Mitgliedstaaten und
insbesondere in Italien mehr Gehör finden. Wegen seiner
Vorstellungen über die Flexibilität des Arbeitsmarktes
und die Reform der Sozialversicherung, wegen seiner
zur Verwirklichung dieser Vorstellungen den
Regierungen gegebenen Unterstützung wurde er
ermordet. Auf die Gewalt muss mit der rigorosen und
leidenschaftlichen Anwendung der Demokratie, ihrer
üblichen Regeln, ihrer Dialektik und ihres Potenzials
zum gewaltlosen Austragen von Konfrontationen und
Auseinandersetzungen reagiert werden. Ich kann jedoch
nicht umhin, zu kritisieren, dass sich in den vergangenen
Tagen in Italien Personen in verantwortungsvoller
Position und mit starker Medienpräsenz in Bezug auf die
von den europäischen Institutionen angestrebten und von
Marco Biagi konsequent verfochtenen Reformen zynisch
und demagogisch geäußert haben und von Unkultur,
Barbarei und Grundrechtsverletzungen sprachen.
Herr Ratspräsident, es besteht die Gefahr, dass Lissabon
zu einem Slogan wird, der bei jeder Gelegenheit
herhalten muss; vielleicht wäre es sogar besser, nicht
mehr davon zu sprechen, dass die europäischen Staatsund Regierungschefs vor zwei Jahren beschlossen
haben, die Union bis zum Jahr 2010 zum
wettbewerbsfähigsten
und
innovativsten
Wirtschaftsraum in der Welt zu machen, so als hätten
ihre Vorgänger vielleicht das Gegenteil bezweckt.
Meines Erachtens sollte nur über die Reformen und die
erreichten und nicht erreichten Ziele diskutiert werden.
Ich will die Beschlüsse des Gipfels von Barcelona nicht
schmälern, doch besteht nach wie vor das Risiko, neue
Prioritäten und neue Ziele festzulegen, während doch bei
den bereits bestehenden Vorhaben keine konkreten bzw.
nennenswerten Fortschritte erzielt werden. Ich spreche
natürlich
von
der
Liberalisierung
des
Elektrizitätsmarktes. Wir freuen uns zwar, dass wir
wirklich einige Schritte vorangekommen sind, doch
müssen wir vor allem unser Bedauern über das, was
nicht beschlossen wurde, bekunden, nämlich eine
vollständige Liberalisierung auch für die nicht
gewerblichen Kunden.
Deshalb müssen wir feststellen, dass zwar in Barcelona
wahrscheinlich das bestmögliche Ergebnis erreicht
worden ist, dieses Ergebnis jedoch unbefriedigend ist,
wenn unser Ziel darin besteht, die Wettbewerbsfähigkeit
der Union auf den internationalen Märkten und vor
allem gegenüber den Vereinigten Staaten zu erreichen.
Es muss mehr getan werden, das Tempo der Reformen
muss beschleunigt werden.
In
Bezug
auf
die
Koordinierung
der
Wirtschaftspolitiken, von der Kommissionspräsident
Prodi gesprochen hat, möchte ich mir selbst, ja allen,
und auch dem Ratspräsidenten in Erinnerung bringen,
dass Europa nicht so sehr koordinierte, sondern vielmehr
20
wirksame Wirtschaftspolitiken braucht, wobei diese
beiden Faktoren, wie die Geschichte lehrt, nicht immer
zusammenpassen.
3-023
Aznar López, Rat. – (ES) Vielen Dank, Herr Präsident.
Meine Damen und Herren Abgeordneten!
Ich möchte den verschiedenen Rednern danken, die hier
ihre Standpunkte und Beiträge zur Debatte über die
Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von
Barcelona vorgebracht haben.
Es scheint mir wichtig, zunächst auf eine Frage
einzugehen, die Sie alle angesprochen haben: den Kampf
gegen den Terrorismus, der, wie Sie wissen, im
Augenblick absoluten Vorrang hat; der spanische
Ratsvorsitz hat dies bereits unter Beweis gestellt. Dieser
Kampf soll oberste Priorität haben.
Ich hatte nach den Beschlüssen vom 11. September bei
einer Gelegenheit gesagt, dass die Europäische Union
sich der Lage gewachsen gezeigt hat, als sie im
Zusammenhang mit der Entwicklung des Kampfes
gegen den Terrorismus reagieren musste.
Ich glaube, in diesem Punkt wurden außerordentliche
Fortschritte erreicht, dies wäre vor wenigen Monaten
noch undenkbar gewesen. Nun ist es ja, leider, nicht
gerade der spanische Ratsvorsitz, der aufgefordert
werden muss, Maßnahmen zur Bekämpfung des
Terrorismus zu ergreifen. Es muss eine Anstrengung
sein, die von allen mitgetragen und aktiv unterstützt
wird. Diejenigen, die unter dem Terrorismus leiden,
müssen auf volles Verständnis rechnen können, wen es
auch immer treffen mag, ohne dass es eine
Rechtfertigung gibt. Es muss klar sein, dass alle
Terrorismen gleich sind, dass sie alle bekämpft werden
müssen. Sie müssen vernichtet werden, der Terrorismus
muss endgültig ausgerottet werden. Dafür stehen uns
ausreichende Instrumente zur Verfügung, die, sofern
nötig, vervollkommnet werden können.
Was den Europäischen Rat von Barcelona betrifft,
möchte ich auf die Frage bezüglich des Rates und seine
Begleitumstände
zu
sprechen
kommen.
Dem
Europäischen Rat von Barcelona als internationalem
Treffen gingen einige Treffen voraus, die berücksichtigt
werden mussten: die Konferenz von Seattle, der
Europäische Rat von Nizza und von Göteborg sowie das
Treffen von Genua.
Ich möchte daran erinnern, dass die Weltbank im Juni
2001 beschloss, eine Tagung abzusagen, die auf
Beschluss dieser Institution in Barcelona stattfinden
sollte. Neben dem Lob, das ich der Stadt Barcelona und
ihren
Bürgern
für
ihr
staatsbürgerliches
Verantwortungsbewusstsein und der großen Mehrheit
der Demonstranten in Barcelona für ihr friedliches
Verhalten aussprechen möchte, will ich aber darauf
hinweisen, dass es natürlich auch andere Gruppen gibt,
die nicht friedliebend sind und, dies muss man sagen,
keine pazifistischen Interessen haben, denen es nicht
20/03/2002
einmal darum geht zu demonstrieren, sondern die
meinen, sie könnten straflos Gewalttaten begehen.
Wenn Barcelona aus verschiedenen Gründen eine sehr
viel ruhigere Stadt war – obwohl 17 Angehörige der
spanischen Sicherheitskräfte verletzt wurden –, wenn die
Stadt auch viel ruhiger war als zu anderen Zeiten, so
liegt das daran, dass alle notwendigen Maßnahmen
ergriffen wurden. Dazu gehört u. a. auch, dass
diejenigen, die zu gewalttätigen Übergriffen mit allen
ihren Folgen in Barcelona bereit waren, daran gehindert
wurden, nach Barcelona zu gelangen. Dies ist ein Dienst,
der überall für die Bürger geleistet wird, und in diesem
Fall auch für die spanischen Bürger, die europäischen
Bürger und die demokratische Legitimität.
(Beifall)
Andererseits habe ich die Hoffnung und den Eindruck,
dass es in einer Demokratie zweifellos verschiedene
Formen gibt, sich mit den Notwendigkeiten, den
Bedürfnissen, den Bestrebungen und Zielen auseinander
zu setzen. Eine Form, an die ich besonders glaube, ist
die, die aus der demokratischen Legitimität der
gewählten Mandatsträger erwächst. Ich möchte ehrlich
und mit allem Respekt für jegliche Art von
Demonstration sagen, dass über Mehrheiten und
Minderheiten an den Wahlurnen von den wählenden
Bürgern entschieden wird. Und die Hunderttausenden
von Bürgern, die in Barcelona auf die Straße gingen,
verdienen ebenso viel Respekt wie die Millionen und
Abermillionen von europäischen Bürgern, die durch ihre
rechtmäßigen Vertreter
im Europäischen Rat
repräsentiert sind, die nirgendwo auf die Straße
gegangen sind, die die Debatten von Barcelona
aufmerksam verfolgt haben, und die in friedlicher Weise
hoffen, dass Europa gedeiht und auf dem Weg der
Reformen voranschreitet, der in Barcelona deutlich
wurde.
(Beifall)
Ob es neue Mehrheiten in Europa geben wird oder nicht,
werden die Bürger an den Urnen bestimmen. Ich hoffe,
dass dies allen bewusst ist und von allen akzeptiert wird.
Ich glaube, einer der wichtigsten Punkte von Barcelona
war es, sich dem Geist der Bürger angenähert zu haben.
Und wenn wir von den politischen Themen, den
Beschlüssen des Rates von Barcelona sprechen, muss
uns bewusst sein, dass sie alle direkte Auswirkungen für
die Bürger haben. Wenn wir über Verkehrswesen,
Energie oder Beschäftigung sprechen, und wenn wir
über Einsparungen, Investitionen oder Forschung oder
auch über Bildung diskutieren, sprechen wir immer über
die Bürger.
Zur Vollbeschäftigung – gibt es ein wichtigeres soziales
Anliegen als die Vollbeschäftigung? Offen gesagt, mich
stellen die Vollbeschäftigung und zwanzig Millionen
Arbeitsplätze in Europa eher zufrieden als Beihilfen. Ich
werde alles in meiner Macht Stehende tun, um die
Politik in allen europäischen Ländern und in der
20/03/2002
Europäischen Union auf die Verwirklichung des Ziels
der Vollbeschäftigung auszurichten. Was können wir
tun, um dieses Ziel zu erreichen? Einige Fragen sind hier
natürlich von grundlegender Bedeutung: einmal, die
vom Europäischen Rat von Lissabon vorgegebene
richtige Linie weiter zu verfolgen, d. h. die Strategie der
Reformen,
die
Strategie
der
Öffnung,
der
Liberalisierung. Dazu kommt natürlich das Ziel der
nachhaltigen Entwicklung.
Aber auch andere Fragen dürfen wir nicht vergessen,
zumal nicht in Zeiten der Erholung; die Stabilität und die
Stabilitätspolitik dürfen meines Erachtens nicht geändert
werden, diese Politik muss umgesetzt werden, weil sie
die Grundlage für eine Sanierung der Wirtschaft ist und
eine kräftigere und raschere wirtschaftliche Erholung in
diesen Ländern ermöglicht.
Eine vernünftige Haushaltsstabilität setzt voraus, dass
die Zinssätze überall niedrig sind, dass die
Inflationsraten möglichst gering sind und dass es bessere
Möglichkeiten für ein Wachstum und damit auch für die
Beschäftigung gibt. Wenn aber die Botschaft
ausgesendet wird, dass nichts geschieht, wenn das
Defizit die Grenze von 3 % erreicht, dann kann das
ebenso für eine Grenze von 5 % geltend gemacht
werden. Aber ich denke, es geschieht doch etwas, denn
es gehen Wachstumsmöglichkeiten verloren, es gehen
meines Erachtens Chancen für den Arbeitsmarkt und
Chancen für mehr Wohlstand von Unternehmen und
Familien verloren.
Das Gleiche gilt für die Politik der Liberalisierung, die
meines Erachtens sowohl den Unternehmen als auch den
privaten Haushalten im Rahmen des Möglichen mehr
Chancen einzuräumen. Ein staatliches Monopol durch
ein privates Monopol zu ersetzen, ist keine
Liberalisierung, sondern das Gegenteil davon. Das
Hauptproblem ist nicht der öffentliche oder private
Charakter, sondern das Monopol. Und die
Liberalisierung ist eben die Politik, die es ermöglicht,
den Monopolen ein Ende zu setzen, unabhängig davon,
ob das Ergebnis dieses Prozesses öffentlichen, privaten
oder Mischcharakter hat oder beide Formen
nebeneinander bestehen.
Was wir in Europa tun müssen, ist erstens, Monopole zu
verhindern, d. h. eine Liberalisierung mit allen
Konsequenzen durchzuführen. Dies wird zu besseren
Dienstleistungen führen, die weniger kosten, wenn wir
gleichzeitig den Stromverbund fördern, denn es kann
natürlich monopolistische Märkte geben, die den
Wettbewerb einschränken und auf denen es keinen
ausreichenden Stromverbund gibt.
In Spanien, das jemand von Ihnen als Beispiel anführte,
beträgt der Prozentsatz beim Stromverbund 3 %. Worauf
hat man sich geeinigt? Auf 10 %. Was bedeutet das?
Aus energiepolitischer Sicht ist ein außerordentlicher
Wandel notwendig. Zusammen mit der Liberalisierung
und dem Wettbewerb ist dies ein sinnvolles Ziel, von
dem ich hoffe, dass es für alle europäischen Bürger in
möglichst kurzer Zeit verwirklicht wird. Im Jahr 2004
21
wird der Stromverbund bereits 70 % des Marktes
ausmachen, und ich hoffe, es werden 100 % sein, wenn
wir vor der Frühjahrstagung des Europäischen Rates den
entsprechenden Beschluss fassen; genau so haben wir es
in Barcelona vereinbart.
Abschließend möchte ich sagen, dass wir, was den
Prozess, die Verpflichtung angeht, eine Ausgewogenheit
zwischen den drei Säulen der Strategie von Lissabon,
d. h.
Wirtschaftswachstum
und
Reformen,
Beschäftigung und nachhaltige Entwicklung, zu
erreichen, meines Erachtens recht zufrieden sein können.
Zu GALILEO und dem Nahen Osten wurden einige
Fragen aufgeworfen. Ich unterstütze die Erklärung zum
Nahen Osten uneingeschränkt. Es werden Entwürfe für
eine Erklärung vorgelegt, die von den Staats- und
Regierungschefs erörtert werden. Diese Entwürfe
werden in einem, in zwei oder in sieben Punkten
korrigiert. Auf Einzelheiten kann ich hier natürlich nicht
eingehen. Ich glaube, dass eine gute Erklärung zum
Nahen Osten entstanden ist. Sie hat im Hinblick auf die
derzeitige Lage in der Region Wirkung gezeigt und tut
dies immer noch. Wir hoffen, auch in nächster Zeit an
der Verbesserung der Lage mitwirken zu können.
Was die Institutionen angeht, meine Damen und Herren,
so wiederhole ich einfach meinen Standpunkt, den ich
hier im vergangenen Januar zum Ausdruck gebracht
habe. Ich möchte daran erinnern, dass für den 5. April
bereits eine Sitzung geplant ist, in der der Zugang des
Europäischen Parlaments zu vertraulichen Dokumenten,
der Zeithorizont und die Ziele der interinstitutionellen
Zusammenarbeit für die Verwaltungsvereinfachung
erörtert werden, und an der die spanischen
Staatssekretäre, der Generalsekretär des Parlaments, der
Generalsekretär
der
Kommission
und
die
Generalsekretäre der Fraktionen des Europäischen
Parlaments teilnehmen werden. Termin ist also der
5. April. In Übereinstimmung mit dem, was wir mit dem
Präsidenten des Europäischen Parlaments und dem
Kommissionspräsidenten vereinbart haben, glaube ich,
dass wir auch bei der Verbesserung der Beziehungen
zwischen den Institutionen Fortschritte erreichen
können, sobald diese Arbeiten abgeschlossen sind.
Ich möchte der Kommission noch einmal für ihre
Arbeiten und ihre Initiative sowie auch dem Parlament
für seine Unterstützung und sein Verständnis danken.
Vielen Dank, Herr Präsident.
3-024
Präsident. – Vielen Dank, Herr Aznar, dass Sie heute
bei uns waren und Bericht über den Gipfel von
Barcelona erstattet haben. Ich weiß, dass Sie jetzt
aufbrechen müssen, um nach Monterrey zu reisen. Ich
wünsche Ihnen im Namen des Europäischen Parlaments
viel Erfolg auf der Internationalen Konferenz über
Entwicklungsfinanzierung und bon voyage.
3-025
Galeote Quecedo (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, bei
den Frühjahrstagungen des Rates legen die Staats- und
Regierungschefs üblicherweise die Grundzüge für die
22
einzuschlagende Politik fest. Beim Europäischen Rat
von Lissabon wurden praktisch die Grundlagen für eine
bürgernahe Union und eine immer offenere und
dynamischere Wirtschaft geschaffen.
Dieses Ziel, in Europa die Vollbeschäftigung zu
erreichen und seine Wirtschaft bis 2010 zur
wettbewerbsfähigsten Wirtschaft der Welt zu machen,
wurde in Barcelona bekräftigt. Aber darüber hinaus
wurden am vergangenen Wochenende klare und
konkrete Beschlüsse gefasst, die es in der Praxis
erfordern, der Strategie zur Förderung einer stärkeren
Integration der Wirtschaft, einer Stärkung des sozialen
Zusammenhalts und eines vermehrten Wachstums von
Wirtschaft und Beschäftigung in der gesamten Union
einen entscheidenden Anstoß zu geben.
Die immer stärkere wechselseitige Abhängigkeit der
Weltwirtschaft und die Einführung des Euro im Januar
erforderten die Verabschiedung von Strukturreformen,
die das Parlament und natürlich auch meine Fraktion
während der letzten zwei Jahre in mehreren
Entschließungen verlangt haben. Daher begrüßen wir,
dass der Rat ein so breites Spektrum an Beschlüssen
gefasst hat. Dies spiegelt sich in der Vielzahl der
Themen wider, die von den einzelnen Fraktionen des
Parlaments bisher in dieser Debatte angesprochen
wurden und zu denen es fraglos konstruktive Beiträge
gab.
Aus den Beschlüssen von Barcelona möchte ich drei
hervorheben: Erstens konnte die Liberalisierung des
Energiesektors eingeleitet werden, indem festgelegt
wurde, dass Unternehmen im Jahr 2004 ihren
Energielieferanten frei wählen können. Wie die
Europäische Kommission halte auch ich es für wichtig,
dass diese Maßnahmen durch die Verpflichtung der
Mitgliedstaaten bekräftigt werden, für das Jahr 2005
einen Zielwert für den Elektrizitätsverbund in Höhe von
mindestens 10 % ihrer installierten Produktionskapazität
vorzusehen. Nun kann man sagen, man hätte weiter
gehen sollen, wie auch meine Fraktion es angestrebt
hatte. Sicher ist jedoch, dass die Liberalisierung nicht
länger blockiert wird, ein Ziel, von dem, ehrlich gesagt,
die wenigsten glaubten, dass es in Barcelona erreicht
würde. Dadurch entsteht zweifellos eine Dynamik, die,
dessen sind wir sicher, dazu führen wird, dass der
Prozess früher abgeschlossen ist, als es jetzt scheint.
Zweitens hat der Rat durch die Gründung eines
gemeinsamen Unternehmens und die Freigabe der
entsprechenden Haushaltsmittel beschlossen, das
Projekts des Navigationssatellitensystems GALILEO zu
billigen.
Und schließlich möchte ich die soziale Dimension dieses
Gipfeltreffens hervorheben, dem zum ersten Mal ein
Treffen mit Gewerkschaften und Arbeitgebern
vorausging. Hier ist jedoch Kontinuität erforderlich, um
den sozialen Dialog zu unterstützen.
In knapp zwei Monaten nach der Einführung des Euro
bietet sich uns also eine klare Chance, die
20/03/2002
wirtschaftlichen und sozialen Reformen voranzutreiben,
die der europäische Binnenmarkt erfordert.
In
Barcelona
hat
sich
gezeigt,
dass
die
Gemeinschaftsmethode und der interinstitutionelle
Dialog gut funktionieren. Und den Vorsitzenden der
Sozialistischen Fraktion sollte man daran erinnern, dass
der spanische Ratsvorsitz noch nicht einmal Halbzeit
hat.
Wir müssen nun zeigen, dass wir den Prozess der
Modernisierung und der Liberalisierung der Wirtschaft
unterstützen. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei
wird dies uneingeschränkt tun. Und ich freue mich,
feststellen zu können, dass auch andere diese
Vorstellungen unterstützen, die den Fortschritt unserer
Gemeinschaft sicherstellen – auch wenn sie hier
vielleicht das Gegenteil von dem behaupten, was sie in
ihren Heimatländern sagen.
Abschließend möchte ich auf das hinweisen, was
außerhalb der Tagung des Europäischen Rates geschah:
Das staatsbürgerliche Verantwortungsbewusstsein der
Einwohner von Barcelona und die Professionalität der
Sicherheitskräfte vereinigte sich mit der Friedfertigkeit
der überwältigenden Mehrheit der Tausenden von
Demonstranten, deren Rechte respektiert und gewahrt
wurden. Dies heißt natürlich nicht, dass ich ihre
Forderungen teile, denn die demokratische Legitimität
haben die im Rat versammelten Staats- und
Regierungschefs.
(Beifall)
3-026
Hughes (PSE). – (EN) Trotzdem sich im Rummel im
Vorfeld des Gipfels abzeichnete, dass die Tagesordnung
beträchtlich zugunsten des Neoliberalismus und
struktureller Reformen verzerrt werden würde, spiegeln
die Ergebnisse dennoch die wesentlichen Punkte des in
Lissabon festgelegten Policy-Mix wider, nämlich
gegenseitige Unterstützung bei Wirtschaftsreformen,
Vollbeschäftigung, sozialer Zusammenhalt und den in
Göteborg vereinbarten Aspekt der nachhaltigen
Entwicklung.
Das einzige Element, bei dem wir uns im Rahmen des
Gesamtgefüges
von
Barcelona
gern
eine
Weiterentwicklung gewünscht hätten, ist der Aspekt der
nachhaltigen Entwicklung. Wir sind der Auffassung,
dass er fest in unsere anderen politischen Schwerpunkte
eingebunden werden muss und nicht nur als ein bloßer
Zusatz betrachtet werden darf.
In Barcelona wurde natürlich auch die Frage der
Liberalisierung des Strom- und des Gasmarktes
behandelt. Ich möchte dahingehend auf zwei Punkte
eingehen. Erstens begrüßen wir im Rahmen der
Liberalisierungsdebatten die in Barcelona getroffenen
Kernentscheidungen, unseren Bürgern unionsweit im
Interesse des territorialen und sozialen Zusammenhalts
hochwertige öffentliche Dienstleistungen zu garantieren.
Zweitens darf unserer Ansicht nach Liberalisierung in
20/03/2002
Bereichen wie dem Energiesektor nicht als Selbstzweck
angesehen werden. Sie muss dazu genutzt werden, eine
bessere Qualität und nachhaltiges Wachstum zu
erreichen, den sozialen Zusammenhalt zu stärken und für
unsere Bürger bessere, preiswertere und effektivere
Dienstleistungen zu gewährleisten. Ministerpräsident
Aznar sprach über die Ziele der Zusammenschaltung.
Doch, soweit ich weiß, hat die Liberalisierung in
Spanien in zahlreichen Fällen zur Unterbrechung von
Leitungen und zu Stromausfällen in Madrid und anderen
Gebieten geführt. Genau das müssen wir jedoch
vermeiden. Die PPE und unsere Fraktion haben einen
Kompromisstext eingebracht, der in unserem Parlament
hoffentlich auf Zustimmung stoßen wird.
Ich möchte gern auf zwei weitere Punkte aus diesem
Text eingehen. Erstens ist unionsweit eine Stärkung der
Politik der Wirtschaftsinvestitionen erforderlich, um
öffentliche und private Investitionen als wesentliches
Element zur Belebung der Wirtschaft zu fördern.
Zweitens
muss
erkannt
werden,
dass
arbeitsmarktpolitische Reformen auf die Schaffung
qualitativ hochwertigerer Arbeitsplätze ausgerichtet
werden müssen, wobei besonderes Augenmerk auf die
Notwendigkeit umfangreicher Investitionen in die
Menschen und ihr Potenzial gelegt werden sollte. Diesen
Punkt betonte das Parlament auch im Bericht Bullmann.
Solche Investitionen müssen insbesondere in Bereichen
wie
allgemeine
Bildung,
Fortbildung
und
lebensbegleitendes Lernen getätigt werden.
Der Vorschlag, der heute von der Kommission bezüglich
der Arbeitnehmer von Zeitarbeitsfirmen angenommen
wurde, ist ein bedeutender Beitrag in dieser Hinsicht.
Dadurch wird ein ausgewogenes Gleichgewicht
zwischen Flexibilität für Unternehmen und ein gewisses
Maß an Sicherheit für die in diesen Unternehmen tätigen
Zeitarbeiter erreicht. Zudem wird auch eine
Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit erzielt
werden. Dies stellt daher einen sehr begrüßenswerten
Schritt dar. Die wesentlichen Punkte des Policy-Mix
werden aufrechterhalten und gleichzeitig skizziert die
uns vorliegende Kompromisslösung deutlich die
Schritte, die wir in den nächsten Wochen und Monaten
unternehmen müssen. Ich hoffe, dass das Parlament dem
zustimmen wird.
3-027
Clegg (ELDR). – (EN) Viele der Errungenschaften von
Barcelona sind natürlich begrüßenswert und ich schließe
mich denjenigen an, die die beträchtlichen
Anstrengungen des spanischen Ratsvorsitzes und der
Europäischen Kommission anerkannt haben, diese
Errungenschaften weiter auszubauen. Dennoch sollten
wir keinen Illusionen unterliegen: die Methode, mit der
diese Gipfel organisiert werden, ist nicht mehr tragbar.
Wir leiden alle unter „Gipfelitis“, einem Zustand völlig
übertriebener Erwartungen vor jedem Gipfel. Es muss
darauf hingewiesen werde, dass diese Situation durch
übertriebene Äußerungen in bestimmten Hauptstädten
der Europäischen Union nicht gerade entschärft wird,
wenn der Gipfel zum Beispiel als ein alles
entscheidendes Ereignis beschrieben wird. Diese
23
Erwartungen werden unweigerlich enttäuscht, wenn sie
auf die Realität des endlosen Feilschens im
Europäischen Rat stoßen. Dies schädigt die
Glaubwürdigkeit von uns allen.
Es ist nun endlich an der Zeit, die Illusion aufzugeben,
dass bei den jährlichen EU-Frühjahrsgipfeln die
Wettbewerbsfähigkeit
der
Europäischen
Union
sozusagen erfunden werden kann. Dadurch wird keine
Wettbewerbsfähigkeit geschaffen. Für die Schaffung von
Wettbewerbsfähigkeit ist ein viel prosaischerer Ansatz
notwendig. Das Lissabonner Ziel für 2002 erfordert
nicht etwa endlose symbolische und bildliche Rhetorik,
sondern kontinuierliche harte Arbeit und eine
aufeinander abgestimmte Herangehensweise auf vielen
politischen Gebieten.
Mein letzter Punkt: Wettbewerbsfähigkeit hat nicht nur
etwas damit zu tun, wie Initiativen gestartet werden oder
wie viele Ziele gesetzt werden. Es kommt auch darauf
an, wie die Rechtsakte und Verordnungen konzipiert und
angelegt sind, so dass sie auch die beabsichtigte
Wirkung zeigen. Viel zu oft bringen Richtlinien und
Verordnungen der EU Auswirkungen mit sich, die genau
im Widerspruch zu dem langfristigen Ziel der
Wettbewerbsfähigkeit stehen. Ich war erfreut, dass diese
Ansicht vorhin auch von Herrn Barón Crespo geäußert
wurde.
Ich
begrüße
Randnummer
19
der
Schlussfolgerungen des Gipfels von Barcelona und freue
mich auf den neuen interinstitutionellen Ansatz, der
hoffentlich regelmäßige Folgenabschätzungsverfahren
zur Arbeit aller Organe der Europäischen Union
einleiten wird. Wir freuen uns auf diese Initiative auf
dem Gipfel in Sevilla.
3-028
Mayol i Raynal (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident,
Ministerpräsident Aznar hat eine schmeichelhafte Bilanz
von Barcelona gezogen. Ich teile seine Einschätzung
nicht. Diese Konferenz war weder in ihrer Form noch in
ihrem Inhalt der katalanischen Hauptstadt würdig. Was
die Form betrifft, so war die Stadt mehrere Tage lang
äußerst beeinträchtigt durch Verkehrsstörungen, durch
ein Klima der Unsicherheit, durch die massive Präsenz
von
Sicherheitskräften.
Katalonien,
eine
der
europafreundlichsten
Nationen
Europas,
ist
herabgewürdigt worden. So sind Sie, Herr Präsident,
vom Rat empfangen worden, der Präsident Kataloniens
jedoch nicht. Dies ist bedauerlich. Ich denke jedoch,
meine
Landsleute
werden
die
erforderlichen
Schlussfolgerungen daraus ziehen.
Um anerkannt zu werden, müssen wir auf demokratische
Weise die Republik Katalonien gründen und als
gleichberechtigtes Mitglied in die Union eintreten. Der
kapitalistische Eifer von Herrn Aznar ist durch seine
Kollegen, die sich in Kürze allgemeinen Wahlen stellen
müssen, etwas gedämpft worden. Trotzdem geht die
Zerschlagung der öffentlichen Unternehmen weiter, was
– ob man nun will oder nicht – die Beseitigung der
Leistungen der Daseinsvorsorge bedeutet. Die
Durchschnittsdauer des Arbeitslebens soll um fünf Jahre
erhöht werden. Um ältere Arbeitnehmer am Arbeitsplatz
24
zu halten, werden junge Arbeitslose geopfert. Die
Leitbegriffe der europäischen Beschäftigungspolitik sind
Flexibilität und Mobilität. Es wird den Arbeitgebern
überlassen, die Umstrukturierungen möglichst human zu
gestalten, soweit dies überhaupt möglich ist. Die
Ergebnisse dieser Politik sind Unsicherheit für alle,
Stress, Verschlechterung der zwischenmenschlichen
Beziehungen, Gewalt und vielleicht in Zukunft eine
argentinische Tragödie im Maßstab des Kontinents.
Wenn ich die Sterne unserer Flagge betrachte, dann sehe
ich ein anderes Europa, ein brüderliches Europa der
Kultur, der Solidarität, des Austauschs, der Hingabe.
Dies ist das Europa der Hunderttausende Demonstranten
von Barcelona. Dies ist das Europa von morgen.
3-029
Jové Peres (GUE/NGL). – (ES) Herr Präsident, Herr
Ratspräsident, meine Damen und Herren Abgeordneten!
Über die Bedeutung des Europäischen Rats von
Barcelona sind wir uns einig. Keine Einigkeit besteht
jedoch offensichtlich bei der Bewertung seiner Folgen,
wie dies die friedlichen Massendemonstrationen zeigten,
bei denen ein sozialeres Europa gefordert wurde.
Der Ratsvorsitz stellt Barcelona als Weiterführung von
Lissabon
dar
und
sagt,
er
wolle
die
Wettbewerbsfähigkeit
durch
Reformen
des
Sozialschutzes und Liberalisierungen erreichen. Beide
Ansätze stellen das europäische Sozialmodell in Frage
und ignorieren, dass in Lissabon ein anhaltendes
Wachstum des BIP von 3 % für nötig gehalten wurde,
um im Jahr 2010 die Vollbeschäftigung zu erreichen.
Den Prognosen zufolge wird das BIP 2002 jedoch 1,3 %
betragen und die Beschäftigung um 0,2 % wachsen, so
dass die Arbeitslosigkeit in der Gemeinschaft zunehmen
wird. Es reicht nicht, dass in den Schlussfolgerungen des
Ratsvorsitzes erklärt wird, dass es nach dem steilen
Wirtschaftsabschwung 2001 nun weltweit erste
Anzeichen für eine allgemeine Erholung gibt.
Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes trägt zusammen
mit einer Zurückhaltung bei den Löhnen zu einem
Rückgang des Sozialprodukts bei, schafft instabile
Arbeitsverhältnisse und führt zu Ausgrenzung und
Unterbeschäftigung. Überdies wird vorgeschlagen, die
Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu reduzieren, womit
den Arbeitslosen die Schuld für ihre Situation gegeben
wird. Weitere Vorschläge gehen dahin, die Lohnkosten
zu senken, das Rentenalter heraufzusetzen und die
Möglichkeit des Vorruhestands einzuschränken. Durch
diese politischen Maßnahmen entfernen wir uns meiner
Ansicht nach vom Ziel der Vollbeschäftigung, das die
Union angeblich anstrebt und für dessen Verwirklichung
stabile, rechtlich abgesicherte und qualitativ hochwertige
Arbeitsplätze erforderlich sind.
Durch die starre Auslegung des Stabilitätspakts kann bei
Erreichung eines übermäßigen Defizits nicht einmal die
öffentliche Investitionstätigkeit aufrechterhalten werden.
Dies wäre jedoch eine vernünftige Vorgehensweise,
damit die Union in Anbetracht der derzeitigen
ungewissen Wirtschaftslage, der Erfordernisse, die sich
20/03/2002
aus der Erweiterung ergeben bzw. des erklärten Ziels,
die allgemeinen Anstrengungen in den Bereichen F+E
und Innovation zu erhöhen, zu einem ausreichenden
Investitionsniveau zurückfindet. Die Europäische Union
braucht einen Pakt für Wachstum und Beschäftigung,
der die reale Integration der europäischen Wirtschaft
verstärkt.
Der spanische Ratsvorsitz wollte die Liberalisierung der
Energie- und Verkehrsmärkte vorantreiben. Auch wenn
er seine Ziele beim Gipfeltreffen herunterschrauben
musste, ist es doch nicht sinnvoll, dass die Europäische
Union diese Prozesse der Liberalisierung angeht, ohne
zuvor die Probleme zu untersuchen, die bei der ersten
Deregulierungswelle aufgetaucht sind. Der Europäische
Rat von Barcelona hätte die derzeitige Lage der
öffentlichen Versorgungsleistungen und der Dienste von
allgemeinem Interesse prüfen sollen, bevor neue
Maßnahmen beschlossen wurden.
Dass
die
Liberalisierung
die
Qualität
der
Dienstleistungen verbessert und die Preise senkt, wurde
zum wissenschaftlichen Dogma erhoben. Es gibt jedoch
zahlreiche Gegenbeispiele: der Strommarkt in Spanien,
der Schienenverkehr und das Gesundheitswesen in
Großbritannien.
Für uns ist es wichtig, den Gedanken der öffentlichen
Versorgungsdienste im europäischen Einigungsprozess
wiederzubeleben und eine Debatte über die
Eigenschaften und Ziele der Dienste von allgemeinem
Interesse zu unterstützen. Uns bleibt die Erkenntnis von
Barcelona, dass „die in Artikel 16 des Vertrags
niedergelegten Grundsätze für die Dienste von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse mittels eines
Vorschlags für eine Rahmenrichtlinie konsolidiert und
präzisiert werden können.“
In Barcelona gab es aber auch einige positive
Entwicklungen, wie die Krankenversicherungskarte, den
Start von GALILEO – sofern es unter ziviler Kontrolle
bleibt –, den Standpunkt zu Gibraltar, die – wenn auch
unzureichenden – Erklärungen zum Nahen Osten und
die Entwicklungshilfe.
Die Außenpolitik weist indes besorgniserregende
Lücken auf. Der Europäische Rat hat zwei wichtige
Fragen nicht behandelt: Die von den Vereinigten Staaten
bekundete Absicht eines möglichen Einsatzes von
Atomwaffen und ihre Drohung mit einem unmittelbar
bevorstehenden Angriff auf den Irak. Es ist
unverständlich, dass der Europäische Rat den Hohen
Vertreter für die GASP nicht beauftragt hat, die nötigen
Schritte gegenüber den Vereinigten Staaten zu
unternehmen, damit diese nicht weitere Spannungen in
der Welt auslösen, sondern ihre Strategie ändern und so
die Gefahr einer Nuklearisierung der Welt bannen.
Zusammenfassend möchte ich sagen, dass unsere
Fraktion den Europäischen Rat aus den dargelegten
Gründen als nicht zufriedenstellend bewertet.
3-030
20/03/2002
Segni (UEN). – (IT) Herr Präsident, ich habe mich in
dieser Aussprache als Vertreter einer weit entfernten,
inmitten des Mittelmeers gelegenen Region, nämlich
Sardinien, zu Wort gemeldet, und zwar aufgrund von
Problemen, die ein größeres Gebiet, d. h. ganz
Süditalien, betreffen; gleichwohl werde ich über Dinge
sprechen, die meines Erachtens im objektiven Interesse
der Gemeinschaft liegen, und nicht nur einem legitimen
Anliegen einiger Bürger bzw. einiger besonders
gefährdeter Bevölkerungsgruppen in der Union der
Fünfzehn entsprechen.
Es geht um das Mittelmeerproblem. Die nächste,
begrüßenswerte und von uns allen befürwortete
Erweiterung wird objektiv zu einer Verstärkung der
nördlichen Dimension der Europäischen Gemeinschaft
führen – sowohl in der Praxis als auch auf der
Landkarte. Wir fordern nicht, dass dieser Prozess
gestoppt wird, doch verlangen wir, dass die auf den
Mittelmeerraum und auf den Süden gerichtete Politik
energisch wiederaufgenommen wird. Wir fordern dies
im Namen von Regionen und Völkern, die stets einen
großen Beitrag zur Entwicklung der Europäischen Union
geleistet haben; die an die Union glauben; die
weitermachen wollen und die ganz einfach verlangen,
dass sie gleichberechtigt mit den anderen an einer
ausgewogenen Entwicklung teilhaben können. Ich
erhebe diese Forderung speziell heute, weil es, unter
anderem im Hinblick auf die nächsten Monat
stattfindende
Europa-Mittelmeer-Konferenz,
ein
Vorhaben gibt, was meiner Region und, wie ich glaube,
vielen anderen südlichen Regionen auch besonders am
Herzen liegt, nämlich das Projekt einer Erdgasleitung,
die von Algerien über Sardinien und Korsika bis auf das
europäische Festland führen soll. Wir haben dieses
Projekt bereits der Kommissarin, Frau de Palacio,
vorgelegt, die heute hier anwesend ist und die ich
begrüßen möchte; ein Projekt, über das die Kommission
bereits informiert ist, das von der italienischen
Regierung in Form einer ersten Finanzierung schon
bewilligt wurde. Sie können mir glauben, verehrte
Kolleginnen und Kollegen – Sie, Frau Kommissarin,
sind sich dessen wohl bewusst, und Sie, die Vertreter
Spaniens, sind ebenfalls mit diesen Problemen vertraut –
, dass dieses Projekt im Rahmen der großen EUMittelmeerpolitik eine besondere Bedeutung hat. Europa
ist nicht nur Nordeuropa, sondern auch das Europa der
Mittelmeervölker.
3-031
Blokland (EDD). – (NL) Herr Präsident! Es ist schon
bemerkenswert, dass vor einem europäischen
Gipfeltreffen von Staats- und Regierungschefs sowie
Ministern ausgiebig darüber gesprochen wird, was auf
dem Gipfel beschlossen werden soll. Diesmal sollte es
ein Europäischer Rat werden, bei dem alte Zielsetzungen
mit neuem Leben erfüllt werden.
Eine dieser alten Zielvorgaben ist beispielsweise die
Einbeziehung der Umwelt in die sozioökonomische
Politik. In der Abschlusserklärung des Gipfels von
Barcelona
wird
das
Gleichgewicht
zwischen
Wirtschafts- und Sozialpolitik erneut hervorgehoben.
25
Das ist begrüßenswert, ein Punkt allerdings fehlt: Zur
Integration der Umwelt wird in den Schlussfolgerungen
kaum etwas gesagt. Es werden zwar zahlreiche konkrete
wirtschaftliche Ziele genannt, den Auswirkungen des
Wirtschaftswachstums auf die Umwelt wird aber zu
wenig Aufmerksamkeit gewidmet.
Erfreulicherweise
wird
aber
in
Sachen
Energiebesteuerung
etwas
unternommen.
Die
Energiesteuer kann zu einem verantwortungsbewussten
Umgang mit Energie und einer Reduzierung der CO2Emissionen beitragen. Die Nutzung wirtschaftlicher
Instrumente als Anreiz zu einem effizienteren
Energieverbrauch findet meine volle Unterstützung.
Bezüglich des Beschlusses, eine Energiebesteuerung
einzuführen, möchte ich jedoch Frau Kommissarin
Loyola de Palacio fragen, welchen Einfluss eine
Energieabgabe ihrer Ansicht nach auf den Handel mit
CO2-Emissionsrechten haben wird.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Auf dem
Europäischen Rat wurden Schritte nach vorne gemacht,
es wurden Fortschritte erzielt. Es war jedoch kein Gipfel
über politische Leitlinien, obwohl das der Fall hätte sein
müssen. Von den Staats- und Regierungschefs darf
erwartet werden, dass sie die Konturen für die Zukunft
Europas abstecken. Das Erörtern von Details, so wichtig
sie auch sein mögen, gehört nicht auf ein Gipfeltreffen.
Kurzum, es gibt zu viele Europäische Räte und zu wenig
Leitlinien.
3-032
Gorostiaga Atxalandabaso (NI). – (EN) Herr Präsident,
der Abschlussbericht des amtierenden Ratsvorsitzenden
zur Tagung des Europäischen Rates in Barcelona macht
einen ziemlich betrüblichen Eindruck. Das Konzept von
Herrn Aznar für die Schaffung eines flexibleren
Arbeitsmarktes stellt einen enthusiastischen Nachruf auf
das europäische Sozialmodell dar.
In Wirklichkeit schickte die spanische Regierung die
Polizei in so großer Zahl mit der Entschuldigung auf die
Straßen von Barcelona, dass es Batasuna auf Gewalt
zwischen
der
Polizei
und
demonstrierenden
Globalisierungsgegnern angelegt hätte. Glücklicherweise
war Herrn Aznar kein Erfolg beschert. Der grundlegende
Widerspruch, der uns allen in Barcelona vor Augen
geführt wurde, bestand zwischen dem als Festung
ausgebauten
Ghetto
des
Ratsvorsitzes
und
Hunderttausenden von normalen Menschen, die in den
Straßen von Barcelona demonstrierten.
Schließlich, Herr Präsident, möchte ich der Familie von
Herrn Professor Marco Biagi, mit dem ich persönlich
bekannt war, mein Beileid aussprechen.
3-033
Salafranca Sánchez-Neyra (PPE-DE). – (ES) Herr
Präsident, ich glaube, in dieser Aussprache geht es
weniger darum, Loblieder zu singen oder Mängel zu
vertuschen, sondern die Ergebnisse von Barcelona
möglichst objektiv zu bewerten.
26
In Barcelona wurde meiner Meinung nach ein
vernünftiges
Gleichgewicht
zwischen
Wünschenswertem und Möglichem erreicht. Die
Europäische Union konnte somit sowohl im Hinblick auf
ihre interne Dimension als auch auf ihr Bild nach außen
Fortschritte machen. Es wurde eine Reihe von
Beschlüssen in sehr wichtigen Bereichen gefasst, so zum
Beispiel im Bereich der Infrastrukturen. Es ist klar, dass
es kein geeintes Europa geben kann, wenn nicht gerade
bei den Infrastrukturen Verbesserungen vorgenommen
werden, nicht zuletzt deswegen, weil die Integration der
Märkte nicht nur eine politische oder rechtliche, sondern
vor allem eine physische Bedeutung hat.
Heute, da so viel über immer schnellere Veränderungen
und über die Herausforderungen eines Europas im
Wandel gesprochen wird, muss meines Erachtens eine
Rangfolge für das festgelegt werden, was warten kann
und was nicht warten kann. Zu diesen dringlichen
Fragen, die nicht warten können, gehören die
Infrastrukturen, denn da es sich dabei um ein inertes
System handelt, sind die angestauten Verzögerungen
absolut nicht wieder aufzuholen.
Dies gilt auch für den sozialen Dialog. Ich glaube, wenn
es um Ideen geht, spielt die Couleur keine Rolle. Wenn
ich von Ideen spreche, meine ich damit natürlich nicht
die Äußerungen von Herrn Gorostiaga, der in diesem
Parlament als Sprecher der Terroristenbande der ETA
fungiert und der sein Beileid auch den Opfern derjenigen
aussprechen sollte, deren Ansichten er hier vertritt.
Ich sagte, im Bereich der Ideen zählt nicht die politische
Couleur, sondern es geht darum, ob sie richtig oder
falsch sind. Niemand wird heute wohl sagen, je flexibler
ein System, desto geringer die Arbeitslosigkeit. Was sich
mit aller Bestimmtheit sagen lässt, ist, dass keine Gruppe
und keine Person im sozialen Bereich eine
Monopolstellung haben kann, denn der wahre soziale
Charakter einer Politik zeigt sich in den
Arbeitslosenzahlen sowie der Quantität und der Qualität
der Dienstleistungen, die der Staat für seine Bürger
erbringt. Daher überlassen wir die Utopie, ein
Sozialparadies über wirtschaftlichen Friedhöfen zu
errichten, lieber anderen Fraktionen.
Nur prosperierende Gesellschaften können die sozialen
Bedürfnisse der Bevölkerung wirklich erfüllen. In
diesem Zusammenhang ist zu sagen, dass Reformen
durchgeführt werden müssen, um das Wesentliche des
europäischen Sozialmodells zu erhalten. Es darf nicht
vergessen werden, dass die Produktivität und die
Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaften absolut
notwendig sind, um diesen Prozess voranzubringen.
Wettbewerbsfähigkeit und Protektionismus sind nicht
miteinander vereinbar.
Die Wirtschaftsgeschichte der Völker zeigt deutlich,
dass Mauern und Protektionismus die Leistungsfähigkeit
ersticken und Armut hervorrufen. Der Fall der Berliner
Mauer zeigt klar, was wir unter der Oberfläche
vorfinden. Daher möchte ich die Schlussfolgerungen von
Barcelona als einen Weg begrüßen, um die
20/03/2002
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft
wiederzuerlangen, die mit der Grundschule anfängt. So
können wir das Wachstum ankurbeln und das dringende
Problem der Arbeitslosigkeit lösen. Daher danke ich,
dankt meine Fraktion der Kommission und natürlich
dem amtierenden Ratvorsitz der Europäischen Union für
ihre Bemühungen.
(Beifall)
3-034
Der Präsident. – Herr Gorostiaga, ich stelle fest, dass
Sie eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung haben.
Wenn Sie eine persönliche Erklärung abgeben möchten,
haben Sie gemäß Artikel 122 der Geschäftsordnung dazu
am Ende dieser Aussprache Gelegenheit.
3-035
Poos (PSE). – (FR) Herr Präsident, die Erklärung von
Barcelona zum Nahen Osten ist ein erster Versuch des
Europäischen Rates, die Sprache der leeren Phrasen und
den falschen Grundsatz der Äquidistanz zu überwinden,
der bisher für die Gemeinsamen Standpunkte des Rates
kennzeichnend war. Der Weg dazu war bereits durch die
Entschließung des Europäischen Parlaments vom
Februar 2001 und durch die Resolution 13/97 des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen eröffnet worden.
Gleichzeitig ist festzustellen, dass die Befürworter des
Friedens in Israel selbst wieder den Kopf erheben. Ich
begrüße daher, dass unser Ausschuss für auswärtige
Angelegenheiten gestern beschlossen hat, Yossi Beilin
und Abed Rabbo, die beiden Hauptvertreter der
Friedenskoalition,
einzuladen.
Angesichts
der
unerbittlichen und beispiellosen Eskalation der Gewalt
in den letzten Wochen war es in der Tat höchste Zeit, zu
einer konkreteren Sprache zu finden und nicht nur die
palästinensischen Selbstmordattentate anzuklagen, die
auch wir verurteilen, sondern ebenfalls die
Provokationen, die Zerstörungen, die außerjustiziellen
Hinrichtungen, die übermäßige Gewaltanwendung sowie
die Isolierungsmaßnahmen der Regierung Scharon
gegenüber den Palästinensern.
Bei einem kürzlichen Aufenthalt in Ramallah haben sich
zwei Kollegen meiner Fraktion, Herr Menéndez und
Herr Sakellariou, mit eigenen Augen von den
unhaltbaren Lebensbedingungen der Palästinenser
überzeugen können. Doch was ich als europäische
Kehrtwende bezeichnen würde, besteht nicht in der
ausdrücklichen Verurteilung der Verletzungen des
internationalen Rechts, insbesondere der vierten Genfer
Konvention, durch Israel, sondern in der Ablehnung der
Politik der hundertprozentigen Sicherheit, die Ariel
Scharon seit seiner Wahl mit dem allseits bekannten
Erfolg betrieben hat.
Ich zitiere hier den Satz, der mir ausschlaggebend dafür
zu sein scheint, um eine Lösung für die gegenwärtige
Situation zu finden: „Es [ist] unumgänglich, den
Sicherheitsaspekt sowie den politischen und den
wirtschaftlichen
Aspekt
als
untrennbare
und
unauflösliche Elemente eines einzigen Prozesses zu
behandeln.“ Das politische Element, das die Europäische
Union mit Nachdruck hervorheben sollte, ist der
20/03/2002
Rückzug der israelischen Besatzungsarmee hinter die
international anerkannten Grenzen, d. h. die von 1967.
Doch leider hält nicht Yasser Arafat die Schlüssel in der
Hand, um den Albtraum zu beenden, sondern Ariel
Scharon. Sollte die Regierung Scharon jedoch gegen
jedes Erwarten und unter Missachtung der Ratschläge
der gesamten internationalen Gemeinschaft weiterhin
eine militärische Lösung des Konflikts anstreben, dann,
Herr Ratspräsident, müsste die Europäische Union das
mit
Israel
geschlossene
Assoziationsabkommen
aussetzen, da in diesem Fall eine seiner wesentlichen
Voraussetzungen nicht mehr erfüllt wäre. Weiterhin bin
ich der Meinung, dass die Union Ariel Scharon die
Rechnung für die von den europäischen Steuerzahlern
finanzierten und von seiner Armee bewusst zerstörten
Investitionen präsentieren sollte.
27
Gewerkschaften und Umwelt-NRO, der Europäischen
Umweltagentur und der sozialen Plattform stattfand.
Nachhaltige Entwicklung hätte auch das Thema dieses
Europäischen Rates sein müssen. Auf der NROKonferenz herrschte – wie soeben auch von Herrn
Blokland ausgeführt wurde – große Enttäuschung
darüber, dass hinsichtlich der Integration der
Wirtschafts-, der Sozial- und vor allem auch der
Umweltpolitik im Grunde genommen kaum Fortschritte
erzielt worden sind. Auf dem Gipfel von Laeken sind
zwar einige strukturelle Indikatoren im Umweltbereich
genannt, die Integration ist jedoch nicht explizit
angesprochen worden. Wenn von einem Wachstum von
3 % oder einem ähnlichen Wert geredet wird, bedeutet
das noch nicht, es gehe um langfristiges nachhaltiges
Wachstum. Das ist eines unserer Probleme.
3-036
Caveri (ELDR). – (IT) Herr Präsident, es ist ziemlich
kurios, wie wir so kurz nach den Gipfeltreffen die
Dokumente des Rates auseinander pflücken. Auch ich
tue das, wobei ich mein besonderes Augenmerk auf den
Verkehrssektor richte, wo ich bemerkenswerte Dinge
erkenne: den einheitlichen Luftraum, den GibraltarProzess, das „Eisenbahnpaket“, GALILEO; alles in
allem also eine Reihe interessanter und guter
Nachrichten. Dennoch mache ich mir Sorgen, wenn ich
die gleichwohl positiv beginnende Passage über die
transeuropäischen Verkehrsnetze lese. Dort heißt es,
man müsse zügig handeln bzw. bis Dezember 2002 die
überarbeitete Fassung der Leitlinien annehmen, und
dann lese ich, es gelte, die Verkehrsbedingungen in der
gesamten Europäischen Union zu verbessern und
Engpässe in Regionen wie unter anderem den Alpen,
den Pyrenäen und der Ostsee zu verringern. Im
Weißbuch steht „beseitigen“ statt „verringern“, was
sicher besser ist. Wir müssen daher an diesem Vorhaben
der Beseitigung von Engpässen arbeiten und dabei
insbesondere an die Lage in den Alpen denken.
In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern,
dass das Mont-Blanc-Problem in den Erklärungen des
Gipfels keine Erwähnung findet. Der Vizepräsidentin,
Frau de Palacio möchte ich sagen, dass das Ganze
langsam lächerlich wird, denn nach drei Jahren wissen
wir immer noch nicht, was geschehen wird. Wird der
Tunnel wieder für den Schwerlastverkehr geöffnet oder
nicht? Vorläufig dürfen ihn nur Personenkraftwagen
passieren. Ich möchte also, dass Klarheit geschaffen
wird. Unser Standpunkt als Einwohner des Aosta-Tals
ist bekannt: Aus Gründen der Sicherheit und wegen der
Umweltverschmutzung fordern wir eine Begrenzung.
Alles Übrige ist nur Phrasendrescherei, die jedoch in der
Öffentlichkeit ein tiefes Gefühl der Unsicherheit und, ich
muss das sagen, auch ein gewisses Misstrauen
gegenüber den europäischen Institutionen hervorruft.
3-037
Bouwman (Verts/ALE). – (NL) Herr Präsident, Frau
Kommissarin, Herr Minister! Auch ich bin in Barcelona
gewesen, nicht um direkt an dem Gipfeltreffen
teilzunehmen, sondern weil zur gleichen Zeit eine
gemeinsame Konferenz der NRO über nachhaltige
Entwicklung im Beisein von Vertretern von
Des Weiteren haben die sozialen NRO und die
Gewerkschaften unmissverständlich zu erkennen
gegeben,
dass
sie
die
Vollbeschäftigung
selbstverständlich uneingeschränkt befürworten, jedoch
bestimmte Bedingungen vermissen, die zur Realisierung
dieses Ziels erfüllt werden müssen, und dass es nicht
einfach ist, beispielsweise Mobilität oder Flexibilität
dieses Arbeitsmarktes zu erreichen, wenn eine Reihe
dazu erforderlicher Voraussetzungen nicht auf der Liste
stehen.
Im Protokoll der Erklärung des Rates steht, es gehe um
Flexibilität und soziale Sicherheit. Derzeit stößt jedoch
beispielsweise die Richtlinie über die Entsendung von
Arbeitnehmern, die zu mehr Flexibilität und Sicherheit
führen könnte, auf erheblichen Widerstand. Gegen diese
Richtlinie wird auf jede erdenkliche Art und Weise
obstruiert.
So ist noch eine ganze Reihe von Bereichen zu nennen.
Die sozialen Plattformen brachten Elemente im
Zusammenhang mit der Liberalisierung und deren
Folgen für die Daseinsvorsorge zur Sprache. Wir haben
hier unlängst eine Debatte über die Liberalisierung der
gemeinwohlorientierten Leistungen geführt. Die
Evaluierung dieser Liberalisierung fiel recht mäßig aus.
Die Gewerkschaften und die sozialen NRO machen sich
daher Sorgen über die Auswirkungen einer weiteren
Liberalisierung der Energiemärkte, der nur eine niedrige
Energiesteuer als Pluspunkt für die Umwelt
gegenübersteht. Sie vermissen Klarheit in Bezug auf
Dinge wie die Zukunft des Gesundheits- und
Bildungswesens und hinsichtlich der Folgen für die
Leistungen der Daseinsvorsorge. Diese Sorgen möchte
ich hier noch eben zur Sprache gebracht haben.
Diese Bedenken wurden von den hunderttausend
Demonstranten und später von den zwei- oder
dreihunderttausend
Menschen,
die
den
Globalisierungsgegnern widersprechen, zum Ausdruck
gebracht. Wir müssen bemüht sein, es nicht bei Worten
zu belassen, sondern für Fakten zu sorgen, für konkrete
Richtlinien, für Antworten auf die Fragen, die gestellt
werden. Und darüber mache ich mir Sorgen.
28
3-038
Abitbol (EDD). – (FR) Herr Präsident, jedes Vierteljahr,
auf jedem Gipfeltreffen, erleben wir jetzt, wie Europa
sich selbst feiert, während in den Straßen von Göteborg
über Nizza bis Barcelona die Zahl der Demonstranten
immer größer wird und die europäischen Völker ganz
offensichtlich mehr auf der Seite dieser Demonstranten
stehen als auf der Seite ihrer führenden Politiker, die
sich hinter einem von Gipfel zu Gipfel immer stärkeren
Polizeischutz zu einem Kuhhandel zusammenfinden.
Wenn sich jetzt in der Europäischen Union faktisch die
gesamte Protestbewegung gegen die ultraliberale
Globalisierung konzentriert, dann weil alle begriffen
haben, dass sie der wichtigste Handlanger dafür
geworden ist, so auch in Doha, dem letzten Gipfel der
WTO. Europa, d. h. das, was Sie Europa nennen,
nämlich die europäischen Institutionen, sind zum
Trichter geworden, mit dem die europäischen Völker
eine im Grunde uralte Regel schlucken sollen – die der
Herrschaft des Geldes. Kein Europäer glaubt mehr an Ihr
abgenutztes, gealtertes und müde gewordenes Europa,
um die Worte zu gebrauchen, mit denen der französische
Premierminister seinen Wahlgegner bedachte. In einem
im Grunde durchaus gesunden Reflex sind die Völker
dabei, über eine identitätsstiftende Wahl ihre Identität
wieder zu finden. Diese wird gegenwärtig vor allem in
einer Wahlentscheidung für rechts gefunden, denn
Europa entspricht sicherlich eher einer alten
internationalistischen und somit heute die Globalisierung
befürwortenden Idee. Meiner Meinung nach unterschätzt
dieses Parlament – wie auch alle anderen europäischen
Institutionen -, wie sehr Europa in Misskredit geraten ist.
Die letzte Eurobarometer-Umfrage – und damit werde
ich zum Schluss kommen -, die, wie ich glaube, nicht
ausreichend bekannt gemacht worden ist, besagt, wenn
die Europäische Union heute verschwinden würde, dann
wäre dies 50 % der Europäer gleichgültig, 28 % würden
dies begrüßen und 21 % würden ihm nachtrauern. Und
alle Vierteljahre zeigt man sich wieder zufrieden; nach
jedem Gipfel gibt man sich mit all dem zufrieden. Ich
muss zugeben, ich fange an, mich zu fragen, ob diese
Gipfeltreffen wirklich noch einen Sinn haben.
3-039
Berthu (NI). – (FR) Herr Präsident, auf dem Gipfel von
Barcelona wurde die Verpflichtung der Mitgliedstaaten
bekräftigt, bis 2004 nahezu ausgeglichene bzw. einen
Überschuss aufweisende Haushalte zu erreichen. Man
kann sich leicht vorstellen, wie unangenehm diese
Zielsetzung für die Länder sein dürfte, die sich
gegenwärtig im Wahlkampf befinden. Daher ist
Wachsamkeit
gegenüber
dem
Vorschlag
des
französischen Premierministers geboten, der in
Barcelona anregte, für die Eurozone ein aggregiertes
Haushaltssaldo als notwendige Ergänzung der
gemeinsamen Währungspolitik einzuführen.
Der Gedanke eines gemeinsamen europäischen
Haushaltssaldos entspricht in der Tat der Logik des
neuen integrierten Währungssystems. Doch gleichzeitig
bleibt wohl niemandem das Ziel dieses Manövers
verborgen: Es geht darum, das Defizit der nachlässig
wirtschaftenden Länder hinter den Überschüssen der
sparsamen Länder zu verbergen. Hier ist ein
20/03/2002
widersinniger Effekt des Euro festzustellen: die
zunehmende Verantwortungslosigkeit der nationalen
Haushaltszuständigen, die mit dem Verschwinden des
Wechselkurses für jedes Land einsetzte. Der vom Markt
automatisch auf das nationale Haushaltsgebaren
ausgeübte Disziplinierungseffekt ist nach und nach
verschwunden und muss durch eine weisungsberechtigte
zentrale Behörde ersetzt werden.
Daher hat der Rat von Barcelona ausgehend von dem
bisher Gesagten beschlossen, die bestehenden
Mechanismen für die finanzpolitische Abstimmung zu
verstärken,
und
die
Kommission
beauftragt,
diesbezügliche Vorschläge nach den Wahlen in
Frankreich und Deutschland vorzulegen. Der
unentrinnbare Mechanismus des Euro beginnt bereits,
seine Folgen zu zeigen.
3-040
Evans, Jonathan (PPE-DE). – (EN) Das Ergebnis des
Gipfeltreffens von Barcelona war enttäuschend, so sehr
wir uns auch bemühen, uns das nicht anmerken zu
lassen. Der Prozess von Lissabon, der vor zwei Jahren
mit so großen Hoffnungen auf den Weg gebracht wurde,
ist im vergangenen Frühjahr in Stockholm ins Stocken
geraten. Die Staats- und Regierungschefs der
Europäischen Union haben letzte Woche gerade soviel
erreicht, dass die Wirtschaftsreformen fortgeführt
werden, aber es ist ihnen nicht gelungen, diese Reformen
einen so entscheidenden Schritt voranzubringen, wie
dies für Europa dringend notwenig ist.
Die Kritik, die Stephen Hughes, Abgeordneter des
Europäischen Parlaments aus Tony Blairs eigener Partei,
an dessen Vorgehensweise auf dem Gipfel heute
Nachmittag geübt hat, kam für mich überhaupt nicht
überraschend. Herr Hughes bezeichnete den Ansatz von
Premierminister Blair als Neoliberalismus. Wir wissen,
dass Herr Blair keinen Einfluss auf die sozialistischen
Positionen und das Abstimmungsverhalten der
Abgeordneten hier im Europäischen Parlament hat, die
seiner Labour-Partei angehören, aber vor langer Zeit hat
Tony Blair einmal gesagt, das Gipfeltreffen von
Barcelona sei das alles entscheidende Ereignis. Nach
dem Gipfeltreffen sprach er lediglich von kleinen,
soliden Schritten.
Herr Aznar hat den Prozess von Lissabon als
unumkehrbar bezeichnet, aber das ist nicht der Punkt,
um den es geht. Selbst wenn Europa keine Rückschritte
macht, bezahlt Europa die Unfähigkeit zu echten
Fortschritten mit dem Verlust von Arbeitsplätzen, mit
sinkendem Wohlstand und mit fehlenden Erfolgen. Je
näher das Gipfeltreffen von Barcelona rückte, umso
bescheidener und vager wurden die Ziele des
Ratsvorsitzes. Statt die uneingeschränkte Liberalisierung
des Energiemarkts, die von Frankreich im vergangenen
Jahr unter Missachtung seiner Verpflichtungen gemäß
dem Vertrag verweigert wurde, in Angriff zu nehmen,
lesen wir nun, dass eine „teilweise“ Liberalisierung
irgendwann in der Zukunft erfolgen soll. Wir finden
keinen Hinweis auf unverzügliche Maßnahmen zur
Verwirklichung des Binnenmarkts und erhalten statt
20/03/2002
dessen eine lange Liste von Fristen und Terminen, die
sich
über
die
nächsten
Jahre
erstrecken.
Bedauerlicherweise besteht das vergangene Woche
veröffentlichte Kommuniqué lediglich aus einer Liste
von Wunschterminen. Es enthält trotz der redlichen
Bemühungen der spanischen Regierung und des
spanischen Ministerpräsidenten, die ich würdigen
möchte, keine verbindlichen Vereinbarungen.
Die zähen Verhandlungen über die konkreten
Bedingungen für die Öffnung der Energiemärkte zum
Beispiel,
oder
über
die
Richtlinien
für
Finanzdienstleistungen und den europäischen Luftraum
liegen noch vor uns. Zu allen diesen Themen wurden in
Barcelona nur Absichtserklärungen geäußert und keine
konkreten Maßnahmen getroffen. Gleichzeitig wurden in
Barcelona auch in anderen Bereichen die Weichen für
Europa falsch gestellt. Im Kommuniqué ist ganz
beiläufig von höheren Staatsausgaben für eine Reihe von
Prioritätsbereichen die Rede, während der tatsächliche
Schlüssel für den zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg
Europas in der Verringerung der Steuern und der
Staatsausgaben liegt.
In dem Dokument wird ein europäisches Sozialmodell
bestätigt, das dringend reformiert werden muss.
Angestrebt wird die stärkere Harmonisierung von
Energiesteuern als Gegenleistung für die Zustimmung
Frankreichs zu einer begrenzten und ungewissen
Liberalisierung der Energiemärkte. Der Widerstand
Frankreichs gegen die Liberalisierung der Energiemärkte
und der interventionistische Tenor in Teilen des
Kommuniqués verdeutlichen, dass auch künftig alles
getan werden muss, um die sozialistisch geführten
Regierungen in ganz Europa abzulösen.
Die Liberalisierungsbestrebungen und Hoffnungen der
Ministerpräsidenten Aznar und Berlusconi sind
ermutigend, aber die Europäische Union wird sie nur
dann in die Praxis umsetzten können, wenn Herr Hughes
und seine Freunde aus den linken Parteien in den
zahlreichen nationalen Wahlen, die in diesem Jahr
anstehen, nicht mehr wiedergewählt werden. Die
Rückkehr der Mitte-Rechts-Parteien, die nach Italien,
Österreich und Dänemark nun auch in Portugal wieder
die Regierungsverantwortung übernommen haben, ist
ein Zeichen der Hoffnung. Ohne einen echten Wandel
werden sich die Hoffnungen in die wirtschaftliche
Zukunft Europas nicht erfüllen.
Abschließend möchte ich aus der Financial Times
zitieren, in der dies sehr treffend formuliert wurde: „Vor
zwei Jahren wurde in Lissabon das ehrgeizige
Versprechen gegeben, die Europäische Union zum
wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt
umzugestalten. Ohne rasche praktische Fortschritte wird
dieses Versprechen schon bald absurd erscheinen“.
3-041
De Rossa (PSE). – (EN) Herr Präsident, zunächst
möchte ich die Erklärung von Barcelona über den Nahen
Osten begrüßen, und ich bin zuversichtlich, dass den
dort vorgebrachten Absichtserklärungen und Plänen
29
intensive diplomatische Bemühungen von Seiten der
Europäischen Union folgen werden.
Meinen Kollegen Jonathan Evans darf ich daran
erinnern, dass in Lissabon beschlossen worden ist, die
europäische Wirtschaft zur wettbewerbsfähigsten
Wirtschaft der Welt umzugestalten, deren Fundament
die soziale Integration, der soziale Zusammenhalt und
die territoriale Kohäsion bilden. Wir alle wissen, dass
durch den Markt allein keine soziale Gerechtigkeit für
die Bevölkerung Europas geschaffen werden kann. Der
Markt kann und wird dies niemals leisten. Wir wissen
das trotz der von den Tories im Vereinigten Königreich
verfolgten Ideologie, die mit ihrem Konzept für die
Wirtschaft und die Bürger des Vereinigten Königreichs
bereits zwei Wahlen hintereinander verloren haben.
Meine Reaktion auf Barcelona ist ein Gefühl der
Erleichterung darüber, dass der Rummel um
Liberalisierung und Privatisierung verflogen ist, dass das
Gleichgewicht der politischen Kräfte im Rat weiterhin
im Mitte-Rechts-Spektrum liegt, dem bewusst ist, dass
die Menschen in Europa ein soziales und gleichzeitig
marktwirtschaftliches Europa wollen, und dass das
Gleichgewicht
zwischen
Sozialpolitik
und
Wirtschaftspolitik sowie zwischen Beschäftigungspolitik
und Nachhaltigkeit aufrechterhalten werden muss. Ich
freue mich, dass der Rat in Barcelona diese Realität
erkannt hat.
Über einen Aspekt freue ich mich ganz besonders und
das ist die Verpflichtung zur Erarbeitung einer
Rahmenrichtlinie für öffentliche Dienste. Das ist ein
Bereich, der bei der Verwirklichung eines Europas der
Bürger von entscheidender Bedeutung ist. Wir wissen,
dass die europäischen Bürger sich öffentliche Dienste
von hoher Qualität wünschen, wir wissen, dass diese
Dienste bezahlbar sein und allen zur Verfügung stehen
müssen. Die Unternehmen, die universelle öffentliche
Dienste betreiben, und die Mitgliedstaaten tragen die
Verantwortung dafür, dass diese Dienste bereitgestellt
werden und den Arbeitnehmern in diesen Unternehmen
Rechtssicherheit geboten wird.
Die Kommission, der Rat und das Parlament wissen,
welche Elemente ein solches Rahmendokument
enthalten muss. Warum wird die Erarbeitung dieses
Dokuments also bis Dezember aufgeschoben? Ich bin
der Meinung, dass es in Sevilla vorgelegt werden sollte.
Mein letzter Punkt bezieht sich auf die Forderung der
Kommission nach einer Verordnung über eine
Gruppenfreistellung für Leistungen der Daseinsvorsorge,
falls der Europäische Gerichtshof die Unterstützung von
Leistungen der Daseinsvorsorge als Verstoß gegen das
Wettbewerbsrecht betrachtet. Warum legen wir diese
Verordnung nicht unverzüglich vor und vermeiden
damit, dass wir unter Druck geraten? Wir sollten uns
jetzt damit befassen, wo wir die Zeit und die Ruhe dazu
haben und so die Bereitstellung der Dienste
sicherstellen, die wir in Europa benötigen.
3-042
30
20/03/2002
Gasòliba i Böhm (ELDR). – (ES) Herr Präsident, Herr
amtierender Ratspräsident, Frau Vizepräsidentin der
Kommission, meine Damen und Herren! Zunächst
möchte ich mich der Beileidsbezeigung dieses Hauses
anlässlich der Ermordung von Professor Biagi sowie der
uneingeschränkten Verurteilung des Terrorismus
anschließen.
Das Resultat des Europäischen Rates von Barcelona
halte ich im Einklang mit der Liberalen Fraktion für
positiv. Die Ergebnisse bleiben zwar durchaus hinter den
von der Präsidentschaft geweckten Erwartungen zurück,
doch wurden genügend Erfolge erzielt, um zu der
Einschätzung zu gelangen, dass der Gipfel konkrete
Fortschritte und klare Verpflichtungen hervorgebracht
hat, so dass wir uns den in Lissabon festgelegten Zielen
zuwenden können, die sowohl der Ratspräsident als auch
der Präsident der Kommission bereits in Einzelheiten
dargelegt haben.
Als ich mich jedoch heute Vormittag im Ausschuss für
Wirtschaft mit Herrn Professor Issing vom Direktorium
der Europäischen Zentralbank über diese Fragen
unterhielt, begrüßten wir zwar einhellig die Fortschritte,
doch hielten wir sie ebenso einhellig für unzureichend,
um einerseits die tatsächliche Einhaltung der
Verpflichtungen von Lissabon zu gewährleisten – dies
im Hinblick auf die notwendigen Strukturreformen, bei
denen es offensichtlich noch keine vollen Garantien für
das festgelegte Ziel einer nachhaltigen, international
wettbewerbsfähigen, auf Wachstum basierenden
Wirtschaft gibt, die den wirtschaftlichen und sozialen
Zusammenhalt sicherstellen kann – und andererseits den
sich gegenwärtig abzeichnenden Wachstumsprozess zu
konsolidieren.
Zweifellos
muss
dieser
Wachstumsprozess seinen entsprechenden Niederschlag
finden, gerade im Vertrauen auf eine tatsächliche
Umsetzung der Strukturreformen.
Mir verbleibt keine Zeit mehr, doch möchte ich Sie
darauf hinweisen, dass es in Barcelona auch ein
Warnzeichen im Hinblick auf eine Distanzierung der
Öffentlichkeit gegeben hat bzw. auf die – sicherlich
verzerrte – Wahrnehmung von der Europäischen Union,
die dort offen zu Tage getreten ist.
Um hier eine Lösung zu finden, müssen wir ebenfalls
tätig werden. Für Sevilla liegt ein Vorschlag über eine
Neuorientierung der Ratsarbeit vor. Ich halte sie für
unbedingt erforderlich, und damit wir eine solche
Annäherung erreichen, sollte man auch daran denken,
die Regionen mit voller Gesetzgebungskompetenz an
diesen Aufgaben zu beteiligen, denn sie haben die
größere Nähe zu den Bürgern.
3-043
VORSITZ: ALEJO VIDAL-QUADRAS ROCA
Vizepräsident
3-044
Ortuondo Larrea (Verts/ALE). – (ES) Zunächst
möchte ich mich der Ablehnung des Terrorismus
anschließen und ebenso das Attentat auf Herrn Biagi
verurteilen; darüber hinaus möchte ich seinen
Angehörigen und Freunden mein Beileid aussprechen.
Der Europäische Rat hat die so genannte Erklärung von
Barcelona zum Nahen Osten angenommen, um so eine
Verhandlungslösung im palästinensisch-israelischen
Konflikt anzuregen, und ich beglückwünsche Sie dazu.
Gleiches kann ich jedoch nicht von Herrn Aznar und
seiner spanischen Regierung sagen, wenn sie sich in dem
historischen politischen Konflikt mit dem baskischen
Volk wie der Hund des Gärtners benehmen, der weder
frisst noch fressen lässt.
Einerseits
weigert
sich
Herr
Aznar,
einen
demokratischen Dialog über diese Frage zu führen,
andererseits missachtet und torpediert er die Interessen
pazifistischer Organisationen wie El Karri. Er hat sogar
die gesamte diplomatische Maschinerie Spaniens in
Gang gesetzt, um zu verhindern, dass sowohl der
Kongress als auch der Senat des US-Bundesstaates
Idaho über die baskische Frage debattieren.
Glücklicherweise haben sich Kongressabgeordnete und
Senatoren nicht einschüchtern lassen und jeweils
Entschließungen zur Verurteilung des Terrorismus, zur
Achtung des Selbstbestimmungsrechts der Basken und
zur Förderung eines demokratischen Dialogprozesses
verabschiedet, um die Lage im Baskenland auf
friedlichem Wege zu lösen; das Baskenland liegt ja nicht
außerhalb der Europäischen Union, sondern zwischen
Frankreich und Spanien und stellt somit ein internes
Problem dar, das wir neben dem Kampf gegen den
Terrorismus zu bewältigen haben.
Ich bedauere, dass Herr Aznar das Parlament verlassen
hat – vielleicht, weil er die Redebeiträge der
Nationalisten nicht hören möchte –, und ich hoffe, Herr
Salafranca wird mir wegen dieser Worte nicht
vorwerfen, Sprachrohr einer Terrorbande zu sein.
3-045
Raschhofer (NI). – Herr Präsident, werte Kolleginnen
und Kollegen! In Lissabon wurde mutig, ehrgeizig, ja
vollmundig formuliert. Die EU solle bis 2010 zum
wettbewerbsfähigsten
und
dynamischsten
Wirtschaftsraum der Welt gemacht werden. Bravo zu so
viel Wollen. Kein Bravo für die Ergebnisse von
Barcelona. Die längst fällige vollständige Öffnung der
Energiemärkte erfolgte nicht. Ein fauler Kompromiss,
denn ein gut funktionierender Binnenmarkt ist Schlüssel
für Wachstum und Beschäftigung. Die Neue Zürcher
Zeitung fasste das Ergebnis von Barcelona in einem Satz
treffend zusammen: „Europa zwischen Wollen und
Können“. Ich stimme Herrn Solana mit seiner Kritik an
dieser Konferenzdiplomatie zu. Papierberge werden
produziert, private und nicht ganz so private Gespräche
geführt, insgesamt also allerorts viel Wollen bekundet
und der Wunsch, in gemeinsamem Interesse eine
wirtschaftlich und zunehmend politisch gewichtige Rolle
in der Welt einzunehmen.
Die vertagte Liberalisierung der Energiemärkte gibt ein
Beispiel davon, dass Europa nach wie vor weit entfernt
20/03/2002
31
ist vom Können. Vor allem in einem Kernbereich wie
dem Binnenmarkt halte ich das für wirtschaftspolitisch
ausgesprochen schädlich und - wie Kollege Evans es
formuliert hat - für politisch lächerlich!
in diesem Parlament vertretenen politischen Kräften
geben, die sich, wie ich glaube, alle für die Verteidigung
der Demokratie einsetzen und verhindern wollen, dass
der Terrorismus neue Anhänger findet.
3-046
3-047
Tajani (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, die in
Barcelona erhobenen Forderungen nach Modernisierung
zu ignorieren wäre im Grunde genommen eine
egoistische Entscheidung, die typisch für jemanden ist,
der nur an sich denkt und sich keine bessere Zukunft für
seine Nachkommen erhofft. Die Solidarität ist wirksam,
wenn wirklich versucht wird, eine bessere und
gerechtere Gesellschaft aufzubauen. Mit diesen Worten
schloss ein gestern veröffentlichter Artikel von Marco
Biagi über den Gipfel von Barcelona. Dieses Parlament
kann
nicht
umhin,
den
Äußerungen
des
Wirtschaftsexperten und Beraters der italienischen
Regierung, der gestern Abend in Bologna ermordet
wurde, beizupflichten, und die Anerkennung seines
Gedankenguts ist der beste Weg, um sein Andenken hier
in Brüssel zu wahren. Der Europäische Rat hat in der Tat
die Weichen für eine wirksamere Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit gestellt. Es wurden neue Maßnahmen
zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes angekündigt,
deren Umsetzung es den Jugendlichen in Europa
ermöglichen wird, aus ihrer verzweifelten sozialen Lage
herauszukommen.
Die
Entscheidung,
den
Unternehmergeist und die Wettbewerbsfähigkeit mit der
allgemeinen wirtschaftlichen Erholung zu fördern, lässt
uns für die Zukunft hoffen. Begrüßenswert ist auch die
Entscheidung zugunsten der Liberalisierung des Gasund Strommarktes, doch gilt es hier, noch einige
innerhalb der Union bestehende staatliche Widerstände
zu überwinden. Darüber hinaus befürworten wir die
beabsichtigte Einleitung des Programms GALILEO und
die Beschlüsse zur Förderung des Friedens im Nahen
Osten.
Andersson (PSE).  (SV) Herr Präsident! Ich bin ein
eifriger Befürworter der Lissabonner Strategie, da sie
zahlreiche Politiken enthält, die es zu koordinieren gilt.
Der Europäische Rat in Barcelona hat unter der – wie
wir finden – erfolgreichen Leitung der spanischen
Regierung viele positive Beschlüsse gefasst, und positiv
sind auch die Arbeitsergebnisse, obgleich im Hinblick
auf drei Fragen noch einige Dinge zu klären sind.
Zunächst in Bezug auf den Verkehrssektor: Es gilt, die
Hemmnisse für die Freizügigkeit, den Wettbewerb und
das Funktionieren des Binnenmarktes zu überwinden.
Wir möchten nämlich nicht, dass Italien später durch
falsche Entscheidungen benachteiligt wird. Zudem hätte
mehr für den Mittelmeerraum getan werden können: In
Zukunft werden wir über einen Europa-MittelmeerFonds hinaus eine wirkliche Mittelmeerbank ins Auge
fassen müssen. Und was schließlich den Balkan
anbelangt, so müssen Maßnahmen zur Stärkung des
Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses ergriffen
werden. Wir sind davon überzeugt, dass diese Probleme
im weiteren Verlauf der sechsmonatigen spanischen
Präsidentschaft positiv angepackt und gelöst werden, so
wie auch der Kampf gegen den Terrorismus mit großer
Entschlossenheit angegangen wird, den Präsident Aznar
bei der Vorstellung des Programms des spanischen
Vorsitzes als eine der Prioritäten bezeichnet hat: Bei
diesem Kampf darf es keine Unterschiede zwischen den
Vor dem Gipfel von Barcelona hatte ich vor allem im
Hinblick auf zwei Punkte Bedenken. Zum einen
befürchtete ich, die Ausgewogenheit der Strategie
könnte verletzt werden und nur die Liberalisierung auf
der Tagesordnung stehen. Zum anderen war ich mir
nicht sicher, ob die Strategie für nachhaltige
Entwicklung die gebührende Aufmerksamkeit im
Dokument erhalten würde.
Was den ersten Punkt betrifft, so freue ich mich, dass
meine Befürchtungen nicht eingetroffen sind, denn der
Prozess ist meiner Ansicht nach ausgewogen. Es finden
sich darin sowohl Vorschläge für die Liberalisierung des
Strom-, Gas- und Finanzmarktes als auch Vorschläge für
ein
verbessertes
Angebot
an
Kinderbetreuungseinrichtungen, eine Anhebung der
Beschäftigungsquote sowie Verbesserungen in anderen
sozialen Bereichen, was eine Stärkung des
Sozialmodells bedeutet.
Hinsichtlich der nachhaltigen Entwicklung muss ich
jedoch feststellen, dass die diesbezüglichen Vorschläge
recht mager sind. Meine Sorgen waren berechtigt. Der
einzige deutliche Vorschlag ist die Aufforderung an die
Mitgliedstaaten, das Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen.
Das ist natürlich sehr wichtig, aber im Übrigen lässt das
Dokument viel zu wünschen übrig, da bestimmte Dinge
nur angedeutet sind. Die Umweltbelange werden
deutlich in die Zukunft verschoben.
Ein weiterer Aspekt der nachhaltigen Entwicklung ist
das Verhältnis zwischen uns reichen Ländern und den
Entwicklungsländern. Die angestrebte Entwicklungshilfe
liegt weit unter dem UN-Zielwert. Die Mitgliedstaaten
sollen die Hälfte der von den UN festgelegten 0,7 %
erreichen, was viel zu niedrig ist. Damit wird der Kampf
gegen die Armut im Vergleich zum Vorschlag der
Kommission ausgehöhlt.
Ich setze meine Hoffnungen auf den Lissabonner
Prozess und darauf, dass die Ausgewogenheit auch in
Zukunft erhalten bleibt. Ferner wünsche ich mir, dass die
Fragen der nachhaltigen Entwicklung und der
ökologischen Aspekte deutlicher in diesen Prozess
einbezogen werden. Das ist von entscheidender
Bedeutung für seine Fortführung.
3-048
Borghezio (NI). – (IT) Herr Präsident, die
terroristischen Meuchelmörder der Roten Brigaden
wollten mit der Ermordung von Professor Biagi einem
couragierten
Intellektuellen
und
Berater
des
Arbeitsministers Maroni den Mund stopfen. Sie haben
32
ihm nicht verziehen, dass er just die auf der jüngsten
Tagung des Europäischen Rates bekräftigten Grundsätze
unterstützte und seine Fachkompetenz in den Dienst der
Regierung seines Landes stellte, um ein Verfahren zur
Revision von Artikel 18 und ganz allgemein des
italienischen Arbeitsrechts durchzuführen, das noch
zahlreiche
Grundsätze
enthält,
welche
die
Modernisierung unseres Arbeitsmarktes – einer der
rückständigsten in Europa – behindern. Die Lehre, die
wir daraus ziehen müssen, ist das von diesem
Glaubensstreiter für die Arbeit mehrfach betonte
Bewusstsein, dass es nur mit Hilfe wirklich
reformwilliger
politischer
Eingriffe
in
die
Arbeitsgesetzgebung möglich sein wird, echte Chancen
für die Beschäftigung und somit für die Zukunft unserer
Kinder in Italien und in Europa zu eröffnen.
Der Europäische Rat von Barcelona lässt jedoch die
große Frage nach den künftigen Orientierungen Europas
im wirtschaftlichen und sozialen Bereich offen und führt
sie keiner Lösung zu. Unserer Auffassung nach kann nur
ein Europa, das von unten, von der territorialen Ebene
und von den Regionen aus konzipiert und gestaltet wird
und das die im Laufe der Jahrzehnte gereiften
Besonderheiten
und
verschiedenen
Entwicklungsmodelle berücksichtigt, das Ziel eines
wahrhaften,
realen
Gleichgewichts
zwischen
Modernisierung der Arbeit, produktiver Entwicklung
und sozialen Garantien verwirklichen.
3-049
Karas (PPE-DE). – Herr Präsident, meine Damen und
Herren! Ich möchte die Vorbereitungen des Gipfels
durch die spanische Ratspräsidentschaft und das Team
von Ministerpräsident und Ratspräsident Aznar
uneingeschränkt begrüßen. Was die Beurteilung des
Ergebnisses betrifft, möchte ich dort anschließen, wo
unser Fraktionsvorsitzender aufgehört hat, und auf die
Doppelmoral zurückkommen, die die Feder geführt hat,
mit der die Ergebnisse geschrieben wurden. Ist es
wirklich die Realität, die nur mit Worten wie „begrüßen,
ersuchen, bekräftigen, erwarten“, zu beschreiben ist?
Wäre der Rat nicht glaubwürdiger, wenn er auch
gewisse Vorgehensweisen kritisieren, bedauern würde
und in konkreten Formulierungen bekennen würde, wie
es heute der Ratspräsident in seiner Wortmeldung getan
hat? Blockierer, Verzögerer und Bremser müssen beim
Namen genannt werden, statt sich immer auf den
kleinsten gemeinsamen Nenner zu reduzieren und damit
von den europäischen Notwendigkeiten abzuwenden.
Wer ist der Rat eigentlich? Manche Formulierungen
vermitteln den heuchlerischen täuschenden Eindruck, als
hätten die Gipfelmitglieder mit dem Europäischen Rat
und den Fachministern nichts zu tun, obwohl sie für
deren Verhalten verantwortlich sind.
Ja, wir brauchen eine verstärkte Unterstützung der
kleinen und mittleren Unternehmen. Daher begrüße ich
den Punkt 15, der auf Beschlüssen des Europäischen
Parlaments zur Stärkung der kleinen und mittleren
Unternehmen basiert. Ich fordere daher, dass sich jeder
Rat
mit
den
Basel-Ausschuss-Verhandlungen
20/03/2002
beschäftigt, damit die sechs mit den neun
zusammengeführt werden. Ja, wir brauchen eine
raschere Umsetzung beschlossener Richtlinien. Daher
fordern wir die Reduzierung der Umsetzungsspannen.
Wir fordern mehr Europa, wenn es die Verwirklichung
der Lissabonner Ziele und damit die Rolle Europas am
Weltmarkt betrifft. Ja, wir benötigen den Aktionsplan
für Finanzdienstleistungen und die Stabilität. Daher
fordere ich vom Rat, endlich nach zwei Jahren einen
Gemeinsamen Standpunkt zur Pensionsreform zu finden.
Ich fordere die Kritik am Ecofin-Rat, dass er die
Kommission unterlaufen hat.
Ja, wir brauchen mehr Transparenz. Daher fordern wir
die Öffentlichkeit der Ratssitzungen. Ja, wir benötigen
die Beseitigung der Barrieren, Blockaden und
Hemmnisse. Daher kritisieren wir, dass Wahltermine
wie in Frankreich und Deutschland und Monopole wie
EDF das europäische Ziel der Liberalisierung der
Energiemärkte und den Parlamentsbeschluss unterlaufen
haben.
3-050
Obiols i Germà (PSE). – (ES) Herr Präsident, man hat
mir von einer gewissen Bestürzung in diesem Hause
wegen der Bemerkungen des Herrn Aznar zu dieser
Sitzung berichtet, die er zwar sotto voce, jedoch bei
eingeschaltetem Mikrofon von sich gegeben hat. Wenn
dies tatsächlich der Fall ist, so werde ich nicht derjenige
sein, der dies dementiert, vor allem nicht zu solch
fortgeschrittener Stunde. Aber ich bin ja nicht Präsident
des Rates, und ich möchte, dass man Herrn Aznar meine
Bitte übermittelt, er möge bei seinen Bemerkungen in
Zukunft – wie soll ich sagen? – mehr Zurückhaltung
üben und größeren Respekt zeigen.
Vor und nach dem Europäischen Rat von Barcelona ist,
wie bereits fast üblich, ein scheinbar paradoxer
Widerspruch
aufgetaucht:
Bei
den
politisch
Verantwortlichen – insbesondere denjenigen, die mit der
Entwicklung des Europäischen Rates direkter befasst
sind – gab es große Erwartungen im Vorfeld und
glanzvolle Wertungen danach, und bisweilen sogar
schon vorauseilend triumphale Erklärungen. Zahlreiche
Beobachter und Medien rückten hingegen die
Meinungsverschiedenheiten und die mehr oder weniger
vorsichtigen, wenn nicht pessimistischen Wertungen in
den Vordergrund.
Das Neue in Barcelona – in den Schlagzeilen einer
Brüsseler Tageszeitung als „blasser Gipfel und grandiose
Demonstration“ betitelt – lag jedoch ohne Zweifel in
dem machtvollen, spektakulären Auftritt einer neuen,
aktiven sozialen Bewegung in Europa. Hunderttausende
demonstrierten in aktiver Vertretung einer aufkeimenden
europäischen Zivilgesellschaft friedlich, staatsbürgerlich
und konstruktiv, und sie forderten mehr Europa, ein
sozialeres Europa und insbesondere ein aktiveres,
solidarischeres Europa in der Welt der rasch
fortschreitenden Globalisierung.
Die Demonstrationen haben bewiesen, wie sehr der
europäische Aufbau und die Rolle Europas bei der
20/03/2002
Gestaltung einer gerechteren Welt den Bürgern am
Herzen liegt. Demgegenüber kam es – quasi in
Umkehrung des klassischen Sprichworts – vor und nach
diesen Massendemonstrationen nicht zu einer excusatio
non petita sondern zu einer accusatio non petita, die
letztlich eine excusatio manifesta beinhaltete; als ob man
mit
den
Schuldzuweisungen
gegenüber
demonstrierenden Bürgern im Grunde das eigentliche
Problem rechtfertigen oder verschleiern wollte: einen
Mangel an Zusammenhang, an Abstimmung, an
Mitgefühl, einen Besorgnis erregenden Prozess
wachsender Distanz zwischen den Bürgern und der
vornehmlich
zwischenstaatlichen
Lenkung
der
europäischen Angelegenheiten.
Möge dieser große Moment der europäischen
Demokratie – der Konvent – zur Schaffung positiver
Synergien zwischen den demokratischen Institutionen
und der Zivilgesellschaft beitragen, die während der
Tagung des Europäischen Rates in Barcelona aktive
Präsenz gezeigt hat.
3-051
Bastos (PPE-DE). – (PT) Herr Präsident! Der
Europäische Rat von Barcelona hat im Vorfeld bei
einigen, die gegenüber der Strategie von Lissabon einen
Rückschritt befürchteten, Vorbehalte und Zweifel
hervorgerufen. Wir waren uns durchaus des enorm
anspruchsvollen Charakters der in Lissabon festgelegten
Ziele und der inzwischen veränderten und völlig
gegensätzlichen
wirtschaftlichen
Gegebenheiten
bewusst, gleichwohl haben wir niemals bezweifelt, dass
die erreichten Fortschritte im Bereich der Sozialpolitik
von den Mitgliedstaaten und insbesondere von der
spanischen Präsidentschaft der Europäischen Union, die
ich bei dieser Gelegenheit beglückwünschen möchte, in
Ehren gehalten werden.
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, welchen
Impuls die Entwicklung aktiver Politiken für die
Vollbeschäftigung erhielt. Jetzt ist die Reform des
Arbeitsmarktes ein entscheidender Schritt zur Schaffung
von Arbeitsplätzen, wobei besonders die Maßnahmen
der Europäischen Union zur Wettbewerbs- und
Beschäftigungsförderung, zur Erhöhung der beruflichen
und geografischen Mobilität der Arbeitnehmer eine
herausragende Rolle spielen. Dazu müssen die
Ausbildung
der
Arbeitskräfte
und
höhere
Qualifikationen in der wissensbasierten Gesellschaft
stärker in den Vordergrund rücken, und man muss
endlich neue und kreative Lösungen für das Problem der
Überalterung der Bevölkerung finden. Großartig ist der
Vorschlag für gesetzliche Regelungen, mit denen die
Altersteilzeit ein freiwilliges Instrument wird, damit die
älteren Arbeitnehmer weiterhin dem Arbeitsmarkt zur
Verfügung
stehen,
während
gleichzeitig
die
Reformierung der Rentensysteme weiter vorangetrieben
werden muss.
Eine der am stärksten von der Arbeitslosigkeit in der
Europäischen Union betroffenen Gruppen sind die
Frauen. Ihre Einbindung in den Arbeitsmarkt ist zu
fördern, was ohne die Annahme aktiver Maßnahmen zur
33
Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Utopie bleibt.
Deshalb sind auf europäischer, intergouvernamentaler,
regionaler
und
kommunaler
Ebene
dringend
gemeinsame Bemühungen um die Entwicklung von
Infrastrukturen für die Kinderbetreuung und die
Unterstützung älterer Menschen geboten, insbesondere
über die Bereitstellung und den Einsatz von Mitteln des
Europäischen Sozialfonds und die Annahme von steuerund sozialpolitischen Maßnahmen.
Für uns liegt die Notwendigkeit, die soziale und die
ökonomische Dimension zu koordinieren und
gleichzuschalten, klar auf der Hand. Nur durch mehr
Reichtum, der gerecht und gleich verteilt wird, kann es
wirklich mehr Einbeziehung und mehr soziale
Gerechtigkeit geben.
3-052
Van Brempt (PSE). – (NL) Herr Präsident! Dieser
Europäische Rat wurde als Gipfel der Liberalisierung
angekündigt und ist der Gipfel der längeren Arbeitszeit
geworden. An sich bin ich nicht gegen längere
Arbeitszeit und halte dieses Thema durchaus einer
Debatte wert. Die Frage ist jedoch, ob sich Europa
beliebt machen wird, wenn es immer wieder nur solche
Aussagen trifft. Es zeugt meines Erachtens von wenig
Führungskraft, wenn sich eine Präsidentschaft auf
derartige Punkte konzentriert anstatt zu versuchen, eine
Reihe anderer, mindestens genauso wichtiger Aspekte
inhaltlich auszugestalten.
In Lissabon wurde vor allem über die wissensbasierte
Wirtschaft und über die Bedeutung von Bildung und
Humanressourcen
in
diesem
Zusammenhang
gesprochen. Wurden jedoch bei diesem Rat Beschlüsse
beispielsweise über lebenslanges Lernen gefasst? Nein,
dieser Beschluss wurde auf Sevilla verschoben, wo wir
dann eine Entschließung bekommen. Ich denke, wir
müssen sorgfältig darauf achten, dass dies keine
akademische Abhandlung wird. Wenn wir konkrete
Schritte setzen wollen, müssen diese vor allem in
Benchmarking bestehen: Wir müssen ganz klar
vereinbaren, wie viel Prozent unseres BIP wir für
Bildung aufwenden wollen, wir müssen deutlich sagen,
dass Lernen und das Recht auf Lernen nicht einzig und
allein an Arbeitsmarktfakten gebunden sind.
Ich will jedoch nicht nur kritisieren. Auf dem
Gipfeltreffen
wurden
auch
mehrere
wichtige
Entscheidungen getroffen, deren eine zweifellos der
Beschluss über eine Energiebesteuerung ist. Diesen
Beschluss müssen wir hegen und pflegen, und ich hoffe,
er wird auch umgesetzt.
Ein zweiter Punkt, zu dem ich den Vorsitz und den
Europäischen Rat beglückwünschen möchte, betrifft die
Aufmerksamkeit für das Erlernen von Sprachen. Der
Fremdsprachenunterricht gerät immer mehr in den
Hintergrund. In einigen Mitgliedstaaten hält man ihn
nicht für wichtig. Meiner Ansicht nach ist das jedoch
falsch und müssen wir in dieser Sache unbedingt etwas
unternehmen.
3-053
34
García-Margallo y Marfil (PPE-DE). – (ES) Herr
Präsident, an diesem Punkt der Debatte haben selbst die
schärfsten Kritiker von Barcelona – diejenigen, die
abends im Rat waren und morgens bei der
Demonstration – lediglich sagen können, dass Barcelona
ein bescheidener Schritt gewesen sei, ein bescheidener
Schritt in die richtige Richtung, so würde ich es sagen.
Warum in die richtige Richtung? Weil wir – mit
Ausnahme von Herrn Barón – heute nicht über Dinge
diskutieren, über die wir vor fünf Tagen debattiert
haben. Wir diskutieren nicht das Dogma der
Preisstabilität; weder verteidigen wir den Stabilitätspakt,
noch stellen wir ihn in Frage; wir bestreiten weder die
Notwendigkeit noch die Dringlichkeit beschleunigter
Strukturreformen, um drei Dinge zu erreichen: einen
funktionsfähigen Markt, den Grundsatz des sozialen
Ausgleichs und eine nachhaltige Entwicklung. MüllerArmak in Reinkultur.
Zu den Wirtschaftsreformen möchte ich lediglich zwei
Anmerkungen machen: Im Hinblick auf den Energieund Gassektor ist nach Barcelona eindeutig klar
geworden, dass Liberalisierung nicht unbedingt mit
Privatisierung einhergeht. Wer staatliche Unternehmen
will, der möge sie schützen. Und die Liberalisierung
vereinigt
in
sich
die
Grundprinzipien
der
Daseinsvorsorge: den gleichberechtigten Zugang, die
Kontinuität der Leistungen und die Sicherheit der
Verbraucher.
Aus diesem Grunde ist jedweder Diskurs aus denjenigen
Reihen, die für eine weitere Verschleppung der
Liberalisierung eintreten, eine Ausflucht des säumigen
Zahlers, denn es geht mir nicht in den Kopf, warum es
gut ist, dass die Unternehmer ihre Lieferanten wählen
können, es aber nicht gut sein soll, wenn die
Verbraucher wählen dürfen.
Zu den Finanzmärkten nur eine kleine Botschaft an den
Rat: Dieses Parlament hat sich mit der Verabschiedung
des Berichts von Wogau außerordentlich großzügig
gezeigt. Es hat sich bei der Billigung der erforderlichen
Maßnahmen als ausgesprochen effektiv erwiesen. Ich
kann versprechen und tue dies auch, dass der Rat, sofern
er uns die von ihm gewünschten acht Änderungen zu
den Finanzdienstleistungen per Eilpost zukommen lässt,
auch die entsprechende Antwort per Eilpost erhalten
wird. Übermitteln Sie uns die gemeinsamen
Standpunkte.
Eine letzte Bemerkung zum institutionellen Aufbau bei
der Durchführung dieser Reformen: Sevilla. Der Rat und
die Kommission täten gut daran zu überlegen, was aus
institutioneller Sicht zu tun ist, damit die anstehenden
Reformen Wirklichkeit werden. Welche Rolle sollen das
Parlament und der Rat im Gesetzgebungsverfahren
spielen (Artikel 202)? Wer koordiniert die
Wirtschaftspolitiken wirklich? Das heißt: Sind wir auf
dem Weg zu einer Wirtschaftsregierung oder nicht? Wer
vertritt den Euro auf der internationalen Bühne? Werden
wir im Hinblick auf die Besteuerung weiterhin mit einer
Stimme sprechen, wenn wir 27 Staaten sind und der
20/03/2002
allerkleinste von ihnen jegliche Entscheidung mit einem
Veto belegen kann? Dies sind die Aufgaben, die der Rat
zu bewältigen hat.
Ich beglückwünsche die amtierende Ratspräsidentschaft
zum Erfolg von Barcelona. Ebenso gratuliere ich der
spanischen Regierung, denn wenn es zu Unruhen
gekommen wäre, hätte es geheißen, es seien nicht
genügend Polizisten dort gewesen; da aber genügend
Polizisten bereitstanden, heißt es nun, es habe zu viele
Polizisten gegeben.
Letztendlich, meine Damen und Herren, ist am
wichtigsten, was man an Stimmen bekommt, und nicht
das Geschrei, das man möglicherweise auf der Straße
machen kann; und in diesem Punkt gewinnen wir!
3-054
Sornosa Martínez (PSE). – (ES) Herr Präsident, Herr
amtierender Ratspräsident, Frau Vizepräsidentin der
Kommission, meine Damen und Herren! Wir von der
Sozialistischen Fraktion sind in großer Sorge, weil der
Gipfel von Barcelona kaum nennenswerte Vorschläge
im Umweltbereich hervorgebracht hat.
Eigentlich hätte der Rat von Barcelona die in Göteborg
und Lissabon festgelegten Ziele für ein neues Konzept
der nachhaltigen Entwicklung in konkrete Initiativen
umsetzen müssen. Weit davon entfernt, enthält das
Papier mit den Schlussfolgerungen zu viele
Formulierungen wie „bekräftigt“, „betont“ oder
„bestätigt“, also im Grunde genommen nach wie vor nur
Absichtserklärungen, die nicht in Zeitplänen oder kurzbis mittelfristigen Aktionsvorschlägen konkretisiert
werden.
Es ist enttäuschend zu sehen, welch dürftiges Gepäck
wir im Umweltbereich nach Johannesburg mitnehmen.
Auf dem Gipfel von Barcelona wurden erneut die alten
Fehler begangen, indem Wirtschaft, Soziales und
Umwelt nicht gleichberechtigt betrachtet wurden. Als
Beispiel sei hier die mangelnde Erwähnung der
großartigen
Möglichkeiten
genannt,
die
der
Umweltschutz als neue Quelle der Beschäftigung bietet.
Im Kapitel zu den vorrangigen Maßnahmen findet die
Förderung der umweltfreundlichsten Transportsysteme,
wie sie von diesem Hause oftmals eingefordert wurde,
keine Erwähnung.
Wir Sozialisten greifen diesen ausdrücklichen Willen zur
Einhaltung
der
in
Kyoto
übernommenen
Verpflichtungen freudig auf. Wir müssen jedoch
weiterhin nationale Pläne zur Erreichung dieser Ziele
fordern. Dies um so mehr, wenn wir berücksichtigen,
dass beispielsweise in Spanien, das zur Zeit den
Ratsvorsitz innehat, der Prozentsatz der Emissionen
bereits um 23 % überschritten ist.
Aus diesem Grunde sagen wir, dass es uns mit reinen
Absichtserklärungen nicht gelingen wird, ein Europa der
nachhaltigen Entwicklung aufzubauen.
20/03/2002
Ich möchte mit einem letzten Anliegen schließen: Der
Rat von Barcelona hat die ausgewogene Kombination
von Politiken durchbrochen, die wir seit Lissabon und
Göteborg
für
unantastbar
hielten.
In
den
Schlussfolgerungen stoßen wir erneut auf die bereits
überholte sektorspezifische Politikkonzeption, die einer
wünschenswerten Verknüpfung des ÖkonomischSozialen mit Umweltaspekten diametral entgegensteht.
Beschäftigung, Verkehr, Energie oder Forschung werden
wieder sektorspezifisch betrachtet, ohne dabei die
Umweltdimension einzubeziehen, und dies bedeutet
einen Rückschritt, auch wenn Herr Prodi behauptet, man
habe Fortschritte erzielt. Diesen Schritt zurück dürfen
wir nicht tun, ganz im Gegenteil: Lassen Sie uns noch
ehrgeiziger sein und Initiativen sowie konkrete Zeitpläne
auf den Tisch legen, denn daran hat es auf dem Gipfel
von Barcelona gemangelt. Wie Herr Jiménez-Beltrán,
Direktor der Europäischen Umweltagentur, gesagt hat:
„Die Europäische Union wird nachhaltig sein oder es
wird sie nicht geben“.
3-055
Schleicher (PPE-DE). – Herr Präsident, meine sehr
verehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zu meiner
Vorrednerin, der zu wenig Maßnahmen getroffen
worden sind, muss ich sagen, machen mir als
Abgeordnete und Vizepräsidentin des Konstitutionellen
Ausschusses die von den Regierungen vorgeschlagenen
Maßnahmen große Sorge. Zu den aufgezählten
Bereichen formuliert der Europäische Rat Zielvorgaben,
die teilweise deutlich in die Kompetenzen der
Mitgliedstaaten eingreifen. Auch wenn die offene
Koordinierung als besonders geeignete Politikmethode
für diese Politikfelder nicht mehr ausdrücklich erwähnt
wird, darf uns das nicht darüber hinwegtäuschen, dass
das Verfahren der Zielvorgaben und Leitlinien, deren
Umsetzung durch die Mitgliedstaaten einer Überprüfung
auf europäischer Ebene unterliegt, weiterhin angewandt
werden soll. Im Ergebnis ist das die offene
Koordinierung.
Dieses
Verfahren
ist
zutiefst
undemokratisch. Weder das Europäische Parlament noch
die nationalen Parlamente werden einbezogen. Dies ist
ein Verstoß gegen die geltenden Verträge.
Dies ist aber auch ein Affront gegen das von den
Regierungen in Laeken im Dezember 2001 formulierte
Ziel für die nächste Regierungskonferenz und
wichtigstes Thema des Konvents, die Abgrenzung der
Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und
den Mitgliedstaaten. Entlarvend ist unter dem
konstitutionellen Gesichtspunkt die Feststellung des
Rates von Barcelona, dass es für die europäische
Beschäftigungsstrategie einer Vereinfachung des
Prozesses bedarf, und dass dazu insbesondere die Zahl
der beschäftigungspolitischen Leitlinien verringert
werden muss. Ja, wer hat denn diesen Prozess
eingeleitet?
Deutlicher kann man die Notwendigkeit einer klaren
Kompetenzabgrenzung kaum dokumentieren. Ich kann
die Regierungschefs der Mitgliedstaaten nur auffordern,
sich an die durch die geltenden Verträge vorgegebenen
Kompetenzen zu halten und sich nicht Rechte
35
anzumaßen, die weder durch die nationalen
Verfassungen noch durch die europäischen Verträge
gedeckt sind. Die Mahnung des Rates an die
Mitgliedstaaten hingegen, eine Flexibilisierung der
nationalen Arbeitsmärkte herbeizuführen, wird mit
Sicherheit mehr bewirken als utopische europäische
Zielvorgaben und Leitlinien.
Neben der Inflation von Zielen sollten die
Regierungschefs der Mitgliedstaaten auch eine Inflation
von Räten vermeiden und sich auf realistische und durch
die Verträge gedeckte Aufgaben der Europäischen
Union konzentrieren.
3-056
Doyle (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte zu
Beginn dem Ratsvorsitz und den Staats- und
Regierungschefs der Europäischen Union für ihre
Unterstützung und ihren positiven Beitrag zu den
Bemühungen Irlands um die Zustimmung der
Bevölkerung zum Vertrag von Nizza danken. Das
Ergebnis des Referendums im Juni vergangenen Jahres
war eine große Enttäuschung, insbesondere auch im
Hinblick auf die geringe Beteiligung, die bei nur 30 %
lag.
Ich bin bestürzt über den Versuch unseres
Premierministers in Barcelona, wieder einmal die
Neutralitätskarte zu spielen, um so die Unterstützung für
den Vertrag von Nizza zu erhalten. Ich hoffe, die irische
Regierung wird sich ausreichend Zeit nehmen, um alle
unsere Bürger beim zweiten Anlauf sehr ausführlich
über den Vertrag zu informieren und nichts zu
verschweigen. Der irischen Bevölkerung wurden
bedauerlicherweise nur die wirtschaftlichen Vorteile der
EU schmackhaft gemacht und sie wurde nicht
ausreichend über die unbedingt erforderliche moralische
und politische Unterstützung der Länder Mittel- und
Osteuropas bei der Rückkehr in die europäische Familie
der Nationen informiert. Ich bin zuversichtlich, dass die
irische Bevölkerung nach einer umfassenden Aufklärung
über alle Aspekte dem Vertrag von Nizza zustimmen
wird und akzeptiert, dass dieser Vertrag eine notwendige
Vorsaussetzung für die Erweiterung der EU ist.
Wenn die Strategie unseres Premierministers darin
besteht, auf eine Erklärung des Europäischen Rates zu
pochen, die besagt, dass die militärische Neutralität
Irlands durch den Vertrag von Nizza nicht beeinträchtigt
wird, dann vermittelt er seinen Bürgern erneut ein
falsches Bild sowohl über den Vertrag von Nizza als
auch über die Rolle Irlands in der Partnerschaft für den
Frieden. Ich möchte, dass er Irlands Beteiligung an der
Partnerschaft für den Frieden uneingeschränkt
unterstützt und nicht dieses doppelte Spiel treibt. Dieses
Vorgehen ist jedoch nicht verwunderlich bei einer
Regierung, die in den vergangenen Jahren im Hinblick
auf die EU nie klar Stellung bezogen hat.
Schwierige
Regierung
Brüsseler
angelastet,
Themen, mit denen sich diese irische
auseinandersetzen muss, werden der
Bürokratie oder der Überregulierung
während alle positiven Nachrichten als
36
Erfolge der irischen Regierung dargestellt werden. Diese
Haltung, durch welche die Zukunft der noch jungen und
sich entwickelnden Demokratien in den mittel- und
osteuropäischen Ländern aufs Spiel gesetzt wird, hat in
Irland die negative Stimmung gegenüber Europa
verstärkt und reflektiert das Bild einer Regierung, die
kurzfristig denkt und nationale politische Interessen in
den Vordergrund stellt, nur um bei anstehenden Wahlen
ein paar Stimmen zu gewinnen.
Abschließend, Herr Präsident, möchte ich zu Protokoll
geben, dass Irland noch nie in seiner Geschichte neutral
war und wir es uns auch nicht leisten können, neutral zu
sein. Die Neutralität ist weder in unserer Verfassung
noch in unserem Gesetzesrecht verankert. Mehrere
frühere Premierminister aus dem politischen Lager, dem
auch die derzeitige Regierung angehört, wie zum
Beispiel DeValera, Lemass, Cosgrove und Lynch, haben
ausdrücklich erklärt, dass Irland traditionell keine Politik
der
Neutralität
verfolgt
und
außenpolitische
Entscheidungen fallweise getroffen werden. Irland ist
heute und war in der Vergangenheit im Grunde immer
ein blockfreies Land, das seinen eigenen bescheidenen
Beitrag zum Schutz des Friedens und der Sicherheit in
der Welt leisten möchte.
Dieser Status wird durch den Vertrag von Nizza in
keiner Weise beeinträchtigt. Das irische Parlament wird
darüber zu entscheiden haben, an welchen
Verteidigungseinsätzen unsere Streitkräfte teilnehmen.
Wir sind ein stolzes Volk und wir sind stolz auf die
langjährige Beteiligung unserer Streitkräfte an
friedenserhaltenden und friedensschaffenden Einsätzen
in den Krisengebieten der ganzen Welt. Ich glaube, dass
wir die irische Bevölkerung detailliert über unsere
gegenwärtige Sicherheits- und Verteidigungspolitik
informieren müssen. Wir müssen aufhören mit diesem
unehrlichen Spiel, das Fianna Fáil im Zusammenhang
mit dem Beitritt zur Partnerschaft für den Frieden
getrieben hat. Durch den Vertrag von Nizza ändert sich
die sich entwickelnde irische und europäische
Sicherheitsarchitektur nicht, aber dieser Vertrag ist der
notwendige nächste Schritt zur Überwindung der
historischen Teilung Europas, die durch Krieg und
Zerstörung entstanden ist.
3-057
Pérez Álvarez (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, Herr
amtierender Ratspräsident, meine Damen und Herren!
Zu dieser späten Stunde und nach all den
vorangegangenen Redebeiträgen entsteht der Eindruck,
die zu behandelnden Punkte seien größtenteils bereits
dargelegt worden. In meiner Eigenschaft als Mitglied
des Ausschusses für Beschäftigung und Soziale
Angelegenheiten dieses Parlaments möchte ich deshalb
meinen Vortrag auf einige wenige Fragen konzentrieren
und beschränken, die auf dem Gipfel von Barcelona
erörtert und entschieden wurden und die nach Ansicht
vieler den Erfolg des Gipfels erklären sowie die
geäußerte Meinung rechtfertigen, der Gipfel von
Barcelona sei einigermaßen gut verlaufen.
20/03/2002
Da sich nun bereits ein Ausweg aus dem
Wirtschaftsabschwung abzeichnet, besteht eine konkrete,
entschiedene Verpflichtung, die Strategie von Lissabon
erneut aufzugreifen und das dort festgelegte wesentliche
Ziel zu erreichen: die Vollbeschäftigung.
Den europäischen Bürgern fällt es bisweilen schwer zu
glauben, bzw. – andersherum betrachtet – sie neigen zu
der Meinung, Europa sei ständig damit beschäftigt zu
untersuchen, was in Zukunft zu tun sei, tatsächlich aber
werde wenig getan. Ich möchte nun gerade die auf dem
Gipfel von Barcelona getroffenen Entscheidungen und
übernommenen Verpflichtungen hervorheben, die nach
gebührender Erläuterung den nicht gerade begeisterten
Bürger veranlassen könnten, seinen Standpunkt zu
ändern.
Selbstverständlich besteht die Verpflichtung zur
Erreichung der Vollbeschäftigung mit mehr und
besseren Arbeitsplätzen und überdies mit einem
zeitlichen Rahmen innerhalb dieses Jahrzehnts; ebenso
ist da die Verpflichtung zu einer geringeren steuerlichen
Belastung niedrigster Einkommen, zur Verstärkung von
Maßnahmen, die zur Arbeitssuche motivieren sollen, zur
Eindämmung der Arbeitslosigkeit und natürlich zur
Schaffung von Anreizen für die Eingliederung der
Frauen in den Arbeitsmarkt durch verschiedene
Maßnahmen, von denen hier bereits einige aufgezeigt
wurden; da ist ferner die Strategie der flexiblen
Verlängerung der Lebensarbeitszeit mit Blick auf unsere
Bevölkerungsentwicklung, eine verbesserte Übertragung
sozialer Rechte und allgemeine Mobilität auf dem
Arbeitsmarkt. All dies sind Gefühle und Gedanken – und
folglich Entscheidungen –, durch die wir als europäische
Bürger mehr Europa erhalten und wahrnehmen, und wir
werden dies darüber hinaus auch über eine Stärkung der
Rolle der Sozialpartner erreichen, die uns allen eine
Mitverantwortung für die großartige Aufgabe überträgt,
dieses Europa aufzubauen, ein sehr viel solidarischeres
und deshalb gerechteres Europa.
3-058
de Miguel, Rat. – (ES) Danke, Herr Präsident. Ich habe
den Ausführungen aus dem ersten Redebeitrag des
Ratspräsidenten wahrlich nichts mehr hinzuzufügen,
insbesondere wenn man sieht, dass die meisten
Abgeordneten, die mir Fragen gestellt haben, hier nicht
anwesend sind. Ich möchte jedoch auf alle Fälle den
Fraktionsvorsitzenden der Volkspartei und der
Sozialistischen Partei, die wenigstens hier präsent sind,
ein Lob für ihre Professionalität aussprechen.
Ebenso möchte ich all jenen danken, die die
Bemühungen der spanischen Präsidentschaft in
Barcelona in einem positiven Licht gesehen haben.
Denjenigen, die sich in der ein oder anderen Weise
enttäuscht zeigten, möchte ich sagen, dass es logisch ist
und in der Natur der Dinge liegt, wenn die
Präsidentschaft der Union diese Aufgaben mit Ehrgeiz
angeht; gleichermaßen logisch ist auch, dass sich nicht
alle Ansprüche verwirklichen lassen, denn dies gehört
zum Alltag der Union, dies ist das Leben der Union seit
1955, und wir werden nun nicht gleich eine neue Union
20/03/2002
schaffen. Es besteht immer der Anspruch, bestimmte
Ziele zu erreichen, und dann sind in der Regel
Kompromisse zu schließen, wie es auch in diesem
Parlament geschieht, das auch nicht immer seinen
Ambitionen gerecht wird.
Deshalb halte ich angesichts der Bemühungen um eine
Anpassung unserer Ansprüche an die Wirklichkeit des
Lebens sowie an die politischen Notwendigkeiten die
Feststellung für gerechtfertigt, dass die Bilanz aus
Barcelona überaus positiv ausfällt.
Andererseits gab es Stimmen, die auf einige Punkte
besonderen Nachdruck legten. Diejenigen, die sich auf
bestimmte Aspekten versteift und andere nicht zur
Kenntnis genommen haben, verkennen den wahren Kern
der Strategie von Lissabon, denn die Strategie von
Lissabon stellt ein wohl ausgewogenes Gleichgewicht
zwischen Reform und wirtschaftlicher Liberalisierung,
sozialem
Zusammenhalt,
Bildungsund
Forschungsbedarf sowie nachhaltiger Entwicklung her.
Man kann bei den einen Themen nicht weiter vorgreifen
als bei den anderen; es muss einen harmonischen
Fortschritt geben, und ich glaube, es hat einen
harmonischen Fortschritt gegeben, denn in allen
erörterten Fragen wurden positive, grundlegende
Ergebnisse erzielt, die messbar sind und die sich in den
Schlussfolgerungen niederschlagen. Konkret ist mir die
wiederholte Kritik zu Ohren gekommen, die nachhaltige
Entwicklung habe nicht genügend Berücksichtigung
gefunden. Es überrascht mich, wenn hier gesagt wird,
die erstmalige Aussage der Union, sie beabsichtige und
verpflichte sich formal, das Kyoto-Protokoll zu
unterzeichnen, und gleichzeitig der in Monterrey erzielte
Kompromiss im Hinblick auf die Entwicklungshilfe
seien nicht ausreichend – zwei Punkte, die ich für
außerordentlich wichtig halte. Dies ist in meinen Augen
viel mehr, als irgend jemand erwarten durfte.
Wenn nicht weiter von Johannesburg gesprochen wurde,
so deshalb, weil der Europäische Rat von Barcelona
nicht weiter von Johannesburg sprechen kann, bevor
nicht die Vorbereitungen für Johannesburg in den
Vereinten Nationen begonnen haben. In Sevilla werden
wir uns eingehend über Johannesburg unterhalten, denn
dort soll der Union eindeutig das Mandat zur Vertretung
eines gemeinsamen Standpunktes erteilt werden. Was
zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus Barcelona vorliegt, ist
folglich ausreichend und wünschenswert.
Darüber hinaus möchte ich denjenigen, die ihre
Gedanken zu den Demonstranten dargelegt und dabei
den Demonstranten auf der Straße größere Bedeutung
beigemessen haben als dem übrigen Europäischen Rat,
die behaupteten, die Demonstranten verträten die
Zivilgesellschaft, in Erinnerung rufen, dass die
Demonstranten zwar in der Tat europäische Bürger sind,
dass jedoch hinter dem Europäischen Rat ebenfalls viele
Millionen schweigender Bürger stehen, und diese haben
für die Parteien gestimmt, die dort im Europäischen Rat
von den Regierungen vertreten werden und die wahre
Zivilgesellschaft darstellen. Dies ist die eigentliche
Zivilgesellschaft. Ich möchte denjenigen, die auf die
37
Straße gehen, ihre Legitimität nicht absprechen, doch
ebenso wenig darf man den anderen ihre Legitimität
absprechen, die über ihre politischen Parteien die
Regierungen als Entscheidungsträger unterstützen.
Ich glaube, viele von denen, die den Demonstranten auf
der Straße eine so große Bedeutung beimessen, haben
die großartige Lektion nicht gelernt, die die
europäischen Bürger mit der Annahme des Euro allen
Europäern erteilt haben. Es sind dieselben, die behauptet
haben, die Menschen hätten mit Europa und mit dem
Euro nichts im Sinn; deshalb hat auch die gesamte
europäische Bürgerschaft den Euro innerhalb von zwei
Wochen spontan und absolut freiwillig akzeptiert.
Aus diesem Grunde sind meiner Ansicht nach zahlreiche
Lehren im Hinblick darauf zu ziehen, was die Leute auf
der Straße denken, und man sollte nicht glauben, nur
diejenigen, die anlässlich des Europäischen Rates in
mehr oder weniger ausgeprägter Feststimmung
demonstrieren, besäßen die demokratische Legitimität
der Union, denn dies ist nicht der Fall. Abschließend
möchte ich übrigens noch das Entsetzen der
Präsidentschaft über die Äußerung des Vertreters von
Herri Batasuna zum Ausdruck bringen, der die
Ermordung eines italienischen Politikers durch die
Terrorgruppe der Roten Brigaden bedauert, jedoch
niemals die Ermordung unzähliger Opfer durch die
Terrorgruppe ETA bedauert hat, die von seiner Partei
politische Rückendeckung erhält.
3-059
De Palacio, Kommission. – (ES) Vielen Dank, Herr
Präsident. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass
die Ergebnisse von Barcelona meines Erachtens
insgesamt positiv waren - das kann niemand bestreiten -,
obwohl sich manch einer vielleicht noch mehr
versprochen hatte, während andere, wie wir heute hören
konnten, in einigen Punkten sogar weniger wollten, aber
insgesamt waren die Ergebnisse positiv.
Dies ist weitgehend der Arbeit von drei Institutionen –
dem Parlament, der Kommission und dem Rat – zu
verdanken, das heißt, es ist ganz einfach auf das gute
Funktionieren
der
Gemeinschaftsmethode
zurückzuführen, und ich glaube, dazu sollten wir uns
alle, die wir hier anwesend sind, als Erstes
beglückwünschen. Barcelona hat zu Ergebnissen
geführt. Dazu mussten entsprechende Fortschritte erzielt
werden, und wir haben über einen langen Zeitraum eng
zusammengearbeitet, wobei das Parlament einen
besonderen
Beitrag
geleistet
und
beachtliche
Anstrengungen unternommen hat, um diese Ergebnisse
zu ermöglichen.
In Spanien sagen wir, das Bessere ist der Feind des
Guten, und das möchte ich denjenigen zu bedenken
geben, die meinen, es sei zu wenig erreicht worden. Man
muss meines Erachtens die Ergebnisse in allen
Bereichen sehen, auch in der Außenpolitik, in so
wichtigen Fragen wie der Erklärung zum Nahen Osten,
ohne auf weitere Dinge eingehen zu wollen, die weniger
Sache der Kommission sind. Die Bilanz ist positiv, wenn
38
wir die ganz speziellen Zuständigkeiten der Kommission
im Bereich der Gemeinschaftspolitik betrachten, wenn
wir von den Fortschritten sprechen, die in der Frage der
Sicherung der Renten, der Arbeitsmarktpolitik, der
Integration der Märkte, der Verwirklichung von Europa,
beim Aufbau der physischen und räumlichen Strukturen
innerhalb des Gemeinschaftsgebiets, zum Beispiel durch
die
Zusammenschaltung
der
Energieund
Verkehrsnetze, sowie bei der Unterstützung der
Umweltpolitik erzielt wurden, nicht nur was den
eigentlichen Umweltschutz betrifft, bei dem es
außerordentlich wichtige Aspekte gibt, auf die Herr de
Miguel eben bereits hingewiesen hat, wie das Protokoll
von Kyoto oder die Verpflichtungen von Monterrey.
Dasselbe gilt für die konkreten Maßnahmen, wenn wir
beispielsweise, was den Verkehrssektor betrifft, von dem
Impuls sprechen, der in diesem Bereich – und damit
möchte ich auf einen der diesbezüglichen Redebeiträge
antworten für
die
umweltfreundlicheren
Verkehrsformen wie Eisenbahn und Seeverkehr gegeben
wurde.
Auch im Energiesektor wurden mit der Richtlinie zur
Energiebesteuerung
außerordentlich
bedeutsame
Fortschritte erzielt. Dieser Problematik kommt bei dem
Entwicklungsmodell, das wir in Europa fördern und das
weniger auf niedrigen Energiepreisen beruht - sondern
eher auf anderen Maßnahmen -, zweifellos eine
Schlüsselrolle zu. Mit Blick auf die erzielten Fortschritte
bleibe ich dabei, das Bessere ist der Feind des Guten, es
wurde
viel
Gutes
erreicht
und
die
Gemeinschaftsmethode hat funktioniert.
Abschließend kann ich als Politikerin, die mehr als
dreizehn Jahre Abgeordnete war – und ich hoffe, diese
Tätigkeit dank des Vertrauens der spanischen Bürger
eines Tages erneut ausüben zu können -, nicht umhin,
etwas klarzustellen: Es sind die demokratisch gewählten
Parlamente und Regierungen, die politisch legitimiert
sind. Punkt. Andere Einrichtungen wie die Vertretungen
der so genannten Zivilgesellschaft sind sehr wichtig, und
jeder Politiker, der weiterhin die Unterstützung der
Bevölkerung sucht, wird ihre Anliegen sehr wohl
berücksichtigen und dem, was diese gesellschaftlichen
Gruppierungen sagen, weitestgehend Rechnung tragen.
Es liegt jedoch auf der Hand, das wir die Demokratie
und die politische Legitimität der demokratisch
gewählten
Volksvertreter
nicht
durch
diese
Einrichtungen ersetzen können, so wichtig sie auch sein
mögen, denn es handelt sich hier um vollkommen
unterschiedliche Dinge, die man nicht durcheinander
bringen darf.
Es geht um andere Fragen. Hunderttausende Bürger
haben
friedlich
demonstriert,
wie
dies
bei
Demonstrationen dieser Art stets der Fall ist. Nur zum
Schluss traten dann wieder die uns bekannten
Randalierer
in
Aktion,
die
die
staatlichen
Sicherheitskräfte leider nicht schon im Vorfeld
abgefangen hatten. Und es gab ein paar Probleme. Aber
wir möchten nochmals betonen: Legitimiert sind dieses
Parlament sowie die nationalen Parlamente, legitimiert
waren ohne Zweifel der Europäische Rat mit den Staats-
20/03/2002
und Regierungschefs der 15 demokratischen Länder und
die Kommission, die an der Tagung teilnahm.
3-060
Der Präsident. – Zum Abschluss der Debatte sind dem
Präsidium sechs Entschließungsanträge zugegangen,
über die um 19.00 Uhr abgestimmt wird.2
***
3-061
Gorostiaga Atxalandabaso (NI). – (EN) Herr Cox hat
mich
aufgefordert,
meine
Bemerkung
zur
Geschäftsordnung
am
Ende
der
Aussprache
vorzubringen und deshalb bitte ich nun um das Wort.
3-062
Der Präsident. – Sie haben das Wort, Herr Gorostiaga,
zur Geschäftsordnung.
3-063
Gorostiaga Atxalandabaso (NI). – (EN) Gemäß
Artikel 122 werde ich mich darauf beschränken, die
Aussage eines wütenden spanischen Nationalisten vom
rechten Flügel zurückzuweisen, der gegen die
grundlegendsten
Regeln
der
parlamentarischen
Höflichkeit verstoßen hat. Es wäre völlig unannehmbar,
wenn ich diesen Kollegen als Sprecher derjenigen
bezeichnen würde, die in Spanien die Folter anwenden,
auch wenn es Beweise dafür gibt, dass in spanischen
Polizeihauptquartieren gefoltert wird.
Solche persönlichen Angriffe müssen in diesem Haus
ein für alle Mal unterbunden werden. Ich bin
zuversichtlich, dass Präsident Cox sein Möglichstes tun
wird, um derartige Vorfälle in Zukunft zu verhindern.
3-064
Salafranca Sánchez-Neyra (PPE-DE). – (ES) Herr
Präsident, ich werde Herrn Gorostiaga antworten, denn
ich gehe davon aus, dass er mich gemeint hat. Hier geht
es um Respekt und Respektlosigkeit, parlamentarische
Höflichkeit und Unhöflichkeit.
Ich möchte nur sagen, dass ich in meinem Redebeitrag
klargestellt habe, dass Herr Gorostiaga jedes Mal, wenn
das Parlamentspräsidium die feigen Morde der
Terrororganisation ETA nachdrücklich verurteilt, unter
Ausnutzung
der
Freiheit,
die
ihm
sein
Abgeordnetenstatus verleiht – der Freiheit, die seine
Freunde von der Terrororganisation ETA tagtäglich mit
Füßen treten -, die Gelegenheit nutzt, um zu
rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist.
Deshalb möchte ich lediglich die Frage stellen, wie
lange wir hier im Parlament solche Äußerungen noch
tolerieren müssen, die das Andenken der Opfer
beleidigen und der Haltung dieses Parlaments Hohn
sprechen?
3-065
2
Siehe Protokoll.
20/03/2002
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Salafranca. Diese
Geschäftsordnungsfrage wurde hinlänglich behandelt;
wir kommen nun zum nächsten Punkt der Tagesordnung.
39
höchstes Organ der demokratischen Debatte und der
Mitentscheidung in der Lage ist, über bloße ausführliche
Aussprachen oder die bloße Verteidigung konkreter
Standpunkte hinauszugehen.
3-066
Jährliche Strategieplanung der Kommission für 2003
3-067
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgen die
Erklärungen der Kommission und des Rates zur
jährlichen
Strategieplanung
der
Europäischen
Kommission für das Jahr 2003.
3-068
De Palacio, Kommission. – (ES) Herr Präsident, meine
Damen und Herren Abgeordneten! Am 27. Februar
dieses Jahres informierte Sie der Kommissionspräsident,
Herr Prodi, über die an diesem Tag angenommenen
Entscheidungen der Kommission, insbesondere über die
politischen Prioritäten der Kommission für das Jahr
2003 und den Personal- und Finanzbedarf der
Kommission.
Wie bei dieser Gelegenheit bereits erwähnt, beteiligen
sich die drei Institutionen in diesem Jahr erstmals an
einem ausführlichen Dialog über die politischen
Prioritäten und über das Rechtsetzungs- und
Arbeitsprogramm für das kommende Jahr.
Grundlagen dieses Dialogs sind die neue Vereinbarung,
die der Konferenz der Präsidenten am 31. Januar
vorgelegt wurde, und ein neues Verfahren der
Konsultation mit dem Rat.
Wir haben dem Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ am
4. März dieses Jahres die politischen Prioritäten für das
Jahr 2003 vorgelegt und sind derzeit dabei, unsere
Aktivitäten im Hinblick auf eine sinnvolle mittelfristige
Programmplanung systematisch mit dem griechischen
und dem italienischen Vorsitz zu koordinieren.
Unser Ziel ist es, die Programmplanung auf einen
politischen
Dialog
mit
den
Vertretern
der
Mitgliedstaaten und den Bürgern zu gründen. Dabei
stützen wir uns auf die Ausübung des Initiativrechts, das
der Vertrag ausschließlich der Kommission in einem
Verfahren, das eine möglichst umfassende Beteiligung
und Anhörung der verschiedenen Standpunkte
gewährleistet, zuerkennt.
Natürlich obliegt es letztendlich uns, der Kommission,
die Verantwortung wahrzunehmen, die uns – das sei
betont – der Vertrag zuweist. Wir werden dies jedoch in
einem Kontext tun, in dem die Ausübung dieses
Vorrechts nicht nur auf politisch verantwortliche,
sondern auch auf offene Weise erfolgt, in aller
Transparenz und in Anwesenheit von Stenografen, ohne
Listen mit „guten“ Absichten, über die irgendwo im
Verborgenen verhandelt wird.
In diesem Sinne fordere ich das Präsidium des
Parlaments und das Parlament insgesamt auf, sich im
Rahmen seiner politischen Tätigkeit weiterhin dafür
einzusetzen, dass die Institution des Parlaments als
Wie Ihnen bekannt ist, hat die Kommission für das Jahr
2003 insbesondere drei Prioritäten festgelegt: erstens die
Erweiterung, zweitens Stabilität und Sicherheit und
drittens eine solide und solidarische Wirtschaft.
Die Kommission hat sich seit Übernahme der
Amtsgeschäfte für den Erfolg des Erweiterungsprozesses
eingesetzt. Auch in der zweiten Hälfte unserer Amtszeit
wird die Erweiterung oberste Priorität genießen. In
dieser Hinsicht kommt dem Jahr 2003 entscheidende
Bedeutung zu: Wir müssen uns darauf vorbereiten, alle
Vertreter, sämtliche Kommissionsmitglieder aus den
neuen Mitgliedstaaten aufzunehmen, und wir müssen
uns den neuen Herausforderungen für die Union stellen.
Die Kommission hat jedoch auch beschlossen, einem
weiteren Tätigkeitsfeld Priorität einzuräumen, das vor
allem Stabilität und Sicherheit betrifft. Unser wichtigstes
Ziel innerhalb der Union ist die Schaffung eines
europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des
Rechts. Die Bekämpfung der Kriminalität in all ihren
Formen, einschließlich des Terrorismus - und es ist
heute angebrachter denn je, noch einmal darauf
hinzuweisen, dass es auch den Terrorismus zu
bekämpfen gilt –, ist und bleibt der wichtigste
Tagesordnungspunkt.
Der Zuwanderung mit all ihren komplizierten
Auswirkungen müssen wir nach wie vor besondere
Aufmerksamkeit widmen. Die Solidarität mit
denjenigen, die bessere Lebensbedingungen für sich und
ihre Familien anstreben, muss mit einer strikten und
geordneten Steuerung der Migrationsströme auf
europäischer Ebene einhergehen. Wir brauchen die
Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Überwachung der
Grenzen, einen Informationsaustausch und gemeinsame
Vorschriften für die Einreise und die Rückübernahme
von Einwanderern sowie eine Harmonisierung der für
alle geltenden Vorschriften für den Personenverkehr und
der Lebens- und Verhaltensnormen.
Auf außenpolitischer Ebene ist die Ausdehnung der
Stabilität und Sicherheit auf ganz Europa und auf die an
die erweiterte Union angrenzenden Regionen ein
wesentlicher Schwerpunkt. Deshalb ist es nach wie vor
notwendig, die Verbindung zu unseren Nachbarländern
zu stärken.
Unsere dritte politische Priorität für das Jahr 2003 ist
eine solide und solidarische Wirtschaft. Es gibt
Anzeichen dafür, dass sich die wirtschaftliche Lage in
nicht allzu ferner Zeit verbessern wird. Geschwindigkeit
und Stärke des Aufschwungs hängen jedoch auch vom
Engagement der Union bei der Umsetzung der
Lissabonner Strategie ab. Besondere Bedeutung kommt
der außenpolitischen Dimension dieser Strategie als
Beitrag zur Steuerung der Globalisierung zu. Wir
müssen darauf hinwirken, dass die Vorteile der
40
20/03/2002
wirtschaftlichen Erholung möglichst vielen Ländern
zugute kommen.
Handlungsschwerpunkte
ausgearbeitet werden.
Zu den politischen Prioritäten der Kommission zählt
auch die Überwindung unserer personellen und
finanziellen Engpässe, die keinen Aufschub mehr duldet.
So beschränkt sich die jährliche Strategieplanung nicht
auf die Festlegung der wichtigsten politischen
Prioritäten, sondern zielt auch darauf ab zu
gewährleisten, dass die Kommission über die
entsprechenden Ressourcen verfügt, um die betreffenden
Aufgaben wahrnehmen zu können. Wie Präsident Prodi
am 27. Februar dieses Jahres bereits gesagt hat, gedenkt
die Kommission kein Mandat zu übernehmen, ohne über
die dafür erforderlichen Mittel zu verfügen, weil wir
dann von vornherein zum Scheitern verurteilt wären.
Es sei mir jedenfalls schon jetzt gestattet, Ihnen im
Namen der ganzen Kommission für Ihren konstruktiven
und konkreten Beitrag zu einem möglichst optimalen
Vorgehen bei der Festlegung der Prioritäten für das Jahr
2003 zu danken.
Zurzeit sind wir nicht in der Lage, uns in angemessener
Weise auf die Erweiterung vorzubereiten, ohne unseren
Personalbestand aufzustocken. Deshalb hat die
Kommission nach eingehender Prüfung im Rahmen ihrer
jährlichen Strategieplanung 500 befristete Planstellen
beantragt. Es liegt auf der Hand, dass dies das Minimum
ist und bei weitem nicht zur Bewältigung der Aufgaben
ausreicht, die 2003 im Zusammenhang mit der
Erweiterung auf uns zukommen werden.
Bekanntlich verfügen wir aufgrund der derzeitigen
Obergrenze für die Verwaltungskosten nicht über die zur
Vorbereitung des Erweiterungsprozesses notwendigen
Mittel. Daher hält es die Kommission für erforderlich,
auf das Flexibilitätsinstrument zurückzugreifen. Es ist
zwar nicht das geeignete, aber nach unserem Dafürhalten
das einzige verfügbare Instrument.
Wir haben darüber hinaus zwei weitere große Aufgaben
- die Sicherheit und die Ausarbeitung einer auf
Nachhaltigkeit ausgerichteten Wirtschaftspolitik -, für
die die Kommission ebenfalls verantwortlich ist. Um
jedoch nicht eine weitere Personalaufstockung
beantragen zu müssen, haben wir beschlossen, nur die
Initiativen anzunehmen, die wir mit einer internen
Umverteilung des vorhandenen Personals durchführen
können, oder ganz einfach einige der laufenden
Tätigkeiten zu beenden. Dies ist ein Beleg dafür, dass
die Kommission ihre Prioritäten mit großer
Ernsthaftigkeit und Konsequenz wahrnimmt, ohne dabei
die Haushaltsdisziplin aus den Augen zu verlieren.
Was die finanziellen Mittel betrifft, so möchte ich daran
erinnern,
dass
die
Kommission
und
die
Haushaltsbehörde dringend eine strukturelle Lösung für
die chronisch unzureichende Mittelausstattung der
Rubrik 4 (externe Politikbereiche) finden müssen. In
Anbetracht des derzeitigen Sparkurses ist es uns faktisch
nicht möglich, unsere Aktionen zu optimieren.
Die
Kommission
stellt
heute
die
Handlungsschwerpunkte vor. Dieser Debatte werden
weitere Debatten in den einzelnen Ausschüssen folgen,
an denen die Kommissionsmitglieder gemeinsam mit
den in diesen Ausschüssen vertretenen Abgeordneten
teilnehmen
werden.
Dann
können
diese
weiter
konkretisiert
und
3-069
De Miguel, Rat. – (ES) Herr Präsident, meine Damen
und Herren Abgeordneten! Der Vorsitz hat den
Ausführungen der Vizepräsidentin, Frau de Palacio, über
die jährliche Strategieplanung der Kommission für das
Jahr
2003,
die
die
erste
Phase
des
Programmplanungszyklus für die von der Kommission
festgelegten Prioritäten darstellt, mit besonderer
Aufmerksamkeit zugehört. Es geht hier nicht nur darum,
diese Prioritäten festzulegen, sondern auch zu
untersuchen, wie die finanziellen und personellen
Ressourcen der Union optimal genutzt werden können.
Für besonders erfreulich halte ich die Tatsache, dass die
von der Kommission benannten Prioritäten, wie die
Erweiterung, Stabilität und Sicherheit und eine solide
und solidarische Wirtschaft, weitgehend mit den
Prioritäten übereinstimmen, die die Präsidentschaft und
die Europäische Union insgesamt festgelegt haben und
die vom Europäischen Rat von Barcelona, über den der
amtierende
Ratsvorsitzende,
der
spanische
Regierungschef, das Parlament soeben unterrichtet hat,
bestätigt wurden. Die Präsidentschaft begrüßt die
Absicht der Kommission, einen Dialog über die
vorgelegte Strategie auf den Weg zu bringen, bei dem
die Folgen für den Haushalt eine wesentliche Rolle
spielen müssen. Daher muss die Verknüpfung der
Debatte über die strategischen Prioritäten mit dem
Haushaltsverfahren für das Jahr 2003 sorgfältig
vorbereitet werden.
Der Rat hat bereits bei mehreren Gelegenheiten einen
Meinungsaustausch durchgeführt und vertritt die
Auffassung, dass der im Mai dieses Jahres stattfindende
Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ eine erste politische
Debatte über die strategischen Prioritäten der
Kommission für das Jahr 2003 in seine Tagesordnung
aufnehmen
könnte.
Ferner
könnten
die
haushaltspolitischen Aspekte, die nach Meinung des
Ratsvorsitzes auch die potenziellen Folgen der
Erweiterung, wie zum Beispiel die Kosten für die
erforderlichen Immobilien, einschließen sollten, zu
gegebener Zeit im Rahmen des Haushaltsverfahrens
untersucht werden.
Die Präsidentschaft schließt nicht aus, dass nach der
ersten politischen Debatte über die Strategie der
Kommission im kommenden Herbst, unter dänischem
Vorsitz, in geringerem zeitlichen Abstand zum
Beschluss über den Haushalt der Union eine weitere
Diskussion folgen wird.
Die Präsidentschaft bekräftigt ihre Bereitschaft, die von
der
Kommission
vorgeschlagenen
strategischen
20/03/2002
Prioritäten zu unterstützen und zu gegebener Zeit eine
eingehende Prüfung der Folgen für den Haushalt
vorzunehmen.
3-070
Elles (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Meine Fraktion
begrüßt es, dass diese Aussprache heute Abend
stattfindet, weil es uns damit zum ersten Mal gelungen
ist, eine Aussprache zur jährlichen Strategieplanung zu
einem
so
frühen
Zeitpunkt
innerhalb
des
Haushaltsverfahrens für das Jahr 2003 durchzuführen.
Die Tatsache, dass der Rat bei dieser Aussprache
zugegen ist - wenngleich er in diesem Moment vielleicht
nicht zuhört - ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass die
drei Gemeinschaftsorgane in der Tat koordiniert
zusammenarbeiten sollten.
Zunächst möchte ich feststellen, dass wir vor einer
wesentlichen Änderung des Ablaufs stehen, da uns
erstens eine Definition der politischen Prioritäten der
Kommission vorliegt, wir zweitens versuchen, das
richtige Verhältnis zwischen Aufgaben und Maßnahmen
für 2003 zu gewährleisten und wir drittens die Idee eines
verstärkten Dialogs zwischen den Organen begrüßen,
weil so gewährleistet werden kann, dass der Haushalt
tatsächlich gemeinsam beschlossen wird. Natürlich
beginnt diese Aussprache hier und heute, im März 2002.
Sind also die richtigen Prioritäten gesetzt worden? Für
eine Antwort hierauf ist es noch sehr früh, aber
festgelegt wurden Erweiterung, Stabilität und Sicherheit
sowie eine solide und solidarische Wirtschaft. Es ist sehr
schwierig, ein Thema zu finden, das nicht unter diese
drei großen Überschriften fällt, aber so, wie das
vorbereitet worden ist, werden wir in Aussprachen im
Parlament und in unseren Ausschüssen den richtigen
Weg finden, kundzutun, wo unserer Ansicht nach die
Prioritäten liegen.
Es wird mit Sicherheit Aussprachen geben, zum Beispiel
zur Erweiterung. Kann die Kommission tatsächlich wie
angekündigt die linguistischen und administrativen
Vorbereitungen für die Erweiterung im Jahr 2003
abschließen? Kann sie die Reform der Kommission
fortsetzen, so dass diese bis Ende 2004 vollständig
modernisiert ist? Solche Fragen werden wir zweifellos
stellen müssen, und dasselbe gilt für die Stabilität und
die Sicherheit. Es besteht der Wunsch, die Europäische
Behörde für Lebensmittelsicherheit einzurichten und sie
funktionsfähig zu machen. Soweit mir bekannt ist, ist
darüber noch nicht entschieden worden, und deshalb
müssen wir genau wissen, was wir in diesen
Aussprachen erreichen wollen.
Ohne Zweifel gibt es im Zusammenhang mit der
Schaffung einer soliden und solidarischen Wirtschaft
eine ganze Reihe unterschiedlicher Fragen, die sich auf
die verfügbaren Human- und Finanzressourcen beziehen.
Hierbei geht es um Ihre 500 Nicht-Dauerplanstellen, die
genauer von uns untersucht werden müssen.
Lassen Sie mich abschließend feststellen, dass diese
Aussprache zu begrüßen ist. In dem Dokument ist eine
41
Reihe klar umrissener Ziele aufgeführt, die es zu
erreichen gilt und an denen wir im Parlament und im Rat
mitarbeiten müssen. Hoffentlich werden wir das Jahr mit
der von uns angestrebten besseren Übereinstimmung von
Haushalt und legislativen Verfahren abschließen können.
Meine letzte Bemerkung betrifft den wichtigen Punkt
der Verfügbarkeit finanzieller Ressourcen. Im Dokument
ist klar formuliert, dass das Zahlungsvolumen
beschränkt sein wird, nicht nur, was die Rückzahlung
nicht abgewickelter Mittelbindungen anbelangt. Dies gilt
auch für Mittel an anderer Stelle im Haushaltsplan, um
sicher zu gehen, dass wir die erforderlichen Obergrenzen
nicht überschreiten. Deshalb wird 2003 ein
außerordentlich schwieriges Jahr werden, aber wir haben
früh genug angefangen, um die richtigen Lösungen zu
finden.
3-071
Swoboda (PSE). – Herr Präsident, Herr Ratspräsident,
Frau Vizepräsidentin der Kommission! Die Kommission
definiert als eine ihrer Prioritäten für das Jahr 2003 die
Erweiterung als Orientierungspunkt. Der Kollege Elles
hat das vielleicht etwas zynisch betrachtet. Ich erachte es
aber trotzdem für richtig und wichtig, denn es könnte
sonst der Eindruck entstehen, dass, wenn wir mit
hoffentlich zehn Kandidaten im Jahr 2002 die Verträge
abschließen, alles gelaufen ist. Die Sache ist unter Dach
und Fach. Dem ist aber sicherlich nicht so. Es würde
auch
den
Ratifizierungsprozess
und
den
Zustimmungsprozess in diesem Haus unterstützen, wenn
wir gerade im Jahr 2003 von der Kommission einige
Initiativen hätten. Zum Beispiel: Die neuen
Mitgliedsländer müssen auf ein vollberechtigtes
Mitwirken innerhalb der Europäischen Union vorbereitet
werden. Es muss auch das friedliche und
freundschaftliche Lösen von Konflikten eingeübt
werden. Hoffentlich nicht nur auf Zypern, sondern auch,
wenn ich die jüngsten Debatten gerade in diesem Haus
betrachte, zwischen der Slowakei und Ungarn oder der
Tschechischen Republik und Ungarn, und auch
Österreich und Deutschland sind ein bisschen davon
betroffen.
Es muss die ganze Kohäsionspolitik umgestellt und neu
strukturiert werden. Wir haben gerade heute ein Hearing
über das Weißbuch Verkehr gehabt. Es ist gut, das die
Vizepräsidentin anwesend ist. Wenn wir die
Transeuropäischen Netze wirklich ausbauen wollen und
ein Beitrag zur Kohäsion geliefert werden soll, dann ist
gerade im Jahr 2003 sehr viel zu tun.
Es muss die Umsetzungsfähigkeit in den zukünftigen
Mitgliedsländern im Verwaltungs- und Justizbereich,
zum Beispiel in der Frage der Betrugsbekämpfung, stark
unterstützt werden. Also ist das Jahr 2003, gerade
hinsichtlich der Erweiterung, ein sehr entscheidendes
Jahr. Man sollte das nicht unterschätzen.
Das Jahr 2003 wird aber auch ein Jahr sein, in dem wir
versuchen müssen, Ländern Antworten zu geben, die
nicht Kandidatenländer sind, die sich dies aber
überlegen. Die Ukraine ist so ein Land. Wir hatten Herrn
42
Schewardnadse hier und hatten einige Diskussionen
dazu. Auch in Russland gibt es Diskussionen. Wir haben
gerade in der letzten Stunde mit einer Delegation aus
Kroatien über Kroatien gesprochen. Das sind
Fragestellungen, die auf uns zukommen. Wir haben
bisher nichts unternommen, die Fragen der
Grenzziehungen in Europa bzw. das zu definieren, was
das Europa der Europäischen Union sein soll, weil es ein
Europa auch darüber hinaus geben wird. Also auch da
wird es im Jahr 2003 einige zumindest provisorische
Antworten geben müssen.
Man wird aber auch, und das ist ebenfalls eine Aufgabe
für das Jahr 2003, einige Visionen entwickeln müssen,
wie die verstärkte, organisatorisch abgesicherte
Zusammenarbeit mit jenen Ländern aussehen soll, die
nicht zur Europäischen Union gehören werden, aber
nicht einfach völlig außerhalb stehen. Russland ist ein
Beispiel, die Mittelmeerländer sind Beispiele. Hier ist es
wichtig, dass wir neue Ideen entwickeln, wie wir gerade
mit jenen Ländern zusammenarbeiten, die weder drinnen
noch ganz draußen sind. Genau diese Zusammenarbeit
wird auch sehr wichtig sein für die Stabilität und
Sicherheit, der zweiten Priorität, die auch erwähnt
wurde. Da muss man auch klar sagen, Europa muss
seine Hausaufgaben machen. Wir können uns nicht
immer auf die Vereinigten Staaten und deren
Interventionen verlassen. Wir wollen uns nicht immer
auf die Vereinigten Staaten und deren Interventionen
verlassen. Da müssen wir sicherlich auch die
Hegemoniebestrebungen der USA zurückdrängen, aber
da müssen wir dafür zu sorgen wissen, dass die Rolle
Europas eine stärkere sein muss, jedenfalls im
unmittelbaren Interessenbereich. Auch da wird das Jahr
2003, zum Beispiel für die Frage der Finanzierung
gemeinsamer Einsätze, ein wichtiges Jahr sein.
Frau Vizepräsidentin, die Kommission braucht natürlich,
um die Dinge durchzuführen, die sie sich vorgenommen
hat, erstens Geld - dazu wird mein Kollege sprechen -,
sie braucht menschliche Ressourcen, und sie braucht
auch innovatives Regieren und Regulieren. Leider
spricht die Frau Kommissarin gerade mit dem
Ratspräsidenten, den ich ebenfalls ansprechen möchte.
Vielleicht hat er kurz Zeit, zuzuhören. Herr Miguel, ich
wollte Ihnen etwas sagen. Vielleicht gibt jemand dem
Herrn Ratspräsidenten die Kopfhörer, damit er kurz
zuhören kann. Ich wollte Ihnen etwas zur Frage des
alternativen Regierens und Regulierens sagen. Ich danke
für die Antwort, die Herr Aznar gegeben hat, aber ich
bitte, ihm auch mitzuteilen, dass die Antwort in
Verfolgung seiner früheren Antwort in diesem Hause für
uns zwar ein kleiner Lichtblick, was die
interinstitutionelle Zusammenarbeit betrifft, aber
keinesfalls vollkommen befriedigend ist. Denn die
Anregung der Kommission und die Rede, die Präsident
Cox in Barcelona gehalten hat, haben klargemacht, wir
brauchen eine politische Absprache zwischen
Kommission, Parlament und dem Rat.
20/03/2002
Wenn sich die Regierungschefs mit anderen Formen des
Regierens beschäftigten - was ich begrüße -, dann glaube
ich, ist auch richtig, dass sich die Parlamentarier in
diesem Haus damit beschäftigen. Der Generalsekretär
kann etwas vorbereiten, aber entscheiden müssen
politische Instanzen, so auch dieses Parlament.
(Beifall)
3-072
Wallis (ELDR). – (EN) Vor zwei Jahren sprach ich im
Namen der Fraktion der Liberalen und Demokratischen
Partei
Europas
in
der
Aussprache
zum
Jahresgesetzgebungsprogramm. Damals kritisierte ich
das alte Verfahren aufs Schärfste und nannte es einen
Austausch von Wunschzetteln zwischen Parlament und
Kommission. Jetzt gibt es ein angemessenes Verfahren,
einen angemessenen interinstitutionellen Dialog. Vor
uns liegt eine umfassende Strategie, auf das vorrangige
politische Ziel der Erweiterung zugeschnitten, und
wenige von uns würden dem umfassenden Bild oder gar
dem frühzeitigen Bemühen widersprechen, die
Auswirkungen auf den Haushaltsplan deutlich zu
machen.
Jetzt wird das eigentliche Verfahren mit der
ausführlichen Prüfung in den Ausschüssen des
Parlaments beginnen, und dieser Tatsache ist größte
Bedeutung beizumessen. Endlich wird das Parlament so
einbezogen, dass das auch sinnvoll ist, und die
Ausschüsse werden ohne Zweifel daran gehen, ein
endgültiges Gesetzgebungsprogramm zu entwickeln.
Diese Änderung unserer Arbeitsmethoden kann man nur
begrüßen, denn damit wird es uns möglich sein, unsere
legislative Arbeit sehr viel besser zu planen und
vorzubereiten.
Darüber hinaus hatte der Ausschuss für Recht und
Binnenmarkt heute Vormittag ein historisches erstes
Treffen mit nationalen Parlamentariern, um das
Gesetzgebungsverfahren der EU und die Umsetzung des
Gemeinschaftsrechts zu diskutieren. Selbstverständlich
müssen die Kollegen in den nationalen Parlamenten
rechtzeitig erfahren, wann wir uns womit beschäftigen.
Das versetzt sie in die Lage, Zuarbeit zu leisten oder von
ihren Ministern über ihre Arbeit im Rat Rechenschaft zu
verlangen. Bei unserer Diskussion wurde deutlich, dass
Mitgliedstaaten, die ihren nationalen Parlamentariern
eine frühzeitige Beteiligung am Verfahren ermöglichen,
weitaus
weniger
Schwierigkeiten
haben,
Gemeinschaftsrecht umzusetzen. Ihre Bürger sind
zufriedener mit dem Verfahren, und für das, was getan
wurde, besteht eine höhere Legitimität. Das ist die Nähe,
die wir alle zu unseren Bürgern herstellen wollen,
glücklicherweise fegt jetzt ein frischer Wind durch unser
Gesetzgebungsverfahren.
Der
Konvent
wird
möglicherweise noch mehr frischen Wind bringen, aber
ich freue mich, dass die unsäglichen Wunschzettel vom
ersten Windstoß hinweggefegt worden sind.
3-073
(Beifall)
Stevenson (PPE-DE). – (EN) Die jährliche
Strategieplanung
für
2003
enthält
einige
Schlüsselinitiativen zur Entwicklung einer soliden und
20/03/2002
solidarischen Wirtschaft. Insbesondere möchte die
Kommission die Halbzeitbewertung der GAP und die
Reform der GFP in Angriff nehmen. Zusammen
verschlingen diese beiden wichtigen Politikbereiche die
Hälfte des Gesamthaushalts der EU, doch weder mit der
GAP noch mit der GFP ist es gelungen, die gesetzten
Ziele zu erreichen. So ist es nicht gelungen,
Arbeitsplätze zu sichern. Und es ist nicht gelungen,
einen angemessenen Lebensstandard im ländlichen
Raum zu sichern und Nachhaltigkeit zu erzielen.
Angesichts dieser Misserfolge ist eine radikale Reform
seit langem überfällig, und ich freue mich, dass solche
Vorschläge zentraler Bestandteil der politischen
Strategie für 2003 sind. Bereits Mitte April wird die
Europäische Kommission ihre Legislativvorschläge zur
Reform
der
Gemeinsamen
Fischereipolitik
veröffentlichen. Kernstück dieses Reformpakets wird
ohne Zweifel die Delegation von Kompetenzen sein, die
Übertragung
der
Fischereiverwaltung
an
Schlüsselakteure in den einzelnen Fischereizonen.
Wenngleich diese Ausschüsse, zumindest eingangs, nur
beratende Funktion haben werden, stellen sie durch die
Einbeziehung von Fischern, Wissenschaftlern und
Meeresökologen einen großen Schritt in Richtung
Dezentralisierung der Macht, weg von Brüssel und
zurück zu den unmittelbar Betroffenen dar. Angesichts
dramatisch sinkender Fischbestände, kleiner werdender
Fangflotten,
Arbeitsplatzabbau,
Stillegungen,
Betriebsunterbrechungen und Entlassungen ist die Zeit
reif für eine solche, sehr begrüßenswerte Initiative.
43
Verantwortungsbewusstsein gezeigt, indem sie die
aufgrund der plötzlichen Zuspitzung dieser Erscheinung
des politischen Verbrechens erforderlichen Maßnahmen
unverzüglich beschlossen haben.
Es sind andere Bereiche, in denen der Raum der Freiheit,
der Sicherheit und des Rechts nur zögerlich
vorankommt, was gewiss nicht der Verantwortung
dieses Parlaments und, um die Wahrheit zu sagen, auch
nicht der hauptsächlichen Verantwortung der
Kommission zuzuschreiben ist. Die Europäische Union
nimmt die ihr durch den Vertrag von Amsterdam in
Bezug auf die Einwanderungs- und Asylpolitik
übertragene Verantwortung nicht wahr, weil ihr der Rat
Hindernisse in den Weg legt; weil er unfähig ist, sich zu
den Kommissionsvorschlägen zu einigen, und sich
entschieden hat, das eine um das andere Mal einzelne
repressive Instrumente zu beschließen, die jede Politik in
diesem Bereich aushöhlen und, da sie einzeln
durchgeführt werden, unbrauchbar machen.
Es ist ein politisches Problem, wieder zu der
Entschlossenheit und Fähigkeit zurückzufinden, dieses
komplexe Thema mit zivilisierten Mitteln anzupacken:
Es umfasst die internationalen Beziehungen, die
gemeinsamen
Regeln
und
Instrumente
der
Grenzkontrolle, die Übernahme einer gemeinsamen
Verantwortung für die auf uns zukommenden
Belastungen, aber auch für die Ziele der uns durch die
Herausforderung der Integration gebotenen kulturellen
und wirtschaftlichen Bereicherung.
In der EU sind viel zu viele Fischer mit dem Fang von
viel zu wenig Fisch beschäftigt. Wir müssen die
Fangkapazitäten insgesamt um rund 40 % senken, aber
lassen Sie mich einen besonderen Appell an die
Kommission und den Rat richten. Bitten exportieren Sie
die Probleme der Überfischung und Überausbeutung der
Ressourcen nicht von der EU in Drittstaaten. Jüngste
Fallstudien aus Mauretanien und Senegal belegen, dass
die Bestände dort zurückgegangen sind. In Mauretanien
hat sich der Fang an Kraken in den letzten vier Jahren
halbiert. Einige Arten wie Sägefisch sind völlig
verschwunden. Ich begrüße die politische Strategie der
Suche nach soliden und solidarisch ausgerichteten
Zielsetzungen, aber wir wollen nicht vergessen, dass
solche Zielsetzungen innerhalb und außerhalb der EU
gleichermaßen gelten müssen.
Es ist jedoch auch ein institutionelles Problem. Die
Regel der Einstimmigkeit ist paralysierend, und die
mangelnde Mitentscheidung ist demokratiefeindlich. Es
ist erforderlich, die Grundsätze, auf denen die
Europäische Union beruht – Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit und somit die Unterwerfung unter die
juristische Kontrolle –, auf alle anderen die Sicherheit
und
Freiheit
der
Bürger
betreffenden
Interventionsbereiche auszudehnen. Die Einbindung von
EUROPOL in das institutionelle Gefüge der Union ist
nur ein Beispiel für dieses Erfordernis.
3-074
3-075
Paciotti (PSE). – (IT) Herr Präsident, in Bezug auf das
Thema des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des
Rechts erinnert uns die Kommission vor allem daran,
dass der Kampf gegen den Terrorismus nach wie vor im
Vordergrund steht. Dem können wir nur im vollen
Umfang zustimmen. Die barbarische Ermordung von
Professor Marco Biagi, gestern in Bologna, liefert uns
eine tragische Bestätigung für die Notwendigkeit dieser
Verpflichtung. Trotzdem müssen wir auch den heutigen
Ausführungen von Präsident Aznar beipflichten, wonach
wir schon heute über ausreichende Instrumente
verfügen, um den Terrorismus zu zerschlagen. Im
Übrigen haben alle europäischen Institutionen großes
Lehne (PPE-DE). – Herr Präsident, meine sehr
verehrten Damen und Herren! Wir haben hier wieder ein
Papier der Kommission vorliegen, von dem ich nur
sagen möchte, ich bin immer wieder erstaunt über die
Begabung der Beamten in der Kommission, die es
schaffen, 28 Seiten zu füllen, ohne wirklich irgendetwas
richtig Konkretes zu sagen. Das hat zumindest den
strategischen Vorteil, dass zum Schluss daran nicht mehr
festgehalten werden kann. Ich erlaube mir, sehr verehrte
Frau Kommissarin, dass das natürlich nicht für die von
Ihnen zu verantwortenden Kapitel gilt, aber für viele
andere Kapitel in diesem Papier und aus anderen
Papieren. Nichtsdestotrotz, wir haben es jetzt ja, und aus
Es wäre äußerst hilfreich, wenn die Kommission zu
diesen Themen ihren stichhaltigen Beitrag leisten bzw.
Vorschläge, auch zu dem soeben eröffneten Konvent
über die Zukunft Europas, unterbreiten könnte.
44
diesem Grunde, denke ich, sollte man auch etwas dazu
sagen. Was die Fragen des Binnenmarktes angeht, so
kann ich nur aus meiner Erfahrung der zurückliegenden
Jahre in diesem Hause sagen, wir sind noch weit davon
entfernt, einen wirklich effektiv in allen Bereichen
funktionierenden Binnenmarkt zu haben.
Hier gibt es nach wie vor große Defizite. Ich bin der
Meinung, dass die Kommission es zu einem ihrer
Hauptschwerpunkte der Arbeit im Jahr 2003 machen
sollte, sich auf die Beseitigung dieser Defizite zu
konzentrieren. Wir haben gerade im Ausschuss für Recht
und Binnenmarkt in zweiter Lesung die Richtlinie über
den Fernabsatz in Finanzdienstleistungen debattiert. Hier
ist beispielhaft wieder deutlich geworden, dass es zum
Beispiel für den Versicherungsbereich überhaupt gar
keinen funktionierenden Binnenmarkt gibt, sondern nach
wie
vor
in
sich
abgeschottete,
nationale
Versicherungsmärkte. Es gibt nach wie vor, ich sagte es
schon, erhebliche Defizite.
Das gleiche Problem haben wir, und das ist aus den
Berichten der Kommission deutlich geworden, bei der
Umsetzung
der
Dienstleistungsund
der
Niederlassungsfreiheit, auch in anderen Sektoren. Wir
haben einen Bericht der Kommission vorliegen, der auch
schon einmal im Ausschuss beraten wurde und der jetzt
irgendwann wohl zu Weiterungen führen wird, in dem
einzelne
Defizite
aus
dem
Bereich
der
Dienstleistungsfreiheit angesprochen worden sind. Ich
will jetzt nicht auf die Beispiele eingehen, das lässt die
Zeit nicht zu. Aber meine Bitte an die Kommission ist
die, hier konsequent weiterzumachen und dafür zu
sorgen, dass wir am Ende tatsächlich einen
funktionierenden europäischen Binnenmarkt bekommen.
Ein letzter Punkt, der auch heute Morgen bei dem
Treffen
mit
den
nationalen
Parlamentariern
angesprochen wurde: Das Parlament hat im Januar einen
Bericht zu den weiteren Schritten bei der Annäherung
des Zivil- und Handelsrechts beschlossen. Ich bitte die
Kommission und insbesondere die verantwortlichen
Kommissare, in diesem Bereich Fortschritte zu machen,
baldmöglichst bereits mit einem Grün- oder einem
Weißbuch zu kommen, damit wir konkret wissen, wie es
weitergeht. Das ist, glaube ich, ganz entscheidend, damit
der Binnenmarkt nicht nur für die großen Unternehmen
besteht und funktioniert, sondern auch der Verbraucher
und der Mittelstand die Möglichkeit hat, in vollem
Umfang die Optionen, die der Binnenmarkt bietet, zu
nutzen. Wir machen den Binnenmarkt vor allem für
unsere Bürger und nicht nur für die großen
Unternehmen. Ich bitte deshalb, dass in diesem Bereich,
ich sage einmal, mit verstärkter Kraft und verstärkter
Energie weitergearbeitet wird, auch gegen manche
Widerstände, die es erfahrungsgemäß in manchen
Mitgliedstaaten immer gibt.
3-076
Roth-Behrendt (PSE). – Herr Präsident! Ich habe
gelernt, dass es sinnvoll ist, Lob und Tadel miteinander
zu verbinden und dass das pädagogisch wertvoll ist.
Deshalb fange ich mit dem Lob an, Frau Kommissarin.
20/03/2002
Es ist gut, dass wir endlich eine sehr frühzeitige und
rechtzeitige Debatte über eine Strategieplanung haben
und dass es diesen Dialog zwischen Kommission und
Europäischem Parlament und dem Fachausschuss des
Europäischen Parlaments rechtzeitig gibt. Ich nehme
extra diese beiden Institutionen, denn der Rat spielt für
mich keine Rolle. In Barcelona haben wir gesehen, dass
der Rat seine eigene Tagesordnung beschließt und
macht, was er will und ein besserer Fachrat ist. Deshalb
ist der Dialog zwischen Ihnen, Frau Kommissarin, als
Repräsentantin der Kommission und dem Europäischen
Parlament das Einzige, worum es hier geht.
Dann kommt auch gleich der Tadel. Das kann ich Ihnen
als optimistisches Signal mitgeben, Frau Kommissarin:
Wenn es irgendwann darum gehen soll, ein mangelhaftes
Produkt zu verkaufen, bewerben Sie sich doch um diese
Stelle! Sie können dann versuchen, das zu machen. Sie
haben versucht, Ihr Bestes zu tun für ein Dokument, das
ich nicht verstanden habe. Ich bewundere jeden, der
dieses Dokument gelesen und die einzelnen Sätze in
ihrer Sinnhaftigkeit verstanden hat. Ich habe mir
überlegt, was braucht man, um da irgendetwas zu
finden? Braucht man einen Blindenhund? Braucht man
einen Bernhardiner, der unter Lawinen noch irgendetwas
Lebendiges findet? Irgendetwas dieser Art müsste man
haben, Frau Kommissarin. Sie haben es als Kommission
verstanden, irgendetwas überall zu erwähnen. Das Wort
Verbraucherschutz taucht auf, und das Wort
Nachhaltigkeit taucht überall auf, wo man es nur
anbinden kann: nachhaltiger Verkehr, nachhaltige
Wirtschaft. Alles ist nachhaltig.
Was Sie allerdings machen wollen und was Ihre
Prioritäten sind, das hat sich mir nicht erschlossen. Ich
habe an keiner Stelle verstehen können, was sind
wirklich Ihre Prioritäten? Ja, Erweiterung, ja,
nachhaltige Wirtschaft, ja, vielleicht auch Sicherheit und
Stabilität. Aber wie Sie das erreichen, verstecken Sie
hinter blumigen Sätzen, Frau Kommissarin. Gehen Sie
bitte deshalb nach Hause, sagen Sie Ihren Kolleginnen
und Kollegen Kommissaren, denen wir das alle auch
noch sicher persönlich sagen: Macht eure Hausaufgaben
nächstes Jahr besser! Wir als Parlament sind jetzt
aufgefordert, das, was Sie dort als Rahmen geliefert
haben, mit einem vernünftigen Inhalt zu versehen. Das
hier würde als eine Klassenarbeit mit der Unterschrift
versehen werden: „Ein guter Versuch, nächstes Mal bitte
besser“. Und das sage ich Ihnen auch.
3-077
Goepel (PPE-DE). – Herr Präsident! Man muss sich
schon redlich bemühen, um in dem 28-seitigen
Strategiepapier der Kommission für 2003 das Politikfeld
der Landwirtschaft und der ländlichen Entwicklung
überhaupt wiederzufinden. Ganze dreimal, verteilt auf
drei Seiten kann man das Wort „Landwirtschaft“ finden.
Das liegt vielleicht auch daran, dass Agrarpolitik noch
nicht dem Legislativverfahren der Mitentscheidung
unterliegt. Dabei haben wir solche Themen wie
Erweiterung, WTO-Verhandlung, Haushaltsentwicklung
und die Halbzeitbewertung nun erstmals strategisch zu
bewerten.
20/03/2002
Die
Erweiterung:
2003
will
man
die
Beitrittsverhandlungen mit den Kandidatenländern
abschließen, dann könnte die Erweiterung ab 2004
beginnen. Uns allen ist wohl klar, welche gewaltige
Arbeit in den Kapiteln Landwirtschaft und ländliche
Entwicklung 2003 von Kommission, Parlament und Rat
zu leisten sind. Insofern wird die Erweiterung auch für
die Landwirtschaft eine Hauptpriorität im Jahre 2003
sein und viel Verhandlungsgeschick erfordern. Was
noch zu erledigen ist, hat die gestrige Anhörung im
Haushaltsausschuss zu diesem Thema deutlich gemacht.
Ein enger Dialog mit dem Ausschuss für Landwirtschaft
und ländliche Entwicklung ist somit genauso
erforderlich wie die Notwendigkeit einer besseren
Mittelausnutzung bei den Heranführungsbeihilfen im
Rahmen der Erweiterung. Bei der WTO spielt die
Landwirtschaft eine Schlüsselrolle. Also, liebe
Kommission, wir erwarten eine kontinuierliche
Information und Aussprache zum Fortgang der WTOVerhandlungen. Sie sprechen selbst auf Seite 14 Ihres
Wahnsinnspapiers
von
der
entscheidenden
Verhandlungsphase.
Zum Haushalt: Nach dem Abstimmungsergebnis im
Färm-Bericht, oder ganz konkret gesagt, der vom
Plenum angenommenen Leitlinie 9, soll sichergestellt
sein, soweit wie möglich, die Änderung der
Halbzeitbewertung bereits im Haushalt 2003 zu
berücksichtigen. Eine ganz einfache Feststellung, die
viel Kopfzerbrechen bereiten wird, vor allem vor dem
Hintergrund, da die Mitgliedstaaten in zunehmendem
Maße damit rechnen, erhebliche, nicht in Anspruch
genommene
Mittel
aus
dem
Agrarhaushalt
zweckgebunden zurückzubekommen. Treu nach dem
Motto: „Unter Umständen könnte das ja den einen oder
anderen vor einem Blauen Brief aus Brüssel bewahren!“
Die strategische Forderung für 2003 kann deshalb nur
sein, volle und effizientere Ausnutzung des
Agrarhaushalts und das bei flexibler Verwendung der
Mittel für neu zu schaffende Programme in der
ländlichen Entwicklung. Eine ganz wichtige Forderung:
Es müssen mehr beihilfewürdige Qualitätsaspekte in die
gemeinsame Agrarpolitik hinein. Ausgleichzahlungen
unter diesem Aspekt verstehen auch Nicht-Landwirte.
3-078
Färm (PSE).  (SV) Herr Präsident! Als Verfasser der
Stellungnahme zum Haushaltsplan 2002 möchte ich
hierzu einige Anmerkungen machen.
Erstens kann ich mich der Kritik von Frau RothBehrendt nicht ganz anschließen. Meiner Ansicht nach
ist es wichtig, dass wir nun eine jährliche
Strategieplanung besitzen, die gleichzeitig die Leitlinie
der Kommission für den Haushalt des kommenden
Jahres darstellt. Im Gegensatz zum jetzigen Verfahren,
in dem alle Institutionen ihre Leitlinien im Frühjahr
einreichen, besteht nun die Hoffnung, dass die
Kommission in ihren Entwurf des Haushaltsplans auch
Anregungen von Rat und Parlament einfließen lässt. Das
würde eine deutliche Verbesserung darstellen.
45
Zweitens haben mehrere Redner darauf verwiesen, dass
das Legislativprogramm der Kommission und die
Haushaltsaspekte stärker miteinander verknüpft werden
müssen. Bisher war es leider oftmals so, dass wir
Gesetzesentwürfe, Vorschläge für neue Programme und
Ausgaben, die Schaffung neuer Institutionen u.s.w. auf
den Tisch bekommen haben, ohne dass dabei deren
finanzielle Auswirkungen und das Haushaltsverfahren
berücksichtigt wurden. Das gilt nicht zuletzt für die
zahlreichen Verpflichtungen, die auf außenpolitischem
Gebiet eingegangen werden. Hier bleibt noch eine
Menge zu tun, aber das diesjährige Verfahren ist
dennoch ein Schritt in die richtige Richtung.
Drittens können wir uns zumindest über den Abschnitt
zur interinstitutionellen Zusammenarbeit freuen. Eine
derartige
Zusammenarbeit
sowie
gegenseitiges
Vertrauen ist entscheidend für eine gut funktionierende
Union.
Deshalb sind wir zutiefst beunruhigt über die
Informationen, die wir erhalten haben, dass der Rat die
neue Haushaltsordnung diskutiert, die darauf
hinausläuft,
den
Einfluss
des
Parlaments
zurückzudrängen. Im Haushaltsausschuss des Rates wird
darüber nachgedacht, unsere Möglichkeiten zur
Einstellung von Mitteln in die Reserve, zur
Einflussnahme
auf
die
Berichtigungsund
Nachtragshaushaltspläne usw. einzuschränken. Wenn
der Rat diese Linie weiter verfolgt, gefährdet er das
institutionelle Gleichgewicht in einer Weise, die das
Parlament nie freiwillig akzeptieren wird.
Lassen Sie mich viertens noch eine Sachfrage
ansprechen. Es ist erfreulich, dass alle Institutionen jetzt
die Erweiterung als die gegenwärtig wichtigste Aufgabe
betrachten. Ich hoffe, wir können uns bereits beim
Vermittlungsverfahren zum Haushaltsplan im Juli zu den
Verwaltungskosten einigen. Die Förderung von
Bauvorhaben, die Lösung der Sprachenfragen, die
Entscheidung über das einzustellende Personal und die
Vorbereitung von Vorschriften, die die Aufnahme von
Beobachtern in unsere Fraktionen ermöglichen, würden
zu einer Erleichterung der Vorbereitungen beitragen.
Wenn alle Institutionen diese Fragen als wichtig
betrachten und so ihren Beitrag leisten, haben wir
tatsächlich eine Chance, bereits im Juli eine solche
Vereinbarung zu erreichen. Das wäre eine große
Leistung.
Ferner hoffe ich, dass die Kommission noch vor
Abschluss der Beitrittsverhandlungen ausführliche
Gespräche über die langfristigen finanziellen Folgen der
Erweiterung mit dem Parlament einleitet. Ich glaube
wirklich an die Erweiterung, aber wir dürfen den
Steuerzahlern nicht verschweigen, dass das auch mit
Kosten verbunden ist. Dies muss ernst genommen
werden.
3-079
46
20/03/2002
De Palacio, Kommission. – (ES) Herr Präsident, auch
wenn es angesichts der im Plenarsaal herrschenden
Unruhe untergehen sollte, möchte ich allen
Abgeordneten, auch Frau Roth-Behrendt, danken, die
sich die Mühe gemacht haben, die achtundzwanzig
Seiten zu lesen. Ich denke, dass Ihnen die Lektüre etwas
gebracht hat, wie Herr Swoboda schon sagte. Denn die
Tabellen in Kapitel 3 Absätze 3.1, 3.2 und 3.3 enthalten
konkretere Angaben zu den politischen Vorschlägen für
das kommende Jahr.
Entschließungsantrag RC B5-0180/20023 zu den
Ergebnissen des Europäischen Rates (Barcelona 15.
/16. März 2002)
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
Der Präsident. – Die Abstimmung ist geschlossen.
Erklärungen zur Abstimmung
3-085
Ich möchte darauf hinweisen, dass das Haushaltsjahr
gerade begonnen hat. Nun folgt die Zeit der
Diskussionen,
des
Dialogs
der
einzelnen
Kommissionsmitglieder
mit
den
verschiedenen
Ausschüssen, und dann werden wir weiterarbeiten, um
nach den letzten Debatten im Herbst das Verfahren im
November mit der förmlichen Vorlage durch den
Präsidenten der Kommission im Plenum abzuschließen.
Ich möchte nochmals allen Abgeordneten meine
Anerkennung und meinen Dank für ihre Arbeit
aussprechen und der Hoffnung Ausdruck geben, dass der
Versuch, den wir mit der heutigen Debatte auf den Weg
bringen, dem Funktionieren der Institutionen, des
Parlaments, des Rates und der Kommission, zuträglich
sein wird. Ich hoffe, dass dieser Versuch zu guten
Ergebnissen führt und wir am Ende das Gefühl haben,
bei der interinstitutionellen Zusammenarbeit einen
Schritt vorangekommen zu sein.
3-080
Der Präsident. – Vielen Dank, Frau Kommissarin.
3-081
Swoboda (PSE). – Herr Präsident! Da ich eine kritische
Bemerkung gegenüber den Aussagen von Herrn
Premierminister Aznar gemacht habe, möchte ich mich
doch beim amtierenden Ratspräsidenten, der hier
vertreten ist, bedanken, dass er - zumindest mir
gegenüber - klargestellt hat, dass es dem Parlament
obliegt,
seine
politischen
Vertreter
der
interinstitutionellen Arbeitsgruppe zu entsenden. Das ist
eine Klarstellung. Das wollte ich hiermit generell
bekannt geben.
(Beifall)
3-082
VORSITZ: PATRICK COX
Präsident
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
3-083
Abstimmungen
3-084
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Abstimmung.
Dehousse (PSE). – (FR) Herr Präsident, man sollte zur
Erbauung
der
Schüler
die
enthusiastischen
Entschließungen des Europäischen Parlaments über die
einzelnen Gipfel und die schonungslose Kritik, die ein
absolut glaubwürdiger Zeuge – denn es handelt sich um
Javier Solana – an der Arbeitsweise der
Gipfelkonferenzen vorgebracht hat, veröffentlichen. Es
geht um die heutige Entschließung ebenso wie um
andere. Sie soll in der Öffentlichkeit Begeisterung
auslösen. Wir unsererseits kennen die realen Fakten und
stellen fest, dass ein Europa, das nicht sozial ist, nicht
das unsere ist.
3-086
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, ich habe die
Entschließung zu den Ergebnissen der Tagung des
Europäischen Rates in Barcelona nicht abgelehnt, weil
ich ein überzeugter Anhänger des Europagedanken, weil
ich für Europa bin. Ich habe jedoch auch nicht dafür
gestimmt, Herr Präsident, weil dieses Dokument,
insbesondere diese Mitteilung und die Ergebnisse der
Tagung des Europäischen Rates in Barcelona, etwas
enthalten, was mich nicht überzeugt. Wollen Sie wissen,
was das ist? Die fünfzehn Staats- und Regierungschefs
haben sich darauf geeinigt, die Arbeitnehmer fünf Jahre
länger arbeiten zu lassen, indem das durchschnittliche
Erwerbsalter von 57 Jahren auf 62 Jahre angehoben
wird. Diesen guten Vorsatz haben sie öffentlich
verkündet. Tüchtig, tüchtig! Das ist gut! Aber bevor man
die Arbeitnehmer, die einen Arbeitsplatz haben, länger
arbeiten lässt, sollte man sich da nicht lieber damit
befassen, den Arbeitslosen, von denen es so viele,
darunter vor allem Jugendliche, gibt, einen Arbeitsplatz
zu verschaffen? Solange es in Europa auch nur einen
einzigen Arbeitslosen gibt, ist die Rentnerpartei gegen
eine Anhebung des Renteneintrittsalters, sei es auf
freiwilliger Basis, wie das geschehen sollte, oder sei es
auf obligatorischer Grundlage.
3-087
Tannock (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich und
viele Kollegen der Konservativen bzw. der europäischen
Demokraten haben sich deshalb insgesamt der Stimme
enthalten, weil Ziffer 37 in unannehmbarer Weise auf
die Gespräche zwischen dem Vereinigten Königreich
und Spanien zur Zukunft Gibraltars Bezug nimmt. Bei
diesen Gesprächen werden die Ansichten der 30 000
Einwohner Gibraltars, die eindeutig ihre souveräne
3
Eingereicht von den Abgeordneten Poettering und anderen im Namen
der PPE/DE-Fraktion, Hughes und Sakellariou im Namen der PSEFraktion, und Muscardini im Namen der UEN-Fraktion zur Ersetzung
der Entschließungsanträge B5-0180, 0181 und 0184/2002 durch einen
neuen Text.
20/03/2002
Bindung an Großbritannien erhalten wollen, überhaupt
nicht berücksichtigt. Die Labourregierung des
Vereinigten Königreichs hat wenig Interesse daran, sich
für sie einzusetzen, und hat Gibraltar mitgeteilt, es
würde marginalisiert und finanziell unter Druck gesetzt,
um die strategischen Zielsetzungen des Vereinigten
Königreichs und Europas zu erfüllen, sollte es das
Ergebnis der Gespräche nicht hinnehmen.
Ich meine, wenn es dazu kommt, sollte Gibraltar
Selbstbestimmung anstreben, oder eine Lösung nach
dem Vorbild Andorras. Wenn die spanische Regierung
damit nicht einverstanden ist, sollte sie bedenken, wie
sie reagieren würde, wenn Portugal auf seinem
vertraglichen Recht bestehen würde, Olivenca von
Spanien zurückzuerhalten, oder Marokko auf der
Übernahme von Ceuta und Mellila bestünde.
3-088
Alyssandrakis (GUE/NGL). schriftlich. – (EL) Die
Kommunistische Partei Griechenlands begrüßt es, dass
Hunderttausende von Demonstranten ihren Widerstand
gegen die Politik der Europäischen Union, gegen eine
Politik, die zu Verarmung und Arbeitslosigkeit führt und
Privatisierung und Liberalisierung anstrebt, zum
Ausdruck gebracht haben. Die Massenkundgebungen
senden eine optimistische Botschaft aus, sie zeigen, in
welchem Maße die Volksbewegung den Kampf für die
Abwendung der volksfeindlichen Politik verstärkt.
Die Staats- und Regierungschefs der EU ihrerseits haben
verkündet, dass sie der Armut und Arbeitslosigkeit mit
der Förderung des Unternehmergeistes, der Kürzung der
staatlichen
Beihilfen,
der
Verbesserung
der
Beschäftigungsfähigkeit und der Flexibilisierung der
Arbeit begegnen wollen. Dabei haben sie nicht
versäumt, ihre Ziele für eine rasche Reformierung der
Rentensysteme und die Anhebung des Rentenalters um
fünf Jahre bis 2010 zu bekräftigen! Das also ist das
berühmt-berüchtigte „Sozialmodell“, das angeblich
Vollbeschäftigung bringen und die EU gleichzeitig zur
weltweit
stärksten
und
wettbewerbsfähigsten
Wirtschaftsmacht machen soll.
Die gegensätzlichen Auffassungen der Staats- und
Regierungschefs verhinderten zu diesem Zeitpunkt den
vollständigen Ausverkauf des Energiesektors an das
Privatkapital.
Einvernehmen
demonstrierten
sie
allerdings in ihrer Haltung zur Lage im Nahen Osten,
wobei sie erklärten, die Palästinensische Behörde trage
die volle Verantwortung für die Bekämpfung des
Terrorismus,
und
Israel
in freundschaftlicher
Verbundenheit korrektes Verhalten bescheinigten.
Einhelliges Schweigen herrschte zu den Drohungen der
USA gegenüber dem Irak und den Plänen zur
Entwicklung neuer Kernwaffen. Ungeduldig drängten
sie darauf, die geplante Aufstellung der „Europäischen
Armee“ umzusetzen, um somit die NATO in der
Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien
ablösen zu können.
Da die Entschließung des Europäischen Parlaments die
volksfeindliche
Politik
lobpreist,
haben
die
47
Abgeordneten
der
Kommunistischen
Partei
Griechenlands im Europäischen Parlament dagegen
gestimmt.
3-089
Berthu (NI), schriftlich. – (FR) Der Europäische Rat
von Barcelona vom 15. und 16. März dieses Jahres
gehört zu den „technischen Gipfelkonferenzen“, auf
denen Entscheidungen getroffen werden, ohne dass
jemand davon Notiz nimmt. Im gegenwärtigen Fall
handelt es sich jedoch weniger um Entscheidungen als
um
eine
schrittweise
Verstärkung
von
Disziplinierungsmechanismen,
denen
die
Mitgliedstaaten auf wenig demokratische Weise
unterworfen werden.
Vor dem Rat hat Romano Prodi an die Staats- und
Regierungschefs ein Schreiben verschickt, in dem
aufgeführt ist, was – so wörtlich – die Kommission vom
Europäischen Rat von Barcelona erwartet. Hier handelt
es sich um eine besonders kühne Umkehrung der
jeweiligen Rollen.
In diesem Brief findet sich insbesondere ein Appell zur
Verstärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung,
wozu ich meine Meinung bereits in der Aussprache
dargelegt habe, sowie die Forderung nach einer
strikteren
Umsetzung
der
europäischen
Rechtsvorschriften durch die Mitgliedstaaten. Der Rat
hat diese beiden Punkte in seine Schlussfolgerungen
übernommen, ohne sich irgendwelche Fragen zu stellen,
insbesondere nicht zur unabdingbaren Rolle der
nationalen Parlamente bei der Umsetzung.
(Beitrag gekürzt in Anwendung von Artikel 137 Absatz 1
der Geschäftsordnung)
3-090
Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Wie es in
der Entschließung der Fraktion der Vereinigten
Europäischen Linke, der wir angehören, heißt, hat sich
der Gipfel mit sehr wichtigen Themen befasst, vor allem
in Bezug auf die Fortsetzung und Beschleunigung der
Privatisierungen, der Liberalisierung und Deregulierung
in
den
Bereichen
Energie,
Verkehr
und
Telekommunikation, und bei wichtigen Aspekten der
Rechte der Arbeitnehmer. Zugleich beharrte man auf
einer strikten Fortführung des Stabilitätspaktes.
Leider hat der Europäische Rat den Hauptakzent erneut
auf die Strukturreformen des Arbeitsmarktes auf der
Grundlage
der
Flexibilisierung,
der
Beschäftigungsunsicherheit und Lohnmäßigung gelegt.
Ebenso schwer wiegt die Empfehlung, das Rentenalter
um durchschnittlich fünf Jahre heraufzusetzen, was
zudem ein weiteres Anzeichen für einen gefährlichen
Weg der Bedrohung der sozialen Sicherheit ist, die man
doch erhalten und ausbauen muss, um den Kampf gegen
Armut und soziale Ausgrenzung zu unterstützen.
Wie auf den großartigen Demonstrationen der
Bewegung von Gewerkschaften und Verbänden
bekräftigt wurde, die trotz der erbärmlichen Versuche
zur Demobilisierung und Unterdrückung durch die
48
spanische Regierung und die Polizei zur gleichen Zeit in
Barcelona stattgefunden haben, geht es zuallererst und
vordringlich um einen Politikwechsel. Es gilt, die
öffentlichen Dienste zu bewahren, den Liberalisierungen
und der Unsicherheit des Arbeitsmarktes Einhalt zu
gebieten, gegen den Neoliberalismus vorzugehen und
sich für eine andere, solidarischere und gerechtere Welt
einzusetzen.
Deswegen stimmen wir gegen den Vorschlag der
Gemeinsamen Entschließung der anderen Fraktionen
und unterstützen ihn nicht.
3-091
Krivine (GUE/NGL), schriftlich. – (FR) Mit dieser
Abstimmung soll das Parlament die vom Rat von
Barcelona getroffenen Entscheidungen bestätigen. Wir
sollen akzeptieren, dass der Energiesektor bis 2004 unter
Missachtung der gemeinwirtschaftlichen Grundsätze der
ununterbrochenen Versorgung, der Gleichbehandlung
und des gleichen Zugangs aller Nutzer, der
Raumplanung und des Umweltschutzes vollständig
liberalisiert wird. Wir sollen einen Blankoscheck für die
Dereglementierung des Luftverkehrs über das Vorhaben
des
einheitlichen
Luftraums
sowie
für
die
Liberalisierung der Eisenbahn ausstellen. Wir sollen der
Erhöhung des Rentenalters um 5 Jahre und der
Einführung von Pensionsfonds zustimmen. Wir sollen
Strukturreformen des Arbeitsmarktes auf der Grundlage
der Flexibilisierung und Prekarisierung der Arbeitskräfte
und der Lohnmäßigung befürworten. Wir sollen im
Grunde genommen ja sagen zu einem liberalen und
antisozialen Europa. Nein, wir können nicht für die
Ergebnisse des Rates von Barcelona stimmen, denn wir
stimmen voll und ganz mit der Botschaft der 100 000
Gewerkschafter und der 400 000 Demonstranten
überein, die dem „Europa des Kapitals“ friedlich eine
Abfuhr erteilten und ein anderes Europa sowie eine
andere Globalisierung forderten.
3-092
MacCormick (Verts/ALE), schriftlich. – (EN) Der Rat
von Barcelona ist trotz großer Reden Tony Blairs im
Vorfeld enttäuschend und zaghaft verlaufen. Der Rat
hatte in der Vergangenheit versprochen, Nachhaltigkeit
in der europäischen Entwicklung ganz oben anzusiedeln.
Dieser Gipfel hat bestenfalls ein Lippenbekenntnis dazu
abgelegt.
Die von Blairs rechten Parteistrategen favorisierte so
genannte „Liberalisierung“ ist auf die felsenfeste,
unerschütterliche Position der Franzosen bezüglich der
inländischen Energieerzeugung getroffen, und so bleibt
es dabei, dass Electricité de France Unternehmen
außerhalb Frankreichs übernehmen kann, selbst jedoch
vor einer Übernahme geschützt ist.
Die Phrasen von der Liberalisierung verhüllen nur zu oft
eine Binnenmarktpolitik, die nach der Pfeife der
monopolistisch ausgerichteten Interessen großer
Konzerne tanzt. Adam Smiths Vision von einem freien
Markt ohne Intervention massiver Kapitalansammlungen
ist weit von der Realität der globalisierten Wirtschaft der
Gegenwart entfernt.
20/03/2002
Was Gibraltar anbetrifft, Fortschritte zwischen Spanien
und dem Vereinigten Königreich sind auf jeden Fall zu
begrüßen. Doch die Einwohner Gibraltars werden nicht
erwähnt. Wo bleibt die Selbstbestimmung?
3-093
Meijer (GUE/NGL), schriftlich. – (NL) Ohne Arbeit
können wir nicht leben, aber das bedeutet keineswegs,
immer mehr Beschäftigung verbessere unser Leben. Hier
prallen zwei Auffassungen aufeinander. Der Mentalität
der Linken zufolge müssen wir dafür sorgen, dass wir
gemeinsam produzieren, was wir konsumieren wollen,
wobei wir Arbeit und Einkommen so gerecht wie
möglich verteilen und die Menschen vor zu hoher
Arbeitsbelastung und langen Arbeitszeiten schützen. Die
Auffassung der Rechten hingegen lautet, dass wir ein
kontinuierliches
Wirtschaftswachstum
anstreben
müssen, indem auch Frauen mit kleinen Kindern,
Behinderte und viele Rentner gezwungen werden, einer
bezahlten Arbeit nachzugehen. Nur hochbetagte Leute
und diejenigen, die von Zinseinnahmen aus ihrem
Vermögen leben können, werden davon ausgenommen.
Wirtschaftswachstum wird immer von denen am
vehementesten verteidigt, die nicht bereit sind, ihren
Reichtum mit denjenigen, die weniger haben, zu teilen,
und
deshalb
die
Aufmerksamkeit
von
der
Verteilungsfrage ablenken wollen. Um nichts an der
Verteilung zwischen Arm und Reich ändern zu müssen,
rufen sie, jeder müsse mehr bekommen.
Heute
singen
Ratspräsident
Aznar
und
Kommissionspräsident Prodi hier Lobeshymnen auf die
weitere Liberalisierung und Integration von Märkten, auf
Kostensenkung und einen noch größeren Anteil Europas
an der Weltwirtschaft. Die Mehrheit dieses Parlaments
berücksichtigt nicht in ausreichendem Maße den
Schaden, den die Europäischen Räte von Lissabon und
Barcelona dem Wohl der Menschen, der öffentlichen
Daseinsvorsorge und dem Erhalt der Umwelt zufügen.
Dieser Preis ist mir zu hoch. Daher lehne ich das
Ergebnis ab.
3-094
Sacrédeus (PPE-DE), schriftlich. – (SV) Ich habe mich
bei der Schlussabstimmung zu der Entschließung, die
mit 211 zu 58 Stimmen bei 34 Stimmenenthaltungen
angenommen wurde, der Stimme enthalten.
Der Grund dafür ist, dass ich den Ziffern 25, 35 und 37
nicht zustimmen kann.
Laut Ziffer 25 befürwortet das Europäische Parlament
„eine Überprüfung des offenen Verfahrens der
Koordination zwischen den Mitgliedstaaten in Bereichen
wie dem Rentenwesen, dem Gesundheitswesen und dem
Bildungswesen, um zu gewährleisten, dass das
Europäische Parlament umfassend an den Arbeiten des
Rates und der Kommission in diesen Bereichen beteiligt
wird.“ Damit stellt das Parlament die offene
Koordinierung als Methode in Frage und versucht auf
diesen
wesentlichen
Gebieten
der
nationalen
Gesetzgebung unter Mitwirkung des Europäischen
20/03/2002
49
Parlaments einen Prozess einzuleiten, der die
Zwischenstaatlichkeit
zugunsten
der
Gemeinschaftsmethode und der Überstaatlichkeit
verlässt. Als schwedischer Christdemokrat wende ich
mich gegen eine solche Entwicklung.
Ziffer 35 bezüglich Simbabwe hätte wesentlich stärker
die umfassende Gewalt verurteilen müssen, der die
Oppositionsbewegung MDC während des Wahlkampfes
von Seiten des Mugabe-Regimes und dessen Gewalttäter
ausgesetzt war, ebenso wie die rassistisch motivierten
Morde an weißen Farmern.
Unter Ziffer 37, in der es um Gibraltar geht, wird die
Bevölkerung Gibraltars und deren politischer Wille mit
keinem Wort erwähnt, obwohl in einer Demokratie die
Bürger die Hauptrolle spielen. Vor zwei Tagen haben
die Bürger Gibraltars sich klar und deutlich davon
distanziert, dass Großbritannien und Spanien über das
Schicksal Gibraltars entscheiden wollen, ohne dessen
Bewohner zu befragen. Hier verliert das Europäische
Parlament seine Bürgernähe, was eine ernste
Angelegenheit ist.
***
3-095
Gorostiaga Atxalandabaso (NI). – (EN) Eine
Wortmeldung zur Geschäftsordnung, und zwar betrifft
dies die Bedingungen, unter denen die Aussprache
stattfand. Ich möchte mein starkes Unbehagen über das
nicht hinnehmbare Verhalten von Vizepräsident VidalQuadras, Mitglied der spanischen Partido Popular, zum
Ausdruck bringen, der seinem politischen Freund, Herrn
Salafranca, das Wort erteilte, obwohl nach Artikel 122
kein Anlass dazu bestand, wohingegen er mir das Recht
verweigerte, darauf zu antworten. Sie können sich
anhand des Videos davon überzeugen, Herr Präsident.
Die parteiische Haltung von Vizepräsident VidalQuadras ist auf das Energischste zu verurteilen, da sie
die Glaubwürdigkeit des Hohen Hauses beschädigt.
3-096
Der Präsident. – Ich habe Ihre Bemerkung zur Kenntnis
genommen, Herr Gorostiaga.
Die Erklärungen zur Abstimmung sind geschlossen. 4
3-097
Unterbrechung der Sitzungsperiode
3-098
Der Präsident. – Ich erkläre die Sitzungsperiode des
Europäischen Parlaments für unterbrochen.
(Die Sitzung wird um 19.25 Uhr geschlossen.)
4
Übermittlung der in dieser Sitzung angenommenen Entschließungen
– Zeitpunkt der nächsten Tagung: siehe Protokoll.
50
20/03/2002
INHALT
SITZUNG AM MITTWOCH, 20. MÄRZ
2002 .........................................................5
Wiederaufnahme der Sitzungsperiode .5
Erklärung des Präsidenten ....................5
Begrüßung ..............................................5
Mitteilung des Präsidenten ....................5
Ergebnisse des Europäischen Rates
(Barcelona 15./16. März 2002) ................6
Jährliche Strategieplanung der
Kommission für 2003 ........................... 39
Abstimmungen ..................................... 46
Unterbrechung der Sitzungsperiode .. 49
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