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SITZUNG AM MITTWOCH, 3. JULI 2002
___________________________
3-002
VORSITZ: PATRICK COX
Präsident
(Die Sitzung wird um 9.00 Uhr eröffnet.)
3-003
Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen
Sitzung
3-004
Der Präsident. – Das Protokoll der gestrigen Sitzung
wurde verteilt. Gibt es Anmerkungen dazu?
3-005
Turco (NI). – (IT) Herr Präsident, als Herr Cappato
gestern um Auskunft über die Aufnahme eines von
einem Zehntel der EP-Mitglieder unterzeichneten
Entschließungsantrags in die Tagesordnung der
Konferenz der Präsidenten ersuchte, kündigte
Vizepräsident Schmid für den Nachmittag eine Antwort
an. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich gestern um
17.00 Uhr, 24 Stunden nach meinem Hungerstreik, aus
ebendiesem Grund einen Durststreik begonnen habe:
Schon einmal wurde dieser Entschließungsantrag dem
politischen Organ und dessen Beschlussfassung
vorenthalten. Ich hoffe, dass Sie nun die Zeit finden
mögen, dem politischen Organ seine Befugnisse und
seine Würde zurückzugeben.
3-006
Der Präsident. – Herr Turco, ich werde zu dieser Frage
die Konferenz der Präsidenten am Donnerstag
konsultieren.
3-007
Turchi (UEN). – (IT) Herr Präsident, ich möchte auf ein
sprachliches Problem bezüglich Änderungsantrag 11
meines Berichts hinweisen, den wir gestern
angenommen haben. Zu Ehren der Grammatik und der
EU-Institutionen sollte er wie folgt formuliert werden:
„Der Finanzrahmen für die Durchführung dieser
Verordnung beläuft sich für den Zeitraum 2000 bis 2006
auf 4 700 Millionen EUR und unterliegt einer
Halbzeitüberprüfung im Lichte der Durchführung dieser
Verordnung.“ Der Rest des Änderungsantrags bleibt
unverändert.
3-008
Der Präsident. – Soweit ich informiert bin, kümmern
sich die Dienste bereits darum.
(Das Protokoll wird genehmigt.)
***
3-009
Sakellariou (PSE). - Herr Präsident! Eine Delegation
des demokratisch gewählten taiwanesischen Parlaments
hat sich gestern auf Einladung von Europaabgeordneten
hier in Straßburg aufgehalten. Sie, Herr Präsident, haben
dieser Delegation die Ehre erwiesen, sie zu empfangen
und mit ihnen zu sprechen.
Bei diesem Besuch geschah jedoch etwas, was mich, und
ich glaube mehrere Kollegen hier, beschämt. Unsere
Gäste mussten gestern Nacht in aller Eile abreisen, weil
die französischen Behörden ihnen nur ein Visum für 24
Stunden
erteilt
hatten.
Alle
Versuche
von
Europaabgeordneten, dieses Visum zu verlängern oder
für längere Zeit zu erhalten, scheiterten an der Sturheit
der französischen Behörden.
Ich habe zwei Fragen an Sie, Herr Präsident. Erstens:
Halten Sie dieses Verhalten der Verweigerung eines
Visums aus - wie ich vermute - rein politischen Gründen
für vereinbar mit den Werten der Europäischen Union,
die die Freiheit, einschließlich die Bewegungsfreiheit
aller Menschen, als Grundrecht erachtet? Zweitens:
Betrachten Sie, so wie ich und andere Kollegen in
diesem Parlament, dieses Ereignis als eine schwere
Behinderung und Beeinträchtigung der Arbeit des
Europäischen Parlaments in Straßburg? Wenn ja, was
gedenken Sie dagegen zu unternehmen?
(Beifall)
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Der Präsident. – Dies ist nicht das erste Mal, dass
hochrangigen Politikern dieses Staates ein Visum
verweigert wurde, und dieses Problem ist nicht nur an
diesem Arbeitsort des Europäischen Parlaments
aufgetreten. Ich versuche trotzdem, die Angelegenheiten
von der positiven Seite aus zu sehen, denn zumindest
gestern haben die Behörden den Besuch gestattet, so
kurz er auch gewesen sein mag. Für einige Mitglieder
der Delegation ist das schon ein Fortschritt, denn zu
früheren Gelegenheiten war diese Möglichkeit nicht
gegeben.
Der gestrige Tag ist also ein kleiner Fortschritt im
Hinblick auf die Wahrung der Rechte des Parlaments,
das einerseits bei seiner Arbeit nicht behindert werden
darf und andererseits in der Lage sein muss, zu
gewährleisten, dass diejenigen, die ins Parlament oder in
dessen
Ausschüsse
eingeladen
werden,
diese
Einladungen auch wahrnehmen können.
3-011
Gahler (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich möchte einen
Punkt
aufgreifen,
der
die
Ausstattung
der
Parlamentsgebäude hier betrifft, und das ist auch eine
Frage, die ich häufig von meinen Besuchergruppen zu
hören bekomme. Wir sind in diesem Parlament zu Recht
sehr stolz darauf, dass wir alle in unseren
Muttersprachen sprechen, hören und lesen können. Viele
meine Besuchergruppen fragen mich aber: Warum sind
denn hier im Parlament alle Aufschriften, alle Hinweise
und auch alle elektronischen Anzeigen nur in einer
Sprache gehalten? Ich finde, es ist doch eine Frage des
Selbstverständnisses, ob wir uns hier alle wiederfinden
können, auch in der optischen Darstellung dieses
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03/07/2002
Parlaments. Letztlich sind wir hier im Augenblick
elfsprachig, und ich finde, es gibt da schon technische
Möglichkeiten, dafür zu sorgen, dass es hier in diesem
Parlament auch entsprechende Installationen gibt. 90 %
meiner Besuchergruppen sprechen kein Französisch, und
wenn sie sich zum Beispiel die Räumungspläne ansehen,
die an jedem "Totempfahl", oder wie das hier genannt
wird, angebracht sind, so sind diese nur Französisch. Die
Notfallpläne für den Fall, dass hier irgendetwas passiert,
sind nur in einer Sprache gehalten. Eigentlich finde ich
das nicht angemessen für das Europäische Parlament.
Ich bitte Sie daher, unsere Dienste anzuweisen, einmal
ein Konzept aufzustellen, wie wir in diesem Parlament
die Vielsprachigkeit, auf die wir zu Recht stolz sind, hier
auch optisch zum Ausdruck bringen können.
(Beifall)
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Der Präsident. – Das ist ein guter Vorschlag. Wir
sollten diese Anregung zunächst an das Kollegium der
Quästoren weiterleiten und wenn wir eine geeignete
Möglichkeit zur Umsetzung finden, wäre das eine gute
Idee.1
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Sacrédeus (PPE-DE).  (SV) Herr Präsident! Ich
möchte die Ausführungen des Kollegen Sakellariou zum
Besuch des Präsidenten des taiwanesischen Parlaments
und des dortigen Ausschusses für auswärtige
Angelegenheiten noch einmal unterstreichen. Herr
Präsident, ich bitte Sie, mit den französischen Behörden
zu sprechen, damit wir als Europäisches Parlament hier
in Straßburg unter den gleichen Bedingungen arbeiten
können wie in Brüssel. Wären der Präsident des
demokratisch gewählten Parlaments von Taiwan und der
Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten nach Brüssel
und nicht nach Straßburg gereist, hätte diese Delegation
länger als 24 Stunden bleiben dürfen und wäre nicht
gezwungen gewesen, unter solch unwürdigen
Umständen aufzubrechen, wie dies gestern geschah.
Ratspräsidentschaft auf dem Gipfel in Kopenhagen ein
intensiver Dialog mit den Fraktionsvorsitzenden im
Parlament geführt wird.
Dies sind innovative Aspekte, die zeigen, dass der
dänische Ratsvorsitz der Partnerschaft zwischen den
Organen große Bedeutung beimisst. Ich möchte dem
Ratsvorsitzenden im Namen des Parlaments offiziell für
die zahlreichen und intensiven Bemühungen in diesem
Zusammenhang danken und ihm sagen, dass wir diese
neue Vorgehensweise sehr begrüßen.
3-016
Fogh Rasmussen, Rat. – (DA) Herr Präsident, sehr
geehrte Abgeordnete, sehr geehrte Mitglieder der
Europäischen Kommission, meine Damen und Herren!
Es ist mir eine große Ehre, zum ersten Mal heute in
diesem Parlament zu sprechen. Ich freue mich
besonders, dass ich dies als Präsident des Europäischen
Rates tue, um Ihnen die Prioritäten der dänischen EUPräsidentschaft vorzustellen und anschließend über die
vor uns liegenden Aufgaben zu diskutieren.
Das Europäische Parlament ist ein wichtiger und
konstruktiver Faktor für die Entwicklung der
europäischen Zusammenarbeit, und ich bin sicher, dass
dies auch für die kommenden Monate zutrifft, in denen
wir eine ganze Reihe von für die Zukunft der EU
wichtigen Entscheidungen treffen müssen. Der dänische
Ratsvorsitz ist daher auf eine enge Zusammenarbeit mit
dem Europäischen Parlament eingestellt.
Die
dänische
Präsidentschaft
möchte
die
Zusammenarbeit der Institutionen der EU verstärken. Ich
weiß, dass dies auch vom Europäischen Parlament
gewünscht wird. Wir werden versuchen, den Kontakt
und die Kooperation zwischen den Institutionen zu
fördern. Wir planen, vor den Sitzungen des
Europäischen Rats in Brüssel und Kopenhagen
Gipfeltreffen zwischen Parlament, Kommission und
Präsidentschaft durchzuführen.
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Tätigkeitsprogramm des dänischen Ratsvorsitzes
3-015
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Erklärung des amtierenden Ratsvorsitzenden zum
Tätigkeitsprogramm des dänischen Ratsvorsitzes.
Lassen Sie mich anlässlich der Vorstellung dieses
Tagesordnungspunktes dem dänischen Ratsvorsitz im
Namen des Parlaments und der Fraktionsvorsitzenden
dafür danken, dass wir vor dem offiziellen Beginn der
dänischen Ratspräsidentschaft zu einem ausführlichen
Gespräch mit dem neuen Ratsvorsitz über dessen
Prioritäten nach Kopenhagen eingeladen wurden. Ich
stelle fest, dass der Ratspräsident, Ministerpräsident
Rasmussen, im November an unserer großen Debatte
über die Erweiterung teilnehmen wird, obwohl er dann
nicht über die Arbeit des Europäischen Rates berichten
wird. Wir gehen davon aus, dass vor dem Abschluss der
1
Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll.
Wir stehen vor wichtigen Entscheidungen das
gemeinsame Beschlussverfahren betreffend. Die
Präsidentschaft wird effektiv und flexibel arbeiten und
richtet sich auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit ein.
Wir müssen einen neuen Haushalt beschließen. Auch in
dieser Hinsicht plant die Präsidentschaft konstruktive
und ergebnisorientierte Verhandlungen.
Dänemark misst der Arbeit des Europäischen Parlaments
große Bedeutung bei und die Präsidentschaft wird in
allen Plenarsitzungen gut vertreten sein. In diesem
Zusammenhang wird Europaminister Bertel Haarder,
ehemaliger Abgeordneter Mitglied dieses Parlaments,
eine wichtige Funktion übernehmen.
(Beifall)
Auch andere dänische Minister werden sich an den
Plenardebatten der kommenden Monate beteiligen. Ich
selbst werde das Parlament nach dem Europäischen Rat
in Brüssel informieren und nach beendeter
03/07/2002
Präsidentschaft nach dem Gipfeltreffen in Kopenhagen
Bericht erstatten. Außerdem werde ich an der großen
Erweiterungsdebatte am 19. November teilnehmen.
Wir haben das Programm unserer Präsidentschaft „Ein
Europa“ betitelt. Dadurch betonen wir die Bedeutung,
die wir der Erweiterung und der breiteren
Zusammenarbeit auf unserem Kontinent beimessen. Das
Programm enthält eine ausführliche Darstellung unserer
Ziele und Pläne in den einzelnen Bereichen. Heute und
an dieser Stelle möchte ich mich auf die Hauptthemen
konzentrieren.
Die Haupttitel des Programms lauten folgendermaßen:
Erstens: Erweiterung der EU – Von Kopenhagen bis
Kopenhagen. Wir werden über die Erweiterung der EU
auf dem Gipfeltreffen in Kopenhagen im Dezember
entscheiden.
Zweitens: Freiheit, Sicherheit und Recht – wir werden
den Kampf gegen Terrorismus, Kriminalität und illegale
Einwanderung verstärken.
Drittens: Nachhaltige Entwicklung – wirtschaftlich,
sozial und in Bezug auf die Umwelt. Wir werden uns
gleichermaßen für Wirtschaftswachstum, Schutz der
Umwelt und mehr Beschäftigung einsetzen.
Viertens: Sichere Lebensmittel. Wir werden uns um
mehr Sicherheit der Lebensmittel bemühen, die
Agrarpolitik überprüfen und die gemeinsame
Fischereipolitik erneuern.
Fünftens: Die globale Verantwortung Europas. Wir
werden die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
stärken, die starken Bindungen zwischen Europa und
den USA intensivieren und uns für ein globales
Abkommen zwischen den reichen und armen Ländern
der Welt einsetzen.
Auf
der
Ratssitzung
in
Sevilla
wurden
Rahmenentscheidungen zur Arbeit des Rates die
Erweiterung betreffend gefällt. Ich begrüße diese
Entscheidungen und möchte sie nach Möglichkeit bereits
während der dänischen Präsidentschaft umsetzen. Dies
gilt nicht zuletzt für die Beschlüsse in Bezug auf größere
Transparenz in der Tätigkeit des Rates. Insgesamt haben
wir vor, die Arbeit der dänischen Präsidentschaft
möglichst offen zu gestalten.
7
Die dänische Präsidentschaft wird der Bekämpfung
grenzüberschreitender
Kriminalität
und
der
Durchführung
des
EU-Aktionsplans
zur
Terrorismusbekämpfung eine hohe Priorität einräumen.
Wir werden großen Wert auf die Schaffung einer
intensiven internationalen Zusammenarbeit legen – nicht
zuletzt mit den USA.
Die Präsidentschaft wird außerdem die Arbeit mit den
Schlussfolgerungen des Europäischen Rates in Sevilla
über Asyl, Einwanderung und Grenzkontrolle fortsetzen.
Diesbezüglich wurden einige zukunftsweisende,
konkrete und ausgewogene Beschlüsse gefasst, die eine
gute Voraussetzung für die Arbeit während der
dänischen Präsidentschaft bilden.
Zweitens wird sich die dänische Präsidentschaft für eine
nachhaltige
Entwicklung
einsetzen
–
im
wirtschaftlichen, sozialen und Umweltbereich.
Wir werden großen Wert auf die Durchführung des
Binnenmarktes und die Entwicklung der wirtschaftlichen
Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten legen. Eine starke
und wettbewerbsfähige europäische Wirtschaft ist
Voraussetzung für Wachstum, Wohlstand, mehr
Beschäftigung und nachhaltige Entwicklung. Wir
müssen uns im globalen Wettbewerb behaupten können
– nicht zuletzt gegenüber den USA.
Als nächsten Punkt wird sich die dänische
Präsidentschaft um die Lebensmittel kümmern. Wir
werden uns für sichere Lebensmittel einsetzen. Die
Lebensmittelsicherheit – aus dem Boden auf den Tisch –
ist ein sehr wichtiger Aufgabenbereich der EU. Während
der dänischen Präsidentschaft möchten wir auf diesem
Gebiet konkrete Fortschritte erzielen.
Auch die Beratungen über die Reform der Gemeinsamen
Agrarpolitik
sollen
während
der
dänischen
Präsidentschaft eingeleitet werden. Wir werden ihnen
eine hohe Priorität einräumen und versuchen, sie
möglichst weit voranzubringen. Ich möchte aber
betonen, dass diese Arbeit unabhängig von den
Verhandlungen über die Erweiterung der EU getan
werden muss. Wir werden keine neuen Bedingungen für
die Erweiterung akzeptieren.
(Beifall)
(Beifall)
Die Erweiterung der EU ist die wichtigste Aufgabe der
dänischen Präsidentschaft. Mit diesem wichtigen Thema
werde ich mich in meinem Redebeitrag noch ausführlich
befassen, möchte aber zunächst die übrigen Themen des
Programms der Präsidentschaft kommentieren.
Neben der Erweiterung misst die dänische
Präsidentschaft der Umsetzung der umfangreichen EUTagesordnung, die im Übrigen vor uns liegt, großes
Gewicht bei. Hierbei werden wir uns insbesondere auf
vier Bereiche konzentrieren:
Erstens werden wir uns für mehr Freiheit, Sicherheit und
Recht einsetzen.
Schließlich wird die Präsidentschaft den Bemühungen
um eine neue Gemeinsame Fischereipolitik der EUStaaten einen hohen Stellenwert beimessen. Dies ist eine
umfangreiche
und
schwierige
Aufgabe.
Der
Kommissionsentwurf ist eine gute und seriöse
Grundlage für die weitere Arbeit.
Die
letzte
Hauptüberschrift
der
dänischen
Präsidentschaft ist die globale Verantwortung der EU.
Die EU trägt eine besondere Verantwortung für Frieden
und Stabilität in einer Welt, die immer enger
zusammenrückt. Das gilt nicht zuletzt für den Kampf
8
03/07/2002
gegen den internationalen Terrorismus und die
Bemühungen um die Eindämmung der Armut in der
Welt.
des Jahres dazu bereit sind. Diesen Ländern wird es
möglich sein, der EU im Jahre 2004 beizutreten, d. h.
vor der nächsten Wahl zum Europäischen Parlament.
Auch die Entwicklung der gemeinsamen Sicherheitsund Verteidigungspolitik wird im kommenden Halbjahr
fortgeführt. Als Folge des dänischen Vorbehalts im
Bereich Verteidigung wird Griechenland die Arbeiten zu
den militärischen Aspekten der Zusammenarbeit leiten,
und ich möchte betonen, dass wir uns um eine
unproblematische und effektive Zusammenarbeit der
beiden Präsidentschaften in diesem Punkt bemühen
werden.
Gleichzeitig wollen wir Fortschritte bei den
Verhandlungen mit jenen Ländern erzielen, die erst zu
einem späteren Zeitpunkt zur Mitgliedschaft bereit sind,
und wir wollen das Verhältnis zu den neuen und alten
Nachbarn der EU verbessern.
Während der dänischen Präsidentschaft werden einige
wichtige internationale Gipfeltreffen stattfinden.
Die EU wird und muss eine zentrale Rolle auf der
Weltgipfelkonferenz über nachhaltige Entwicklung in
Johannesburg einnehmen. Wir werden innerhalb der
beim Gipfeltreffen in Sevilla festgelegten Rahmen
arbeiten. Die dänische Präsidentschaft möchte ein
möglichst anspruchsvolles Ergebnis erreichen. Ziel ist
ein zukunftsweisendes globales Abkommen, das reiche
wie arme Länder in die Pflicht nimmt, ein globales
Abkommen, bei dem die reichen Länder den armen
Ländern mehr Entwicklungsmöglichkeiten durch
Freihandel und erhöhte Entwicklungshilfe verschaffen.
Im Gegenzug müssen sich die Entwicklungsländer zu
einer guten Regierungsführung verpflichten, d. h. zu
Demokratie, Einhaltung der Menschenrechte und
unbeschränktem Zugang zu Informationen.
Beim EU-Asien-Gipfel in Kopenhagen im September
werden die Beziehungen zwischen Asien und Europa
ausgebaut.
Wir werden uns außerdem um die Verbesserung der
Beziehungen zu Russland und den neuen Nachbarn der
EU im Osten bemühen – zur Ukraine, zu Weißrussland
und zur Republik Moldau. Es ist an der Zeit, eine neue
Politik im Verhältnis zu diesen Ländern zu formulieren.
Die besonderen Umstände Kaliningrad betreffend
bedürfen einer Lösung – auf der Grundlage des
Schengener Besitzstands. Es müsste möglich sein, auf
dieser Grundlage zu einer Verständigung mit Russland
zu kommen. Im November wird in Kopenhagen
zwischen der EU und Russland ein Gipfeltreffen
stattfinden, das ein wesentlicher Schritt in diesem
gesamten Prozess sein wird.
Ich möchte jetzt auf die wichtigste Aufgabe der
Präsidentschaft in diesem Halbjahr zurückkommen, zum
Abschluss der Verhandlungen über die Erweiterung der
EU um bis zu 10 neue Mitgliedstaaten. Die Bedingungen
für die Aufnahme in die EU wurden 1993 in
Kopenhagen definiert, und möglicherweise werden die
Verhandlungen über die Erweiterung in Kopenhagen
2002 abgeschlossen. Von Kopenhagen bis Kopenhagen.
Unser Ziel ist es, die Verhandlungen mit allen
beitrittswilligen Ländern abzuschließen, die vor Ende
Ich werde mich bei den Verhandlungen über die
Erweiterung der EU an drei Prinzipien halten:
Erstens müssen wir an der Forderung festhalten, dass
eindeutige Kriterien für die Mitgliedschaft in der EU
erfüllt sein müssen. Ich hoffe, dass das für zehn Länder
gelten wird, ich möchte aber keine Abstriche an der
prinzipiellen Forderung vornehmen.
Zweitens soll kein Land auf andere warten müssen. Die
Länder sind unterschiedlich groß, aber sie haben gleiche
Rechte und Pflichten. Wenn im Dezember nur einige
Länder bereit sind, aber nicht alle zehn Länder, werden
wir in Kopenhagen die Verhandlungen mit den Ländern
abschließen, die dann bereit sind. Und kein Land muss
auf ein anderes warten, das noch nicht so weit ist.
(Beifall)
Drittens werden wir an Dezember 2002 als
entscheidende und verbindliche Frist festhalten. Die
Erfahrung hat gezeigt, dass die EU am besten fährt,
wenn sie jeweils nur eine große Aufgabe bewältigt. Das
nächste Halbjahr ist für die Erweiterung vorgesehen.
Danach drängen sich neue Aufgaben auf. 2003 müssen
wir die Beratungen des Konvents über die Zukunft der
Europäischen Union abschließen. 2004 finden die
Regierungskonferenz und die Wahl zum Europäischen
Parlament statt, 2005 und 2006 müssen die Rahmen der
nächsten Haushaltsperiode festgelegt werden.
Ich sage nicht „jetzt oder nie“, aber wenn wir die Chance
jetzt nicht nutzen, laufen wir Gefahr, die Erweiterung
stark zu verzögern. Wir sind moralisch und historisch
dazu verpflichtet, ein gutes und positives Ergebnis zu
erreichen.
(Beifall)
Aber es müssen noch eine Menge Stolpersteine aus dem
Weg geräumt werden.
Der erste betrifft die Finanzierung, insbesondere im
Hinblick
auf
die
Verhandlungen
über
die
Landwirtschaft, die Strukturfonds und den Haushalt.
Meiner Meinung nach hat die Kommission einen
ausgewogenen und vernünftigen Vorschlag vorgelegt.
Mehrere Mitgliedstaaten sind der Meinung, dass der
Vorschlag zu kostspielig ist. Gleichzeitig geben die
beitrittswilligen Länder zu erkennen, dass ihnen der
Vorschlag nicht weit genug geht. Ich bin der Ansicht,
03/07/2002
dass die Kommission einen guten Mittelweg gegangen
ist.
Beim Gipfeltreffen in Sevilla haben wir einen
anspruchsvollen Zeitplan beschlossen. Danach soll die
EU den beitrittswilligen Ländern spätestens Anfang
November einen gemeinsamen Standpunkt zur Frage der
direkten Einkommensbeihilfen für Landwirte mitteilen.
Die dänische Präsidentschaft wird an diesem ambitiösen
Zeitplan festhalten.
9
Über vierzig Jahre kommunistische Herrschaft in Mittelund Osteuropa waren mit einer unglücklichen und
künstlichen Teilung Europas verbunden. Wir haben jetzt
die Möglichkeit, dieses dunkle Kapitel der europäischen
Geschichte abzuschließen.
Die Zeit der Reden ist vorbei. Jetzt müssen den Worten
Taten folgen. Es ist an der Zeit, unsere Versprechen
einzulösen.
(Beifall)
Das zweite zentrale Problem ist die Zypern-Frage.
Zypern ist in den Beitrittsverhandlungen weit
fortgeschritten. Es gehört zu den Ländern, welche die
meisten Verhandlungspunkte abgeschlossen haben – 28
von 31 – und als Antragsland hat Zypern das Recht auf
Beitritt, wenn es bereit ist. Aber gleichzeitig ist es ein
Problem, dass die Insel nach wie vor geteilt ist. Der
Europäische Rat in Helsinki hat beschlossen, dass die
Lösung dieses Problems von Vorteil wäre, aber keine
Vorbedingung für die Aufnahme in die EU ist.
Gleichzeitig wurde betont, dass die endgültige
Entscheidung unter Berücksichtigung aller relevanten
Faktoren getroffen wird. Die dänische Präsidentschaft
wird auf dieser Grundlage weiterarbeiten und ich möchte
betonen, dass alle Betroffenen – auf beiden Seiten – ihr
Äußerstes tun müssen, um so schnell wie möglich zu
einer Lösung zu kommen.
Drittens ist die irische Volksabstimmung über den
Vertrag von Nizza ein unbekannter Faktor. Die
Zustimmung zum Vertrag von Nizza ist Voraussetzung
für die Durchführung der Erweiterung innerhalb der
festgelegten Fristen. Die Verhandlungen werden auf der
Grundlage der Vorschriften des Vertrags von Nizza
durchgeführt. Ein neues Nein in Irland wird den
gesamten Prozess gefährden. Vor diesem Hintergrund
begrüße ich die Erklärung zur irischen Neutralität beim
Gipfeltreffen in Sevilla. Europa hat dem irischen Volk
eine klare und positive Botschaft gesandt.
Ich möchte nicht verheimlichen, dass bedeutende
Aufgaben auf uns zukommen. Aber niemand soll an der
Entschlossenheit, dem Engagement und dem Willen der
dänischen Präsidentschaft zweifeln.
Wir haben eine gute Ausgangslage. Das ist nicht zuletzt
das Ergebnis der mehr als zehnjährigen, unermüdlichen
Bemühungen von Seiten der beitrittswilligen Länder und
der Kommission, aber die dänische Präsidentschaft kann
sich auch auf die Ergebnisse früherer Präsidentschaften
stützen, u. a. auf die großen Fortschritte, die während der
spanischen Präsidentschaft erreicht wurden.
Zehn Jahre Verhandlungen, zehn Jahre harte Arbeit, die
jetzt zum Erfolg führen, zehn Jahre Erwartungen, die wir
nicht enttäuschen dürfen. Wir müssen die Versprechen
erfüllen, die wir uns gegenseitig gegeben haben, und wir
müssen die Fristen einhalten, die wir uns selbst gesetzt
haben. Wir müssen diese historische Chance
wahrnehmen.
„Ein Europa“ ist der Titel für die dänische
Präsidentschaft, ein Europa für alle unsere Völker. Ein
Europa als Rahmen für friedliche Zusammenarbeit zum
Vorteil aller. Ein Europa der Freiheit, des Friedens und
des Wohlstands.
Die dänische Präsidentschaft wird ihr Äußerstes tun, um
diese Aufgabe und die anderen uns übertragenen
Aufgaben zu erfüllen. Wir können das nicht alleine tun,
wir brauchen all unsere Partner.
Nach dem Zweiten Weltkrieg schufen große Europäer
wie Schuman, Monet und Spinelli die Vision eines
Europa ohne Krieg, eines in Zusammenarbeit vereinten
Europa. Dieser Traum ist für uns in Westeuropa
Wirklichkeit geworden. Die Erweiterung der EU bietet
die Möglichkeit, Freiheit, Frieden, Stabilität und
Wohlstand, die wir genießen, auch auf die Länder im
Osten auszudehnen. Wir müssen diese Aufgabe im
Geiste der Gründer in Angriff nehmen, welche die
europäische Zusammenarbeit geprägt haben. Wir dürfen
uns nicht in Einzelheiten verlieren, wir müssen den Mut
und den Willen haben, die vor uns liegende historische
Vision und Aufgabe umzusetzen.
Ich appelliere an alle, die Erweiterung der EU in dieser
historischen Perspektive zu sehen. Ich appelliere an uns,
die historische Chance zur Wiedervereinigung des
ehemals geteilten Europa wahrzunehmen.
Ich fordere zu einer engen Zusammenarbeit mit dem
Europäischen Parlament auf, um die wichtigste Aufgabe
unserer Generation durchzuführen, die neuen
Demokratien in Ost- und Mitteleuropa in der
Europäischen Union willkommen zu heißen.
Vielen Dank, Herr Präsident.
3-017
Prodi, Präsident der Kommission. – (IT) Sehr geehrter
Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, meine Damen
und Herren Abgeordneten! Heute finden wir uns zur
letzten Plenarsitzung vor der Sommerpause zusammen.
Der Europäische Rat von Sevilla liegt hinter uns, und der
dänische Ratsvorsitz hat gerade seine Tätigkeit für diese
sehr wichtigen sechs Monate aufgenommen. Meiner
Ansicht nach ist dies der richtige Augenblick für eine
Bestandsaufnahme.
Drei miteinander verbundene Themen werden unsere
Tagesordnung in der zweiten Hälfte dieses Jahres
10
bestimmen. Erstens, wie wir den Worten des dänischen
Ministerpräsidenten
entnehmen
konnten,
die
Erweiterung. Wie ich bereits gestern in diesem Hohen
Haus gesagt habe, ist ein großer Teil der anstehenden
Fragen gelöst. Auf der Tagung des Europäischen Rates
im Herbst wird die Kommission mitteilen, welche
Länder für einen Beitritt bereit sind. Gleichzeitig müssen
wir die Fortschritte der anderen Bewerberländer
unterstützen. Unsere Strategie besteht darin, diesen
umfassenden Prozess fortzuführen, ohne neue
Trennlinien innerhalb des Kontinents, den wir einigen
wollen, zu schaffen. So wie die Dinge gegenwärtig
liegen, und sofern nichts Unvorhergesehenes passiert,
wird die Kommission wahrscheinlich alle zehn Länder
der ersten Runde für beitrittsreif erklären. Das Kriterium
bleibt jedoch unverändert: Kein Land wird pauschal
beurteilt, sondern jeder Kandidat wird nach seinen
Verdiensten bewertet.
Wir werden mit Entschlossenheit darauf hinarbeiten, die
Beitrittsverhandlungen in Kopenhagen zum Abschluss
zu bringen. Aber zuerst müssen wir uns mit den
gegenwärtigen
Mitgliedstaaten
intern
über
Haushaltsfragen und über die Direktzahlungen an die
Landwirte einigen, auch wenn die Problem eng
miteinander verbunden sind. Ich möchte erneut meiner
Überzeugung Ausdruck verleihen, dass der Vorschlag
der Kommission die einzige arbeitsfähige Basis darstellt,
um eine derartige Einigung zwischen den 15
Mitgliedstaaten von heute und den 25 von morgen zu
erzielen. Deshalb rufe ich alle Parteien auf, sich nach
Kräften für eine Einigung einzusetzen, die den Weg für
die Wiedervereinigung des ganzen Kontinents ebnet.
In der Zwischenzeit werden wir den Fahrplan und die
Heranführungsstrategie für Bulgarien und Rumänien
anpassen. Der Rat von Sevilla, so heißt es in seinen
Schlussfolgerungen,
„ermutigt
und
unterstützt
vorbehaltlos die Anstrengungen der Türkei, den in ihrer
Beitrittspartnerschaft festgelegten Prioritäten gerecht zu
werden“. Der regelmäßige Bericht, den die Kommission
im Oktober über die türkischen Fortschritte bei der
Annahme und Umsetzung von Reformen veröffentlichen
wird, ist entscheidend für die Beschlüsse, die in
Kopenhagen gefasst werden.
Anschließend wird der Europäische Rat im Dezember in
Kopenhagen festlegen, wann die neuen Mitgliedstaaten
im Jahre 2004 formal beitreten werden, und wann die
Beitrittsakte im März 2003 unterzeichnet wird. Natürlich
hängt der gesamte Prozess von der Ratifizierung des
Vertrages von Nizza ab, über den die Iren im Oktober
abstimmen müssen. Ich muss an dieser Stelle betonen,
wie wichtig ein positiver Ausgang für die Zukunft
Europas ist. Die Unterzeichnung der Beitrittsakte ist
allerdings nicht das Ende eines erfolgreichen
Erweiterungsprozesses, sondern vielmehr sein Anfang.
Ab 2004 muss die Europäische Union in der Lage sein,
ihre Aufgaben voll und ganz wahrzunehmen und die
Erwartungen der dann über 450 Millionen zählenden
EU-Bürger zu erfüllen.
03/07/2002
Die jüngsten Eurobarometer-Umfragen geben ein
deutliches Bild. 67 % der Befragten sprechen sich für
den Euro aus, das entspricht einem Zuwachs um sechs
Punkte gegenüber der letzten Umfrage. Die Gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik und die Erweiterung
finden hohe Zustimmung, und eine Mehrheit der Bürger
ist dafür, der Europäischen Union eine Verfassung zu
geben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten!
Diese Zahlen des Eurobarometers zeigen uns auch, dass
die Bürger von den EU-Organen ein Höchstmaß an
Effizienz verlangen. Genau dies ist der Inhalt des
zweiten Themas, über das ich heute sprechen möchte:
die institutionellen Reformen. Sobald der Vertrag von
Nizza ratifiziert ist, werden die für die Erweiterung
notwendigen institutionellen Reformen durchgeführt.
Aber gleichzeitig müssen wir auch grundlegende
Entscheidungen über die Politik und das institutionelle
Gefüge der künftigen Union treffen. Europa benötigt vor
allem eine stärkere Außenpolitik und eine bedeutendere
Rolle auf internationaler Ebene; eine engere
Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im
Bereich Sicherheit und Justiz sowie bei der Bekämpfung
der organisierten Kriminalität und der illegalen
Zuwanderung und eine bessere Koordinierung der
Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Diese Fragen werden gegenwärtig bei der Debatte über
die Zukunft Europas im Konvent behandelt. Allerdings
steht die Erweiterung unmittelbar bevor, und wir dürfen
nicht die Hände in den Schoß legen, bis ein neuer
Vertrag ratifiziert ist. Wie sollen die Zuständigkeiten der
Kommissionsmitglieder verteilt werden, wenn der Union
mehr als 25 Länder angehören? Wie kann der Rat eine
kohärente und effiziente Führung gewährleisten?
Der dänische Ratsvorsitz wurde gebeten, die vom Rat in
Sevilla
beschlossenen
Verfahrensreformen
voranzutreiben. Die Kommission bietet hierbei ihre
uneingeschränkte Unterstützung an. Auch die
Kommission hat bereits Maßnahmen in diese Richtung
ergriffen. Wie ich bereits gestern gesagt habe, habe ich
ähnliche Gedanken über die Umstrukturierung der
Arbeit der Kommissionsmitglieder vorgelegt. Ich
möchte wiederholen, dass diese Reformen, für die keine
Vertragsänderungen notwendig sind, kohärent auf alle
Organe angewandt werden müssen. Und wenn wir erst
einmal 25 Mitgliedstaaten sind, werden wir daraus die
notwendigen Konsequenzen ziehen müssen.
Wir dürfen uns nur von einem Ziel leiten lassen: die
richtigen Männer und die richtigen Frauen an die
richtige Stelle setzen. Wir dürfen nur an das allgemeine
Interesse des Ganzen und an die Optimierung unserer
Leistung denken. Unser ständiges Ziel ist nämlich eine
solidere und demokratischere Führung der Union.
Das dritte und letzte Thema, über das ich heute sprechen
möchte, ist der Weltgipfel in Johannesburg für
nachhaltige Entwicklung. Nachhaltigkeit ist ein
Leitmotiv unserer Überlegungen. Wir sprechen oft von
der Nachhaltigkeit und von langfristigen Zielen für
03/07/2002
11
unsere Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Der
Gipfel von Johannesburg ist hoffentlich ein wichtiger
Schritt nach vorn. Ich weiß, dass einige von Ihnen daran
teilnehmen werden, und das ist gut so, weil die Union
eine führende Rolle auf wirtschaftlicher Ebene, in der
Entwicklungshilfe, der humanitären Hilfe und in den
diplomatischen Beziehungen spielt. Aber wir dürfen uns
nicht auf unseren Lorbeeren bzw. den früher erzielten
Ergebnissen ausruhen. Wir müssen den Elan von
Monterrey und Doha aufgreifen und die schwierige
Aufgabe meistern, unsere Partner zu überzeugen, auch
das ihrige beizutragen.
soeben den Ratsvorsitz übernommen haben, aber auch
wir in der Kommission.
Wir müssen die Entwicklung der ärmeren Länder
entsprechend den von UNO-Generalsekretär Kofi Annan
definierten Prioritäten konkret unterstützen: Wasser,
Hygiene, Gesundheit, Energie, Landwirtschaft und
Biodiversität. Aber wir dürfen auch nicht die
gesellschaftspolitischen Aspekte vergessen: Entwicklung
der Demokratie, verantwortungsbewusste Staatsführung,
politischer Dialog sowie gesellschaftliche und
wirtschaftliche Reformen. Alle diese Maßnahmen dienen
der Verwirklichung großer Ziele: Beseitigung der
Armut, Friedenssicherung und Verbesserung der
Lebensbedingungen der Mehrheit auf diesem Planeten.
3-018
Die Einkommensunterschiede zwischen Nord und Süd
vergrößern sich, vor allem in Afrika. Wir müssen diesen
Trend umkehren. Wir dürfen in der Welt keine neuen
Mauern und Barrieren errichten. Deshalb müssen wir
mehr als bisher tun, unsere Verpflichtungen erfüllen und
einheitlicher und komplementärer vorgehen.
Bei der jüngsten G8-Tagung in Kanada wurde ein
Aktionsplan für Afrika verabschiedet, der die Neue
Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas, kurz NEPAD,
unterstützt. Wir dürfen uns nicht auf die Beteiligung an
dieser Initiative beschränken, sondern müssen auch
sicherstellen, dass unser Beitrag unserer Rolle als
bevorzugter Partner Afrikas und unserer historischen
Verantwortung gegenüber diesem Kontinent entspricht.
Herr Ministerpräsident, der dänische Ratsvorsitz kann
auf die aktive Unterstützung der Kommission und der
neu gegründeten Europäischen Lebensmittelbehörde
zählen, wenn es darum geht, die für sichere Lebensmittel
geltenden sehr hohen Standards für die Unionsbürger zu
bewahren, worauf Sie in Ihren Ausführungen
hingewiesen haben.
In den drei Bereichen, über die ich heute gesprochen
habe – Erweiterung, institutionelle Reformen und
nachhaltige Entwicklung – muss die Europäische Union
sich als Beispiel für demokratische Effizienz darstellen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in der Praxis die
einzigen sind, die die Globalisierung auf demokratische
und supranationale Weise steuern. Die anderen reden
davon; wir versuchen, es zu tun. Deshalb erwartet die
Welt von uns einen gehaltvollen Beitrag zur Debatte
über die Nachhaltigkeit. Diesen Beitrag müssen wir alle
leisten: Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten;
Sie, Herr Präsident Rasmussen, Ihre Mitarbeiter, die
Ich bin froh, Herr Ministerpräsident, und danke Ihnen
dafür, dass wir unsere Zusammenarbeit auf faire,
energische und aktive, aber auch freundschaftliche
Weise begonnen haben. Mein Dank gilt auch Ihnen, den
EP-Mitgliedern, und da dies die letzte Tagung vor der
Sommerpause ist, wünsche ich Ihnen allen einen
schönen Urlaub.
(Beifall)
Poettering (PPE-DE). - Herr Präsident, Herr
Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident Rasmussen,
Sie haben eine große Rede gehalten. Wenn Sie das in
diesem Halbjahr umsetzen, wird das auch ein Beispiel
dafür sein, dass es nicht nur die großen Länder sind, die
Europa voranbringen können, sondern gerade ein Land
wie das Ihre, das seine Arbeit mit einem großen
Anspruch aufnimmt. Ich wünsche Dänemark für uns
gemeinsam viel Erfolg!
(Beifall)
Sie haben gesagt, von Kopenhagen nach Kopenhagen,
und Sie haben gesagt, ein Europa. Ich habe in Ihrer Rede
auch so etwas wie eine Vision gespürt, weil Sie die
Verantwortung dafür übernehmen, dass wir jetzt die
Chance ergreifen müssen, dieses Europa wieder
zusammenzuführen. Kopenhagen 1993 bedeutete
Menschenwürde, bedeutete Rechtsstaat, bedeutete
Demokratie, bedeutete Anerkennung von Minderheiten,
bedeutete marktwirtschaftliche Ordnung. Dies jetzt nach
zehn Jahren umzusetzen durch die Mitgliedschaft
unserer mitteleuropäischen Nachbarn ist eine wirklich
historische Aufgabe!
Ich stimme Ihnen sehr zu, dass es unser Ziel sein muss,
zehn Staaten aufzunehmen: Estland, Lettland, Litauen
und Polen, die Tschechische Republik, die Slowakei,
Ungarn, Slowenien und natürlich Zypern und Malta.
Aber es muss auch klar sein, dass, wenn ein Land diese
Bedingungen nicht erfüllt, diejenigen nicht warten
dürfen, die sie schon erfüllen, nur weil die anderen noch
nicht so weit sind. Ich habe mit großer Dankbarkeit
gehört, dass Sie gesagt haben: Es darf keine neuen
Bedingungen geben. Ich bitte Sie, widerstehen Sie jedem
Druck, von welchem Land auch immer, dass neue
Bedingungen von unserer Seite geschaffen werden!
(Beifall)
Ich sage für unsere Fraktion in aller Deutlichkeit: Wenn
der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland aus
Wahlkampfgründen jetzt die Agrarfrage mit der
Erweiterung verbindet, dann wird das von uns auf das
Entschiedenste zurückgewiesen. Ich ermutige Sie, dass
auch Sie das Gleiche tun und dies mit Entschiedenheit
zurückweisen!
12
(Beifall)
Wir werden am 10. Juli von der Kommission, von
Kommissar
Fischler,
die
Zwischenbilanz
zur
Agrarpolitik hören. Dann werden wir darüber beraten.
Sie haben selbst gesagt, dass dann zu einem späteren
Zeitpunkt die Gelegenheit kommen wird, darüber
Entscheidungen zu treffen. Ich darf im Übrigen daran
erinnern - und Sie, Herr Ratspräsident, ermutigen -, dass
dieses Parlament mit der großen Mehrheit dieses
Parlaments den Bericht Böge zu den finanziellen
Auswirkungen, die der Beitritt zur Europäischen Union
im Hinblick auf die Agrarpolitik hat, verabschiedet hat,
so dass Sie die Unterstützung der breiten Mehrheit
dieses Hauses für den Weg, den Sie gehen wollen,
haben.
Ich möchte einige Bemerkungen zur Türkei machen. In
den Schlussfolgerungen von Sevilla gibt es dazu ja eine
Bemerkung. Wir unterstützen alles, was die
Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen
Union fördert. Aber wir halten nicht den Zeitpunkt für
gekommen, dass schon unter dänischer Präsidentschaft
ein Zeitpunkt für den Beginn der Verhandlungen
festgesetzt werden sollte. Die Türkei muss sich weiter
reformieren. Dabei sollten wir sie unterstützen, aber es
ist noch nicht der Zeitpunkt gekommen, jetzt ein Datum
für Verhandlungen festzusetzen. Ich fordere die
türkische Regierung auf, ihren Vorbehalt aufzugeben im
Hinblick auf die Verbindung von Streitkräften, ihre
Aufgaben, der Europäischen Union und NATO. Denn
wir müssen als Europäer handlungsfähig werden. Hier
muss die Türkei ihren entsprechenden Beitrag leisten.
Die dänische Präsidentschaft hat sich ausführlich zur
Offenheit, zur Transparenz geäußert. Es sind ja gerade
die nordischen Länder - Finnland, Schweden, aber auch
insbesondere Dänemark -, die hier ein besonderes
Beispiel geben. Ich möchte Sie ermutigen, das, was nun
ansatzweise in Sevilla unter Ihrer Präsidentschaft
beschlossen wurde, auch umzusetzen. Wenn zum
Beispiel in den Schlussfolgerungen von Sevilla steht,
dass zu Beginn und am Ende des legislativen Prozesses
im Ministerrat die Dinge öffentlich verhandelt werden
sollen, dann sollten Sie den Beginn und das Ende der
Verhandlungen möglichst flexibel definieren, so dass es
nur einen kleinen Zeitraum in der Mitte gibt, wo dann
die Öffentlichkeit vielleicht nicht hergestellt wird. Wir
brauchen Öffentlichkeit, wir brauchen Transparenz.
Auch das Fernsehen muss dann Zugang haben, damit
wir die Bevölkerung erreichen.
Es wird nach den Schlussfolgerungen von Sevilla bis
Ende 2002 die Interinstitutionelle Vereinbarung geben
im Hinblick auf better regulation, eine bessere
Gesetzgebung. Wir erwarten, dass wir dann auch auf
politischer Ebene Ende dieses Jahres 2002 zu
Ergebnissen kommen. Wir wollen auch, ähnlich wie bei
der
Gemeinsamen
Außen-,
Sicherheitsund
Verteidigungspolitik, eine Vereinbarung im Hinblick auf
die dritte Säule, also die Innen- und Justizpolitik, so dass
wir auch dort mehr Transparenz erreichen.
03/07/2002
Herr Ratspräsident, ich danke Ihnen sehr für das, was
Sie gesagt haben. Ich wünsche Ihnen, dass Sie das
umsetzen können! Ich wünsche der dänischen
Präsidentschaft viel Erfolg! Sie haben die Fraktion der
Europäischen Volkspartei und der europäischen
Demokraten an Ihrer Seite. Da rechts von Ihnen Bertel
Haarder, unser geschätzter alter Kollege sitzt, bin ich
zuversichtlich, dass Sie im Team auch die dänische
Präsidentschaft zu einem guten Ergebnis führen. Viel
Erfolg für die dänische Präsidentschaft!
(Beifall)
3-019
Barón Crespo (PSE). – (ES) Herr Präsident, Herr
amtierender Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident,
meine Damen und Herren! Herr Ratspräsident, Sie
kennen den Standpunkt meiner Fraktion, denn
freundlicherweise haben Sie alle Vorsitzenden nach
Kopenhagen eingeladen; ich denke, Sie haben das
Thema zum Schluss Ihres Redebeitrags richtig
dargestellt und der vor uns liegenden schwierigen
Aufgabe eine historische Sicht gegeben. Insofern muss
ich Ihnen sagen, dass ich dies für einen guten politischen
Ansatz halte. Ich hoffe, die dänische Präsidentschaft
wird sich ebenso neutral verhalten, wie sie dies in ihrer
letzten Vorsitzperiode getan hat.
Wir halten an unserer Hoffnung fest, dass auch Sie sich
unter Achtung der Entscheidungen des dänischen Volkes
voll und ganz am europäischen Aufbau beteiligen
werden. Ich denke, dies wird für alle gut sein.
Im Hinblick auf die vor uns liegenden Aufgaben ist die
Erweiterung die wichtigste Herausforderung. Ich betone
nochmals, dass sie als historische Aufgabe unter
Europäern gesehen werden muss, um ein geeintes
Europa zu schaffen. Das Parlament tut alles, was in
seiner Macht steht, um die Erweiterung innerhalb der
vereinbarten Fristen zu erreichen. Überrascht haben
mich die Verlautbarungen Ihres Außenministers, der den
Beitrittsländern mit dem Knüppel gedroht hat, wenn sie
sich nicht gebührend verhalten. Ich weiß nicht, ob er in
der Presse richtig wiedergegeben wurde. In jedem Fall
aber möchte ich Ihnen sagen, dass Sie vor einer
titanischen Aufgabe stehen, denn – dies hat das
Parlament schon bei vorangegangenen Beitritten gesagt
– man kann nicht einen solchen Sprung tun, ohne die
Dinge neu zu überdenken. Man kann eine Erweiterung
von fünfzehn auf fünfundzwanzig Staaten nicht
innerhalb von zwei Wochen verhandeln und dabei
Haushaltsthemen völlig ausklammern. Deshalb haben
Sie nun das Problem im Rat. Sie werden auch einen
Stock, einen Knüppel brauchen, um im Rat Ordnung zu
schaffen.
Da nun Herr Poettering darum bemüht ist, den deutschen
Wahlkampf systematisch in die Debatten einfließen zu
lassen, muss ich nun sagen: Also man kann über
Landwirtschaft diskutieren, aber sagen Sie Ihrem Herrn
Stoiber, er soll nicht dauernd die Beneš-Dekrete aufs
Tapet bringen! Diese Bomben sind viel gefährlicher für
Europa!
03/07/2002
(Beifall)
Herr Premierminister, die Märchen Ihres Landsmannes
Andersen sind wunderschön, und Sie sollten sich
entsprechend darum bemühen, dass dieses Märchen
nicht in einem Alptraum endet. Ich wünsche Ihnen viel
Glück, aber Sie werden es sehr schwer haben. Dies steht
auch mit der Lebensmittelsicherheit in Zusammenhang,
denn unsere derzeitige Agrarpolitik ist hyperproduktiv
und hyperkapitalistisch ausgerichtet. Wir haben den
politischen Mut besessen, dies zu diskutieren. Wir
wollen eine Agrarpolitik in Richtung nachhaltiger
Entwicklung, doch kann man nicht sagen, dass man
darüber debattieren und vier Jahre warten wird. Dies ist
die Herausforderung, vor der Sie stehen.
Auch im Hinblick auf den Fischfang müssen wir eine
Politik der nachhaltigen Entwicklung verfolgen, jedoch
unter Einhaltung humaner Prinzipien sowie von
Grundsätzen der Achtung des sozialen Gefüges und des
sozialen Zusammenhalts, die wir nach meinem
Dafürhalten alle gemeinsam vertreten. Ich muss Sie
darauf hinweisen, dass Sie eine Fischereimacht sind,
denn Sie sind diejenigen, die in der Gemeinschaft am
meisten fischen.
Im Hinblick auf Sicherheit, Gerechtigkeit und Freiheit
sage ich lediglich, dass wir den Kampf gegen den
Terrorismus und gegen das organisierte Verbrechen
unterstützen. Sehr besorgt sind wir über die von Ihrer
Regierung
verfolgte
Asylpolitik,
die
vom
Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen
kritisiert wurde. Überdies haben Sie Tampere nicht in
Ihr Programm aufgenommen, sondern Sie beziehen sich
lediglich auf Sevilla. Im Rahmen der Umsetzungsarbeit
von Tampere liegen noch fünf unerledigte Richtlinien
auf dem Tisch ...
(Beifall)
... und in Sevilla haben Sie den Innenministern
Hausaufgaben unter Fristsetzung mit auf den Weg geben
müssen.
Herr Präsident, ein kurzer Hinweis auf die globale
Verantwortung: Sie haben Recht, wenn Sie die weltweite
Sicherheit ansprechen. Auch ich mache mir große
Sorgen darum, und ich würde mich freuen, wenn Sie mir
gegenüber die Verlautbarungen Ihres Außenministers
dementierten, in denen er behauptet, das Konzept des
„Quartetts“ und der Internationalen Nahostkonferenz sei
sinnlos. Dieses Konzept ist vom Parlament gebilligt
worden, es ist eine Linie der Europäischen Union und
findet sich auch in den Schlussfolgerungen von Sevilla.
Wir meinen, ein unilaterales Vorgehen der Vereinigten
Staaten ist keine Linie, mit der man versuchen könnte,
diesen Konflikt zu lösen.
Letzter Punkt, und hiermit komme ich zum Schluss:
Wohl wissend, dass der Konvent, den wir derzeit
vorbereiten, eine Herausforderung für das kommende
Jahr darstellt, würde ich nun gern erfahren, was Sie
13
denken: Sind Sie für die Gemeinschaftsmethode oder für
das Direktorium?
Vielen Dank und viel Glück!
(Beifall)
3-020
Watson (ELDR). – (EN) Herr Ratspräsident, Sie
übernehmen den Vorsitz des Europäischen Rates in einer
Zeit, in der die Union vor ihrer bisher größten
Herausforderung steht: der größten Erweiterung unserer
Gemeinschaft in der Geschichte der europäischen
Integration. Wenn Sie Ihre Aufgabe erfolgreich
bewältigen, und daran haben wir keinen Zweifel, werden
während Ihrer Ratspräsidentschaft die letzten Reste des
Eisernen Vorhangs beseitigt. Sie haben in Ihrem
Programm zu Recht darauf hingewiesen, dass sich der
Kreis für Europa in Kopenhagen schließen wird. 1993
wurden auf dem Gipfeltreffen in Kopenhagen die
Beitrittskriterien festgelegt und auf dem Gipfeltreffen,
das 2002 in Kopenhagen stattfinden wird, soll die
Wiedervereinigung Europas vollendet werden.
Warum sind die Liberalen in diesem Haus
zuversichtlich, dass Ihnen dies gelingen wird? Der
Grund ist nicht nur, dass Sie sich außerordentlich
sorgfältig auf diese Aufgabe vorbereitet haben, sondern
auch, dass sie den Vorsitz im Rat zu einem Zeitpunkt
übernehmen, an dem die Liberalen auch den Vorsitz in
der Europäischen Kommission und im Europäischen
Parlament führen. In einer Zeit, in der sich die
Regierungen des rechten oder linken Spektrums den
engen nationalen Interessen unterordnen und so diese
historische Wiedervereinigung aufs Spiel setzen, setzt
die Geschichte auf die Großzügigkeit des liberalen
Geistes. Wir appellieren an Herrn Blair und Herrn
Schröder vom sozialdemokratischen Lager ebenso wie
an die Vertreter der konservativen Seite, Herrn Aznar,
Herrn Berlusconi und Herrn Chirac, einen Augenblick
innezuhalten und darüber nachzudenken, welches Bild
Europa der Welt vermittelt, wenn sie wie römische
Soldaten unter dem Kreuz über den Bruchteil eines
Prozents des BIP streiten.
(Beifall)
Es ist nicht leicht, ein Liberaler zu sein, wenn Gier und
Vorurteile allgegenwärtig sind, aber Sie, Herr
Ratspräsident, können darauf zählen, dass die
Liberaldemokraten in diesem Haus die Erweiterung auf
der Grundlage der in Kopenhagen festgelegten Kriterien
auch weiterhin unterstützen werden. Ich bedauere, dass
es der spanischen Ratspräsidentschaft nicht gelungen ist,
größere Fortschritte in den Bereichen Landwirtschaft
und Fischerei, über die wir heute gesprochen haben, zu
erzielen und Ihnen damit Ihre Arbeit zu erleichtern. Wir
begrüßen die Reform der GAP und der GFP zwar
ausdrücklich, aber diese Reform ist keine Voraussetzung
für die Erweiterung. Niemand sollte glauben, dass wir so
sehr damit beschäftigt sind, die Erweiterung zum
Abschluss zu bringen, dass die Reform dabei auf der
Strecke bleibt. Wir werden aber auch nicht zulassen,
14
dass das Programm der Europäischen Union durch den
Zeitplan nationaler Wahlen diktiert wird.
Eine weitere Hürde, die Sie überwinden müssen, ist die
völlig unzureichende Vorbereitung der Öffentlichkeit.
Einer Eurobarometer-Umfrage zufolge hat nur jeder
fünfte Bürger das Gefühl, gut über die Erweiterung der
EU informiert zu sein. Irland muss den Vertrag von
Nizza billigen und nach dem Gipfel von Kopenhagen
müssen die Beitrittsverträge durch die nationalen
Parlamente und durch dieses Haus ratifiziert werden.
Wenn es nicht gelingt, die weit verbreiteten Ängste in
Bezug auf die Beitrittsländer und die Kosten der
Erweiterung
auszuräumen,
kann
der
Erweiterungsprozess auch jetzt noch scheitern. Dieser
Herausforderung kann jedoch wirksam begegnet werden,
wenn Dänemark auf seine stolze Tradition der Offenheit
und des Verantwortungsbewusstseins setzt und den Rat
über die zaghaften Maßnahmen hinaus öffnet, die in
Sevilla beschlossen worden sind. Wichtig ist außerdem,
dass Sie Ihrem überaus tüchtigen Minister für EuropaAngelegenheiten freie Hand geben, damit er sich mit den
Euroskeptikern auseinander setzen kann.
Im Bereich Justiz und Inneres begrüßt die ELDR Ihr
umfangreiches Programm zum Schutz unserer Bürger
vor dem Terrorismus. Wir hoffen, dass Sie als gute
Liberale die Maßnahmen zum Schutz der Freiheiten der
Bürger mit dem gleichen Eifer vorantreiben werden, mit
dem sie sich für die Bekämpfung des Terrors einsetzen.
Was die Themen Einwanderung und Asyl betrifft, so
bitte ich Sie, auf die erprobten Verfahren der
Gemeinschaft zurückzugreifen, um Fortschritte zu
erreichen und die zum Teil bestehende kurzsichtige
Ablehnung einer europäischen Grenzpolizei zu
überwinden.
Auf die Ausführungen meines Kollegen, Herrn Baron
Crespo, möchte ich antworten, dass ich als
Asylbewerber sehr viel lieber nach Dänemark gehen
würde, wo meine Erfolgsaussichten größer wären, als
mich den Massen anzuschließen, die versuchen in das
trostlose Großbritannien von Tony Blair zu gelangen.
(Beifall)
Es ist Musik in den Ohren der Liberaldemokraten, dass
Sie sich im Bereich der nachhaltigen Entwicklung in
erster Linie auf Maßnahmen konzentrieren wollen, mit
denen Arbeitslose wieder ins Arbeitsleben integriert
werden können, und für eine stabile Wirtschaft eintreten,
sich aber nicht an der Aufstellung immer neuer Ziele
beteiligen. Wir begrüßen außerdem Ihre Absicht, die
weitere Liberalisierung des Energiesektors mit
gemeinsamen Grundregeln der Energiebesteuerung zu
verknüpfen. Zudem können Sie darauf zählen, dass wir
Sie bei der Aushandlung der notwendigen Regelungen
für die zahlreichen Maßnahmen im Bereich der
Finanzdienstleistungen unterstützen werden, die bis
Ende dieses Jahres vorgelegt werden müssen, wenn wir
den
Aktionsplan
für
Finanzdienstleistungen
termingemäß bis 2004 fertig stellen wollen.
03/07/2002
Herr Ratspräsident, mit dieser enormen Fülle an
Aufgaben tragen Sie eine große Last. Die
Wiedervereinigung Europas ist zu Recht Ihre wichtigste
Priorität. Wir wünschen Ihnen alles Gute und bieten
Ihnen unsere Unterstützung an, denn es ist unsere
Generation, der diese Verantwortung zufällt, wir sind es,
die diese Herausforderung bewältigen müssen und wir
sind es, auf denen die Hoffnungen ruhen.
(Beifall)
3-021
Frahm (GUE/NGL). – (DA) Herr Präsident, herzlich
willkommen bei meinen Landsleuten und der dänischen
Präsidentschaft.
Ich
wünsche
der
dänischen
Präsidentschaft natürlich viel Glück in Bezug auf eine
Vielzahl der im Programm enthaltenen Punkte,
besonders natürlich die Erweiterung betreffend. Wir
wissen, dass wir, was die wirtschaftlichen Aspekte der
Erweiterung angeht, die Arbeit bereits in Amsterdam
hätten abschließen müssen. Schon damals hätten wir die
Auseinandersetzungen
über
Agrarpolitik
und
Strukturfonds austragen müssen – jetzt dürfen wir es
nicht dazu kommen lassen, dass sie der Erweiterung im
Wege stehen. Ich möchte die dänische Regierung
auffordern, an der bisherigen Linie festzuhalten, die
Agrarbeihilfen zum Vorteil einer gerechteren Welt völlig
abzuschaffen, einzelstaatliche Rücksichtnahmen außer
Acht zu lassen und stattdessen Nachhaltigkeit und das
Verhältnis zu den Landwirten der Dritten Welt auf die
Tagesordnung zu setzen. Einer Beibehaltung dieser
Linie gebe ich gerne meine Unterstützung.
Zu anderen Punkten möchte ich der dänischen
Regierung dagegen kein Glück wünschen, z. B. bei der
Einflussnahme auf die gemeinsame europäische
Flüchtlings- und Asylpolitik. Ich komme aus einem
Land, in dem Dinge wie Rassismus anders gesehen
werden. In Dänemark kann man verurteilt werden, wenn
man
die
engste
Kooperationspartnerin
und
parlamentarische Grundlage der Regierung, Pia
Kjærsgård von der Dänischen Volkspartei, mit dem
Wort bezeichnet, mit dem man sie in allen anderen
europäischen Ländern bezeichnet und mit dem sie
zuletzt von European Voice bezeichnet worden ist: mit
dem Wort Rassist. Sagt man das in Dänemark, kann man
dafür verurteilt werden. Wir verwenden einen etwas
anderen Begriff für Rassismus, als dies bei den UN, in
der EU und selbst bei den meisten dänischen Bürgern
üblich ist, wenn sie unter Freunden sind. In Dänemark
hat man eine besondere Art, die Entwicklungshilfe zu
betrachten. Wir haben sie gekürzt, aber die dänische
Regierung hält sie für sehr gelungen, solange wir nicht
das Schlusslicht bilden oder im Durchschnitt noch besser
dastehen als andere Länder. Dänemark legt außerdem
großen Wert auf die transatlantischen Beziehungen. Sie
sind Teil des Programms der Präsidentschaft. Es ist die
Rede von gemeinsamen Interessen. Ist es Ausdruck der
gemeinsamen
Interessen,
mit
einem
Land
zusammenzuarbeiten,
das
den
Internationalen
Strafgerichtshof nicht anerkennen und das KyotoProtokoll nicht unterschreiben will? Oder geht es nur
darum, im gemeinsamen Kampf gegen den Terror die
03/07/2002
15
Augen vor vielen Dingen zu verschließen, vor dem
Krieg der Russen in Tschetschenien, vor der Behandlung
der Kurden durch die Türken, vor der Behandlung des
palästinensischen Volks durch Israel – alles wegen einer
gemeinsamen
Allianz
gegen
Terror,
einer
transatlantischen Allianz.
sie eventuell alle zu Mitgliedstaaten werden, bevor sie
für Sie mitzählen? Oder werden Sie auch die Regionen
berücksichtigen – nicht nur die konstitutionellen,
sondern auch die in den Beitrittsländern –, die Sie
benötigen, wenn Sie das Problem der Strukturfonds
ernsthaft lösen wollen?
Viele Mitglieder des Europäischen Parlaments können
sich an die Zeit erinnern, als der heutige dänische
Minister Bertel Haarder Mitglied unseres Parlaments
und Wortführer für die Menschenrechte war. Wir
können deutlich erkennen, dass der Tausch
Mitgliedschaft im Parlament gegen Ministeramt Bertel
Haarder betreffend kein besonders guter Tausch war.
Wir hätten Sie, Herr Haarder, lieber als
Parlamentsmitglied gehabt, um es direkt zu formulieren,
und ich möchte die Regierung dazu auffordern, sich die
Rede von Herrn Haarder nochmals durchzulesen, die er
damals als Wortführer für die Menschenrechte im
Parlament gehalten hat. Diese Rede sollte Ihnen als
Anregung für die kommenden Entscheidungen dienen.
Ist es also richtig, eine solche Trennung zwischen den
großen Visionen und den Reformen vorzunehmen? Ich
denke, auch Kommissionspräsident Prodi sendet Ihnen
eigentlich unausgesprochen eine Frage zu: Können Sie,
wenn Sie an die Erweiterung denken, das Nachdenken
über die Zukunft unserer Institutionen verschieben, ohne
diese Institutionen sofort im Hinterkopf und eine
Vorstellung davon zu haben, wie sie reformiert werden
müssen?
Eine zweite kritische Frage ist hier bereits gestellt
worden, sowohl von Herrn Crespo als auch von Frau
Frahm. Sie betrifft die Zuwanderung, die Bekämpfung
der illegalen Zuwanderung, die Bekämpfung der
Kriminalität und Asylsuchende.
3-022
Maes (Verts/ALE). – (NL) Ich komme aus einem
anderen kleinen Land und schlage folglich einen etwas
anderen Ton an. Sie werden aber verstehen, dass der
dänische Ratsvorsitz seine Arbeit unserer Meinung nach
im Hinblick auf einige Aspekte auf jeden Fall unter
einem günstigen Stern aufnehmen kann. Sie sind für uns
ein Beispiel für Demokratie, Transparenz und
internationale Solidarität, zumindest bisher, und das wird
hoffentlich auch so bleiben.
Für kleine Länder ist Europa immer ein wenig größer als
für große Länder, denn diese müssen solch ein großes
Land zunächst überblicken, bevor sie an die Interessen
der anderen denken können. Deshalb besteht in diesem
Parlament eine zunehmend größere Hoffnung, dass
kleine Länder Europa mehr voranbringen als die großen,
und die Entschlossenheit Dänemarks, die wir Ihrer
Ansprache entnehmen, bildet hier keine Ausnahme.
Was Ihre Priorität für die Erweiterung betrifft, so
verweisen Sie berechtigterweise auf die großen Rechte
von Kopenhagen, die als Bedingungen für die
Beitrittskandidaten galten. In Bezug auf die
Menschenrechte, Demokratie und Minderheiten waren
diese Bedingungen von Kopenhagen richtungsweisend.
Sie drückten nicht nur eine Hoffnung aus, sondern waren
nachgerade ein Stock hinter der Tür, Reformen in diesen
Ländern nicht nur auf rein wirtschaftlichen Grundlagen,
sondern gemäß unserer gemeinschaftlichen Werteskala
durchzuführen.
Viele dieser Beitrittsländer, von denen wir ebenso wie
Sie hoffen, dass sie beitreten können, sobald sie dafür
gerüstet sind, sind im Grunde genommen kleine Länder.
Manche von ihnen haben nicht mehr Einwohner als
einige historische Regionen wie Schottland, Wales, das
Baskenland, Flandern, Wallonien oder Katalonien, und
sie geraten eigentlich ein wenig aus dem Blickfeld. Sie
sehen nur Mitgliedstaaten, wir fragen uns, wie Sie die
Zukunft der konstitutionellen Regionen sehen. Müssen
Es ist selbstverständlich nicht allein Ihre Schuld, dass
der Rat, die Räte uns eine Politik aufhalsen, die eine
Nicht-Politik ist. Dies ist keine ausgeglichene Politik,
die Kommission hatte weitaus ausgewogenere
Vorschläge.
Ich wollte Sie noch fragen, wie Sie Zypern in die Union
bringen, wenn Sie der türkischen Minderheit keine
Sicherheitsgarantien geben, wie Sie das KaliningradProblem lösen werden, usw. Mit anderen Worten, wir
sind sehr gespannt auf die Fragen, die auch andere
stellen werden, vor allem aber auf die Antworten, die Sie
heute geben werden, und ganz besonders auf Ihre
weiteren Taten. Ich wünsche Ihnen jedenfalls im Namen
unserer Fraktion sehr viel Erfolg.
3-023
Camre (UEN). – (DA) Herr Präsident, ich möchte
zunächst dem Ratspräsidenten, Ministerpräsident Fogh
Rasmussen, für eine sehr deutliche und offene Rede
danken. Die dänische Präsidentschaft wird natürlich mit
aller von Dänemark aufzubietenden Professionalität
durchgeführt werden. Das bedeutet aber nicht, dass das
sehr ambitiöse Programm der dänischen Regierung für
eine schnelle Osterweiterung gelingen wird, da dies ja
nicht alleine von der Tüchtigkeit der Präsidentschaft
abhängig ist. Zwischen den Bevölkerungen der 15 EULänder gibt es erhebliche und verständliche
Interessengegensätze und nur, wer für die Interessen der
normalen EU-Bürger völlig unempfänglich ist, kann
glauben, dass man sie unbeachtet lassen kann, um die
Osterweiterung durchzupeitschen. Vor allem eine
Verschiebung der Agrarreform ist sehr bedenklich, weil
sie nach der Erweiterung wahrscheinlich nicht mehr
politisch durchzusetzen ist. Wirtschaftlich und
organisatorisch ist die Erweiterung nach Osten eine
riesige Aufgabe. Es geht um mehrere Hundert Milliarden
Kronen, die von der EU jedes Jahr in den Osten
transferiert werden müssen. Die Einwanderung sehr
billiger Arbeitskräfte in die EU und die Verlagerung
16
unserer arbeitskraftintensiven Betriebe in Richtung
Osten werden erhebliche soziale Veränderungen in der
EU bewirken. Ungeachtet des Interesses des
europäischen Großkapitals an viel billiger Arbeitskraft
und neuen Märkten ist die EU nicht gut beraten, wenn
sie die sozialen Probleme nicht beachtet, die auf die
Europäer zukommen werden.
Die großen Probleme, denen wir uns gegenübersehen,
können den ambitiösen Plan der dänischen Regierung
sehr wohl zu Fall bringen. Vor diesem Hintergrund
möchte ich die Einstellung „jetzt oder nie“ kritisieren.
Wenn der Erweiterungsbeschluss 2002 nicht gefasst
werden kann, geht die Welt nicht unter – nur
Kommissionspräsident
Prodi
verbreitet
diesen
Gedanken. Deshalb bin ich froh über die Erklärung des
Ratspräsidenten, dass er diesen Gedankengang ablehnt.
Was wir brauchen, ist eine Zusammenarbeit der
europäischen Länder, vor allem in Bezug auf Freihandel,
aber es ist eine Verzerrung, von der Wiedervereinigung
Europas zu sprechen. In Wirklichkeit haben die Länder
Europas nie enger zusammengearbeitet als heute. Das
Projekt scheitert nicht, weil ein bestimmtes Datum nicht
eingehalten wird – es ist im Gegenteil ein Vorteil, wenn
die Probleme nicht verschwiegen und verschoben
werden. Deshalb braucht die Präsidentschaft einen Plan
B, der umgesetzt werden kann, wenn Plan A nicht
gelingt. Ich möchte mit dem Wunsch schließen, die
dänische Präsidentschaft möge wie gewohnt die
Entwicklung der EU fördern, indem sie den
europäischen Wählern mehr Gehör schenkt, als wir es
gewohnt sind.
03/07/2002
hoch sein wie die gesamten Nettoeinnahmen aus der
Landwirtschaft. Deshalb haben französische, dänische,
polnische und alle anderen Landwirte ein gemeinsames
Interesse an einer Reform der Agrarpolitik, damit sie den
Verdienst der Landwirte absichert anstatt unverkäufliche
Produkte, Überschusslager, Vernichtung, Zerstörung der
Agrarproduktion
der
Entwicklungsländer,
Umweltzerstörung und überhöhte Verbraucherpreise für
Lebensmittel des täglichen Bedarfs zu unterstützen.
Der dänische Ratspräsident ist Liberaler und der
dänischen Landwirtschaft eng verbunden, was die
historische Chance einer Abkehr von der misslungenen
Planwirtschaft der EU eröffnet. Man könnte alle
Preisbeihilfen um 20 % pro Jahr verringern, den
Landwirten Obligationen für den Rückgang der
Bodenpreise geben und die Einkommen der
Geringverdiener
unterstützen.
Wenn
wir
die
Preisbeihilfen in der EU abschaffen, besteht kein Grund,
die neuen Mitgliedstaaten in die Beihilfen
einzubeziehen. Sie sollten die Mittel zu ihrer eigenen
freien Verfügung erhalten, damit sie nicht zu
Fehlinvestitionen verleitet werden. Die dänische
Präsidentschaft sollte außerdem die 85.000 Seiten EUGesetze genau überprüfen. Der Großteil sollte in die
Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zurückgeführt werden,
damit sich die EU auf grenzüberschreitende Bereiche
beschränken kann, in denen einzelstaatliche Gesetze
nicht sinnvoll sind. Die EU sollte ein Europa der
Demokratien werden statt eine Gemeinschaft der
Bürokraten und Lobbyisten.
3-025
3-024
Bonde (EDD). – (DA) Herr Präsident, ich möchte die
dänische Präsidentschaft zu einer halbjährigen
Zusammenarbeit einladen, Ihr Einsatz kann aus zwei
Gründen historisch werden. Es kann das letzte Mal sein,
dass sich die Mitgliedstaaten bei der Präsidentschaft
abwechseln – was nicht geschehen darf – und die
Erweiterung kann gelingen oder an zu vielen kleinlichen
Eigeninteressen scheitern.
Die Juni-Bewegung ist für die Erweiterung, wir möchten
aber mit unserer Kritik an den Verhandlungsmethoden
der EU nicht hinter dem Berg halten. Die
beitrittswilligen Länder sollen jedes EU-Gesetz ohne die
geringste Rücksichtnahme auf ihre eigenen Demokratien
kopieren. Im Sudetenland kostet Agrarland 10 % des im
deutschen Nachbarland üblichen Preises. Wenn wir die
Tschechen
zwingen,
nach
einem
kurzen
Übergangszeitraum an den Höchstbietenden zu
verkaufen, kann man sich das Ergebnis und die
Reaktionen der tschechischen Wähler leicht vorstellen.
Könnten wir die Übergangsvorschriften nicht flexibler
gestalten und z. B. den Verkauf von Sommerhäusern und
Agrarland in der EU erst dann zulassen, wenn sich das
Durchschnittseinkommen in Tschechien unserem
annähert? Die Agrarvorschriften der EU kosten die
Verbraucher und Steuerzahler in der EU viel Geld, ohne
den Landwirten ein gutes Einkommen zu garantieren.
Der Zuschuss an die dänische Landwirtschaft alleine aus
der EU-Kasse wird in diesem Jahr vermutlich dreimal so
Dupuis (NI). – (FR) Herr Präsident, auch ich möchte die
dänische Präsidentschaft unter dem Vorsitz von
Präsident Rasmussen und unseren ehemaligen Kollegen
Bertel Haarder willkommen heißen und diese
Gelegenheit dazu nutzen, ihnen dafür zu danken, dass sie
das Programm für ihre Präsidentschaft unter das Motto
„Ein Europa“ gestellt haben.
Davon abgesehen würde ich mich freuen, wenn sich der
dänische Vorsitz daran erinnern würde, dass es in
Europa eine kleine Region gibt, die seit tausend Tagen
einen Völkermord erlebt: ich meine Tschetschenien. Die
Europäische Union muss unter der Führung der
dänischen Präsidentschaft dringend entsprechende
Maßnahmen ergreifen, damit eine Troika nach
Tschetschenien reist, um sich ein Bild von den
Zerstörungen und der kriminellen Politik zu machen, die
Russland seit tausend Tagen in diesem Land betreibt. Ich
hoffe, die dänische Präsidentschaft kann dies noch vor
dem im Herbst stattfindenden Gipfeltreffen EURussland erreichen.
Ein weiteres Thema für Dänemark ist die Erweiterung,
wie Präsident Rasmussen bereits mehrfach betont hat.
Ich persönlich bin der Ansicht, dass sich die Union
Gedanken machen und eine neue Erweiterungsrunde
vorschlagen muss. Europa ist noch nicht geeint.
Weiterhin offen ist auch die Israel-Frage und damit alle
Fragen in Verbindung mit Frieden, Freiheit und
Demokratie in dieser Weltregion. Ich frage also den
03/07/2002
dänischen Vorsitz nach seiner Meinung zu dem
Vorschlag, der inzwischen von 50 Europaabgeordneten
unterstützt wird, wonach Israel in die Liste der
Beitrittsländer aufgenommen werden soll und ebenso
Georgien, das in einer weiteren destabilisierte
Weltregion, dem Kaukasus, liegt und zudem ein Tor
nach Zentralasien darstellt. Ist die dänische
Präsidentschaft bereit, sich für die Aufnahme Georgiens
in die Liste der Beitrittsländer einzusetzen?
3-026
Rovsing (PPE-DE). – (DA) Herr Präsident, Herr
Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident, es ist immer
ein Vergnügen, Herrn Ministerpräsident Anders Fogh
Rasmussen und seinen visionären Überlegungen zur
Osterweiterung zu lauschen. Der Ratspräsident hat eine
unglaublich schwere Aufgabe übernommen. Alle
müssen zu einem Gelingen der Erweiterung beitragen,
das gilt besonders für Deutschland und Frankreich, die
das Zentrum der EU-Entwicklung bilden, stark
unterstützt von Spanien. Ohne ein starkes Engagement
und die Unterstützung dieser Länder kann die
Erweiterung kaum gelingen. Sie wird wahrscheinlich
teurer sein, als wir zunächst annehmen. Auch wenn dies
der Fall wäre, sollten wir nicht erschrecken: Wir werden
wohl alle etwas mehr zahlen, um den Aufbau der
Infrastruktur, der Verwaltung usw. zu finanzieren, den
die neuen beitrittswilligen Länder so dringend brauchen.
Es wäre erbärmlich, wenn die EU nicht etwas von ihrem
stetig wachsenden Reichtum an diese Länder abgeben
könnte. Es wäre klug, wenn der Ratspräsident und seine
Kollegen deutlich sagen würden, dass solche
zusätzlichen Mittel die Erweiterung nicht verhindern
dürfen. Sie muss gelingen.
Ziel der Erweiterung ist die Schaffung eines Raums des
Friedens, der Freiheit, der Demokratie und des
Reichtums. Die Voraussetzungen für ein Gelingen sind
gut. Die Erweiterung wird unsere Möglichkeiten für
einen stärkeren Einsatz gegen den internationalen
Terrorismus und einen effektiveren Kampf gegen die
internationale
Kriminalität
einschließlich
den
Menschenhandel verbessern. Es ist sehr wichtig, eine
nachhaltige Entwicklung mit mehr Arbeitsplätzen und
einer besseren Wirtschaft zu unterstützen. Das lässt sich
durch die Schaffung einer wettbewerbsfähigeren
Gesellschaft erreichen, indem wir bürokratische Hürden
und unzweckmäßige Vereinbarungen abschaffen, damit
wir dieselbe jährliche Steigerung des Wohlstands
erzielen können, wie die amerikanische Gesellschaft sie
erreicht hat. Hätten wir unsere Produktivität im selben
Maße wie die USA steigern können, wären wesentlich
mehr finanzielle Mittel vorhanden, die wir verteilen
könnten. Deshalb ist es für uns von entscheidender
Bedeutung, in Bezug auf unsere Entwicklung auf
Wettbewerbsfähigkeit zu setzen. In zehn, fünfzehn
Jahren stehen China und Indien an der Spitze einer
Reihe von asiatischen Ländern, die über eine Dynamik
verfügen werden, die in vielerlei Hinsicht enorme
Anforderungen
an
unsere
Anpassungsund
Wachstumsfähigkeiten stellen wird. Wir sollten
Vorbereitungen treffen, solange wir die Zeit dafür haben
und uns nicht in unwichtigen Einzelheiten verlieren; wir
17
sollten uns auf die großen
Entwicklungen konzentrieren.
zukunftsweisenden
Im globalen Wettbewerb wird die Fähigkeit zur
Produktion sicherer Lebensmittel äußerst wichtig sein.
Wir müssen uns durch Forschung, Entwicklung,
Anwendung neuer industrieller Verfahren und mehr
Wertschöpfung eine Führungsposition in diesem Bereich
sichern. Es ist wichtig, dass wir eine globale
Verantwortung übernehmen und gemeinsam mit den
Amerikanern versuchen, eine Lösung der Probleme im
Nahen Osten zu finden. Die EU ist die Staatengruppe,
welche die Situation am besten versteht. Wir können
einen erheblichen Beitrag leisten, aber ohne
Unterstützung durch die USA, Russland und die
arabischen Länder werden unsere Bemühungen nicht
erfolgreich sein. Schließlich freut mich die Aussage des
Ratspräsidenten, dass das legislative Verfahren
möglichst offen durchgeführt werden soll. Ich erlaube
mir, das so auszulegen, dass es dem Fernsehen gestattet
sein wird, die wichtigsten Phasen der Ratssitzungen zu
übertragen.
3-027
Lund (PSE). – (DA) Herr Präsident, zunächst vielen
Dank an Ratspräsident Fogh Rasmussen für die
Vorstellung des Programms. Wir bekommen eine
Präsidentschaft, die sich von früheren dänischen
Präsidentschaften grundlegend unterscheidet. Die
Zusammenarbeit ist in vielen Punkten erweitert worden
und als wichtigster Punkt kommt hinzu, was alle betont
haben: der Abschluss der Erweiterungsverhandlungen
mit nicht weniger als zehn beitrittswilligen Ländern. Wir
alle tragen eine große politische und moralische
Verantwortung, und wenn wir Erfolg haben wollen, ist
es natürlich notwendig, dass alle Parteien die
notwendige Kompromissbereitschaft mitbringen. Die
beitrittswilligen Länder haben eine tiefgreifende
Umstellung vollzogen. Sie haben große Opfer gebracht,
können aber im Wesentlichen Vollzug melden. Jetzt ist
die EU wieder am Zug, und ich halte den Vorschlag der
Kommission zur Finanzierung der Erweiterung während
der ersten Jahre für sehr vernünftig, in dem die
Erweiterung eindeutig von der künftigen Agrarreform
abgegrenzt wird. Das ist meiner Ansicht nach wirklich
ein durchdachter Ansatz. Die Realisierung obliegt jetzt
den fünfzehn Regierungschefs und es wird sich zeigen,
ob die EU derzeit über Staatsmänner mit der
erforderlichen Qualität und Stärke verfügt, deren
Visionen über kurzfristiges, nationales Denken
hinausgehen. Kurzsichtigkeit und Neonationalismus
dürfen die Erweiterung nicht behindern.
Die zweite große Herausforderung ist der Weltgipfel in
Johannesburg, und hier muss die EU offensiv und mutig
ihre Solidarität mit den Entwicklungsländern unter
Beweis stellen und die Führung in Bezug auf das
Zustandekommen
der
globalen
Vereinbarung
übernehmen, die auch vom Ratspräsidenten erwähnt
worden ist, mit konkreten politischen Zusagen und
einem genauen Zeitplan. Es wird sicher notwendig sein,
auf die USA Druck auszuüben, die offenbar glauben,
dass
Hunger,
Armut
und
Terror
durch
18
Militärmaßnahmen beseitigt werden können und nur
solche Regimes wirtschaftlich unterstützen wollen, die
den amerikanischen Anweisungen widerspruchslos
Folge leisten. Ich hoffe, dass die dänische
Präsidentschaft offensiv handeln und echte Solidarität
mit der Dritten Welt zeigen wird. Hier besteht auch eine
Verbindung zur Asyl- und Einwanderungspolitik der
EU, bei der es nicht nur um illegale Einwanderung geht,
wie man mitunter glauben könnte. Die schrille und
negative Ausländerdebatte in bestimmten Ländern muss
von einer gemeinsamen europäischen Politik abgelöst
werden, die auf Humanismus beruht und bei der
Ausländer nicht sozial diskriminiert werden, bei der
Konventionen respektiert werden und die Einreise nach
Europa
als
Flüchtling
oder
durch
Familienzusammenführung nicht einer gut ausgebildeten
Elite vorbehalten ist. Wir dürfen keine „Festung Europa“
schaffen, die auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner
beruht, wir müssen vielmehr eine Verbindung herstellen
zwischen der hochgelobten Globalisierung und unseren
Ausländergesetzen. Bei einer solchen Politik – und nur
so – kann man mit der positiven Mitarbeit vonseiten des
Europäischen Parlaments rechnen. Mit diesen Worten
möchte ich meiner Hoffnung und meinem Vertrauen
Ausdruck geben, dass die dänische Präsidentschaft die
anstehenden Aufgaben lösen wird, am liebsten in enger
Zusammenarbeit mit dem Parlament.
3-028
Maij-Weggen (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident!
Zunächst möchte ich Herrn Rasmussen und Herrn
Haarder
zu
dem
ausgezeichneten
Programm
beglückwünschen, das sie vorgelegt haben. Es hört sich
wirklich sehr gut an. Ich denke, Sie werden hier im
Europäischen Parlament jegliche Unterstützung erhalten.
Ich habe zwei Fragen und hoffe, sie können beantwortet
werden.
Die erste Frage betrifft die Offenheit im Rat. Ich habe
mich stets für diese Offenheit eingesetzt. Wie Sie
wissen, habe ich maßgeblichen Anteil an der jüngsten
Verordnung über den Zugang der Öffentlichkeit zu
Dokumenten, mit der wir auf jeden Fall die Offenheit
der Verwaltung erreicht haben. Mit dieser Transparenz
im Rat in ihrer jetzigen Form bin ich allerdings nicht
ganz zufrieden. Zu Beginn und zum Abschluss sind die
Ratssitzungen öffentlich, und das nur bei Rechtsetzung
im Verfahren der Mitentscheidung.
Meine Frage lautet: Wie genau geht das nun vonstatten?
Ist
es
nicht
möglich,
die
Sitzungen
bei
Mitentscheidungsverfahren in vollem Umfang vom
Anfang bis zum Ende öffentlich zu machen, und warum
beschränkt
sich
die
Öffentlichkeit
auf das
Mitentscheidungsverfahren? Warum sollte nicht auch
die Rechtsetzung, die den nationalen Mitgliedstaaten
obliegt, in der Öffentlichkeit stattfinden?
Gegenstand meiner zweiten Frage ist die Erweiterung.
Vier Länder bereiten große Probleme in Bezug auf die
Erweiterung, da sie erst eine Reform der Strukturfonds
und der Agrarpolitik wollen. Diese Tendenz besteht
unter anderem in den Niederlanden. Ich möchte Herrn
03/07/2002
Rasmussen bitten, einmal ein ernstes Gespräch mit
unseren liberalen Freunden in den Niederlanden zu
führen – denn vor allem dort wird diese Ansicht
vertreten – und den Vorsitzenden, Herrn Zalm,
aufzufordern, diese Angelegenheit nicht ganz so
vehement anzugehen, damit sich die Niederlande
demnächst mit ihrer neuen Regierung loyal an der
Erweiterung beteiligen können. Ich würde mich nämlich
schämen, sollten die Niederlande zu den Blockierern
gehören.
3-029
Hume (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte der
dänischen Ratspräsidentschaft zu ihrem Amtsantritt
gratulieren und begrüße die Erklärung in ihrem
Programm, dass die Europäische Union in einer Welt,
die immer enger zusammenwächst, eine ganz besondere
Verantwortung für Frieden und Stabilität trägt.
Wir erleben derzeit mit den bahnbrechenden
Entwicklungen
in
der
Technologie,
der
Telekommunikation und im Verkehr die größte
Revolution der Weltgeschichte, die zur Folge hat, dass
die Welt enger zusammenrückt. Daher sollten wir heute
sehr viel besser in der Lage sein, diese Welt zu gestalten,
und wir sollten uns am Beginn eines neuen Jahrhunderts
und eines neuen Jahrtausends mit aller Kraft dafür
einsetzen, dass dieses Jahrhundert zum ersten
Jahrhundert ohne Konflikte oder Kriege in unserer Welt
wird und dass die Europäische Union ihren Einfluss
nutzt, um dieses Ziel zu erreichen. Die Europäische
Union ist das beste Beispiel der Weltgeschichte für eine
dauerhafte Beilegung von Konflikten. Dadurch befinden
wir uns in einer starken Position, um maßgeblich zum
Erreichen des genannten Ziels beitragen zu können.
Die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts war mit
zwei Weltkriegen das schlimmste Jahrhundert der
Geschichte. Trotzdem haben sich dieselben Völker, die
Völker, die in diesem Haus vertreten sind,
zusammengetan, um ihren Streit endgültig beizulegen
und die Europäische Union zu schaffen. Die Grundsätze,
die das Fundament der Europäischen Union bilden,
sollten in alle Krisengebiete der Welt getragen werden.
Ich weiß aus eigener Erfahrungen, dass die drei
elementaren Grundsätze der Europäischen Union
dieselben Grundsätze sind, die auch im Mittelpunkt der
Friedensvereinbarung in Nordirland stehen. Erstens:
Achtung der Unterschiede – darum geht es bei allen
Konflikten. Die Unterschiede sollten respektiert werden.
Zweitens: Schaffung von Institutionen, die die
Unterschiede
respektieren.
Und
drittens:
Zusammenarbeit im gemeinsamen Interesse und dadurch
Überwindung der Barrieren der Vergangenheit.
Ich begrüße die Tatsache, dass Herr Patten und seine
Dienststelle sich in diesem Bereich engagieren. Ich
glaube jedoch, dass es in der heutigen Welt notwendig
ist, dass von der Europäischen Union innerhalb der
Europäischen Kommission eine Dienststelle eingerichtet
wird, die sich ausschließlich mit dem Frieden und der
Konfliktbeilegung befasst, und die von einem
ausschließlich dafür zuständigen Kommissionsmitglied
03/07/2002
geleitet wird. Erst dann können wir unsere Rolle in der
kleineren Welt von heute wahrnehmen und an der
Beilegung der schrecklichen Konflikte in verschiedenen
Teilen der Welt mitwirken und die Botschaft des
Friedens und der dauerhaften Stabilität in diese Gebiete
tragen.
3-030
Riis-Jørgensen (ELDR). – (DA) Herr Präsident, sehr
geehrter Herr Ratspräsident, sehr geehrter Herr
Ministerpräsident. Der Tag ist also gekommen, dem wir
alle entgegengesehen und auf den wir uns vorbereitet
haben, insbesondere Sie seit Ihrem Amtsantritt als
dänischer Ministerpräsident. Ich bin stolz auf Dänemark
und auf Sie. Als Liberaler freue ich mich heute
besonders. Nun haben Rat, Europäisches Parlament und
Kommission einen liberalen Präsidenten. Das sind gute
Voraussetzungen
für
die
Durchführung
des
Arbeitsprogramms der Präsidentschaft.
Die Erweiterung ist das dominierende Thema. Wir
Liberalen haben uns seit dem Fall der Mauer für die
Erweiterung eingesetzt. Sie wird den neuen Demokratien
in Mittel- und Osteuropa zu ihrem rechtmäßigen Platz in
einem neuen Europa verhelfen. Die termingerechte
Durchführung der Erweiterung erfordert nicht nur
politische Tüchtigkeit, sie ist auch mit viel harter Arbeit
verbunden. Der Ratspräsident verfügt über beides – das
weiß ich aus persönlicher Erfahrung – und damit kann
sich der Kreis von Kopenhagen bis Kopenhagen
schließen. Als dänischer Liberaler hoffe ich, dass eine
erfolgreiche Erweiterung dazu führen kann, dass
Dänemark wieder ein vollwertiges Mitglied der EU
wird. Es mag merkwürdig scheinen, dass man sich für
die Mitgliedschaft neuer Länder in einer europäischen
Zusammenarbeit einsetzt, aber selbst aus einem Land
kommt, das in wichtigen Bereichen auf Einflussnahme
verzichtet hat. Die Zurückhaltung Dänemarks in der EU
wird aber unter keinen Umständen die Erweiterung
behindern. Durch die Erweiterung erhalten die neuen
europäischen Bürger bestimmte Rechte. Es ist unsere
Pflicht – der wir gerne nachkommen –, diese neuen EUBürger mit denselben Rechten auszustatten, die wir auch
haben. Ein EU-Bürger kann sich überall niederlassen
und Arbeit aufnehmen. Dieses Recht sollen unsere neuen
Mitbürger vom ersten Tag an haben.
Ich möchte der Präsidentschaft alles Gute und viel
Erfolg bei der Arbeit an einem vereinten Europa
wünschen. Ich bin überzeugt, dass sie gelingen wird. Die
liberale Fraktion wird alles tun, um sie zu unterstützen.
3-031
Gahrton (Verts/ALE).  (SV) Herr Präsident! Ich
glaube nicht, dass ich als Einwohner der
südschwedischen Provinz Schonen gegenüber einem
dänischen Ministerpräsidenten allzu viel Höflichkeit
walten lassen muss, sondern Klartext reden kann.
Warum haben Sie sich für die Einführung der
Ausländerpolitik einer ausländerfeindlichen Partei genau
an dem Tag entschieden, an dem Sie amtierender
Vorsitzender des Europäischen Rates wurden? Was
wollen Sie mit dieser Symbolik ausdrücken? Wie
glauben Sie, wird dies von der übrigen Welt verstanden?
19
Nun sprechen Sie, Herr Anders Fogh Rasmussen, in
schönen Worten von der Erweiterung der Europäischen
Union. Doch wie soll man Ihren Worten über die
Öffnung der Grenzen für Ausländer in den
Kandidatenländern Glauben schenken angesichts der
Tatsache, dass Sie die Grenzen für Russen, Afrikaner,
Asiaten und Lateinamerikaner schließen wollen?
In der Zeitung Berlingske Tidende bezeichnet Bertel
Haarder das Ausländergesetz der dänischen Rechten als
einen Sieg für die jungen Ausländerfrauen. Jetzt muss
man als Ausländer in Dänemark 24 Jahre alt sein, um
seine Frau aus dem Heimatland herholen zu können.
Möchte ein in Dänemark lebender Schwede oder
Grieche, dass seine 18-jährige Braut aus dem
Heimatland nach Dänemark zieht, ist dies
wahrscheinlich möglich. Wenn hingegen ein Moslem
aus dem türkisch-zypriotischen Teil Zyperns diesen
Wunsch hegt – was dann? Zypern ist noch nicht
Mitglied der Europäischen Union, doch wie lösen Sie
das Dilemma, wenn Zypern der EU beitritt?
Nein, hat der Erweiterungswille der dänischen Rechten –
um es mit den Worten H. C. Andersens auszudrücken –
nicht etwas von „Des Kaisers neue Kleider“? Man kann
nicht einerseits so genannte Ausländer vertreiben wollen
und andererseits gleichzeitig das Ziel verfolgen, die
Freizügigkeit der EU auf alle Länder Europas, darunter
mehrere muslimische Staaten, auszudehnen.
Auf diese Weise machen Sie die Europäische Union zu
einer Art Fortress Europe, einem superimperialistischen
Staat, zu dem das dänische Volk nein gesagt hat. Aber
dänische Regierungen nehmen ja bekanntlich keine
Rücksicht auf den Willen ihres Volkes. Sie sind ja
Europameister
darin,
Ergebnisse
von
Volksabstimmungen wegzumanipulieren! Doch gehen
Sie nicht etwas zu weit, wenn Sie nun versuchen, das
gleiche auch mit dem Ergebnis des Referendums der
Iren zu tun?
3-032
Stenzel (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich freue
mich, dass der dänische Ratsvorsitz und Herr Bertel
Haarder heute anwesend sind und gratuliere ihnen zu
ihrem sehr ehrgeizigen Programm, mit dem sie die
Einhaltung der Termine für die Erweiterung erreichen
wollen.
Meine erste Frage bezieht sich auf zwei Aspekte.
Glauben Sie wirklich, dass Sie angesichts der
gravierenden Meinungsunterschiede im Bereich der
Agrarpolitik die Termine einhalten können? Reicht die
Zeit zwischen November und Dezember aus, um die
Verhandlungen, die die 15 Mitglieder der Europäischen
Union miteinander führen müssen, abzuschließen?
Meine zweite Frage bezieht sich auf die so genannten
Präsidialdekrete und die Beneš-Dekrete. Zwischen
Deutschland und der Tschechischen Republik sowie
zwischen Österreich und der Tschechischen Republik
bestehen Spannungen im Hinblick auf die jüngere, sehr
20
bittere Vergangenheit. Die Vergangenheit sollte der
Zukunft nicht im Weg stehen. Aus diesem Grund
möchte ich Sie, Herr Ministerpräsident, fragen, ob Sie
Ihren politischen Einfluss geltend machen werden, um
diese Spannungen abzubauen. Werden Sie außerdem die
tschechische Regierung bitten, auf den Bericht des
Europäischen Parlaments über die Tschechische
Republik zu reagieren, in dem die tschechische Seite zur
Rücknahme der betreffenden Dekrete spätestens zum
Zeitpunkt des Beitritts aufgefordert wird?
3-033
Schulz (PSE). – Herr Präsident! Eine Bemerkung
zunächst zu dem, was Frau Riis-Jørgensen gesagt hat.
Ich bin überrascht, dass Herr Prodi jetzt Liberaler ist. Ich
habe ihn kennen gelernt als Ulivo-Vertreter. Neulich
habe ich gelesen, er sitzt bei der Christdemokratischen
Fraktion auf deren Klausurtagung. Jetzt ist er ein
Liberaler. Er ist sozusagen der Präsident der Tricolore,
den wir hier im Hause habe. Aber vielleicht wird er uns
dazu noch etwas sagen.
Ich möchte aber Herrn Poettering etwas sagen. Herr
Poettering macht sich ja hier immer ganz stark für
Belehrungen, die andere - Herr Aznar gestern, heute
Herr Rasmussen - dem Bundeskanzler erteilen sollen.
Warum geht es in der Sache? In der Sache geht es
darum, dass die deutsche Regierung in Person des Herrn
Bundeskanzlers die Frage gestellt hat - eine richtige
Frage, wie ich meine -, ob die Direktzahlungen in ihrer
heutigen Form nicht für die Erweiterung hinderlich sein
könnten, wenn wir den Agrarbereich nicht reformieren?
Darüber herrscht übrigens Konsens. Herr Fischler wird
im Juli Vorschläge vorlegen, die Direktzahlungen im
Rahmen der Modulation zugunsten der Förderung des
ländlichen Raums umzuschichten. Ich bin dann einmal
gespannt, ob der Herr Poettering dann auch hier
aufspringt und sagt: Das ist ein Hindernis für die
Erweiterung! Das wird er nicht tun, das kann ich Ihnen
jetzt schon sagen, denn dann geht es ja nicht um den
bundesdeutschen Wahlkampf. Es geht in den Reden von
Poettering, wenn er sich in diesem Maße äußert,
ausschließlich darum: Er will Stimmung im Rahmen des
deutschen Wahlkampfs machen. Das sei ja erlaubt. Das
ist ja nichts Schlimmes, in der Politik ist Wahlkampf
wichtig, aber es wäre besser, Herr Poettering, wenn Sie
sich nicht, als das Haus über Österreich diskutiert hat,
und als wir über Italien diskutiert haben, wie Savonarola
hier hingestellt und gesagt hätten: Alles Einmischung in
die inneren Angelegenheiten von Mitgliedsländern, um
sich dann anschließend, wenn es um ihr eigenes Land
geht,
hier
zu
gerieren
wie
auf
einer
Wahlkampfveranstaltung in Osnabrück.
(Beifall)
3-034
Der Präsident. – Nach diesem Redebeitrag besteht bei
Herrn Poettering wahrscheinlich das Bedürfnis, in den
Bereich meines Blickfangs zu geraten.
3-035
Krarup (GUE/NGL). – (DA) Herr Präsident, ich
möchte mich nicht in das deutsche Streitgespräch
03/07/2002
einmischen, sondern zur dänischen Präsidentschaft
gratulieren. Sie hat eine geschliffene Vorstellung
gegeben, die keinen einzigen eigenen Gedanken enthielt.
Die Dänen sind ja ein bescheidenes Volk. Wir sind und
bleiben der Schwanz der deutschen Bulldogge, aber die
Rhetorik des Ministerpräsidenten vermittelt den
Eindruck, als würde der Schwanz mit dem Hund wedeln.
Hinter diesem schönen Bild verbirgt sich eine Realität
mit vielen Widersprüchen. Mein lieber Kollege Per
Gahrton hat einen davon erwähnt. Ein erheblicher
Widerspruch besteht darin, dass die dänische Regierung,
die jetzt den Ratsvorsitz übernommen hat, mit
Unterstützung einer Partei regiert, die eine an Rassismus
grenzende Fremdenfeindlichkeit vertritt. Zusammen mit
dieser Partei – der Dänischen Volkspartei, die hier im
Saal ebenfalls vertreten ist – wurde ein
Ausländerprogramm entworfen, dessen Widersprüche
Herr Gahrton deutlich herausgestellt hat, und ich möchte
Herrn Gahrtons Frage wiederholen.
Das zweite europäische Meisterstück der Rhetorik ist die
Manipulation von Volksabstimmungen – die klare
Botschaft an die irische Bevölkerung. Ich weiß nicht,
welche klare Botschaft das sein könnte. Die Situation
Irlands ist nach wie vor unverändert, und die dänische
Präsidentschaft hat ihre Fähigkeit zur Manipulation von
Volksabstimmungen schon früher unter Beweis gestellt.
Der letzte und entscheidende Punkt ist das Mantra des
Raum der Freiheit, Sicherheit und des Rechts. Ohne mit
der Wimper zu zucken spricht der Ministerpräsident, die
dänische Präsidentschaft, vom verstärkten Kampf gegen
den Terrorismus. Knapp ein Jahr nach dem
11. September
erleben
wir
panikartige
Gesetzesvorhaben, die elementare Prinzipien der
Rechtssicherheit
außer
Acht
lassen
und
Gemeinschaftsmaßnahmen vorsehen, die durch den
Vertrag nicht abgedeckt sind. Ich denke insbesondere an
den europäischen Haftbefehl. Rechtssicherheit und
Demokratie sind auf dem Rückzug.
3-036
Berthu
(NI).
–
(FR)
Herr
Ratspräsident,
erfreulicherweise haben Sie den Schwerpunkt Ihrer
Präsidentschaft auf die Erweiterung gelegt, und wir
werden Sie tatkräftig dabei unterstützen.
In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen drei Fragen
stellen. Die erste zum Thema Agrarhaushalt muss nicht
unbedingt sofort beantwortet werden, da sie etwas
knifflig ist. Wie Sie wissen, müsste der Agrarhaushalt im
Falle einer identischen Übertragung der GAPVorschriften erheblich aufgestockt werden, was
allerdings niemand anstrebt. Für eine GAP-Reform
bleibt keine Zeit, und außerdem darf die Erweiterung,
wie Sie bereits angemerkt haben, nicht aufgeschoben
werden. Die Renationalisierung der Direktbeihilfen ist
zwar in mancherlei Hinsicht verführerisch, aber nicht
durchweg befriedigend, da in diesem Fall gerade die
ärmsten Länder am wenigsten bezahlen könnten. Gibt es
nicht vielleicht doch noch eine Alternative, wie etwa die
Einführung
einer
neuen
Form
der
Gemeinschaftspräferenz,
die
sowohl
die
03/07/2002
Aufrechterhaltung der Agrareinkommen als auch die
Durchsetzung sehr strenger Qualitätsvorschriften
ermöglichen würde? Wir haben uns kürzlich mit einem
amerikanischen Plan für Agrarbeihilfen befasst, der zwar
recht umstritten ist, uns aber die Gelegenheit bieten
könnte, eine Überarbeitung der WTO-Regeln
einzufordern, damit jedes Land oder jedes Gebiet sein
eigenes Agrarmodell verteidigen kann. Was halten Sie
von der Umsetzung derartiger Überlegungen bis zum
Jahre 2006?
Zweitens war die Bekämpfung der illegalen
Einwanderung eines der Schwerpunktthemen der
vorhergehenden Präsidentschaft. Sie wiederum wollen
sich vor allem auf die Erweiterung konzentrieren. Den
Schnittpunkt dieser beiden Themenbereiche bildet die
Frage der Türkei, denn dieses Land möchte einerseits
der EU beitreten und ist andererseits eine Drehscheibe
für die illegale Einwanderung nach Europa. Wie werden
Sie in dieser Frage vorgehen?
Drittens haben Sie in ihrer Rede erklärt, ein weiteres
irisches „Nein“ gefährde die Erweiterung. Ist das
wirklich so, Herr Präsident? Wäre es nicht denkbar, die
entsprechenden Teile des Vertrags von Nizza in den
Beitrittsvertrag aufzunehmen und sie gleichzeitig klarer
zu formulieren, und wäre so gesehen ein irisches „Nein“
nicht eher eine Chance für Europa?
3-037
Berès (PSE). – (FR) Herr Präsident, die spanische
Präsidentschaft hatte sich in erster Linie auf die
Terrorismusbekämpfung konzentriert. Sie wiederum
haben das Thema Erweiterung als Priorität festgelegt,
was wir aus politischer Sicht sehr begrüßen. Wir sollten
uns allerdings darüber im Klaren sein, dass sich unsere
Bürger von diesem halbjährlichen Wirbel nicht ablenken
lassen, und wir dürfen das, was für die meisten von
ihnen
eine
grundlegende
Errungenschaft
der
Europäischen
Union
darstellt,
nämlich
die
Euroeinführung, nicht vernachlässigen. Hier bleibt noch
einiges zu tun. Wir brauchen zunächst und vor allem
eine
tatsächliche
Koordinierung
der
Wirtschaftspolitiken, damit der Euro zu einem Motor für
Wachstum und neue Arbeitsplätze werden kann.
Herr Präsident, Ihr Land befindet sich in einer Optingout-Situation. Im Sinne des dänischen Volkes hoffen wir
hier natürlich auf eine Weiterentwicklung. Sie müssen
uns allerdings erklären, wie Sie unter diesen Umständen
die Leadership in den Fragen ausüben wollen, die
politischen Willen und Entschlossenheit voraussetzen,
um voranzukommen. Welches sind Ihre diesbezüglichen
Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Arbeitsweise
unserer Institutionen, und wie wollen Sie Ihre
Präsidentschaft in diesem Bereich gestalten?
3-038
Laschet (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr
Ratspräsident! Sie haben zu den Zielen Ihrer
Präsidentschaft gesprochen und auch den NahostKonflikt angesprochen. Wir hatten das mit dem
Ausschuss
für
Auswärtige
Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame
Sicherheit
und
21
Verteidigungspolitik mit Ihnen bereits in Kopenhagen
erörtert. Meine Frage geht in die Richtung der
amerikanischen Initiative in den letzten Tagen.
Der amerikanische Präsident bedient sich eines
Mechanismus, den die Europäische Union überall in der
Welt erfolgreich anwendet. Er nennt konkrete Ziele z. B. einen Drei-Jahres-Zeitplan. Er definiert Kriterien,
an denen Reformen gemessen werden, und er sagt zu,
diese Reformen zu unterstützen, wenn die Kriterien
eingehalten werden. Das ist im Wesentlichen unser
Modell bei der Osterweiterung, begonnen in
Kopenhagen mit den Kopenhagener Kriterien. Das ist
unser Modell in den Beziehungen zu TACIS-Ländern,
und, Herr Kommissar Nielson, das ist neuerdings auch
unser Modell in den AKP-Beziehungen, wo wir konkrete
Prinzipien festgeschrieben haben, die auch Sanktionen
nach sich ziehen können.
Meine
Frage
deshalb
an
die
dänische
Ratspräsidentschaft: Die Kommission handelt im Nahen
Osten anders. Hier setzen wir keine Prinzipien, hier
zahlen wir bisher unsere Hilfe, sogar pauschal, ohne
Konditionen und ohne die Reformanstrengungen zu
ermuntern. Sehen Sie eine Chance, dass unter der
dänischen Ratspräsidentschaft eine neue europäische
Initiative gemeinsam mit den Vereinigten Staaten auf
der Grundlage dessen entwickelt werden kann, was
Präsident Bush für drei Jahre als konkrete Perspektive
eines palästinensischen Staates genannt hat, und dass
eine solche Initiative von Ihrer Ratspräsidentschaft
unterstützt werden könnte?
3-039
Schmidt, Olle (ELDR).  (SV) (Einleitung ohne
Mikrofon) ... kann man Liberale auf den Ratsstühlen
sitzen sehen, einen durch und durch liberalen
Ministerpräsidenten, und an seiner Seite hat er Bertel
Haarder. Ich möchte einleitend nur feststellen: Sie sind
ein sehr verwegener Mann, Herr Ministerpräsident! Ist
eine Erweiterung Europas ohne Polen überhaupt
möglich? Ich weiß, dass alle dieser Auffassung sind und
alle es sagen, doch fällt es mir sehr schwer zu glauben,
dass ein solches Ergebnis letztendlich Wirklichkeit
werden könnte. Ich möchte Sie bitten, etwas darüber zu
sagen, wie politisch und strategisch realistisch ein
solcher Beschluss wäre.
Lassen Sie mich auch einige Worte zur Asyl- und
Flüchtlingspolitik sagen. Mir ist bewusst, dass ich damit
ein sensibles Thema anspreche und ich weiß, dass Sie
die Schweden als alles überwachenden „Großen Bruder“
betrachten. Gleichzeitig hoffe ich, dass Sie das gerade
jetzt nicht tun, Herr Ministerpräsident, sondern in mir
den Liberalen und Freund sehen, einen treuen Freund,
dem auch ein paar offene Worte erlaubt sind. Manchmal
irren wir uns, manchmal haben wir Recht. Ich muss
sagen, dass mich die gegenwärtige Entwicklung
beunruhigt. Mich beunruhigt, dass Europa sich zu einer
Festung entwickelt, die Menschen eigentlich nicht
willkommen heißt. Wir wissen aber, dass wir viele
Millionen Menschen brauchen – bis zum Jahr 2050
22
möglicherweise vier Millionen jährlich – um Europa und
den Wohlstand hier aufrechtzuerhalten.
Im Rahmen der Erweiterung Europas halte ich es auch
für wesentlich, dass wir unsere Werte verteidigen,
Werte, von denen wir Europäer wollen, dass auch andere
sie sich zu Eigen machen. Des Weiteren halte ist es für
wichtig, dass auch wir diese Anforderungen erfüllen. In
diesem
Zusammenhang
muss
ich,
Herr
Ministerpräsident, meiner Hoffnung Ausdruck verleihen,
dass die neue Flüchtlingspolitik Dänemarks kein
Markenzeichen für das übrige Europa wird. Ich bin
sogar der Auffassung, dass wir mehr Toleranz und
Offenheit benötigen, mehr Liberalismus ganz einfach.
Gerade nach Liberalismus sehnen sich doch die Völker
Europas. Wir können chauvinistische Kräfte nie mit
chauvinistischen Vorschlägen bekämpfen.
Herr Ministerpräsident! Lassen Sie mich abschließend
mein großes Vertrauen in Ihre Arbeit ausdrücken. Sie
erfüllen den Auftrag Uffe Elleman-Jensens. Ich möchte
Ihnen meinen Herzlichen Glückwunsch aussprechen,
hoffe jedoch auch, dass Sie bezüglich der Asyl- und
Flüchtlingspolitik auf andere Gedanken kommen.
3-040
Hautala (Verts/ALE). – (FI) Herr Präsident! Meine
Kollegen haben sich zu vielen wichtigen Fragen der
Außenpolitik und auch dazu geäußert, dass die
Europäische Union nicht zu einer Festung werden darf.
In meinem Redebeitrag möchte ich in den Mittelpunkt
stellen, dass wir auch in den Nachbarregionen zu einer
guten nachbarschaftlichen Zusammenarbeit kommen
müssen.
03/07/2002
Region. Beabsichtigen die Kommission und Dänemark,
sich im Rahmen der nördlichen Dimension auch für das
so genannte arktische Fenster der nördlichen Dimension
zu engagieren und was soll hierbei konkret erreicht
werden?
3-041
Alavanos (GUE/NGL). – (EN) Herr Präsident, auch ich
möchte dem dänischen Ministerpräsidenten danken, aber
eine Aussage über die Zypernfrage hat mich überrascht.
Ich glaube, gegenüber dem Text der Schlussfolgerungen
des Europäischen Rates von Helsinki gibt es hier eine
geringfügige, heikle und, wie ich hoffe, nicht
beabsichtigte Änderung. In den Schlussfolgerungen
heißt es, dass eine politische Lösung der Zypernfrage
nicht Bedingung für eine Entscheidung über den Beitritt
Zyperns ist.
Der dänische Ministerpräsident erklärte jedoch soeben,
dass eine abschließende Entscheidung auf der Grundlage
aller relevanten Faktoren getroffen werde. Diese
Aussage unterscheidet sich erheblich von der Position
von Herrn Prodi, der Position der Kommmission, der
Position von Herrn Verheugen, der Position des
Europäischen Parlaments, der Position des Europäischen
Rates von Helsinki und der Position der spanischen
Ratspräsidentschaft. Ich hoffe, dass von Seiten des
dänischen Ratsvorsitzes keine andere Absicht verfolgt
wird, und ich erwarte, dass der dänische
Ministerpräsident im seinem zweiten Redebeitrag
bestätigt, dass eine politische Lösung der Zypernfrage,
obwohl wir sie anstreben und uns für sie einsetzen
werden, keine Vorbedingung für den Beitritt Zyperns ist.
3-042
Die dänische Präsidentschaft bietet mit der nordischen
Ausrichtung hierfür an sich eine neue Chance.
Dänemark hat in seinem Programm die Stärkung der so
genannten nördlichen Dimension erwähnt. Das habe ich
mit Freude zur Kenntnis genommen und möchte
gleichzeitig vorschlagen, dass die Kommission und
Dänemark während dieser Präsidentschaft gemeinsam
auch das nächste Aktionsprogramm der nördlichen
Dimension vorbereiten sollten, da das aktuelle
Programm Ende 2003 ausläuft.
Ich möchte wirklich gern wissen, welche Haltung die
Kommission zur nördlichen Dimension hat. Nimmt die
Kommission diese Frage genauso ernst wie die dänische
Präsidentschaft? Hierbei geht es ja um die
Zusammenarbeit der gesamten Europäischen Union mit
ihren nordischen Nachbarregionen und nicht etwa nur
um die Kooperation der nördlichsten Mitgliedstaaten mit
Russland, Island, Norwegen und Grönland. Es ist in der
Tat ein Programm, in dessen Rahmen wir imstande sein
müssen, unsere gemeinsamen Probleme zu lösen, die
sich
uns
im
Zusammenhang
mit
großen
Herausforderungen stellen. Zum Beispiel ist der
Unterschied im Lebensniveau, in der Entwicklung,
zwischen Russland und der Europäischen Union so
gewaltig, dass er schon an sich eine Bedrohung für die
Zukunft darstellt. Es gibt Kernkraftwerke, Transporte
von Kernwaffen und dieses Problem mit der arktischen
Tannock (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, die
Erweiterung ist ein begrüßenswertes Projekt und wir
sind es unseren osteuropäischen Nachbarn, die wir in
Potsdam nicht vor dem Joch des Kommunismus
schützen konnten, schuldig, dass wir sie wieder in die
europäische Familie der Nationen aufnehmen. Es
bestehen jedoch zahlreiche Probleme, die von der
Ratifizierung des Vertrags von Nizza durch Irland, für
die es sicher bereits eine Alternative gibt, falls sich dies
als nötig erweisen sollte, über die übertrieben
großzügigen Direktzahlungen im Rahmen der GAP an
die Landwirte bis hin zu einer potenziellen
Masseneinwanderung reichen, die insbesondere aus den
unzureichend integrierten und nicht sesshaften RomaGemeinschaften erfolgen könnte, die in großer Zahl in
den osteuropäischen Ländern leben.
Ich begrüße insbesondere den Beitritt von Malta und
Zypern, die beide dem britischen Commonwealth
angehören. Ihr Beitritt wird den verstärkten Gebrauch
der englischen Sprache in diesem Parlament bewirken,
was ich sehr unterstütze. Sorge bereitet mir jedoch der
Beitritt Zyperns, wie das auch von der anderen Seite des
Hauses bereits angesprochen wurde. Zypern muss
möglicherweise als geteilte Insel beitreten, mit allen
Konsequenzen, die dies für eine mögliche Annexion des
Nordteils der Insel durch die Türkei hätte. Wie können
wir vor allem Herrn Denktash dazu bewegen, eine
Vereinbarung mit Herrn Klerides zu treffen, die den
03/07/2002
Beitritt eines vereinten Zypern im Jahr 2004 ermöglicht,
den wir uns alle in diesem Haus, dessen bin ich mir
sicher, wünschen?
3-043
Medina Ortega (PSE). – (ES) Herr Präsident, der
Gipfel von Sevilla überträgt dem dänischen Vorsitz
Verpflichtungen, die in kürzester Zeit zu erfüllen sind.
Konkret werden der Rat, die Kommission und die
Mitgliedstaaten in Punkt 32 der Schlussfolgerungen des
Vorsitzes aufgefordert, im Rahmen ihrer jeweiligen
Zuständigkeiten vor Ablauf des Jahres 2002 folgende
Maßnahmen umzusetzen: „Durchführung gemeinsamer
Aktionen an den Außengrenzen; unverzügliche
Einführung von Pilotprojekten, die allen interessierten
Mitgliedstaaten offen stehen; Schaffung eines Netzes
von
für
Einwanderungsfragen
zuständigen
Verbindungsbeamten der Mitgliedstaaten“.
Werden sie angesichts der kurzen Zeit, die der dänischen
Präsidentschaft zur Verfügung steht, in der Lage sein,
diese bei der Umsetzung dieser auf dem Gipfel von
Sevilla ganz klar festgelegten Ziele zu unterstützen?
3-044
Nicholson of Winterbourne (ELDR). – (EN) Herr
Präsident, vielen Dank für diese sehr begrüßenswerte
Neuerung. Ich gratuliere dem dänischen Ratsvorsitz sehr
herzlich, und natürlich gratuliere ich auch meinem
Kollegen, Herrn Haarder, zu seinen neuen Aufgaben. Er
war früher ein engagiertes Mitglied des Ausschusses für
auswärtige
Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik sowie
meiner Fraktion.
Ich möchte jedoch eine Bitte an Sie, meine sehr
verehrten Kollegen der Ratspräsidentschaft, richten, der
Sie in Ihrer Funktion als dänischer Ratsvorsitz sicher
gerne nachkommen werden. Im Vertrag von Rom sind
die Menschenrechte ebenso verankert wie die Rechte der
Tiere, aber die Rechte der Kinder sind nirgends
festgeschrieben. Nach dem Fall der Berliner Mauer und
nach dem Ende des Kalten Krieges müssen wir jedoch
erkennen,
dass
der
Missbrauch
und
die
Vernachlässigung, die Not und das Elend, der Hunger
und die Verzweiflung von Kindern heute ein so
verheerendes Ausmaß angenommen haben, wie wir es
seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt haben.
Nun, da die Erweiterung der Europäischen Union
bevorsteht, hat sich die Lage nicht verbessert. Sie fragen
sich, warum ich das sage? Der Grund ist, dass vieles
darauf
hindeutet,
dass
die
Tragödie
des
Kindesmissbrauchs durch den Fall der Grenzen, durch
die Erweiterung der Europäischen Union, durch
Faktoren wie die Globalisierung, durch das Internet und
die Schengener Abkommen noch schlimmer geworden
ist. Kinder sind heute so stark gefährdet wie nie zuvor,
der weltweite Kinderhandel floriert wie nie zuvor.
Kinder werden in vielfältiger Weise gequält, sie werden,
um nur einige Beispiele zu nennen, Opfer von
Menschenhändlern, sie geraten in die Hände des
organisierten Verbrechens und sie werden von ihren
Eltern getrennt.
23
Die Europäische Union kann nicht alle Probleme lösen,
aber wir können viel mehr tun als alle anderen. Ich bitte
Sie, mit mir und der Children’s Alliance, einer
parteiübergreifenden Gruppe von Mitgliedern dieses
Hauses, der Abgeordnete aus allen Fraktionen
angehören, zusammenzuarbeiten, damit wir unsere volle
Unterstützung sicherstellen können. Wir setzen uns
dafür ein, dass in den Beitrittsvertrag und in den Vertrag
von Rom die Verpflichtung zur Einhaltung des
Übereinkommens der Vereinten Nationen über die
Rechte des Kindes aufgenommen wird, das von jedem
Mitgliedstaat unterzeichnet und ratifiziert wurde. Als
wichtigstes Übereinkommen in der Geschichte der Welt
ist es von der Anzahl der Länder, die es ratifiziert haben,
unübertroffen. Nur die USA beharren auf ihrer
ablehnenden Position. Die Kommission hat ihren Beitrag
geleistet. Diese Verpflichtung ist im gemeinschaftlichen
Besitzstand der Europäischen Union verankert. Sie sollte
nun in den Beitrittsvertrag und in den Vertrag von Rom
aufgenommen werden. Herr Ratspräsident, werden Sie
mit mir bei der Erreichung dieses Ziels
zusammenarbeiten?
3-045
von Wogau (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich würde
gerne kurz etwas zu der Rede von Herrn Schulz sagen.
Das war ja keine Frage, sondern eine Wahlkampfrede,
die er gehalten hat!
(Beifall)
Ich möchte nur feststellen, dass er offensichtlich
aufgrund der Meinungsumfragen sehr nervös geworden
ist, und das ist auch eine ganz hervorragende
Angelegenheit!
Ich möchte eine Frage stellen, Herr Ratspräsident, die
die Zuständigkeiten während Ihrer Ratspräsidentschaft
betrifft. Im Bereich der Verteidigung ist es so, dass nicht
Dänemark, sondern Griechenland zuständig ist, schon
während der Zeit Ihrer Ratspräsidentschaft. Es gibt aber
gerade auf dem Balkan einige sehr wichtige
Entscheidungen, die anstehen, z. B. die amerikanische
Teilnahme dort, die Frage der Übernahme der
Verantwortung durch die Europäische Union. Hier stellt
sich die Frage: Wie werden Sie die Koordination
sicherstellen, um zu gewährleisten, dass der zivile und
der militärische Teil, die ja im Grunde untrennbar
miteinander verbunden sind, optimal koordiniert
werden? Welche Rolle wird die Präsidentschaft spielen,
und welche Rolle wird der Kommission dabei
zukommen?
3-046
Der Präsident. – Mir ist heute Morgen ein Zeitplan
vorgegeben worden, der nun keine Möglichkeit zur
Anwendung des „Blickfang-Verfahrens“ mehr bietet. Ich
fordere die über 20 Mitglieder, deren Namen auf der
Liste stehen auf, in ihren Fraktionen ihre
Fraktionsvorsitzenden zu ermutigen, mehr Zeit
vorzusehen, wenn wir das „Blickfang-Verfahrens“ das
nächste Mal anwenden. Es ist eine interessante
Ergänzung.
24
3-047
Fogh Rasmussen, Rat. – (DA) Ich möchte mich vor
allem für die gute und konstruktive Debatte bedanken.
Ich habe viele wichtige und durchdachte Ansichten
gehört, die mich bei der weiteren Arbeit begleiten
werden. Zwar möchte ich möglichst viele Fragen
beantworten, doch reicht die mir zur Verfügung stehende
Zeit leider nicht aus, auf alle Fragen einzugehen. Ich
bitte aber darum, dass der Europaminister einige der
Fragen beantworten darf. Vereinzelt sind hier auch
Wahlkampfreden gehalten worden. Das mag richtig und
natürlich sein, aber ich habe nicht vor, mich in den
Wahlkampf einzelner Länder einzumischen.
(Beifall)
Außerdem betrachte ich die Redebeiträge von Frau
Frahm und Herrn Krarup, die Dänemark hier im
Parlament
vertreten,
als
Bestandteile
der
innenpolitischen Auseinandersetzungen in Dänemark.
Auch darauf möchte ich nicht eingehen. Meines
Erachtens geht es in der Europäischen Union jetzt um so
bedeutende Aufgaben, dass es wünschenswert wäre,
wenn sich die Debatten im Europäischen Parlament vor
allem mit den europäischen Visionen befassten und
weniger mit kleinlicher innenpolitischer Polemik.
(Beifall)
Ich danke Herrn Poettering für die Unterstützung der
dänischen Präsidentschaft, und ich möchte Herrn
Poettering, Herrn Watson und Frau Maij-Weggen, die
das Thema Offenheit angesprochen haben, sagen, dass
die
dänische
Präsidentschaft
eine
möglichst
weitreichende Offenheit bei ihren Entscheidungen
anstrebt. Ich möchte nicht verschweigen, dass mir die
Transparenz eigentlich nicht weit genug geht, und ich
werde mich für noch mehr Öffentlichkeit in Bezug auf
die legislative Arbeit in der Europäischen Union
einsetzen. Bis auf weiteres gilt der Beschluss von
Sevilla, den die dänische Präsidentschaft möglichst weit
auslegen wird.
Herr Poettering hat die Verbesserung des legislativen
Prozesses angesprochen. Wir messen dem größte
Bedeutung bei und sehen der interinstitutionellen
Zusammenarbeit
zur
Verbesserung
des
Rechtsetzungsverfahrens erwartungsvoll entgegen. Das
hat für uns höchste Priorität. Herr Poettering nennt auch
das Problem Türkei. Selbstverständlich muss die Türkei
als beitrittswilliges Land ebenso behandelt werden wie
alle anderen Kandidatenländer, d. h. mit der Türkei
können erst dann Beitrittsverhandlungen aufgenommen
werden, wenn sie die politischen Bedingungen – die
Kopenhagener Kriterien – erfüllt. Das ist zurzeit nicht
der Fall.
Ferner ging Herr Poettering, ebenso wie Herr Watson,
auf das Thema Agrarpolitik ein. Ich möchte Herrn
Poettering und Herrn Watson antworten und die
Gelegenheit nutzen, Herrn Watson für die Unterstützung
der dänischen Präsidentschaft zu danken. Ich stimme
seinem Appell an die Mitgliedsländer und die politisch
03/07/2002
Verantwortlichen in Europa voll und ganz zu, die
Erweiterung der Europäischen Union nicht zur Geisel
der agrarpolitischer Ambitionen zu machen.
(Beifall)
Es wäre ein Fehler von historischer Dimension, wenn
die Erweiterung der Europäischen Union wegen
Meinungsverschiedenheiten über einen Geldbetrag
blockiert würde, der trotz allem von untergeordneter
Bedeutung ist. Ich möchte daran erinnern, dass dem
Vorschlag der Kommission zufolge die Erweiterung der
EU im Rahmen des bestehenden Haushalts durchgeführt
werden kann. Das muss nicht mit Mehrausgaben
verbunden sein.
Die
von der
Kommission
vorgeschlagene schrittweise Einführung einer direkten
Beihilfe für Landwirte in den neuen Mitgliedstaaten
erfordert geringfügige zusätzliche Ausgaben, die
weniger als
ein Tausendstel des
gesamten
Produktionswerts
in
den
derzeitigen
EUMitgliedsländern ausmachen. Ich kann nicht glauben,
das einer der politisch Verantwortlichen in Europa die
Erweiterung wegen Meinungsverschiedenheiten über
einen Betrag blockiert, der weniger als ein Tausendstel
der Produktion ausmacht.
(Beifall)
Ich möchte auch auf das eingehen, was Herr Barón
Crespo gesagt hat und ihm für seine guten Wünsche für
die dänische Präsidentschaft danken. Es ist ein
Missverständnis, dass der dänische Außenminister
gesagt haben soll, auf die Beitrittsländer Druck
auszuüben. Im Gegenteil, wir wollen die Verhandlungen
fair gestalten. Herrn Crespo und auch Herrn Bonde, der
ebenfalls die Frage von Reformen in der Agrarpolitik
angesprochen hat, möchte ich sagen, dass Dänemark
solche Reformen befürwortet – und das ist auch meine
Meinung als dänischer Ministerpräsident. Als Präsident
des Europäischen Rates möchte ich aber betonen, dass
diese Agrarreformen nicht zu einer neuen Vorbedingung
für die Erweiterung der Europäischen Union gemacht
werden dürfen.
Herr Barón Crespo hat sich, wie später auch Herr
Laschet, zum Thema Naher Osten geäußert. Dazu
möchte ich sagen, dass die dänische Präsidentschaft
zurzeit Überlegungen anstellt, wie die EU am besten zu
einer Wiederbelebung des Friedensprozesses im Nahen
Osten beitragen kann. Meiner Ansicht nach sollte
zunächst ein Prozess in Gang gesetzt werden, der zu
Reformen der palästinensischen Selbstverwaltung führt.
Demnächst stehen ja Wahlen an. Ziel unserer
Überlegungen
ist
es,
eine
Friedenskonferenz
vorzubereiten, bei der die israelisch-palästinensischen
Friedensverhandlungen wieder aufgenommen werden
können. Ich kann Ihnen mitteilen, dass der dänische
Außenminister heute mit dem amerikanischen
Außenminister, Colin Powell, über dieses Thema
konferieren wird, denn selbstverständlich streben wir
hier eine enge Zusammenarbeit zwischen der EU, den
Vereinigten Staaten und anderen Mitgliedern des
Quartetts an. Die dänische Präsidentschaft möchte, dass
03/07/2002
die Europäische Union bei den Versuchen zur
Wiederaufnahme des Friedensprozesses im Nahen Osten
eine konstruktive Rolle spielt, was sie auch kann und
muss. Herrn Barón Crespo möchte ich antworten, dass
der dänische Ratsvorsitz die Gemeinschaftsmethode in
der EU sehr befürwortet. Leider reicht die Zeit nicht aus,
das im Hinblick auf die Arbeit im Konvent zu vertiefen.
Wir messen ihr aber große Bedeutung bei.
Mehrere Redner haben die Zypern-Frage angesprochen,
so Frau Maes, Herr Alavanos und Herr Tannock. Ich
möchte betonen, dass sich die dänische Präsidentschaft
an die Beschlüsse von Helsinki hält, die drei Elemente
enthalten. Erstens: Die Lösung des Zypern-Problems
wäre von Vorteil, da wir eine ganze Insel in die EU
aufnehmen. Zweitens: Eine politische Lösung stellt
keine Vorbedingung für die Erweiterung dar. Drittens:
Bei einer Entscheidung werden alle maßgeblichen
Faktoren berücksichtigt. Herrn Alavanos möchte ich
sagen, dass dies nichts Neues ist. Der Beschluss wurde
1999 in Helsinki gefasst. Die dänische Präsidentschaft
geht von dieser Entscheidung aus, und zwischen der
Kommission und dem Ratsvorsitz besteht in der ZypernFrage völlige Übereinstimmung.
3-048
(DA) Herrn Dupuis möchte ich in aller Kürze antworten,
dass es zurzeit keine Pläne gibt, Georgien auf die Liste
der Beitrittsländer zu setzen. Meiner Auffassung nach
erfüllt Georgien die Voraussetzungen hierfür nicht. Was
Tschetschenien angeht, so werden die dortigen
Verhältnisse Gegenstand eines Dialogs zwischen der EU
und Russland während der dänischen Präsidentschaft
sein. Herr Camre muss mich missverstanden haben,
wenn er den Eindruck gewonnen hat, ich sei der Ansicht,
man könne die Entscheidung über die Erweiterung der
EU problemlos verschieben. Vielmehr sollte – und das
möchte ich betonen – in diesem Herbst, also vor Ende
dieses Jahres, eine Entscheidung über die Erweiterung
der EU getroffen werden.
Frau Ursula Stenzel fragte, ob der vorlegte Zeitplan
realistisch sei. Ja, ich halte ihn für realistisch. Er ist
sicher ambitiös, aber er ist realistisch. Wir sollten uns
daran erinnern, dass der Europäische Rat von Sevilla den
klaren Beschluss gefasst hat, dass die EU in punkto
direkte Agrarbeihilfen spätestens bis Anfang November
zu einer gemeinsamen Haltung gegenüber den
Beitrittskandidaten gelangt sein muss. Das lässt uns
ausreichend Zeit, von Anfang November bis zum EUGipfeltreffen in Kopenhagen im Dezember die
abschließenden
Verhandlungen
mit
den
Beitrittskandidaten zu führen.
Ich möchte dem Europäischen Parlament für das
eindeutige und nachdrückliche Mandat danken, das es
der dänischen Präsidentschaft heute im Hinblick auf die
Erweiterung der EU erteilt hat, und ich stelle fest, dass
sich Parlament, Kommission und Präsidentschaft über
die Rahmenbedingungen für die vor uns liegende Arbeit
völlig einig sind. Zum einen ist die Erweiterung die
wichtigste Aufgabe für die dänische Präsidentschaft, für
die Union und für Europa, zum anderen bietet sich uns
25
hier eine einmalige historische Chance, die wir nicht
ungenutzt lassen dürfen. Wenn wir die Verhandlungen
nicht zum Jahreswechsel abschließen können, besteht
das Risiko, dass die Erweiterung weit in die Zukunft
verschoben wird. Ich danke dem Parlament für seine
Unterstützung. Die dänische Präsidentschaft wird alles
tun, um beim Gipfeltreffen in Kopenhagen im Dezember
zu einem Ergebnis zu gelangen, sie kann aber – wie ich
bereits gesagt habe – diese Aufgabe nicht allein
bewältigen. Wir brauchen die Unterstützung aller
Partner. Nicht nur die des Parlaments und der
Kommission, sondern auch die der Mitgliedstaaten und
der Beitrittskandidaten. Seit dem Fall der Mauer sind
dreizehn Jahre vergangen. Das Gipfeltreffen in
Kopenhagen, auf dem die Kriterien für die Aufnahme
festgelegt wurden, fand vor neun Jahren statt, fünf Jahre
vor Beginn der Verhandlungen. Wir können die
beitrittswilligen Länder nicht noch länger warten lassen.
Jetzt müssen wir unsere Versprechen einlösen und uns
unserer historischen Verantwortung bewusst werden,
und wir müssen ein dunkles Kapitel der europäischen
Geschichte beenden. Ich sehe der Zusammenarbeit mit
dem Europäischen Parlament bei dieser großen Aufgabe
erwartungsvoll entgegen.
(Beifall)
3-049
Prodi, Präsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident,
gestatten Sie mir eine kurze Erwiderung und einige
Bemerkungen, die mir auf der Seele brennen. Erstens ist
es absolut nicht wahr, dass die Gemeinschaftshilfe für
den Nahen Osten keinen Kontrollen unterliege und an
keine Konditionen geknüpft sei. Es ist Zeit, endlich
aufzuhören mit derartigen Behauptungen, die völlig aus
der Luft gegriffen und lächerliche Unterstellungen sind,
die weder durch die Realität noch durch die Kenntnis
von Tatsachen belegt werden können. Die Kommission
unterstützt ebenso wie die anderen EU-Institutionen und
stärker noch als der Währungsfonds Projekte für eine
friedliche Infrastruktur im Nahen Osten, die nun leider
durch den Krieg zerstört worden ist; sie verwirklicht die
Beschlüsse des Rates zur Unterstützung der
Palästinensischen Behörde und führt die gebotenen
Kontrollen fort, auch wenn diese durch die
Kriegseinwirkungen vielleicht nicht genügend effizient
sein mögen. Ich weise jedoch das Europäische Parlament
darauf hin, dass es gilt, über diese nicht bewiesenen
Behauptungen zu richten, durch die unsere Institutionen
fortwährend in den Schmutz gezogen werden.
(Beifall)
Eine zweite kurze Antwort betrifft die nordische
Dimension, die für die Kommission von großer
Bedeutung ist und dies auch weiterhin sein wird, sei es
als Instrument in den Beziehungen zu Russland oder sei
es bei der Lösung spezieller Fragen und Probleme. Im
Hinblick auf die dänische Präsidentschaft möchte ich nur
eines davon nennen, und zwar die große Bedeutung
eines konstruktiven und freundschaftlichen Verhältnisses
zu Grönland sowie des geografischen, strategischen und
26
03/07/2002
auch menschlichen Aspekts unserer Beziehungen zu
diesem Gebiet.
Erweiterungsverhandlungen bis zum Dezember höchste
Priorität eingeräumt hat.
Und nun, Herr Schulz, eine kurze Erwiderung auf Ihre
persönliche Bemerkung. Ich habe mehrmals an
Veranstaltungen der Liberalen Partei, der Europäischen
Volkspartei und, dank der freundlichen Einladung
meines Freundes Enrique, auch der Sozialistischen
Partei oder der Grünen teilgenommen. Ich bin also kein
Präsident der Trikolore, sondern der vielen Fahnen, was
viel mehr bedeutet, denn ein Präsident der Trikolore
wäre in diesem Falle restriktiv, absolut restriktiv.
Ich teile die Auffassung des dänischen Außenministers,
Per Stig Møller, der kürzlich betonte, dass die EU ihre
Versprechen gegenüber den Beitrittsländern einhalten
muss. Wir sind jedoch auch moralisch verpflichtet, die
Zusagen einzuhalten, die wir den bereits bestehenden
Mitgliedstaaten gegeben haben. Die Vorschläge, die
derzeit im Rahmen der Halbzeitüberprüfung der GAP
von Herrn Fischler, dem für Landwirtschaft zuständigen
Kommissionsmitglied, geprüft werden, sind ein Verrat
an der Vereinbarung über die Agenda 2000, die in Berlin
getroffen wurde. Neue Vorschläge zur Modulation und
zur Abkopplung von Tierprämien zugunsten eines
Systems, das auf flächenabhängigen Zahlungen basiert,
verheißen nichts Gutes für die Landwirte in der EU.
(Beifall und Heiterkeit)
Schließlich möchte ich dem Parlament danken für das
große Vertrauen, das dem dänischen Ratsvorsitz von
allen politischen Kräften entgegengebracht wird; diese
Unterstützung ist verdient und zudem notwendig für
unsere Arbeit. Der Erfolg eines Unterfangens von so
historischer Tragweite für den Kontinent wie die
Erweiterung setzt die Einheit von uns allen voraus: eine
Einheit, die zur Überwindung der Differenzen zwischen
den politischen Lagern und auch der innenpolitischen
Spielchen in den einzelnen Ländern führt; eine Einheit,
welche die notwendige Einigung über die noch offenen
Fragen
ermöglicht;
eine
Aktionseinheit
aller
Institutionen der Union, und hierfür wird der
interinstitutionelle Dialog entscheidend sein, sowohl im
Hinblick auf eine bessere Beschlussfassung als auch für
unsere Vorbereitung auf die Erweiterung nach den
bestehenden Regeln. Wir müssen nämlich dafür Sorge
tragen, dass unsere Organe sofort nach ihrer Erweiterung
funktionsfähig sind, und wir müssen uns schon jetzt
darauf vorbereiten. Und schließlich geht es um die
Einheit, um zu beweisen, dass Europa die enormen
Herausforderungen zu bewältigen vermag. In den
nächsten Monaten werden die politischen und
wirtschaftlichen Herausforderungen nämlich noch
schwieriger werden, als sie es bisher waren, und
weltweit wird man, angefangen in Johannesburg, aber
mehr noch danach, im Spätherbst, ein starkes Bedürfnis
nach Europa verspüren. Wir müssen auf die neuen
großen Fragen der Gesellschaft innerhalb der Union
antworten, um Freiheit und Sicherheit zu gewährleisten,
aber auch außerhalb der Union, im Hinblick auf eine
Verwaltung der internationalen Angelegenheiten, bei
der, wie ich soeben sagte, Johannesburg nur der Anfang
ist, die jedoch wahrhaftig eine neue Ordnung braucht,
vor allem in den Köpfen und dann in der Politik.
Die Einkommen der Landwirte sind bereits
zurückgegangen. Die Landwirtschaft ist der Eckpfeiler
der ländlichen Wirtschaft in Europa und die
Entwicklung des ländlichen Raums wäre nichts weiter
als eine leere Phrase, wenn die Landwirte durch die
Umsetzung der Vorschläge, die die Kommission derzeit
durchsickern lässt, bestraft und in die Armut getrieben
würden. Es ist moralisch und politisch falsch, die
Erweiterung vorzubereiten, indem man die Landwirte
bestraft. Ein solches Vorgehen könnte dazu führen, dass
sich die Landwirte vom Erweiterungsprozess
distanzieren.
Die Erweiterung sollte vielmehr aus dem bestehenden
Haushalt finanziert werden, indem die Ausgaben soweit
erhöht werden, wie dies innerhalb der bestehenden
Grenzen möglich ist. Derzeit werden 20 % der
bereitgestellten Haushaltsmittel nicht in Anspruch
genommen, das ist ein Betrag von insgesamt etwa
25 Milliarden EUR. Durch die Verwendung dieser
Mittel könnte die EU ihren politischen Willen zur
entschlossenen und planmäßigen Fortführung der
Erweiterung demonstrieren.
3-052
(Beifall)
3-050
Der Präsident. – Ich danke Ihnen
facettenreichen Beitrag, Herr Ratspräsident.
20 % der gesamten Direktzahlungen an die Landwirte
würden zurückgehalten und entweder für Maßnahmen
zur Entwicklung des ländlichen Raums bereitgestellt
oder wieder in den eigentlichen GAP-Haushalt
übertragen. Da die Getreide- und Fleischerzeuger
heutzutage die Direktzahlungen als Einkommensquelle
benötigen, würde ihnen durch die neuen Vorschläge die
Existenzgrundlage entzogen.
für
Ihren
3-051
Cushnahan (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich
möchte der dänischen Regierung zur Übernahme der
Ratspräsidentschaft gratulieren und ihr viel Erfolg für
ihre sechsmonatige Amtszeit wünschen. Eine schwierige
Aufgabe liegt vor ihr, und ich freue mich, dass der
Ratsvorsitz
dem
Abschluss
der
Murphy (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich gratuliere der
dänischen Ratspräsidentschaft zu ihrem Amtsantritt und
begrüße insbesondere die Verpflichtung zur Schaffung
eines vereinten Europa, das von großer Bedeutung ist.
Meine Botschaft an Sie, Herr Ratspräsident, ist genau
die Botschaft, die ich hier vor drei Wochen an die
scheidende spanische Ratspräsidentschaft gerichtet habe.
Die Kommission und das Parlament leisten ihren Beitrag
zur Erweiterung und nun ist es an der Zeit, dass auch der
Rat seine Aufgaben erfüllt und sicherstellt, dass die
03/07/2002
Erweiterung erfolgen kann. Die Geschichte wird es den
Regierungen der Europäischen Union weder vergeben
noch vergessen, wenn sie mit ihrem Streit über ein paar
Millionen Euro dieses historische Projekt verzögern.
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir unsere
Versprechen einlösen müssen.
27
dringende Öffentlichkeitsarbeit, die wir in unseren
Ländern leisten müssen, denn das irische Referendum ist
zwar gewiss bedeutsam und entscheidend, doch müssen
wir
auch
dafür
Sorge
tragen,
dass
der
Erweiterungsprozess in unseren Ländern erklärt und
verstanden wird, und jedes EP-Mitglied muss sich dieser
Aufgabe stellen.
(Beifall)
Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, neue Hürden für den
Erweiterungsprozess zu errichten. Die Reform der
Gemeinsamen Agrarpolitik ist wichtig, aber sie ist nicht
mit der Erweiterung verknüpft. Auch dies ist eine
Botschaft, die Sie mit in den Rat nehmen sollten. Die
Gemüter werden sich beruhigen, je mehr die Ergebnisse
der Halbzeitüberprüfung erkennbar werden, aber das ist
eine Botschaft, die Sie in unserem Namen an die
Regierungen weitergeben müssen. Wir unterstützen Sie
bei den drei Schwerpunkten Ihres Programms. Die
Kriterien wurden festgelegt, damit sie eingehalten
werden, und sie müssen eingehalten werden. Wir werden
uns gemeinsam mit Ihnen dafür einsetzen. Kein Land
sollte auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet werden,
wenn es die Voraussetzungen für einen Betritt erfüllt.
Der Dezember 2002 ist dabei das entscheidende Datum.
Herr Watson hat sich niederträchtig und dumm über das
Vereinigte Königreich geäußert. Ich möchte darauf
hinweisen, dass selbst in dem von ihm so genannten
„trostlosen Großbritannien“ jeder, unabhängig von
seinem Alter, den Partner seiner Wahl heiraten kann.
Vielleicht möchte Herr Watson sich mir anschließen,
wenn ich junge Menschen aus Dänemark einlade, nach
Großbritannien zu kommen, um dort zu heiraten und
dann wieder nach Dänemark zurückzukehren, wenn sie
dies wollen.
Wie Sie bereits sagten, sind jetzt aktive Anstrengungen,
nicht Worte gefragt. In den nächsten Monaten werden
jedoch noch einige deutliche Worte gesprochen und
viele schwierige Verhandlungen geführt werden. Wenn
Sie im Dezember nach dem Gipfeltreffen wieder hierher
kommen, hoffe ich, dass wir alle mit einer Stimme
singen
werden:
Wunderbares,
wunderbares
Kopenhagen! Ich danke Ihnen.
(Beifall)
3-053
VORSITZ: GÉRARD ONESTA
Vizepräsident
Der Präsident. – Vielen Dank! In Erwartung dieser
Schlusshymne erteile ich Herrn Caveri das Wort.
3-054
Caveri (ELDR). – (IT) Herr Präsident, verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Der dänische Beitrag von
heute Morgen fand, insbesondere was das ziemlich
schwierige Thema Erweiterung anbelangt, meine große
Wertschätzung. Die perfekte Übereinstimmung mit dem
Kommissionspräsidenten in einer so heiklen und
wichtigen Frage ist offensichtlich. Es gilt, mindestens
zwei Überlegungen anzustellen. Die erste betrifft die
Die
zweite
Überlegung
gilt
hingegen
den
Volksabstimmungen, die in den Kandidatenländern
durchgeführt werden. Wir müssen unser Augenmerk
auch auf den Verlauf dieses Prozesses richten, um
Dominoeffekte, die äußerst negative Auswirkungen
haben könnten, zu vermeiden, wobei wir natürlich
populistischen Strömungen, die sich überall ein wenig
bemerkbar machen und eine äußerst ablehnende Haltung
zur europäischen Integration vertreten, entgegenwirken
müssen.
Ein weiterer entscheidender Punkt ist ohne Frage die
Arbeit des Konvents. 2003/2004 werden wir ein enormes
Arbeitspensum im Rahmen unserer Institutionen zu
bewältigen haben: die Wahlen zum Europäischen
Parlament,
die
Erweiterung
und
die
Regierungskonferenz. Ich möchte den dänischen Vorsitz
darauf aufmerksam machen, dass sich der Konvent
zumindest mit zwei Themen beschäftigt, die auch für ihn
von gewissem Interesse sein werden. Da wäre zunächst
die nach wie vor aktuelle Frage der sprachlichen
Minderheiten in Europa, die nicht nur für die
Beitrittsländer, sondern auch für die Mitgliedstaaten
bedeutsam ist. Das andere Thema, welches bereits in
diesem Hohen Haus angesprochen wurde, betrifft das
Verhältnis zu den Regionen innerhalb der Europäischen
Union, denen durch die jeweilige Verfassung
Gesetzgebungsbefugnisse zuerkannt werden. Auch
dieses Thema ist besonders wichtig, denn entweder
gelingt es uns, Föderalismus und Subsidiarität wirklich
miteinander zu verbinden, oder es entsteht die Gefahr,
dass das Unverständnis gegenüber den Mechanismen der
EU wächst.
Ich möchte ferner auf die sehr anerkennenswerte
Methode der dänischen Ratspräsidentschaft hinweisen,
die es allen Parlamentsausschüssen, einschließlich des
unter meinem Vorsitz arbeitenden, ermöglicht hat, an
zahlreichen Treffen mit den Koordinatoren in
Kopenhagen teilzunehmen. Endlich besteht Aussicht auf
eine physische, echte Präsenz des Rates in den
Ausschüssen, um die wichtigsten Passagen der einzelnen
Berichte vor der Debatte im Plenum zu besprechen.
Diese Neuerung – und hier wende ich mich an meinen
Freund Haarder – halte ich für sehr bedeutsam, denn
gewissermaßen leiden wir noch heute an einem Problem
in Bezug auf die Beziehungen zum Rat, was sich äußerst
negativ auswirkt.
Im Rahmen der Themen, die speziell die Arbeit des
unter meinem Vorsitz tätigen Ausschusses betreffen,
möchte ich zwei hervorheben, bei denen allerdings das
gesamte Parlament und natürlich auch meine Fraktion
gefordert sind. Erstens die Bedeutung, welche die
Debatte über die Politik des Zusammenhalts und die
28
03/07/2002
Regionalpolitik in den kommenden Monaten erlangen
wird. Ich möchte in Erinnerung bringen, dass uns im
Januar der zweite Zwischenbericht und im Laufe des
Jahres 2003 der dritte und entscheidende Bericht über
den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt
vorgelegt werden. Wir können also sagen, dass die
Debatten dieser Tage außerordentlich wichtig sind.
Überzeugung nach müssen wir dieses Problem
entschlossen anpacken und die Bürger in die Lage
versetzen, sich in viel stärkerem Maße an der
Ausarbeitung der europäischen Politik zu beteiligen. Zu
diesem Zweck muss eine Politik entwickelt werden, die
die Bürger motiviert, mobilisiert und solidarisiert. Dies
ist eine existentielle Aufgabe für unsere Union.
Ebenso wichtig ist es, die Arbeit an dem Weißbuch
fortzuführen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf
ein brennendes Problem hinweisen, mit dem sich der
dänische Vorsitz wird auseinandersetzen müssen, und
zwar die Ökopunkte in Österreich. Das ist ein sehr
heikles politisches Problem, das irgendwie gelöst
werden muss, denn wir sind uns dessen bewusst, dass es
auch den Erweiterungsprozess belastet und auf die
schwierige Situation des Alpenverkehrs hinweist.
Drittens schließlich war die Diskussion meines
Erachtens in vielerlei Hinsicht sehr interessant, aber
unzureichend im Hinblick auf die Rolle der Union in der
Welt. Drei Beispiele: Afrika wurde nur am Rande
erwähnt. Beim G8-Treffen war von einem Aktionsplan
für Afrika die Rede, der von den Afrikanern auf
64 Milliarden Dollar beziffert wurde. Bisher wurde
allerdings noch keine Zusage gemacht. Innerhalb der
Europäischen Union ist noch nicht einmal das
Abkommen von Cotonou von allen Fünfzehn ratifiziert
worden, so dass es nicht in Kraft treten kann. Jetzt muss
endlich Bewegung in die Sache kommen. Zweites
Beispiel: der Erdgipfel in Johannesburg und die damit
verbundenen weltweiten Herausforderungen. Auch bei
der Vorbereitung dieses Gipfels geht es bei den
Finanzierungsfragen nicht voran, so dass sogar ein
Scheitern möglich wäre. Welche Initiativen sollte die
Union Ihres Erachtens ergreifen? Drittes Beispiel: die
transatlantischen Beziehungen, die Sie, Herr Präsident,
auch angesprochen haben, ohne allerdings ein Wort zum
Unilateralismus und zu dem unglaublichen Beschluss
der amerikanischen Regierung zu sagen, die UNO und
den Frieden auf dem Balkan als Druckmittel zu
missbrauchen, um sich einem internationalen Gericht zu
entziehen. Ich denke, dass Sie uns zu all diesen Punkten
noch einige Erklärungen schulden.
3-055
Wurtz (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident, ich habe
mich dazu entschlossen, das Spiel der neuen Gestaltung
der Debatte mitzuspielen, indem ich selbst die
diesbezüglichen Schlussfolgerungen für meine Fraktion
gezogen habe. Bedauerlicherweise haben nicht alle
denselben Entschluss gefasst.
Ich möchte drei Anmerkungen machen. Die erste betrifft
den Abschluss der Erweiterungsverhandlungen, wobei
ich den Überlegungen zum Zeitplan zustimme. Ein
Aufschub
oder
zu
wenig
Zeit
für
die
Schlussverhandlungen hätte destabilisierende politische
Auswirkungen, das heißt, wir hätten einen zu hohen
politischen Preis zu zahlen. Nicht einverstanden bin ich
hingegen mit dem, was über die Kommissionsvorschläge
zum Haushalt und zu den Agrarbeihilfen gesagt wurde.
Herr Rasmussen hat von vernünftigen Vorschlägen
gesprochen; Herr Prodi von der einzig möglichen Basis.
Man muss allerdings wissen – und Sie wissen das auch –
, dass diese Vorschläge in den mitteleuropäischen
Ländern als diskriminierend und als negatives Signal
von Seiten der Europäischen Union angesehen werden.
Auch einige andere wirtschaftliche Aspekte des
gemeinschaftlichen Besitzstandes werden von den
Bevölkerungen als allzu strikte Vorgaben empfunden.
Man braucht nur einmal die politische Debatte in Polen
zu verfolgen. Meines Erachtens hat man nicht die
geeignete Methode zur Schaffung eines stabileren und
geeinteren Europas, zu dem die Erweiterung beitragen
soll, gewählt.
Meine zweite, allgemeinere Anmerkung ließe sich in
einem Satz zusammenfassen: „Hüten wir uns vor zu viel
Sorglosigkeit.“
Herr
Prodi,
Sie
haben
die
Eurobarometer-Umfragen recht selektiv gedeutet.
Meiner Meinung nach heißt das, sich auf fragliche
Weise Beruhigung zu verschaffen. Wenn es wirklich
einen breiten Konsens gibt, warum werden dann
strategische Entscheidungen bis nach den Wahlen in
Frankreich und in Deutschland aufgeschoben? Warum
hat man dann Angst vor dem irischen Referendum? Wie
wir alle wissen, herrscht in der Tat eine spürbare
Missstimmung
zwischen
der
europäischen
Führungsriege und den europäischen Bürgern. Meiner
3-056
Frassoni (Verts/ALE). – (IT) Herr Präsident, ich heiße
den dänischen Ratsvorsitz willkommen.
Europa: Das ist eine sehr eindrucksvolle Botschaft, die
auch uns mobilisiert und die wir wirklich gerne hören.
Aber was für ein Europa, Herr Präsident? Zum
Abschluss dieser Debatte, deren neue Form auch meine
große Anerkennung findet, möchten wir Sie auf drei
Probleme hinweisen. Erstens vertreten wir die
Auffassung, dass Ihre Asyl- und Einwanderungspolitik
entgegen Ihren Behauptungen keine innenpolitische
Angelegenheit ist. Was Sie in Dänemark tun und sagen,
muss mit dem übereinstimmen und zusammenpassen,
was Sie hier tun und sagen; es geht nicht an, dass
diesbezüglich so große Unterschiede bestehen.
Wir sind sehr besorgt angesichts der Gefahr, dass
Dänemark heute nicht mehr ein so leuchtendes Vorbild
für die Aufnahme und Integration wie früher abgeben
könnte, wodurch bewiesen wird, dass die Rechte und
Freiheiten niemals wirklich gesichert sind und sich mit
jedem Regierungswechsel ändern können. Ihr Dänen
fordert sogar, die Liebe anhand der Staatszugehörigkeit
und des Alters zu messen, was vom europäischen
Standpunkt aus betrachtet wirklich viele Bedenken
hervorruft. Unserer Überzeugung nach wird die Art und
Weise Ihrer künftigen Ratspräsidentschaft auch davon
03/07/2002
abhängen, wie Sie innerhalb Ihres Landes in diesen
Bereichen vorgehen werden.
Das zweite Problem ist Zypern. Wir haben mit einiger
Besorgnis gehört, wie Ihr Außenminister erklärte, wir
müssten nichts unternehmen, die Vereinten Nationen
würden sich darum kümmern. Das stimmt nicht. Es ist
von ausschlaggebender Bedeutung für die Erweiterung,
wie die Europäische Union die Verhandlungen in den
letzten Monaten führt. Ungeachtet der Erklärungen von
Helsinki und anderer wichtiger Räte dürfen wir es unter
keinen Umständen zulassen, dass ein Land in die
Europäische Union aufgenommen wird, in dem es eine
Mauer oder eine „grüne Linie“ gibt. Wir und Sie müssen
alles in unseren Kräften Stehende tun, um dieses
Problem zu lösen.
Zum dritten Problem: Johannesburg. Obwohl dieser
Gipfel absoluten Vorrang für die Union hat, haben Sie,
Herr Präsident, in Ihren Ausführungen nicht erwähnt,
welche Prioritäten die Union für Johannesburg setzt.
Unseres Erachtens gibt es nur eine: zu erklären und ohne
Zögern darauf hinzuwirken, dass der Handel und der
Markt nicht über jeder Art von Engagement im
Umweltbereich und Umweltabkommen stehen. Dies ist
die Botschaft, die von Johannesburg ausgehen muss, die
heute jedoch von keiner Seite zu vernehmen ist, außer
vielleicht in einigen Sätzen, welche die Kommission
heute in den Dokumenten der Europäischen Union
verwendet hat. Das ist die strategische Orientierung, die
wir für Johannesburg verfolgen müssen, und das würde
ich heute gern von Ihnen hören.
3-057
Camre (UEN). – (DA) Herr Präsident, ich bedauere,
dass Herr Ministerpräsident Fogh Rasmussen den
Eindruck gewonnen hat, ich wolle sein Engagement für
die Erweiterung relativieren. Das lag nicht in meiner
Absicht. Ich wollte lediglich die Anmerkung des Herrn
Ministerpräsidenten
kommentieren,
dass
die
Erweiterung in jedem Fall durchgeführt wird, auch wenn
das in diesem Jahr noch nicht gelingt.
Einige meiner dänischen und auch schwedischen
Kollegen
haben
die
Flüchtlingsund
Einwanderungspolitik
sowie
die
Entwicklungshilfepolitik der dänischen Regierung
kritisiert. Herr Watson hat einen guten Vergleich
zwischen einem Asylbewerber in Dänemark und in
England angestellt, doch sind die Behauptungen über die
dänische Politik teilweise falsch, wie wir das soeben in
den Ausführungen von Frau Frassoni feststellen
konnten. Deshalb und weil drei Viertel der dänischen
Bevölkerung die Politik der Regierung in diesem
Bereich
unterstützen,
möchte
ich
den
Ministerpräsidenten oder auch den Europaminister
Haarder bitten, zwei Dinge zu bestätigen. Erstens, dass
der Bericht über die Menschenrechte, an dem Herr
Haarder während seiner Zeit als Mitglied des
Europäischen Parlaments als Berichterstatter mitgewirkt
hat, im Hinblick auf die neue Ausländerpolitik der
Regierungsparteien und der Dänischen Volkspartei in
jeder Hinsicht berücksichtigt wird. Zweitens möchte ich
29
den Ministerpräsidenten bitten zu bestätigen, dass die
dänische Entwicklungshilfe im Jahr 2002 die
zweithöchste der dänischen Geschichte ist – und die
höchste im Vergleich zu anderen Ländern, wenn man sie
zum Bruttoinlandsprodukt ins Verhältnis setzt.
3-058
Bonde (EDD). – (DA) Herr Präsident, es ist nicht üblich,
seine Gegner zu loben, aber ich möchte Herrn Anders
Fogh Rasmussen für seine gute Rede ein Lob
aussprechen, vor allem deshalb, weil er es unterlassen
hat – wie auch in Anwesenheit der Königin -, eine
Auseinandersetzung mit den dänischen Unionsgegnern
zu führen. Diesen Streit können wir in Dänemark
austragen.
Wir befassen uns mit dem gemeinsamen Projekt der
Öffnung der EU, und ich fordere die dänische
Präsidentschaft auf, alle Tagesordnungen, Referate und
Arbeitsunterlagen zum Legislativverfahren auf der
Homepage „dk2002“ zu veröffentlichen. Wenn die EU
als Gesetzgeber tätig wird, muss die gleiche Offenheit
herrschen wie in den nationalen Parlamenten, und wenn
die EU verwaltet, muss den Bürgern Zugang zu den
Dokumenten gewährt werden.
Schließlich möchte ich den Ministerpräsidenten davor
warnen, die Erweiterung gegen die irischen Gegner des
Vertrags von Nizza einzusetzen. Soweit mir bekannt ist,
befürworten sie die Erweiterung. Technisch gesehen ist
es keine Kunst, entsprechend der Erklärung Nr. 20 des
Gipfeltreffens von Nizza die Anzahl der Stimmen und
die Sitzverteilung im Europäischen Parlament in die
Beitrittsverträge zu übernehmen. Das ist technisch ganz
einfach. Mit dem Vertrag von Nizza ist nicht gerade der
große Wurf gelungen. Im Übrigen soll er vom
derzeitigen
Konvent
und
der
kommenden
Regierungskonferenz geändert werden. Darauf hat
Giscard d’Estaing, der Präsident des Konvents, ganz
richtig hingewiesen, wie heute in den dänischen
Zeitungen zu lesen ist. Ich zitiere auf Englisch aus der
Berlingske Tidende:
3-059
(EN) The solution will not be to ignore the vote but to
handle the situation. Probably it requires taking from the
Nice Treaty what is necessary to carry through
enlargement.
3-060
(DA)... das habe also nicht ich gesagt, sondern Giscard
d’Estaing, der Präsident des Konvents, in der heutigen
Ausgabe der Berlingske Tidende. Ich möchte den
Ministerpräsidenten davor warnen, die Erweiterung aufs
Spiel zu setzen, indem er den Ländern die Gelegenheit
gibt, andere Gesichtspunkte einzubringen, wenn wir auf
der Zielgeraden sind.
3-061
Gollnisch (NI). – (FR) Anlässlich der Übernahme der
europäischen Präsidentschaft durch Dänemark möchten
die Abgeordneten Europäischen Rechten dieses Land zu
der Art und Weise beglückwünschen, in der es seine
Zugehörigkeit zur Union und die Wahrung seiner
nationalen Souveränität miteinander in Einklang bringt.
30
Dänemark mit seiner ruhmreichen Tradition, ein nur in
Bezug auf seine Fläche und Bevölkerungszahl kleines
Land, zeichnet sich in der Tat durch seine
bemerkenswerte Europapolitik aus. Zunächst einmal,
weil es sich nicht scheut, sein Volk direkt und in allen
Fällen zu den Verpflichtungen zu befragen, die es im
Namen seiner Bürger eingehen möchte, und weil dieser
Volkswillen von den Regierungsbehörden respektiert
wird. Obwohl Dänemark zur Durchführung eines
zweiten Referendums zu Maastricht gezwungen wurde,
hat es erreicht, dass es nicht gegen den Willen der Dänen
an der Gemeinschaftswährung teilnehmen muss.
Die Krone hat bis heute Bestand, und der dänischen
Wirtschaft geht es offensichtlich eher besser als
derjenigen in der Euro-Zone. Dänemark beteiligt sich
nicht an der gemeinsamen Einwanderungspolitik.
Derzeit werden übrigens gerade äußerst weitsichtige
staatliche Maßnahmen in diesem Bereich umgesetzt.
Dänemark
beteiligt
sich
nicht
an
der
Verteidigungspolitik. In der polizeilichen und
justiziellen Zusammenarbeit hält es unter Abweichung
vom gemeinsamen europäischen Recht an wichtigen
nationalen Befugnissen fest. Es hat vermocht, alle
Souveränitätsübertragungen in Bereichen, die direkt mit
staatlichen Hoheitsrechten zu tun haben, abzulehnen
oder anzupassen, und zwar im legitimen Interesse der
dänischen Nation. Genau das stellt aber keineswegs ein
Hindernis, sondern ganz im Gegenteil einen echten
Vorteil im Rahmen der Beitrittsverhandlungen mit den
zehn neuen Mitgliedstaaten dar, die Teil der
Gemeinschaft werden, aber auf keinen Fall auf ihre erst
kürzlich wiedererlangte Freiheit verzichten möchten.
Dänemark ist der Beweis dafür, dass man sich auch an
Europa beteiligen kann, ohne dem Brüsseler System
mehr als das unbedingt Notwendige zu opfern. Es ist der
Beweis dafür, dass sich entschlossenes Auftreten
gegenüber dem Diktat der antinationalen Ideologie, so
triumphierend sie auch erscheinen mag, auszahlt zu
einem Zeitpunkt, da im Rahmen eines Konvents die
Verfassung
eines
zentralisierten
eurokratischen
Superstaates erarbeitet wird, der im Widerspruch zum
wahren europäischen Geist steht. Ich würde mir
wünschen, dass sich die europäischen Regierungen von
der dänischen Vorgehensweise inspirieren lassen, die
weder ihre Freiheit noch ihre Jahrtausende alten
Identitäten beeinträchtigt.
3-062
Brok (PPE-DE). – Herr Präsident, meine Damen und
Herren! Ich habe aus dieser Debatte der
Fraktionsvorsitzenden, der Ratspräsidentschaften und
der Kommission das eine gelernt: Alle sind sich einig,
dass es für dieses kommende halbe Jahr eine einzige
Priorität gibt, und die heißt Erweiterung, Erweiterung,
Erweiterung. Und ich habe gleichzeitig daraus gelernt,
was wir, glaube ich, bisher noch nie gehabt haben,
nämlich eine völlige Übereinstimmung zwischen der
Mehrheit dieses Hauses, der Kommission und der
Ratspräsidentschaft, was Vorgehen und Zeitplan angeht.
Dieses sollten wir wirklich gemeinsam durchstehen,
03/07/2002
denn nur dann werden wir der historischen Aufgabe
gerecht werden.
Ich bin deswegen auch dankbar, dass deutlich gemacht
wird, so wie wir es in der Entschließung des Parlaments
stehen haben, dass es keine neuen Bedingungen geben
darf für die Erweiterung, dass deutlich gemacht wird,
dass wir eine Reform der Agrarpolitik benötigen, aber
dass dies auch keine neue Bedingung ist. Und wenn die
Fehler der Agenda 2000 jetzt ausgeräumt werden sollen,
darf dies nicht zu Lasten der Beitrittsländer gehen;
hierfür müssen diejenigen, die die Agenda 2000
verhandelt haben, die politische Verantwortung
übernehmen und dürfen dies nicht anschließend bei den
Wählern oder bei den Beitrittskandidaten abladen.
Weiterhin ist es notwendig, sehr deutlich festzustellen,
dass es ein differenziertes Vorgehen gibt. Auch jetzt, mit
zehn Ländern, die wahrscheinlich den Sprung schaffen
können, muss ihnen auch bewusst sein, dass dennoch
jedes einzelne Land am Ende des Tages geprüft werden
muss, ob es die Bedingungen erfüllt. Daher gibt es für
niemanden bisher eine Sicherheit. Deswegen werden
auch Dinge zu prüfen sein, die beispielsweise mit einem
Land wie Polen diskutiert werden, ob die
Unabhängigkeit der Zentralbank aufrecht erhalten
werden muss oder nicht. Dies sind wichtige Themen, die
in einem solchen Zusammenhang geprüft werden
müssen, und aus diesem Grunde sollte sich keiner zu
sicher fühlen.
Herr Ratspräsident, ich möchte Sie ermutigen, die
Kaliningrad-Frage voranzutreiben. Aber ich möchte
auch deutlich zum Ausdruck bringen, dass die Lösung
der
Kaliningrad-Frage
aus
historischen
und
pragmatischen Gründen nicht durch Korridore
geschehen kann. Ich glaube, dass es sowohl den Litauern
als auch den Polen aus den genannten Gründen nicht
zuzumuten ist, dass es einen Korridor durch ihr Land
gibt, und dass wir aus diesem Grund die SchengenKriterien sicherlich mit manchen Kompromissen
durchsetzen müssen, aber auch hier natürlich die
Glaubwürdigkeit der Sicherung der Außengrenzen im
Rahmen eines Europas, das eine innere Freizügigkeit
garantiert, gewährleisten müssen. Dies ist aber auch eine
große Chance, die Brücke zu Russland zu bilden, das
scheint mir auch klar zu sein.
Wir werden im Herbst dieses Jahres in einer Situation
sein, dass wir mit einem Land, das aus strategischen
Gründen für uns außerordentlich wichtig ist, schwierige
Gespräche zu führen haben, nämlich mit der Türkei. Wir
müssen alles tun, dass die Türkei wegen dieser
strategischen Gründe Teil dieses Europas bleibt, aber es
kann nicht sein, dass der Preis für einen Kompromiss in
der Frage der Nutzung der NATO-Einrichtungen für die
ESVP und die Frage der zypriotischen Mitgliedschaft
auf Kosten der konsequenten Einhaltung der
Kopenhagener Kriterien gehen.
(Beifall)
03/07/2002
Ich glaube, dieser Preis kann nicht bezahlt werden, weil
dann nämlich die Glaubwürdigkeit des gesamten
Erweiterungsprozesses für die Zukunft in Frage gestellt
wäre. Ich weiß - denn mir fällt auch keine Antwort zum
gegenwärtigen Zeitpunkt ein -, dass es eine ungeheuer
schwierige Aufgabe für die Ratspräsidentschaft und für
die Kommission ist, dieses Problem zu bewältigen.
Dennoch glaube ich, dass wir diese Chance wahrnehmen
werden, dass wir es schaffen werden und dass wir vor
allen Dingen auch deutlich machen werden, dass die
Vereinigung Europas nicht ein Aufrechnen der
Vergangenheit ist, sondern dass die Vereinigung
Europas die Methode ist, dass die Vergangenheit, die so
schlimm war, niemals wiederkehrt und dies einen
Neuanfang für diesen Kontinent darstellt.
(Beifall)
31
(Beifall)
Deshalb müssen wir die Einwanderung ordnen. Dazu
braucht man aber das Bekenntnis, dass es Zuwanderung
gibt. Es kann aber keine Zuwanderung um jeden Preis
geben. Die Europäische Union und die Mitgliedstaaten
haben das Recht, die Zuwanderung und die Asylpolitik
zu ordnen. Bei diesem Recht müssen sie den Prinzipien
der Humanität verpflichtet sein. Wenn Sie sich auf Jean
Monnet beziehen, Herr Ministerpräsident Rasmussen,
dann muss ich Ihnen sagen, wenden Sie die Methode
Monnet an. Ihre Regierung ist eine, die Monnet sehr fern
ist, und Spinelli, auf den Sie sich berufen haben, das war
ein kommunistischer Politiker in Italien, der dort
verfolgt wurde. Ob der unter den Bedingungen Ihres
Landes bei Ihnen Asyl bekommen hätte, das muss erst
einmal streng geprüft werden.
3-063
Schulz (PSE). – Herr Präsident! Es freut mich, dass ich
nach Herrn Brok reden darf, denn ich habe seinen
Beitrag mit Freuden gehört. Es ist ein sachlicher und
kein polemischer Beitrag, der erste in dieser Form aus
dem deutschen Teil der PPE-Fraktion heute morgen. Ich
habe mehrfach gehört, der Kollege Haarder sei ein lieber
Kollege gewesen. Das kann sich nur auf seinen privaten
Umgang beziehen. Politisch war er alles, aber nicht lieb,
denn ich habe viele Jahre mit ihm im Ausschuss für die
Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere
Angelegenheiten zusammenarbeiten dürfen. Wenn das,
was Herr Haarder dort als Linie des dänischen
Liberalismus über Jahre vertreten hat, die Wirklichkeit
der Asyl- und Einwanderungspolitik der Europäischen
Union wird, dann wird das mit Liebenswürdigkeit wenig
zu tun haben, aber viel mit Härte!
Ihnen, Herr Rasmussen, will ich eins sagen: Sie können
als Ratspräsident nicht verlangen, dass das Europäische
Parlament sich nicht mit der Innenpolitik der
Mitgliedsländer befasst, insbesondere dann, wenn der
amtierende Ratspräsident in seinem Land bei einem
Thema, von dem der Rat in Sevilla gesagt hat, dass es
ein prioritäres Thema der Europäischen Union ist,
nämlich Asyl und Einwanderung, gerade eine Politik
betreibt, von der er selbst auch noch sagt, dass sie zum
Leitbild in der Europäischen Union werden soll.
Natürlich werden wir uns mit der dänischen Innenpolitik
befassen! Die wichtigste Rede für Sie war die von Herrn
Camre. Herr Camre ist nämlich der Vertreter der Partei
von Pia Kjæersgaard, der dänischen Volkspartei, an
deren seidenem Faden Ihre Regierung hängt. Das, was
diese Partei sagt, ist ganz nah an dem, was Herr
Gollnisch hier vertreten hat. Ich würde an Ihrer Stelle
mal darüber nachdenken, ob es Ziel einer
Ratspräsidentschaft sein kann, eine Politik zu machen,
die die volle Zustimmung des Front National findet. Es
ist nämlich so, dass das, was Sie an Botschaft vermitteln,
mit Toleranz und geordneter Einwanderung nichts zu tun
hat, aber viel mit abgeschotteten Grenzen und
Ausgrenzung von Minderheiten. Wir brauchen in der
Europäischen Union eine Kombination aus zwei Dingen:
Solange es keine geordnete Einwanderung gibt, gibt es
die blühende illegale Einwanderung.
(Beifall)
3-064
Andersson (PSE).  (SV) Herr Präsident! Ich heiße den
dänischen Ratsvorsitz herzlich willkommen. Ich wohne
so nahe an Dänemark, wie dies überhaupt nur möglich
ist und kann es von meinem Fenster aus sehen. Zwischen
uns liegen nur vier Kilometer – die schmalste Stelle des
Öresunds.
Mit großer Befriedigung begrüße ich auch die vom
dänischen Ratsvorsitz formulierte zentrale Aufgabe – die
Erweiterung. Ich glaube und hoffe, dass Sie diese
Aufgabe verwirklichen können. Während des
schwedischen Ratsvorsitzes konnten wir den Staffelstab
ein großes Stück vorantragen. Jetzt müssen Sie uns ins
Ziel bringen, und ich bin zuversichtlich, dass Sie dies
schaffen.
Meine Hoffnungen ruhen auch auf dem Weltgipfel für
nachhaltige Entwicklung 2002 in Johannesburg. Zum
gegenwärtigen Zeitpunkt bin ich allerdings etwas
pessimistisch, da ich den spanischen Ratsvorsitz erlebt
habe, der der nachhaltigen Entwicklung keine Priorität
eingeräumt hat. Ich hoffe, Sie werden sich
beispielsweise bei den Umweltfragen nicht allzu sehr an
den USA orientieren. Europa und die Vereinigten
Staaten haben in diesem Bereich sehr unterschiedliche
Auffassungen. Wir können hoffen, dass sich die USA
unserem Standpunkt annähern, darauf verlassen dürfen
wir uns allerdings nicht.
Wie viele andere möchte auch ich die Asyl- und
Flüchtlingspolitik
ansprechen
und
in
diesem
Zusammenhang auf einen Bericht von Bertel Haarder
hinweisen, in welchem die Mitgliedstaaten aufgefordert
werden, bei der Schaffung eines gemeinsamen
Asylsystems
über
eine
Mindestharmonisierung
hinauszugehen und als Grundlage für künftige
Asylinstrumente
einen
hohen
Schutzstandard
vorzusehen.
Doch seitdem Bertel Haarder Minister ist, hat Dänemark
genau das Gegenteil getan! Es hat sein hohes Niveau
32
verlassen und nähert sich immer mehr einer möglichen
Mindestharmonisierung, statt die Beschlüsse des
Europäischen Parlaments zu verwirklichen, d. h. zu
versuchen, einen hohen Schutzstandard vorzusehen.
Ich bin diesbezüglich auch vom Europäischen Rat in
Sevilla enttäuscht, bei dem es vorrangig um die illegale
Einwanderung ging. Ich bin mir des Problems bewusst
und der Ansicht, dass es gelöst werden muss, doch man
löst es nicht durch eine restriktivere Asyl- und
Flüchtlingspolitik. Aus diesem Grunde frustriert mich
auch das Agieren Dänemarks. Sie haben den Ratsvorsitz
inne und somit eine Verantwortung, die vom
Europäischen Parlament in der Zeit Bertel Haarders als
Abgeordneter und Vizepräsident gefassten Beschlüsse
umzusetzen. Es sollte Sie nachdenklich stimmen, wenn
Sie von Ihren Parteifreunden in Schweden, von uns
schwedischen Sozialdemokraten, kritisiert werden und
von der Nationalen Front Beifall erhalten. Das sollte
zum Nachdenken anregen!
3-065
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, ich bedanke mich
bei meinen ehemaligen Kollegen, dass sie mich so
freundlich empfangen haben. Ich fühle mich ein wenig
wie der verlorene Sohn aus der Bibel, der zu Fest und
Freude nach Hause zurückkehrt.
Ich kann Herrn Barón Crespo, Frau Pernille Frahm,
Herrn Per Gahrton, Herrn Olle Schmidt, Herrn Jan
Andersson, Frau Frassoni und Herrn Schulz versichern,
dass sich die Präsidentschaft an alle Zielsetzungen von
Tampere halten wird, also an die Schaffung eines Raums
der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in Europa.
Dies ist ein wichtiges Ziel im Programm unserer
Präsidentschaft und wurde auch in der Rede des
Ministerpräsidenten betont.
Wir werden uns an der gesamten Erklärung von Sevilla
orientieren. Im Bereich Asyl wollen wir sogar
versuchen, mehr zu erreichen. Die gemeinsame
Asylpolitik soll entsprechend den Schlussfolgerungen
von Sevilla im Jahr 2003 ausgearbeitet sein. Wir wollen
aber versuchen, bereits während der dänischen
Präsidentschaft so weit wie möglich voranzukommen.
Wir haben einen Zeitplan erstellt, eine „roadmap“, die
wir der Kommission übergeben haben und die wir auch
dem Parlament zukommen lassen. Hier können Herr
Medina und andere nachlesen, dass wir uns bereits
ausführlich mit den Themen Repatriierung, Rückführung
und Grenzkontrolle befassen. Bereits in drei Wochen
werden die Leiter der Grenzkontrollen in Kopenhagen
zusammentreffen, um darüber zu beraten, wie der
Beschluss von Sevilla umgesetzt werden kann. Herrn
Gahrton und anderen möchte ich sagen, dass sich die
dänische Regierung von Anfang an für eine gemeinsame
Asylpolitik ausgesprochen hat, die allen internationalen
Verpflichtungen nachkommt. Für Frau Frahm, Herrn
Camre und andere der Hinweis, dass ich mich
selbstverständlich an das halten werde, was ich in
meinen Reden hier im Plenum gesagt und in meinen
Berichten über die Menschenrechte von 1998 und 1999
geschrieben habe. Für Dänemark gilt in diesem Bereich
03/07/2002
leider eine Ausnahme von den Verträgen. Ich sage leider
und appelliere unter anderem an Frau Frahm und Herrn
Gahrton, uns dabei zu helfen, diese Ausnahmen
abzuschaffen. Das wäre in unserem Interesse, und
vielleicht können wir hier zusammenarbeiten. Ich
möchte dem Parlament jedoch versichern, dass diese
Ausnahmeregelung für Dänemark den dänische
Ratsvorsitz in keiner Weise beeinträchtigt. Wir werden
alles tun, um zu einer Einigung der Vierzehn zu
gelangen. Dann werden wir uns in Dänemark um eine
Anpassung an die Gemeinschaftsvorschriften bemühen.
Das ist sicher eine positive Einstellung.
Frau Baronesse Nicholson möchte ich jede erdenkliche
Unterstützung bei den Bemühungen zusichern,
gemeinsame
Vorschriften,
Maßnahmen
und
Verhandlungen mit Drittländern zur Bekämpfung der
schrecklichen Probleme im Zusammenhang mit dem
Missbrauch von Kindern zu nutzen. Frau Baronesse
Nicholson hat sich mit dieser Thematik eingehend
befasst und das Parlament wiederholt darauf
hingewiesen.
Ich hoffe, Herr Cushnahan erwartet nicht, dass ich einen
Kommissionsvorschlag zur Agrarpolitik kommentiere,
der noch nicht veröffentlicht wurde. Hier stimme ich der
Ansicht von Herrn Murphy zu.
Herr Caveri hat sich sehr für die Minderheitenpolitik
engagiert, und ich habe seinen Ausführungen über die
Notwendigkeit einer Politik des Zusammenhalts mit
Interesse zugehört.
Ich respektiere das Engagement von Herrn Wurtz für die
Bekämpfung der Armut in Afrika und möchte ihn darauf
aufmerksam machen, dass ich heute Nachmittag eine
Anfrage zur neuen amerikanischen Haltung dem
Internationalen Strafgerichtshof gegenüber beantworte –
darauf werde ich an dieser Stelle also heute Nachmittag
eingehen.
Schließlich möchte ich Herrn Schulz versprechen, dass
ich
ihm
jederzeit
gerne
darlege,
wie
Minderheitsregierungen arbeiten, da das in seinem Land
nicht üblich ist. Das funktioniert so, dass jeder mit jedem
zusammenarbeitet. Für Außenstehende mag das schwer
nachzuvollziehen sein.
Abschließend möchte ich Herrn Brok danken. Ich habe
ihm wie immer aufmerksam zugehört und danke ihm
sowie dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame
Sicherheit
und
Verteidigungspolitik und dem Parlament insgesamt, dass
sie schon zu einem so frühen Zeitpunkt eindeutig zur
Erweiterung Position bezogen haben. Das größte
Anliegen der dänischen Präsidentschaft findet
umfassende Unterstützung. Uns wurde gedankt, aber es
gibt auch Grund, dem Parlament Dank zu sagen, das mit
schnellen und klaren Beschlüssen den Weg gewiesen
hat.
3-066
VORSITZ: PATRICK COX
03/07/2002
33
Präsident
Der Präsident. – Ich danke dem Ministerpräsidenten
und dem Minister für Europa-Angelegenheiten für ihre
Anwesenheit und für die Teilnahme an dieser Debatte,
auf deren Fortsetzung während der Amtszeit der
dänischen Ratspräsidentschaft wir uns schon freuen.
Die Aussprache ist geschlossen.
3-067
Abstimmungen
3-068
Der Präsident. – Wir kommen nun zur Abstimmung.
Nach der Tagesordnung folgt der Beschluss über den
Kompetenzstreit zwischen dem Ausschuss für Recht und
Binnenmarkt und dem Ausschuss für Umweltfragen,
Volksgesundheit und Verbraucherpolitik über den
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates über Umwelthaftung
betreffend die Vermeidung von Umweltschäden und die
Sanierung der Umwelt (KOM(2002) 17 - C5-0088/2002
- 2002/0021(COD)).
Am Ende langwieriger Verhandlungen, bei denen kein
für beide Ausschüsse zufriedenstellendes Ergebnis
erreicht werden konnte, hat die Konferenz der
Präsidenten in ihrer Sitzung vom 13. Juni beschlossen,
den Vorschlag an den Ausschuss für Recht und
Binnenmarkt als federführenden Ausschuss unter der
Bedingung zu überweisen, dass das „verstärkte HughesVerfahren“ zwischen dem Rechtsausschuss und dem
Umweltausschuss angewandt wird.
Der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und
Verbraucherpolitik hat jedoch gegen diesen Beschluss
Einwände erhoben und beantragt, dass der
Kompetenzstreit gemäß Artikel 154 Absatz 2 der
Geschäftsordnung auf die Tagesordnung des Parlaments
gesetzt wird, wozu der Ausschuss nach den
Bestimmungen der Geschäftsordnung berechtigt ist.
Bevor wir abstimmen, erteile ich den Vorsitzenden der
beiden betroffenen Ausschüsse das Wort. Weitere
Wortmeldungen können nicht berücksichtigt werden,
anschließend werden wir zur Abstimmung schreiten.
3-069
Gargani (PPE-DE), Vorsitzender des Ausschusses für
Recht und Binnenmarkt. – (IT) Herr Präsident, ich
möchte als Erstes betonen, dass die heute in diesem
Parlament anstehende Abstimmung beispiellos ist. Sie
ist ein wenig außergewöhnlich, weil es nicht nur um den
Kompetenzstreit zwischen dem Ausschuss für Recht und
Binnenmarkt und dem Ausschuss für Umweltfragen,
Volksgesundheit und Verbraucherpolitik geht, sondern
vor allem um die Übereinstimmung mit der
Geschäftsordnung – auf die Sie soeben hingewiesen
haben – und mit unseren Standpunkten, die wir in der
Debatte eingenommen haben. In dem Streit hat sich –
wie Sie in Erinnerung brachten – die Konferenz der
Präsidenten eindeutig zugunsten des Ausschusses für
Recht und Binnenmarkt ausgesprochen, denn, wie wir
mit der Änderung von Artikel 154 GO beschlossen
haben, hat die Konferenz der Präsidenten über
Kompetenzstreitigkeiten zu entscheiden. Just der
Kollege Corbett hat dem Plenum diesen Vorschlag
unterbreitet, und das Plenum hat ihn angenommen. Die
Konferenz der Präsidenten verfügt nämlich über die
Instrumente für eine gründliche Untersuchung, d. h. für
eine fallweise Bewertung und Beschlussfassung. Das
Zustimmungsvotum, um das ich das Plenum bitte, ist vor
allem eine Zustimmung zur Konferenz der Präsidenten,
um die Gültigkeit der GO-Bestimmung zu bestätigen.
Es gibt viele Gründe, die für eine Zuständigkeit des
Rechstausschusses sprechen und von denen ich nur zwei
anführen möchte: Der Rechtsausschuss befasst sich seit
März 2000 mit dem Thema, denn damals – beachten Sie
das bitte, verehrte Kolleginnen und Kollegen – wurde er
zum federführenden Ausschuss für die Behandlung des
Grünbuchs über Umwelthaftung bestimmt, dem ein
Konsultationspapier, das dem Richtlinienvorschlag, der
nun Gegenstand des Kompetenzstreits ist, vorausging.
Die jetzt als Berichterstatter für den Richtlinienvorschlag
benannte Person ist dieselbe, die sich mit dem Grünbuch
befasste, nämlich der äußerst sachkundige Kollege
Manders, der sich in den vergangenen Jahren ein
profundes Wissen angeeignet hat; der Rechtssausschuss
hat außerdem, unter Wahrung der ihm übertragenen
Zuständigkeit, das Thema bereits behandelt und am
21. Mai eine wichtige Anhörung durchgeführt. Die
traditionelle Zuständigkeit des Rechtsausschusses im
Bereich der Umwelthaftung entspricht genau der
Auslegung von Anlage VI unserer Geschäftsordnung,
wonach dieser Ausschuss unabhängig von dem
betroffenen Bereich für das Haftpflichtrecht zuständig
ist.
Gemäß diesem Richtlinienvorschlag soll offenkundig
derjenige haftbar gemacht werden, der den Schaden
verursacht, und im Hinblick auf diese Problematik bzw.
diese Fragen bitte ich hiermit das Europäische Parlament
dem Antrag zuzustimmen und den Beschluss des
Präsidiums zu bestätigen.
(Beifall)
3-070
Jackson (PPE-DE), Vorsitzende des Ausschusses für
Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik.
– (EN) Herr Präsident, der Ausschuss für Umweltfragen,
Volksgesundheit und Verbraucherpolitik ist der
Auffassung, dass dies eine Maßnahme ist, mit der sich
der von mir vertretene Ausschuss aus folgenden drei
Gründen befassen sollte:
Erstens, die Maßnahme basiert auf einem Teil des
Vertrags, der sich auf den Umweltschutz bezieht. Der
Rat „Umwelt“ wird sich mit dieser Maßnahme befassen.
Der Umweltausschuss ist für die Umweltpolitik
zuständig, der Ausschuss für Recht und Binnenmarkt ist
für den Bereich der zivilrechtlichen Haftung
verantwortlich. Durch diese Richtlinie wird ein völlig
neues
Instrument
zur
Behebung
allgemeiner
34
Umweltschäden an der biologischen Vielfalt sowie von
Wasser- und Landverschmutzungen geschaffen.
Außerdem werden die Behörden in den Mitgliedstaaten,
die die Vermeidung und Sanierung solcher Schäden
unterstützen
sollen,
mit
zusätzlichem
Verwaltungsaufwand belastet. Es ist irreführend, diese
Richtlinie kurz als Richtlinie für die Umwelthaftung zu
bezeichnen. Der Vorschlag sollte stattdessen als
Richtlinie über die Vermeidung und Sanierung von
Umweltschäden bezeichnet werden.
(Beifall)
Zweitens wurde von drei Vizepräsidenten, die wir vor
zweieinhalb Jahren in einem eineinhalbtägigen
Verfahren gewählt haben, einstimmig beschlossen, dass
dieser Bericht vom Umweltausschuss erstellt werden
soll. Mit zweien dieser Vizepräsidenten verbindet mich
nichts, da sie Fraktionen angehören, die nicht viel mit
den britischen Konservativen gemeinsam haben. Der
dritte Vizepräsident war Herr Provan, der, wenn wir
richtig informiert sind, noch immer einen direkten Draht
zu Frau Thatcher hat.
03/07/2002
3-071
(Das Parlament stimmt dem Vorschlag der Konferenz
der Präsidenten zu.)
***
3-072
Van Hulten (PSE). – (EN) Herr Präsident, eine
Bemerkung zur Geschäftsordnung. Heute Morgen wurde
zum ersten Mal das „Blickfang-Verfahren“ in der
Debatte über das Tätigkeitsprogramm des dänischen
Ratsvorsitzes angewandt. Alle von uns, die anwesend
waren, können bestätigen, dass dieses Verfahren ein
großer Erfolg war. Es waren mehr Abgeordnete im
Plenarsaal, als dies normalerweise bei einer solchen
Debatte der Fall wäre.
Leider reichte die Zeit nicht aus, um alle
Wortmeldungen zu berücksichtigen, da nur eine halbe
Stunde während der Debatte für dieses Verfahren
vorgesehen war. Ich möchte den Ratsvorsitz über Sie
auffordern, dieses Experiment zukünftig zu wiederholen
und in den kommenden Aussprachen mehr Zeit für
dieses Verfahren einzuplanen.
(Heiterkeit)
(Beifall)
Der Umweltausschuss hat daher beschlossen, seine
Einwände gegen die Übertragung des Berichts an den
Rechtsausschuss aufrechtzuerhalten, auch wenn ich
einräumen muss, dass dieser Beschluss mit knapper
Mehrheit gefasst wurde.
3-073
Drittens, unser Berichterstatter, Herr Papayannakis,
arbeitet bereits sehr intensiv an dieser Richtlinie. Wir
würdigen die Arbeit, die Herr Manders bei der
Erarbeitung der Stellungnahme im Namen des
Ausschusses für Recht und Binnenmarkt geleistet hat.
Ich möchte die Fraktion der Liberalen und
Demokratischen Partei Europas jedoch darauf
hinweisen,
dass
diese
Stellungnahme
Herrn Papayannakis nicht dazu bewegen wird, seine
Aufgabe als Berichterstatter an einen Liberalen
abzugeben.
(Heiterkeit)
Dafür gibt es einen einfachen Grund: Wenn die Fraktion
der Liberalen und Demokratischen Partei Europas die
Aufgabe des Berichterstatters im Umweltausschuss
übernehmen will, steht sie ganz unten auf der Liste.
Vorher sind folgende Fraktionen an der Reihe: die UEN,
die PSE, die EDD und sogar die Fraktionslosen und die
PPE stehen weiter oben auf der Liste als die Liberalen.
Es gibt noch eine andere Möglichkeit, an die bisher
niemand gedacht hat: Was passiert, wenn bei der
Abstimmung Stimmengleichheit herrscht? Ich schlage
vor, dass wir die Erarbeitung des Berichts bei einer
unentschiedenen Abstimmung dem Ausschuss für die
Rechte der Frau und Chancengleichheit übertragen, der
sich freuen würde, wenn er etwas zu tun bekäme.
(Heiterkeit und Beifall)
Der Präsident. – Ich bin nicht sicher, ob das eine
Bemerkung zur Geschäftsordnung war, aber auf jeden
Fall war es Musik in meinen Ohren.
3-074
Bautista Ojeda (Verts/ALE). – (ES) Herr Präsident,
dies ist keine Frage zur Geschäftsordnung, sondern eine
Erinnerung.
Heute vor einem Jahr löste der Nachweis von AlphaBenzopyren
in
Oliventresteröl
einen
Lebensmittelskandal aus. Noch immer ist das Problem
der Tresterindustrie nicht gelöst. Unsere damalige
Verantwortung
im
Hinblick
auf
die
Lebensmittelsicherheit war überaus groß, doch trägt
dieses Parlament auch die Verantwortung dafür,
Lösungen für einen Wirtschaftszweig zu finden, der
überdies eine grundlegende und notwendige ökologische
Funktion erfüllt, indem er hochgradig umweltschädliche
Produkte dem Recycling zuführt.
3-075
***
Vereinfachtes Verfahren:
Vorschlag für einen Beschluss des Rates und der
Kommission über den Abschluss des Abkommens
zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der
Regierung von Japan über die Zusammenarbeit bei
wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen (KOM(2002)
230 - C5-0290/2002 - 2002/0106(CNS)) (Ausschuss für
Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie)
(Das Parlament billigt den Vorschlag der Kommission.)
***
03/07/2002
35
Bericht (A5-0234/2002) von Herrn Trakatellis im
Namen der Delegation des Europäischen Parlaments
im
Vermittlungsausschuss
über
den
vom
Vermittlungsausschuss gebilligten gemeinsamen
Entwurf eines Beschlusses des Europäischen
Parlaments
und
des
Rates
über
ein
Aktionsprogramm der Gemeinschaft im Bereich der
öffentlichen Gesundheit (2003-2008) (PE-CONS
3627/02 – C5-0204/2002 – 2000/0119(COD))
(Das Parlament billigt den gemeinsamen Entwurf.)
***
Bericht (A5-0248/2002) von Herrn Podesta und Frau
Buitenweg im Namen des Haushaltsausschusses über
den
Entwurf
des
Berichtigungsund
Nachtragshaushaltsplans
Nr. 3/2002
der
Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2002
(SEK(2002) 626 – 0000/2002 – C5-0000/2002 –
2002/2128(BUD))
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
Rates vom 9. Dezember 1996 zur Beherrschung der
Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen
Stoffen (KOM(2001) 624 – C5-0668/2001 –
2001/0257(COD))
(Das Parlament nimmt den Entwurf der legislativen
Entschließung an.)
***
Bericht (A5-0203/2002) von Frau Quisthoudt-Rowohl
im Namen des Ausschusses für Industrie,
Außenhandel, Forschung und Energie über den
geänderten Vorschlag für einen Beschluss des
Europäischen Parlaments und des Rates über Regeln
für
die
Beteiligung
von
Unternehmen,
Forschungszentren und Hochschulen sowie für die
Verbreitung
der
Forschungsergebnisse
zur
Durchführung
des
Rahmenprogramms
der
Europäischen Gemeinschaft 2002-2006 (KOM(2001)
822 – C5-0017/2002 – 2001/0202(COD))
(Das Parlament nimmt den Entwurf der legislativen
Entschließung an.)
***
***
Bericht (A5-0229/2002) von Herrn Trakatellis im
Namen des Ausschusses für Umweltfragen,
Volksgesundheit und Verbraucherpolitik über den
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen
Parlaments
und
des
Rates
über
die
Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung genetisch
veränderter
Organismen
und
über
die
Rückverfolgbarkeit von aus genetisch veränderten
Organismen hergestellten Lebensmitteln und
Futtermitteln sowie zur Änderung der Richtlinie
2001/18/EG ((KOM(2001) 182 – C5-0380/2001 –
2001/0180(COD))
Bericht (A5-0205/2002) von Frau Quisthoudt-Rowohl
im Namen des Ausschusses für Industrie,
Außenhandel, Forschung und Energie über den
geänderten Vorschlag für einen Beschluss des Rates
über Regeln für die Beteiligung von Unternehmen,
Forschungszentren
und
Hochschulen
zur
Durchführung
des
Rahmenprogramms
der
Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) (20022006) (KOM(2001) 823 – C5-0236/2002 –
2001/0327(CNS))
(Das Parlament nimmt den Entwurf der legislativen
Entschließung an.)
(Das Parlament nimmt den Entwurf der legislativen
Entschließung an.)
***
Bericht (A5-0225/2002) von Frau Scheele im Namen
des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit
und Verbraucherpolitik über den Vorschlag für eine
Verordnung des Europäischen Parlaments und des
Rates über genetisch veränderte Lebens- und
Futtermittel (KOM(2001) 425 – C5-0368/2001 –
2001/0173(COD))
(Das Parlament nimmt den Entwurf der legislativen
Entschließung an.)
***
Bericht (A5-0243/2002) von Herrn Lisi im Namen des
Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und
Verbraucherpolitik über den Vorschlag für eine
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des
Rates zur Änderung der Richtlinie 96/82/EG des
***
Bericht (A5-0220/2002) von Frau Kauppi im Namen
des
Ausschusses
für
Wirtschaftsund
Währungsangelegenheiten über den Jahresbericht
2001 der Europäischen Zentralbank (C5-0196/2002 –
2002/2092(COS))
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
***
Bericht (A5-0223/2002) von Frau Van Lancker im
Namen des Ausschusses für die Rechte der Frau und
Chancengleichheit über sexuelle und reproduktive
Gesundheit und Rechte (2001/2128(INI))
Zum Absatz 25:
3-076
36
03/07/2002
Gollnisch (NI). – (FR) Herr Präsident, ich möchte Sie
lediglich auf ein kleines sprachliches Problem im
Zusammenhang mit Ziffer 25 hinweisen.
In der französischen Version ist in diesem Abschnitt von
„la mise en branle d’un processus“ die Rede. Meines
Erachtens könnte diese Formulierung in einem Bericht
zum Thema Sexualität etwas zweideutig, ja sogar
schlüpfrig wirken; in meinem Heimatland löst sie
jedenfalls eher Heiterkeit aus, und das bei einem Bericht,
der ansonsten eher zum Weinen ist.
3-077
Der Präsident. – Ich werde die Dienste anweisen, die
Verwendung umgangssprachlicher Ausdrücke zu
vermeiden.
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
Die Abstimmung ist geschlossen.
***
3-078
Bourlanges (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, ich
möchte für das Protokoll mitteilen, dass ich an keiner
Abstimmung über diesen Bericht teilgenommen habe, da
ich es für ausgesprochen überzogen halte, dass wir nur
wenige Wochen nach der Verabschiedung des Berichts
Lamassoure, der eine strikte Kompetenzabgrenzung
forderte, entscheiden – wobei ich diesem Bericht
weitgehend zustimme –, uns einzumischen und den
Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten
Ratschläge bezüglich einer Frage zu erteilen, die nicht in
unseren Zuständigkeitsbereich fällt.
(Beifall)
3-079
Der Präsident. – Das war eine sehr geschickter
Versuch, sich bei den Erklärungen zu den
Abstimmungen vorzudrängen, Herr Bourlanges.
3-080
Van Lancker (PSE), Berichterstatterin. – (NL) Herr
Präsident! Ich empfehle dem Kollegen Bourlanges und
den anderen Kolleginnen und Kollegen, die mit ihm
einer Meinung sind, Kommissar Byrne einmal zu fragen,
ob die Europäische Union hier tatsächlich nicht
zuständig ist. In seiner Antwort gestern Abend hat er
unmissverständlich gesagt, auch die sexuelle und
reproduktive
Gesundheit
sei
Bestandteil
der
Volksgesundheit. Gerade eben, nur eine Stunde vor
meinem Bericht, haben wir den Bericht Trakatellis
angenommen, der dies zum Gegenstand hat. Also
Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns doch sehen,
wie es weitergeht.
3-081
Erklärungen zu den Abstimmungen
3-082
VORSITZ: GÉRARD ONESTA
Vizepräsident
– Bericht Trakatellis (A5-0229/2002)
3-083
McKenna (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident, in
Namen der Fraktion der Grünen / Freie Europäische
Allianz möchte ich den Ausgang der heutigen
Abstimmung über GVO begrüßen. Es ist schon als
Fortschritt zu betrachten, dass wir uns gegen nicht
zugelassene GVO, das heißt, gegen die zufallsbedingte
Kontaminierung durch GVO, ausgesprochen haben. Das
ist gut so, weil ansonsten auch weiterhin ein Schlupfloch
für multinationale Unternehmen bestanden hätte.
Die Absenkung des Schwellenwerts auf 0,5 % ist sehr
begrüßenswert. Im Bericht wird unterstrichen, dass
niedrigere Schwellenwerte eingehalten werden sollten,
wenn dies technisch möglich ist. Die Zulassung wird
nun für ein Jahr erteilt. Die Zulassung ist ein Jahr gültig
und kann dann verlängert werden. Damit steht
ausreichend Zeit zur Verfügung, um zu prüfen, ob die
Zulassung ein zweites Mal erteilt werden sollte.
Zu den enttäuschendsten Aspekten der heutigen
Abstimmung gehört die Tatsache, dass Milch- oder
Fleischerzeugnisse von Tieren, die GVO-Futter erhalten
haben, nicht gekennzeichnet werden sollen. Die
Menschen haben ein Recht, darüber informiert zu
werden, ob die Milch oder das Fleisch, das sie
verzehren, von Tieren stammt, die GVO-Futter erhalten
haben.
Es
besteht
zweifelsohne
ein
klarer
Zusammenhang zwischen dem, was die Menschen essen
und dem, was den Tieren gefüttert wird. Dies ist im
Zusammenhang mit dem BSE-Problem deutlich
geworden. Auch hier hatte das, was den Tieren gefüttert
wurde, schwerwiegende und negative Folgen für den
Verbraucher.
Aus diesem Grund hat der Verbraucher das Recht,
informiert zu werden und wählen zu können, und es war
enttäuschend, dass dieser Änderungsantrag bei der
heutigen Abstimmung über den Bericht nicht
angenommen wurde. Trotzdem ist dieser Vorschlag ein
wesentlicher Fortschritt. Europa vermittelt damit
insbesondere den Vereinigten Staaten die Botschaft, dass
wir dem Verbraucherschutz tatsächlich höchste Priorität
einräumen, dass die multinationalen Unternehmen den
Verbrauchern nicht vorschreiben können, was sie essen
sollen und dass die Verbraucher das Recht haben,
informiert zu werden und genau zu wissen, was sie
kaufen und was sie konsumieren.
3-084
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, ich habe
gegen diesen Vorschlag für eine Verordnung gestimmt.
Ich denke, dass wir sehr viel Zeit damit verbringen, zu
beschließen, was gut und was schlecht ist an unserer
Nahrung, wie sie zusammengesetzt ist und ob sie GVO
enthält oder nicht, während sehr viele Menschen in der
Welt hungern und nichts zu essen haben. Dennoch
begrüßen sowohl ich persönlich als auch die Partei der
Rentner in Wertschätzung dieses Berichts die genetisch
veränderten Organismen. Ich begrüße den Fortschritt,
der sich nicht aufhalten lässt. Meiner Auffassung und
Überzeugung nach wird es in Zukunft viele GVO in
unseren Lebensmitteln geben. Deshalb habe ich gegen
den Bericht gestimmt.
03/07/2002
37
3-085
Ebner (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich möchte ein Ja
zur Transparenz, ein Ja zur Offenheit, ein Ja zum Schutz
für die Verbraucher, wir selbst gehören ja dazu. Aber
aus einem Ja zur Transparenz, zur Offenheit und zum
Schutz der Verbraucher sind wir nicht in dem Ausmaß,
wie wir es uns gewünscht haben, gekommen. Anstatt
einer Nagelprobe für eine praktikable Lösung wurde von
der Mehrheit dieses Parlaments eine fundamentale
Lösung bevorzugt. Ich glaube, dass auch der mit noch so
viel Vehemenz vorgetragene Populismus das Problem
nicht löst, sondern noch mehr Unsicherheit bringt. Der
aufgezeigte Weg ist meines Erachtens leider nicht so
praktikabel. Es wird zu einer weiteren Verunsicherung
der Verbraucher kommen, die soviel Information wie
möglich, aber auch soviel Information wie notwendig
haben sollen. Aus diesem Grund habe ich dagegen
gestimmt, weil es keine praktikable, sondern eine
fundamentale Lösung ist.
3-086
Bernié
(EDD),
schriftlich.
–
(FR)
Der
Verbraucherschutz setzt klare und präzise Informationen
hinsichtlich
der
Rückverfolgbarkeit
und
der
Kennzeichnung der Produkte voraus.
Ausgehend von dem Grundsatz, dass den Verbrauchern
eine „GVO-freie“ Ernährung garantiert werden muss,
sind wir gegen die Festlegung eines Schwellenwertes für
das zufallsbedingte Vorkommen nicht zugelassener
GVO. Der von der PPE befürwortete Wert von 1 % und
der von der PSE vorgeschlagene Wert von 0,5 % sind
inakzeptabel. Für in der Union nicht genehmigte GVO
muss die Nulltoleranz zur Anwendung kommen. Für die
Verbraucher wäre es völlig unverständlich, wenn
verbotene GVO, selbst in noch so geringen Mengen,
toleriert würden.
Der Grundsatz der strikten Rückverfolgbarkeit muss in
gleicher Weise auch für Erzeugnisse aus Drittländern
gelten. Der Importverkehr darf nicht zur betrügerischen
Einfuhr in die Mitgliedstaaten von gentechnisch
veränderten Nahrungsmitteln missbraucht werden, deren
Anbau bei uns nicht erlaubt ist.
Wir unterstützen die Änderungsanträge, die auf eine
enge Einbeziehung der Lebensmittelbehörden der
Mitgliedstaaten sowie der lokalen und regionalen
Behörden für Ernährungs- und Gesundheitsfragen in die
Formulierung von Stellungnahmen der Europäischen
Behörde für Lebensmittelsicherheit abzielen.
Ebenso wie bei anderen Fragen sollten wir auch bei
diesem heiklen Thema der GVO keine überzogene
Zentralisierung einführen, die die Bürger von den
Entscheidungen des täglichen Lebens fernhält.
3-087
Berthu (NI), schriftlich. – (FR) Die Berichte Trakatellis
und Scheele beziehen sich auf zwei miteinander
zusammenhängende Verordnungsvorschläge, die sich
zum Teil überschneiden und beide Fragen zur
Genehmigung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung
von genetisch veränderten Organismen behandeln.
Diese Art der Darstellung, die nicht gerade zum besseren
Verständnis
beiträgt,
ist
offenbar
auf
Kompetenzstreitigkeiten innerhalb der Kommission
zurückzuführen. Mit Blick auf die Bürger, die bereits
jetzt die europäischen Angelegenheiten kaum mehr
durchschauen, ist diese Methode nicht hinnehmbar;
allein diese Tatsache hätte bereits zur Zurückweisung
der Texte führen müssen. Da das Europäische Parlament
nicht diesen vernünftigen Weg gewählt hat, bleib ihm
nichts anderes übrig, als unter diesen unklaren
Umständen darüber abstimmen.
Grundsätzlich geht es darum, das Genehmigungs- und
Kennzeichnungsverfahren für GVO mit gewissen
unerlässlichen Garantien auszustatten. Im Allgemeinen
habe ich die Änderungsanträge unterstützt, die auf eine
Verschärfung des Textes abzielen und in vielen Fällen
auch verabschiedet wurden, so dass das Ergebnis aus
dieser Sicht nicht allzu schlecht sein dürfte.
Leider hat die Kommission im Rahmen dieser beiden
Verordnungen
ein
Abstimmungsund
Beschlussfassungsverfahren
eingeführt,
das
der
Wahlfreiheit der Staaten ein Ende setzen wird. In meiner
Stimmerklärung zum Bericht Scheele werde ich näher
darauf eingehen. Daher habe ich mich beim Votum über
diese beiden Berichte der Stimme enthalten.
3-088
Bordes, Cauquil und Laguiller (GUE/NGL),
schriftlich. – (FR) Dieser Bericht prangert zu Recht die
zersplitterten und unzureichenden gemeinschaftlichen
Rechtsvorschriften zum Thema GVO an. Doch wie
sollte es anders sein? Die Großunternehmen der AgroIndustrie, der Chemie oder der Biotechnologie haben
offensichtlich kein Interesse an der Einführung von
strengeren Rechtvorschriften, und noch weniger
interessiert sind sie an der Einführung einer
tatsächlichen Kontrolle, vor allem in einer von
berechtigten Verbraucherängsten geprägten Situation.
Natürlich könnte man die betroffenen Industriezweige
einem kohärenten Pflichtenkatalog unterwerfen, und vor
allem könnte man der Allgemeinheit Möglichkeiten zur
Kontrolle der fraglichen Unternehmen an die Hand
geben. Die europäischen Institutionen stehen jedoch in
zu enger Verbindung zum Unternehmertum und dessen
Interessen, als dass sie diesem in irgendeinem Bereich
wirklich Schranken setzen könnten.
Wir stimmen für diesen Bericht, ohne uns denjenigen
anschließen zu wollen, welche die GVO zu einem
Schreckgespenst der Moderne machen wollen, sondern
weil wir keinerlei Vertrauen in die Entscheidungen der
Kapitalisten setzen, die sich nicht am Vorsorgeprinzip,
sondern einzig und allein am Gewinnstreben orientieren.
Obwohl die vorgeschlagenen Maßnahmen Teil des
Konkurrenzkampfes zwischen den europäischen und
amerikanischen Konzernen sind, könnten sie immerhin
zu etwas mehr Transparenz oder gar Sicherheit für die
Verbraucher beitragen.
38
03/07/2002
Aus denselben Gründen und mit denselben Vorbehalten,
insbesondere hinsichtlich des Schutzes vertraulicher
Daten, der nur den Unternehmern zugute kommt, haben
wir auch für den Bericht Scheele gestimmt.
zwar gemäß einer weltweit üblichen und Jahrtausende
alten Tradition des Landbaus, nach der mittels
Zuchtwahl und Kreuzung alle seit Jahrhunderten von uns
konsumierten Erzeugnisse genetisch verändert wurden.
3-089
3-091
Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Das Recht
der Verbraucher, Informationen über die Art der
Produkte zu erhalten, die sie kaufen möchten, darf nicht
durch Interessen multinationaler Unternehmen in Frage
gestellt werden, die die Verwendung von GVO in der
Agrar- und Nahrungsmittelproduktion verschleiern
wollen. Darum ist der von der Kommission für die
Nichtkennzeichnung vorgeschlagene Höchstwert von
1 % auf jeden Fall zu reduzieren und sogar aufzuheben,
denn man muss bedenken, dass mit dem
vorgeschlagenen Schwellenwert ein erheblicher Teil
verarbeiteter
GVO-Produkte
und
-Derivate
ungekennzeichnet bleibt.
Jackson (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Ich unterstütze
eine Richtlinie, mit der sichergestellt wird, dass die
Verbraucher
nachprüfbare
und
aussagekräftige
Informationen erhalten, damit sie selbst entscheiden
können, ob sie Lebensmittel kaufen, die genetisch
verändertes Material enthalten. Die Europäische Union
sollte nicht verlangen, dass etwas gekennzeichnet wird,
was im Endprodukt nicht vorhanden und daher auch
nicht nachweisbar ist. Ein solches Vorgehen wäre
unverhältnismäßig, es wäre nicht durchsetzbar und es
würde Betrügereien Tor und Tür öffnen.
Der Bericht stellt also mit seinen Sicherheitsstandards
einen positiven Schritt dar. Das erklärt den Widerstand
der Industrie und der USA, so dass seine Billigung nicht
nur für die Europäische Union, sondern auch für ihren
Beitrag zur Verhütung einer Verbreitung von GVO in
den
Entwicklungsländern
und
am
wenigsten
entwickelten Ländern strategische Bedeutung erhält.
Bedauerlich wirkten die Vorschläge der EVP.
Momentan geht es natürlich darum, das Schlimmste zu
verhindern, denn das Wichtigste war, die Aussetzung
neuer Genehmigungen im Bereich GVO beizubehalten,
weil diese bekanntlich eine zukünftige Entscheidung
verhindern, sind sie doch ein unumkehrbarer Schritt, der
unvorhersehbare Folgen in Wirtschaft und Umwelt, für
die Gesundheit von Mensch und Tier hat.
3-090
Goebbels (PSE), schriftlich. – (FR) Mein Anliegen ist
es, wohldurchdachte Verbraucherentscheidungen zu
ermöglichen. Der Verbraucher muss über alle
Informationen verfügen, die ihm ein Urteil darüber
gestatten, ob er die Produkte, die ihm gefallen, kaufen
will oder nicht. Damit er eine Auswahl treffen kann,
müssen ihm objektive Informationen zur Verfügung
stehen. Derzeit allerdings geben sich gewisse Kreise
größte Mühe, den Verbrauchern Angst einzujagen,
obwohl es keinerlei Hinweise für die Schädlichkeit von
genetisch verbesserten Produkten gibt, erst recht nicht
bei tierischen Erzeugnissen, die von mit genetisch
verbesserten Erzeugnissen gefütterten Tieren stammen.
Ich verstehe nicht, wie man ein Nahrungsmittel als
„biologisch“ bezeichnen kann, wenn 5 % seiner
Bestandteile nicht organischer Herkunft sind, während
man jedes Erzeugnis, das unbeabsichtigt eine minimale
GVO-Menge enthält, mit allen Mitteln brandmarkt.
Es ist höchste Zeit, dass Europa den grün angehauchten
Fundamentalisten, die die Jagd auf GVO zu ihrem
täglichen Broterwerb gemacht haben, die rote Karte
zeigt. Die Union muss Regeln aufstellen, die dem
verantwortlichen Handeln von Ländern entsprechen, die
– wie etwa die USA, China, Indien, Südafrika und viele
andere – seit Jahren und völlig problemlos genetisch
verbesserte Produkte herstellen und verbrauchen, und
Ich unterstützte den Schwellenwert von 1 %. Ich bin der
Meinung, dass mit diesem Wert den Möglichkeiten der
modernen Technologie Rechnung getragen wird.
Ich lehne den Vorschlag ab, eine Kennzeichnungspflicht
für Produkte einzuführen, die von Tieren stammen, die
GVO-Futter erhalten haben. Dies wäre ebenfalls nicht
durchsetzbar. Wie wissenschaftliche Untersuchungen
gezeigt haben, kann transgene DNA aus genetisch
verändertem Futter in Milch, Fleisch und Eiern nicht
nachgewiesen werden.
Die Gentechnik bietet uns die Möglichkeit, weniger
umweltschädliche Formen der Landwirtschaft zu
entwickeln, bei der weniger Pestizide, Herbizide und
Kunstdünger eingesetzt werden. Ich bin der Meinung,
dass es eine vernünftige Gesetzgebung geben muss,
durch die der notwendigen Schaffung nachprüfbarer
Systeme zum Nachweis von genetisch veränderten
Organismen Rechnung getragen wird. Dies würde den
europäischen Bürgern ermöglichen, die Vorteile von
genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln zu
nutzen, diese Lebensmittel aber zu meiden, wenn ihnen
das lieber ist.
3-092
Meijer (GUE/NGL), schriftlich. – Es ist nicht sicher, ob
genetische Veränderungen von Pflanzen und Tieren
künftig ernsthafte Probleme verursachen werden.
Dennoch müssen wir schon heute die Möglichkeit ins
Auge fassen, dass sich das gesamte Leben, und infolge
der Fremdbestäubung vor allem das pflanzliche Leben,
dadurch verändern wird und Krankheiten hervorgerufen
werden können, gegen die Mensch und Tier nicht
gewappnet sind. Anstatt sich zunächst die Zeit für eine
eingehende Untersuchung dieser Aspekte zu nehmen,
hat dieses Parlament bereits vor zwei Jahren
beschlossen, kommerziellen Anwendungen den Weg zu
ebnen. Dadurch können manche Unternehmen
kurzfristig Gewinne dank eines Umstandes erzielen, der
auf lange Sicht vor allem Kosten verursachen wird.
Da die erste Verteidigungslinie gegen die potenziellen
Gefahren der genetischen Verunreinigung gefallen ist,
ist es umso wichtiger, die zweite Linie zu halten. Durch
die Kennzeichnung genetisch veränderter Produkte
03/07/2002
erhalten die Verbraucher die Möglichkeit, diese Waren
nicht zu kaufen. Das ist besser, als für normale
natürliche Produkte die Kennzeichnung vorzuschreiben,
dass sie nicht durch genetische Eingriffe verändert
worden sind, und sie damit in eine Sonderstellung zu
bringen. Es ist jedoch zu befürchten, dass wie
gewöhnlich viele Verbraucher, vor allem die
einkommensschwachen, die billigsten Produkte kaufen
werden. Für sie ist es ein unbezahlbarer Luxus, auf die
möglichen negativen Folgen zu achten. Die
Kennzeichnung löst also die Probleme nur zu einem
kleinen Teil.
3-093
Moreira da Silva (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Da
konsequente und einheitliche Rechtsvorschriften über
genetisch veränderte Organismen (GVO) fehlen, die
Verbrauchern und Industrie Sicherheit geben können,
sind die Genehmigungsverfahren für den Handel auf
EU-Ebene bereits seit drei Jahren ausgesetzt.
Ich begrüße die Rechtsvorschriften (über die
Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von GVO), die
wir heute annehmen, weil sie die Registrierung und
Überwachung der auf dem Markt befindlichen GVO
sowie der aus ihnen hergestellten Lebens- und
Futtermittel ermöglichen. Auf diese Weise wird der
Verbraucher in die Lage versetzt, eine Wahl zu treffen,
und damit wird das Verfahren für den Rückruf eines
Produktes erleichtert, falls es für erforderlich erachtet
wird. Allerdings wäre es besser gewesen, wenn man
diese Regelungen in einer einzigen Verordnung und
nicht in zwei umgesetzt hätte, wie es schließlich auf
Vorschlag der Europäischen Kommission geschehen ist.
Damit kommt es zu einer unnötigen Zersplitterung der
Rechtsvorschriften über GVO.
Andererseits enthält der Richtlinienvorschlag einige
Bestimmungen, die in ihrem Eifer zu weit gehen und
Verfälschungen, Irreführungen des Verbrauchers und
Wettbewerbsverzerrungen Tür und Tor öffnen können.
Die Regeln müssen klar und einfach sein. Darum
unterstütze ich die vom Berichterstatter unterbreiteten
Änderungsanträge in dem Sinne, dass sich die
Rückverfolgbarkeit
und
die
entsprechende
Kennzeichnung auf GVO und Produkte erstrecken
müssen, in denen genetisch veränderte DNS bzw.
genetisch verändertes Protein nachgewiesen wird. Die
Ausweitung der Kennzeichnung auf andere Produkte, in
denen keine Spuren von genetisch veränderter DNS oder
von genetisch verändertem Protein vorhanden sind, wäre
für den Verbraucher vollkommen irreführend. Außerdem
würde eine derartige Bestimmung den Zielen der
Verordnung zuwiderlaufen und sowohl für die
Unternehmen als auch für den Verbraucher kostspielig
sein.
3-094
– Bericht Scheele (A5-0225/2002)
3-095
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, ich
befürworte die Vermarktung genetisch veränderter
Lebensmittel. Dennoch mache ich mir Sorgen, dass dies
39
ungeordnet und vor allem auf eine Weise geschehen
könnte, welche die Tätigkeit der kleinen Händler,
Landwirte und Handwerker beschränkt. Ich würde mir
wünschen, dass in allen diesen Dokumenten –
Richtlinien und Verordnungen – über, wie im
vorliegenden Fall, genetisch veränderte Lebens- und
Futtermittel mehr darauf geachtet wird, dass der
Fortschritt bei den GV-Nahrungsmitteln nicht den
kleinen Unternehmen Europas zum Schaden gereicht.
3-096
Miller (PSE). – (EN) Herr Präsident, im Namen meiner
Fraktion, der Fraktion der Labour-Party im
Europäischen Parlament, möchte ich darauf hinweisen,
dass die heutige Abstimmung unseren Wunsch
widerspiegelt, über das Moratorium hinauszugehen und
eine echte Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten.
Die Verbraucher möchten wissen, soweit dies möglich
und nachprüfbar ist, woher ihre Lebensmittel stammen.
Wir brauchen wirksame Vorschläge, wie wir die
niedrigsten messbaren Schwellenwerte festlegen können,
und wir müssen genauer definieren, welche Produkte
wirklich als ohne Gentechnik hergestellte Produkte und
nicht nur als GVO-freie Produkte bezeichnet werden
können, weil die Bezeichnung GVO-frei nicht eindeutig
ist.
Wir haben für den zulassungsfähigen Schwellenwert von
0,5 % gestimmt, oberhalb dessen ein Produkt als
gentechnisch verändertes Produkt gekennzeichnet
werden muss. Unterhalb dieses Werts kann dann nicht
garantiert werden, dass ein Produkt GVO-frei ist.
Wir müssen ein Klima schaffen, in dem die
Kennzeichnung ein Anreiz ist, noch weiterzugehen und
wirklich GVO-freie Anbau- und Produktionsbereiche zu
schaffen und nicht nur den Anschein zu erwecken, wie
wir dies in diesem Vorschlag getan haben.
3-097
Berthu (NI), schriftlich. – (FR) Der Bericht Scheele
billigt ein äußerst kritikwürdiges, zentralisiertes
europäisches Verfahren zur Genehmigung von GVO
gemäß dem Kommissionsvorschlag KOM(2001) 425
endg. Dieser Vorschlag verweist nämlich auf etwas
obskure Weise auf den Beschluss 1999/468/EG zur
Komitologie, wonach:
1) die Bewilligungsbeschlüsse von der Kommission
nach einer mit qualifizierter Mehrheit abgegebenen
zustimmenden Stellungnahme eines aus Vertretern der
Mitgliedstaaten bestehenden „Regelungsausschusses“
gefasst werden;
2) stimmt der Ausschuss nicht zu, wird die
Angelegenheit an den Rat selbst weitergeleitet; falls
jedoch der Rat den Kommissionsvorschlag nicht (mit
qualifizierter Mehrheit) annimmt oder ihn nicht
(einstimmig) ablehnt, wird der Beschluss an die
Kommission zurückverwiesen, die dann allein
entscheidet.
40
Somit kann ein GVO gegen den Willen einer Minderheit
von Mitgliedstaaten, in bestimmten Fällen sogar gegen
den Mehrheitswillen zugelassen werden. Auf dieser
Ebene ist keinerlei Schutzklausel vorgesehen, selbst
wenn ein Land einen GVO per Referendum ablehnt.
Dieses Verfahren soll eindeutig der Kommission bei der
Erteilung von Genehmigungen freie Hand lassen, so dass
die Regierungen später sagen können: „Wir können
nichts dafür, dies entspricht den europäischen
Vorschriften.“ So funktioniert die Brüsseler Demokratie.
3-098
Isler Béguin (Verts/ALE), schriftlich. – (FR) Das
Europäische Parlament hat gerade einen großen Schritt
nach vorne getan, um der Forderung der europäischen
Bürger nachzukommen, die über das Vorkommen von
GVO in Lebensmitteln beunruhigt sind.
Mit der Verabschiedung des Berichts von Frau Scheele
hat sich das Parlament in klarer Form für die
Kennzeichnung
aller
GVO-haltigen
Produkte
(einschließlich
beispielsweise
Schokolade)
ausgesprochen.
Wir Grüne bedauern es allerdings, dass Tierfutter
gekennzeichnet werden soll, jedoch nicht das
Endprodukt Fleisch. Dies ist der einzige Schwachpunkt
dieses Berichts.
Der Züchter kann sich zwar für GVO-freies Tierfutter
entscheiden, der Verbraucher hingegen weiß nicht, ob
die Tiere mit GVO-haltigen Erzeugnissen gefüttert
wurden oder nicht. Bedauerlicherweise hat das
Parlament seinen positiven Ansatz nicht konsequent zu
Ende verfolgt.
Die Grünen sind dennoch erfreut über diesen weiteren
Schritt des EP in Richtung größerer Transparenz für den
Verbraucher, damit letzterer bewusst zwischen GVOhaltigen und GVO-freien Produkten wählen kann.
3-099
Krivine und Vachetta (GUE/NGL), schriftlich. – (FR)
Die Kommission hat eine Richtlinie zur Genehmigung
und Kennzeichnung von genetisch veränderten
Nahrungs- und Tierfuttermitteln vorgelegt. In diesem
Entwurf ist in vielfacher Hinsicht der Druck der AgroIndustrie-Lobby zu spüren. Besonders schwerwiegend
ist die Tatsache, dass ein zulässiger Grenzwert für das
Vorkommen
von
aufgrund
ihrer
erwiesenen
Gefährlichkeit verbotenen GVO in vermarkteten
Produkten vorgeschlagen wird! Wie Karin Scheele in
ihrem Bericht an das Parlament betont, würden mit einer
derartigen Maßnahme „die gesamten Rechtsvorschriften
der Europäischen Union über die biologische Sicherheit
ausgehöhlt werden“. Was die bereits heute zugelassenen
GVO anbelangt, so schlägt die Kommission einen sehr
hohen Grenzwert vor, unterhalb dessen die Verbraucher
nicht mittels obligatorischer Kennzeichnung informiert
werden müssen. Wir unterstützen daher den Vorschlag
der Berichterstatterin, die diesen Wert von 1 % auf
0,5 % absenken möchte. Des Weiteren unterstützen wir
sämtliche Änderungsanträge, die auf die Verschärfung
03/07/2002
der
Richtlinie
im
Hinblick
auf
das
Genehmigungsverfahren und die Informationspflicht
gegenüber der Öffentlichkeit abzielen.
Hinter den scheinbar rein technischen Fragen
(Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit) verbergen sich
große politische und demokratische Herausforderungen,
die in Frankreich auf besonderes Interesse stoßen, zumal
kürzlich José Bové, der Führer der Bauerngewerkschaft,
inhaftiert wurde, weil er sich in kämpferischer Weise für
Nahrungsmittel eingesetzt hat, die die Rechte der
Produzenten, die Gesundheit der Bevölkerungen und die
Umweltqualität berücksichtigen.
3-100
Pesälä, Pohjamo und Väyrynen (ELDR), schriftlich. –
(FI) Mit meinem Abstimmungsverhalten möchte auf den
Aspekt der Landwirte zur Kennzeichnung von aus GVO
hergestellten Produkten hinweisen.
Wir benötigen verlässlichere Herkunftsdaten als bisher,
damit die Landwirte in bezug auf den Inhalt
insbesondere der Erzeugnisteile sicher sein können, die
sie außerhalb der EU einkaufen. Ein Landwirt kann
heutzutage die Reinheit hinsichtlich der GVO bei den
von ihm erzeugten Nahrungsmitteln bzw. Rohstoffen
nicht in vollem Umfang garantieren. Man kann keine
Verantwortung übernehmen, wenn man nicht in der
Lage ist, die Rohstoffe lückenlos zu überwachen.
Um den Rechtsschutz der Landwirte wie auch der
anderen an der Lebensmittelkette Beteiligten zu
gewährleisten, muss der GVO-Schwellenwert für die
Kennzeichnung bei 1 % belassen werden. Eine Senkung
dieses Schwellenwerts erhöht den Verbraucherschutz
nicht wesentlich, sondern könnte im Gegenteil sogar zu
falschen Kennzeichnungen verführen. Ebenso nützt die
Kennzeichnung von Eiern und Milch, an deren
Erzeugungsprozess GVO beteiligt waren, nichts, da die
Zuverlässigkeit der Angaben fraglich ist. Mit der
heutigen Technologie kann der Landwirt den Anteil von
GVO an den von ihm verwendeten Rohstoffen nicht
sicher
feststellen.
Eine
Ausdehnung
der
Rückverfolgbarkeit
auf
Erzeugnisse
aus
der
Tierproduktion für den Fall, dass sie mit aus GVO
hergestelltem Futter versorgt wurden, ist nicht
realistisch. Die Rückverfolgbarkeit würde in diesem Fall
die Überprüfung aller im Futter enthaltenen Rohstoffe
bedingen. Der vom Ausschuss für Umweltfragen,
Volksgesundheit und Verbraucherpolitik vorgeschlagene
Zeitraum von zehn Jahren für die Aufbewahrung der
Prüfdaten anstelle der von der Kommission
vorgesehenen fünf Jahre ist meiner Auffassung nach
nicht angemessen. Ein derart langer Zeitraum für die
Aufbewahrung von Kontrolldaten wird sich in der Praxis
als schwierig erweisen und erbringt keinen
nennenswerten zusätzlichen Verbraucherschutz.
Mit der vorstehenden Begründung habe ich über die
Punkte dieser Angelegenheit im Sinne des
Rechtsschutzes für die Landwirte abgestimmt.
3-101
03/07/2002
41
Thyssen (PPE-DE), schriftlich. – Erfreulicherweise
haben wir in dieser Plenarsitzung, sei es auch mit einer
nicht allzu großen Mehrheit, wieder zur Vernunft
zurückgefunden. Nach der Abstimmung im Ausschuss
für
Umweltfragen,
Volksgesundheit
und
Verbraucherpolitik glaubte ich schon, sie sei abhanden
gekommen.
Erfahrung sowie seiner Schulung zur Gewährleistung
größerer Sicherheit.
Eine Ausweitung des Geltungsbereichs der Pflicht zur
Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit auf Tiere, die in
irgendeinem Stadium Futter erhalten haben, das aus
GVO besteht, GVO enthält, aus GVO hergestellt wurde
oder solche Zutaten enthält, ging mehr als einen Schritt
zu
weit.
Glücklicherweise
haben
diese
Änderungsanträge im Plenum keine Zustimmung
gefunden.
Bei der Ausarbeitung der Notfallpläne mangelt es
allerdings noch an der tatsächlichen Einbeziehung der
Ausschüsse für Arbeitshygiene und -sicherheit.
Leider war dies nicht ausreichend, um für diesen Bericht
und den Bericht Trakatellis zu stimmen. Dazu wäre es
nötig gewesen, die Rückverfolgbarkeit als relevanten
Unterscheidungsfaktor
für
die
Kennzeichnung
einzuführen. Nur dann können wir das Hauptziel
wirklich erreichen, insbesondere, dem Verbraucher die
Wahl zwischen sich voneinander unterscheidenden
Produkten zu ermöglichen. Diese Wahl ist nun nicht
gewährleistet, und damit ist eine Chance vertan worden.
Nun setzen wir viele Verbraucher auf die falsche Spur.
Das Bemühen um Transparenz und Information der
Öffentlichkeit sowie um die Einbeziehung der örtlichen
Bevölkerung auf allen Sicherheitsebenen stellt ein
weiteres, sehr positives Element dieses Berichts dar.
Hinsichtlich der Subunternehmer befürwortet der
Bericht die Einbeziehung und die Schulung des
Personals, aber die Logik des Subunternehmereinsatzes
wird nicht in Frage gestellt. Das von den
Unternehmensleitungen
vorgegebene
Ziel
der
maximalen Rentabilität, das sich in einem massiven
Einsatz
von
Subunternehmern
widerspiegelt,
widerspricht jedoch dem Bemühen um maximale
Sicherheit.
Außerdem wird die Verantwortung der betroffenen
Unternehmensleitungen nicht in ausreichendem Maße
betont.
Trotz dieser Anmerkungen werde ich aus den weiter
oben genannten Gründen für diesen Bericht stimmen.
3-102
– Bericht Lisi (A5-0243/2002)
3-103
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, wie oft haben
wir auf unseren Reisen durch Europa wunderschöne
Städte und Landschaften gesehen? Vor kurzem war ich
in Schottland, wo ich zauberhafte Ebenen sah, ein
wirkliches Paradies für jedermanns Augen. Wie oft aber
geraten wir in Städte, wo sich zusammen mit Millionen
von Einwohnern gesundheitsschädliche, gefährliche
Unternehmen befinden, die von einem Tag auf den
anderen Gegenstand dieses Richtlinienvorschlags zur
Vermeidung von Unfällen mit bestimmten gefährlichen
Stoffen werden können? Herr Lisi hat in seiner
unendlichen
Weisheit
vorgeschlagen,
diese
gesundheitsschädlichen und gefährlichen Unternehmen
entfernt von den Wohngebieten anzusiedeln. Wie sollte
man diesem hervorragenden und klugen Vorschlag nicht
zustimmen? Deshalb habe ich dafür votiert.
3-104
Ainardi (GUE/NGL), schriftlich. – (FR) Über die
Kommissionsvorschläge hinaus setzt sich der Bericht
Lisi für eine deutlich verbindlichere Neufassung der
Seveso-II-Richtlinie ein.
Folgende Fortschritte sind hervorzuheben: Absenkung
der Schwellenwerte für explosionsfähige Stoffe,
Berücksichtigung neuer Krebs erregender Stoffe und
bestimmter Bergbauaktivitäten, Berücksichtigung der
Lagerung als potentieller Gefahrenfaktor für bestimmte
Stoffe.
Der Bericht betont die erforderliche Beteiligung des
Betriebspersonals, seiner praktischen und beruflichen
3-105
Bordes, Cauquil und Laguiller (GUE/NGL),
schriftlich. – (FR) Die Serie von Katastrophen von
Enschede in den Niederlanden über Baia Mare in
Rumänien und den spanischen Donana-Park bis zum
AZF-Werk in Toulouse haben den Rat und das
Europäische Parlament zur Verabschiedung strengerer
Rechtsvorschriften für den Umgang mit gefährlichen
Stoffen veranlasst. Es heißt zwar, besser spät als gar
nicht, aber selbst wenn der Bericht unserem Wunsch
entsprechend angenommen wird, so sind die
Rechtsvorschriften dennoch nicht genügend streng und
ermöglichen es nicht, den Unternehmern eine größere
Verantwortlichkeit gegenüber der Allgemeinheit
aufzuerlegen.
Es muss daran erinnert werden, dass diese mangelnde
Verantwortlichkeit eine große Gefahr für die Anwohner
und für viele andere Menschen darstellt, in erster Linie
jedoch für die Arbeiter in diesen gefährlichen Betrieben.
Es ist allerdings bezeichnend, dass sich der
Berichterstatter in seiner Begründung gegen „eine
extreme Auslegung des Vorsorgeprinzips“ ausspricht,
die „die Unternehmen … unnötig belasten“ könnte.
Diese Nachsicht gegenüber den Unternehmen, noch
dazu in einem Text, der eigentlich „die Beherrschung
der Gefahren bei schweren Unfällen“ verbessern soll,
lässt eher noch weitere schwere Unfälle erwarten, die
nicht auf die Gefährlichkeit bestimmter Stoffe, sondern
auf das Streben der Unternehmen nach Maximalprofit
zurückzuführen sind.
3-106
42
Meijer (GUE/NGL), schriftlich. – (NL) Nach der
großen
durch
Feuerwerkskörper
verursachten
Katastrophe, die in der niederländischen Stadt Enschede
am 13.05.2000 einen ganzen Stadtteil verwüstete, stellte
sich heraus, dass Sicherheit nur auf dem Papier bestand.
Der Betrieb hatte alle erforderlichen Genehmigungen
beantragt und erhalten, also konnte nichts schief gehen.
Die Anwohner wurden nicht über die aktuelle Nutzung
der Lagerräume informiert, damit sich niemand
beunruhigen
oder
eine
Verschärfung
der
Sicherheitsmaßnahmen fordern konnte. Zwei Tage nach
dem Unglück habe ich die Europäische Kommission um
ein Höchstmaß an Öffentlichkeit und um die
Anwendung der Seveso-Richtlinie II gebeten. Einige
Wochen später habe ich gemeinsam mit drei weiteren
niederländischen EP-Mitgliedern ein Gespräch mit
Kommissarin Wallström geführt, in dem sie den
Vorschlag zur Verschärfung der Seveso-Richtlinie
zusagte, über den wir heute abstimmen.
03/07/2002
Parlaments und des Rates über Regeln für die
Beteiligung von Unternehmen, Forschungszentren und
Hochschulen an der Forschung sowie für die
Verbreitung der Forschungsergebnisse. Zwar halte ich
dieses Dokument für sehr wichtig, und habe deshalb
dafür gestimmt, doch möchte ich betonen, dass ich es für
noch wichtiger halte, wenn die Europäische Union dafür
Sorge trägt, dass unsere Wissenschaftler in Europa
bleiben. Daher bedarf es eines größeren Engagements
und einer größeren Unterstützung, auch wirtschaftlicher
Art, zugunsten derjenigen, die schon immer bei der
Entdeckung neuer Mittel und Wege zur Verbesserung
des Lebens der Menschen überall in der Welt an erster
Stelle standen und sich der Forschung widmen. Ein
stärkeres Engagement seitens der Europäischen Union
hier in Europa wäre äußerst nützlich, nicht nur für die
heutigen Rentner, sondern auch für diejenigen, die
künftig glücklich und zufrieden in Europa leben werden.
3-110
Der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und
Verbraucherpolitik hat diese Vorschläge zu Recht in den
Bereichen Schließung gefährlicher Betriebe, Schulung
des Personals, Information der Bürger und Offenlegung
von Sicherheitsberichten und Notfallplänen weiter
verschärft. Inzwischen stellen wir leider auch eine
gegenläufige Tendenz fest. Die Stadt Rotterdam beklagt
sich, ihre Position als größter Hafen der Welt werde
dadurch bedroht, dass viele Schiffstransporte Container
mit chinesischem Feuerwerk enthalten und aufgrund
neuer Sicherheitsbestimmungen dann nicht mehr
zugelassen werden dürfen. Antwerpen würde solche
Schiffe jedoch genehmigen, und die Feuerwerkskörper
würden dann mit dem Lkw nach Rotterdam transportiert
werden, was noch weitaus gefährlicher sei. Auch dieses
Problem muss noch gelöst werden.
3-107
Titley (PSE), schriftlich. – (EN) Ich begrüße diesen
Bericht, in dem Maßnahmen zur Vermeidung von
Industrieunfällen in städtischen Gebieten gefordert
werden. Tragische Ereignisse wie im französischen
Toulouse und in den Niederlanden sind ein trauriger
Beweis dafür, dass die europäischen Bürger durch die
bestehenden Rechtsvorschriften nicht wirksam geschützt
werden. Nur wenn von der EU eine einheitliche
Bewertung der Gefahren vorgenommen wird, die von
gefährlichen Substanzen ausgehen, können wir sicher
sein, dass alles zur Verhütung potenzieller Katastrophen
getan wird.
Ich begrüße die Forderung nach der Einführung von
Strafmaßnahmen für Eigentümer, die bestehende und
künftige Rechtsvorschriften nicht einhalten. Diese
Maßnahmen müssen so weit gehen, dass sie auch
Unterauftragnehmer einschließen, weil diese ein
wesentlicher Teil dieses Wirtschaftssektors sind.
Caudron (NI), schriftlich. – (FR) Erfreulicherweise
konnte heute das Legislativpaket zum 6. FRP
„geschnürt“ werden. Wir haben unsere Zusagen
eingehalten, indem wir im Mai 2002 den Bericht zum
eigentlichen 6. FRP verabschiedet haben, im Juni 2002
dann die Berichte zu den spezifischen Programmen und
schließlich im Juli 2002 die Beteiligungsregeln, mit
denen die Umsetzung der bis 2006 geltenden
Forschungsleitlinien rechtlich und finanziell abgesichert
werden soll.
Ich begrüße die bisher von Frau Quisthoudt-Rowohl
geleistete Arbeit. Sie hat sich sehr dafür eingesetzt, dass
die drei Institutionen zu Kompromissen gelangen, die
eine Verabschiedung in erster Lesung ermöglichen.
Die Kommission verfolgt mehrere Ziele, die wir von
Anfang an unterstützt haben: Einführung einfacherer
Regeln, schnellere und leichtere Abwicklung, verstärkter
Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft.
Es sind jedoch rasch einige Schwierigkeiten aufgetaucht.
Ich kann hier nur die Frage der gesamtschuldnerischen
Haftung aufgreifen. Der Kommissionsvorschlag
beinhaltete die gesamtschuldnerische Haftung der
Teilnehmer für die aus Gemeinschaftsmitteln gewährten
Zuschüsse, einschließlich der von anderen Teilnehmern
verwalteten Mittel. Die Grenzen einer solchen
Vorgehensweise sind jedoch schon bald sichtbar
geworden. So wurde nach mehreren informellen
Dreiergesprächen beschlossen, die Haftung auf die
jedem Teilnehmer zugewiesenen Gemeinschaftsmittel zu
beschränken.
(Erklärung zur Abstimmung gekürzt in Übereinstimmung
mit Artikel 137 der Geschäftsordnung)
3-111
3-108
– Bericht Quisthoudt-Rowohl (A5-0203/2002)
3-109
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, dieser Bericht
bezieht sich auf einen Beschluss des Europäischen
Marques (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Ich
beglückwünsche die Kollegin Quisthoudt-Rowohl zu
dem von ihr vorgelegten ausgezeichneten Bericht, den
ich uneingeschränkt unterstütze. Ebenso wie die
Berichterstatterin teile ich den Ansatz der Kommission,
den Zugang zu den Finanzmitteln durch eine
03/07/2002
Vereinfachung der Rechtsvorschriften und eine den
Begünstigten zugute kommende größere Flexibilität bei
der Durchführung zu erleichtern.
Allerdings möchte ich einen Punkt hervorheben, der die
Regionen in äußerster Randlage betrifft und zu dem ich
einen Änderungsantrag eingereicht habe, weil ich ihn für
sehr wichtig halte: Es handelt sich darum, dass es in den
Programmen für eine Region in äußerster Randlage eine
Höherbewertung des Kriteriums betreffend den
Mehrwert geben muss. In der Präambel des Sechsten
Rahmenprogramms wird auf die Notwendigkeit
verwiesen, den spezifischen Bedingungen der Regionen
in äußerster Randlage im Hinblick auf den Zugang zum
Programm Rechnung zu tragen. Nun verhindert eine
Höherbewertung des Kriteriums betreffend den
gemeinschaftlichen Mehrwert aber eine Benachteiligung
der Regionen in äußerster Randlage, insbesondere
aufgrund der ungeachtet der Qualität der Projekte
bestehenden Schwierigkeit, externe Partner zu finden,
die bereit sind, eine Partnerschaft mit Einrichtungen
einzugehen, die in Regionen in äußerster Randlage
ansässig sind.
3-112
– Bericht Quisthoudt-Rowohl (A5-0205/2002)
3-113
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, der zweite
Bericht von Frau Quisthoudt-Rowohl bezieht sich auf
die europäische Forschungstätigkeit im Bereich der
Kernenergie und insbesondere auf den Inhalt des
EURATOM-Vertrags. Ich möchte bei dieser Gelegenheit
meine Zustimmung zu diesem Beschluss erklären, um
hervorzuheben, dass ich sowohl persönlich als auch als
Vertreter der Rentnerpartei hier im Europäischen
Parlament in Straßburg die Kernenergie befürworte.
Insbesondere würden wir es jedoch begrüßen, wenn sich
Europa ein für allemal dazu entschließen könnte, zu
erklären, ob wir nun den Nuklearbereich entwickeln oder
auf Eis legen wollen: Entweder ist die Kernenergie
gefährlich und schädlich, dann gilt dies für ganz Europa,
oder aber sie bedeutet unsere Zukunft, Wissenschaft und
Fortschritt, dann muss sie in allen Staaten der
Europäischen Union verbreitet werden. Das wäre meines
Erachtens positiv für alle Bürgerinnen und Bürger
Europas, sowohl für die Rentner als auch für die
Arbeitnehmer und die Jugendlichen.
3-114
– Bericht Kauppi (A5-0220/2002)
3-115
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, ich habe für
den Bericht Kauppi gestimmt, der an die Bedeutung des
Jahres 2001 für die gemeinsame Währung, den Euro,
und insbesondere die Rolle der Europäischen
Zentralbank erinnert. Ich möchte in diesem Bericht jenen
– ich muss zugeben, etwas dürftigen – Teil herausstellen,
der die makroökonomischen Bedingungen, mit anderen
Worten die Haushalte der Mitgliedstaaten und deren
Einfluss auf die Maßnahmen der EZB, betrifft. Ich tue
dies mit dem Wunsch, die Mitgliedstaaten mögen in
ihren Haushalten darauf achten, dass mit den Ausgaben
der
nationalen
Rentenversicherungsträger
im
43
Sozialversicherungssystem im Interesse der Bürgerinnen
und Bürger sorgsam umgegangen wird, indem man allen
Bürgern gegenüber Gerechtigkeit walten lässt, und es
nicht, wie dies leider allzu häufig geschieht, zu
Ungerechtigkeiten kommt.
3-116
Berthu (NI), schriftlich. – (FR) Im Vorwort zum
Jahresbericht 2001 der Europäischen Zentralbank vertritt
Wim Duisenberg eine interessante persönliche Meinung
zum Thema Integration. Seiner Ansicht nach wird
letztere neue Impulse erhalten, da die gemeinsame
Währung die Bürger zu der Forderung veranlassen wird,
die zwischen ihren Ländern fortbestehenden Hindernisse
abzubauen. Daraus zieht er den Schluss: „Anders
ausgedrückt könnte sich die europäische Integration
stärker zu einem von der Basis ausgehenden Prozess
wandeln, der von den Bürgerinnen und Bürgern Europas
angestoßen wird, anstatt zu einem von oben gelenkten
Prozess, der von Politikern und Fachleuten bestimmt
wird.“
Dieser Text enthält zwei Eingeständnisse: erstens, das
derzeitige institutionelle Gefüge ist instabil; zweitens,
der europäische Aufbau war bisher vor allem eine Sache
der „Politiker und Fachleute“.
Der Gedanke, die europäischen Bürger könnten infolge
der gemeinsamen Währung eine stärkere Integration
fordern, erscheint uns fragwürdig. Dies entspricht mit
Sicherheit dem Wunsch der Eurokraten, die nur darauf
warten, dass ihnen die Bürger endlich bescheinigen, dass
sie von Anfang an Recht hatten. In der Praxis gibt es
allerdings bisher noch keine diesbezüglichen
Erkenntnisse.
Der von Herrn Duisenberg beschriebene Prozess läuft
wirklich nicht spontan ab, sondern er wird vielmehr mit
Hilfe der Einheitswährung von oben gesteuert.
Manipulationen, wohin man auch schaut.
3-117
Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Dass wir
gegen diesen Bericht gestimmt haben, versteht sich
aufgrund der darin enthaltenen Feststellungen von selbst,
insbesondere, weil er erneut betont, „das vorrangige
Ziel, d. h. die Wahrung der Preisstabilität, überragt alle
anderen Überlegungen an Bedeutung“, und das
unabhängig von Wachstum und Beschäftigung, um den
irrationalen Stabilitätspakt zu verteidigen, zu weiterhin
„moderaten Lohnabschlüssen“ aufzurufen und am alten
kapitalistischen Rezept festzuhalten, „dass die Arbeiter
die Kosten der Krise tragen müssen“, während die von
den Löhnen zu den Gewinnen transferierten
Produktivitätssteigerungen
nicht
zu
größeren
Investitionen und mehr Arbeitsplätzen, wohl aber zur
Bereicherung derselben kleinen Gruppe wie immer
beigetragen haben.
Die aktuelle Wirtschaftslage außer Acht lassend, ruft er
erneut
zu
weiteren
Liberalisierungen
und
Privatisierungen, zur Integration der Kapitalmärkte und
natürlich zu mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt auf
und erachtet die Kritik an der Haltung der EZB
44
gegenüber der Federal Reserve als unfair, ignoriert dabei
aber, dass die von ihr verfolgte deflationistische Politik
zur Arbeitslosigkeit beigetragen hat, während es die
restriktive
Geldpolitik
nicht
ermöglichte,
die
wirtschaftliche Wachstumsperiode der zweiten Hälfte
der neunziger Jahre vollständig zu nutzen. Diese Kritik
wird nicht nur von mehreren international angesehenen
Wirtschaftswissenschaftlern, wie etwa Solow, sondern
auch von der UN-Wirtschaftskommission für Europa
geteilt.
3-118
Meijer (GUE/NGL), schriftlich. – (NL) Die EZB ähnelt
stark einer altmodischen, privat geführten Notenbank.
Der Grund für die Nationalisierung zur Staatsbank war,
dass der Geldumlauf eine demokratisch kontrollierbare
Kernaufgabe des Staates zu sein hat. Es geht um die
Politik
bezüglich
der
Wechselkurse,
Zinsen,
Geldmengen und die Auswirkungen auf Beschäftigung,
gemeinnützige Einrichtungen, Umweltschutz und
Verbraucherpreise. Wenn eine zentralisierte europäische
Notenbank von der politischen Zuständigkeit
abgekoppelt wird, durchtrennt man das Band zwischen
Wählern und dieser Kernaufgabe des Staates, und wir
haben wieder den gleichen unbefriedigenden Zustand
wie vor hundert Jahren.
Dass in diesem Parlament jedes Jahr ein Bericht erörtert
wird, ist zwar interessant, um konträre Auffassungen
über die aktuelle und die künftige Politik äußern zu
können, die Bank braucht sich jedoch nicht um diese
Meinungen zu kümmern. Es besteht sogar die Tendenz,
demonstrativ zu zeigen, dass man genau das Gegenteil
von dem tut, was die Politiker vorschreiben wollen. Frau
Kauppi zufolge hat die Bank erneut hervorragende
Arbeit geleistet, darüber kann man allerdings geteilter
Meinung sein. Dass der Euro nun wieder beinahe einen
Dollar wert ist, ist eine Folge der Steuerhöhe in den
USA, die im Verhältnis zu den unvermeidlichen
Staatsausgaben zuzüglich der für die Verteidigung
verschwendeten Mittel strukturell zu niedrig ist. Ich
begrüße nur den Vorschlag, die Geheimhaltung durch
die Veröffentlichung der Protokolle zu begrenzen.
3-119
Patakis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Wir sind ganz
entschieden gegen die herzlose, streng monetaristische
Politik der EZB, gegen eine Politik der Ungleichheit, der
rigoroseren Ausbeutung der Arbeitnehmer und der
Sicherstellung der Gewinne sowie Privilegien der
europäischen Monopole.
Unter dem Vorwand, den Stabilitätspakt akribisch
einhalten und die Inflation bekämpfen zu wollen, werden
ständig die Senkung der Löhne und strukturelle
Veränderungen des Arbeitsmarkts gefordert, wodurch
vor allem eine noch größere Flexibilität der
Arbeitsbedingungen erreicht werden soll. Im Namen des
„gesunden Umfelds“ für Unternehmen und Investitionen
werden die Habgier des Großkapitals gefördert, die
wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen, die
Ungewissheit und Unsicherheit für die Arbeitnehmer
sowie die ihnen aufgebürdeten hohen wirtschaftlichen
Belastungen aber außer Acht gelassen.
03/07/2002
Die Politik der EZB, die Zinssätze entsprechend der USZinspolitik
heraufoder
herabzusetzen,
wird
hauptsächlich von der Notwendigkeit der Finanzierung
profitorientierter Pläne diktiert, die objektiv nicht nur zu
nichtproduktiven Investitionen, sondern auch zu solchen
„Tricks“ wie an den Finanzmärkten führen. Die Zeche
hatten und haben dann Tausende von entlassenen
Arbeitnehmern und betrogenen Anlegern zu zahlen.
Die jüngsten Skandale an den amerikanischen Börsen,
erst mit Enron und jetzt mit WorldCom und Xerox, die
nun auch bei europäischen Unternehmen ans Licht
kommen, haben zur Folge, dass die Ersparnisse der
Kleinanleger geplündert, die Einlagen von Rentenkassen
und Versicherungsgesellschaften ausgeraubt und
Tausende von Arbeitnehmern für die Supergewinne
geopfert werden.
3-120
– Bericht Van Lancker (A5-0223/2002)
3-121
Ahern (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident, ich begrüße
diesen Bericht im Namen der Fraktion der
Grünen / Freie Europäische Allianz und gratuliere der
Berichterstatterin. Sie wurde enorm unter Druck gesetzt,
damit sie ihren Bericht zurückzieht oder Zugeständnisse
macht. Der Berichterstatterin gebührt Anerkennung
dafür, dass sie sich nicht von ihrem Standpunkt
abbringen ließ.
In dem Bericht wird auf die hohe Zahl der Abtreibungen
in den Ländern hingewiesen, in denen es kaum eine
Sexualerziehung gibt und der Empfängnisverhütung
geringe Bedeutung beigemessen wird. Abtreibung sollte,
wie es in dem Bericht heißt, nicht als Verfahren der
Familienplanung eingesetzt werden. Ich bin sicher, wir
sind uns alle darin einig, dass dies ein Problem ist.
Im Bericht wird erläutert, dass die Abtreibung zur
Gewährleistung der reproduktiven Gesundheit und
Rechte der Frau legal, sicher und für alle zugänglich sein
sollte. In Irland wurde vor einiger Zeit vom Obersten
Gerichtshof im Fall „X“ entschieden, dass ein
Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig ist, wenn das
Leben der Mutter ernsthaft gefährdet ist und diese
Gefahr nur durch einen Abbruch der Schwangerschaft
beseitigt werden kann. Das heißt, dass die Abtreibung in
Irland eigentlich legal, aber gesetzlich nicht geregelt ist.
Dies ist ein Problem für Ärzte, denen für ihre Tätigkeit
ein gesetzlicher Rahmen fehlt und daher keine
Möglichkeit sehen, sich an das Urteil des Obersten
Gerichtshofs zu halten.
Für die Irinnen ist der Zugang zur Abtreibung
problematisch. Mehr als 6 600 von ihnen haben im
vergangenen Jahr im Vereinigten Königreich eine
Abtreibung vornehmen lassen. Seit kurzem wird dabei
auf die Regelung verwiesen, nach der EU-Bürger
medizinische Versorgungsleistungen in anderen Ländern
in Anspruch nehmen können, wenn ihnen diese in ihrem
Heimatland nicht zur Verfügung stehen. Ich wäre der
Kommission dankbar, wenn sie dazu Stellung nehmen
03/07/2002
und erläutern könnte, wie dies unter Berücksichtigung
der Bestimmungen über die Subsidiarität in der Praxis
gehandhabt wird.
3-122
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, wie sehr viele
Mitglieder der PPE-DE-Fraktion habe auch ich gegen
diesen Bericht gestimmt, nicht nur wegen seines Inhalts,
der unsere Auffassung vom Schwangerschaftsabbruch
und den sexuellen Problemen im Zusammenhang mit der
Gesundheit
der
EU-Bürger
nicht
vollständig
widerspiegelt, sondern auch, weil ich damit meinen
Wunsch deutlich machen möchte, dass man, obgleich
ich die Diskussion über dieses wichtige Thema
befürworte, ebenso häufig über die Gesundheit der
älteren Menschen, das Leben der Rentner und – warum
denn nicht? – auch Fragen ihrer sexuellen Beziehungen
sprechen sollte. Ich wünsche mir, dass man sich mehr in
diesem Parlament damit befassen möge. Stellen Sie sich
vor, Herr Präsident, hier säßen 200 Vertreter der
Rentnerpartei: ganz sicher würde dann mehr darüber
gesprochen werden!
3-123
Banotti (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich habe
mich bei der Abstimmung über den Bericht von Frau
van Lancker der Stimme enthalten, nicht nur, weil ich
viele der Gründe, die bereits von Frau Ahern genannt
wurden, ebenfalls anführen kann, sondern auch, weil der
Bericht einige sehr gute Punkte enthält.
In dem Bericht wird klargestellt, dass die Abtreibung
nicht als Verfahren der Familienplanung eingesetzt
werden sollte. Ich bin UN-Botschafterin für die
reproduktive Gesundheit. Ich konnte mich selbst von
dem alarmierenden und erschreckenden Anstieg von
HIV/Aids überzeugen, der nicht nur in den
Entwicklungsländern,
sondern
auch
in
den
Beitrittsländern zu beobachten ist. Ich halte die Dienste
der Reproduktionsgesundheit für sinnvoll und bin der
Meinung, dass sie allen zugänglich sein sollten.
In Irland gibt es keine gesetzliche Regelung für die
Abtreibung. Dieser Bericht wird uns in Bezug auf die
anstehende Verfassungsänderung große Probleme
bereiten. Die hohe Abtreibungsrate in Irland ist nicht
hinnehmbar.
Ich akzeptiere zwar, dass die Europäische Union in
diesem Bereich nicht zuständig ist, aber die
Bereitstellung
von
Diensten
der
Reproduktionsgesundheit ist, wie Herr Byrne zu Recht
sagte, ein wesentlicher Bestandteil eines guten
Gesundheitswesens.
3-124
Vatanen (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich habe
gegen diesen Bericht gestimmt, weil ich nicht glaube,
dass dieses Thema in unseren Zuständigkeitsbereich
fällt. Der Bericht enthält zwar viele begrüßenswerte
Punkte, aber es geht darin auch um Rechte. Rechte auf
wessen Kosten? Diese Rechte gehen auf Kosten des
ungeborenen Kindes und daher auch auf Kosten der
Menschlichkeit. Die Menschlichkeit kann natürlich nicht
45
auf die Ebene gewieften und skrupellosen politischen
Handelns reduziert werden. Wenn wir eine bessere Welt
schaffen wollen, muss sie auf einem Fundament von
einigen unverrückbaren Pfeilern stehen. Über ein
Menschenleben kann nicht abgestimmt werden. Es kann
nicht
eine
Frage
einer
Minderheitsoder
Mehrheitsentscheidung sein.
Wenn unsere Solidarität das schutzbedürftigste Wesen,
das ungeborene Kind, nicht einschließt, bauen wir in
unserer menschlichen Familie die Fundamente der Welt
von morgen auf Sand, der mit den Tränen der
ungeborenen Kinder getränkt ist.
3-125
Posselt (PPE-DE). – Herr Präsident! Dieser Bericht ist
nicht nur ein Attentat auf das Subsidiaritätsprinzip und
auf den komplizierten Prozess der Osterweiterung, er
widerspricht
den
Grundprinzipien
und
den
Gründungsprinzipien
der
Europäischen
Union.
Abtreibung ist kinderfeindlich, ist frauenfeindlich, ist
menschenfeindlich! Kinderfeindlich - weil sie
ungeborene Kinder tötet, frauenfeindlich - weil sie
Frauen noch mehr zum Objekt männlicher Manipulation
degradiert, was oft verdrängt wird, menschenfeindlich weil sie den Beginn, das Ende und die Würde insgesamt
des menschlichen Lebens in Frage stellt, die Würde der
Person von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod.
Von daher widerspricht sie den Grundprinzipien, wie sie
Adenauer, Schuman und de Gasperi formuliert haben.
Grundprinzipien, die unsere Union zu dem gemacht
haben, was sie heute ist und was sie bleiben soll.
Ich möchte allen Kräften, die heute das Parlament
kritisieren, sagen: Kritisieren Sie nicht das Parlament,
sondern jene knappe Mehrheit, die diesen Bericht
durchgepeitscht hat, und sorgen Sie dafür, dass das
nächste Parlament eine andere Mehrheit hat!
3-126
Cushnahan (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich habe
gegen diesen Bericht gestimmt, weil die Europäische
Union in keiner Weise befugt ist, rechtliche Vorschriften
zur Abtreibung zu erlassen. Das Europäische Parlament
sollte daher nicht über Berichte diskutieren, die diesen
Anschein erwecken und damit unnötige Befürchtungen
bei vielen europäischen Bürgern auslösen.
Das Problem wird noch durch die Tatsache erschwert,
dass in Irland schon bald ein zweites Referendum über
den Vertrag von Nizza durchgeführt werden soll. Dass
das Thema Abtreibung heute auf der Tagesordnung des
Europäischen Parlaments steht, gibt den Euroskeptikern
neuen Auftrieb. Sie werden die heutige Abstimmung
über dieses Thema als Beweis dafür anführen, dass
Europa Irland die Legalisierung der Abtreibung
aufzwingen will, und dass Europa daher ein
undemokratisches Projekt ist. Dies trifft natürlich nicht
zu, aber die heutige Verabschiedung dieses Berichts und
die vorgeschlagene Halbzeitüberprüfung der GAP
werden die Ratifizierung des Vertrags von Nizza nun
außerordentlich schwierig machen. Wenn die
Ratifizierung scheitern sollte, haben diejenigen, die den
heutigen Bericht unterstützt haben, leider einen
46
03/07/2002
Pyrrhussieg errungen und sind mitverantwortlich für die
erneute Ablehnung des Vertrags durch das irische Volk.
sind, ihre sexuellen Triebe zu beherrschen, so dass sie
unausweichlich zum Koitus gelangen müssen.
Ich fordere die Kollegen hier im Parlament auf, keine
Berichte über Themen mehr zu erarbeiten, für die wir
nicht zuständig sind, und sich stattdessen auf die
Bereiche
zu
konzentrieren,
in
denen
wir
Mitentscheidungsbefugnisse bei der Gestaltung des
europäischen Rechts haben.
Indem die Kommission eine Abstimmung zwischen den
Mitgliedstaaten zum Thema der sexuellen und
reproduktiven Gesundheit und Rechte vorschlägt, die
auch auf die künftigen Beitrittsländer ausgedehnt werden
soll, gibt sie die Richtung für die Erörterung dieser
Fragen vor, die auf eine Banalisierung der Abtreibung
und die Auflösung der Familie hinausläuft.
3-127
Arvidsson, Cederschiöld, Grönfeldt Bergman und
Stenmarck (PPE-DE), schriftlich.  (SV) Der Bericht
Van Lancker beinhaltet viele Punkte, die wir in der
Fraktion
der
Europäischen
Volkspartei
(Christdemokraten) und der europäischen Demokraten
für gut und wichtig erachten, doch fällt dieser Bereich
nicht unter die Zuständigkeit der Europäischen Union
und sollte dies auch in Zukunft nicht tun.
Aus diesem Grunde haben wir die Änderungsanträge
unterstützt, die die Streichung von Text beinhalten, mit
der Begründung, dass Fragen zur Abtreibung und zur
Sexualerziehung nicht in den Zuständigkeitsbereich der
Europäischen Union fallen. Wir stimmten außerdem für
den Änderungsantrag 7, der unseren Standpunkt deutlich
zum Ausdruck bringt. In der Schlussabstimmung haben
wir den Bericht in seiner Gesamtheit abgelehnt.
3-127-250
Berthu (NI), schriftlich. – (FR) Erfreulicherweise hat
der Bericht Van Lancker, der soeben (trotz meiner
Gegenstimme)
vom
Europäischen
Parlament
verabschiedet wurde, keinerlei Rechtswirkung. Er
mischt sich nämlich in die Zuständigkeitsbereiche der
Mitgliedstaaten und sogar der Bewerberländer ein und
gibt Ratschläge zum Thema Sexualerziehung und
Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs.
Formal gesehen ist dieser Text charakteristisch für die
Vorgehensweise zur Ausdehnung der europäischen
Zuständigkeitsbereiche. Kommissar Byrne hat gestern
Abend erklärt, die „sexuellen und reproduktiven Rechte“
seien streng genommen kein Vertragsbestandteil, aber
andererseits sei die „reproduktive Gesundheit“ eng
verknüpft mit der allgemeinen Volksgesundheit, bei der
die Gemeinschaft über einige ergänzende Kompetenzen
verfüge. Tatsache ist, dass die europäischen Institutionen
aufgrund einer nicht vorhandenen tatsächlichen
Subsidiaritätskontrolle behaupten können, was sie
wollen.
Inhaltlich wird das heikle Thema Abtreibung im Bericht
Van Lancker allzu oberflächlich abgehandelt. Jedes
Land muss sich auf seine eigenen Werte und auf seine
jeweilige Sensibilität berufen können. Zwar kann
Abtreibung nicht von staatlicher Seite verhindert
werden, aber man kann wohl kaum dafür eintreten, dass
der Staat ihr bedenkenlos zustimmt.
3-128
de La Perriere (NI), schriftlich. – (FR) Der Bericht
setzt Männer und Frauen mit Tieren gleich, die unfähig
Das Bestreben der Kommission, die verschiedenen
nationalen Politiken zu diesem Thema anzunähern, trägt
ohne Rücksicht auf die identitätsprägenden Unterschiede
im sozialen Leben der Mitgliedstaaten zur
Pragmatisierung, d. h. Normierung desselben bei. Laut
Bericht soll die Praxis der Abtreibung für alle
zugänglich gemacht, sollen dafür begleitende
Beratungsdienste eingerichtet werden, während man in
Not geratene Mütter sich selbst überlässt. Dieser
Widersinn gipfelt darin, dass die Kommission die
Staaten aufruft, auf die Strafverfolgung bei illegalen
Abtreibungen zu verzichten!
Ferner verweist der Bericht auf Politiken zur Aufklärung
und Information der Jugendlichen vom Kindesalter an.
Solche Maßnahmen würden die Integrität des Kindes
beeinträchtigen und lediglich seine Loslösung von der
Familienzelle zur Folge haben, deren wichtige
erzieherische Rolle herabgewürdigt wird.
3-128-500
Ferrer (PPE-DE), schriftlich. – (ES) Zunächst möchte
ich erklären, dass ich es für einen schwerwiegenden
politischen Fehler halte, dass die Konferenz der
Präsidenten die Erstellung eines Berichts genehmigt hat,
der eindeutig gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt,
überdies im unmittelbaren Vorfeld des Referendums in
Irland. Dies war einer der Gründe, aus denen ich mit
Nein gestimmt habe. Fragen zur sexuellen und
reproduktiven Gesundheit gehören nicht in den
Kompetenzbereich der Europäischen Union – daran hat
uns Kommissar Byrne gestern eindeutig erinnert –,
sondern dafür sind die Mitgliedstaaten zuständig. Dies
wird durch die Tatsache belegt, dass der Bericht keine
Legislativvorschläge macht, sondern sich auf
Empfehlungen an die Regierungen der Mitgliedstaaten
und der Beitrittsländer beschränkt.
Vor allem aber habe ich gegen den Bericht gestimmt,
weil ich seine Überlegungen absolut nicht teilen kann.
Der Wert des menschlichen Lebens muss geschützt und
darf nicht zerstört werden. Es ist eine Sache, adäquate
Politikkonzepte zur Sexualaufklärung, Beratung zur
Familienplanung oder Verhütungsmethoden und
Sexualgesundheitsdienste zu fördern; eine andere Sache
aber ist die Empfehlung, die Abtreibung zu legalisieren.
Das Recht auf Leben steht über jedem anderen Recht
und auch über den Rechten der Frau, und sein Schutz
muss das erste Ziel der von der Staatsgewalt zu
verfolgenden Politik sein.
03/07/2002
(Erklärung zur Abstimmung gekürzt in Übereinstimmung
mit Artikel 137 Absatz 1 der Geschäftsordnung.)
3-129
Heaton-Harris (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Die
Delegation des Vereinigten Königreichs in der PPE-DEFraktion wird gegen diesen Bericht stimmen, weil darin
eine Ausweitung der Regelungsbefugnisse der EU auf
Bereiche vorgeschlagen wird, die gegenwärtig nicht in
den Zuständigkeitsbereich der EU fallen.
3-130
Keppelhoff-Wiechert (PPE-DE), schriftlich. – Der
Bericht van Lancker „Sexuelle und reproduktive
Gesundheit und Rechte“ ist im Europäischen Parlament
von der christdemokratischen Fraktion entschieden
abgelehnt worden, und ich kann diese Haltung nur
unterstützen.
Wir dürfen die Sorgen der nationalen katholischen
Laienbewegungen und –organisationen in den
Beitrittsländern nicht ungeachtet lassen. Das Thema
dieses Berichts gehört nicht in die Zuständigkeit der EUPolitik! Nach dem Subsidiaritätsprinzip müssen
Entscheidungen über derartige Themen auf nationaler
Ebene getroffen werden.
Ich bin äußerst besorgt, dass vor allem die Förderung der
so genannten Notverhütung - der „Pille danach“ - als
Standardpraxis Geltung erhält. Damit würde die
Legalisierung der Abtreibung in den Mitgliedstaaten und
in den Beitrittsländern vorgeschlagen.
Angesichts der besonderen Sensibilität des Themas wird
die Annahme des Berichts negative Reaktionen in den
Beitrittsländern bezüglich des Erweiterungsprozesses
hervorrufen und belastet ihn unnötig. Der Bericht stellt
substantielle Forderungen an die Regierungen der
Beitrittsländer, die in keiner Weise an dem
Entscheidungsprogramm beteiligt worden sind. Ich bin
fest überzeugt, dass eine solche Vorgehensweise
jedenfalls nicht geeignet ist, das Vertrauen in die
demokratischen Entscheidungsprozesse der EU zu
fördern.
3-131
Krivine und Vachetta (GUE/NGL), schriftlich. – (FR)
Der Bericht van Lancker über sexuelle und reproduktive
Gesundheit und Rechte fördert die Motivation der
Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer, die Aufklärung
über die reproduktive Gesundheit und den Zugang zu
diesbezüglichen Dienstleistungen zu entwickeln, denn es
bestehen erhebliche Unterschiede nicht nur zwischen
den europäischen Ländern, sondern auch zwischen
Reichen und Armen innerhalb der einzelnen Länder. Das
Gleiche gilt für sexuelle Gewalt, die nach wie vor eine
reale Erscheinung erheblichen Ausmaßes darstellt. Der
Bericht fordert daher alle Staaten auf, kostenlos oder
preisgünstig Mittel zur Empfängnisverhütung zur
Verfügung zu stellen, den Schwangerschaftsabbruch zu
legalisieren und zweckdienliche Politiken zur
Aufklärung und Erziehung der Jugendlichen sowie zur
Unterstützung von Frauen zu entwickeln, die Opfer
sexueller Angriffe geworden sind.
47
Der Wert dieses Berichts besteht hauptsächlich in
seinem richtungsweisenden Charakter, da ja die
Europäische
Union
keine
gesundheitspolitische
Entscheidungsbefugnis besitzt, die in die Zuständigkeit
der Mitgliedstaaten fällt. Es handelt sich um eine
interessante und fortschrittliche Orientierung, durch die
sich die Lage Tausender Frauen verbessern ließe, die
gezwungen sind, unter dramatischen Umständen,
manchmal unter Lebensgefahr Abtreibungen in Kauf zu
nehmen. Das haben auch jene reaktionären
Abgeordneten sehr wohl verstanden, die keine
Demonstrationen, Drohungen oder die massenhafte
Verbreitung von E-Mails gescheut haben, um die
Erörterung und Abstimmung dieses Textes zu
verhindern. Wir haben selbstverständlich für diesen
Bericht gestimmt.
3-132
Lulling (PPE-DE), schriftlich. – Aus diesem
Initiativbericht, den der Ausschuss für die Rechte der
Frau und Chancengleichheit erstellen durfte, hat die
sozialistische
Berichterstatterin
mit
ihren
kommunistischen und grünen Akolythen eine
Kampfschrift für Abtreibung und Empfängnisverhütung
fabriziert. Vierzehn von zwanzig Erwägungen und
siebzehn
von
einunddreißig
Paragraphen
der
Bandwurmentschließung sind diesen Themen gewidmet,
als gäbe es sonst keine Probleme der Frau, sogar im
Zusammenhang mit ihrer reproduktiven Gesundheit.
Die Hartnäckigkeit, mit welcher diese vereinte Linke ihr
diesbezügliches Ziel verfolgte, ohne Rücksicht auf
Verluste, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem
zweiten Referendum zur Ratifizierung des Vertrages von
Nizza in Irland oder mit den Referenda in den
Beitrittsländern, ohne Rücksicht auch auf die Tatsache,
dass die EU auf diesem Gebiet absolut keine Kompetenz
hat, dank des Subsidiaritätsprinzips, grenzt schon an eine
für mich bedauerliche Sendungsbewusstseinsverwirrung.
Weil dem so ist, und weil mit Vernunft und Realismus
diese Abtreibungsfanatiker leider nicht eines Besseren
belehrt werden konnten, habe ich diesem Bericht nicht
zugestimmt.
Ich halte darauf, klar und deutlich zu erklären, dass
Abtreibung nicht zum bevorzugten Mittel der
Familienplanung hochstilisiert werden darf. Es kann
auch nicht sein, dass die Pille danach gratis in den
Schulen verteilt wird, was zu einer Sorglosigkeit
verleitet und einer Zumutbarkeit Vorschub leistet,
welche schlussendlich die Männer aus ihrer
Mitverantwortung total entlässt und den Frauen,
insbesondere den jungen, einen gefährlichen Umgang
mit ihrer Gesundheit zumutet. Das kann doch nicht sein!
3-133
Marchiani (UEN), schriftlich. – (FR) Der Bericht von
Frau van Lancker ist wahrlich ein Alptraum. Er erörtert
Fragen der Sexualität und der Reproduktion, ohne auch
nur ein einziges Mal darauf zu verweisen, wie
willkommen neues Leben ist. Die Lektüre dieses
Berichts vermittelt den traurigen Eindruck, eine
48
Schwangerschaft sei zwangsläufig ein Drama.
Gleichwohl befinden sich zweifellos viele schwangere
Frauen in einer menschlich oder materiell verzweifelten
Lage. Erwächst daraus für uns nicht eher die
Verantwortung zum Handeln, anstatt dass wir den
Rückzug antreten? Das Angebot einer so leichtfertigen
Lösung wie der Abtreibung ist typisch für eine
absterbende Gesellschaft, die die Achtung vor dem
Leben verloren hat.
Wir sollten uns besser mit der Einrichtung von
Aufnahmeheimen für Mütter in Not befassen. Geben wir
ihnen menschliche Zuwendung sowie die materiellen
und finanziellen Mittel, derer sie bedürfen, um aus ihrer
Notlage herauszufinden; sorgen wir dafür, dass die
Entscheidung von Eltern, ihre Berufstätigkeit zu
unterbrechen, um sich um ihr Kind zu kümmern, sozial
und wirtschaftlich aufgewertet und anerkannt wird, und
erleichtern wir Adoptionen...
Im Namen eines hedonistisch und materialistisch
geprägten
ideologischen
Kampfes
soll
jede
Menschlichkeit verweigert und das vorgeblich
unerwünschte Kind abgelehnt werden, ebenso wie man
den alten Menschen abschiebt, der nur im Wege zu sein
scheint. Anstatt eine derartige Lebensverachtung zu
kultivieren, sollten wir das Leben von seinem Anbeginn
bis zu seinem natürlichen Tod bejahen und Kinder als
unsere Zukunft willkommen heißen.
3-134
Meijer (GUE/NGL), schriftlich. – (NL) In einer Welt,
in der sich Männer selbst eine Herrscherrolle anmaßen,
ist die Frau dazu verurteilt, die sexuellen Bedürfnisse
des Mannes zu befriedigen, Kinder zu gebären und zu
erziehen und den Haushalt zu bewältigen. In einer Welt,
in der alle Menschen gleiche Rechte, Chancen und
Wahlfreiheit haben, entscheidet die Frau selbst, wie sie
ihr Leben gestalten, mit wem sie eventuell sexuellen
Kontakt haben und ob sie Kinder zur Welt bringen
möchte.
In den meisten Mitgliedstaaten der EU ist bereits
geregelt, dass eine unerwünschte Schwangerschaft auf
Initiative der betroffenen Frau in medizinisch
verantwortungsvoller Weise abgebrochen werden kann.
Noch besser ist es, solche Schwangerschaften zu
verhindern, unter anderem durch den problemlosen
Zugang zu Verhütungsmitteln und entsprechende
Aufklärung. Solche Maßnahmen verhindern, dass
Menschen Kinder großziehen müssen, die sie nicht oder
noch nicht wollen, oder dass Schwangerschaften auf die
altmodische gefährliche Weise mit Stricknadel und
Klistierspritze oder durch eine teure Reise ins Ausland
abgebrochen werden.
Einwände gegen diese Entwicklung erwarte ich von
einer fundamentalistischen Interpretation des Islam, die
eindeutig von der Ungleichheit von Frau und Mann
ausgeht, nicht jedoch von der Hauptströmung im
europäischen Christentum. Der Vorschlag Van Lancker
macht keinem Mitgliedstaat Vorschriften, sondern
03/07/2002
versucht nur voneinander zu
bestmögliche Praxis zu entwickeln.
lernen,
um
die
3-135
Muscardini (UEN), schriftlich. – (IT) Der Bericht über
sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte
verletzt unter anderem auch die Gleichberechtigung in
Bezug auf die Würde von Mann und Frau. Da er ferner
von reproduktiven Rechten anstatt von Zeugungsrechten
spricht, wird die Frau letztendlich einem weiblichen
Zuchttier oder einer Maschine gleichgestellt. Wir als
Alleanza Nazionale weisen diese seelenlose Einstellung
zur Geburt eines menschlichen Lebens zurück und
lehnen eine kulturelle Auffassung, bei der die Freiheit
der Frau und das Lebensrecht des Ungeborenen einander
gegenüber gestellt werden, ab. Gleichermaßen
unannehmbar ist die These, wonach die Abtreibung zu
einer
Verhütungsmethode
wird,
und
unserer
Überzeugung nach muss jedes als Medikament
betrachtete
Erzeugnis
im
Interesse
des
Gesundheitsschutzes einen erschwinglichen Preis haben
und auf ärztliche Verordnung hin verabreicht werden.
Darüber hinaus bringen wir in Erinnerung,
dass die Gesundheitspolitik ebenso wie die
Entscheidungen über ethische Fragen in die
Zuständigkeit der Nationalstaaten fallen;
dass der Bericht nicht im Geringsten die
Probleme im Zusammenhang mit dem Recht auf Leben
bzw. dem Recht auf ein würdiges Leben oder jene
Fragen behandelt, auf die wir die Kommission
wiederholt nachdrücklich hingewiesen haben, wie zum
Beispiel einen Fonds zur Unterstützung von Frauen in
wirtschaftlichen
Schwierigkeiten
oder
mit
psychologischen Problemen, die trotzdem ihre
Schwangerschaft austragen wollen; zudem werden die
großen Fragen der heutigen Gesellschaft wie das
Gefühlsvermögen im weitesten Sinne oder auch in
Verbindung mit der Sexualerziehung nicht angepackt;
dass die Würde der Frau und ihre Mitwirkung
bei einem der wichtigsten Ereignisse des Lebens,
nämlich der Mutterschaft, nur unter dem Gesichtspunkt
der Reproduktion oder der Wahrnehmung eines
sexuellen Rechts behandelt wurde.
(Gemäß Artikel 137 Absatz 1 GO gekürzte Erklärung zur
Abstimmung)
3-136
Queiró (UEN), schriftlich. – (PT) Heute hat man im
Parlament die wahrhaftigste Äußerung dessen erlebt,
was das EP unter dem Subsidiaritätsprinzip versteht.
Damit meine ich nicht nur die Abstimmung über mehr
als 400 Änderungsanträge zu verschiedenen Berichten,
was einen hemmungslosen Verordnungsdrang offenbart,
der
dem Konzept
einer
vereinfachten
und
vereinfachenden Europäischen Union – der einzigen, die
Bürgernähe gewinnen kann – völlig widerspricht,
sondern auch die Annahme des Berichtes Van Lancker
über sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte,
der eine unerträgliche Einmischung nicht nur in die
Intimsphäre des individuellen Gewissens, sondern auch
in den Machtbereich der Mitgliedstaaten darstellt.
03/07/2002
Ich habe also dagegen gestimmt, und das nicht nur
wegen des grundsätzlichen Problems dieses Berichtes,
das in meiner Heimat zum großen Teil durch eine
Volksabstimmung gelöst ist, sondern auch wegen der
Form der Einmischung, die diese Abstimmung leider
darstellte.
3-137
Ribeiro e Castro (UEN), schriftlich. – (PT) Der Bericht
und die Abstimmung über ihn führen die Erklärungen ad
absurdum, die wir über das Subsidiaritätsprinzip oder die
Achtung der ausschließlichen Zuständigkeiten der
Mitgliedstaaten gehört haben. Für die Linke gibt es kein
Recht - alles hängt lediglich von der ideologischen
Sache ab, die man vertritt. Schließlich geschieht es
gerade deshalb, weil sich die Union in Bereiche
einmischt, bei denen niemand um ihre Mitwirkung
gebeten hat, dass sie aus dem einen oder anderen Grund
bei vielen unpopulär wird. Wenn wir jedoch wirklich
erörtern wollen, wer wen auf lange Sicht beeinflusst, so
meine ich, dass es die humanistischen, im Widerspruch
zur Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs
stehenden und das Recht auf Leben schützenden
portugiesischen Rechtsvorschriften sein werden, die im
Verlaufe dieses Jahrhunderts in anderen Ländern
angenommen werden. Angesichts der Fortschritte der
Genetik, Embryologie, Fetologie und der Medizin im
Allgemeinen kann das 21. Jahrhundert nicht viel länger
fortfahren etwas zu leugnen, was eine bis in alle
Einzelheiten immer besser bekannte Tatsache ist: In
jeder
Entscheidungssituation
eines
Schwangerschaftsabbruchs geht es um ein ungeborenes
– individuelles, einzigartiges und unwiederholbares –
Menschenleben, das eine Würde hat, die man
anerkennen und uneingeschränkt schützen muss. An
jenem Tag, an dem sich die Menschenwürde in Europa
vollständig durchgesetzt hat und wir alle Rechtsstaaten
für alle geworden sind, werden die Zahlen, die wir in
den Statistiken dieser Jahrzehnte finden, niemanden mit
Stolz erfüllen.
3-138
Sacrédeus (PPE-DE), schriftlich.  (SV) Ich habe gegen
den Bericht gestimmt.
Fragen zur Abtreibung gehören nicht auf die Ebene der
Gemeinschaft, da sie in den Bereich der
Volksgesundheit und somit unter die Zuständigkeit der
Mitgliedstaaten fallen. Wir Christdemokraten vertreten
den Standpunkt, dass es falsch wäre, der Europäischen
Union die legislative Verantwortung des schwedischen
Reichstags und aller anderen nationalen Parlamente für
den rechtlichen Schutz des ungeborenen Lebens zu
übertragen. Die Frage der Abtreibung ist so eng mit den
Moralauffassungen der Länder und Menschen, mit ihrer
Auffassung
von
Menschenwürde
und
der
Unantastbarkeit des Lebens und so deutlich mit
verschiedenen nationalen Traditionen verbunden, dass
sie auch weiterhin auf die Ebene der nationalen
Parlamente gehört.
Das Ziel der Abtreibungsdiskussion wird deutlich in
Artikel 12 des Berichts formuliert: „Das Europäische
49
Parlament
empfiehlt,
dass
Abtreibung
zur
Gewährleistung der reproduktiven Gesundheit und
Rechte der Frau legal, sicher und für alle zugänglich sein
sollte.“
In diesem Punkt scheint das Europäische Parlament
keinesfalls auf die Tatsache Rücksicht nehmen zu
wollen, dass einige Mitgliedstaaten – darunter Irland,
Portugal und Deutschland – die Auffassung vertreten,
dass die Abtreibung im direkten Widerspruch zum
Prinzip der wichtigsten Aufgabe des Staates steht, Leben
zu schützen, nicht zuletzt das wehrlose.
3-139
Scallon (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Ich bin sehr
überrascht, dass der Bericht van Lancker durch die
Konferenz der Präsidenten genehmigt worden ist, weil es
in diesem Bericht um Themen geht, für die die
Europäische Union nicht zuständig ist. Entscheidungen
im
Bereich
des
Gesundheitswesens,
des
Schwangerschaftsabbruchs und des Bildungswesens
obliegen ausschließlich den Mitgliedstaaten und den
Beitrittsländern und werden nach den dort gültigen
Verfassungsbestimmungen
und
Rechtsvorschriften
getroffen.
Was die irische Position betrifft, wird in Artikel 40
Absatz 3.3 der Verfassung „das Recht des ungeborenen
Lebens, mit gebührender Rücksicht auf das Leben der
Mutter,“ anerkannt. Gemäß diesem Artikel der
Verfassung ist die Abtreibung in Irland gesetzwidrig.
Die „Pille danach“, die nach Angaben des Hersteller ein
Abtreibungsmittel ist, ist nach irischem Recht ebenfalls
illegal (Offences Against the Persons Act 1861,
Abschnitt 58 und 59).
In Artikel 42 Absatz 1 der irischen Verfassung heißt es:
„Der Staat anerkennt, dass die Erziehung des Kindes in
erster Linie und natürlicherweise der Familie obliegt; er
verbürgt sich, das unveräußerliche Recht und die
unveräußerliche Pflicht der Eltern zu achten, je nach
ihren Mitteln für religiöse, moralische, geistige,
körperliche und soziale Erziehung ihrer Kinder Sorge zu
tragen.“ (Artikel 42 Absatz 1).
(Gekürzt
gemäß
Geschäftsordnung.)
Artikel 137
Absatz 1
der
3-140
Theorin (PSE), schriftlich.  (SV) Das Recht der Frau,
selbst über ihren Körper zu bestimmen, ist ein
Grundrecht und darf nicht seines Inhalts beraubt werden.
Deshalb kann ich die Änderungsanträge 2 und 5 und
natürlich auch die anderen dieses Recht untergrabenden
Änderungsanträge nicht unterstützen.
3-141
Der Präsident. – Wir werden jetzt unsere Beratung
unterbrechen. Die Sitzung wird um 15.00 Uhr wieder
aufgenommen.
(Die Sitzung wird um 13.32 Uhr unterbrochen und um
15.00 Uhr wieder aufgenommen.)
50
03/07/2002
3-142
VORSITZ: ALEJO VIDAL-QUADRAS ROCA
Vizepräsident
3-143
Bekämpfung des Hungers
3-144
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgen die
Erklärungen des Rates und der Kommission über die
Bekämpfung des Hungers.
3-145
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, Herr Kommissar,
liebe ehemalige Kollegen, sehr geehrte Damen und
Herren! Vom 10. bis 13. Juni 2002 fand bekanntlich in
Rom der „Welternährungsgipfel: fünf Jahre danach“
statt. Ziel der Konferenz war es, die internationale
Unterstützung für erweiterte Maßnahmen gegen Hunger
und Armut zu verstärken, um das Ziel der Halbierung
der Zahl der Hungernden in der Welt bis zum Jahr 2015
zu erreichen. Dieses Ziel wurde beim Milleniumgipfel
der UN im September 2000 bestätigt und ist jetzt
grundlegender Bestandteil der Entwicklungsziele, zu
denen sich die internationale Gemeinschaft verpflichtet
hat. Die EU misst diesen Zielen des Milleniumgipfels als
Ausgangspunkt für nationale und internationale
Strategien zur Bekämpfung der Armut große Bedeutung
bei.
Seit dem Welternährungsgipfel 1996 ist die Zahl der
Hungernden in der Welt zurückgegangen, aber leider
nicht in dem erforderlichen Umfang. Der jährliche
Rückgang der Zahl der Hungernden beträgt heute im
Durchschnitt nur sechs Millionen, und es sind verstärkte
Anstrengungen notwendig, um diese Zahl auf
22 Millionen zu erhöhen, damit wir unser Ziel erreichen.
Das Gipfeltreffen endete mit einer Erklärung mit dem
Titel „Internationale Allianz gegen den Hunger“, die
bereits am ersten Tag der Konferenz beschlossen werden
konnte. Unter diesem Titel verpflichtet sich die
internationale Gemeinschaft, ihre Anstrengungen im
Kampf gegen den Hunger zu verstärken und zu
koordinieren.
Die EU hat sich während der Vorbereitungen
insbesondere dafür eingesetzt, dass die Verpflichtungen
des Welternährungsgipfels von 1996 in der Erklärung
bekräftigt werden und nicht verwässert wird, worauf
man sich bereits geeinigt hat. Es sollte außerdem
sichergestellt werden, dass die Ergebnisse der jüngsten
bedeutenden
internationalen
Konferenzen
und
Gipfeltreffen wie des Milleniumgipfels der UN im Jahr
2000 und der Internationalen Konferenz über
Entwicklungsfinanzierung in Monterrey im März 2002
fortgeschrieben werden. Darüber hinaus hat sich die
Union dafür eingesetzt, eine Verbindung zum
anstehenden Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in
Johannesburg herzustellen, auf dem der Kampf gegen
Hunger und Armut als integraler Bestandteil der
internationalen
entwicklungspolitischen
Agenda
behandelt wird.
Entsprechend den Schlussfolgerungen des Europäischen
Rates von Barcelona hat die EU zwei parallele
Verpflichtungen besonders hervorgehoben: zum einen
die primäre Verantwortung der Entwicklungsländer für
die eigene Entwicklung und für die Durchführung des
Aktionsplans des Welternährungsgipfels von 1996; zum
anderen die Verantwortung der internationalen
Gemeinschaft, die ärmsten Länder in diesem Prozess zu
unterstützen. Es kam der Union überdies darauf an
festzuschreiben, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung
von Hunger und Armut in Übereinstimmung mit den
Prioritäten und Strategien der Entwicklungsländer
durchgeführt werden.
Maßnahmen zur Förderung der Produktion sind wichtig,
können aber das Problem allein nicht lösen. Die globale
Lebensmittelproduktion hat heute ein solches Ausmaß
erreicht, dass alle ernährt werden können. In einigen
Entwicklungsländern sind vor allem die Verteilung und
der Zugang zu Lebensmitteln problematisch. Hunger ist
eine Folge von Armut. Deshalb sind für eine nachhaltige
Lösung des Welthungerproblems ein gut abgesichertes,
auf die Bekämpfung der Armut ausgerichtetes
Wirtschaftswachstum und eine bessere Verteilung der
Güter zugunsten der ärmsten Bevölkerungsgruppen
notwendig. Die Bemühungen um die Eindämmung des
Hungers müssen deshalb auch Zielvorgaben in Bezug
auf eine verantwortungsvolle Regierungsführung, die
Achtung der Menschenrechte, Agrarreformen und eine
stärkere Berücksichtigung von Gesundheit, Ausbildung
und produktionsorientierter Forschung und Umsetzung
ihrer Ergebnisse umfassen. Hinzu kommen die
nachhaltige Nutzung von Naturressourcen und die
Verhütung von Konflikten. Schließlich ist auch der
Zugang der Entwicklungsländer zu Forschung und
Technologie ein wesentliches Element im Kampf gegen
Hunger und Armut. Alle diese Aspekte wurden von der
Europäischen Union im Vorfeld der Verhandlungen
hervorgehoben.
Die EU hat die Notwendigkeit betont, die
Entwicklungshilfe, wie international beschlossen wurde,
auf 0,7 % des BIP anzuheben. In diesem Zusammenhang
wurde auch gefordert, die Verpflichtungen der
Konferenz von Monterrey im März zu bekräftigen.
Der Zugang der armen Länder zu den westlichen
Märkten ist natürlich ein wesentlicher Bestandteil der
Bemühungen um ihre Entwicklung. Die EU hat mit ihrer
„Everything but Arms“-Initiative bereits einen ersten
Schritt getan. Bekanntlich gewährt die Union dabei den
am wenigsten entwickelten Ländern für alle – oder fast
alle – Produkte außer Waffen zoll- und quotenfreien
Zugang zum europäischen Markt.
Die EU hat in den Verhandlungen auch auf die
Bedeutung sicherer Lebensmittel für die Verbraucher in
allen Ländern hingewiesen. Gleichzeitig haben wir den
Bedarf an technischer Hilfe hervorgehoben, die die
Entwicklungsländer in die Lage versetzen soll,
international anerkannte Lebensmittelstandards zu
erfüllen.
03/07/2002
Für die EU war es wichtig, dass die Debatten über
Handel und Entwicklung den WTO-Verhandlungen und
dem Follow-up der Entwicklungsagenda von Doha nicht
vorgreifen.
Der
Rat
bekräftigte
in
seinen
Schlussfolgerungen vom 30. Mai 2002 über die
Vorbereitungen des Weltgipfels für nachhaltige
Entwicklung die Entschlossenheit der Union, die
Entwicklungsagenda von Doha innerhalb der
festgelegten Frist erfolgreich abzuschließen. Die EU
strebt nachhaltige Ergebnisse in allen Bereichen an, in
denen der Marktzugang auch für Entwicklungsländer
erheblich erweitert werden kann. Dies soll durch
ausgewogene Regeln sowie gezielte, nachhaltig
finanzierte technische Unterstützung und Programme
zum Aufbau von Kapazitäten erreicht werden.
Die Erklärung des Gipfeltreffens gibt die Prioritäten und
die Haltung der Europäischen Union, wie ich sie soeben
umrissen habe, umfassend wieder. In dem Dokument
werden die Konsolidierung der Ergebnisse des
Welternährungsgipfels von 1996 und der jüngsten
internationalen Konferenzen sowie ein stärkerer und
neuer politischer Wille zur Umsetzung der
internationalen Entwicklungsziele zur Bekämpfung von
Hunger und Armut hervorgehoben.
Die Erklärung enthält eine neue Initiative zum Recht auf
Nahrung. Man einigte sich auf die Bildung einer
zwischenstaatlichen
Arbeitsgruppe,
die
mit
Unterstützung der FAO und unter Einbeziehung aller
anderen für die Menschenrechte zuständigen UN-Organe
einen rechtlich nicht bindenden Kodex zum Recht auf
Nahrung erarbeiten soll. Die Entwicklungsländer hoffen,
dass ein solcher Kodes dazu beitragen wird, die
Forderung nach Sicherung des Zugangs der armen
Länder zu Nahrung und den Kampf gegen den Hunger
zu untermauern. Die EU unterstützt die Initiative und
wird sich aktiv dafür einsetzen, das Recht auf Nahrung
zu einem praktisch anwendbaren Instrument zu machen.
Mit dem Ergebnis des Gipfeltreffens können wir unter
den gegebenen Umständen insgesamt zufrieden sein. Es
bildet die Grundlage für weitere Überlegungen im
Zusammenhang mit dem Weltgipfel in Johannesburg im
August, wo wir uns mit der umfangreichen
Entwicklungsagenda befassen werden.
Das ausgewogene Ergebnis haben wir nicht zuletzt den
intensiven Bemührungen der EU bei den Verhandlungen
zu verdanken. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um
der scheidenden Ratspräsidentschaft für ihr Engagement
zu danken. Der Ratspräsident, Ministerpräsident Aznar,
hat die Union bei dem Gipfeltreffen vertreten. In seinem
Redebeitrag im Namen der Europäischen Union betonte
er das große Interesse an einer Intensivierung des
Kampfes gegen den Hunger und legte den Standpunkt
der EU zu den Themen des Gipfeltreffens ausführlich
dar.
Dank dieses Engagements ist es gelungen, ein
konstruktives Verhandlungsklima zu schaffen und eine
effektive Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern
herzustellen, mit denen in einer ganzen Reihe von
51
Fragen Übereinstimmung erzielt werden konnte, was
sich in der Erklärung widerspiegelt. Die Union war auch
an den abschließenden Verhandlungen über die
strittigsten Fragen intensiv beteiligt. Insgesamt hat die
EU also keine unbedeutende Rolle im Hinblick auf den
Fortschritt der Verhandlungen und ein vernünftiges
Ergebnis gespielt.
Abschließend möchte ich unterstreichen, dass sich die
EU im Rahmen der Gemeinschaftshilfe und der
bilateralen und mulilateralen Hilfeprogramme der EUMitgliedsländer schon jetzt verstärkt an der Bekämpfung
von Hunger und Armut beteiligt. Die Union und ihre
Mitgliedstaaten stehen für über 50 % der gesamten
Entwicklungshilfe, die zu einem großen Teil für die
Entwicklung des ländlichen Raums und des Agrarsektors
in den ärmsten Ländern verwendet wird. Bereits auf der
Tagung des Europäischen Rates in Barcelona im März
hatte sich die Union zu einer wesentlichen Erhöhung
ihrer
Entwicklungshilfe
verpflichtet.
Mehrere
Mitgliedstaaten der EU, hierunter auch mein Land –
Dänemark –, haben mit ihrer Entwicklungshilfe das
internationale Ziel von 0,7 % des BIP weit überschritten.
Alle Länder haben sich verpflichtet, das Ziel 0,7 % zu
erfüllen oder aber, wenn es bereits überschritten ist,
ihren Anteil zu erhöhen. Von den Mitgliedstaaten, die
das Ziel noch nicht erreicht haben, kam die Zusage, ihre
Entwicklungshilfe mindestens auf den derzeitigen EUDurchschnitt von 0,33 % des BIP anzuheben, damit
2006 ein EU-Durchschnitt von insgesamt 0,39 %
erreicht wird.
Ausgehend von diesen Zusagen und auf der Grundlage
verbindlicher
Partnerschaften
mit
den
Entwicklungsländern wird sich die Europäische Union
auch unter der dänischen Präsidentschaft, nicht zuletzt in
Johannesburg, weiterhin für die Verstärkung des
weltweiten Kampfes gegen Hunger und Armut
einsetzen.
3-146
Nielson, Kommission. – (EN) Der Gipfel bot der
Kommission und der Europäischen Union die
Gelegenheit, den Dialog mit den Entwicklungsländern
über die Umsetzung des Aktionsplans von Rom wieder
aufzunehmen und unseren politischen Willen zur
Bekämpfung von Hunger und Unterernährung zu
bekräftigen. Das Ergebnis des Gipfels war die
Verabschiedung einer Erklärung, die zahlreiche positive
Elemente enthält und die, wie ich hoffe, zur Förderung
der koordinierten Maßnahmen zur Erreichung des Ziels,
das auf dem Gipfeltreffen von 1996 festgelegt wurde,
beitragen und diese unterstützen wird.
In diesem Geiste wurde auf dem Gipfeltreffen die
Einrichtung einer zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe
beschlossen, in der alle Akteure innerhalb von zwei
Jahren gemeinsam freiwillige Leitlinien über das Recht
auf angemessene Nahrung erarbeitet werden sollen. Das
Ziel dieser Leitlinien besteht darin, die Anstrengungen
der Mitgliedstaaten der FAO zu unterstützen, die sich
dafür einsetzen, das Recht auf angemessene Nahrung im
Rahmen
der
nationalen
Ernährungssicherheit
52
schrittweise zu verwirklichen. Im Laufe der Zeit wird
sich zeigen, welche Auswirkungen diese Entscheidung
tatsächlich hat. Wir sind bereit, unseren Beitrag zu
leisten und werden sicherstellen, dass sie in die richtige
Richtung gehen.
Die Verabschiedung einer solchen Erklärung, die von
allen Mitgliedern der FAO unterstützt wurde, hat
zweifellos bewirkt, dass der Bekämpfung des Hungers in
der internationalen Agenda größere Bedeutung
beigemessen wird. Die Kommission begrüßt dieses
positive Ergebnis und ist erfreut darüber, dass die
Erklärung in vielen Punkten die Position der EU
widerspiegelt.
Aus unserer Sicht fehlt in der Erklärung jedoch ein
wichtiger strategischer Aspekt, ein Aspekt, dem von der
EU seit langem große Bedeutung beigemessen wird: die
entscheidende Rolle, die im Kampf gegen die
Ernährungsunsicherheit neben der landwirtschaftlichen
Produktion und der Produktivität andere Elemente
spielen.
Es ist notwendig, dass die Punkte, die ich hier
ansprechen werde, gleichzeitig und im Rahmen der
nationalen Strategien zur Verringerung der Armut in
Angriff genommen werden. Diese grundlegenden
Elemente sind: Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln,
Produktion, strategische Reserven und Handel mit
Nahrungsmitteln; Zugang zu Nahrungsmitteln – dazu
sind zum Beispiel Wirtschaftswachstum, Beschäftigung
und Einkommen nötig; Reaktion auf Krisensituationen,
wie
zum
Beispiel
Sicherheitsnetze;
und
Ernährungsprobleme, die langfristig gesehen das
wichtigste Element bei all diesen Punkten bilden.
Auf dem Gipfeltreffen wurden insbesondere versäumt,
die wichtigsten Ursachen für den Hunger klar beim
Namen zu nennen. Diese Ursachen sind eine schlechte
Regierungsführung und vom Menschen verursachte
Katastrophen. Schätzungen zufolge sind etwa 80 % aller
hungernden Menschen Opfer von Konflikten und damit
von Problemen, die der Mensch verursacht hat. Die
Selbstverursachung geschieht in unterschiedlichen
Versionen. Simbabwe ist ein solcher Fall. Die Probleme
in Simbabwe sind zum großen Teil durch den Menschen
verursacht. Außerdem herrscht im südlichen Afrika eine
sehr schwere Dürre. Natürlich werden wir humanitäre
Hilfe leisten, aber wir sollten dabei bedenken, dass ein
großer Teil der Probleme durch den Menschen
verursacht worden ist.
In den öffentlichen Erklärungen und Aufrufen der FAO
während der Vorbereitung sowie während des
Gipfeltreffens standen die Forderung nach zusätzlichen
Mitteln der öffentlichen Entwicklungshilfe sowie die
Rolle der Landwirtschaft und der ländlichen
Entwicklung zu sehr im Vordergrund. Die Frage der
öffentlichen Entwicklungshilfe wurde bereits auf der
Konferenz von Monterrey einigermaßen erfolgreich
geklärt. Die EU fühlt sich sowohl dem Konsens von
Monterrey als auch den klaren Zusagen zur Aufstockung
der öffentlichen Entwicklungshilfe, die in Barcelona
03/07/2002
beschlossen und in Monterrey vorgelegt wurden,
weiterhin verpflichtet. Der dänische Minister hat sie
soeben ausführlicher erläutert.
Es wäre sinnvoller gewesen, in Rom eines der
wichtigsten Themen erneut aufzugreifen, das bei den
Gipfeltreffen und Konferenzen der letzten Zeit im
Vordergrund
stand:
die
Forderung
an
die
Entwicklungsländer,
ihre
nationalen
Entwicklungspolitiken und sektorbezogenen Politiken zu
überprüfen, um den Bedürfnissen der in Armut lebenden
ländlichen Bevölkerung Rechnung tragen und
Maßnahmen zur Beseitigung der Ernährungsunsicherheit
treffen zu können. Auf dieser Grundlage sollten
nationale Strategien zur Verringerung der Armut,
darunter fällt auch die Ernährungssicherheit, formuliert
werden. Im Mittelpunkt können dabei abhängig von den
bestehenden Erfordernissen die Landwirtschaft und die
ländliche Entwicklung stehen. Anschließend wäre es
Aufgabe der Gebergemeinschaft, die koordinierte
Umsetzung der nationalen Politiken und Strategien zu
unterstützen.
Das Europäische Parlament hat mit der Verabschiedung
der Entschließung zum Welternährungsgipfel vom 16.
Mai 2002 einen Beitrag zur internationalen Debatte
geleistet. Die Kommission stimmt der Ausrichtung der
Entschließung im Wesentlichen zu, die zahlreiche
wichtige Elemente enthält, wie die Unterstützung des
Konsenses von Monterrey und die Forderung nach
verstärkter politischer Kohärenz in den entwickelten
Ländern.
Die Kommission begrüßt insbesondere den Hinweis des
Parlaments, dass Nahrungsmittelhilfe nur in Notfällen
geleistet werden darf und ausschließlich in Form von
Spenden gewährt werden muss. Hilfsgüter sollten,
soweit dies möglich ist, grundsätzlich vor Ort oder in der
Region gekauft werden.
Gleichwohl kann die Kommission nicht allen Punkten
dieser Entschließung zustimmen. Dies gilt insbesondere
für die Forderung an die Kommission und die EUMitgliedstaaten, einen Beitrag zum FAO-Treuhandfonds
zu leisten, der im vergangenen Jahr eingerichtet wurde.
Ich bedauere, dass diese Forderungen nach einem
Beitrag zu diesem Fonds auch in einigen Anträgen
enthalten sind, die dem Parlament in dieser Tagung
vorgelegt wurden. An der Meinung der Kommission hat
sich seit der letzten Aussprache über dieses Thema
nichts geändert.
Die Politik der EG besteht darin, nationale und regionale
Entwicklungsprozesse und Entwicklungsprogramme im
Rahmen ihrer regionalen Partnerschaftsabkommen direkt
zu unterstützen. Ich bin außerdem fest davon überzeugt,
dass die Einrichtung weiterer Finanzierungsinstrumente,
wie zum Beispiel separater Treuhandfonds usw., nicht
die Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel bewirken
wird, sondern lediglich zu einer verstärkten Aufteilung
der Mittel beitragen wird. Die Kommission unterstützt
darüber hinaus die seit langem bestehende Auffassung
03/07/2002
53
der Europäischen Union, dass die FAO ihre Ressourcen
auf den Bereich konzentrieren sollte, in dem sie die
höchste Sachkompetenz besitzt und den größtmöglichen
zusätzlichen Nutzen erreichen kann. Dieser Bereich ist
die normative Arbeit der FAO. Die Ausrichtung der
Maßnahmen, die im Rahmen des Treuhandfonds
gefördert werden könnten, scheint außerhalb dieses
Bereichs zu liegen. Ich bin deshalb der Auffassung, dass
die Kommission dies nicht unterstützen sollte.
Jahren Kriege und Hungersnöte, Armut und Seuchen
erlebt, und sie hat erlebt, dass unsere Welt nunmehr die
Einsichten gewonnen hat, die notwendig sind, um diese
weltweiten Missstände verhindern und beseitigen zu
können. Nicht erlebt hat sie jedoch, dass die Führer
unserer Welt sich zusammentun und diese Einsichten
nutzen, um Frieden und Gesundheit und eine
Lebensgrundlage für die 800 Millionen unserer
Mitmenschen zu schaffen, die hungern.
Darüber hinaus ist der Ansatz der FAO zur
Ernährungssicherheit sehr stark auf die Produktion
ausgerichtet und unterstützt das breitere Konzept der
Ernährungssicherheit nicht. Wir kooperieren jedoch mit
der FAO und stellen Finanzmittel für spezifische
Projekte und Programme bereit. Wir werden diese
Unterstützung auch zukünftig in all den Bereichen
fortsetzen, die mit den Prioritäten und Zielen der
Entwicklungspolitik der Gemeinschaft vereinbar sind
und in denen wir Kompetenz, zusätzlichen Nutzen und
hervorragende fachliche Qualität erkennen. Die
Kommission
betrachtet
eine
Beteiligung
am
Sonderprogramm für Ernährungssicherheit der FAO
sowie einen Beitrag zum Treuhandfonds daher nicht als
Priorität in ihrer Entwicklungszusammenarbeit.
Sie war 69 Jahre alt, als auf der ersten
Welternährungskonferenz gefordert wurde, dass
niemand hungern dürfe, und damit waren alle Menschen
gemeint, auch die 400 Millionen, die derzeit keinen
Zugang zu ausreichender Nahrung haben. Sie war 91
Jahre alt, als die Teilnehmer des Welternährungsgipfels
von dieser Forderung abrückten und sich das Ziel
steckten, bis 2015 die Zahl der Hungernden weltweit um
die Hälfte auf 400 Millionen zu reduzieren. Heute
wissen wir, dass dieses erschreckend bescheidene Ziel
nicht einmal bis 2030 erreicht werden kann.
Ich möchte an dieser Stelle hinzufügen, dass die
Entschließung des Parlaments vom 16. Mai 2002 gemäß
Artikel 37 Absatz 2 der Geschäftsordnung nach der
Aussprache über die Erklärung der Kommission ohne
vorherige Konsultation der Kommission verabschiedet
wurde. Deshalb bin ich in meinem heutigen Redebeitrag
sehr konkret auf die neuen Vorschläge eingegangen.
Angesichts der Schlüsselrolle, die der Entwicklung auf
dem Lande sowie der Landwirtschaft bei der
Bekämpfung der Armut, der Beseitigung der
Ernährungsunsicherheit und der Verbesserung der
Umweltqualität zukommt, wird die Kommission dem
Rat und dem Parlament bis Ende des Jahres eine
Mitteilung vorlegen über die „Bekämpfung der
ländlichen Armut – eine EG-Politik und ein Ansatz zur
ländlichen Entwicklung und zum nachhaltigen Umgang
mit
den
natürlichen
Ressourcen
in
den
Entwicklungsländern“.
Bevor ich meine Ausführungen beende, möchte ich
daran erinnern, dass dieser Welternährungsgipfel ein
Schritt in einem langen Prozess ist, der in Doha und in
Monterrey seinen Anfang nahm und in knapp zwei
Monaten in Johannesburg abgeschlossen werden wird.
Ich bin davon überzeugt, dass keine der großen
Konferenzen seit Doha für sich allein eine Antwort auf
das Defizit an „Global Governance“ ist, mit dem wir
konfrontiert sind. Nur in ihrer Gesamtheit sind diese
unterschiedlichen Konferenzen eine sinnvolle Antwort
auf
die
Herausforderungen
der
nachhaltigen
Entwicklung und diese Gesamtheit steht für das, was wir
gerne als den „Global Deal“ bezeichnen.
3-147
Bowis (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, heute feiert
meine Mutter ihren 97. Geburtstag. Sie hat in diesen 97
Während der zweiten Lebenshälfte meiner Mutter
starben 400 Millionen Menschen an Hunger. Diese Zahl
ist dreimal so hoch wie die Zahl der Opfer, die in den
Kriegen starben, die während ihres Lebens geführt
wurden. Heute, an ihrem Geburtstag, werden weitere
24 000 Menschen sterben. Wir hätten natürlich erwarten
können, dass auf dem Welternährungsgipfel in Rom ein
Aktionsplan verabschiedet wird, um diesem Sterben ein
Ende zu setzen. Die Staats- und Regierungschefs der
westlichen Welt hätten sicher ein Programm zur
Beseitigung der Ursachen des Hungers unterstützt. Diese
Ursachen, wie zum Beispiel Armut, Konflikte,
Krankheiten, schwierige hygienische Bedingungen, vom
Menschen
verursachte
Katastrophen
sowie
unzureichende lokale Nahrungsmittelproduktion und
-verteilung, sind genau die Punkte, die Sie, Herr Nielson,
in Ihrem Schreiben vom 20. Juni an Herrn Diouf über
die unzureichenden Ergebnisse des Gipfeltreffens
ebenfalls genannt haben.
Sie hatten Recht, aber Sie haben Ihre Kritik viel zu
höflich ausgedrückt. Sie hätten erst einmal die EUMitgliedstaaten dafür kritisieren sollen, dass nur Italien,
das Gastgeberland, und Spanien, das den Ratsvorsitz
führte, ihre Staats- und Regierungschefs entsandten. Die
britische Labour-Regierung hat weder Herrn Blair noch
die engagierte Clare Short geschickt. Nein, sie hat einen
unerfahrenen Beamten, einen Mitarbeiter des, wie es so
schön
heißt,
„Referats
Wissensaustausch
bei
Sonderinitiativen“ im Ministerium für internationale
Entwicklung geschickt. Das ist also die Bedeutung, die
dem Welternährungsgipfel beigemessen wurde. Wo ist
das leidenschaftliche Engagement geblieben? Die
italienische Presse berichtete, die Delegierten seien mehr
am Dolce Vita interessiert gewesen als an der
Bekämpfung des Welthungers.
Die Vorbereitung dieses Gipfels dauerte zweieinhalb
Jahre. Er hat Millionen gekostet. Er war so gut
organisiert, dass das Abschlussdokument bereits
beschlossen war, bevor der Gipfel überhaupt begonnen
54
hatte. Und was für eine Erklärung! In dieser Erklärung
wird in Erinnerung gerufen, anerkannt, unterstrichen,
wiederholt – und dann beginnt das Ganze wieder von
vorne. Die neue Politik zur Unterstützung der
hungernden Menschen in der Welt läuft letztlich darauf
hinaus, dass auf diesen Konferenzen die einzige
Aktivität darin besteht, die Arme zum Handzeichen zu
heben. In einer der Empfehlungen, und Herr Nielson hat
sie zitiert, spiegelt sich dies wider: „Wir fordern die
FAO auf, eine zwischenstaatliche Arbeitsgruppe
einzurichten, die innerhalb von zwei Jahren freiwillige
Leitlinien für die Mitgliedstaaten erarbeitet, um das
Recht auf angemessene Nahrung schrittweise zu
realisieren“. Welch eine Botschaft der Hoffnung für die
Hungernden! Welch ein Herumlavieren! Nichts denken,
nichts sehen, nichts tun. Keine neuen Gedanken, keine
neue Vision, keine neuen Initiativen und keine
Dringlichkeit.
Es ist heute schon abzusehen, dass wir 2015, und ganz
sicher auch 2030, wieder einmal die mangelnden
Fortschritte bedauern, die Fristen verlängern, die Ziele
niedriger ansetzen, Arbeitsgruppen einrichten und nichts
tun, um den hungernden Nationen bei der Bewältigung
ihrer Probleme zu helfen. Wir werden wieder zur
dringenden Soforthilfe aufrufen, um die Probleme zu
bewältigen, die durch unsere heutige Tatenlosigkeit
entstanden sind.
In Kürze wird das Gipfeltreffen in Johannesburg
stattfinden und unserer Botschaft muss lauten: „Wach
auf Europa, wach auf westliche Welt!“ Wir müssen
endlich diese politische Schlafkrankheit überwinden, die
uns angesichts der Katastrophen zu befallen scheint, die
wir gemeinsam verhindern können.
03/07/2002
werden. Herr Präsident, zurzeit geben wir in Europa 2
Euro pro Tag und Kuh für Subventionen aus. Die Kluft
zwischen Reich und Arm wird nicht durch mehr Geld
oder
Lebensmittelhilfe
für
Entwicklungsländer
verringert, sondern durch mehr Politik. Die
subventionierte Kuh muss an den Hörnern gepackt
werden. Ohne sofortige adäquate Reformen der
Gemeinsamen Agrarpolitik können die Ziele des
Welternährungsgipfels niemals erreicht werden und
schon gar nicht im Jahr 2015.
Kommissar Nielsen sagte im Übrigen zu Recht, auch die
FAO als Organisation sei nach wie vor sehr ineffizient.
Kommissar Nielsen will mit Recht nur konkrete,
nationale, regionale Unterstützung und keinen generellen
FAO-Fondsbeitrag, und er kritisiert berechtigterweise
die ineffiziente Verwaltung beispielsweise in Simbabwe.
Unter einer adäquaten Agrarpolitik verstehe ich vor
allem die Verlagerung von Produktionssubventionen in
Richtung Entwicklung des ländlichen Raums, aber auch
insbesondere freien und fairen Handel. Ein Dumping
europäischer Produkte in Entwicklungsländern darf es
nicht mehr geben. Wir müssen in Europa weg von
Exportsubventionen für unsere Landwirte und die
Handelshemmnisse für Entwicklungsländer auf ein
Minimum senken.
Ich sehe voller Spannung der neuen Agrarpolitik der
Europäischen Union entgegen, über die die Kommission
in der kommenden Woche einen Beschluss fasst. Wie
Kommissar Nielsen zu Recht sagte, liegt dort, natürlich
neben der nationalen Politik in den Entwicklungsländern
selbst, ein großer Teil der Antwort auf den Hunger in der
Welt.
3-149
3-148
van den Berg (PSE). – (NL) Herr Präsident! 1996
wurde vereinbart, die Zahl der Hungernden bis zum Jahr
2015 auf 400 Millionen zu halbieren. Tatsache ist
jedoch, dass die Zahl der unter Hunger leidenden
Menschen in den letzten fünf Jahren gleich geblieben ist.
Zu meinem großen Bedauern waren nur wenige der
europäischen Staats- und Regierungschefs vor drei
Wochen beim Welternährungsgipfel „5 Jahre nach Rio“
anwesend. Das beweist einmal mehr, dass die
Verringerung der Kluft zwischen Arm und Reich in
dieser Welt offensichtlich nicht zu den Prioritäten vieler
Staaten gehört. Das gilt insbesondere auch für die
Befriedigung solcher elementaren Bedürfnisse wie
Lebensmittel und medizinische Versorgung.
Die Teilnahme von Kommissionspräsident Prodi und
Kommissar Nielsen am Gipfel in Rom bestärkt mich in
der Überzeugung, dass Europa die Vorreiterrolle
übernehmen kann und, wenn es nach der Kommission
ginge, auch will. Dann müssen sich allerdings einige
Dinge ändern.
Nach
Angaben
des
Exekutivdirektors
des
Welternährungsprogramms James Morris können die
300 Millionen hungernden Kinder in der Welt in der
Schule für 24 Eurocent pro Person und Tag ernährt
van den Bos (ELDR). – (NL) Warum haben achthundert
Millionen Menschen noch immer einen leeren Magen?
Weil Entscheidungsträger auf der ganzen Linie
versagen. Im Prinzip gibt es Nahrung für jeden. Es
herrscht kein Mangel an Zielsetzungen und guten
Absichten. Je weniger Ergebnisse erzielt werden, desto
mehr Gipfelkonferenzen werden veranstaltet, deren
einzige Schlussfolgerung dann lautet, die Politik müsse
intensiviert werden.
Wer trägt die Schuld, die reichen oder die armen
Länder? Beide, Herr Präsident, die entwickelten Staaten
sind Heuchler. Trotz wohltönender Absichtserklärungen
übersubventionieren sie nach wie vor die eigene
Landwirtschaft und schotten ihren Markt ab. Eine
Liberalisierung des Weltmarkts wird nicht nur von
Europa, sondern auch von den Vereinigten Staaten und
anderen großen Agrarstaaten blockiert. Westliche
Unternehmen beuten wie gehabt ihre Patentmonopole
auf
Techniken
und
Pflanzen
aus,
die
Entwicklungszusammenarbeit ist zu wenig auf
Landwirtschaft ausgerichtet, und es mangelt an
Technologietransfer.
Die Entwicklungsländer selbst haben ebenfalls kläglich
versagt. Obwohl die meisten Menschen auf dem Land
wohnen, wird der Produktion von Lebensmitteln zu
03/07/2002
wenig Beachtung geschenkt. Hungersnöte sind jedoch
nicht nur auf Klimabedingungen oder hohe
Zollschranken
zurückzuführen;
endlose
Kriege,
verantwortungsloser Umgang mit der Natur, extremes
Bevölkerungswachstum,
Überurbanisierung
und
mangelhafte Infrastruktur, vor allem aber auch
Korruption und Misswirtschaft lassen eine florierende
Landwirtschaft nicht zu. Der Import von Produkten
erhält Priorität, um die Bevölkerung der ausufernden
Städte zu ernähren, es gibt wenig regionalen Handel und
viel Monokultur. Militärausgaben für die Machthaber
gehen zu Lasten bezahlbarer Nahrung für die Menschen.
55
Nun bleibt nur die Hoffnung – auch wenn nicht viel
Anlass zu weiteren Hoffnungen besteht -, dass in
Johannesburg eine neue, aussichtsreichere Etappe
eingeleitet wird. Dazu erklären wir erneut, dass die
Europäische Union dort eine wichtige Rolle bei der
Verteidigung des Rechts der ärmsten Länder
übernehmen muss, ihre Fischereiressourcen zu schützen
und ihre Agrarwirtschaften zu entwickeln, damit sie ihre
Nahrungsmittelsouveränität
im
Rahmen
einer
erstrebenswerten nachhaltigen Entwicklung sichern
können.
3-151
Feierliche Erklärungen und das Wiederholen früherer
Schlussfolgerungen sind keine Äußerungen eines
wirklichen politischen Willens, sondern der Versuch,
darüber hinwegzutäuschen, dass gerade der nicht
vorhanden ist. Den hungernden Menschen reicht es. Sie
haben die Nase voll von schönen Worten.
3-150
Miranda (GUE/NGL). – (PT) Herr Präsident! Es
vergeht ein Weltgipfel nach dem anderen und mit ihnen
die Hoffnung auf bessere Tage für die Menschheit. So
wie in Monterrey erreichte jetzt auch der
Welternährungsgipfel bei weitem nicht die viel
versprechenden Ziele, die seine ursprüngliche
Tagesordnung erwarten ließ. Doch dieser Gipfel der
FAO konnte das bestätigen, was wir ständig erklärt
haben: Die 1996 festgelegten Ziele für den Kampf gegen
Hunger und Unterernährung wurden nicht im
Entferntesten erreicht und rücken möglicherweise in
immer weitere Ferne. Das ist so, obwohl doch das Recht
auf eine gesunde und ausreichende Ernährung ein
Grundrecht aller Menschen ist.
Dies geschieht nun aber, weil es an einem Zielprogramm
fehlt, weil Mittel fehlen, weil geeignete Leitlinien und
Maßnahmen fehlen (besonders solche, die auf den
Zugang der Bevölkerungen zu Grund und Boden und zu
Wasser abstellen und, wie es wünschenswert wäre, auf
der Konzeption einer nachhaltigen Entwicklung beruhen,
bei der das Recht auf Nahrungsmittelsouveränität und
die
Unterstützung
für
landwirtschaftliche
Familienbetriebe
und
die
gemeinschaftliche
landwirtschaftliche Nutzung wesentliche Elemente
darstellen müssen), weil eine richtige Politik der
Vermögensverteilung fehlt und weil vor allem der
politische Wille fehlt, was sich ja sehr deutlich an der
geringen Zahl von Staats- und Regierungschefs der
entwickelten Länder in Rom zeigte.
Hinzu kommt noch, dass es gleichzeitig sehr viele
Störfaktoren gibt, die eine Umkehrung der
gegenwärtigen dramatischen Situation verhindern, wie
etwa die unumschränkte Priorität, die man den
Handelsaspekten und den ultraliberalen Politiken
einräumt, die den reichen Ländern für ihre
Warenausfuhren im Primärsektor gewährten Hilfen, wie
bei den neuesten nordamerikanischen Entscheidungen in
diesem Bereich ganz deutlich wurde, oder sogar die
jetzige ungerechtfertigte Förderung der Biotechnologien.
Rod (Verts/ALE). – (FR) Leider ist auf dem
Welternährungsgipfel der FAO deutlich geworden, dass
die von mir vor anderthalb Monaten in unserem Plenum
geäußerten Befürchtungen durchaus berechtigt waren.
Die
Tatsache,
dass
dreizehn
europäische
Staatsoberhäupter bei diesem Gipfel nicht präsent waren,
sowie der Antrag des italienischen Ministerpräsidenten,
den Abschluss der Konferenz aufgrund eines
Fußballspiels vorzuziehen, machen deutlich, wie gering
offenbar das Interesse ist, das in unseren Ländern dem
Hunger in der Welt entgegengebracht wird. Die Zahl
internationaler Konferenzen – Monterrey, Rom und
Johannesburg – nimmt zu. Man will den Eindruck
erwecken, die Entwicklung stünde im Mittelpunkt der
europäischen Bemühungen. Zugleich jedoch wird der
Rat „Entwicklung“ der Europäischen Union und bald
vielleicht auch die GD „Entwicklung“ abgeschafft. Und
man unterlässt es, sich an der Unterstützung der ärmsten
Bevölkerungen zu beteiligen oder eine wie auch immer
geartete bindende Verpflichtung zu ihren Gunsten
einzugehen.
Eine weitere enorme Enttäuschung, die dieser Gipfel
bereitete, ist, dass man sich - wie bereits in Monterrey bzw. noch schlimmer - damit begnügte, die schon vorher
angenommenen Verpflichtungen zu bestätigen, und sich
nicht in der Lage sah, die zu ihrer Verwirklichung
erforderlichen konkreten Mittel bereitzustellen. Herr
Berlusconi wagte es sogar, angesichts der kritischen
Lage, in der sich die Entwicklungsländer befinden, die
Verantwortung der Industrieländer in Zweifel zu ziehen.
„Hilf dir selbst, dann wird dir der Himmel helfen“,
führte er an. Genauso, wie die WTO den Vereinigten
Staaten und der Europäischen Union hilft, ihre
Subventionen für den Export landwirtschaftlicher
Erzeugnisse aufrechtzuerhalten bzw. noch zu erhöhen,
was dem von eben diesen Staaten gepredigten heiligen
Grundsatz des Freihandels zuwiderläuft und dennoch
umfassend zu Lasten der armen Länder praktiziert wird,
die hauptsächlich Rohstoffe ausführen.
Wie soll man einer amerikanischen Regierung, die
jüngst ihre Subventionen für den Baumwollsektor erhöht
hat, oder den europäischen Staaten, die es ablehnten,
sich in Doha über einen Zeitplan für den Abbau ihrer
Subventionen für die Ausfuhren landwirtschaftlicher
Erzeugnisse zu einigen, noch Glauben schenken? Wir
sind über die vom Europäischen Parlament
vorgeschlagene Entschließung enttäuscht, da sie es
56
unterlässt, die Kluft zwischen den Worten und den Taten
unserer Regierungen zu missbilligen. Die römischen
Kaiser handelten seinerzeit im Hinblick auf die Ärmsten
der Armen nach der Devise - Brot und Spiele. Ich
glaube, Spiele fanden in Rom diesmal wohl statt, aber
das Brot wurde vergessen.
3-152
Ó Neachtain (UEN). – (EN) Herr Präsident, ich freue
mich sehr, dass ich heute hier sein darf und an meinem
ersten Tag als Mitglied des Europäischen Parlaments
zum ersten Mal Gelegenheit habe, vor diesem Haus zu
sprechen. Die Tatsache, dass der Welternährungsgipfel
in den vergangenen Monaten bereits zweimal auf der
Tagesordnung dieses Hauses stand und Gegenstand von
Aussprachen und Entschließungen war, ist ein wichtiges
Signal für die hohe Priorität, die wir dem Problem des
Welthungers einräumen.
Jeder Mensch hat das Recht auf Zugang zu gesunden
und nahrhaften Lebensmitteln und der Schutz vor
Hunger gehört zu den Grundrechten. Hunger und
Unterernährung sind nicht darauf zurückzuführen, dass
auf der Welt nicht genug Nahrung für alle vorhanden ist.
Schätzungen zufolge leiden derzeit etwa 815 Millionen
Menschen an Hunger. Das können wir unter keinen
Umständen hinnehmen, und wir in der reichen
westlichen Welt, in der kein Mangel an Nahrungsmitteln
herrscht, sind moralisch verpflichtet, etwas gegen diese
Situation zu unternehmen.
Herr Präsident, wenn Sie nun erlauben, würde ich die
Gelegenheit meiner Antrittsrede in diesem Haus gerne
dazu nutzen, um ein paar Worte in meiner
Muttersprache, der irischen Sprache, zu sagen.
Tá an rímeád orm bheith in ann freastal anseo mar
theachta le h-aghaidh Cúige Connacht/Uladh in Éirinn.
Molaim an dea-seirbhís a thug mo réamhtheachtaí san
áras seo, Pat the Cope Gallagher atá anois mar bhall do
Rialtas na h-Éireann. Gealaim fhreastail go díograsach ar
mhuintir mo Réigiún, go mormhór maidir leis na
polaisaithe a bhaineann le saol laethiúil na ndaoine faoin
tuath agus sna bailte beaga.
Chaith mé níos mó ná ocht bliain mar bhall de Coiste na
Réigiúin agus creidim go láidir ar thabhacht na réigiúin
agus chumhacht a bhronnadh orthu chun gnéithe
lárnacha dár saol a dhíriú dóibh féin.
Tá aithne maith agam ar na rudaí sa réimse Eorpach a
chuireann faitíos ar chosmhuintir iarthair na h-Éireann
faoi láthair. Táimse an-ghar de lucht na feirme agus
lucht an éisc agus tuigim go bhfuil athruithe móra san
aer mar gheall ar pholaisaithe a leasú.
Deirim anois go soiléir é, ionas go mbéadh sé cláraithe,
seasfaidh mé taobh le taobh le muintir na tuaithe agus
déanfaidh mé polasaithe a chosaint a thabharfaidh saol
maith dos na daoine sin agus a gheallfaidh todhchaí
cinnte dos na glúinta atá le theacht.
03/07/2002
Ar thaobh na talmhaíochta, caithfimid an Polasaí
Comónta a choiméad agus a shabháil ó na h-ionsaithe
atá ag teacht ó ghrúpaí agus ó thíortha a bhfuair mórán
ón Eoraip agus an Margadh Comónta Inmhéanmach. Is
polasaí é a thug seirbhís maith do mhuintir na h-Eorpa
agus oireann sé do roinnt daoine dearmad a dhéanamh ar
an mhéid sin agus Tógáil na h-Eorpa a fheiceáil mar
cheist shimplí cuntais bhainc.
Tá fhios agam go bhfuil díospóireacht faoi gnéithe
áirithe den Pholasaí Comónta na h-Iascaireachta níos
déanaí agus tá súil agam go mbeidh seans agam roinnt
pointí a rá ar an polasaí síud. Déarfaidh mé abairt
amháin ag an bpointe seo: ní féidir le phobal a
bhraitheann ar an bhfarraige glachadh leis na moltaí is
déanaí a rinne an Coimisiúin.
Chun críochníu, ba mhaith liom a rá go cruinn agus go
sóiléir, mar teachta ó Éirinn, go mbeidh aidhm
pholaitíuil amháin agam idir é seo agus an Fhomhair, sé
sin tábhacht Chonraidh Nice a chur in iúil do mhuintir
Connacht / Ulaidh chun go nglacfar leis san dara
reifreann a bheidh againn in Éirinn roimh deireadh na
bliana.
(Ich bin stolz darauf, dass ich die Möglichkeit erhalten
habe, dem Volk von Connaught-Ulster, Irland, zu
dienen. Ich möchte die Verdienste meines Vorgängers,
Pat the Cope Gallagher, würdigen, der nun Mitglied der
irischen Regierung ist. Ich verpflichte mich, der Region,
die ich vertrete, gewissenhaft zu dienen. Dies gilt
insbesondere für die Politiken, die das tägliche Leben
der Menschen in den ländlichen Gemeinden betreffen.
Als Mitglied des Ausschusses der Regionen, dem ich seit
acht Jahren angehöre, bin ich davon überzeugt, dass die
Regionen eine wichtige Rolle spielen und ihnen die
Möglichkeit
eingeräumt
werden
muss,
die
Entscheidungen über so viele Aspekte zu treffen, die ihre
Gemeinden betreffen.
Ich weiß, dass es derzeit bestimmte Elemente der
europäischen Politik gibt, die bei der Bevölkerung im
westlichen Teil Irlands Besorgnis ausgelöst haben. Ich
kenne die Situation der Gemeinden, die von der
Fischerei und der Landwirtschaft leben, und ich weiß,
dass die Vorschläge für diese Politikbereiche, die derzeit
diskutiert werden, problematisch sind.
Ich möchte zu Protokoll geben und klar zum Ausdruck
bringen, dass ich mich für die ländlichen Gemeinden
einsetzen und die Politiken unterstützen werde, die
diesen Gemeinden ein annehmbares Leben und eine
Zukunft für kommende Generationen ermöglichen.
Was die Landwirtschaft betrifft, so ist die GAP eine
Politik, die gegen die Angriffe von Ländern oder
Gruppen verteidigt werden muss, die gerne vergessen,
welche Vorteile ihnen der Binnenmarkt gebracht hat und
wie wichtig der soziale und wirtschaftliche
Zusammenhalt ist. Die GAP hat den Menschen in
Europa gute Dienste geleistet, und dies ist eine
Tatsache, die diejenigen wohlweislich übersehen, die
03/07/2002
den Aufbau Europas auf den buchhalterischen Aspekt
reduzieren wollen.
Mir ist bekannt, dass eine Aussprache über den
Fischereisektor folgen wird und ich hoffe, dass ich dann
Gelegenheit zu einer Stellungnahme haben werde. Ich
möchte an dieser Stelle jedoch bereits klarstellen, dass
die aktuellen Vorschläge der Kommission völlig
untragbar für die Gemeinden sind, die weitgehend vom
Fischfang abhängig sind.
Lassen Sie mich noch kurz darauf hinweisen, dass für
mich als irischer Abgeordneter das wichtigste politische
Ziel bis zum kommenden Herbst darin besteht, die
Menschen von Connaught-Ulster im Vorfeld des
bevorstehenden Referendums von der Bedeutung des
Vertrags von Nizza zu überzeugen, in der Hoffnung, dass
der Vertrag noch vor Ende des Jahres ratifiziert werden
kann.)
3-153
Sandbæk (EDD). – (DA) Herr Präsident, achthundert
Millionen Menschen auf der Welt leiden heute an
Unterernährung.
Als
1996
der
erste
Welternährungsgipfel stattfand, waren es etwa ebenso
viele. Wir sollten es deutlich sagen: Der Kampf gegen
den Hunger in der Welt war nicht erfolgreich. In diesem
von vielen Kollegen erwähntem Kontext ist es
beschämend, die Gleichgültigkeit der politisch
Verantwortlichen der westlichen Welt zu erleben, die sie
mit ihrem Fernbleiben vom letzten Welternährungsgipfel
in Rom im vergangenen Monat bekundet haben.
Ursache des Hungers in der Welt ist in hohem Maße die
heuchlerische Politik auch der EU. Diese Politik, die
offiziell den ärmsten Menschen der Welt dienen soll,
wird zu stark von den eigenen begrenzten außen- und
handelspolitischen Interessen bestimmt. Offiziell treten
die Europäische Union und die anderen westlichen
Organisationen für Freihandel und Liberalisierung als
Lösung für alle möglichen Probleme ein. Aber die
Liberalisierung umfasst in Wirklichkeit nur die
Entwicklungsländer, und die Forderung nach
Liberalisierung beraubt sie ihrer Möglichkeiten zum
Aufbau einer selbständigen, nachhaltigen Produktion.
Oxfam hat in diesem Jahr einen Bericht veröffentlicht,
dem zufolge die EU ihren Markt gegenüber den
Entwicklungsländern am stärksten abgeschottet hat.
Es ist an der Zeit, dass wir in unserem eigenen Haus
aufräumen und das Übel an der Wurzel packen. Wenn
wir den Hunger erfolgreich bekämpfen wollen, haben
wir ein gutes Stück Arbeit vor uns. Wir könnten damit
beginnen,
die
protektionistischsten
Agrarbeihilferegelungen aufzuheben und unsere
Fischereiabkommen mit Drittländern, die dazu
beitragen, dass den ärmsten Ländern der Welt die
Existenzgrundlage entzogen wird, außer Kraft zu setzen.
Wir sollten unsere Entwicklungshilfepolitik wirklich auf
die Bekämpfung der Armut ausrichten und nicht
zulassen, dass sie vom Kampf gegen Einwanderung,
Terrorismus und der Rücksicht auf die eigenen
Arbeitsplätze dominiert wird. Schließlich könnten wir
57
das Recht der armen Länder auf eine eigene Produktion
und auf den Zugang zu Wasser, Boden und biologischer
Vielfalt unterstützen, was ebenfalls wichtig ist.
3-154
Mantovani (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, auf dem
jüngsten in Rom durchgeführten Welternährungsgipfel
haben 182 Nationen erneut ihr Engagement zur
Ausmerzung des Hungers, an dem weltweit immer noch
mehr als 800 Millionen Menschen leiden, bekräftigt.
Fünf Jahre nach dem ersten Welternährungsgipfel von
1996 müssen wir bedauerlicherweise feststellen, dass
das Ziel, die Zahl der unterernährten Menschen bis 2015
zu halbieren, deutlich verfehlt wurde. Dies Diskrepanz
zwischen Versprechen und Realität muss unbedingt
überwunden werden.
Die Notwendigkeit, dieses Übel zu bekämpfen, wird
auch durch die Erwägung verstärkt, dass der Hunger
sowohl Ursache als auch Folge von Armut ist. Ein
hungernder Mensch ist kein freier Mensch; er ist ein
verzweifelter Mensch und kann leicht davon überzeugt
werden, sich an verzweifelten Aktionen bzw.
Konflikten, internationalem Verbrechen, Drogen- und
Menschenhandel,
illegaler
Einwanderung
und
Terrorismus zu beteiligen. Es besteht kein Zweifel, dass
die westliche Welt diesem Problem verstärkte
Aufmerksamkeit widmen muss, und die Verpflichtung,
0,7 Prozent des BIP der Industrieländer dafür
bereitzustellen, ist aktueller denn je, auch weil, wie John
Fitzgerald Kennedy sagte, „sich niemand als reich
betrachten kann, wenn seine Nachbarn arm sind“.
Deshalb brauchen wir konkrete Taten und Projekte. Es
besteht dringender Handlungsbedarf, um zu verhindern,
dass, wie aus demographischen Untersuchungen
hervorgeht, zu den gegenwärtigen 4 Milliarden
Menschen, die vom Wohlstand ausgeschlossen sind,
weitere 2 Milliarden hinzukommen.
Die verantwortliche Regierungsführung in den
Entwicklungsländern bleibt gleichwohl eine wesentliche
Bedingung für die Verstärkung der Zusammenarbeit, die
für die Erreichung der festgelegten Ziele unverzichtbar
ist. Der Zugang zur Information, wie er vom
italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi
anstatt des von Herrn Rod erwähnten nachlassenden
Engagements vorgeschlagen wurde, und das neue
Modell der digitalisierten Staatsorganisation zur
Bekämpfung der Korruption und Erhöhung der Effizienz
würden sicher mehr Transparenz bei der Verwendung
der Mittel für die Entwicklungshilfe schaffen.
Außerdem ist es erforderlich, im Wege einer Konferenz
der FAO-Mitgliedstaaten dringend die Frage einer
korrekten Funktionsweise der FAO anzupacken. Ihre
Tätigkeit und Verwaltung müssen reformiert und
rationalisiert werden, um ihre Transparenz und Effizienz
zu erhöhen und zu korrekteren Aktionen und
Ergebnissen zu gelangen. Ich werde die Gelegenheit
haben, in Johannesburg gemeinsam mit der Delegation
des Europäischen Parlaments zu überprüfen, ob die
Europäische Union wirklich imstande sein wird,
konkrete politische Verpflichtungen mit einem präzisen
58
03/07/2002
Zeitplan zu übernehmen oder andere zur Übernahme
solcher
Verpflichtungen
zu
bewegen,
deren
Verwirklichung auf einer effektiven Partnerschaft
beruhen muss.
Repräsentanten
der
Europäischen
Union
aus
Johannesburg mit konkreten Verpflichtungen und
Aktionsplänen, über die wir Rechenschaft verlangen
werden, zurückkehren.
3-155
Ich freue mich sehr, dass uns der Herr Kommissar eine
sehr konkrete Mitteilung über einen globalen Plan zur
Bekämpfung der Armut vorlegen wird. Wir erwarten
diese Mitteilung mit Ungeduld.
Sauquillo Pérez del Arco (PSE). – (ES) Herr Präsident,
die Zusammenkunft von Johannesburg ist – wie bereits
gesagt wurde – der dritte große Gipfel zur Festlegung
der internationalen Strategie zur Bekämpfung der
Armut. Der erste Gipfel war der von Monterrey zur
Entwicklungsfinanzierung, der bescheidene Ergebnisse
brachte; der zweite, der von Rom, über die Ernährung
endete ohne effektive Ergebnisse. Die letzte Chance
bietet dieser Gipfel von Johannesburg zur nachhaltigen
Entwicklung, auf dem man – abgesehen davon, dass man
diesbezügliche Kompromisse erzielen muss – mit
konkreten Maßnahmen wieder aufgreifen sollte, was
man auf den früheren Gipfeln versäumt hat, und zwar,
wie es der Herr Kommissar gesagt hat, aus globaler
Sicht. Die in diesen Gipfel gesteckten Erwartungen sind
dementsprechend groß, und vor allem trägt die
Europäische Union eine enorme Verantwortung.
Zum Scheitern von Rom kommt hinzu, dass die 1996
vereinbarten Zielsetzungen, die Zahl der Hungernden in
der Welt bis 2015 zu halbieren, revidiert werden müssen.
Es wurde bereits eingestanden, dass dieses Ziel nicht
realisierbar ist, weil der politische Wille zu notwendigen
Anstrengungen fehlt. Ich hoffe, dass wir unter dem
derzeitigen dänischen Vorsitz angesichts seiner
Aufgeschlossenheit
in
dieser
Frage
einige
Verbesserungen erzielen werden.
Wir, und vor allem die Entwicklungsländer, können uns
aus Gründen des Überlebens keine weiteren Fehlschläge
leisten. Man kann nicht einen Gipfel nach dem anderen
ohne Ergebnis beenden. Daher müssen wir sehr
konkrete, realistische Vorschläge unterbreiten, die wir
der Kommission und dem Rat übergeben wollen: einen
Verhaltenskodex zur Gewährleistung der Ernährung, der
berücksichtigt, dass es sich dabei um ein Grundrecht des
Menschen handelt, und einen Notfallplan zur
Eindämmung
der
Hungersnöte
und
der
Lebensmittelknappheit, von denen derzeit 14 Millionen
Menschen in Afrika betroffen sind. Es handelt sich um
konkrete Maßnahmen, zu denen Rat und Kommission
einen globalen Kompromiss erzielen müssen.
Den übrigen im Entschließungsantrag hervorgehobenen
Maßnahmen stimme ich zu, insbesondere den Gedanken
zum Gemeinschaftshaushalt und zum EEF, zur
größtmöglichen Abstimmung zwischen bilateralen und
multilateralen Geldgebern, zur Bedeutung von
Mikrokrediten und der Bildung einer Allianz gegen
Hunger und Armut. Als Haupthilfespender sind die
Repräsentanten der Europäischen Union und ihrer
Mitgliedstaaten zur Herbeiführung des notwendigen
Gipfelerfolgs befähigt; dabei ist der Erfolg kein
voluntaristischer Wunsch dieses Parlaments, sondern
gemäß den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates
von Sevilla eine Verpflichtung der europäischen
Regierungschefs. Wir erwarten sehnlichst, dass die
3-156
Boudjenah (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident! Beruft
man sich auf die Prognosen über die Senkung der Zahl
der von Unterernährung betroffenen Personen, die vom
derzeitigen „Entwicklungstempo“ ausgehen, wird es
noch ein ganzes Jahrhundert dauern, bis dem Hunger in
der Welt ein Ende gesetzt wird. Reichen denn diese
Gegebenheiten noch nicht aus, um die diesbezüglich
praktizierten Politiken gründlich in Frage zu stellen? Die
von den Industriestaaten für ihre eigene Landwirtschaft
eingesetzten Subventionen sind 48-mal höher als die für
die Landwirtschaft der armen Länder ausgegebenen
Beträge. Die Tatsache, dass landwirtschaftliche
Erzeugnisse aus Ländern mit ausgesprochen ungleichen
Produktionssystemen einer direkten Konkurrenz
ausgesetzt werden, sowie die Praktiken der ausführenden
Länder, die noch zu den Risiken der Abhängigkeit des
Südens von der Spezialisierung ihres Exports auf ein
oder zwei Grunderzeugnisse hinzukommen, bedroht
langfristig die künftige Ernährung der Bevölkerung auf
drei Vierteln unseres Planeten.
Die Auswirkungen dieser Praxis, die nach der gängigen
Formel voll und ganz im Einklang mit den WTOAbkommen steht, sind für jedermann erkennbar: sie sind
tödlich! Der Gipfel von Johannesburg könnte
Gelegenheit bieten, andere Entscheidungen zu treffen
und bislang unerforschte Wege einzuschlagen,
beispielsweise den Entwicklungsländern das Recht zu
garantieren, ihre Landwirtschaft und damit die
Ernährungssicherheit
vor
den
transnationalen
Unternehmen zu schützen und den örtlichen
Verarbeitungssektor der landwirtschaftlichen und
Nahrungsmittelproduktion zu unterstützen. Warum kann
die Einrichtung eines speziellen Fonds zur
Gewährleistung der tatsächlichen Umsetzung aller dieser
Ziele nicht in die Tat umgesetzt werden? Der Direktor
der FAO bezifferte die Mittel, die notwendig sind, um
dieses Ziel zu erreichen, auf zusätzlich 24 Milliarden
Dollar jährlich. Allerdings bestätigte das Fernbleiben der
Staatschefs vom FAO-Gipfel das Widerstreben, weitere
Haushaltsmittel zu veranschlagen. Das kann nur
Beunruhigung hervorrufen. Es gibt nur einzige Antwort
auf die Forderungen der armen Länder, die Wirkung
verspricht - anlässlich des Völkerforums, das unlängst in
Sibi (Mali) stattfand, haben diese Länder die
unverzügliche und bedingungslose Streichung der
Auslandsschulden Afrikas sowie eine gerechte
Bezahlung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und
anderer Rohstoffe verlangt. Diesen Preis gilt es zu
zahlen, damit auf unserem Planeten kein Hunger mehr
herrscht.
3-157
03/07/2002
Belder (EDD). – (NL) Die FAO hat die reichen Länder
vor dem Welternährungsgipfel aufgerufen, 24 Milliarden
Dollar zusätzlich bereitzustellen, um die Zahl der
Hungernden bis zum Jahr 2015 halbieren zu können.
Von einem diesbezüglichen energischen Ansatz war auf
dem Welternährungsgipfel in Rom nichts zu spüren.
Politischer Wille und hohe Priorität für die Bekämpfung
des Hungers liegen in weiter Ferne, was sich sowohl an
der Beteiligung am Gipfel als auch an der Bereitstellung
von Mitteln zeigt. Auch die Gruppe der 8 wichtigsten
Industrieländer hat beschlossen, keine zusätzlichen
Mittel zur Verfügung zu stellen.
In der Tat ist Geld nicht der wichtigste Faktor im Kampf
gegen den Hunger. Die Hauptursachen sind
Marktabschottung, ineffiziente Verwaltung und Krieg.
Die wirksame Bekämpfung des Hungers erfordert
dennoch eine höhere Investition. Der neue Plan der G8
verdient angesichts des Scheiterns früherer Pläne für
Afrika eine kritische Betrachtung. Dadurch, dass man
die Hilfe an Bedingungen knüpft, wird ganz sicher ein
Anreiz für die dringend erforderliche Verbesserung der
Verwaltung in den Empfängerländern geschaffen. Der
vorige Plan scheiterte jedoch, weil sowohl die reichen
als auch die armen Länder ihre Zusagen nicht
eingehalten haben. Es gibt zu denken, dass vor allem die
reichen
Länder
den
Vereinbarungen
nicht
nachgekommen sind, beispielsweise in Bezug auf
Marktöffnung, mehr Investitionen und umfangreichere
Entwicklungshilfe. Neben diesem Aktionsplan für
Afrika besteht dem Vernehmen nach ein neuer Plan der
FAO. Ich bitte den Kommissar, das Parlament darüber
genauer zu informieren und seine Meinung dazu zu
äußern.
3-158
Stenzel (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Minister,
Herr Ratsvorsitzender, Herr Kommissar, verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen wieder einmal
nach einem Welternährungsgipfel und vor einem
Weltgipfel
für
nachhaltige
Entwicklung.
Gipfelkonferenzen, die mehr sein sollten als
Lippenbekenntnisse zur weltweiten Bekämpfung der
Armut und des Hungers. Trotzdem hat sich an der
Schreckensstatistik von 800 Millionen Unterernährten,
davon 300 Millionen Kinder, nichts geändert. Noch
immer sterben täglich 24.000 Menschen an
Unterernährung. Das Wachstum der Weltbevölkerung
bis 2020 um 2,5 Milliarden Menschen bedeutet, dass fast
90 % dieses Zuwachses auf die Entwicklungsländer
entfallen.
Die
Gefahr
eines
weiteren
Auseinanderklaffens zwischen Wohlstand und Armut
wird somit größer und nicht geringer.
Laut FAO sind wir weit davon entfernt, unser Ziel von
vor sechs Jahren zu erreichen, die Zahl der Hungernden
dieser Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Der Kampf
gegen Hunger und Verelendung ist gleichzeitig ein
notwendiger Kampf gegen Terror, internationale
Kriminalität und illegale Migration. Dieser Kampf muss
einen ganzheitlichen Ansatz haben. Ländliche
Entwicklung und Lebensmittelsicherheit müssen im
Zentrum der Länderstrategien stehen. Der Zugang zu
59
Bildung und Fertigkeiten muss gefördert werden.
Wasser, erneuerbare Energien, Gesundheit und
Landwirtschaft müssen auf der Prioritätenliste einer
neuen Partnerschaft zur Bekämpfung des Hungers in der
Welt stehen. Außerdem brauchen wir klare Ziele und
Zeitvorgaben, sonst bleiben alle diese Programme leere
Versprechungen.
Natürlich geht es auch um Öffnung der Märkte.
Allerdings darf das Instrument everything but arms nicht
überschätzt werden. Auch die USA müssen im Rahmen
der WTO hier ihre Politik adaptieren. Von einer
Arbeitsteilung, wie sie manche ins Treffen führen, nach
der die entwickelte Welt Industrie und Hightech liefert
und die restliche unterentwickelte Welt für globale
Ernährung zuständig ist, halte ich nichts. Auch ist nicht
alles nur auf mangelhafte Verteilung und Umverteilung
zurückzuführen. Das Prinzip der Good Governance
muss eingefordert und eingehalten werden. Die
Enteignung der weißen Farmer in Simbabwe gehört
nicht dazu und wird das südliche Afrika nur weiter
schnurstracks in den Hunger führen. Auch hier bedürfte
es der internationalen und europäischen Entrüstung.
(Beifall)
3-159
Fava (PSE). – (IT) Herr Präsident, dem Herrn
Kommissar und dem Herrn Ratspräsidenten wird wohl
nicht entgangen sein, dass auf dieser Aussprache der
Verdacht einer gravierenden Scheinheiligkeit lastet. Vor
einigen Tagen hat der FAO-Generaldirektor Jacques
Diouf darauf hingewiesen, dass sechs Jahre nach dem
Welternährungsgipfel von 1996 „für die Hungernden in
der Welt ständig die Totenglocke läutet“. Alle
Kolleginnen und Kollegen haben daran erinnert, dass
weltweit
800 Millionen
Menschen –
darunter
300 Millionen Kinder – an Hunger leiden und täglich
24 000 Menschen an Unterernährung sterben. Herr
Diouf hat erklärt, dass die Versprechen nicht gehalten
wurden. Schlimmer noch, die Taten stehen im
Widerspruch zu den Worten. Welche Taten wurden
erwartet? Hier einige Beispiele: Es sollte in die
Millennium goals, d. h. in die Bereiche Landwirtschaft,
Gesundheits- und Bildungswesen, investiert werden,
weshalb der Entwicklungshilfebeitrag der G8-Länder auf
0,7 Prozent des BIP erhöht werden sollte. Davon sind
wir sehr weit entfernt, wenn wir bedenken, dass das
reichste Land der Welt, die Vereinigten Staaten von
Amerika, nur 0,1 Prozent, das heißt 34 Dollar pro Kopf,
bereitstellen.
Zum Schaden haben die reichen Länder auch noch den
Spott, weil sie dieses wichtige Gipfeltreffen versäumt
haben. Es fehlten der Präsident der USA, der Präsident
Russlands, die Staats- und Regierungschefs Japans,
Deutschlands, Großbritanniens, Frankreichs und
Kanadas. Lediglich Herr Prodi hat als Repräsentant der
Europäischen Union teilgenommen. All dies wirft
gefährliche und unheilvolle Schatten auf den
Johannesburg-Gipfel am 26. August. Wir sollten uns
selbst in Erinnerung bringen, dass wir noch nicht viele
60
03/07/2002
Beweise für den Aufruf zur Behandlung und Lösung
dieses brennenden Problems haben.
3-160
VORSITZ: RENZO IMBENI
Vizepräsident
3-161
Santini (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, Herr Minister,
es ist wohl wahr, dass das Scheitern der UNO bzw. des
Plans zur Bekämpfung des Hungers auch auf die
mangelnde
Sensibilität
vieler
Regierungen
zurückzuführen ist. Doch gewiss nicht der
italienischen – und ich bedauere es, dass ein Kollege von
den Linken die Gelegenheit nicht versäumt hat, sogar zu
einem so schlimmen und heiklen Thema eine düstere
politische
Spekulation
anzustellen –,
dessen
Ministerpräsidenten Berlusconi, daran möchte ich
erinnern, es in Genua während des G8-Gipfels gelungen
ist, eine Bresche zu schlagen, indem er die Bewilligung
einer ersten Tranche über 750 Millionen Euro aus einem
neuen Paket von 3 000 Milliarden Lire, also
1 500 Millionen Euro, durchsetzte. Das ist eine konkrete
Verpflichtung, weshalb derartige Anschuldigen völlig
Fehl am Platze sind.
Es stimmt, dass sich weltweit immer neue Hungerherde
auftun, und nicht nur dort, wo der Krieg als Alibi
herhalten muss oder Auslöser ist. Dieses Szenario wurde
ausführlich in der FAO, u. a. während der letzten
Matinee am Donnerstag, dem 13. Juni, behandelt, als es
insbesondere um die Berggebiete in der Welt ging, wo
Hunger und Armut zunehmend akuter sind und in ihrer
schlimmsten Form zum Ausdruck kommen. Auf dieser
Veranstaltung, an der ich als Berichterstatter
teilgenommen habe, da ich 1998 Initiator einer
Entschließung über die Berggebiete in diesem Parlament
gewesen bin, wurde auch hervorgehoben, dass man nicht
erst Kriegsszenarien oder entlegene Regionen suchen
muss, um sogar in unserem hochzivilisierten Europa
Zeichen einer Besorgnis erregenden Zunahme von
Verwahrlosung, Elend oder auch Hungerplagen in
Berggebieten zu erkennen.
Just in dem von der UNO proklamierten Internationalen
Jahr der Berge gelangt nun diese Botschaft von der
Versammlung der FAO direkt in dieses Parlament. Es
gilt daher, die Berge in den Vordergrund zu rücken,
ihnen besondere Aufmerksamkeit zu widmen und ihnen
ihre Besonderheit zurückzugeben, vor allem aber darf
man sich nicht schämen, sie als ein potenziell armes
Gebiet zu betrachten. Kurz und gut, die Geißel der
Armut kann nicht nur bekämpft, sondern ihr kann auch
vorgebeugt werden.
3-162
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, ich möchte mich
für die engagierten Redebeiträge bedanken, die ich als
Mitglied des Parlaments selbst gerne gehalten hätte. Man
kann die Beiträge in etwa folgendermaßen
zusammenfassen: Die Richtung der EU-Bemühungen
stimmt, aber es wird zu wenig erreicht. So habe ich die
meisten Redebeiträge verstanden, und es ist natürlich
richtig, dass Gipfeltreffen allein noch keinen Hunger
beseitigen. Das tut auch diese Debatte nicht, aber wie die
Gipfeltreffen trägt auch sie dazu bei, auf die Probleme
aufmerksam zu machen, auf die der Entwicklungsländer
ebenso wie auf die der Industrieländer, die dazu führen,
dass zu wenig getan wird.
Was den Gipfel in Johannesburg anbelangt, so legt die
Präsidentschaft großen Wert darauf, dass ein Global
Deal über die Rechte und Pflichten erreicht wird, der
den Zugang zu unseren Märkten einschließt, der aber
auch denjenigen Pflichten auferlegt, die diesen Zugang
erhalten. Wir wissen nicht, wie weit wir kommen
werden, aber wir müssen über den gesamten
Problemkomplex sprechen, denn wir brauchen
tatsächlich einen Global Deal. Ich möchte betonen, dass
wir trotz allem etwas erreicht haben, denn wir leisten
über 50 % der Entwicklungshilfe in der Welt. Wir haben
die „Everything but Arms“-Initiative gestartet und treten
für die Umsetzung der Entwicklungsagenda von Doha
ein. Immerhin gibt es diese Agenda, und es wurden
Zusagen gegeben, zu deren Einhaltung jetzt alle Seiten
verpflichtet werden müssen. Wir dürfen bei der Debatte
über diese fast unüberwindlichen und unüberschaubaren
Probleme dennoch nicht den Mut oder die Lust
verlieren, mehr zu tun. Wenn wir nämlich die Hoffnung
aufgeben, verlieren wir die Motivation für weitere
Aktionen. Wir müssen uns einerseits die Fortschritte vor
Augen halten und uns andererseits gegenseitig
versprechen, mehr zu tun.
Im Namen des Rates und der Präsidentschaft möchte ich
versichern, das wir unsere Anstrengungen in
Johannesburg verstärken werden. Es wird nicht einfach
sein, und ich kann nur versprechen, dass wir uns
bemühen werden. Ich glaube, der Herr Kommissar wird
sich anschließend in ähnlicher Weise äußern, und ich
möchte ihm für das Engagement danken, das er über
viele Jahre hinweg für dieses Thema gezeigt hat, das wir
heute hier diskutieren.
3-163
Nielson, Kommission. – (EN) Herr Präsident, ich danke
dem Ratsvorsitz für seine Ausführungen und den
Mitgliedern für ihre Beiträge. Einige haben sich auf das
eigentliche Thema konzentriert, andere auf den
Zusammenhang
zwischen
dem
dramatischen
Bevölkerungswachstum und der Zahl der Menschen, die
noch immer nicht genug zu essen haben. Dies sind zwei
sich gegenseitig ergänzende Probleme, die mich an die
emotionsgeladene Abstimmung über die sexuelle und
reproduktive Gesundheit und Rechte heute in diesem
Haus erinnern. Diese Probleme sind eng miteinander
verknüpft, und es ist nahezu unmöglich, wirksame
Schritte zur Bekämpfung des Hungers zu unternehmen,
ohne sich gleichzeitig mit den Problemen der
Bevölkerungspolitik auseinander zu setzen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der für mich immer mehr
an Bedeutung gewinnt, ist der direkte Zusammenhang
zwischen Konflikten und Hunger. Tansania ist ein Land,
in dem, so lange wir zurückdenken können, eine halbe
Million Flüchtlinge in Lagern leben. Sie alle brauchen
Nahrungsmittel. Sie alle erhöhen die Zahl der Menschen,
03/07/2002
denen wir helfen müssen, damit sie überleben können.
Die Situation könnte auch anders sein. Der Hunger der
Menschen, die Opfer von Konflikten sind, ist eine durch
den Menschen verursachte Katastrophe. Optimisten
betrachten diese Situation als von uns veränderbar. Das
Problem kann nicht einfach durch die Erhöhung der
landwirtschaftlichen Produktion gelöst werden, wichtig
ist auch, dass Frieden und ein Mindestmaß an Anstand
und Regeln geschaffen werden.
Einige Redner haben die Abwesenheit von Staats- und
Regierungschefs unserer Mitgliedstaaten angesprochen,
aber Präsident Prodi und ich haben auf dem
Welthungergipfel die Kommission vertreten und unsere
Position unmissverständlich klargestellt. Viele andere,
wie zum Beispiel Herr van den Berg, Herr van den Bos,
Frau Sandbæk und weitere Mitglieder des Parlaments,
sind auf den Zusammenhang zwischen unserer
Agrarpolitik in Europa und Handelsfragen eingegangen.
Ich möchte betonen, dass wir diesen übertriebenen EuroMasochismus vermeiden müssen, der oft zu spüren ist,
wenn wir über diese Themen sprechen. Frau Sandbæk
möchte ich darauf aufmerksam machen, dass auch die
Tatsache, dass Oxfam Zahlen vorgelegt hat, nach denen
die EU der am stärksten abgeschottete Handelsblock auf
diesem Gebiet ist, nichts an der nach wie vor
bestehenden Realität ändert, dass wir in Europa mehr
Nahrungsmittel und landwirtschaftliche Erzeugnisse aus
der Dritten Welt importieren, als die USA, Japan,
Kanada
und
die
anderen
OECD-Länder
zusammengenommen. Das ist nach wie vor die Realität.
Deshalb sollten wir nicht allzu masochistisch sein.
Es trifft zu, dass die Subventionen ein großes Problem
darstellen. Daran besteht heute kein Zweifel mehr und
dies wird eines der Hauptthemen beim Gipfeltreffen in
Johannesburg sein. Die Zahlen sprechen eine deutliche
Sprache.
Die
OECD-Länder
geben
jährlich
350 Mrd. USD für Subventionen aus, für die
Entwicklungszusammenarbeit
dagegen
nur
50 Mrd. USD.
Glücklicherweise sind wir in Europa bei unserer internen
Analyse der Frage, was wir tun können, zu
Schlussfolgerungen und Überlegungen gelangt, die in
dieselbe Richtung gehen, wie die weltweit erhobenen
Forderungen. Die Erkenntnis lautet übereinstimmend:
„Reform und Reduzierung von Subventionen“. Wir
hoffen, dass wir dabei Fortschritte erreichen können.
Herr van den Bos hat darauf hingewiesen, dass es zu viel
Monokultur und zu wenig Ernährungssicherheit gibt.
Dem stimme ich zu. Ein Beispiel ist Äthiopien, ein
Land, über das wir seit Jahren immer wieder sprechen.
Äthiopien ist das eindrucksvollste Beispiel für eine
überholte, traditionelle Nahrungsmittelhilfe. Die
Weizenlieferungen, die das Land erhält, nutzen den
Landwirten in Wisconsin und andernorts, aber sie tragen
nicht zur Überlebensfähigkeit und zur nachhaltigen
Entwicklung der äthiopischen Bevölkerung bei.
61
Wir sind derzeit dabei, einen neuen Ansatz mit der
äthiopischen Regierung und auch mit den Vereinigten
Staaten zu erarbeiten. Wir haben in diesem Jahr
Seminare mit der Regierung durchgeführt, an denen
auch der äthiopische Präsident teilgenommen hat, um ein
neues Konzept für die Ernährungssicherheit zu
erarbeiten, das sich wesentlich vom bisherigen Konzept
der Nahrungsmittelhilfe unterscheidet. Dies ist genau
das, was ich dem Parlament bereits gesagt habe: Wir
wollen, dass dieser Ansatz geändert wird. Die ersten
Schritte sind getan. Dieser neue Ansatz ist meiner
Ansicht nach in der Präsentation der FAO-Agenda von
Herrn Diouf zu kurz gekommen. Dies ist ein Grund für
die Spannungen in unseren Gesprächen mit der FAO.
Herr Ó Neachtain, ich grüße Ihre Freunde und die
Bürger aus Ihrem Wahlkreis.
Frau Sauquillo Pérez del Arco hat den Gipfel in
Johannesburg als die letzte Chance nach Doha und
Monterrey bezeichnet. Dieser Sichtweise kann ich mich
nicht anschließen. Das erweckt den Eindruck, dass Doha
und Monterrey Misserfolge gewesen wären. Das ist nicht
der Fall. Wir in der Europäischen Union können uns
darüber freuen, dass auf unser Drängen hin und durch
unseren engagierten Beitrag die Entwicklungsagenda
von Doha zustande gekommen ist. Wenn die EU nicht
darauf gedrängt hatte, wäre das nicht der Fall. Ohne die
Entscheidung von Barcelona, die dem Gipfeltreffen von
Monterrey vorausging, hätten wir keinen echten Beitrag
leisten können. Ohne einen echten Beitrag Europas,
hätte Amerika nicht die Entscheidung getroffen, die nun
vorliegt.
Wir machen ja nicht mit leeren Händen weiter. Rom hat
die Möglichkeit geboten, die allgemeine Bedeutung des
Themas Ernährung erneut hervorzuheben. Aus diesem
Grund war der Welternährungsgipfel sinnvoll, auch im
Hinblick auf den gewählten Zeitpunkt. Der nächste
Schritt ist nun jedoch Johannesburg.
Ich teile die Meinung von Herrn Haarder, dass im
Vorfeld des Gipfels von Johannesburg noch einige
Schwierigkeiten zu überwinden sind. Wir werden in den
kommenden Wochen und Monaten bis zu diesem
Gipfeltreffen sehr hart arbeiten müssen.
Herr Belder fragte nach dem neuen Programm zur
Bekämpfung des Hungers, das vom Generalsekretär der
FAO, Herrn Diouf, vorgestellt wurde. Die Kosten für
dieses Programm, das erst einige Tage vor dem
Gipfeltreffen vorgestellt wurde, belaufen sich auf
24 Mrd. USD, die aus zusätzlichen öffentlichen Mitteln
gedeckt werden müssen. Diese Kosten sind hoch. Das
Programm ist eine Initiative, die das Sekretariat allein
auf den Weg gebracht hat, es wurde weder auf Antrag
der Mitglieder erarbeitet, noch im Vorfeld mit diesen
erörtert. Große Anstrengungen werden nötig sein, um
Unterstützung für das Programm zu erhalten und diese
Initiative zu rechtfertigen.
Außerdem sollte berücksichtigt werden, dass kürzlich
ein anderes umfangreiches Landwirtschaftsprogramm
62
für Afrika verabschiedet worden ist, das gemeinsam von
der FAO und NEPAD durchgeführt werden soll, und für
das bis 2015 zusätzlich 240 Mrd. USD bereitgestellt
werden müssen. Es besteht also absolut kein Mangel an
großartigen Initiativen des Sekretariats der FAO, die
zusätzliche Mittel in Milliardenhöhe erfordern. Der
größte Teil dieser beabsichtigten Ausgaben stammen
jedoch vom Sekretariat, ohne dass eine echte Diskussion
und Koordination mit den Geldgebern oder den
Mitgliedern im Allgemeinen stattfindet. Dies ist einer
der Gründe, weshalb es für uns schwierig war, einen
konstruktiven Beitrag zu allem zu leisten, was uns in
diesem Zusammenhang vorgelegt wurde.
Dies alles sollte nicht missverstanden und als Ausdruck
einer negativen Haltung interpretiert werden. Wir
arbeiten mit der FAO zusammen, wir führen eine Reihe
von guten Projekten in Afrika durch, wir finanzieren
diese Projekte durch unseren regionalen Finanzrahmen,
wenn unsere Partner in Afrika uns bitten, mit der FAO in
den Bereichen zusammenzuarbeiten, in denen die FAO
über echte Sachkompetenz verfügt. Einige Dinge
funktionieren.
Ich habe versucht, einige Hintergründe aufzuzeigen.
Niemand sollte jedoch glauben, dass überhaupt keine
Fortschritte erreicht werden. Was wir brauchen ist eine
Strategie, in die mehrere Komponenten einbezogen
werden, wie die Bevölkerungspolitik, die breit angelegte
nachhaltige Entwicklung, die Armutsbekämpfung und
die Beendigung von Kriegen und Konflikten, die
weiterhin die Hauptursache dafür sind, dass Millionen
von Menschen verhungern. Der Hunger in der Welt ist
ein vom Menschen verursachtes Problem, und er ist ein
politisches Problem. Das dürfen wir nicht vergessen.
3-164
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Kommissar.
Ich teile mit, dass ich gemäß Artikel 37 Absatz 2 der
Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge erhalten
habe.2
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
3-165
Konsequenzen des Schutzgesetzes für Bedienstete der
Vereinigten Staaten auf die transatlantischen
Beziehungen
3-166
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgen die
Erklärungen des Rates und der Kommission zu den
Konsequenzen des Schutzgesetzes für Bedienstete der
Vereinigten
Staaten auf
die
transatlantischen
Beziehungen.
3-167
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, zunächst möchte
ich der internationalen Gemeinschaft und uns allen dazu
2
Siehe Protokoll.
03/07/2002
gratulieren, dass das Römische Statut des Internationalen
Strafgerichtshofs am Montag in Kraft getreten ist. Dieses
Ereignis ist für die Entwicklung des internationalen
Rechts nach dem Zweiten Weltkrieg von epochaler
Bedeutung.
69 Länder haben das Statut des Gerichtshofs ratifiziert,
und wir können feststellen, dass es schon jetzt von der
internationalen Gemeinschaft weitgehend anerkannt
wird. Das Europäische Parlament hat sich immer wieder
dafür eingesetzt. Ich selbst habe vor einigen Jahren in
meinem Bericht über die Menschenrechte, der mit
überwältigender Mehrheit angenommen wurde, die
Schaffung des Gerichtshofs gefordert. Parlamentarier
haben darüber geredet und geschrieben, und nun ist er
Realität. Das sollten wir hier im Parlament feiern.
Die zahlreichen internationalen und internen Konflikte,
die die Welt im 20. Jahrhundert erlebt hat,
unterstreichen, wie wichtig die rasche Einrichtung eines
solchen Gerichtshofs ist. Der Strafgerichtshof kann dazu
beitragen, die Welt sicherer, gerechter und friedlicher zu
machen. Allein durch seine bloße Existenz wird er
Menschen von schweren Straftaten abschrecken können,
wie wir sie leider auch zu unseren Lebzeiten und noch
bis vor kurzem erleben mussten – von Kriegsverbrechen,
Völkermord und anderen Verbrechen gegen die
Menschlichkeit. Es ist wichtig, dass solche Verbrechen
nicht straffrei bleiben, sondern alle für ihre Taten zur
Verantwortung gezogen werden. Deshalb ist dieser
Strafgerichtshof ein wichtiger Schritt zur Stärkung der
internationalen Rechtsgemeinschaft.
Wir müssen an alle Staaten appellieren, dem Römischen
Statut beizutreten. Eine allgemeine Anerkennung ist
notwendig, damit der Gerichtshof wirklich effizient
arbeiten kann. Hierzu haben wir im letzten Jahr einen
Gemeinsamen Standpunkt verabschiedet, der vor kurzem
aktualisiert worden ist. Auf der Grundlage dieses
Gemeinsamen Standpunkts hat die Europäische Union
durch politischen Dialog und Demarchen versucht, eine
möglichst breite Anerkennung des Gerichtshofs durch
eine Vielzahl von Ländern zu erreichen.
Der Strafgerichtshof ist ein immer wiederkehrendes
Thema bei unseren Kontakten mit den USA, und die
Beratungen mit den USA sind ja auch Gegenstand
unserer heutigen Debatte.
Die EU und die Vereinigten Staaten haben dieselben
Grundwerte: Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und
rechtsstaatliche Prinzipien. Deshalb haben wir es immer
als natürlich und notwendig empfunden, dass sich die
USA am Statut des Strafgerichtshofs beteiligen. Wir sind
überzeugt, dass sich ihre Teilnahme besonders positiv
auf den Gerichtshof auswirken würde. Auf der
diplomatischen Konferenz in Rom 1998 waren wir uns
der Bedenken der USA gegen bestimmte Vorschriften
des Statuts durchaus bewusst. Wir haben uns intensiv
um Auswege und Lösungen bemüht, um diese
Vorbehalte auszuräumen – leider vergeblich. Zu
unserem Bedauern müssen wir feststellen, dass die USA
am 6. Mai dieses Jahres dem UN-Generalsekretär
03/07/2002
mitgeteilt haben, dass sie sich nicht am Statut beteiligen
wollen, das bereits von der ehemaligen amerikanischen
Regierung unterzeichnet worden war. Unserer
Auffassung nach haben die USA eine falsche
Entscheidung getroffen. Die Europäische Union
bedauert das sehr.
Vor kurzem, genauer gesagt am 17. Juni, hat der Rat
„Allgemeine Angelegenheiten“ Schlussfolgerungen
verabschiedet, die unsere Bedenken in Bezug auf den
amerikanischen
Gesetzentwurf
„American
Servicemembers’ Protection Act“ (ASPA) zum
Ausdruck bringen, der in seiner jetzigen Fassung die
Beteiligung
der
Vereinigten
Staaten
an
Friedenssicherungsmissionen der Vereinten Nationen
beschränkt, die Übermittlung von Informationen an den
Strafgerichtshof untersagt und die militärische
Unterstützung seitens der USA für die Staaten, die den
IStGH anerkennen, verbietet. Den Schlussfolgerungen
des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ von
Luxemburg zufolge kann ASPA die Arbeit des
Strafgerichtshofs ernsthaft gefährden.
Wir haben auch unsere Befürchtungen bezüglich der
Bestimmung zum Ausdruck gebacht, die den
amerikanischen Präsidenten ermächtigt, alle verfügbaren
Mittel einzusetzen, um die Freilassung von Personen, die
auf Anordnung des Gerichtshofs festgenommen worden
sind, zu erreichen, und dies auch im Hoheitsgebiet der
Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Diese
Bestimmung hat insbesondere in den Niederlanden
Besorgnis hervorgerufen, wo der Gerichtshof seinen Sitz
haben wird. ASPA wird sogar als „The Hague Invasion
Act“ bezeichnet.
Wenn ASPA beschlossen wird, so wäre das eine
unglückliche Entwicklung in der internationalen
Gemeinschaft. Wir haben der amerikanischen Regierung
gegenüber auf allen Ebenen unserer Besorgnis Ausdruck
verliehen. Die Leiter unserer Vertretungen in
Washington beschäftigen sich seit langem mit dieser
Frage. Das ist ein echtes Problem, denn es gibt
ernsthafte
Unstimmigkeiten
im
europäischamerikanischen Verhältnis. Nach meinem Dafürhalten
ist es aber nicht zweckdienlich– auch wenn von einem
ernsten Problem und einer schwierigen Situation
gesprochen werden kann -, den amerikanischen
Gesetzentwurf als Bedrohung der transatlantischen
Beziehungen zu bezeichnen. Eine Verschiebung auf
diese Ebene wäre unangemessen, und ich möchte auch
erklären, warum.
Erstens ist der Strafgerichtshof ein globales Anliegen
und keine bilaterale Angelegenheit zwischen den USA
und der EU. Wir wollen keine Konfrontation, denn das
würde zu nichts führen. Bedauerlicherweise gibt es aber
noch andere große Partner der EU wie China und Indien,
die den Gerichtshof ablehnen. Die Türkei als assoziiertes
Land hat das Statut noch nicht unterzeichnet und sich
auch nicht unserem Gemeinsamen Standpunkt oder den
Erklärungen der Union zur Unterstützung des
Gerichtshofs angeschlossen. Japan und Russland haben
zwar den politischen Willen, dem Statut beizutreten,
63
aber es gibt noch immer keine konkreten Beschlüsse.
Obwohl sich diese Länder noch nicht am Internationalen
Gerichtshof beteiligen, haben unsere bilateralen
Beziehungen zu ihnen nicht gelitten und sich auch nicht
abgekühlt. Wir haben eine Konfrontation in dieser Frage
sorgfältig vermieden, gleichzeitig aber das Thema
Gerichtshof
bei
unseren
regelmäßigen
Zusammenkünften im Rahmen des Dialogs immer
wieder zur Sprache gebracht. Durch beharrliche
Lobbytätigkeit zur Unterstützung des Statuts konnten
wir einige Länder bereits überzeugen, und wir hoffen,
auf diesem Wege noch andere gewinnen zu können.
Ich möchte auch erwähnen, dass der Strafgerichtshof
nicht der einzige Bereich ist, in dem es Differenzen
zwischen den USA und der EU gibt. Freunde müssen
sich streiten dürfen, und wir werden stets darauf
beharren – und das halte ich für klug –, dass die EU und
die USA mehr Gemeinsamkeiten haben als
Unterschiede. Wir alle können Beispiele nennen: Stahl
(wo es hoffentlich bald zu einer Lösung kommt),
Bananen (ein Problem, das gelöst worden ist, und über
das es viel zu sagen gibt), das Protokoll von Kyoto (wo
wir weiterhin auf hoher Ebene Gespräche führen).
Manchmal finden wir eine Lösung, hin und wieder
lassen sich die Meinungsverschiedenheiten aber nicht
aus der Welt schaffen. Was die Menschenrechte
anbelangt, so haben wir eine unterschiedliche
Einstellung zur Todesstrafe. Durch unsere langjährigen
Bemühungen bei der Bekämpfung der Todesstrafe ist es
uns jedoch gelungen, Einfluss auf die öffentliche
Meinung in Amerika zu gewinnen. Ich möchte das
kürzlich ergangene Urteil des Obersten Gerichts der
Vereinigten Staaten im Atkins-Verfahren erwähnen, das
die Todesstrafe für Menschen mit psychischen
Entwicklungsstörungen verbietet. Die EU hat zu diesem
Verfahren mit einem „amicus curiae brief“ beigetragen,
den das Oberste Gericht der USA in seine Überlegungen
einbezogen hat. Diese Politik wollen wir fortführen.
Die US-Regierung hat uns versichert, dass eine
amerikanische Invasion auf dem Territorium eines EUMitgliedstaates – ich zitiere – „undenkbar“
(inconceivable) ist. Das haben sowohl Außenminister
Powell als auch Staatssekretär Grossman erklärt. Viele
amerikanische Soldaten haben ihr Leben für Freiheit und
Demokratie in Europa geopfert. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass ihre Enkel auf die Idee kämen, in einen
unserer Mitgliedstaaten einzufallen. Der ASPA-Entwurf
ist aber eine Tatsache, und Abschnitt 3008 über
„Gewaltanwendung“ (use of force) wird zu einem
gefährlichen Präzedenzfall im Völkerrecht werden. Ich
kann Ihnen versichern, dass wir dies genau im Auge
behalten werden.
Der Strafgerichtshof wird seine Bedeutung als
unabhängige und effiziente internationale Rechtsinstanz
bald unter Beweis stellen können. Die EU wird keine
Anstrengungen scheuen, um ihm zum Erfolg zu
verhelfen. Ich bin mir sicher, dass diejenigen, die heute
zu den Gegnern des Strafgerichtshofs zählen, sich durch
Augenschein werden überzeugen können, dass das Statut
von Rom den höchsten Standards der Rechtssicherheit
64
03/07/2002
genügt und vor einem Missbrauch des Gerichtshofs für
politische Zwecke Schutz bietet. Wir müssen einsehen,
dass es noch etwas Zeit braucht, bis der Gerichtshof
allgemein anerkannt ist. Ich glaube aber, dass wir mit
unseren Argumenten schließlich Erfolg haben werden,
wie das schon in vielen anderen, von mir erwähnten
Bereichen der Fall war.
EU erreichte schließlich die Ratifizierung des Protokolls
und gab damit ein Beispiel, dem die internationale
Gemeinschaft folgte, um so eine echte Perspektive
aufzuzeigen, wie das Problem der Klimaänderung
angepackt werden kann. Wir werden ebenso verfahren,
um den IStGH zu einem funktionierenden Organ der
globalen Gerichtsbarkeit zu machen.
Durch ihr Veto im UN-Sicherheitsrat haben die USA am
Montag einen weitreichenden und bedauerlichen Schritt
gegen den Gerichtshof getan. Ich weiß jedoch, dass die
Verhandlungen über eine Kompromisslösung im UNSicherheitsrat im Laufe des Tages wieder aufgenommen
werden. Wir müssen zu einer Lösung gelangen, die den
Gemeinsamen Standpunkt der EU und das Statut des
Gerichtshofs nicht gefährdet und gleichzeitig die
Beteiligung der USA an Friedenssicherungsmissionen
zulässt. Die Präsidentschaft wird sich dafür einsetzen,
dass dies möglich wird.
Die USA haben als unabhängige Nation ein souveränes
Recht, nicht am IStGH teilzunehmen, wenn sie das nicht
wünschen. Am 6. Mai gaben sie bekannt, dass sie das
Römische Statut nicht ratifizieren werden und sicherten
gleichzeitig zu, keine Schritte zu unternehmen, um die
Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs aktiv zu
unterminieren oder andere von der Ratifizierung des
Römischen Statuts abzuhalten. Daher war die
Entscheidung des US-Senats vom 6. Juni, eine eigene
Version des Gesetzes zum Schutz von Angehörigen der
amerikanischen Streitkräfte (ASPA) zu verabschieden,
das zuvor vom amerikanischen Repräsentantenhaus
gebilligt worden war, eine große Überraschung und
Enttäuschung für viele Verbündete und Partner
Amerikas.
3-168
Byrne, Kommission. – (EN) Herr Präsident, vor zwei
Tagen ist das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs
in Kraft getreten. Wir begrüßen dies sehr. Eines der
wichtigsten Ziele der Menschenrechtspolitik der EU
besteht darin, diejenigen zu bestrafen, die schwere
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie zum Beispiel
Völkermord, begangen haben, die an Massakern an der
Zivilbevölkerung beteiligt waren, die gefoltert haben
und die an Massenvergewaltigungen teilgenommen
haben.
Die
Einrichtung
eines
Internationalen
Strafgerichtshofs ist ein entscheidendes Element in
diesem Kampf. Der Gerichtshof bietet die Möglichkeit,
diese Fälle zu untersuchen und die Täter zur
Rechenschaft zu ziehen und ist so ein wichtiges
Instrument, mit dem die Einhaltung des internationalen
Völkerrechts und der Menschenrechte gefördert werden
kann.
Die Europäische Union unterstützt den IStGH weiterhin
uneingeschränkt. Mit dem Inkrafttreten des Römischen
Statuts ist der IStGH nun Realität geworden. Die
schwierigste Arbeit liegt jedoch noch vor uns. Wir
müssen den IStGH mit weit reichenden Befugnissen
ausstatten, damit er ein wirksames Abschreckungsmittel
für diejenigen darstellt, die glauben, dass sie ungestraft
davonkommen, wenn sie verabscheuungswürdige
Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen.
Vor diesem Hintergrund ist die Weigerung der
Vereinigten Staaten von Amerika, das Römische Statut
zu unterzeichnen, ein schwerer Schlag für die
internationale Gemeinschaft, die alles daransetzt, um
eine Wiederholung der Gräueltaten zu verhindern, die in
den Konflikten der jüngsten Vergangenheit begangen
wurden. Die Tatsache, dass die größte Militärmacht der
Welt uns nicht unterstützt, ist ein schwerer Schlag, das
lässt sich nicht leugnen.
Dies ist nicht das erste Mal, dass Europa die Führung
übernommen und die internationale Agenda vorgegeben
hat. Von vielen wurde das Protokoll von Kyoto nach
dem Rückzug der USA bereits abgeschrieben, aber die
Wir hoffen, dass bei der Konferenz des
Repräsentantenhauses und des Senats noch Änderungen
am Text vorgenommen werden können, durch welche
die
Auswirkungen
dieser
Rechtsvorschriften
abgeschwächt werden. Die Bestimmungen des ASPA in
ihrer derzeitigen Form haben aus mehreren Gründen
große Besorgnis bei den Ländern ausgelöst, die den
IStGH unterstützen. Durch den Versuch, den Nationen,
die den IStGH ratifizieren, die militärische
Unterstützung zu verweigern, könnte das ASPA
bewirken, dass diese Länder von der Beteiligung am
IStGH abgehalten werden. Durch den Versuch,
amerikanische Staatangehörige, die sich an UNEinsätzen beteiligen, der Gerichtsbarkeit des IStGH zu
entziehen, könnte die Teilnahme der USA an
Friedensmissionen durch dieses Gesetz eingeschränkt
werden.
Wir sehen bereits jetzt die dramatischen Auswirkungen,
die dies auf die Arbeit der UNO haben kann, die diese
zur Erhaltung des Friedens und der Stabilität in den
Krisengebieten der ganzen Welt leistet. Die Weigerung
Amerikas, das UN-Mandat in Bosnien und Herzegowina
zu verlängern, droht die jahrelange Arbeit der
internationalen Gemeinschaft zum Wiederbau dieser
zerstörten Gemeinschaft zunichte zu machen.
In einer ersten Analyse der Kommission wurden
verschiedene, potenziell negative Auswirkungen auf das
politische Umfeld und die Rechtsstaatlichkeit in Bosnien
und Herzegowina festgestellt. Betroffen ist unter
anderem die Arbeit der internationalen Polizeitruppe bei
der Bekämpfung des Terrorismus auf bosnischem
Gebiet.
Die EU arbeitet rund um die Uhr gemeinsam mit der
UNO und anderen Partnern, einschließlich den USA, um
eine Lösung für diese Krise zu finden. In einem Punkt
werden wir allerdings nicht von unserer Position
03/07/2002
65
abweichen. Wir werden nicht zulassen, dass der IStGH
schon von Anfang an dadurch behindert wird, dass die
Arbeit der Vereinten Nationen nicht seiner
Gerichtsbarkeit unterliegt. Vor dem Gesetz müssen alle
gleich sein, unabhängig von ihrer Nationalität.
Darüber hinaus bestehen noch weitere Befürchtungen im
Hinblick auf die möglichen Auswirkungen des ASPA.
Nach diesem Gesetz ist die Zusammenarbeit zwischen
den
amerikanischen
Justizund
Strafverfolgungsbehörden und dem IStGH nicht
zulässig, was zu einem Rückschlag bei der
internationalen Bekämpfung des Terrorismus führen
kann.
Nicht zuletzt enthält das Gesetz eine besonders
problematische Bestimmung, die besagt, dass der
Präsident alle notwendigen Mittel ergreifen kann, um die
Freilassung von Angehörigen der amerikanischen
Streitkräfte zu erreichen, die auf Anordnung des IStGH
verhaftet wurden. Dies gilt auch im Staatsgebiet der EUMitgliedstaaten. Die Europäische Union konnte
angesichts dieser Überlegungen nicht stumm bleiben und
hat entsprechend reagiert. Die Reaktion der EU wurde
am 17. Juni im Rat „Allgemeine Angelegenheiten“
erörtert, auf dem wir Schlussfolgerungen verabschiedet
haben, in denen wir unsere Besorgnis über die
Bestimmungen des Gesetzes zum Ausdruck bringen.
Wir haben uns außerdem auf eine koordinierte Strategie
geeinigt, um den USA unsere Bedenken vortragen zu
können.
Am 19. Juni legten der spanische Botschafter in den
USA und der Leiter der Delegation der Kommission in
Washington dem amerikanischen Außenministerium
eine gemeinsame Erklärung im Namen aller EUMitgliedstaaten vor. Gleichzeitig richteten die EUBotschafter ein Schreiben an führende amerikanische
Regierungsmitglieder
sowie
an
hochrangige
Kongressmitglieder, in dem sie ihre tiefe Besorgnis über
den Inhalt des ASPA-Gesetzes zum Ausdruck brachten.
Am 20. Juni wurden die amerikanischen Botschafter in
den Hauptstädten der EU sowie der amerikanische
Botschafter für die EU einberufen und über die Position
der EU unterrichtet.
Wir hoffen, dass diese Maßnahmen die amerikanische
Regierung überzeugen und dazu veranlassen werden,
diese Rechtsvorschrift nicht zu unterstützen und zu
verhindern, dass sie rechtskräftig wird. Ich bin sicher,
dass der Rat und die Kommission bei der Verfolgung
dieser Strategie auf die uneingeschränkte Unterstützung
des Europäischen Parlaments zählen können. Ich möchte
Sie als Gesetzgeber deshalb ermutigen, dieses Thema
mit Ihren Kollegen im amerikanischen Kongress zu
erörtern, entweder im Rahmen des Dialogs der
Gesetzgeber oder über andere Kontakte, die Sie zum
Kapitol haben.
Sie als demokratisch gewählte
europäischen Bürger können diese
amerikanischen Kongress am besten
hoffe, dass das Parlament seine
Vertreter der
Botschaft dem
vermitteln. Ich
Position heute
Nachmittag in der Aussprache und in der Entschließung
zu diesem Thema klar und deutlich zum Ausdruck
bringen wird.
3-169
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Kommissar.
Ich möchte alle Kolleginnen und Kollegen darauf
hinweisen, dass wir ein ernstes Zeitproblem haben. Wir
sind mit unserem Zeitplan stark im Verzug, weshalb ich
etwas strenger sein muss. Ich bitte daher alle
Kolleginnen und Kollegen, sich an die vorgegebene
Redezeit zu halten.
3-170
Oostlander (PPE-DE). – (NL) Als die Vereinigten
Staaten am 11. September Opfer terroristischer
Anschläge wurden, haben sich die Länder der
Europäischen Union sofort mit den Amerikanern
solidarisch erklärt. Im Handumdrehen hat die
Europäische Union die Möglichkeit geschaffen, im
Kampf gegen den Terrorismus Personen an die USA
ausliefern zu können. Das taten wir, weil wir von
gemeinsamen Werten und Normen ausgingen. Auch die
Vereinigten Staaten sind nämlich genau wie wir ein
demokratischer Rechtsstaat, und einem solchen muss
man vertrauen können.
Eben dieser Aspekt der gemeinsamen Werte war für uns
Veranlassung, den Internationalen Strafgerichtshof zu
befürworten. Wir begrüßen nachdrücklich die Errichtung
dieses Tribunals. Wir gingen davon aus, nur
Schurkenstaaten, die nicht bereit sind, eventuell ihre
eigenen Staatsbürger wegen Verbrechen gegen die
Menschlichkeit, Völkermord und sonstigen in großem
Rahmen begangenen Verbrechen vor Gericht zu stellen,
könnten sich vor diesem Gerichtshof fürchten. Deshalb
waren wir von der amerikanischen Reaktion zutiefst
überrascht. Das hatten wir nun wirklich nicht erwartet,
denn der Strafgerichtshof ist eindeutig für eine andere
Art von Staaten und einen anderen Personenkreis
bestimmt.
Dies impliziert faktisch, dass sich die Vereinigten
Staaten über die Normen erheben, die wir mit ihnen zu
teilen meinten. Wir lesen heute in den amerikanischen
Zeitungen, wir hätten nun einmal davon auszugehen,
dass sich Amerika wie ein achthundert Pfund schwerer
Gorilla aufführt, der sich in seiner Bewegungsfreiheit
nicht einschränken lassen will. Diese Art der
Selbstdarstellung berührt uns doch sehr unangenehm.
Eine solche Haltung bedroht auch das Bündnis – hier
stimme ich Minister Haarder nicht ganz zu –, weil
dadurch der moralische Inhalt des Bündnisses geleugnet
wird.
Diese Einstellung offenbart sich auch bei dem
gemeinsamen Kampf gegen tiefgreifende Störungen der
internationalen Rechtsordnung, die verhindert werden
müssen. Der US-Präsident behält sich vor, die
Mitwirkung an gemeinsamen Friedensmissionen in
Bosnien, Osttimor, Kosovo und ähnlichen Regionen
aufzukündigen. Sogar von einem Veto gegen das UNMandat für solche Aktionen ist die Rede.
66
Treue, historische Bündnispartner wie die Niederlande,
die vielleicht sogar der älteste Bündnispartner der
Vereinigten Staaten sind, werden implizit mit
gewalttätigen Aktionen bedroht. Gibt es noch etwas
Verrückteres als diesen „Hague Invasion Act“? Man
sollte im Grunde genommen eher Witze darüber
machen, um den Amerikanern vor Augen zu führen, dass
es sich um einen unbedachten Schritt handelt und dass
sie mit ihrem Sinn für Humor Maßnahmen, die so gar
nicht zu ihnen passen, zurücknehmen sollten.
In der Entschließung des Europäischen Parlaments wird
die amerikanische Regierung aufgefordert, sich zu
revidieren und die den Teilnehmern des ICC offen
stehenden Möglichkeiten, eigene Staatsbürger auch nach
eigenem Recht vor Gericht stellen zu können, zu nutzen.
Für die Europäische Union ist der merkwürdige Vorfall
eine Warnung. Wir müssen auf jeden Fall in politischer
und militärischer Hinsicht die Fähigkeit entwickeln,
auch ohne die USA unsere Verantwortung für die
internationale Sicherheit wahrzunehmen. Im Übrigen
schließe ich mich gern der Linie von Herrn Minister
Haarder und Herrn Kommissar Byrne in Bezug auf die
künftige Politik an.
3-171
Díez González (PSE). – (ES) Herr Präsident, ich
beglückwünsche die Kommission zu ihrem festen
Standpunkt; sie kann mit unserer vollen Unterstützung
rechnen.
03/07/2002
wir müssen verhindern, dass die Vereinigten Staaten
ihren Handlungsspielraum im Sicherheitsrat dazu
nutzen, einen Text zu verwässern, der ihnen von Anfang
an nicht behagt hat, und darin einen hundertprozentigen
Schutz für ihre Truppen sowie ihr ziviles Personal
einzubauen.
Das Statut von Rom beruht auf dem Grundsatz der
Komplementarität und bietet alle Sicherheiten gegen
einen Missbrauch des Strafgerichtshofs. Ich bin sicher,
dass sich einige Leute beruhigen werden, wenn er erst
einmal seine Arbeit aufgenommen hat. Wir müssen – so
hat es Kommissar Byrne formuliert – auf die
vernünftigen Abgeordneten des Kongresses und des
Senats der Vereinigten Staaten einwirken, damit dieses
Gesetz nicht in Kraft tritt. Wenn sie das Statut schon
nicht unterzeichnen, dann sollen sie wenigstens von
Maßnahmen absehen, die seine Umsetzung stören oder
verhindern.
Benjamin B. Ferencz, seinerzeit Ankläger bei den
Nürnberger Prozessen, hat gesagt: „Es kann keinen
Frieden ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne
Recht und kein sinnvolles Recht ohne Gerichtshof
geben, der im jeweiligen Fall entscheidet, was Recht und
Gesetz entspricht“. Wir, Millionen von Bürgerinnen und
Bürgern in der ganzen Welt, sind der Meinung, dass
dieser Internationale Strafgerichtshof die Antwort auf
dieses Anliegen ist. Wir dürfen niemandem – auch nicht
den Vereinigten Staaten – gestatten, ihn auszuhöhlen.
3-172
Die gute Nachricht besteht in der Tat darin, dass
76 Staaten das Statut ratifiziert haben; die schlechte
Nachricht ist jedoch die untragbare, intolerante Haltung
der Vereinigten Staaten zu diesem internationalen
Justizsystem, das sich die Beendigung der Straflosigkeit
zum Ziel gesetzt hat.
Van der Laan (ELDR). – (EN) Herr Präsident, morgen
ist der 4. Juli und an diesem Tag wird der
Unabhängigkeitstag begangen. Wir feiern mit unseren
amerikanischen
Freunden
die
Errungenschaften
Amerikas. In zwei Weltkriegen kamen die Amerikaner,
um uns aus Dunkelheit und Gewalt zu befreien und als
die Lage auf dem Balkan eskalierte, griffen die
Amerikaner ein, nachdem Europa dazu nicht in der Lage
war. Die Amerikaner sind da, wenn sie gebraucht
werden, sie sind bereit für eine Welt der Freiheit und der
Demokratie zu kämpfen und zu sterben.
Präsident Bush hat eine Hetzkampagne gegen den
Strafgerichtshof sowie gegen diejenigen Staaten
begonnen, die sein Statut unterzeichnet bzw. ratifiziert
haben, und das ist völlig unannehmbar. Nur aus
Arroganz, Ignoranz und Überheblichkeit – diesen drei
Dingen gemeinsam – kann man eine solche Reaktion
begreifen, die beide Häuser dazu geführt hat, das Gesetz
zu verabschieden, über das wir hier sprechen. Es ist
ungeheuerlich. Ein Glück wenigstens, dass sie sagen, sie
wollten nicht in die Niederlande einmarschieren!
Freiheit und Demokratie hören jedoch nicht auf, wenn
der Frieden erreicht ist. Um den Frieden zu erhalten und
Kriege zu verhindern, müssen Straftaten ohne Ausnahme
bestraft werden. Aus diesem Grund können wir in
Europa nicht nachvollziehen, dass die Amerikaner
derzeit ihre Gesetzgeber noch dazu ermutigen, ein
entscheidendes Instrument zu Fall zu bringen, das uns
zur Erreichung unseres Ziels, die Welt sicherer und
gerechter zu machen, noch fehlte: den Internationalen
Strafgerichtshof.
Wir, die Union, dieses Parlament und sämtliche
europäischen
Institutionen,
müssen
mit
aller
Entschiedenheit darauf hinweisen, dass wir eine solche
Willkür nicht hinnehmen werden; nicht die Invasion,
sondern die Willkür, die das besagte Gesetz selbst
beinhaltet. Wir müssen von den Mitgliedern des
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen fordern, dass sie
die Integrität des neuen Gerichtshofes verteidigen, und
Der Strafgerichtshof hat das Mandat, nur die
schrecklichsten
Verbrechen,
wie
Völkermord,
Massenmord und Massenvergewaltigung zu verfolgen.
In der Vergangenheit mussten wir Ad-hoc-Gerichte für
die Milosevics dieser Welt einrichten. Nun haben 74
Länder die Einrichtung eines Strafgerichtshofs ratifiziert,
den Kofi Annan zu Recht als „großen Sieg für die
Gerechtigkeit und für die Weltordnung – als Abkehr vor
Es stimmt, Herr Haarder, mit Jammern erreicht man
nichts, aber man erreicht auch nichts, wenn man einer
Beschäftigung mit den Sorgen und Problemen aus dem
Weg geht.
03/07/2002
der Macht der rohen Gewalt und als Hinwendung zur
Rechtsstaatlichkeit“ bezeichnete.
Amerika und Europa haben für Garantien gesorgt, damit
der Strafgerichtshof nicht als politisches Instrument
genutzt wird. Jede Regierung kann verhindern, dass
seine Bürger durch den Strafgerichtshof angeklagt
werden, indem sie diese Bürger im eigenen Land
strafrechtlich verfolgt. Trotzdem haben die USA ihre
Unterschrift zurückgezogen. Als ob dieser Schlag nicht
schon hart genug für die internationale Justiz gewesen
wäre, billigte der Kongress anschließend das Gesetz zum
Schutz von Angehörigen der amerikanischen
Streitkräfte, in dem nicht nur angedroht wird, den
Ländern die militärische und finanzielle Unterstützung
zu verweigern, die mit dem Strafgerichtshof
zusammenarbeiten, sondern der amerikanischen
Regierung auch noch das Recht einräumt wird, einen
langjährigen Freund und Verbündeten, nämlich mein
Heimatland, um es konkret zu sagen, zu überfallen. Das
niederländische Volk versteht nicht, warum unsere
amerikanischen Freunde uns nun Gewalt androhen und
wofür. Ist es wirklich wichtiger, amerikanischen
Soldaten zu erlauben, Kriegsverbrechen zu begehen, als
eine sicherere Welt zu schaffen? Ist es notwendig,
internationale Friedensmissionen zu gefährden, nur um
zu zeigen, dass Supermächte sich nicht an die
Spielregeln halten müssen?
Vielleicht ist dies eine Chance für Europa. Europa hat
eine Chance, der Welt zu zeigen, dass es wirklich eine
Union der Werte ist, dass wir an eine Welt glauben, in
der wir vor dem Gesetz alle gleich sind, eine Welt, in der
Verbrecher zur Rechenschaft gezogen werden, ganz
gleich, wer sie sind und wo sie sich verstecken: eine
Welt, in der das Gesetz regiert und nicht das Schwert des
Mächtigsten.
Ich kann nicht glauben, dass eine solche Welt nicht auch
das Ziel der Amerikaner ist, und ich hoffe sehr, dass sie
ihre Position noch einmal überdenken werden. Bis das
soweit ist, muss jedoch Europa die Führung
übernehmen. Wir müssen der Welt zeigen, dass wir nicht
von unseren Grundsätzen abweichen und für die
Gerechtigkeit kämpfen werden. Wenn eine Mehrheit des
Parlaments der Welt dieses Signal gibt, indem sie
morgen
unseren
Kompromissentschließungsantrag
unterstützt, werden auch wir einen Unabhängigkeitstag
feiern können, den Tag, an dem Europa für seine Werte
eintrat.
3-173
Brie (GUE/NGL). – Herr Präsident! Ich glaube, dass
sehr deutlich wird, dass es hier im Parlament eine große
Mehrheit für eine sehr kritische Position gegenüber der
amerikanischen Politik auf diesem Gebiet gibt. Ich
möchte ausdrücklich feststellen, dass ich die Rolle der
Europäischen Union beim Zustandekommen des Statuts
und der Arbeit des Strafgerichtshofs für ausgesprochen
erfreulich halte. Aber wenn es dabei bleiben soll, muss
diese Haltung auch konsequent fortgesetzt werden.
67
Herr Ratspräsident, ich finde, dass Sie zum Teil die
Probleme etwas bagatellisiert haben, insbesondere ein zu
positives Bild der transatlantischen Beziehungen und
auch
der
europäischen
Durchsetzungsfähigkeit
gegenüber den USA gemalt haben. Sicherlich mag das
mit den Bananen stimmen, aber wenn man sich einmal
die Komplexität der Entwicklung der letzten Monate
ansieht - die Angriffe auf die C-Waffen-Konvention, die
Verhinderung einer Kontrollorganisation für die
biologischen Waffen, den Ausstieg aus dem ABMVertrag, die Androhung, den Weltraumvertrag zu
verlassen, den Teststopp-Vertrag wieder aufzukündigen,
die Gefährdung des Nichtweiterverbreitungsregimes, die
Nichtteilnahme an der Landminen-Konvention, Kyoto
und es gibt anderes mehr - dann zeigt sich doch, dass die
Störungen sehr groß sind und dass es hierbei um
prinzipielle Fragen geht.
Ich denke eigentlich, dass die Frage des
Strafgerichtshofs in mancher Hinsicht noch sehr viel
prinzipieller ist. Hier ist gerade von der Kollegin van der
Laan darauf hingewiesen worden, dass amerikanische
Streitkräfte in Europa im Ersten und im Zweiten
Weltkrieg für die Freiheit gekämpft haben. Ich will das
nicht verallgemeinern - es gibt aus der amerikanischen
Geschichte auch andere Beispiele -, aber dem stimme
ich unbedingt zu. Hier geht es um ein Grundprinzip auch
amerikanischer Geschichte, der gemeinsamen Werte, die
hier schon betont worden sind, das hier in Frage gestellt
worden ist. Jacques Rousseau meinte hinsichtlich des
Rechts: "Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist
es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das
befreit." Ein Gesetz, das nicht für den Stärksten gilt, ist
äußerst problematisch. Ich stimme deswegen im Namen
meiner
Fraktion
dem
Entschließungsentwurf
ausdrücklich zu und möchte die Kolleginnen und
Kollegen bitten, auch unseren Änderungsantrag zu
unterstützen.
3-174
Lagendijk (Verts/ALE). – (NL) Herr Präsident! Vor
einigen Wochen wurden die Pläne der Vereinigten
Staaten, amerikanische Staatsbürger oder Soldaten
notfalls gewaltsam aus dem Gefängnis des
Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag zu
befreien, noch belächelt. Inzwischen hat sich diese
Kontroverse zu einem überaus ernsten Streit zwischen
Europa und den USA ausgeweitet.
Ich möchte gleich deutlich machen, was mich, und
sicherlich auch viele andere Europäer, am meisten
irritiert und ärgert. Wie der amerikanische Professor es
heute Morgen in der Herald Tribune ausdrückte, einer
Zeitung, die auch vom Kollegen Oostlander gelesen
wird, verhalten sich die Vereinigten Staaten wie ein
großer Gorilla, der keine Beschränkungen seines
Verhaltens duldet. Faktisch läuft das darauf hinaus, dass
die Vereinigten Staaten der Ansicht sind, sie könnten
nicht mit anderen Ländern verglichen werden. Strikte
Abkommen? Disziplin? Das ist alles schön und gut für
andere Länder, die USA sind jedoch nicht willens, sich
daran zu halten.
68
Dieses Messen mit zweierlei Maß stößt den Europäern in
zunehmendem Maße sauer auf. Wenn die Amerikaner
tun dürfen, was sie wollen, wie können wir dann um
alles in der Welt verhindern, dass auch die Russen und
die Chinesen, die den Internationalen Strafgerichtshof
zufällig ebenfalls nicht unterstützen, tun, was sie wollen
und sich gleichermaßen nicht um international
getroffene Abkommen scheren? Die Fragen häufen sich
inzwischen.
Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Minister Haarder,
lassen Sie mich Ihnen die drängendsten Fragen vorlegen.
Die Fortsetzung der SFOR-Mission ist offenbar nicht
gefährdet, da für sie kein neues UN-Mandat erforderlich
ist. Sieht das die deutsche Regierung auch so? Besteht
demnach keine Gefahr, dass die deutschen Truppen aus
Bosnien abziehen? Und was sagt dies über die rechtliche
Stellung der SFOR-Soldaten aus? Sind sie vor
Verfolgung durch den Internationalen Strafgerichtshof
sicher? Gilt diese Immunität in Bosnien, oder gilt sie
auch in anderen Teilen der Welt?
Wie werden die Nicht-EU-Länder, die ca. 60 % bzw.
900 Polizisten stellen, reagieren, wenn das Mandat der
UN-Schutztruppe in Bosnien, wie es jetzt den Anschein
hat, nicht verlängert wird? Wenn diese in Bälde abzieht,
wird den zurückbleibenden europäischen Soldaten und
Polizisten eine ganze Menge abverlangt. Ist die
Europäische Union wirklich – und ich hoffe das von
Herzen –, wie Javier Solana gestern erklärt hat, bereit
und in der Lage, schnell zusätzliche Polizisten für diesen
Polizeikorps bereitzustellen, und ist Herr Minister
Haarder bzw. der Rat bereit, dafür zusätzliche Mittel
aufzuwenden?
Nun, Herr Präsident, eine präzise Frage, nochmals an
den Rat, zur Haltung Großbritanniens und Frankreichs
im Sicherheitsrat. Ist sie wirklich in jeder Hinsicht mit
der Europäischen Union abgesprochen? Mit anderen
Worten, muss ich, wenn die Antwort Ja lautet, daraus
schließen,
auch
der
Rat
sei
mit
den
Kompromissvorschlägen einverstanden, die jetzt
beispielsweise von den Briten unterbreitet werden und
durch die meines Erachtens die Position des
Strafgerichtshofs unterlaufen wird?
Zum Schluss, Herr Präsident, noch eine positive
Anmerkung. Es kann einen Schritt in die richtige
Richtung bedeuten, wenn die Europäische Union daraus
eine Politik zur Verteidigung der Menschen ableitet, in
der Einsicht, dass man Rechenschaft ablegen muss. Ein
King Kong ist nämlich schon mehr als genug.
3-175
Coûteaux (EDD). – (FR) Herr Präsident! Die
feindselige Einstellung der Vereinigten Staaten zum
Internationalen Strafgerichtshof kann uns keineswegs
überraschen, denn wir wissen in der Tat seit langem,
dass die Vereinigten Staaten bei der Gestaltung
internationaler Beziehungen nicht einmal den Gedanken
der Partnerschaft und ebenso wenig den einer
atlantischen Partnerschaft akzeptieren, welch naive
Illusionen die Europabefürworter und anderen
03/07/2002
Ideologen, die alle Nationen gleich hobeln wollen, auch
immer hegen mögen. Der amerikanischen Staat lässt
nach wie vor nicht mit sich reden, und unter diesen
Bedingungen unsere Staaten entwaffnen zu wollen,
bedeutet, Europa zu entwaffnen.
Das Erstaunlichste an dieser Angelegenheit ist die
permanente Verblendung, die wir bezüglich dieses
angeblichen Partners an den Tag legen. Denn Partner
sind die Vereinigten Staaten in keinem einzigen Punkt.
Ihr Unilateralismus herrscht ebenso in der Außenpolitik
vor wie beim Umweltschutz, beispielsweise hinsichtlich
der Klimaänderungen, ganz zu schweigen natürlich von
der
Gewaltpolitik
in
den
wichtigsten
Handelsangelegenheiten. Die Vereinigten Staaten
ermuntern die europäischen Länder zur Abrüstung, sind
jedoch selbst in einem umfassenden Prozess einseitiger
Aufrüstung begriffen. Sie wollen die NATO so weit wie
möglich nach Osten ausdehnen, ohne jedoch deren
Kommandostrukturen zu ändern. Sie treten für eine
umfassende Einmischung in die Angelegenheiten
anderer Staaten ein, lehnen jedoch jeden Rat ab, sobald
es um ihre eigenen Angelegenheiten geht. Diese Politik
erklärt sich allein aus einer Großmachtlogik heraus. Die
Europäer allerdings müssen recht schwach, ich würde
sogar sagen, feige sein, wenn sie diese eindeutige
Sachlage nicht wahrnehmen wollen. Die Vereinigten
Staaten wollen keinen Partner. Sie akzeptieren nur
Handlanger. Ihr Gebaren ist schlicht und einfach das
einer Großmacht.
Indem dieser Weltbeherrscher ein wahnwitziges System
verherrlicht, mit dem weltweit alle menschlichen
Aktivitäten allein dem Profitgesetz, d. h. dem Gesetz der
Macht, untergeordnet werden sollen, ist er zu einem
großen Teil für das Elend auf dieser Welt
verantwortlich. Unter diesem Gesichtspunkt kommt für
Europa nur eine Politik in Frage: eine Politik, die auf die
Wiederherstellung des Gleichgewichts zielt, andernfalls
wird Europa zu einem bloßen Anhängsel degradiert. Die
Wiederherstellung des Gleichgewichts erfordert eine
mutige und ehrliche Politik, die wir nicht nur den
einzelnen europäischen Nationen, sondern Europa als
Ganzem und letztendlich auch dem Gedanken der
Freiheit in der Welt schulden.
3-176
Bonino (NI). – (IT) Herr Präsident, verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Als überzeugte Verfechterin
des Europagedanken und überzeugte Freundin der USA
habe ich mich insbesondere seit nunmehr 10 Jahren
hartnäckig und bewusst für die Notwendigkeit der
Schaffung
des
Internationalen
Strafgerichtshofs
eingesetzt und, vor allem aufgrund der Bedeutung dieser
Einrichtung, nie angenommen, dass sie ohne Probleme
in den Dienst gestellt werden könnte. Ich bin immer
davon ausgegangen, dass dieses Instrument, eben weil es
eine weltbewegende Veränderung markiert, sicher auf
Widerstand jeder Art stoßen würde: den offenen und
unverhohlenen, obschon unakzeptablen Widerstand
unserer amerikanischen Freunde, doch auch den
Widerstand von anderen; vergessen wir nicht die
Feindseligkeit und Verschleppungspolitik anderer
03/07/2002
Großmächte, die mit internen Problemen oder sogar
Verbrechen konfrontiert sind – ich spreche von unseren
chinesischen Freunden, aber auch von anderen – und
sich der Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs
ebenfalls widersetzen, ohne jedoch zu einer würdevollen
und offenen Auseinandersetzung fähig zu sein.
Deshalb ist es wichtig, unter Verbündeten eine
Diskussion und Debatte mit gegenseitigem Respekt zu
führen, ohne zu versuchen, eine wie auch immer geartete
überlegene Rechtskultur geltend zu machen, wobei wir
jedoch entschlossen sind, unseren Standpunkt zu
behaupten. Und mit dem gebotenen Respekt vor der USRegierung möchte ich diese daran erinnern, dass der
Internationale Strafgerichtshof ein Instrument ist, das die
Zeiten überdauern soll, während die politischen
Führungen von ihrer Bestimmung her wechseln.
Vielleicht besteht unsere Aufgabe auch darin, alles in
unseren Kräften Stehende für die Wirksamkeit dieses
Instruments zu tun, weil wir davon überzeugt sind,
künftige Regierungen unserer amerikanischen Freunde
könnten eventuell anderer Auffassung sein und selbst
auf das Instrument zurückgreifen, das wir ihnen bieten.
Wie der Rat zu Recht festgestellt hat, geschieht derzeit
etwas Ähnliches in Bezug auf die Frage der Todesstrafe,
wo der Dialog zu wichtigen Fortschritten seitens des
Federal Court geführt hat.
Dies vorausgeschickt, interessiert mich die Diskussion
darüber, ob wir vor einer irreversiblen Spaltung des so
genannten Westens stehen, herzlich wenig. Ich möchte
vielmehr wissen, wie es weitergehen soll. Diesbezüglich
scheinen sich zwei wichtige Antworten abzuzeichnen.
Als Erstes sei darauf hingewiesen, dass die Anzahl der
Staaten, die das Statut des IStGH ratifiziert haben, stetig
wächst. Während es am 11. April noch 66 Länder waren,
ist ihre Zahl in etwas mehr als zwei Monaten auf 76
gestiegen. Und zweitens sei festgestellt, dass alles von
uns abhängt. Heute geht es um die Frage, ob wir
Europäer wirklich danach streben und imstande sind, die
Verantwortung und damit auch die wirtschaftlichen und
die Personalkosten zu übernehmen, um beispielsweise
bei den Friedensmissionen voranzukommen. Ich fürchte
nämlich, das eigentliche Ziel unserer amerikanischen
Freunde besteht nicht in der Vereitelung des
Internationalen Strafgerichtshofs, sondern vielmehr
darin, sich aus den friedenserhaltenden Missionen
herauszuhalten und somit gewissermaßen das System
der Vereinten Nationen zu untergraben.
Ich weiß, dass unsere Botschafter in New York
unermüdliche Verhandlungen führen, bei denen sie
energisch auftreten, ohne jedoch unflexibel zu sein. Ein
größerer Betrag, den wir leisten müssen und können,
besteht jedoch meines Erachtens darin, an unseren
Überzeugungen festzuhalten und bereit zu sein, die
Kosten und Verantwortung dafür zu übernehmen. Je
mehr wir europäische Interessen vertreten, desto besser
wird es uns gelingen, hilfreiche Mittel anzubieten,
gewiss nicht, um den Dialog zu verteufeln, sondern
vielmehr, um ihn zu fördern und das Bündnis mit den
Vereinigten Staaten, das ich als strategisch und
unverzichtbar für uns betrachte, zu bewahren.
69
3-177
Tannock (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, mir ist klar,
dass die meisten Redner heute die Vereinigten Staaten
kritisieren werden, aber natürlich kein Wort über Indien,
China, Russland und Sri Lanka verlieren werden. Sie
werden vielleicht auch Kritik an Israel üben. Dies sind
die Länder, die Einwände gegen das Römische Statut
vorgebracht oder dessen Ratifizierung verweigert haben.
Das Verhalten der USA im Sicherheitsrat wird den
Einsatz in Bosnien nicht gefährden, doch macht es
deutlich, wie groß die Besorgnis in Amerika ist. Die
größte Sorge ist, dass amerikanische Zivilisten und
hochrangige Militärs für schwere Straftaten zur
Rechenschaft gezogen werden könnten, die im Ausland
von Angehörigen der Streitkräfte begangen worden sind.
Die erweiterte Definition des Begriffs Kriegsverbrechen
im Statut und die sehr viel ungenauere Definition der
Verantwortlichkeit im Rahmen der Befehlsstrukturen,
die weiter gefasst ist als bei den Nürnberger Prozessen,
hat zur Folge, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit
besteht, dass Donald Rumsfeld oder sein Nachfolger bei
einem Besuch in Paris für Verbrechen verhaftet wird, die
seine Untergebenen begangen haben, an denen er nicht
beteiligt war, für die er nicht den Befehl erteilt hat, von
denen er vorher nicht einmal Kenntnis hatte und für die
er vor einem amerikanischen Gericht niemals angeklagt
würde.
Einige mögen denken, dass dies im Widerspruch zum
natürlichen Rechtsempfinden steht. Natürlich muss man
auch sehen, dass liberale Regierungen sowie Vertreter
der internationalen Zivilgesellschaft und Befürworter der
universellen Gerichtsbarkeit, wie zum Beispiel Amnesty
International,
die
Einrichtung
des
IStGH
uneingeschränkt unterstützt und gleichzeitig dafür
gesorgt haben, dass so gut wie keine öffentliche Debatte
über die Mängel dieses Strafgerichtshofs und den
möglichen politischen Schaden stattfindet, der den
Amerikanern dadurch entstehen könnte.
Darüber hinaus bestehen weitere Probleme. Es ist
zumindest nicht ganz von der Hand zu weisen, dass
Terroristen
von
einigen
Bestimmungen
des
Strafgerichtshofs ausgenommen sind und dass die
Gefahr besteht, dass der Justiz Vorrang gegenüber der
Gewährung von Amnestie eingeräumt wird, obwohl
gerade dies zum lang ersehnten Frieden und zur
Versöhnung in Ländern wie Angola, Südafrika,
Sri Lanka oder Kolumbien beiträgt.
Die internationale Gerichtsbarkeit ist ein ehrenwerter
Grundsatz, aber die Besorgnis, die auf amerikanischer
Seite besteht, ist sehr realistisch und schwerwiegend.
Amerika ist als souveräner Staat durchaus berechtigt, das
ASPA zu verabschieden und Artikel 98 Ziffer 2 des
Römischen Statuts anzuwenden, aber Amerika hat
natürlich nicht das Recht, Gewalt gegen europäische
Staaten, wie zum Beispiel die Niederlande, anzuwenden.
Wir sollten versuchen, diesen Befürchtungen Rechnung
zu tragen, wenn nötig, sollten wir dazu das Statut des
IStGH ändern, um die Bestimmungen über die
70
Verantwortlichkeit im Rahmen der Befehlsstrukturen
klarer zu definieren, und wir sollten dem UNSicherheitsrat
eine
Mitentscheidungsrolle
im
Strafverfolgungsprozess einräumen.
3-178
van den Berg (PSE). – (NL) Herr Präsident! Auch ich
bin froh, dass Herr Tannock nicht in die Niederlande
einfallen will, möchte mich aber gleichwohl Herrn
Oostlander anschließen und Präsident Bush in seiner
Funktion als chief in command einladen, als Erster an
der Küste der Niederlande, am Strand von
Scheveningen, den jungen holländischen Matjes in
Empfang zu nehmen. Eine solche Invasion der Heringe
dient dem goodwill der internationalen Koalition gegen
den Terror meines Erachtens mehr als die Drohung, in
Europa einzufallen, um eventuell amerikanische
Soldaten zu befreien. Soldaten, denen Verbrechen gegen
die Menschlichkeit vorgeworfen werden und die dem
Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überstellt
wurden, der mit Unterstützung von 133 Ländern am
Montag dieser Woche seine Arbeit aufgenommen hat.
Herr Präsident, die Vereinigten Staaten wollen ihre
peace keepers und Soldaten offenbar über das Gesetz
stellen, und zwar unter Verstoß gegen die rule of law
und ungeachtet des Umstands, dass gemäß dem Vertrag
durchaus zunächst der Staat, der die peace keepers stellt,
dafür verantwortlich ist, selbst zu ermitteln und
Gerichtsverfahren einzuleiten. Der Internationale
Strafgerichtshof ist ein letzter Schritt. Er ist von
wesentlicher Bedeutung, um Kriegsverbrecher sowie die
Anführer der Regime, die Verbrechen gegen die
Menschlichkeit begehen, zu bestrafen. Gerade eine
glaubwürdige Koalition gegen den Terrorismus wird
dadurch unterminiert, dass internationale Straflosigkeit
bestehen bleibt.
03/07/2002
3-179
Plooij-van Gorsel (ELDR). – (NL) Vielen Dank, Herr
Präsident, Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister
Haarder. Der Internationale Strafgerichtshof ist offiziell
eine Tatsache. Fast vier Jahre, nachdem 120 Länder dem
Statut von Rom und der Gründung des Gerichtshofs
zugestimmt haben, hat das Tribunal gestern, am 1. Juli
2002, in Den Haag seine Tore geöffnet.
Die Europäische Union ist erfreulicherweise ein
vehementer Befürworter des Strafgerichtshofs, die
Vereinigten Staaten sind jedoch sein schärfster Gegner.
Die Amerikaner betreiben inzwischen eine Kampagne
gegen den Strafgerichtshof um zu verhindern, dass USStaatsbürger oder -Soldaten jemals vor dieses Gericht
gestellt werden können, und sie schrecken dabei nicht
vor Drohungen zurück, beispielsweise das UNPolizeikorps in Bosnien dafür eventuell ganz zu opfern.
Meine Fraktion lehnt die Kampagne der Vereinigten
Staaten gegen den Internationalen Strafgerichtshof
entschieden ab. Das so genannte Hague Invasion Bill ist
ein eklatanter Verstoß gegen die Vereinbarungen
zwischen den NATO-Bündnispartnern. Einst, im Jahr
1945, waren die Amerikaner unsere Befreier, und jetzt
drohen sie mit einer Invasion in Scheveningen. Auch ich
gönne ihnen den jungen holländischen Matjes, Kollege
van den Berg.
Worüber regen sich die Amerikaner eigentlich so auf?
Hat die US-Regierung kein Vertrauen in ihre eigene
Rechtsordnung? Der Gerichtshof wird ja doch erst dann
tätig, wenn der betreffende Staat selbst nichts oder kaum
etwas unternimmt, um das Verbrechen zu sühnen.
Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, zwei Dinge
muss Europa verhindern.
Wenn super power bedeutet, über dem Gesetz zu stehen,
befinden wir uns ganz klar auf dem falschen Weg. Die
USA spielen mit dem Feuer, und das ist ein Grund mehr
für Europa, entschlossen aufzutreten, entschlossener als
Herr Minister Haarder soeben sagte, und unseren
Bündnispartner mit allen diplomatischen Mitteln unter
Druck zu setzen. Europa muss dabei mit einer Stimme
sprechen, den Nachdruck auf ein umfassenderes
Sicherheitskonzept legen und solche Punkte wie
Prävention und zivile Elemente herausstellen. Präsident
Bush möchte in der Welt bisweilen Cowboy spielen,
droht aber, seine eigenen peace makers zu outlaws zu
machen. Das fügt sich schlecht in die amerikanische
Geschichte ein, in der die rule of law nun für alle gilt,
ohne Ansehen von Religion, Rasse oder Herkunft. Das
muss auch für die Amerikaner weltweit gelten. Dazu
benötigen wir eine internationale Koalition, dazu dient
der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag.
Diese Woche zeigte sich, dass die Mission der Vereinten
Nationen in Bosnien auf dem Spiel steht. Meine Fraktion
bedauert diesen dramatischen Schritt zutiefst, denn er
stellt eine Bedrohung der UN-Friedensmissionen
generell dar. Die NATO ist daher zu Recht zu einer
Sondersitzung zusammengetreten, zurzeit liegt eine
praktische Lösung für Bosnien allerdings in greifbarer
Nähe; auf keinen Fall aber darf dieser Konflikt alle
künftigen UN-Friedensaktionen gefährden.
Präsident Bush, ich appelliere eindringlich an Sie als
chief in command, in die internationale Koalition für
eine weltweite Rechtsordnung zurückzukehren. Sie sind
herzlich willkommen an unseren Stränden, und wir
werden Ihnen mit Freude unseren jungen holländischen
Matjes anbieten.
3-180
Das bringt mich zu meinem letzten Punkt. Der Streit
über den Strafgerichtshof kann die Kluft zwischen der
Europäischen Union und den Vereinigten Staaten
vertiefen. Ich appelliere sowohl an den Ministerrat unter
dänischem Vorsitz als auch an die Kommission, alles
daran zu setzen, damit die Beziehungen zu den USA im
Interesse der Union und der USA sowie im Interesse der
restlichen Welt so gut wie möglich bleiben.
Meijer (GUE/NGL). – (NL) Herr Präsident! Seit
einigen Tagen richtet sich die Aufmerksamkeit vor allem
auf die Weigerung der USA, im UN-Sicherheitsrat dem
Einsatz bzw. der Beibehaltung jedweder Friedenstruppe
zuzustimmen. Das ist ein Druckmittel, um die Immunität
amerikanischer Soldaten vor internationaler Verfolgung
03/07/2002
wegen Kriegsverbrechen zu erzwingen. Das lässt uns
offensichtlich vergessen, dass der Konflikt mit der
Bedrohung eines Mitgliedstaats der Europäischen Union
begonnen hat, da dort der Internationale Strafgerichtshof
seinen Sitz hat. Der US-Senat einigte sich bereits
Anfang Juni auf die Möglichkeit einer militärischen
Invasion in die Niederlande, um amerikanische
Gefangene in Den Haag zu befreien.
Nach der Weigerung, das Kyoto-Klimaschutzabkommen
zu unterzeichnen und chemische sowie bakteriologische
Waffen zu ächten, und nach der Besteuerung von
Stahlimporten ist dies der soundsovielte große Schritt,
mit dem sich die US-Regierung gegen die ganze Welt
stellen will. Von anderen werden Kooperation und
Disziplin im Kampf gegen den Terrorismus gefordert,
Amerika geht selbst jedoch seine eigenen Wege. Für uns
in Europa wird es höchste Zeit zu begreifen, dass man
mit einem solchen Land, mit einer solchen Regierung,
keine Abkommen über eine enge Zusammenarbeit
treffen oder einhalten kann. Ich denke, Herr Haarder
unterschätzt die wachsende Kluft. Wenn wir es auf diese
Art und Weise angehen, wird Europa letztlich den USA
nachgeben müssen, und das wäre der denkbar
schlechteste Weg.
3-181
Maes (Verts/ALE). – (NL) Herr Präsident, Herr
Ratspräsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Unter dem Eindruck der dramatischen
Ereignisse in Ruanda hat Belgien seinerzeit ein Gesetz
verabschiedet, das es ermöglichen sollte, Personen, die
sich des Völkermords schuldig gemacht haben, auf
belgischem Territorium zu bestrafen. Aber das ist nur
ein Mosaiksteinchen Gesetzgebung. Wir benötigen eine
internationale Rechtsordnung, in der der Internationale
Strafgerichtshof einen sehr wichtigen Stützpfeiler
darstellt. Hier wird auf die Vereinigten Staaten
hingewiesen und auf verschiedene Gegebenheiten, die
beweisen, dass sich die USA gemeinschaftlichen
Verpflichtungen entziehen, die wir aber durchaus
übernehmen wollen. Der Herr Kommissar hat dazu
aufgerufen, den Dialog mit unseren Kolleginnen und
Kollegen in den USA aufzunehmen.
Ich wende mich an den Präsidenten dieses Parlaments.
Ich bin besorgt über das wachsende Ausmaß, in dem die
Parlamente in Europa und das Parlament sowie die
öffentliche Meinung in den USA offensichtlich
auseinander driften. Wäre es nicht ein vernünftiger
Vorschlag, unsere Delegation für die Beziehungen mit
den Vereinigten Staaten oder einen Sonderausschuss
zum Abgeordnetenhaus in den USA zu entsenden, um
gemeinsam über diese Fragen zu sprechen? Man kann
natürlich auch hoffen, etwas zu erreichen, indem wir die
etwas übertriebene Haltung ins Lächerliche ziehen.
Allerdings können wir mit einem formellen Auftreten
sicherlich bessere Ergebnisse erzielen, und die sind
erforderlich.
71
fest, weil, wie Sie wissen, in den Vereinigten Staaten am
4. November die so genannten Midterm-Wahlen
stattfinden, wodurch das Ganze natürlich etwas
problematischer wird.
3-183
Mann, Erika (PSE). – Herr Präsident, verehrte
Kollegen, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar! Die
Distanzierung
der
Vereinigten
Staaten
vom
Internationalen Criminal Court und ihre Ankündigung
am vergangenen Sonntag im Weltsicherheitsrat, sich nur
dann weiter an UN-Missionen zu beteiligen, wenn ihrem
Militär Immunität versprochen wird, verstärkt den
Eindruck, dass die Vereinigten Staaten in bestimmten
Bereichen die Institutionalisierung internationaler Politik
kritischer bewerten als die Europäische Union. Nach
dem Krieg waren es die Vereinigten Staaten, die durch
die Schaffung von internationalen Institutionen dazu
beitrugen, eine Weltordnung zu etablieren. Mehr noch,
internationale Gerechtigkeit war das Motto damals.
Heute sind es die Vereinigten Staaten, die durch ihren
Rückzug aus internationalen Verträgen die Akzeptanz
von international gültigen Pflichten und Rechten in
Frage stellen.
Verehrte Kollegen, Herr Kommissar und Herr
Ratspräsident, ich würde Sie und uns alle gerne fragen,
warum das der Fall ist. Es gibt ja einen Grund, und ich
habe ein Dokument vor mir liegen, und zwar vom
August 2000, mit dem Titel „Implications for U.S.
Cooperation with the ICC - the American Service
Members' Protection Act of 2000“. Ich frage mich,
warum wir eigentlich diese Diskussion heute führen. Wir
haben bereits vor einigen Jahren ein Early Warning
System institutionalisiert, aber es scheint nicht zu
funktionieren. Es sieht so aus, als würden regelmäßig
Gespräche stattfinden, aber die Methoden der Analysen
scheinen unterschiedlich zu sein, wir scheinen nicht
zuzuhören, wir scheinen unsere Probleme gegenseitig
nicht rechtzeitig zu bewerten, und wir scheinen auch
nicht dazuzukommen, dass wir wirklich aufeinander
hören.
Wo liegt also das Problem? Ich würde Sie auffordern,
und besonders den Ratspräsidenten, aber auch die
Kommission, dafür zu sorgen, dass das Early Warning
System rechtzeitig funktioniert. Ich denke, der Vorschlag
unserer Kollegin Maes ist exzellent, wir sollten in der
Tat bei den nächsten Veranstaltungen, die wir mit den
Amerikanern haben, darauf hinweisen, dass wir bessere
Systeme brauchen, so dass diese auch tatsächlich
funktionieren.
Was ich befürchte, ist nicht ein transatlantic divide, von
dem wir sprechen, sondern ein transatlantic clash, und
die vielbeschworenen Werte, von denen wir immer
sprechen, wage ich in Zweifel zu stellen. Ich möchte Sie,
Herr Ratspräsident und Herr Kommissar Byrne,
inständig bitten, diesen Punkt sehr ernst zu nehmen.
3-182
3-184
Der Präsident. – Frau Maes, die Delegation ist vor
kurzem zusammengekommen und hat für November
einen Besuch geplant. Das Programm steht noch nicht
Schörling (Verts/ALE).  (SV) Herr Präsident! Ein
Traum ging in Erfüllung, als der Internationale
Strafgerichtshof zu Beginn dieser Woche seine Arbeit
72
aufnahm. Er ist eine Einrichtung im Dienste des
Humanismus mit der Aufgabe, Kriegsverbrecher vor
Gericht zu stellen, Völkermord zu bestrafen und
internationale Verbrecher zur Rechenschaft zu ziehen.
Es ist unverständlich und zu bedauern, dass sich die
Vereinigten Staaten von einer solchen Institution
distanzieren und sogar versuchen, deren Arbeit zu
behindern. Eine derart selbstherrliche und gefährliche
Machtpolitik untergräbt nicht nur die Beziehungen zu
Europa, sondern – was noch viel schlimmer ist –
schwächt den Internationalen Strafgerichtshof bis hin zur
Gefährdung seiner Existenz. Darüber hinaus leiden
darunter auch die Glaubwürdigkeit und der
Handlungsspielraum der Vereinten Nationen und der
Internationalen Gemeinschaft.
Heute haben die USA dem Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen offenbar eine neue Resolution vorgelegt, die
sich auf Artikel 16 stützt und vermutlich auch von
Großbritannien befürwortet wird. Laut Aussage der
Koalition für den Internationalen Strafgerichtshof stellt
dieser neue Vorschlag eine Gefährdung vitaler Teile des
Römischen Statuts dar. Ich appelliere an die
Kommission und den Rat, die Mitgliedstaaten
aufzufordern, an den gefassten Beschlüssen festzuhalten
und die Vereinten Nationen und den Internationalen
Strafgerichtshof zu verteidigen.
03/07/2002
und unverantwortlichen Weg eingeschlagen, worauf die
Europäische Union kraftvoll reagieren muss.
3-186
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, ich denke, wir
können heute weitgehende Übereinstimmung zwischen
Rat und Parlament zu diesem Thema feststellen. Europa
als Einheit ersucht die Amerikaner, ihre Entscheidung
noch einmal zu überdenken, weil wir sie nicht verstehen
können. Es ist ein Appell von Freunden, die diese Sache
sehr ernst nehmen. Wir werden alles tun, um unseren
Einfluss auf die USA geltend zu machen, und ich kann
Frau Erika Mann mitteilen, dass der Rat das „Early
Warning System“ tatsächlich angewendet, es aber keine
Wirkung gezeigt hat. Der Rat und seine Mitglieder
werden
sich
beispielsweise
auf
der
UNGeneralversammlung in New York weiterhin dafür
einsetzen.
Ich freue mich, dass so viele über die gemeinsamen
Werte gesprochen haben, die uns über den Atlantik
hinweg miteinander verbinden. Wir sollten den USA
keine weitreichenderen Motive unterstellen, als sie
tatsächlich haben. Auch ist festzustellen, dass die USA
alle Überlegungen zu einer Invasion der Niederlande
eindeutig zurückgewiesen und klar gemacht haben, dass
sie die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs nicht
behindern wollen.
3-185
Theorin (PSE).  (SV) Herr Präsident! Vier Jahre lang
haben wir in der Organisation Parlamentarians for
Global Action (PGA) mit 1 400 Mitgliedern von
Parlamenten in der ganzen Welt für eine Ratifizierung
des Internationalen Strafgerichtshofs gearbeitet. Mit
großer Freude nehmen wir zur Kenntnis, dass dieser
Strafgerichtshof am 1. Juli dieses Jahres seine Arbeit
aufgenommen hat. Im Jahre 1998 stimmten 120 Staaten
für eine solche Institution – nur sieben sprachen sich
gegen sie aus, darunter die USA. Bis heute haben 76
Staaten den Internationalen Strafgerichtshof ratifiziert.
Der Strafgerichtshof ist ein wichtiges Instrument zur
Stärkung des internationalen Rechts mit rechtlichen
Mitteln. Kein Land, kein Herrscher, keine Regierung
kann ungestraft schwere Verstöße gegen internationales
Recht wie Völkermord, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Kriegsverbrechen begehen. Es ist
befremdend, dass sich ein Land mit so tief verwurzelten
Rechtstraditionen und so vielen Anwälten pro
Quadratmeter wie die USA vorstellen kann, die eigenen
Staatsbürger von der Strafverfolgung für solch schwere
Verbrechen zu befreien. Was haben die Vereinigten
Staaten zu verheimlichen? Welche Verbrecher will man
damit schützen?
Den Friedenstruppen generelle Straffreiheit zu
gewähren, hätte für die Frauen verheerende Folgen.
Vergewaltigungen,
sexueller
Missbrauch
und
erzwungene Schwangerschaften, leider auch durch die
Friedenstruppen verübt, würden so legalisiert. Durch ihr
Auftreten geben die USA der Welt Besorgnis erregende
Signale. Präsident George Bush hat einen gefährlichen
Es ist jetzt unsere Aufgabe, den Strafgerichtshof
weiterhin
nachdrücklich
zu
unterstützen
und
sicherzustellen, dass er funktioniert und dass die
friedenserhaltenden Maßnahmen der Vereinten Nationen
auch künftig – und zwar mit amerikanischer Beteiligung
– effektiv durchgeführt werden können.
Was das aktuelle Problem der UN-Polizeikräfte in
Bosnien angeht, so haben wir bekanntlich ihre
Übernahme zum 1.1.2003 vereinbart, und ich möchte
Herrn Lagendijk sagen, dass der Rat die Mittel zur
Verfügung stellen wird, wenn wir die Polizeikräfte als
Folge dieser Auseinandersetzung früher übernehmen
sollten.
Zum Schluss ein Wort an Frau Erika Mann, von deren
Engagement in der Delegation für die Beziehungen zu
den Vereinigten Staaten ich mich selbst überzeugen
konnte. Die Delegation sollte aus gegebenem Anlass
über eine Verbesserung des „Early Warning System“,
das dort erörtert wurde, nachdenken. Die hier diskutierte
Initiative kommt ja vom Parlament – also vom Kongress
– der USA, und deshalb halte ich alle Überlegungen von
Frau Mann für äußerst wichtig. Im Übrigen möchte ich
aber dem Parlament keine Ratschläge erteilen. Ich wollte
lediglich das Engagement von Frau Mann sowie dieser
Delegation des Parlaments, die sich um eine
Verbesserung der Beziehungen zum amerikanischen
Kongress bemühen, lobend erwähnen.
3-187
Byrne, Kommission. – (EN) Ich danke dem Parlament
für die ausdrückliche Unterstützung der Politik der
Kommission in dieser ganz besonders schwierigen
Frage, zu der ich und andere Stellung genommen und
03/07/2002
dies, wenn ich so sagen darf, mit einem beträchtlichen
Maß an Eloquenz und Leidenschaft geäußert haben. Die
Tatsache, dass praktisch alle Redner dieselbe Position
vertreten haben, wird von der Kommission ebenfalls als
Unterstützung für die von ihr angekündigte Politik
verstanden.
Mehrere Redner haben bestimmte Punkte angesprochen,
auf die ich eingehen möchte. Frau Bonino fragte, welche
Schritte als nächstes folgen werden und bezog sich dabei
speziell auf den Kostenaspekt. Natürlich wäre es ein sehr
ernsthaftes Problem, wenn im Zusammenhang mit dem
UN-Mandat für Friedensmissionen Schwierigkeiten
auftreten würden. Dafür muss eine Lösung gefunden
werden, und dies gilt ganz besonders für den
Kostenaspekt. Ich weiß, dass darüber bereits diskutiert
wird und dass derzeit verschiedene Möglichkeiten in
Bezug auf diese Frage geprüft werden. Es muss eine
Lösung gefunden werden, aber eine gute Lösung wird
nicht leicht zu finden sein.
Ich möchte auf die Frage von Frau Maes eingehen, ob
die Möglichkeit besteht, dass eine Delegation des
Europäischen Parlaments in die Vereinigten Staaten
reist, um diese Probleme mit den amerikanischen
Kollegen zu erörtern. Lassen Sie mich sagen, dass dies
aus der Sicht der Kommission eine Entwicklung wäre,
welche die Kommission uneingeschränkt unterstützen
und begrüßen würde. Die Kommission ist der
Auffassung, dass ein solcher Schritt durchaus von
Nutzen sein könnte.
Unsere Aufgabe besteht nun darin, den IStGH, der seine
Arbeit erst vor zwei Tagen aufgenommen hat,
umfassend zu unterstützen, in der Hoffnung, dass er
seine Aufgaben so wahrnehmen kann, dass diejenigen an
seinen Erfolg glauben, die hinter ihm stehen und der
Einrichtung dieses Strafgerichtshofs zugestimmt haben.
3-188
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Kommissar.
Ich teile mit, dass ich gemäß Artikel 37 Absatz 2 der
Geschäftsordnung fünf Entschließungsanträge erhalten
habe.3
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
3-189
Teilnutzungsrechte an Immobilien
3-190
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Aussprache über den Bericht (A5-0215/2002) von Herrn
Medina Ortega im Namen des Ausschusses für Recht
und Binnenmarkt über die Beobachtung der
Gemeinschaftspolitik im Bereich des Schutzes der
Erwerber von Teilnutzungsrechten an Immobilien
(Richtlinie 94/47/EG) (2000/2208(INI)).
3
Siehe Protokoll.
73
3-191
Medina Ortega (PSE), Berichterstatter. – (ES) Herr
Präsident, zu diesem Bericht muss ich sagen, dass mir
lediglich der abschließende Part des „Todesstoßes“
zukommt – um bei einem Vergleich aus dem Stierkampf
zu bleiben, von dem ich nicht weiß, ob er in diesem
Hause verstanden wird –, denn ein ganzes Jahr lang –
vom 1. Januar 2001 bis zum 1. Januar 2002 – war Herr
Marinho Berichterstatter, doch musste er dieses Amt
später aufgeben; er hatte also die gesamte Vorarbeit
geleistet, und mir kam in der Schlussphase lediglich die
Aufgabe zu, die eingebrachten Änderungsanträge zu
sammeln und irgendeine Form des Kompromisses zu
finden. Am Ende gab es etwa sechzig Änderungsanträge.
Unter der Federführung von Herrn Marinho fand im
Ausschuss für Recht und Binnenmarkt eine Anhörung
statt, und es wurde eine erste und dann eine zweite Frist
für die Einreichung von Änderungsanträgen festgesetzt.
Meine
Aufgabe
bestand
allein
darin,
sie
zusammenzustellen.
Die Richtlinie über Teilnutzungsrechte an Immobilien
wurde 1994 im Mitentscheidungsverfahren gebilligt, und
mir kam die Aufgabe des Berichterstatters dieses
Parlaments über diese Richtlinie zu. Die Richtlinie
brauchte im Prinzip drei Jahre, um in Kraft zu treten,
doch in vielen Ländern wurde sie ein Jahr lang
verzögert. Im Übrigen muss ich mit Genugtuung darauf
hinweisen, dass der Oberste Gerichtshof Spaniens
kürzlich
die
spanische
Regierung
zu
Schadenersatzleistungen an einzelne Verbraucher der
Gemeinschaft für die von ihr zu verantwortende
Verzögerung bei der Umsetzung der Richtlinie verurteilt
hat. Meiner Ansicht nach ist dies ein positiver
Präzedenzfall in der Rechtsprechung, der den Richtlinien
der Gemeinschaft größere Geltung verschafft.
Die gegenwärtige Richtlinie ist eine Richtlinie mit
Mindestvorschriften. Es wurden darin gewisse
Informationspflichten sowie eine Möglichkeit für den
Erwerber, den Vertragschließenden, festgelegt, binnen
einer Frist von 10 Tagen von dem Vertrag
zurückzutreten und die Rückerstattung der geleisteten
Zahlungen zu verlangen. Da es sich nun um eine
Richtlinie mit Mindestvorschriften handelte, konnte sie
selbstverständlich auch nicht alle aufkommenden Fragen
lösen. In den letzten beiden Jahren ist im Rahmen der
Debatte über dieses Thema im Ausschuss für Recht und
Binnenmarkt deutlich geworden, dass das gegenwärtige
System für viele Bürgerinnen und Bürger der
Gemeinschaft Nachteile mit sich bringt und insofern
eine Ergänzung des uns zur Verfügung stehenden
Instrumentariums sinnvoll wäre.
Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht stoßen wir dabei
vielleicht auf die ein oder andere Schwierigkeit. Das
Problem liegt in der heute von allen Institutionen der
Gemeinschaft geteilten Sorge um einen sparsamen
Umgang mit dem Instrument der gesetzlichen Regelung.
Wir haben den Bericht Mandelkern des Rates, wir haben
die Vorschläge der Kommission für das europäische
Regieren und die Verbesserung der gemeinschaftlichen
74
Regulierung, und schließlich haben wir die
Vereinbarungen des Europäischen Rates von Sevilla, in
denen die Notwendigkeit unterstrichen wird, unter
Mitwirkung gerade des Europäischen Parlaments auf
diesem Gebiet voranzukommen. Überdies weist die
vorliegende Richtlinie die Besonderheit auf, dass sie sich
auf
privatrechtliches,
vertragsrechtliches,
immobilienrechtliches Terrain begibt, und dieses Terrain
gilt
traditionell
als
Kompetenzbereich
der
Mitgliedstaaten. Wir haben also keinen einfachen Weg
vor uns. Einerseits handelt es sich meiner Ansicht nach
um eine offenkundig gemeinschaftliche Materie, da es
um Vermögenswerte geht, die an Staatsbürger der
Gemeinschaft in einem Land veräußert werden, und
dabei später Haftungsfragen auftauchen können;
andererseits handelt es sich – wie ich bereits dargelegt
habe – um eine privatrechtliche Materie, die man im
Regelfall nicht dem gemeinschaftlichen Bereich
zuordnen würde.
Darüber hinaus stellt sich die Frage nach dem möglichen
Nutzen bzw. den Grenzen des Gesetzgebungsverfahrens.
Unter anderem wurde die Überlegung vorgebracht, dass
auf diesem Gebiet andere Maßnahmen sinnvoll sein
könnten, z. B. eine Zusammenarbeit zwischen den
Mitgliedstaaten, um gegen diejenigen Formen der
Geldwäsche vorzugehen, die bei einigen TimesharingGesellschaften auftreten, oder einfach nur gegen einige
Formen des Betrugs und Ähnliches. Auch ist von der
Möglichkeit die Rede, auf Koregulierungs-, auf
Selbstregulierungsverfahren
zurückzugreifen,
z. B.
durch ein Zulassungssystem für Veranstalter in dieser
Branche; es gibt eine ganze Reihe von Schwierigkeiten,
die sich in dem Bericht widerspiegeln.
Der Bericht des Parlaments ist ein Kompromiss. Von der
Kommission liegt eine detaillierte Studie vor, sie stammt
jedoch aus dem Jahre 1999. Meiner Meinung nach
besteht die grundlegende Schlussfolgerung darin, dass
wir die Kommission ersuchen müssen, sich erneut mit
der Materie auseinander zu setzen und uns
baldmöglichst Vorschläge legislativer oder auch nicht
legislativer Art vorzulegen.
Konkret haben wir bei der Prüfung des von der
Kommission verabschiedeten Berichts in Ziffer 20 einen
Fehler festgestellt: Darin wird auf bereits abgeschlossene
Verletzungsverfahren Bezug genommen, so dass dieser
Punkt 20 sinnlos geworden ist und gestrichen werden
müsste.
Ebenso
finden
sich
überflüssige
Wiederholungen in den Ziffern 6 und 7. Ich möchte
diesem Hause nahe legen, gegen diese drei Ziffern 6, 7
und 20 zu stimmen.
Was die eingereichten Änderungsanträge betrifft, so
gehen nach meinem Dafürhalten drei davon – die
Änderungsanträge 1, 2 und 3 der Abgeordneten
Bradbourn, Lehne und McCarthy, die sich auf die
Festlegung bestimmter Tage beziehen – für einen nicht
legislativen Text allzu sehr ins Detail. Schließlich halte
ich drei Änderungsanträge von Frau McCarthy, die
einige Informations- und Haftungsfragen klarstellen, für
richtig.
03/07/2002
Damit schließe ich meine Ausführungen und hoffe, dass
dieses Haus morgen den Berichtsentwurf annehmen
kann.
3-192
Bradbourn (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich freue
mich ganz besonders, dass ich heute zu diesem Bericht
Stellung nehmen kann, denn ich habe die Überarbeitung
der Richtlinie über Teilnutzungsrechte an Immobilien
mit großem Interesse verfolgt, nachdem ich zahlreiche
Beschwerden von verärgerten Urlaubern in meiner
Heimatregion im Vereinigten Königreich erhalten hatte,
die von manchmal skrupellosen Unternehmen dieser
Branche geschädigt wurden.
Im November vergangenen Jahres wurde vom
Ausschuss für Recht und Binnenmarkt eine öffentliche
Anhörung über das Thema Teilnutzungsrechte an
Immobilien initiiert, an der mehrere Bürger aus meinem
Wahlkreis teilnahmen, um direkt über ihre Erfahrungen
zu berichten. Ich freue mich, dass ich sagen kann, dass
viele der Probleme mittlerweile beseitigt werden
konnten, die bei dieser Anhörung sowohl in den
mündlichen Berichten als auch in dem schriftlichen
Bericht, den ich damals vorgelegt hatte, angesprochen
wurden.
Ein besonderes Problem ist die Zunahme der Zahl von
Ferienklubs oder Punktesystemen, die durch die Art
ihrer Mitgliedschaftsbestimmungen die bestehende
Gesetzgebung ausnutzen, in der keine Regelungen für
Verträge mit einer Laufzeit von unter drei Jahren
vorgesehen sind. Ich möchte dem Haus daher den
Vorschlag empfehlen, der die Erfassung aller derartigen
Verträge vorsieht, um so das derzeit bestehende
Schlupfloch zu schließen.
Darüber hinaus begrüße ich unseren Vorschlag, dass für
die Bekanntgabe von Einzelheiten über die Kreditkarte
dieselbe „Abkühlungszeit“ gelten sollte wie für andere
Anzahlungen. Ich habe bei Sprechstunden in meinem
Wahlkreis gehört, dass unschuldige Urlauber Schleppern
der
Timesharing-Branche
völlig
ahnungslos
Kreditkartenangaben machten und nach der Rückkehr
aus ihrem Urlaub feststellen mussten, dass erhebliche
Summen von ihrem Konto abgebucht waren. Wichtig ist
auch, dass die Verbraucher nach der endgültigen
Unterzeichnung von Verträgen ausreichend vor einem
unangemessenen Anstieg der Unterhaltskosten geschützt
werden und die Urlauber in den Fällen, in denen ein
Missbrauch
vorliegt,
ohne
großen
Aufwand
Entschädigungsansprüche geltend machen können.
Eine große Hürde für die Erlangung von Schadenersatz
sind die mit einer Klage verbundenen Kosten, die durch
oft langwierige Gerichtsverfahren in einem anderen
Land entstehen, mit dessen Verfahren die Geschädigten
nicht vertraut sind. Wir müssen daher nach neuen
Wegen zur Vereinfachung dieses Verfahrens suchen.
Vielleicht wäre es eine Lösung, wenn die Verbraucher
bei Beschwerden das Rechtssystem des eigenen Landes
nutzen könnten, wenn dies nötig ist.
03/07/2002
Diese Maßnahmen sind wichtige Schritte auf dem Weg
zu einem wirksamen Schutz der europäischen Urlauber,
die diese Art von Urlaubsleistungen erwerben. Der
vorliegende Bericht bietet jedoch keine Lösung für alle
bestehenden Probleme. Ich hoffe, dass die Mitglieder
meinen Änderungsantrag zur Verlängerung der
„Abkühlungszeit“ von derzeit 10 auf 28 Kalendertage
unterstützen können. Auf diese Weise hätten die
Betroffenen die Möglichkeit, nach der Rückkehr aus
ihrem Urlaub alle Fakten kühl und sachlich zu prüfen
und zu entscheiden, ob sie den geplanten Kauf
tatsächlich abschließen wollen.
Ich hoffe, dass die Kommission so schnell wie möglich
geeignete Vorschläge für Rechtsvorschriften vorlegen
kann, damit unsere EU-Bürger alle Formen des
Timesharing-Urlaubs ganz beruhigt genießen können.
3-193
Koukiadis (PSE). – (EL) Herr Präsident! Herr Medina
und Herr Marinho haben akribisch die Mängel der
gegenwärtigen
Gemeinschaftsgesetzgebung
zu
Teilnutzungsrechten an Immobilien aufgezeigt und
deutlich gemacht, dass sie, um Wirkung zeigen zu
können, nicht einseitig sein dürfen. Dieser Auffassung
schloss sich mehrheitlich auch der Ausschuss für Recht
und Binnenmarkt an. Deshalb sollte es eine einhellige
Zustimmung geben.
Der neue Legislativentwurf, der nach dem Bericht
vorgelegt wird, sollte erstens erschöpfende Antworten
auf die bisherigen Probleme der Verbraucher geben,
zweitens das Aushebeln der durch die EU-Rechtsetzung
festgeschriebenen Garantien verhindern und drittens alle
beteiligten Seiten absichern.
So ist es notwendig, in den Anwendungsbereich der
Richtlinie
alle
neuen
Vertragsformen
für
Teilnutzungsrechte an Immobilien einzubeziehen, ohne
dass dabei feste zeitliche Begrenzungen sowohl
hinsichtlich der Mindestdauer des Vertrags als auch der
jährlichen Nutzungszeit genannt werden. Außerdem
müssen Regeln geschaffen werden, und zwar erstens für
die Garantie, dass die Verkäufer ihren vertraglichen
Verpflichtungen
auch
bei
Konkurs
und
Zahlungsunfähigkeit über einen längeren Zeitraum
nachkommen,
sowie
die
Formulierung
von
Zulassungsbeschränkungen für die Veranstalter,
zweitens für das Recht des Verbrauchers und die
Verpflichtung
des
Unternehmens,
das
Teilzeitnutzungsrecht zu einem bestimmten Preis zu
kaufen bzw. zu verkaufen, sowie drittens für den Tausch
von Teilzeitnutzungsrechten.
Probleme haben in der Praxis auch die internationale
Rechtsprechung und das anzuwendende Recht bereitet.
Deshalb ist es wünschenswert, sowohl Klauseln, die auf
überseeische Gerichtsstände beziehungsweise ganz
einfach auf andere Gerichtsstände als den des Ortes, an
dem sich die Immobilie befindet, verweisen, als auch
diejenigen Klauseln zu verbieten, die sich auf das Recht
von Drittstaaten beziehen.
75
Wie bereits erwähnt, sind zur Vermeidung einseitiger
Regelungen gleichermaßen die Interessen der
Immobilienbesitzer zu berücksichtigen. Im Übrigen
muss diese Einrichtung auch als Motor für die
Entwicklung des Tourismus und die Beschäftigung von
Arbeitnehmern gesehen werden. Schließlich sollte im
Lichte der bisherigen Erfahrungen geprüft werden, ob
man eine EU-weite Informationskampagne starten kann,
um die einwandfrei arbeitenden Anbieter zu
unterstützen.
3-194
Wallis (ELDR). – (EN) Herr Präsident, ich möchte die
Kollegen bitten, sich folgende Situation vorzustellen: Sie
als intelligente und vernünftige Person machen
zusammen mit Ihrer älteren und gebrechlichen Mutter
Urlaub in einem anderen Land der EU. Sie finden sich
plötzlich in einem stickigen Raum unter völlig fremden
Menschen wieder, in dem Sie mehr als einen halben Tag
ohne oder mit nur einer dürftigen Erfrischung ausharren
müssen, weil ein großer Mann an der Tür steht und Sie
das Gefühl haben, nicht entkommen zu können. Sie
unterschreiben schließlich einen Vertrag und leisten eine
Anzahlung für ein Teilnutzungsprodukt, das Sie gar
nicht haben wollen. Bei Ihrer Rückkehr stellen Sie fest,
dass Sie die Anzahlung von mehreren tausend Pfund in
den Wind schreiben können und das Unternehmen, mit
dem Sie einen Vertrag geschlossen haben, eine in
irgendeiner Offshore-Oase registrierte Briefkastenfirma
ist. Sie haben keine Möglichkeit, Schadenersatz zu
erlangen. Ja, das ist eine wahre Geschichte. Wie viele
von uns haben traurige Geschichten wie diese von ihren
Wählern gehört, obwohl es eine Richtlinie zum Schutz
der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von
Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten
an Immobilien gibt?
Dieser Bericht kommt zur rechten Zeit. Seine Inhalte
müssen jetzt in die Tat umgesetzt werden, und dies darf
nicht durch weitere Studien und Berichte verzögert
werden.
Ich möchte aber auch zur Vorsicht mahnen. Während die
Fraktion der Liberalen und Demokratischen Partei
Europas dieses Paket an recht komplexen und
unterschiedlichen Gesetzesinitiativen und anderen
Maßnahmen unterstützt, bin ich nicht ganz davon
überzeugt, dass wir auf diese Weise das Problem in den
Griff bekommen können. Das Problem ist aus meiner
Sicht ganz einfach, dass diese Timesharing-Betrügereien
so erschreckend wie kaum eine andere Entwicklung
zeigen, dass wir keinen europäischen Rechtsraum haben
und dass wir es versäumt haben, einen solchen Raum zu
schaffen. Der grenzüberschreitende Zugang zum Recht
innerhalb des Binnenmarkts wird unseren Bürgern noch
immer durch zahlreiche Hürden erschwert. Fast nie oder
nur selten werden Bürger in ihren eigenen
Mitgliedstaaten Opfer dieser Betrügereien. Diese
Schurken wissen nur allzu gut, wie sie das Fehlen eines
europäischen Raums im Bereich des Zivilrechts
ausnutzen können. Wenn sie befürchten müssten, in
76
03/07/2002
ihren Heimatländern strafrechtlich verfolgt zu werden,
würden sie sich zweimal überlegen, was sie tun.
die mit den skandalösen Praktiken, die wir erlebt haben,
Schluss macht.
Ich betrachte Ziffer 15 des Berichts als guten
Ausgangspunkt für das Vorhaben, eine Einstufung dieser
Verträge als Verbraucherverträge zu erreichen.
Horizontale Ansätze wie dieser werden letztlich eine
Lösung des Problems ermöglichen. Wenn ein
ordnungsgemäßer grenzüberschreitender Zugang zur
Justiz besteht, werden es sich die Timesharing-Betrüger
gründlich überlegen, ob sie unsere Wähler im Urlaub
übers Ohr hauen.
Herr Präsident! Entweder geben wir uns Bestimmungen,
die – selbstverständlich ohne ein Übermaß an
Regulierung – die freie Entwicklung dieser Tätigkeit
ermöglichen, oder wir lassen alles, wie es ist, und finden
uns in einer offenen Informationsgesellschaft, in der wir
ja leben, mit allen gut gemeinten oder böswilligen
Angriffen gegen diese Branche ab, die sie im Bereich
der Wettbewerbsformen zerstören wollen, in denen sie
funktionieren muss. Unsere Entscheidung muss
zugunsten der Verbraucher, des Tourismus, der
Freizeitgestaltung, der Urlaubsmöglichkeit für alle und
der Achtung vor verantwortungsbewussten und
ehrlichen Veranstaltern ausfallen. In diesem Sinne
gratuliere ich dem Berichterstatter Manuel Medina
Ortega, der in diesem Dokument die Mängel, die in
einem zukünftigen Rechtstext zu beheben sind, klar und
deutlich benennt. Jetzt hat die Kommission die
Verantwortung und das Wort.
3-195
Marinho (PSE). – (PT) Herr Präsident! Zunächst
möchte ich mich für die freundlichen Worte des Herrn
Abgeordneten und Berichterstatters Manuel Medina
Ortega bedanken, muss aber hinzufügen, dass der
Bericht keinen Verlust erlitten hat, weil ich ersetzt
wurde.
Herr Präsident! Der Erwerb von Nutzungsrechten für die
Teilzeitnutzung von Immobilien, dem so genannten
Timesharing, hat nicht allen Nutzern Glück gebracht.
Die Probleme, die es mit diesen Produkten in der
Vergangenheit gab und immer noch gibt, sind öffentlich
bekannt. Sie waren der Anlass, warum seinerzeit Zeit die
Richtlinie
94/47
zum
Schutz
gegen
grobe
Vertrauensmissbräuche erlassen wurde. Trotzdem
bestehen einige Probleme weiter. Die Richtlinie folgt
dem Grundsatz der Mindestharmonisierung mit der
Festlegung
eines
niedrigen
Niveaus
an
Verbraucherschutzmaßnahmen,
über
das
die
Mitgliedstaaten danach hinausgehen konnten, falls sie
dies wünschten. Leider war das nicht die allgemeine
Praxis.
Dadurch sehen sich die Verbraucher jetzt mit einer
Vielzahl von Gesetzen konfrontiert, die in einigen
Staaten mehr Schutz bieten, in anderen weniger. Seit der
Änderung der Richtlinie ist die Zahl der von
europäischen
Verbrauchern
eingegangenen
Beschwerden nicht gesunken, sondern hat zugenommen,
wie die Kommission in ihrem Durchführungsbericht
feststellt. Außerdem werden die Modelle bei Angeboten
von Teilzeitnutzungsprodukten immer komplizierter:
Verträge mit einer Laufzeit von unter drei Jahren, in der
Regel 35 Monate, denn damit umgeht man die in der
Richtlinie vorgesehene Mindestdauer und entzieht sich
der Gemeinschaftsdisziplin.
Die Richtlinie gilt außerdem nur für Immobilien, die
mindestens sieben Tage pro Jahr genutzt werden. Dies
hat zu einer Zunahme von Teilzeitnutzungsverträgen für
Zeiträume von weniger als sieben Tagen geführt. So
liegt es also auf der Hand, dass die Richtlinie, wie der
Herr Abgeordnete Medina Ortega ganz zu Recht sagt,
eine dringende Revision benötigt. Die Verbraucher
brauchen eine wirksamere Schutzmaßnahme für ihre
Vertragsabschlüsse, insbesondere wenn diese in mehr als
einem Mitgliedstaat erfolgen. Die Branche braucht
Garantien, dass lautere Geschäftspraktiken durch eine
revidierte Richtlinie gefördert und unterstützt werden,
3-196
VORSITZ: ALONSO JOSÉ PUERTA
Vizepräsident
3-197
Whitehead (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte
meinem Kollegen, Herrn Medina Ortega, und seinem
Vorgänger zu der Arbeit an dieser Richtlinie gratulieren.
Herr Medina hat darauf hingewiesen, dass in allen
Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Umsetzung dieser
Richtlinie getroffen werden müssen und dass dies nur
sehr schleppend geschieht. Es wird zu wenig getan, und
es wird zu spät gehandelt. Es gibt einen Randbereich
betrügerischer Aktivitäten, in dem die Timesharing-Haie
ihr Unwesen treiben. Mit bestimmten Praktiken werden
die Fristen der Richtlinie ausgenutzt, die Zahl von
Ferienklubs, Punkteklubsysteme und so weiter wächst.
Der beschränkte Schutz, der durch die sehr kurze
„Abkühlungszeit“ geboten wird, wird umgangen, und
ich fürchte, dass auch diese Regelung von den
verschiedenen
Mitgliedstaaten
nicht
universell
angewandt wird. Meine Kollegin, Frau McCarthy, und
andere empfehlen ebenso wie ich eine angemessene
„Abkühlungszeit“ von 28 Tagen in den Fällen, in denen
ein Vertrag nicht, wie dies üblich ist, im Wohnsitzland
des Käufers unterzeichnet wird.
In meinem Heimatland haben sich die durch
Timesharing geschädigten Opfer zusammengeschlossen,
um gemeinsam zu klagen. Eine meiner Wählerinnen,
Claire Griffiths, die hier an der öffentlichen Anhörung
teilnahm, hat den Boykott der Vermittler in ihrer Region
organisiert. Die Gruppe hat zwar erreicht, dass diese
Leute weniger Opfer finden, aber die Mitglieder der
Gruppe warten noch immer auf einen angemessenen
Schadenersatz und die Rückgabe ihres Geldes.
Die Association of Timeshare Owners organisiert derzeit
die Einrichtung einer Koregulierungsstelle, die die
Verwaltung von Timesharing-Anlagen überwacht. Die
Verwaltung dieser Anlagen ist einer von weiteren
03/07/2002
Problembereichen. Dagegen haben wir nichts
einzuwenden. Ich begrüße alles, was im Bereich der
Koregulierung getan wird. Trotzdem ist es für die
Betroffenen und für uns wichtig, dass die Kommission
die notwendigen Maßnahmen trifft, entweder über eine
Entscheidung oder eine Richtlinie. Dies ist die einzige
Möglichkeit, zu zeigen, dass wir hier in der Lage sind,
die Bürger vor Praktiken zu schützen, die nicht nur
rücksichtslos, sondern sehr oft auch kriminell sind.
3-198
Byrne, Kommission. – (EN) Herr Präsident, als Erstes
möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Medina Ortega,
sowie den Mitgliedern des Ausschusses für Recht und
Binnenmarkt sowie des Ausschusses für Umweltfragen,
Volksgesundheit und Verbraucherpolitik für all ihre
wichtige Arbeit zu diesem Thema danken.
Ich nehme das Timesharing-Problem sehr ernst. Diese
Geschäfte
werden
fast
ausschließlich
grenzüberschreitend durchgeführt und oft geht es dabei
um hohe Geldbeträge. Daher ist es wichtig, dass wir in
diesem Bereich ein hohes Schutzniveau für die
Verbraucher gewährleisten. Mit der derzeit bestehenden
EU-Richtlinie wurde ein wichtiger Beitrag zum Schutz
der
Verbraucherrechte
geleistet
und
eine
Mindestharmonisierung erreicht. Ich bin mir jedoch
darüber im Klaren, dass noch nicht alle Probleme im
Hinblick auf den Verbraucherschutz ausgeräumt werden
konnten. Dies ist aus meiner Sicht nicht auf die
Umsetzung der Richtlinie zurückzuführen, denn die
Kommission konnte bereits alle diesbezüglichen
Verletzungsverfahren zurückziehen, sondern auf ihre
Anwendung. Daher muss noch mehr getan werden.
Die Verbraucher können mit einer Reihe von Problemen
konfrontiert werden, wenn sie Teilnutzungsrechte an
Immobilien erwerben. Erstens können skrupellose
Verkäufer
und
Vermittler
aggressive
Marketingmethoden einsetzen, mit denen die
Verbraucher entweder irregeführt oder in unzulässiger
Weise beeinflusst werden, damit sie eine für sie häufig
nachteilige Kaufentscheidung treffen.
Zweitens werden neue Praktiken eingesetzt, bei denen
Timesharingprodukte über bestimmte Pakete angeboten
werden, wie zum Beispiel über Punkte- oder
Clubsysteme oder Anteile an einem Unternehmen, mit
denen die in der Richtlinie festgelegten Bestimmungen
wirksam umgangen werden.
Dies hat zur Folge, dass die Verbraucher keinen Zugang
zu den erforderlichen Informationen erhalten und die
festgelegten „Abkühlungszeiten“ nicht gewährt werden.
Ich messe Ihrem Entschließungsantrag große Bedeutung
bei. Die darin enthaltenen Schlussfolgerungen bilden
zusammen mit den Schlussfolgerungen des Rates und
den Reaktionen auf den Bericht über die Anwendung der
Richtlinie, der 1999 von der Kommission vorgelegt
wurde, eine solide Grundlage für weitere Maßnahmen.
77
Darüber hinaus werden Sie mir sicher zustimmen, dass
wir angesichts der zahlreichen Beschwerden, die bei
unseren Organen über dieses Thema eingegangen sind,
unverzüglich handeln müssen. Ich bin der Auffassung,
dass
die
allgemeineren
Probleme
in
einer
Rahmenrichtlinie über den fairen Handel geregelt
werden könnten.
Eine weitere Harmonisierung der Vorschriften ist
erforderlich,
um
ein
gleichmäßig
hohes
Verbraucherschutzniveau in der gesamten EU zu
erreichen. Dies wird in der Folgemitteilung über das
Grünbuch zum Verbraucherschutz hervorgehoben, die
soeben von der Kommission verabschiedet worden ist.
Mit diesem Ansatz könnte gegen Marketingpraktiken
vorgegangen werden, bei denen zum Beispiel
irreführende Behauptungen aufgestellt werden, dem
Verbraucher
wichtige
Informationen
vor
Vertragsabschluss vorenthalten werden, der Verbraucher
belästigt, genötigt oder eingeschüchtert wird, und es
könnten Maßnahmen gegen Praktiken getroffen werden,
die mit der Betreuung der Kunden nach dem Kauf
zusammenhängen.
Darüber hinaus sollten wir, um die dringendsten
Probleme anzugehen, Kontakt zu den maßgeblichen
Vereinigungen und Akteuren der Timesharing-Branche
aufnehmen, um eine möglichst wirksame freiwillige
Selbstkontrolle zu erreichen. Die Verhaltenskodizes im
Bereich des Timesharing könnten herangezogen werden,
um die Standards anzuheben und die unfairen und
undurchsichtigen Praktiken zu beseitigen, gegen die in
der Richtlinie keine Maßnahmen vorgesehen sind.
Ich habe vor kurzem erfahren, dass von einem
europäischen Fachverband rechtliche Schritte gegen
bestimmte Ferienklubs in Spanien eingeleitet wurden,
weil diese gegen das spanische Gesetz zur Regelung von
Teilnutzungsrechten verstoßen hatten. Den Behörden
waren von dem betreffenden Verband Informationen
über unredliche Praktiken vorgelegt worden, die
daraufhin untersucht wurden. Im Zuge der Ermittlungen
wurden
in
den
letzten
Wochen
einige
Ferienklubunternehmen
geschlossen
und
deren
Direktoren verhaftet.
Auf diese Weise kann und sollte eine systematischere
Zusammenarbeit zwischen der Industrie und den
zuständigen Kontaktstellen in den Mitgliedstaaten
gefördert
werden.
Das
Ziel
einer
solchen
Zusammenarbeit sollte darin bestehen, Unternehmen zu
ermitteln, mit denen Probleme aufgetreten sind und
gegen die Durchsetzungsmaßnahmen eingeleitet werden
können.
Die Kommission wird daher auf die Erfahrungen der
europäischen Zentren, der Euro-Guichets, zurückgreifen
und mit den neu geschaffenen Clearingstellen des
Europäischen Netzes für die außergerichtliche
Streitbeilegung sowie dem International Marketing
Supervision Network zusammenarbeiten, um eine
Lösung für die derzeit noch bestehenden Probleme zu
78
03/07/2002
finden und diese zur engen Zusammenarbeit mit der
Industrie zu ermutigen.
irischen Regierung. Wir werden ihm seine Anfrage
schriftlich beantworten.
Speziell die Punkte, die Frau Wallis im Zusammenhang
mit dem Zugang zur Justiz angesprochen hat, sind
wichtig, und ich bin der Meinung, dass sie die
grenzüberschreitende Natur dieses Problems zu Recht
hervorgehoben hat.
3-202
Unser Vorschlag im Folgedokument über den fairen
Handel bezieht sich speziell auf die Notwendigkeit der
Zusammenarbeit
der
Mitgliedstaaten
bei
der
Durchsetzung der Rechtsvorschriften. In unserem
Konsultationsprozess mit den Mitgliedstaaten und
anderen fand dieser Teil des Dokuments, der sich auf die
Zusammenarbeit bei der Durchsetzung bezieht, große
Beachtung. Die Kommission plant deshalb, bis Ende
dieses oder Anfang nächsten Jahres einen konkreten
Vorschlag zu diesem Thema vorzulegen.
Die türkische Regierung plant die Verabschiedung einer umstrittenen
Gesetzesvorlage zu den Massenmedien, die im Widerspruch zur
Verfassung des Landes sowie den gegenüber der EU eingegangenen
Verpflichtungen steht. Amtsträger der EU, Diplomaten der
Mitgliedstaaten sowie die Vertreterin der Kommission in Ankara
haben bereits ihrer Besorgnis über den Inhalt dieser Gesetzesvorlage
Ausdruck verliehen.
Darüber hinaus glaube ich, dass Fragen, wie die
Möglichkeit gegenseitiger gerichtlicher Anordnungen
zwischen den Mitgliedstaaten, ebenfalls von Bedeutung
sind und von Nutzen sein könnten. Auch das EU-weite
Vertrags- und Verbraucherrecht muss überprüft werden.
Wie viele von Ihnen sicher wissen, wird diese
Überprüfung derzeit in meiner GD durchgeführt, und wir
werden für diesen Bereich zu gegebener Zeit, ich hoffe,
eher früher als später, ebenfalls Vorschläge vorlegen.
Dies sind unsere Pläne, aber wenn nach der
Durchführung der von mir beschriebenen Maßnahmen
noch immer Probleme bestehen, die durch diese
Maßnahmen nicht gelöst werden können, werde ich
nicht zögern, eine Überarbeitung der Richtlinie über
Teilnutzungsrechte zu veranlassen, wie dies in der
kürzlich von der Kommission verabschiedeten
verbraucherpolitischen Strategie bereits angedeutet
wurde.
3-199
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
3-200
Fragestunde (Rat)
3-201
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Fragestunde (B5-0253/2002). Wir behandeln eine Reihe
von Anfragen an den Rat.
Unter uns weilt der amtierende Ratspräsident, Herr
Haarder, mit dem Mehrwert, dass er lange Zeit
Abgeordneter war und mit den Arbeitsabläufen dieses
Hauses sowie den Wünschen der Abgeordneten sehr
vertraut ist.
Anfrage Nr. 6 des Abgeordneten Gallagher wird nicht
behandelt, da der Verfasser nicht mehr Abgeordneter des
Europäischen Parlaments ist, dies aus einem politisch
interessanten Grund: Er ist mittlerweile Minister der
Der Präsident. – Anfrage
Papayannakis (H-0356/02):
Betrifft:
Nr. 1
von
Mihail
Gesetzesvorlage zu den Massenmedien in der Türkei
Mit dieser Gesetzesvorlage wird das bestehende Verbot von Rundfunkund Fernsehsendungen in kurdischer Sprache aufrecht erhalten,
obwohl die Türkei zugesichert hatte, dieses Verbot bereits Ende
vergangenen Monats aufzuheben. Damit ist der wichtige
demokratische Grundsatz der Meinungsfreiheit bedroht und wird der
Weg zur Schaffung eines unkontrollierbaren Monopols bereitet. Ist die
Verabschiedung der Gesetzesvorlage nach Auffassung des Rates
politisch und rechtlich mit den Beitrittskriterien von Kopenhagen
sowie der Zollunion EU-Türkei vereinbar? Wird der Rat tätig werden,
damit die demokratischen Regeln und die Menschenrechte gemäß den
Prinzipien des Völkerrechts gewährleistet werden?
3-203
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, ich bedanke mich
für den freundlichen Empfang. Man könnte sagen, Herr
Pat Callagher ist nicht hier, weil er zum Minister ernannt
wurde; ich aber bin hier, weil ich Minister geworden bin
– so kann es gehen.
Zu der Anfrage möchte ich sagen, dass die umstrittene
Gesetzesvorlage zu den Massenmedien, auf die der Herr
Abgeordnete hinweist, am 15. Mai dieses Jahres vom
Parlament der Türkei verabschiedet wurde. Der Rat ist
der Ansicht, dass dieses Mediengesetz, wenn es in die
Praxis umgesetzt wird, einen eindeutigen Rückschritt
darstellt und zu einer weiteren Verschärfung der
Restriktionen für die
freie Rundfunk- und
Fernsehberichterstattung in der Türkei führt. Der Rat
weist darauf hin, dass das türkische Verfassungsgericht
am 13. Juni auf Antrag des türkischen Präsidenten Sezer
fünf Artikel dieses Gesetzes außer Kraft gesetzt hat, so
z. B. den Artikel über die Benennung der Mitglieder und
den Artikel über wirtschaftliche Sanktionen bei
Verstößen. Das Verfassungsgericht prüft zurzeit die
Substanz des übrigen Textes. Der Rat weist darauf hin,
dass die Europäische Kommission umgehend auf dieses
Gesetz reagiert hat, das zum einen die politischen
Kopenhagener Kriterium nicht erfüllt und zum anderen
gegen die Beitrittspartnerschaft verstößt, der zufolge alle
Rechtsvorschriften, die türkischen Bürgern die
Verwendung ihrer Muttersprache in Fernseh- und
Radiosendungen verbieten, kurzfristig aufgehoben
werden. Die EU hat in ihren Gesprächen mit der Türkei
eindeutig auf diese Voraussetzung hingewiesen, so
zuletzt auf dem Treffen der politischen Direktoren am
17. Mai in Madrid unmittelbar nach Verabschiedung des
Gesetzes durch das türkische Parlament. Der Rat wird
die Entwicklung genau verfolgen, da es hier um wichtige
03/07/2002
Prinzipien geht. In diesem Punkt sind sich der Rat und
Herr Papayannakis also einig.
3-204
Papayannakis (GUE/NGL). – (EL) Ich danke dem
Ratspräsidenten und, wie ich ihn auch bezeichnen kann,
Kollegen. Ich danke Ihnen wirklich sehr. Ihre Antwort
war überaus deutlich und erschöpfend. Ich habe nichts
hinzuzufügen. Ich möchte Sie lediglich noch etwas
anderes fragen: Haben wir eventuell Informationen
darüber, wann diese Geschichte enden wird, ob nun
positiv oder negativ? Ich hoffe selbstverständlich
positiv. Wann also werden wir endlich einen Beschluss
über das Inkrafttreten dieses Gesetzes haben?
3-205
Haarder, Rat. – (DA) Ich möchte Herrn Papayannakis
für die freundlichen Worte danken und freue mich, dass
wir darin einer Meinung sind. Leider kann ich nicht
sagen, wann die Angelegenheit abgeschlossen sein wird.
Wir sollten die Sache im Auge behalten und weiterhin
mit Nachdruck verfolgen. Wir hoffen auf eine rasche
Lösung.
3-206
Der Präsident. – Die Anfrage Nr. 2 ist hinfällig, da der
Fragesteller nicht anwesend ist.
Anfrage Nr. 3 von Alexandros Alavanos, der von Mihail
Papayannakis vertreten wird (H-0365/02):
Betrifft: Aufhebung der Beschlüsse von Nizza im Hinblick auf die
europäischen Streitkräfte
Auf dem Europäischen Rat von Nizza beschlossen die fünfzehn
Mitgliedstaaten, dass an der Planung von Operationen der
europäischen Streitkräfte nur die Mitgliedstaaten der Europäischen
Union teilnehmen, unabhängig davon, ob Infrastrukturen der NATO
genutzt werden.
Gegen diesen letzten und einzigen Beschluss der Europäischen Union
gab es heftigen Widerspruch aus Ankara, das mit der Ausübung seines
Vetorechts im Rahmen der NATO drohte, sollte die Türkei nicht
gleichberechtigt mit den Mitgliedstaaten in die Entscheidungsfindung
eingebunden werden. Es folgte eine außerinstitutionelle amerikanischbritische Initiative, aus der der „Text von Ankara“ hervorging, der dem
Buchstaben und dem Geist der Beschlüsse von Nizza widerspricht.
Ist der „Text von Ankara“, der außerhalb der EU- sowie der NATOVerfahren verabschiedet wurde, für die Europäische Union
verbindlich? Auf der Grundlage welchen Beschlusses der EU üben der
EU-Ratsvorsitz sowie der Hohe Vertreter Druck auf die
Mitgliedstaaten aus, den „Text von Ankara“ zu akzeptieren?
3-207
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, zur Haltung des
Rates kann ich Folgendes sagen: Auf der letzten
Ministerkonferenz am 14. Mai in Reykjavik bekräftigten
die Europäische Union und die NATO ihre Zusage in
Bezug auf die Herstellung enger und transparenter
Beziehungen zwischen der Union und der NATO und
stellten fest, dass hinsichtlich der Regelung der
Unterstützung von EU-geführten Operationen durch die
NATO in einigen Punkten Fortschritte erzielt worden
sind. Entsprechend den Beschlüssen des NATO-Gipfels
von 1999 in Washington und später der
79
Ministerkonferenz und des Europäischen Rates von
Nizza müssten aber zu einigen Punkten weitere
Überlegungen angestellt werden. Weitere Resultate
konnten bekanntlich nicht erzielt werden, weil ein
NATO-Mitglied Bedenken geäußert hatte. Der „Text
von Ankara“ ist ein unverbindlicher Versuch,
Richtlinien zu definieren, die diesen Bedenken
Rechnung tragen und dazu beitragen können, die Zusage
bezüglich der Herstellung enger und transparenter
Beziehungen zwischen der EU und der NATO zu
erfüllen. Der Europäische Rat von Barcelona unterstrich
die Bedeutung der Erzielung von Dauervereinbarungen
zwischen der Europäischen Union und der NATO. Die
Präsidentschaft wurde deshalb ersucht, gemeinsam mit
dem Hohen Vertreter, Herrn Solana, entsprechende
Kontakte auf höchster Ebene aufzunehmen, um ein
positives Ergebnis sicherzustellen. Die Präsidentschaft
und der Hohe Vertreter tun ihr Möglichstes, um eine
akzeptable Lösung für alle Mitgliedstaaten der EU und
der NATO zu finden, die vollständig mit den
Beschlüssen des Europäischen Rates von Nizza
übereinstimmt, sowie rasche Fortschritte in Richtung auf
das von allen Ministern der EU- und der NATOMitgliedstaaten in Reykjavik bestätigte Ziel zu
ermöglichen.
Schließlich gab der Europäische Rat auf seiner Tagung
vom 21. bis 22. Juni dieses Jahres in Sevilla seiner
Genugtuung über die Fortschritte Ausdruck, die bisher
vom spanischen Vorsitz in Bezug auf die Umsetzung der
Bestimmungen von Nizza über die Beteiligung der nicht
der Europäischen Union angehörenden europäischen
Bündnispartner erzielt worden sind. In Sevilla wurde der
nächste Vorsitz, also der dänische, beauftragt, diese
Zusammenarbeit gemeinsam mit dem Generalsekretär,
d. h. dem Hohen Vertreter, fortzusetzen.
3-208
Papayannakis (GUE/NGL). – (EL) Herr Ratspräsident!
Ihre Ausführungen waren sehr prägnant. Ich möchte Sie
nur bitten, wenn es möglich ist, einige zusätzliche
Einzelheiten über die Weiterführung nach den
Beschlüssen von Sevilla zu nennen. Wenn ich richtig
verstanden habe, wurde der spanische Ratsvorsitz in
Sevilla für seine Arbeit gelobt und beschlossen, weitere
Anstrengungen für eine Lösung zu unternehmen, aber
ich denke, es wurden auch einige Zusätze zu diesem
berühmten Text diskutiert, die zwar nicht bindend, aber
gleichwohl politisch bedeutsam sind. Gibt es nach
Sevilla weitere Informationen? Wissen wir, wie die
Verbesserung dieses Textes vorangetrieben wird und
welche diesbezüglichen Möglichkeiten er bietet?
3-209
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, ich muss Herrn
Papayannakis sagen, dass ich seine Frage und auch seine
Zusatzfrage im Grunde nicht beantworten kann.
Dänemark übt den Ratsvorsitz aufgrund der
Ausnahmeregelung in Verteidigungsfragen in den Fällen
nicht aus, in denen es um die Ausarbeitung und
Durchführung von Entscheidungen und Maßnahmen
geht, die sich auf den Verteidigungsbereich auswirken.
Diese
Aufgaben
übernimmt
gegebenenfalls
Griechenland, und ich möchte daher bitten, eventuelle
80
03/07/2002
Zusatzfragen schriftlich zu stellen, damit sie nach der
genauen Anweisung meines griechischen Kollegen
beantwortet werden können.
Schlussdokument an, in dem es insbesondere unter Punkt 14 heißt,
dass er Georgien und die Behörden der EU auffordert, umgehend das
Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) umzusetzen, um
die Grundlage für die Aufnahme von Verhandlungen über ein
Assoziierungsabkommen zu schaffen.
3-210
Der Präsident. – In diesem Ausnahmefall erteilen wir
Herrn Papayannakis das Wort zur Geschäftsordnung.
3-211
Papayannakis (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Ich
wollte wirklich nicht auf das opt-out Dänemarks
anspielen, aber die Antwort des Herrn Ratspräsidenten
bedeutet, da das opt-out die Gemeinsame Außenpolitik
und den Euro betrifft, dass irgendwann vielleicht auch
der griechische Vertreter zu unseren Sitzungen, auf
denen die Anfragen an den Rat behandelt werden,
eingeladen wird. Ich sage das Ihnen, Herr Präsident,
damit Sie es gegebenenfalls an das Präsidium
weiterleiten.
Die von Herrn Haarder empfohlenen schriftlichen
Fragen reichen nicht aus. Sie sind gut, aber die
mündliche Anfrage hat einen anderen Charme, weil sie
auch Zusatzfragen und Erwiderungen erlaubt. Sollten
wir das nicht berücksichtigen?
3-212
Der Präsident. – Als Sitzungspräsident nehme ich
dieses Problem aufmerksam zur Kenntnis, doch hat nun
Herr Haarder das Wort.
Kann der Rat erschöpfend ausführen, welche Punkte des
Kooperationsabkommens noch nicht verwirklicht worden sind, welche
Gründe es dafür gibt sowie die vom Rat ausgearbeitete Strategie und
Agenda nennen, damit das gesamte Abkommen umgehend
durchgeführt werden kann.
Ist der Rat darüber hinaus nicht der Ansicht, dass in dem äußerst
schwierigen regionalen Kontext in Georgien das PKA oder eventuell
sogar ein Assoziierungsabkommen die richtige Antwort der Union
wäre, die es Georgien ermöglichen würde, die Probleme mit denen es
konfrontiert ist, zu bewältigen? Hält es der Rat nicht auch für
angebracht, der Frage des Beitritts Georgiens zur EU nicht mehr
auszuweichen und Georgien unverzüglich auf die Liste der
Bewerberländer zu setzen, wobei selbstverständlich sein Beitritt von
seiner Fähigkeit abhängen wird, den gemeinschaftlichen Besitzstand zu
übernehmen?
3-215
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, das
Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit
Georgien trat am 1. Juli 1999 in Kraft. Es sollte zunächst
10 Jahre gelten und sich dann automatisch jedes Jahr
verlängern. Dieselbe Vereinbarung findet sich in allen
Partnerschafts- und Kooperationsabkommen der EU.
Deshalb war klar, dass dieses Abkommen mit Georgien
für beide Seiten eine langfristige Verpflichtung
darstellte.
3-213
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, ich möchte Herrn
Papayannakis versichern, dass Dänemark den Vorsitz im
Ausschuss für innere Angelegenheiten ausüben wird,
obwohl wir gegenüber einigen der dort angesiedelten
Themen Vorbehalte haben. Wir werden auch im
ECOFIN-Rat den Vorsitz wahrnehmen, wenn es aber um
Entscheidungen und Maßnahmen geht, die sich auf den
Verteidigungsbereich auswirken, haben wir uns aus
Rücksicht auf die von den Dänen vor vielen Jahren
getroffene Entscheidung dazu entschlossen, der
griechischen Präsidentschaft die Führung in diesem
Punkt zu überlassen. Ich möchte noch ergänzen, dass die
dänische Regierung und auch die Mehrheit des
dänischen Parlaments diese Vorbehalte so bald als
möglich ausräumen möchten, aber bis in einer
Volksabstimmung darüber entschieden wird, werden wir
darauf Rücksicht nehmen. Wir respektieren also eine
demokratische Entscheidung, und es freut mich, dass
Herr Papayannakis das auch so sieht. Wir sind sehr froh
darüber, dass die griechische Regierung so hilfsbereit ist
und die Zusammenarbeit im Hinblick auf das
Tätigkeitsprogramm des dänischen Ratsvorsitzes so gut
funktioniert und Griechenland den Abschnitt über die
Verteidigung beigesteuert hat.
3-214
Der Präsident. – Anfrage Nr. 4 von Olivier Dupuis (H0371/02):
Betrifft:
Georgien
Der parlamentarische Kooperationsausschuss EU-Georgien nahm am
Ende seines vierten Treffens vom 29. und 30. April 2002 in Tiflis ein
Betrachtet man den Zweck des Partnerschafts- und
Kooperationsabkommen, wird deutlich, dass damit eine
solide Basis für engere Beziehungen zwischen der
Europäischen Union und Georgien geschaffen wurde. Es
ist ein Rahmen für den politischen Dialog entstanden,
der zur Verbesserung unserer Beziehungen und zur
Entwicklung der wirtschaftlichen Kontakte zwischen
den Seiten beigetragen hat. Andererseits ist klar, dass
vor allem im Hinblick auf die Unterstützung der
Bemühungen Georgiens um eine Konsolidierung seiner
Demokratie und die Entwicklung seiner Wirtschaft noch
viel zu tun bleibt. Auch in den Bereichen Gesetzgebung,
Verwaltung, Wirtschaft, Soziales, Finanzen, zivile
Wissenschaft sowie technologische und kulturelle
Zusammenarbeit bedarf es noch großer Anstrengungen.
Es war also zu erwarten, dass unsere Zusammenarbeit
im
Rahmen
des
Partnerschaftsund
Kooperationsabkommens einige Zeit in Anspruch
nehmen würde. Zudem hatte Georgien mit einigen ganz
speziellen Problemen zu kämpfen. Seit 1991 haben
1 Million Menschen
Georgien
verlassen,
das
Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner ist um 70 %
gesunken, und 60 % der Bevölkerung leben zurzeit
unterhalb der Armutsgrenze. Zwei ungelöste innere
Konflikte haben dazu geführt, dass es jetzt fast 300 000
Vertriebene im Land gibt. Die regionale Sicherheitslage
in Georgien ist äußerst schwierig. Der Kampf gegen die
Korruption ist mehrfach auf großen Widerstand gestoßen
– insgesamt eine recht tragische Situation. Wir
unterstützen die Hoffnungen Georgiens auf weitere
Integration in die europäischen Modelle und Strukturen.
Seit Erlangung der Unabhängigkeit 1991 hat das Land
03/07/2002
Hilfe in Höhe 350 Mio. Euro erhalten, aber der Rat hält
es zurzeit nicht für angebracht, über weitere vertragliche
Schritte nachzudenken. Wir sollten uns vielmehr auf die
vollständige Erfüllung des Partnerschafts- und
Kooperationsabkommens konzentrieren. Das geht auch
aus einem Schreiben hervor, das Präsident
Schewardnadse vor kurzem an Xavier Solana gerichtet
hat und in dem davon die Rede ist, dass weitere
Fortschritte bei der Durchführung dieses Abkommens
erforderlich sind. Dies ist natürlich von politischen,
sozialen und wirtschaftlichen Reformen wie auch von
der Lösung der beiden internen Konflikte abhängig, für
die Georgien selbst die volle Verantwortung trägt. In
diesem Zusammenhang möchte der Rat betonen, dass
die internen Konflikte in Georgien und der Konflikt
zwischen den übrigen Ländern im südlichen Kaukasus
zu einer instabilen Lage in dieser Region geführt haben.
Die fehlende Stabilität schafft Probleme wie
Terrorismus, Armut, Korruption, schwache politische
Institutionen, illegalen Handel, Auswanderung und das
Risiko ethnischer Auseinandersetzungen. Konfliktlösung
muss deshalb höchste Priorität haben. Dazu bedarf es
des guten Willens und der Anstrengungen aller Länder
im südlichen Kaukasus sowie der internationalen
Gemeinschaft.
Wir arbeiten mit Georgien im Rahmen der regelmäßigen
Sitzungen
unseres
Kooperationsrates
und
Kooperationsausschusses zusammen. Es gibt aber
Maßnahmen, die Georgien aus eigener Initiative zum
Zwecke der Selbsthilfe durchführen kann. Die
mangelhafte Anwendung bestehender Gesetze hemmt
den Fortschritt und begrenzt die Effizienz der EU-Hilfe.
Das nationale Programm zur Durchführung des
Partnerschafts- und Kooperationsabkommens, zu dem
sich Georgien im Oktober 2000 verpflichtet hat, ist noch
immer nicht beschlossen. In diesem Punkt erwarten wir
Fortschritte. Abschließend möchte ich Herrn Dupuis für
sein großes Engagement danken. Ich hoffe, meine
Antwort hat deutlich gemacht, dass der Rat die Situation
aufmerksam verfolgt und dass wir das Bedauern von
Herrn Dupuis über die Situation teilen. Unserer Meinung
nach tun wir, was uns möglich ist. Aber wir müssen auch
Georgien auffordern, einen Beitrag zu leisten.
3-216
Dupuis (NI). – (FR) Herr amtierender Ratspräsident! Ich
stimme Ihrer Feststellung hinsichtlich der Tragik der
Lage in Georgien vollauf zu. Ich bin auch völlig
einverstanden mit dem, was Sie und was Präsident
Rasmussen heute Morgen über die Bedeutung des
Erweiterungsprozesses zur Überwindung der derzeitigen
Spaltung des europäischen Kontinents gesagt haben. Uns
ist auch bewusst, welche Bedeutung die Aussicht des
Beitritts zur Europäischen Union für alle Länder
Mitteleuropas im Hinblick auf die Lösung der enormen
Probleme hat, die dort bestanden und nach wie vor
weiter bestehen.
Was wir im Falle Georgiens vorschlagen, unterscheidet
sich nicht von dem, was wir den Ländern Mittel- und
Osteuropas angeboten und gegeben haben, nämlich eine
Beitrittsperspektive. Beitrittsperspektive heißt nicht, dass
81
der Beitritt bereits morgen stattfindet, sondern dass
Georgien über einen sicheren Rahmen für die Lösung
seiner Probleme verfügen wird. Bislang ist dieser
Rahmen nicht gegeben. Wir wissen, welchen Druck
Russland ausübt. Wir wissen, welche Rolle Russland in
den inneren Konflikten, die Sie angesprochen haben,
spielt.
Daher lautet meine Frage: Wären Sie bereit, als
amtierender EU-Ratspräsident dem Rat vorzuschlagen,
über die Möglichkeit der Aufnahme Georgiens in die
Liste der Beitrittsländer nachzudenken?
3-217
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, ich muss meinem
guten Freund und ehemaligen Kollegen, Herrn Dupuis,
sagen, dass es unrealistisch ist, Georgien auf die Liste
der Bewerberländer zu setzen. Meines Erachtens sollte
sich die Europäische Union über Alternativen zu einer
Mitgliedschaft unserer näheren und entfernteren
Nachbarn in Ost und Süd Gedanken machen. Für
bestimmte europäische Länder ist die Mitgliedschaft die
naheliegendste Lösung, für andere völlig unrealistisch.
Wir dürfen bei den politisch Verantwortlichen der
Länder, mit denen wir zusammenarbeiten, keine falschen
Hoffnungen wecken. Es wäre ganz sicher nicht klug –
jedenfalls nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt -, bei
Schewardnadse oder anderen Entscheidungsträgern
Georgiens Hoffnungen auf eine Mitgliedschaft zu
wecken.
3-218
Posselt (PPE-DE). – Herr Kollege Haarder! Auch ich
möchte Ihnen und uns gratulieren, dass Sie jetzt als
Ratspräsident hier sind. Meine Frage bezieht sich auch
auf Georgien. Sie haben mit Recht darauf hingewiesen,
dass die Sicherheitslage Georgiens von der
Sicherheitslage im Kaukasus abhängt, und ich möchte
Sie fragen, welche Anstrengungen der Rat unternimmt,
um die Sicherheitslage im Kaukasus durch eine Lösung
des Tschetschenien-Problems zu verbessern, um so auch
Georgien zu stabilisieren. Denn so lange Tschetschenien
destabilisiert ist, und so lange dort Unfreiheit und Krieg
herrschen, so lange ist auch Georgien nicht zu
stabilisieren.
3-219
Der Präsident. – Es sind Nachbarstaaten, Herr Posselt.
Ich weiß nicht, inwieweit dies eine Ergänzungsfrage
zum Thema Georgien ist, doch liegt es im Ermessen des
Herrn Ratspräsidenten zu antworten.
3-220
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, ich kann Herrn
Posselt nur kurz antworten, dass wir mit der russischen
Regierung einen Dialog über das TschetschenienProblem führen. Wir dürfen dieses Problem nicht
unterschätzen, und das tun wir auch nicht. Überlegungen
zu diesem Thema sind fester Bestandteil des Dialogs mit
Russland, und ich will nicht bestreiten, dass es einen
Zusammenhang zwischen dem Tschetschenien-Problem
und den Problemen in Georgien geben kann. In gewisser
Hinsicht gebe ich Herrn Posselt also Recht Ich sage nur,
dass es einen Dialog gibt, der nicht in Vergessenheit
82
03/07/2002
geraten ist. Das wird aus späteren Fragen deutlich
werden, wenn wir dazu kommen.
3-221
Evans, Robert (PSE). – (EN) Auch ich möchte Herrn
Haarder in seiner neuen Funktion willkommen heißen.
Zu dieser Wortmeldung veranlasst hat mich die Aussage
von Herrn Haarder, er wolle bestimmten Ländern, wie
zum Beispiel Georgien, auf das sich Herr Dupuis bezog,
keine Hoffnungen machen.
Ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung mit Rumänien,
das an elfter oder zwölfter Stelle in der Liste der Länder
steht, die auf die Aufnahme in die EU warten, dass das
Einzige, was dieses Land zusammenhält das Licht am
Ende des Tunnels ist, die Hoffnung, dass es in die
Europäische Union, in den Kreis seiner reichen
Nachbarn und in den Club der Wohlhabenden
aufgenommen wird. Wenn Sie anderen Ländern, sei es
nun Georgien oder eines der Länder des ehemaligen
Jugoslawien, sagen, dass wir ihnen keine Hoffnungen
machen wollen, besteht dann nicht die Gefahr, dass es zu
Unruhen, zu internen Kämpfen, möglicherweise auch zu
Gewalt, in diesen Ländern kommt und dass dadurch der
Druck zur Abwanderung in den Westen wächst? Herr
Ratspräsident, ich bitte Sie, Ihre Position klarzustellen.
3-222
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, ich verstehe
diesen Gedankengang sehr gut, aber die Frage ist doch,
ob es für Georgien im Hinblick auf die derzeitigen
Probleme ein guter Rat und eine gute Lösung ist, auf ein
Licht am Ende des Tunnels hinzuweisen. Der Tunnel
kann ja sehr lang sein – und das ist er in diesem Falle
auch –, so dass dies eine zu geringe Hoffnung ist und
dadurch sogar die Aufmerksamkeit von näherliegenden
und aktuellen Forderungen abgelenkt wird, die
Georgien, einschließlich bestimmter Abkommen mit
uns, nicht erfüllt. Ich halte es nicht für klug, Georgien
dazu
aufzufordern,
auf
eine
Mitgliedschaft
hinzuarbeiten. Vielmehr muss ich unser Rat viel stärker
auf die Gegenwart beziehen: Erfüllt die bestehenden
Abkommen, löst die vor Euch liegenden Probleme. Aber
Georgien liegt natürlich in Europa, und es besteht
theoretisch die Möglichkeit, dass das Land früher oder
später Mitglied wird. Das ist nicht auszuschließen, darf
aber in der gegenwärtigen bedauerlichen Situation keine
Rolle spielen.
3-223
Der Präsident. – Anfrage Nr. 5 von Liam Hyland (H0379/02):
Betrifft:
WTO und Einfuhren aus den ärmsten Ländern der Welt
Die EU hat vor kurzem beschlossen, Einfuhren aus den 48 ärmsten
Ländern
(landwirtschaftliche
Erzeugnisse
eingeschlossen)
unbegrenzten zollfreien Zugang zu den EU-Märkten zu gewähren. Hier
handelt es sich weltweit um eine Premiere. Man hoffte außerdem, dass
andere Industrienationen dem Vorbild der EU folgen würden. Kann der
Rat mitteilen, wie die derzeitige Situation in Verbindung mit dem
genannten Beschluss aussieht und ob andere Industrienationen dem
Vorbild der EU folgen?
3-224
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, die Europäische
Union war Gastgeber der UN-Konferenz über die am
wenigsten entwickelten Länder im Mai 2001 in Brüssel.
Auf der Konferenz wurden eine Abschlusserklärung und
ein Aktionsprogramm verabschiedet, denen zufolge den
am wenigsten entwickelten Ländern präferenzieller
Marktzugang eingeräumt werden soll, indem auf das
Ziel des zollfreien und mengenmäßig unbegrenzten
Marktzugangs für alle Produkte aus diesen Ländern auf
die Märkte der entwickelten Länder hingearbeitet wird.
Der Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ beschloss am
26. Februar vorigen Jahres seine „Everything but Arms“Inititative, und die EU forderte während der
Vorbereitungen zur WTO-Ministerkonferenz in Doha im
November vergangenen Jahres andere entwickelte
Länder zu ähnlichen Initiativen auf, um die
multinationale Zusage eines zollfreien Zugangs für die
Produkte der am wenigsten entwickelten Länder zu ihren
Märkten einzulösen. Diese Zusage war Bestandteil des
Aktionsplans der WTO, der 1996 in Singapore
beschlossen wurde. Der Generalsekretär der Vereinten
Nationen, Kofi Annan, hat diese Forderung ebenfalls mit
Nachdruck erhoben. Zurzeit gibt es allerdings von Seiten
der großen Länder keine Maßnahmen, die mit der
„Everything but Arms“-Initiative vergleichbar wären.
Die Initiative Neuseelands kommt dem Beispiel der EU
am nächsten. Kanada, Japan und die USA haben zwar
auch Fortschritte zu verzeichnen, reichen aber an die
Initiative der Union nicht heran.
Eine von der UNCTAD kürzlich durchgeführte
Untersuchung beleuchtet die Auswirkungen dieses
Vorschlags und kommt zu dem Schluss, dass die am
wenigsten entwickelten Länder von dem Vorschlag
profitieren werden. Der Nutzen wäre allerdings ungleich
größer, wenn die anderen Konferenzteilnehmer –
Kanada, Japan und die USA – dem Beispiel der EU
folgen würden. Gegenwärtig wird nämlich die Hälfte des
Exports dieser Länder in Kanada, Japan und den USA
mit Zoll belegt. Auf dem G8-Treffen, das vor kurzem in
Alberta in Kanada stattfand, bot sich erneut die
Gelegenheit zur Erörterung dieser Fragen. Im
Mittelpunkt stand dabei Afrika, wo die meisten dieser
armen Länder zu finden sind. Es ist also Bewegung in
die Sache gekommen, und die Europäische Union kann
stolz darauf sein, dass sie hier auf globaler Ebene die
bedeutendste Initiative vorgelegt hat.
3-225
Hyland (UEN). – (EN) Herr Präsident, ich möchte den
Ratspräsidenten ebenfalls willkommen heißen und ihm
für seine ausführliche und umfassende Antwort danken.
Mit dem Beschluss, den ärmsten Ländern der Welt
Zugang zu den EU-Märkten zu gewähren, haben wir
unseren Wunsch in die Tat umgesetzt, diesen Ländern
langfristig bei ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zu
helfen. Das ist der einzige glaubwürdige und nachhaltige
Weg nach vorne. Liegen dem Rat Erkenntnisse darüber
vor, in welchem Umfang die Länder diese von der EU
gebotene Möglichkeit nutzen? Vielleicht kann der
Ratspräsident
außerdem
erläutern,
welche
Schwierigkeiten die Länder bewältigen müssen, um die
03/07/2002
für Ausfuhren in die Europäische Union geltenden
Anforderungen erfüllen zu können.
3-226
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, der Fragesteller ist
zu Recht der Meinung, dass eine solche Unterstützung
wichtig ist, aber mit den Einzelheiten dieses Problems
muss sich die Kommission befassen. Deshalb bitte ich
darum, hierzu die Kommission zu befragen.
3-227
Der Präsident. – Anfrage Nr. 7 von Dirk Sterckx (H0384/02):
Betrifft: Unzulänglichkeit der „Erdbeer-Verordnung“ im
Falle
ernsthafter
Behinderungen
des
freien
Warenverkehrs
Seit November 2001 ist der Eisenbahngüterverkehr zwischen
Frankreich und dem Vereinigten Königreich durch den Kanaltunnel
ernsthaft beeinträchtigt. Die Kommission hat alle aufgrund der
„Erdbeer-Verordnung“4 in ihren Möglichkeiten stehenden Maßnahmen
ergriffen. Wenn wir uns die heutige Situation ansehen, müssen wir
feststellen, dass die der Kommission kraft der genannten Verordnung
zustehenden Befugnisse unzureichend sind. Der freie Güterverkehr
durch den Kanaltunnel unterliegt weiterhin schwerwiegenden
Einschränkungen. Warum lehnt der Rat den Vorschlag der
Kommission ab, den Geltungsbereich der Verordnung auszuweiten und
ihren Inhalt zu verbessern, und welche Maßnahmen haben die
Mitgliedstaaten getroffen, um die Entschließung des Rates
„Binnenmarkt“ vom 27. September 2001 zur Ausführung zu bringen?
3-228
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, ich kann Ihnen
mitteilen, dass in den nördlichen Mitgliedstaaten immer
noch Erdbeerzeit ist. In seinen Schlussfolgerungen vom
27. September 2001, auf die Herr Sterckx hingewiesen
hat, nimmt der Rat Kenntnis vom Bericht der
Kommission über die Anwendung der Verordnung über
den freien Warenverkehr – der so genannte ErdbeerVerordnung. Der Bericht der Kommission enthielt u. a.
Vorschläge
zur
möglichen
Ausweitung
des
Geltungsbereichs
der
Verordnung
und
zur
Beschleunigung der Verfahren. Der Bericht war
allerdings kein formaler Kommissionsvorschlag, zu dem
der Rat Stellung nehmen sollte. Rat und Parlament
wurden lediglich gebeten, den Bericht zur Kenntnis zu
nehmen. Dennoch entschloss sich der Rat zu einer
Stellungnahme zu dem Kommissionsbericht und nahm
auf der Sitzung des Rates „Binnenmarkt“ an diesem Tag
Schlussfolgerungen an. So soll die Verordnung von den
Mitgliedstaaten und der Kommission in enger
Zusammenarbeit noch dynamischer umgesetzt werden,
wobei die Grundrechte, einschließlich des Rechts oder
der Freiheit zum Streik, zu berücksichtigen sind. Auch
wenn die Erfahrungen mit der Anwendung der
Verordnung noch immer begrenzt sind, begrüßte der Rat
die Vorschläge der Kommission, die die praktische
Anwendung erleichtern sollen, wie z. B. die Annahme
eines Vademekums, in dem festgelegt ist, welche
Verfahren im Falle einer Behinderung des freien
Warenverkehrs anzuwenden sind. Der Rat setzt sich
weiterhin vorbehaltlos für den freien Warenverkehr
4
Verordnung (EG) 2679/98 des Rates, ABl. L 337 vom 12.12.1998.
83
zwischen den Mitgliedstaaten als zentrales Element des
Binnenmarktes ein. Die Entschließung des Rates vom
7. Dezember 1998, die gleichzeitig mit der Verordnung
angenommen wurde, sowie die Schlussfolgerungen vom
27. September 2002 tragen dem Rechnung.
Zu Herrn Sterckxs Anfrage, welche Maßnahmen die
Mitgliedstaaten getroffen haben, um die Entschließung
des Rates vom 27. September zur Ausführung zu
bringen, ist zu sagen, dass es nicht Aufgabe des Rates ist
zu kontrollieren, welche Maßnahmen die Mitgliedstaaten
in diesem Bereich durchführen. Der Rat wird von den
Mitgliedstaaten über solche Maßnahmen auch nicht
informiert, und deshalb kann ich diese Frage leider nicht
beantworten.
3-229
Sterckx (ELDR). – (NL) Herr Ratspräsident! Es ist mir
natürlich ein besonderes Vergnügen, in dieser Funktion
das Wort an Sie richten zu können.
Es handelt sich hier im Grunde genommen um eine
Behinderung des freien Güterverkehrs durch den
Kanaltunnel, der seit November letzten Jahres mit 40 %
seiner Kapazität arbeitet. Das ist sehr nachteilig für eine
Reihe von Unternehmen ebenso wie für die Bahn
generell, die ja doch ein umweltfreundliches
Transportmittel ist, und stellt daher ein großes Problem
dar. Deshalb möchte ich den Herrn Ratspräsidenten
bitten, in den Ratssitzungen dafür Sorge zu tragen, dass
die Präsidentschaft Druck auf die Mitgliedstaaten
ausübt, alles Mögliche zur Wahrung des freien
Güterverkehrs zu unternehmen.
Meine Frage lautet also: Was gedenken Sie als
Ratspräsident zu unternehmen? Die Erdbeer-Verordnung
ist derzeit zu schwach. Meines Erachtens sollten wir sie
verbessern. Herr Bolkestein antwortete mir auf eine
diesbezügliche Anfrage, der Rat lehne dies ab. Hat Herr
Bolkestein das nicht richtig verstanden? Ich frage: Was
können Sie in der Praxis tun, um dafür zu sorgen, dass
der freie Güterverkehr auch im Kanaltunnel
gewährleistet ist? Diese Angelegenheit wird nämlich
immer wieder zurückgestellt.
3-230
Haarder, Rat. – (DA) Ich werde mich vergewissern,
dass meine Auffassung, die Kommission sei für die
Einhaltung solcher Vorschriften zuständig, korrekt ist.
Ich möchte das von Herrn Sterckx erwähnte Problem im
Übrigen nicht bagatellisieren. Man kann sich lebhaft
vorstellen, welche wirtschaftlichen Verluste entstehen,
und die Betreffenden können das ja nicht verstehen,
wenn es sich um EU-Vorschriften handelt, die ihren
Absatz sichern sollten. Ich möchte das Problem also
nicht bagatellisieren und es im Rat einbringen, aber die
Inspektion muss von der Kommission durchgeführt
werden.
3-231
Der Präsident. – Anfrage Nr. 8 von Marit Paulsen (H0389/02):
84
Betrifft:
Protein
03/07/2002
Futterfisch und Verbot der Verfütterung von tierischem
Die Auswirkungen von Futterfisch auf die Umwelt und die
Artenvielfalt sind allgemein bekannt. Diese Fische dienen bekanntlich
in erster Linie der Gewinnung von proteinreichem Fischmehl zur
Tierproduktion und zur Aufzucht edlerer Fische.
Gemäß der Entscheidung des Rates vom 4. Dezember 2000
(2000/766/EG5) ist die Anwendung von verarbeitetem tierischem
Protein in Tierfutter in der EU verboten. Kann der Rat angeben,
inwieweit dieses Verbot negative Auswirkungen auf die europäische
Tierproduktion hat? Falls nein, ist der Rat bereit, zu der
Schlussfolgerung zu gelangen, dass Futterfische nicht als
Proteinlieferanten für landwirtschaftliche Nutztiere in Frage kommen
dürfen?
3-232
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, 1992 wurde ein
Bericht über die industrielle Fischerei in Nordsee,
Skagerrak und Kattegatt – den Gewässern um Dänemark
– vorgelegt. Der Rat hat seitdem mehrmals über die
Auswirkungen der Fischerei auf die Umwelt diskutiert,
jedoch zu keinem Zeitpunkt einen Gemeinsamen
Standpunkt zu diesem Thema verabschiedet. Am
28. Mai dieses Jahres legte die Kommission eine
Mitteilung über die Reform der Gemeinsamen
Fischereipolitik vor, in der sie vorschlägt, dass der
Fischfang für die Fischmehlproduktion auf Fische
abzielen sollte, die nicht für den unmittelbaren
menschlichen Verbrauch vermarktet werden, und dass
diese Form des Fischfangs auch in Zukunft überwacht
werden muss. Der Rat hat diese Kommissionsmitteilung
noch nicht behandelt. Die Entscheidung des Rates
Nr. 2000/766/EG gilt nur für die Verwendung von
Fischmehl zur Verfütterung an Wiederkäuer und auch
nur, wenn das Futter die Vorschriften der
Kommissionsentscheidung erfüllt. Das ist meine
Antwort, die – zugegebenermaßen – nicht besonders
zufriedenstellend ist, aber der Rat hat die Mitteilung der
Kommission noch nicht behandelt. Ich möchte
abschließend mein Verständnis dafür ausdrücken, dass
diese Frage gestellt wurde. Aber zum gegenwärtigen
Zeitpunkt kann ich nicht mehr sagen.
3-233
Der Präsident. – Zur Neuformulierung Ihrer Frage?
Sehr gut. Wir danken Frau Paulsen für diesen
Entschluss.
3-234
Der Präsident. – Anfrage Nr. 9 von Cecilia Malmström
(H-0396/02):
Betrifft: Maßnahmen gegen die kubanische
Unterstützung der Demokratiebewegung
Regierung
und
Der Lars-Leijonborg-Preis für Verfechter der Demokratie ist Frau
Gisela Delgado Sablón, der Vorkämpferin für freie Bibliotheken auf
Kuba, zuerkannt worden. Dieser Preis wird von meiner Partei an
Personen in Diktaturen vergeben, die sich auf verdienstvolle Weise für
Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Frau Delgado Sablón ist
nach Stockholm eingeladen worden, um den Preis entgegen zu
nehmen, und ich selbst habe sie eingeladen, an einem Seminar des
Europäischen Parlaments über die Lage auf Kuba teilzunehmen.
5
ABl. L 306 vom 7.12.2000, S. 32.
Bedauerlicherweise haben wir die Mitteilung erhalten, dass sich die
kubanische Regierung weigert, Frau Delgado Sablón ein
Ausreisevisum aus Kuba zu bewilligen. Schon seit langem werden
Demokraten von dem kommunistischen Regime auf Kuba
systematisch verfolgt, und dieser Vorfall ist nur ein weiteres Beispiel
dieser Politik. Für die Demokratiebewegung wäre es überaus wichtig
gewesen, dass Frau Delgado Sablón Stockholm und Brüssel hätte
besuchen können, um über die Lage in ihrem Heimatland zu berichten.
Welche Maßnahmen gedenkt der Rat gegen die kubanische Regierung
zu ergreifen, um diese zu veranlassen, die Verfolgung von Demokraten
einzustellen, und um jene zu unterstützen, die sich für Demokratie und
Menschenrechte auf Kuba einsetzen?
3-235
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, der Rat ist sich
über die Situation im Hinblick auf die Menschenrechte
und Grundfreiheiten in Kuba sowie die Notwendigkeit
der Einführung eines Systems im Klaren, das auf den
Grundfreiheiten und anderen Rechten basiert. Ein
solches System ist zwar in der kubanischen Verfassung
verankert, aber nicht umgesetzt worden. Das ist der
Hauptgrund, weshalb die EU mit Kuba als einzigem
Land
in
Lateinamerika
noch
kein
Kooperationsabkommen geschlossen hat. Seit 1996
werden die Beziehungen der Europäischen Union zu
Kuba durch den Gemeinsamen Standpunkt der EU zu
Kuba bestimmt.
Entsprechend dem Gemeinsamen Standpunkt verfolgt
die Union gegenüber Kuba das Ziel, den Übergang zu
einer pluralistischen Demokratie, die Achtung der
Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie einen
nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung zu fördern
und den Lebensstandard der kubanischen Bevölkerung
zu verbessern. Unserer Auffassung nach sind ein
zielgerichteter Dialog und humanitäre Hilfe die besten
Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Der Dialog mit
Kuba, den die kubanischen Behörden im April 2000
unterbrochen haben, wurde am 1. und 2. Dezember
letzten Jahres offiziell wieder aufgenommen, als drei
hohe Beamte der EU nach Havanna gereist sind. Die
Troika traf mit der kubanischen Delegation unter
Leitung des Außenministers Felipe Perez Roque
zusammen. Außerdem gab es ein Treffen mit der
kubanischen Delegation auf Expertenebene, als die UNMenschenrechtskommission im April dieses Jahres
tagte.
Der Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ hat auf seiner
Sitzung am 17. Juni dieses Jahres in Luxemburg die elfte
Bewertung des Gemeinsamen Standpunkts der
Europäischen Union zu Kuba gebilligt. Der Rat
bestätigte erneut, dass diese Zielsetzungen weiterhin
Gültigkeit besitzen. Nach Auffassung des Rates ist die
Fortsetzung des Dialogs mit Kuba von wesentlicher
Bedeutung, um konkrete Ergebnisse zu erzielen. Er
erwartet von der kubanischen Regierung eindeutige
Signale zur Verwirklichung der Ziele des Gemeinsamen
Standpunkts.
Als der kubanischen Nationalversammlung am 20. Mai
dieses Jahres das Varela-Projekt vorgelegt wurde,
begrüßte der Ratsvorsitz im Namen der Europäischen
Union diese Initiative in einer Erklärung. Wir halten das
03/07/2002
Varela-Projekt für ein wichtiges Vorhaben, das mit
starker Unterstützung der kubanischen Zivilgesellschaft
die Veränderungen auf den Weg bringen kann, die das
Land braucht und die das kubanische Volk fordert. Ziel
der Initiative, die mit der kubanischen Verfassung im
Einklang steht, ist die Einführung eines Systems von
Grundfreiheiten und anderen Rechten, die zwar in der
Verfassung verankert, aber nicht umgesetzt worden sind.
In der Erklärung gibt die EU ihrer Hoffnung Ausdruck,
dass die Nationalversammlung die Initiative prüft und
dass das Varela-Projekt eine Debatte auslöst, die den
friedlichen Übergang zu einer pluralistischen
Demokratie sowie eine kubanische Gesellschaft fördern
wird, die mit sich selbst in Frieden lebt.
Auf seiner Sitzung am 17. Juni in Luxemburg hat der
Rat diese elfte Bewertung des Gemeinsamen
Standpunkts zu Kuba zur Kenntnis genommen. Er
bekräftigte, dass der Gemeinsame Standpunkt die
Grundlage für die Politik der Europäischen Union
gegenüber Kuba bleibt und weiterhin Gültigkeit besitzt.
Der Rat nahm jedoch einige positive Anzeichen wie eine
größere Religionsfreiheit, die Abnahme der Zahl
politischer Häftlinge, die Nichtanwendung der
Todesstrafe seit zweieinhalb Jahren und die
Ratifizierung von mehr Rechtsakten der UN im Bereich
der Menschenrechte zur Kenntnis. Außerdem konnte er
seit kurzem Anzeichen für eine größere Offenheit bei
den kubanischen Behörden feststellen, hält diese jedoch
nur für die ersten Schritte. Der Rat erwartet von der
kubanischen Regierung positive Schritte hin zu echten
Reformen, die zu einem auf demokratischen Werten
basierenden politischen System führen. Er verfolgt in
diesem Zusammenhang mit Interesse die Entwicklung
des genannten Projekts, das mit der Verfassung im
Einklang steht, und fordert die kubanische Regierung
auf, es als rechtmäßige Initiative zur Einführung dieser
Reformen zu betrachten. Der Rat befasst sich also
intensiv mit Kuba, verfolgt seine Entwicklung, stellt
dem Land Forderungen und wird dies auch weiterhin
tun. Gleichzeitig verzeichnet er jedoch bescheidene
Fortschritte, die es trotz allem gibt und die, wie der Rat
hofft, den Beginn einer Entwicklung darstellen.
3-236
Malmström (ELDR).  (SV) Herr Ratsvorsitzender,
herzlich willkommen in unserem Hause! Es ist schön,
Sie zu sehen. Ich möchte mich für Ihre Antwort
bedanken und darauf hinweisen, dass seit der
Formulierung meiner Anfrage einiges geschehen ist.
Morgen führt die Fraktion der Liberalen ein Seminar zur
Demokratisierung Kubas durch. Wir hatten vier
kubanische Staatsbürger zur Teilnahme an diesem
Treffen eingeladen, ihnen wird jedoch von den
kubanischen Behörden die Ausreise verweigert. Vor
einer Viertelstunde erhielt ich ein Fax vom Botschafter
Kubas, in dem das Seminar als Verunglimpfung des
kubanischen Volkes bezeichnet wird. Wie Sie wissen,
hat
das
kubanische
Regime
auch
eine
Verfassungsänderung durchgesetzt, die den Sozialismus
auf ewig in der Verfassung verankert. Was in Kuba
geschieht, ist für das kommunistische Regime natürlich
eine unglaubliche Provokation.
85
Bereitet der dänische Ratsvorsitz in Anbetracht der
vielen
verschiedenen
Initiativen
für
eine
Demokratisierung Kubas weitere Maßnahmen vor, um
Druck auf das Regime auszuüben? Die geringfügigen
Verbesserungen, die wir sahen, scheinen nichts zu
bewirken. Die Europäische Union muss hier eine sehr
aktive Rolle spielen. Die kubanische Opposition ist auf
uns angewiesen.
3-237
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, das war meines
Erachtens ganz eindeutig eine Frage. Sie läuft darauf
hinaus, was ich von der Initiative der Fraktion der
Liberalen halte und was ich dazu sage, dass man kein
Visum bekommt, um ein solches Seminar zu besuchen.
Meine Antwort lautet, dass es sich um eine interessante
und positive Initiative zu handeln scheint. Was sich in
ihrem Umfeld abgespielt hat, beweist leider, dass es bis
zur Anerkennung der grundlegenden Menschenrechte in
Kuba noch ein weiter Weg ist. Das darf uns aber nicht
dazu veranlassen aufzugeben, und ich bin dankbar für
die Informationen, die Frau Malmström uns hier
gegeben hat. Sie sind lehrreich, und wir müssen sie
natürlich in unsere Überlegungen einbeziehen.
3-238
Korakas (GUE/NGL). – (EL) Herr Ratspräsident!
Finden Sie nicht, dass es heuchlerisch ist, sich für die
Demokratie und die Menschenrechte in einem Land zu
interessieren, dem es trotz des vor Jahren verhängten
unmenschlichen Embargos und des unerklärten Krieges
der USA gelungen ist, das höchste Lebens- und
Bildungsniveau in Mittel- und Lateinamerika zu
erreichen? Und sind Sie nicht auch der Meinung, dass
wir den Willen der überwältigenden Mehrheit des
kubanischen
Volkes
zur
Verteidigung
seines
sozialistischen Vaterlandes respektieren sollten und dass
sich die Forderung unmittelbar an die USAdministration richten muss, damit das verbrecherische
Embargo aufgehoben und der Terror gegen Kuba und
die Führung des kubanischen Volkes eingestellt wird?
Was werden Sie, Herr Ratspräsident, denn nun wirklich
unternehmen, um die Freilassung der fünf kubanischen
Kämpfer gegen den Terror zu erwirken, die in den USA
eben deshalb festgehalten werden, weil sie den Terror
der Regierung der Vereinigten Staaten gegen Kuba und
seine Führung angeprangert haben?
3-239
Haarder, Rat. – (DA) Ich möchte Herrn Korakas gerne
sagen, dass ich nicht hoffe, dass sozialistische
Fortschritte mit einem Mangel an Demokratie und
Menschenrechten,
mit
Einschränkunken
der
Reisefreiheit und der freien Meinungsäußerung
einhergehen
müssen.
Eine
solche
Definition
sozialistischer Errungenschaften hielte ich unklug. Man
kann von dem amerikanischen Embargo halten, was man
will – ich verzichte hier auf Einzelheiten –, es besteht
jedoch kein Zweifel daran, dass es auf Kuba hätte freie
Wahlen geben können und dass bedeutend größere
Fortschritte in punkto Menschenrechte möglich gewesen
wären. Dann hätten die Fürsprecher einer Aufhebung des
Embargos gute Argumente gehabt.
86
3-240
Der Präsident. – Anfrage Nr. 10 von Lennart Sacrédeus
(H-0399/02):
Betrifft: UN-Sondersitzung über Kinder
In der am 11. April 2002 vom Parlament im Vorfeld der UNSondersitzung über Kinder angenommenen Entschließung hat das
Europäische Parlament unter anderem festgestellt, „dass es die
Auffassung unterstützt, dass die Familie die Keimzelle der
Gesellschaft ist und die Hauptverantwortung für den Schutz, die
Erziehung und die Entwicklung der Kinder trägt“ und daher „eine
kinderfreundliche Welt (…) auch eine familienfreundliche Welt sein
muss“.
Welche Schritte hat der Rat während der Sondersitzung der UN über
Kinder unternommen, um die Ansichten des Parlaments in das auf der
Sondersitzung angenommene Schlusspapier integriert zu sehen, und
welchen Erfolg erzielte er dabei, die Rolle der Familie als Keimzelle
der Gesellschaft hervorzuheben?
3-241
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, ich möchte Herrn
Sacrédeus zunächst auf die Antwort verweisen, die der
Rat auf eine ähnliche Anfrage im Oktober vergangenen
Jahres in Bezug auf die Sondersitzung der UN über
Kinder gegeben hat, die für September 2001 geplant
war. Wie Sie wissen, wurde die Sitzung wegen der
Terrorangriffe auf die USA am 11. September 2001 auf
den 10.-12. Mai 2002 verschoben.
Im Übrigen möchte ich Sie darüber informieren, dass die
Ergebnisse der Sondersitzung jetzt auf der UNICEFHomepage zur Verfügung stehen. Ich freue mich, dem
Parlament mitteilen zu können, dass der auf der Sitzung
beschlossene Aktionsplan auch einen Abschnitt über die
Familie enthält, der von der Europäischen Union
vorgeschlagen wurde. Dieser Abschnitt hat auf Englisch
folgenden Wortlaut:
3-242
„The family is the basic unit of society and as such,
should be strengthened. It is entitled to receive
comprehensive protection and support. The primary
responsibility for the protection, upbringing and
development of children rests with the family. All
institutions of society should respect children's rights
and secure their wellbeing and render appropriate
assistance to parents, families, legal guardians and other
care givers so that children can grow and develop in a
safe and stable environment and in an atmosphere of
happiness, love and understanding, bearing mind that in
different cultural, social and political systems various
forms of the family exist.“
3-243
(DA)... dieser Abschnitt war Teil eines Pakets, das vom
Präsidenten der Sitzung am letzten Tag der
Sondersitzung vorgeschlagen wurde, als der EURatsvorsitz deutlich gemacht hatte, dass die EU auf der
Aufnahme dieses Themas in den Aktionsplan besteht.
Wir können stolz darauf sein, dass in dem Aktionsplan
nicht nur auf die Familie als Keimzelle der Gesellschaft,
sondern auch auf die Existenz unterschiedlicher Formen
der Familie hingewiesen wurde, obwohl in Bezug auf
einige der zuletzt doch noch gelösten Fragen keine
03/07/2002
Übereinstimmung bestand. Ich denke, Herr Sacrédeus
weiß, woran ich dabei denke.
Ich möchte ferner darauf hinweisen, dass die Vereinten
Nationen in der auf der Sondersitzung beschlossenen
Erklärung alle Mitglieder der Gemeinschaft aufgefordert
haben – und hier zitiere ich erneut auf Englisch – „to
join us in a global movement that will help build a world
fit for children through upholding our commitments“.
Wenn der Herr Abgeordnete genauere Informationen
über die Beratungen der UN-Sondersitzung über Kinder
haben möchte, bitte ich Kontakt mit der Delegation des
Europäischen
Parlaments
zur
Sondersitzung
aufzunehmen. Einige der Abgeordneten hier im
Parlament können meine Antwort nämlich bestätigen.
3-244
Sacrédeus (PPE-DE).  (SV) Ich möchte Herrn Bertel
Haarder für seine Antwort danken und unseren früheren
Kollegen als Europaminister hier im Europäischen
Parlament begrüßen.
Ich danke der Europäischen Union für die geleistete
Arbeit zur Hervorhebung der Familie als Keimzelle der
Gesellschaft und habe diesbezüglich noch einige Fragen
an Herrn Haarder:
Ergeben sich hieraus Konsequenzen für die Arbeit des
Rates bezüglich der demografischen Herausforderung,
die der schwedische Ministerpräsident Göran Persson
auf dem Europäischen Rat von Stockholm im März 2001
als einen der zentralen Bereiche für die zukünftige
Arbeit der Europäischen Union herausstellte? Beinhaltet
die Formulierung, dass es unterschiedliche Formen der
Familie gibt, nicht trotzdem, dass die EU das Recht der
Kinder auf eine Mutter und einen Vater unterstreicht,
darauf, in einer Gemeinschaft und somit in mehr
Geborgenheit aufzuwachsen?
3-245
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, ich möchte mich
dafür entschuldigen, dass ich die falsche Silbe des
Namens von Herrn Sacrédeus betont habe. Das wird
nicht noch einmal passieren – ich bin es selbst so
gewohnt.
Ich empfinde meine Formulierung als recht ausgewogen.
Ich stimme dem zu, dass es für das Heranwachsen eines
Kindes normalerweise am besten ist, wenn es einen
Vater und eine Mutter hat, aber das verläuft nicht immer
so optimal. Andererseits gibt es Kinder, die ohne Vater
oder Mutter aufwachsen und trotzdem eine glückliche
Kindheit und ein gutes Leben haben. Deshalb halte ich
es für wichtig, dass wir den Begriff Familie nicht zu eng
fassen.
Über die demografische Herausforderung, also die
schrumpfende Bevölkerungszahl, ließe sich lange
diskutieren. Ich halte das Problem nicht für so
dramatisch, wie es teilweise eingeschätzt wird, aber es
ist nicht meine Aufgabe, im Namen des Rates zu einer
Debatte Stellung zu nehmen, die wir, wie ich denke, zu
dieser Frage noch führen werden. Das hängt im Übrigen
auch mit der Frage der Einwanderung in unsere Länder
03/07/2002
87
zusammen, und ich finde, dass eine Diskussion darüber
jetzt zu weit gehen würde.
3-246
Der Präsident. – Da sie dasselbe Thema betreffen,
werden die Anfragen Nr. 11 und 12 gemeinsam
behandelt.
Anfrage Nr. 11 von Carlos Carnero González (H0402/02):
Betrifft: Verfahren gegen führende Politiker der demokratischen
Opposition in Äquatorialguinea
Heute, am 23. Mai 2002, stehen in Äquatorialguinea auf Grund von
völlig haltlosen Beschuldigungen und ohne die geringsten einem
Rechtsstaat eigenen Verfahrensgarantien verschiedene führende Köpfe
der demokratischen Opposition, unter ihnen auch Plácido Micó, Führer
einer der repräsentativsten oppositionellen Gruppierungen, der
Convergencia para la Democracia Social (CPDS), vor Gericht.
Dieses Verfahren ist der überdeutliche Beweis dafür, dass das Regime
in Äquatorialguinea in keiner Weise bereit ist, den Verpflichtungen
nachzukommen, die es der internationalen Gemeinschaft,
einschließlich der EU, gegenüber eingegangen ist, den
Übergangsprozess zur Demokratie einzuleiten.
Welche Maßnahmen hat die EU anlässlich dieses Verfahrens und zum
Schutz der demokratischen Opposition vor den inakzeptablen
Übergriffen der Diktatur von Teodoro Obiang ergriffen oder wird sie
noch ergreifen?
Anfrage Nr. 12 von Raimon Obiols i Germà (H0407/02):
Betrifft: Festnahme
Äquatorialguinea
führender
Oppositionspolitiker
in
Der Generalsekretär der Partei Convergencia para la Democracia
Social (CPDS) von Äquatorialguinea, Plácido Micó Abogo, ist unter
Hausarrest gestellt worden, nachdem er am 9. Mai festgenommen
worden war, weil er an einer mutmaßlichen Sitzung im Haus von
Emilio Ndong Biyogo und Felipe Ondo Obiang teilgenommen hatte, in
der angeblich von Plänen zum Umsturz von Präsident Obiang die Rede
war.
Die CPDS wurde im Februar 1993 auf Druck der internationalen
Gemeinschaft legalisiert, nachdem das Regime, das der CPDS vorwarf,
mit dem Projekt des „demokratischen Experiments“, für das die
Regierung von Äquatorialguinea damals eintrat, unvereinbar zu sein,
sich der Legalisierung dieser und anderer Parteien hartnäckig
widersetzt hatte.
Über welche Informationen verfügt der Vorsitz des Rates im Hinblick
auf die Festnahme von Oppositionspolitikern, die demokratischen
Parteien wie der CPDS in Äquatorialguinea angehören?
Wie sieht der Vorsitz des Rates die Entwicklung des Prozesses der
Demokratisierung in diesem Land?
Welche Maßnahmen hat der Rat ergriffen, um die Achtung der
grundlegenden Menschenrechte und der politischen Rechte der
verschiedenen demokratischen politischen Kräfte in diesem Land zu
gewährleisten?
3-247
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, der Rat hat die
Festnahme
von
Oppositionspolitikern
in
Äquatorialguinea aufmerksam registriert, auch die
fragwürdigen
Umstände
der
Festnahme,
des
Gerichtsverfahrens und der jüngsten Urteile. Die
Staatsanwaltschaft forderte zwar die Todesstrafe,
letztendlich wurden die Oppositionsführer aber zu
Gefängnisstrafen zwischen sechs und zwanzig Jahren
verurteilt, weil sie angeblich den Sturz von Präsident
Obiang geplant hatten.
Ungeachtet der Versicherung des Präsidenten, die
Menschenrechte zu achten, hat die EU ihre Besorgnis
bezüglich der Unregelmäßigkeiten in dem Verfahren
sowie des Vorwurfs der Folter und Misshandlung der
Angeklagten zum Ausdruck gebracht. Es bestehen noch
immer ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
Festnahme.
Der Ratsvorsitz hat am Montag, dem 10. Juni, kurz nach
der Verkündung der Urteile, eine Erklärung abgegeben,
in der er an die zuständigen Behörden in
Äquatorialguinea
appelliert,
die
notwendigen
Maßnahmen zu treffen, um die Urteile zu revidieren und
sicherzustellen, dass die Grundrechte der Angeklagten
respektiert werden. Nach Meinung der EU stehen die
schwachen Beweise gegen die angeklagten Politiker in
scharfem Widerspruch zur Härte der Urteile. Daher die
Forderung nach Wiederaufnahme der Verfahren.
Die Union hat ernsthafte Zweifel am Willen der
Behörden geäußert, das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit
zu wahren und den Verpflichtungen zur Achtung der
Menschenrechte nachzukommen, die das Regime vor
kurzem im Zusammenhang mit der 58. Sitzung der UNMenschenrechtskommission eingegangen ist. Zudem hat
die EU auf die Verpflichtungen Äquatorialguineas
entsprechend dem Abkommen gegen Folter und andere
grausame,
unmenschliche
oder
erniedrigende
Behandlung oder Bestrafung hingewiesen, dem das Land
kürzlich beigetreten ist. Die Union hat also schnell,
entschieden und mit Nachdruck reagiert und hegt, wie
deutlich geworden ist, großes Misstrauen gegen besagte
Gerichtsentscheidungen in Äquatorialguinea.
3-248
Carnero González (PSE). – (ES) Bei allem Respekt,
aber ich glaube, man hat dem Herrn amtierenden
Ratspräsidenten eine Antwort vorgegeben, die sich sonst
wo bewegt, nur nicht auf dieser Erde, nicht in der
Europäischen Union und erst recht nicht in
Äquatorialguinea.
Herr amtierender Ratspräsident, mit Ihrer Antwort
belegen Sie, dass Sie entweder nicht zur Kenntnis
genommen haben oder nicht zur Kenntnis nehmen
wollen, dass in Äquatorialguinea ein Prozess ohne
jegliche demokratische Garantien stattgefunden hat, bei
dem auf der Grundlage haltloser Beschuldigungen
Strafen verhängt wurden und die Verhafteten bzw. später
Verurteilten überdies Bedingungen unterliegen, die ihr
Leben hochgradig gefährden. Ich weiß nicht, ob Ihnen
beispielsweise bekannt ist, dass sie seit einer Woche
88
keinerlei Nahrung mehr erhalten und zwei von ihnen vor
48 Stunden als Notfälle mit schwersten Erkrankungen
ins Krankenhaus von Malabo eingeliefert werden
mussten.
03/07/2002
Herr amtierender Ratspräsident, gedenken Sie die vom
zuständigen Kommissionsmitglied während der letzten
Plenartagung vorgetragene Antwort der Kommission auf
die Lage in Äquatorialguinea zu achten und darüber
hinaus die diesbezügliche Entschließung dieses
Parlaments einzuhalten, indem Sie den Inhalt des
Abkommens von Cotonou umsetzen?
eingegangenen Verpflichtungen hinweisen. In der Regel
ist es ja schwierig – entschuldigen Sie bitte, wenn ich
das so sage –, in die betreffenden Länder
einzumarschieren, um eine Polizeiaktion durchzuführen.
Der Rat tut deshalb in diesem Fall genau dasselbe, was
auch das Parlament in vielen Fällen tut, nämlich
appellieren, Beschlüsse verabschieden, die Länder auf
ihre Verpflichtungen und die internationalen Abkommen
hinweisen, die sie unterzeichnet haben. Das haben wir
getan, das kann man in solchen Fällen tun, und ich kann
Ihnen versichern, dass der Rat die Situation auch künftig
äußerst aufmerksam verfolgen wird.
3-249
3-252
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, im CotonouAbkommen gibt es Paragraphen, die es der Europäischen
Union ermöglichen, in einen Dialog einzutreten, Kritik
zu üben und Erklärungen zu verlangen. Das hat die
Europäische Union getan, und ich habe in meiner
Antwort Äquatorialguinea keineswegs in Schutz
genommen. Im Gegenteil: Ich habe starke Worte
gebraucht und abschließend das Misstrauen der Union
gegenüber den Gerichten und den verkündeten Urteilen
zum Ausdruck gebracht. Wenn Herr Carnero González
es wünscht, werde ich im Namen der Union auch
ausdrücklich die Art und Weise missbilligen, in der
Angeklagte und Gefangene in Äquatorialguinea
behandelt werden.
Der Präsident. – Anfrage Nr. 13 von Bill Newton Dunn
(H-0405/02):
Betrifft:
Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen
Wie beabsichtigt der Rat in Anbetracht der verbindlichen
Verpflichtungen der 15 Mitgliedstaaten im Rahmen des KyotoProtokolls ihre Emissionen der sechs Treibhausgase zu reduzieren
seinen eigenen Energieverbrauch zu drosseln.
Ist ihm klar, dass er eine erhebliche Reduzierung herbeiführen könnte,
indem er sich einfach auf einen einzigen Arbeitsort für das
Europäische Parlament einigt?
3-253
3-250
Obiols i Germà (PSE). – (ES) Herr Präsident, Sie
werden mir gestatten, in meinem kurzen Redebeitrag
nichts zu beschönigen.
Es geht um Leben oder Tod von Menschen, die uns
wirklich sehr nahe stehen. Mit Plácido Micó, dem
Generalsekretär der CPDS (einer sozialdemokratischen
Partei, die der Sozialistischen Internationale angehört),
bin ich persönlich befreundet, und er ist in diesem
Prozess verurteilt worden, in einer wahrhaft
schändlichen Farce, in der offenkundig nicht nur jegliche
Garantiegrundsätze absolut und in jeder Hinsicht verletzt
worden sind, sondern es auch zu sehr schweren
körperlichen Misshandlungen gekommen ist.
Wir intervenieren also, um den Ratspräsidenten zum
sofortigen
Handeln
aufzufordern,
denn
die
Informationen, die uns von vorgestern aus Malabo
vorliegen, sind – wie mein Kollege Carlos Carnero
bereits aufgezeigt hat – außerordentlich alarmierend. Es
geht nicht einfach nur darum, die Situation mit mehr
oder weniger schönen Worten zu verurteilen, sondern
das Gewicht der Europäischen Union einzusetzen, um zu
erreichen, dass dieser entsetzliche Skandal ein für alle
Mal ein Ende findet.
3-251
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, ich war selbst
Mitglied des Europäischen Parlaments und an der
Formulierung von Beschlüssen gegen Übergriffe und
Grausamkeiten überall in der Welt beteiligt. Was man in
vielen Fällen tun kann, ist das, was ich hier im Namen
des Rates dargelegt habe. Man kann appellieren, prüfen
und die betreffenden Länder auf die von ihnen
Haarder, Rat. – (DA) Ich kann Herrn Newton Dunn
versichern, dass sich der Rat intensiv um die Umsetzung
des Kyoto-Protokolls bemüht und auch den
Energieverbrauch in Gebäuden als wichtiges Anliegen
betrachtet. Ich möchte auf die Entschließung über
Energieeffizienz in der Europäischen Gemeinschaft von
1998 sowie auf die vom Rat am 30. Mai 2000 und
5. Dezember 2000 angenommenen Schlussfolgerungen
über den Aktionsplan der Kommission zur
Energieeffizienz verweisen, in dem Sondermaßnahmen
für den Baubereich gefordert werden. Der Rat hat die
Bedeutung der Energieeffizienz auch in den
Schlussfolgerungen über gemeinsame und koordinierte
Politiken und Maßnahmen in der EU zur Verringerung
der Treibhausgasemissionen vom 10. Oktober 2000
unterstrichen, die dazu beitragen, die Ziele des
Europäischen Programms zur Klimaänderung zu
erreichen.
Was die im Aktionsplan vorgeschlagenen besonderen
Maßnahmen angeht, so hat die Kommission inzwischen
einen Richtlinienvorschlag zur Energieeffizienz in
Gebäuden vorgelegt. Vor dem Hintergrund der
Stellungnahme des Parlaments hat der Rat dem
Parlament seinen Gemeinsamen Standpunkt vor Beginn
der Sitzungsperiode im letzten Monat übermittelt.
Zur zweiten Frage ist zu sagen, dass Bedingungen wie
der Sitz der EU-Organe durch das Protokoll zum EUVertrag, dem EGKS-Vertrag und dem EURATOMVertrag über die Festlegung der Sitze der Organe und
bestimmter Einrichtungen und Dienststellen der
Europäischen Gemeinschaften sowie des Sitzes von
Europol geregelt werden. Dieses Protokoll kann nur
nach dem Verfahren in Artikel 48 EU-Vertrag geändert
03/07/2002
werden. Das Problem muss daher einem anderen Forum
vorgetragen werden, und ich bin sicher, dass Herr
Newton Dunn mir da zustimmt.
3-254
Newton Dunn (ELDR). – (EN) Ich möchte mich
meinen Vorrednern anschließen und ebenfalls meine
Freude über die Anwesenheit des Ratspräsidenten zum
Ausdruck bringen. Es ist schön, ihn als Freund und
Kollegen hier wiederzusehen, und ich bin sicher, dass
wir ihn, sollten sich die Dinge in Kopenhagen jemals
nicht so entwickeln, wie er es sich wünscht, jederzeit
gerne wieder hier auf einem dieser Plätze sehen würden.
Lassen Sie uns aber nicht über eine solche negative
Entwicklung spekulieren, darüber können wir immer
noch sprechen, wenn sie tatsächlich eintritt.
Ich danke Ihnen für Ihre Antwort auf meine Anfrage.
Mit ist klar, dass die Frage des Sitzes an anderer Stelle
entschieden werden muss, obwohl wir eine Menge
Energie sparen könnten, wenn wir dieses Gebäude
aufgeben würden.
Ich bin ganz besonders an diesem Thema interessiert,
weil die EU-Organe hier mit gutem Beispiel vorangehen
sollten. Ich hoffe, wir werden der Welt mit unseren
Energiesparbemühungen ein gutes Vorbild sein. Ich
schlage also vor, dass der Ratspräsident mir zusichert,
dass er mir berichten wird, welche Maßnahmen der Rat
zur Energieeinsparung in seinen eigenen Gebäuden
getroffen hat und wie er hier mit gutem Beispiel
vorangegangen ist, wenn ich in der Dezember-Sitzung
eine Anfrage zu diesem Thema vorbringe. Dazu zählen
zum Beispiel der Einbau energiesparender Lichtschalter
ebenso wie alle anderen Maßnahmen, die der Rat in den
nächsten sechs Monaten treffen wird, um der Welt ein
Beispiel zu geben.
3-255
Haarder, Rat. - (DA) Herr Präsident, ich möchte mich
bei Herrn Newton Dunn für die Begrüßung herzlich
bedanken. He has made his point very clear, and I shall
be happy to communicate that point to the services of the
Council.
3-256
Der Präsident. – Anfrage Nr. 14 von Bernd Posselt (H0408/02):
Betrifft:
Loya Jirga und die Zukunft Afghanistans
Wie beurteilt die Ratspräsidentschaft den Vorbereitungsprozess zur
Loya Jirga in Afghanistan, und welche Maßnahmen plant sie zur
weiteren Stabilisierung dieses Landes?
3-257
Haarder, Rat. - (DA) Herr Präsident, ich möchte Herrn
Posselt für die Anfrage danken. Der Rat ist, ebenso wie
UNAMA und andere internationale Beobachter,
prinzipiell mit dem Ergebnis der Sondersitzung
zufrieden, die Mitte Juni in Kabul stattfand. Im Großen
und Ganzen war die Zusammenkunft der Loya Jirga
erfolgreich und hat die Ziele des Bonner Abkommens
erreicht, d. h. die Wahl eines Staatsoberhaupts und die
89
Anerkennung der Struktur sowie der zentralen
Persönlichkeiten
der
Übergangsregierung.
Die
wichtigsten politischen Kräfte des Landes haben die
Loya Jirga unterstützt, und die Unterstützung durch das
Volk war während des gesamten Treffens ungewöhnlich
groß. Diese Loya Jirga war wohl die repräsentativste,
die das Land jemals hatte. Sie war ethnisch ausgewogen,
und es gab eine große Anzahl Frauen unter den
Delegierten. Das ist ein beachtliches Unterfangen, wenn
man die schwierige politische und Sicherheitslage, den
engen Zeitplan sowie die Tatsache berücksichtigt, dass
die Bevölkerung zum Teil vertrieben wurde und es an
zuverlässiger Infrastruktur einschließlich Statistiken
mangelt. Der Rat ist sich jedoch der Schwierigkeiten und
Probleme bewusst, die es bis zur Loya Jirga gegeben
hat. In mehreren Fällen wurde die Wahl der Delegierten
durch organisatorische Probleme behindert, aber auch
durch Versuche, Kandidaten zu schikanieren, zu
bestechen, einzuschüchtern oder zu töten. Diese
Zwischenfälle waren allerdings selten und konnten
weder die Struktur und den Zeitplan der Versammlung
beeinflussen noch ihre Legitimität untergraben. Der Rat
ist nach wie vor davon überzeugt, dass die
Sondersitzung die Aussöhnung des Volkes befördert hat
und nunmehr eine stabile politische Struktur geschaffen
werden kann, wie sie für den weiteren Wiederaufbau
Afghanistans notwendig ist.
In diesem Zusammenhang möchte der Rat noch einmal
betonen, dass die in Tokio zugesagte Unterstützung der
EU beim Wiederaufbau auch künftig davon abhängig
sein wird, dass alle afghanischen Partner einen positiven
Beitrag zu diesem Prozess und zur Erreichung der Ziele
leisten, wie sie im Bonner Abkommen festgelegt sind.
Im Hinblick auf die weitere Stabilisierung des Landes
hat die Union seit Beginn des Bonner Prozesses
wiederholt bekräftigt, dass sie fest entschlossen ist, den
Wiederaufbau Afghanistans zu unterstützen. Die
Mitgliedstaaten werden auch in Zukunft das Gros der
ISAF-Kräfte in Kabul stellen. Die Gemeinschaft und
ihre Mitgliedstaaten stellen die auf der internationalen
Geberkonferenz in Tokio im Januar dieses Jahres
vereinbarten Hilfen zum Wiederaufbau des Landes zur
Verfügung. So wurden allein für dieses Jahr
600 Mio. Euro und für die folgenden Jahren bis 2006
2,3 Mrd. Euro zugesagt. Als einer der vier Vorsitzenden
der
Steuerungsgruppe
für
den
Wiederaufbau
Afghanistans wird die EU weiterhin eine aktive Rolle
beim Wiederaufbau des Landes spielen. Sie wird auch
künftig die nötige humanitäre Hilfe bereitstellen und
übernimmt damit den größten Teil der Unterstützung für
Afghanistan. Ich möchte hinzufügen, dass entsprechend
den Schlussfolgerungen von Sevilla eine Hilfe zur
Repatriierung gewährt werden soll, wie sie vom Hohen
Kommissar der UN für Flüchtlinge vorgeschlagen
wurde.
In den letzten Monaten sind einige kurzfristige Projekte
vor Ort durchgeführt worden. Etliche mittel- und
langfristige Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekte
kommen allmählich in Gang. Die EU wird sich
weiterhin aktiv für die notwendige Reform des
Sicherheitsbereichs einsetzen. So sind mehrere
90
Mitgliedstaaten auch künftig führend an der Ausbildung
der Streitkräfte, des Grenzschutzes, der Polizei, an der
Drogenbekämpfung usw. beteiligt. Durch Besuche von
EU-Delegationen auf hoher Ebene sind die politischen
Kontakte mit den afghanischen Führern vertieft worden.
Diese Kontakte werden fortgesetzt; sie sind nicht zuletzt
eine gute Basis für den weiteren Dialog mit den
afghanischen Behörden über substanzielle Fragen. Die
EU wird dadurch auch besser wahrgenommen, sie kann
sich profilieren und an der Kanalisierung künftiger EUHilfe für Afghanistan mitwirken. Deshalb ist es wichtig,
dass die EU einen Sonderbeauftragten in Kabul hat, dass
die Mitgliedstaaten Botschaften eröffnen und die
Kommission über eine Repräsentanz verfügt.
3-258
Posselt (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich danke sehr für
diese präzise Antwort, auch in der Frauenfrage. Ich muss
sagen, wir sind da oft ungerecht. Die tschechische
sozialdemokratische Regierung – und es ist immerhin
ein Beitrittsland – hat heute noch keine einzige Frau in
ihren Reihen. Hoffentlich ändert sich das jetzt! Wir
verlangen
aber
von
einer
archaischen
Stammesgesellschaft, dass sie sich von einem Tag auf
den anderen ändert.
Ich glaube, wir müssen an zwei Punkten ansetzen.
Danach will ich Sie fragen. Erstens: Förderung des
interethnischen Dialoges, denn die Loya Jirga hat bei
den Paschtunen Wunden zurückgelassen, nicht zuletzt
auch durch die Ungeschicklichkeit amerikanischer
Vertreter. Zweitens müssen wir junge Leute auf
kommunaler Ebene schulen. Ich möchte Sie konkret
nach dem Institution Building fragen, ob hier vielleicht
der Rat etwas initiieren könnte, ein eigenes
Hilfsprogramm für Institution Building.
3-259
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, ich darf mitteilen,
dass wir im Hinblick auf den Aufbau von Institutionen
die Kapazitäten der EU in diesem Bereich verstärken,
um bessere Unterstützung geben zu können. Zu der
Information von Herrn Posselt, dass die Loya Jirga die
Paschtunen verletzt hat, möchte ich anmerken, dass
nichts perfekt ist, und ich habe nicht behauptet, dass die
Loya Jirga Ausdruck einer perfekten Demokratie sei.
Dieser Meinung waren auch die europäischen Medien
nicht. Bedenkt man aber, dass vorher mittelalterliche
Zustände geherrscht haben, so ist es doch imponierend
und macht jedenfalls Hoffnung für die Zukunft, dass
man trotz allem so weit gekommen ist. Dass auch die
tschechische Sozialdemokratie offenbar nicht perfekt ist,
kann uns in diesem Fall als Trost dienen. Ich weiß nicht,
ob diese beiden Tatsachen viel miteinander zu tun
haben. Das möchte ich aber Herrn Posselt überlassen,
denn er kennt sich mit Tschechien besser aus als ich.
3-260
Der Präsident. – Da sie dasselbe Thema betreffen,
werden die Anfragen Nr. 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22,
23 und 24 gemeinsam behandelt.
03/07/2002
Anfrage Nr. 15 von Luigi Vinci (H-0412/02):
Betrifft:
PKK und Antiterror-Liste
Ist der Rat nicht der Ansicht, dass er mit der Aufnahme der PKK am
2. Mai d. J. in die „Antiterror-Liste“ zum Komplizen der türkischen
Repressionspolitik – sowohl des Militärs als auch der Polizei – gegen
das gesamte kurdische Volk wird? Welche Initiativen gedenkt der Rat
zu ergreifen, um den Friedensprozess in der Türkei wiederzubeleben,
und vor allem, wer sollen die Gesprächspartner sein?
Anfrage Nr. 16 von Giuseppe Di Lello Finuoli (H0414/02):
Betrifft:
Europäische Union, PKK und Türkei
Wie gedenkt der Rat nach der Aufnahme der PKK in die Liste der
terroristischen Organisationen gemäß der Verordnung (EG)
2580/20016 auf die Türkei Druck auszuüben, um zu erreichen, dass die
Grundrechte des kurdischen Volkes geachtet werden? Oder
beabsichtigt der Rat hingegen, die türkische Politik zur Ausrottung des
kurdischen Volkes zu fördern und zu unterstützen?
Anfrage Nr. 17 von Fausto Bertinotti (H-0416/02):
Betrifft: Türkei,
Vereinigungen“
PKK,
KADEK
und
„Liste
terroristischer
Mit der Aufnahme der PKK in die „Liste terroristischer
Vereinigungen“ macht sich der Rat objektiv zum Verbündeten der
türkischen Politik, die auf die Unterdrückung der Rechte des
kurdischen Volkes gerichtet ist. Welche unmittelbaren Initiativen
gedenkt der Rat einzuleiten, damit die Türkei die Grundrechte des
kurdischen Volkes achtet, wozu sie aufgrund zahlreicher
internationaler Verträge über die Menschenrechte und die Rechte der
Völker verpflichtet ist? Beabsichtigt der Rat nicht, die Abhaltung einer
internationalen Konferenz zur „Kurden-Frage“ zu unterstützen?
Anfrage Nr. 18 von Luisa Morgantini (H-0421/02):
Betrifft:
PKK, KADEK und Liste terroristischer Organisationen
Wie beurteilt der Rat politisch gesehen die Gründung der KADEKPartei, die aus der PKK entstanden ist? Will er vielleicht auch die
KADEK auf die Liste terroristischer Organisationen setzen lassen und
damit die Verfolgung der Kurden in der Türkei unterstützen?
Anfrage Nr. 19 von Feleknas Uca (H-0428/02):
Betrifft: Kurdische Arbeiterpartei auf europäischer Liste der
Terrororganisationen
6
ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 7.0
03/07/2002
Seit dem 2. Mai 2002 wird die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) in der
gesamten Europäischen Union als terroristische Gruppe angesehen.
Die PKK hat aber nach eigenen Angaben ihren gewaltsamen Kampf
gegen die türkische Armee 1999 mit einem Waffenstillstand
eingestellt.
91
Kann der Rat erläutern, wen er auf der kurdischen Seite als seinen
Gesprächspartner im Friedensprozess ansieht, nachdem die PKK auf
die Liste der terroristischen Organisationen gesetzt wurde?
Im April 2002 hat sich die PKK aufgelöst, und der Kongress für
Freiheit und Demokratie in Kurdistan (KADEK) wurde gegründet.
KADEK verfolgt nach eigenen Angaben einen friedlichen,
demokratischen und politischen Weg zur Lösung der kurdischen Frage.
Anfrage Nr. 23 von Alain Lipietz (H-0478/02):
Was hält der Rat von der neugegründeten kurdischen Organisation
KADEK?
Betrifft:
Wird die KADEK in Zukunft auch in die Liste der terroristischen
Organisationen aufgenommen?
Welche Auswirkungen hat die Liste auf die zivilen Organisationen in
der Türkei und in Europa, nachdem bekannt wurde, dass auch
Menschenrechtsorganisationen in die Liste der Terrororganisationen
aufgenommen werden sollten?
Anfrage Nr. 20 von Matti Wuori (H-0457/02):
Betrifft:
Friedensprozess in der Türkei
Nachdem die PKK in die Liste der terroristischen Organisationen
aufgenommen wurde, sind die Kurden sehr besorgt, da die türkischen
Behörden dies als eine Gelegenheit betrachten, den Druck gegen die
Kurden zu erhöhen.
Ist sich der Rat darüber im Klaren, dass er nach dem Beschluss vom
3. Mai über die Aufnahme der PKK in die Liste der terroristischen
Organisationen der türkischen Repression Legitimität verschafft hat?
Anfrage Nr. 24 von Koldo Gorostiaga Atxalandabaso
(H-0479/02):
Friedensprozess in der Türkei
Nachdem die Kurdische Arbeiterpartei des Volkes (PKK) jüngst auf
die EU-Liste terroristischer Organisationen gesetzt wurde, wird
zunehmend befürchtet, dass der türkische Staat seine Politik der
Unterdrückung gegenüber dem kurdischen Volk verschärfen wird.
Wie wird sich diese Entscheidung dem Rat zufolge auf eine friedliche
Lösung der Kurdenfrage auswirken?
Wen betrachtet der Rat als Dialogpartner im Friedensprozess auf
kurdischer Seite, nachdem die PKK auf die Liste terroristischer
Organisationen gesetzt wurde?
Betrifft:
Politischer Dialog in der Türkei
Welche Haltung nimmt der Rat in der Kurdenfrage ein, nachdem die
PKK in die Liste der terroristischen Vereinigungen aufgenommen
wurde?
Wie kann man sich einen politischen Dialog in der Türkei vorstellen,
wenn die EU für den Ausschluss von Verhandlungspartnern eintritt,
die unbedingt einbezogen werden müssen?
3-261
Anfrage Nr. 21 von Eurig Wyn (H-0463/02):
Betrifft:
Friedensprozess in der Türkei
Die Aufnahme der inzwischen aufgelösten PKK in die offizielle Liste
terroristischer Organisationen ist für den Friedensprozess in der Türkei
nicht hilfreich und dient nur dazu, die Unterdrückung der kurdischen
Bevölkerung durch die türkischen Behörden zu verschärfen.
Könnte der Rat klarstellen, auf welche Kriterien er die Entscheidung
stützte, die PKK am 2. Mai 2002 auf diese Liste zu setzen, obwohl
diese Organisation sich im April 2002 aufgelöst hat?
Anfrage Nr. 22 von Nelly Maes (H-0477/02):
Betrifft:
Friedensprozess in der Türkei
Nachdem die PKK in die Liste der terroristischen Organisationen
aufgenommen wurde, sind die Kurden sehr besorgt, da die türkischen
Behörden dies als eine Gelegenheit betrachten, den Druck gegen die
Kurden zu erhöhen.
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, ich möchte all
denen danken, die diese sehr berechtigte Frage gestellt
haben. Der Rat möchte betonen, dass die Liste
terroristischer Organisationen in der Anlage zum
Gemeinsamen Standpunkt des Rates über spezifische
Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus
regelmäßig überprüft wird. Die jüngste Überprüfung hat
dazu geführt, dass die PKK in die Liste aufgenommen
wurde. Das geschah nach einer gründlichen Bewertung
auf der Grundlage von Artikel 1 des Gemeinsamen
Standpunkts. Der Rat ist nicht der Ansicht, dass durch
die Aufnahme der PKK in diese Liste die Unterdrückung
der kurdischen Bevölkerung in der Türkei verschärft
wird. Man sollte die jüngste Empfehlung des Nationalen
Sicherheitsrats der Türkei zur Aufhebung des
Ausnahmezustands beachten, der noch immer in vier
überwiegend kurdisch besiedelten Provinzen im
südöstlichen Teil des Landes gilt. Der Rat ist sich dessen
bewusst, dass es nach wie vor erhebliche und
bedauerliche Einschränkungen der Grundfreiheiten, der
Menschenrechte und nicht zuletzt der kulturellen Rechte
gibt, insbesondere in den Gebieten, in denen der
Ausnahmezustand noch immer in Kraft ist. Dies alles
fällt natürlich unter die politischen Kopenhagener
Kriterien,
und
es
ist
klar,
dass
keine
Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden können,
solange diese Kriterien nicht vollständig erfüllt sind. Die
EU nutzt alle Möglichkeiten des politischen Dialogs mit
92
der Türkei, um auf weitere Fortschritte in Richtung auf
demokratische Reformen zu drängen. Dabei wird immer
wieder hervorgehoben, dass bei der Bekämpfung des
Terrorismus die Menschenrechte und das Prinzip der
Rechtsstaatlichkeit in vollem Umfang beachtet werden
müssen und dass der Terrorismus keine Rechtfertigung
für die Einführung oder Aufrechterhaltung von
Einschränkungen dieser Rechte sein darf.
3-262
Di Lello Finuoli (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident
Haarder, ich glaube, der Rat wollte nie erwägen, dass
sich die PKK aufgelöst hat, keine bewaffneten Aktionen
mehr durchgeführt hat und sich viele ihrer wichtigen
Mitglieder den Türken ergeben haben. Die Aufnahme
der PKK in die Liste terroristischer Organisationen ist,
insbesondere im Lichte dieser von mir erwähnten neuen
Tatsachen, absurd und wird die Türkei dazu veranlassen,
immer grausamer gegen die Kurden vorzugehen;
dadurch wird weiterhin ein Friedensabkommen
verhindert, und die Situation wird sich verschlechtern.
Ich möchte nachdrücklich darauf hinweisen, dass die
PKK zu dem Zeitpunkt auf diese Liste gesetzt wurde, als
sie einseitig damit begann, wesentlich mehr als die
Türkei die Menschenrechte des türkischen Volkes zu
achten. Deshalb sollte der Rat seine Entscheidung
überdenken und die PKK von der Liste terroristischer
Organisationen streichen, eben weil ihre Mitglieder
keine Terroristen mehr sind.
03/07/2002
kurdische Seite betrachten müssen: Mehr als viertausend
kurdische Dörfer sind völlig zerstört worden. Wer wird
denn hier agieren und die kurdische Bevölkerung in
Schutz nehmen? Geht es hier nicht um Terroristen? Und
wenn wir uns andererseits den Fall Leyla Zana ansehen:
Sie ist Sacharow-Preisträgerin des Europäischen
Parlaments und ist in der Türkei wegen ihrer
Unterstützung der PKK verurteilt worden. Nach der
neuesten Liste innerhalb der Türkei ist Leyla Zana eine
Terroristin. Die Frage ist: Welche Terrorakte hat denn
die Abgeordnete Leyla Zana ausgeübt, um als Terroristin
eingestuft zu werden?
3-265
Haarder, Rat. – (DA) Ich kann Frau Uca versichern,
dass ich von den mehreren Tausend zerstörten Dörfern
weiß und auch das Schicksal von Leyla Zana kenne, an
deren Auszeichnung mit dem Sacharow-Preis ich selbst
mitgewirkt habe. Aber gerade weil alles objektiv
ablaufen muss, ist es wichtig, dass die Dinge gründlich
untersucht werden. KADEK, die Nachfolgeorganisation
der PKK, wird überprüft. Im Augenblick kann ich
jedoch nichts über das Ergebnis dieser Überprüfung
sagen. Das wäre unsachlich. Die Dinge müssen korrekt
ablaufen, wir müssen uns an unsere eigenen Regeln
halten und die Experten anhören, die wir beauftragt
haben zu beurteilen, ob unsere Kriterien erfüllt sind oder
nicht.
3-266
3-263
Haarder, Rat. – (DA) Ich denke, der Herr Abgeordnete
kann sich ganz darauf verlassen, dass die Angelegenheit
von Experten sorgfältig geprüft worden ist. Das geschah
nicht von ungefähr und auch nicht unüberlegt. Es besteht
immer die Hoffnung, dass sich etwas entwickelt und die
PKK früher oder später von der Liste gestrichen wird.
Aber momentan steht die PKK auf der Liste, und sie ist
nicht ohne Grund aufgenommen worden. Es hat genaue
Untersuchungen gegeben, das war keine unsachliche
Entscheidung. Diesem Beschluss liegen objektive
Kriterien zugrunde. Gerade weil es objektive Kriterien
gibt, kann die PKK aufgrund derselben Kriterien später
wieder von der Liste gestrichen werden. Abschließend
möchte ich dem Argument widersprechen, die Türkei
würde sich den Kurden gegenüber grausamer verhalten –
oder wie immer man das ausdrücken will. Dafür gibt es
keine Anzeichen. Ich habe in meiner Antwort ein
Beispiel genannt, das sogar in die andere Richtung weist.
Ich hoffe und glaube nicht, dass mein ehemaliger
Kollege in diesem Punkt Recht behält.
3-264
Uca (GUE/NGL). – Herr Präsident! Ich bedanke mich
für die Beantwortung, Herr Haarder. Leider habe ich
keine Antwort auf meine Fragen bezüglich der HADEP
bekommen, wie Sie die Organisation einstufen, und ob
in Zukunft die HADEP auch in die Liste der
terroristischen Organisationen aufgenommen wird.
Darüber haben Sie kein Wort gesagt.
Bezüglich des anderen Punktes möchte ich noch einmal
darauf hinweisen, dass, wenn wir hier über die Liste der
terroristischen Organisationen sprechen, wir auch die
Wuori (Verts/ALE). – (FI) Herr Präsident! Der Kampf
gegen den Terrorismus hat auch zu Übergriffen und zu
übertriebenen Notwehrreaktionen geführt, die sich leicht
gegen ihren Zweck selbst richten können. Daher ist von
großer Wichtigkeit, dass die Europäische Union und ihr
Ministerrat konsequent handeln und sich ihren
Realismus und einen kühlen Kopf bei der Betrachtung
dieser Probleme bewahren. Besonders jetzt, da wir über
die Haltung zum Statut des Internationalen Gerichtshofs
und zur Friedenssicherung in Bosnien debattieren. Dies
steht in enger Verbindung zu der Frage, die wir heute
behandeln.
3-267
Haarder, Rat. – (DA) Ich stimme mit dem, was mein
ehemaliger Kollege und guter Freund, Herr Wouri,
zuletzt gesagt hat, überein – wenn ich es richtig
verstanden habe. Der Überlegung, dass es wichtig ist,
objektiv
zwischen
terroristischen
und
nicht
terroristischen Organisationen zu unterscheiden, habe
nicht viel hinzuzufügen. Es muss objektiv zugehen.
Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich Herrn
Wouris Engagement für die Menschenrechte in diesem
Parlament den größten Respekt zolle. Ich bedanke mich
für das Buch, das er mir heute Vormittag gegeben hat.
Ich werde es ganz bestimmt lesen.
3-268
Maes (Verts/ALE). – (NL) Herr Ratspräsident! Ich bitte
um zwei detailliertere Auskünfte. Meine erste Frage
lautet: Welche Kriterien genau haben zu dem Beschluss
geführt, die PKK in die Liste der terroristischen
Organisationen aufzunehmen? Und die zweite Frage:
Wie wird dieser Begriff hinsichtlich der Personen
interpretiert, die mit einer solchen Organisation
03/07/2002
zusammenarbeiten? Das könnte nämlich eines Tages
sehr weit gehen, da es sich um eine Bewegung handelt,
die von den Kurden selbst als eine Art nationale
Befreiungsbewegung anerkannt wird.
Und abschließend: Wen betrachten Sie als
Gesprächspartner, um für die Kurden zu sprechen, wenn
es darum geht, den Friedensprozess in Gang zu bringen?
Auch in Nordirland musste man dazu Partner nehmen,
die man anfangs nicht für geeignet hielt.
3-269
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, die Kriterien für
die
Einstufung
von
Organisationen
als
Terrororganisationen finden sich im Gemeinsamen
Standpunkt des Rates vom 2. Mai 2002. Dort gibt es
genaue Angaben, und ob diese Kriterien erfüllt sind,
wird von Experten geprüft. Ich kann gut verstehen, dass
Nelly Maes auf Nordirland und andere Orte verweist, wo
man mit ehemaligen Terrororganisationen letztendlich
einen Kompromiss geschlossen hat. Wir können nur
hoffen, dass dies auch in Zukunft geschehen wird, denn
oftmals ist das eine Möglichkeit, Terrororganisationen
zur Aufgabe des Terrors zu bewegen. In Anbetracht der
Geschehnisse und der Bedrohung, der unsere Länder
offensichtlich ausgesetzt sind, hat die internationale
Gemeinschaft
jedoch
in
großer
Einmütigkeit
beschlossen, gegen mögliche Terrororganisationen
vorzugehen. Das hat zu diesen Kriterien und zu dieser
Liste geführt. Ich sehe nicht, was man sonst tun könnte.
Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass ehemalige
Mitglieder der PKK bei einer künftigen Regelung
einbezogen werden, um die Rechte sicherzustellen, für
die kurdische Organisationen gekämpft haben und für
die ich wohl ebenso viel Verständnis habe wie Nelly
Maes. Wir waren uns über diese Dinge weitgehend
einig, als wir noch zusammen hier im Parlament saßen.
3-270
Der Präsident. – Herr Haarder, wir werden Ihnen nun
für heute die letzte Frage im vorgesehenen Zeitrahmen
stellen, den wir über 19.00 Uhr hinaus ausgedehnt
haben, denn wir haben mit über fünfzehn Minuten
Verspätung angefangen.
3-271
Der Präsident. – Anfrage Nr. 25 von Konstantinos
Alyssandrakis (H-0420/02):
Betrifft: Versuch der Unterstrafstellung politischer Überzeugungen
in der Slowakei
Im slowakischen Parlament ist ein Vorschlag zur Änderung des
Strafgesetzbuches (Gesetz 140/1961) eingegangen, demzufolge
Gefängnisstrafen für Sympathisanten kommunistischer Ideen
eingeführt werden sollen. Dieser Versuch, politische Aktivitäten unter
Strafe zu stellen, steht in Zusammenhang mit den Wahlen im
September 2002, bei denen Schätzungen zufolge die Kommunistische
Partei der Slowakei möglicherweise die Fünfprozenthürde schaffen
und Einzug ins Parlament halten wird. Ziel dieser Gesetzesänderung ist
also, die Wähler durch die Unterstrafstellung politischer
Überzeugungen einzuschüchtern, da ihnen schließlich eine
Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren droht, wenn sie
nur mit dem Kommunismus „sympathisieren“ oder „dessen
Verbrechen in Zweifel ziehen“, und die Bürger dieses Landes an der
Ausübung ihres demokratischen Rechts auf Meinungsfreiheit zu
hindern.
93
Verurteilt der Rat diese inakzeptable und von Grund auf
undemokratische Maßnahme und wird er geeignete Schritte gegenüber
den slowakischen Behörden unternehmen, um solche Versuche im
Keim zu ersticken – wenigstens in einem Land, das sich unmittelbar
auf den Beitritt zur EU vorbereitet?
3-272
Haarder, Rat. – (DA) Herr Präsident, der Rat legt
großen Wert darauf, dass die Bewerberländer die
politischen Kriterien für den Beitritt erfüllen, die 1993 in
Kopenhagen aufgestellt wurden. Dies sind Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Schutz von
Minderheiten. Es wurde beschlossen, dass diese
Kriterien erfüllt sein müssen, bevor mit den
Beitrittsverhandlungen begonnen werden kann. Die
Verhandlungen mit der Slowakischen Republik wurden
deshalb auch erst aufgenommen, als der Europäische Rat
von Helsinki im Dezember 1999 feststellen konnte, dass
die Kriterien jetzt erfüllt waren. Die Kommission kam in
ihrem Bericht von 2001 über die Fortschritte in der
Slowakei zu dem Ergebnis, dass die Slowakei die
politischen Kriterien von Kopenhagen nach wie vor
erfüllt. Die Kommission stellte weiter fest, dass das
Land seit 1999 viel dafür getan hat, die Stabilität der
Institutionen zu verbessern und damit Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu stärken. Was
das von dem Herrn Abgeordneten angesprochene
Problem betrifft, so wird der betreffende Gesetzentwurf
nach vorliegenden Informationen zurzeit vom
slowakischen Parlament behandelt. Die zweite Lesung,
die Mitte Juni stattfinden sollte, wurde möglicherweise
verschoben, weil zahlreiche Gesetzentwürfe zur Lesung
anstanden. Der Rat kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt
den Inhalt dieses Entwurfs nicht beurteilen. Es wäre
unangemessen, wenn sich die EU in das demokratische
Verfahren eines Drittlandes einmischen würde. Bei
Annahme des Gesetzentwurfs wird sich die EU
zweifellos mit seinem Inhalt befassen, und sollte sich
herausstellen, dass er gegen grundlegende demokratische
Prinzipien, insbesondere die Kopenhagener Kriterien,
verstößt, wird die EU natürlich nicht zögern, dieses
Problem bei jeder sich bietenden Gelegenheit
anzusprechen, insbesondere in den entsprechend dem
Europa-Abkommen eingerichteten Organen. Der Rat
verfolgt also die Entwicklung dieses Gesetzes genau und
wartet weitere Informationen über die Debatte in der
gesetzgebenden Versammlung der Slowakei ab.
3-273
Alyssandrakis (GUE/NGL). – (EL) Herr Ratspräsident!
Die Antwort des Rates erinnert mich an jemanden, der
von einem geplanten Verbrechen Kenntnis hat, nichts
tut, um es zu verhindern, und sich vorbehält, den Täter
nach der Tat zu verfolgen. Der entsprechende
Gesetzentwurf hat bereits Einfluss auf das politische
Leben des Landes insbesondere im Vorfeld der Wahlen
im September, bei denen abzusehen ist, dass die
Kommunistische
Partei
die
Fünfprozenthürde
überwinden und im Parlament vertreten sein wird. Es sei
denn, der Rat betrachtet es nicht als Problem und sieht
keine Verletzung der Menschenrechte darin, dass mit
diesem Gesetz die politischen Auffassungen derjenigen
kriminalisiert und mit einer Gefängnisstrafe von sechs
94
03/07/2002
Monaten bis zu drei Jahren bedroht werden, die ihrer
Sympathie für den Kommunismus Ausdruck verleihen
oder seine Verbrechen anzweifeln. Ich frage mich, ob
eine
solche
Strafandrohung,
eine
solche
Kriminalisierung nach Ansicht des Rates innerhalb oder
außerhalb der Achtung der grundlegenden politischen
Rechte liegt.
3-274
Haarder, Rat. – (DA) Ich möchte darauf hinweisen, dass
wir einige sehr eindeutige Kriterien, die so genannten
Kopenhagener Kriterien, festgelegt haben. Das sind die
vorbeugenden Maßnahmen, nach denen hier gefragt
wird. Diese Kriterien – und das ist bei jeder Gelegenheit
gesagt worden – müssen von jedem eingehalten werden,
der Mitglied der Europäischen Union werden will. Noch
ist nur die Rede von einem Gesetzentwurf, und zwar von
einem Gesetzentwurf in einem Drittland. Die
Europäische Union muss die Situation beurteilen, falls
der Gesetzentwurf mit oder ohne Änderungen
beschlossen wird. Dann wird darüber entschieden, ob
hier ein Widerspruch zu den Kopenhagener Kriterien
vorliegt. Ich möchte heute im Namen des Rates an dieser
Stelle kein Urteil abgeben.
3-275
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Haarder, für Ihr
heutiges ausgiebiges Mitwirken. Wir erwarten Sie zur
Fragestunde im nächsten Monat nach den Ferien.
Da die für die Fragestunde vorgesehene Redezeit
erschöpft ist, werden die Anfragen Nr. 26 bis 53
schriftlich beantwortet.7
Die Fragestunde mit Anfragen an den Rat ist
geschlossen.8
(Die Sitzung wird um 19.25 Uhr unterbrochen und um
21.00 Uhr wieder aufgenommen).
3-277
VORSITZ: JOAN COLOM I NAVAL
Vizepräsident
3-278
Maschinen
3-279
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Aussprache über den Bericht (A5-0216/2002) von Herrn
Wieland im Namen des Ausschusses für Recht und
Binnenmarkt über den Vorschlag für eine Richtlinie des
Europäischen Parlaments und des Rates über Maschinen
und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG (KOM(2000)
899 - C5-0035/2001 - 2001/0004(COD)).
3-280
Wieland (PPE-DE), Berichterstatter. - Herr Präsident,
meine Damen und Herren, liebe Kollegen! Ich berichte
heute für den Ausschuss für Recht und Binnenmarkt als
Berichterstatter für eine sehr technische Richtlinie, die
7
Siehe Anhang "Fragestunde".
Übermittlung von Gemeinsamen Standpunkten des Rates: siehe
Protokoll.
8
Maschinen-Richtlinie. Der Ausschuss für Recht und
Binnenmarkt hat sich in den letzten eineinhalb Jahren in
insgesamt neun Sitzungen und Anhörungen mit diesem
Thema befasst. Ich selber bin von Beruf Jurist - diese
technischen Sachen sind für einen Juristen manchmal
sehr unangenehm, aber wir müssen uns eben auch um
diese technischen Dinge kümmern. Deshalb ist es eines
der Anliegen der vorliegenden Änderungsanträge, dass
wir jedenfalls beim gegenwärtigen Stand der Dinge und die Kommission möge uns dies nicht krumm
nehmen - den Artikel bezüglich der Kommission und der
Komitologie schlicht aus dem Vorschlag der
Kommission streichen, weil wir nach wie vor die
Komitologie für noch nicht ausreichend und noch nicht
befriedigend geklärt halten.
In meinem Land besitzt die Regierung Möglichkeiten,
Rechtsvorschriften fortzuentwickeln. Aber die Kehrseite
dieser Medaille ist die komplette Verantwortlichkeit der
Kommission gegenüber dem Parlament. Diese
Verantwortlichkeit
zwischen
Kommission
und
Parlament ist gegenwärtig noch nicht vorhanden,
deshalb haben wir Schwierigkeiten, die Fortentwicklung
von Rechtsvorschriften komplett und unkontrolliert der
Zuständigkeit der Kommission zu überlassen, und haben
deshalb die Streichung dieses Artikels beantragt.
Ansonsten sind in dieser Richtlinie und in dem, über das
morgen abgestimmt wird, sehr viele technische Details
enthalten. Oftmals geht es dem Ausschuss für Recht und
Binnenmarkt auch nur darum, die Struktur bestimmter
Vorschriften zu verbessern, weil wir nicht den Eindruck
haben, dass dies juristisch-handwerklich immer perfekt
geregelt ist.
Wir wissen auch, dass im Rat intensiv darüber diskutiert
wird, wie die Definitionsfragen strukturiert werden.
Über die einzelnen Definitionen gibt es treffliche
Diskussionen. Wir haben uns im Ausschuss für Recht
und Binnenmarkt nunmehr geeinigt. Ich habe den
Eindruck, dass die Vorschläge des Ausschusses morgen
weitgehend auf breite Zustimmung stoßen werden. Ich
habe mich mit dem Schattenberichterstatter - Bill Miller,
der nachher noch sprechen wird und dem ich auch sehr
danke - ausführlich unterhalten, und ich glaube, dass die
Position des Parlaments in der ersten Lesung weitgehend
deutlich ist.
Mir geht es noch um ein weiteres Anliegen, das sich
auch in den Artikeln wiederfindet, aber noch präziser in
den Erwägungsgründen. Ich habe bereits erwähnt, dass
ich Jurist bin, aber als ich mich mit dieser Richtlinie
auseinandergesetzt habe, habe ich zwischenzeitlich
durchaus auch mal die Krise bekommen, weil dies alles
sogar für einen Juristen manchmal sehr, sehr
unverständlich und ein steiniger Acker ist. Wir müssen
diese ganzen Dinge klarer regeln, damit unsere Kunden unsere Kunden sind die europäischen Verbraucher und
die Rechtsteilnehmer in Europa - dies alles verstehen
können. Deshalb wird in diesem Bericht letztendlich
vorgeschlagen, dass wir eine Querschnitts-Richtlinie
bilden, die übergeordnet CE-Richtlinie heißt und in der
die Erteilung von CE-Kennzeichen, die Gestaltung von
CE-Kennzeichnung, die Marktüberwachung, und
03/07/2002
anderes mehr klar geregelt sind. Unterhalb dieser Ebene
eine
allgemeine
Produktsicherheits-Richtlinie,
zusammen zwei überwölbende Richtlinien. Darunter
dann die einzelnen Segment-Richtlinien über
Niederspannung, über Maschinen, über medizinische
Geräte, gegebenenfalls über Hochspannung und über
anderes mehr. Es sollte nur noch in den SegmentRichtlinien gesagt werden, wir brauchen diese und jene
Konformitätserklärung, oder wir brauchen eine
Baumusterprüfung, oder wir brauchen schlicht eine
Hinterlegung von entsprechenden Überprüfungen, die
der Hersteller entsprechend vornimmt. Klarere
Richtlinien, durchschaubarer für den Verbraucher, aber
auch innerhalb der Richtlinie eine klarer strukturierte
Form der einzelnen Elemente.
3-281
Pérez Álvarez (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme
des mitberatenden Ausschusses für Beschäftigung und
soziale Angelegenheiten. – (ES) Herr Präsident, meine
Damen und Herren, Herr Kommissar! Vor kurzem ist
die europäische Strategie für Sicherheit und Gesundheit
am Arbeitsplatz 2002-2006 vorgelegt worden. Wollten
wir drei ihrer Grundzüge herausstellen, so würde ich
wohl nicht fehl gehen, wenn ich die Notwendigkeit einer
starken Bewusstseinsbildung erwähnte, die Förderung
einer Kultur der Vorbeugung sowie die Notwendigkeit,
Programme und konkrete Maßnahmen in kleinen und
mittleren Unternehmen voranzutreiben und die
demographischen Bedingungen zu berücksichtigen,
unter denen diese Strategie umgesetzt werden soll.
Ein viertes Grundelement ist die Horizontalisierung der
Politikkonzepte zur Gesundheit am Arbeitsplatz. Dies
hat viel mit dem Gegenstand unserer Debatte zu tun. Die
Maschinen-Richtlinie findet praktisch auf alle
Maschinen in der Europäischen Union Anwendung, auf
feststehende oder bewegliche Maschinen sowie auf
Maschinen für kommerzielle, industrielle oder private
Zwecke.
Als Verfasser der Stellungnahme habe ich mich darum
bemüht, die diesbezüglichen Standpunkte von
Unternehmern,
Gewerkschaften,
Vertretern
aus
Wirtschaft und Gesellschaft, technischen und
juristischen Beratern sowie aus dem Hochschulbereich
kennen zu lernen.
Die
Änderungsanträge
des
Ausschusses
für
Beschäftigung zielten darauf ab, mit den Beiträgen aus
dem gesellschaftlichen Dialog eine Gefährdung bzw.
Abschwächung
der
Bestimmungen
über
Gesundheitsschutz und Sicherheit zu vermeiden, die
notwendige Vereinfachung bestimmter Klauseln und
Vorschriften
zugunsten
der
Klarheit
der
Schutzbestimmungen
herbeizuführen
und
diese
sinnvollerweise
an
andere
gemeinschaftliche
Regelungen anzuknüpfen, insbesondere an die
Rahmenrichtlinie 89/391/EWG. Durch eine Anpassung
der einzelstaatlichen Vorschriften zu Gesundheit und
Sicherheit kann so der freie Verkehr von Maschinen
erleichtert werden, ohne dass das bestehende und zu
fordernde Schutzniveau sinkt, und die spezifischen
95
Maßnahmen werden die Qualität der Arbeitsplätze
verbessern, sofern die Maschinen sachgemäß bedient
werden. Darüber hinaus wird die Haftung von Personen,
die eine grundlegende Veränderung an einer Maschine
vornehmen oder vornehmen lassen, eindeutig festgelegt.
Sichere Maschinen und Einrichtungen plus Vorbeugung
– das heißt Bewusstseinsbildung, Präventionskultur –
gleich geringere Wahrscheinlichkeit, dass aus der Gefahr
ein Unglück wird, und somit bessere Arbeitsplätze im
Sinne der Strategie des Europäischen Rates von
Lissabon.
Der Berichterstatter hat gesagt, dass diese Maßnahmen
Produktsicherheit gewährleisten werden. Gestatten Sie
mir zu ergänzen, auch die Sicherheit der Beschäftigten
im Besonderen sowie der Bürger im Allgemeinen. Die
Sicherheit von Produkten beinhaltet und erfordert
Sicherheit am Arbeitsplatz.
3-282
Harbour (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, im Namen
der PPE-DE-Fraktion möchte ich Herrn Wieland
herzlich begrüßen und ihm zu seinen umfangreichen und
langwierigen Bemühungen gratulieren. Damit wurde
sein Durchhaltevermögen getestet, und wie er bereits
angemerkt hat, handelt es sich um einen komplizierten
Fachbericht. Als Rechtsanwalt hat er lange damit
gekämpft. Als Ingenieur muss ich sagen, dass auch ich
meine Schwierigkeiten hatte. Nach reiflichen
Überlegungen und unter Berücksichtigung der Tatsache,
dass es sich hier um die erste Lesung handelt, möchte
ich der Kommission heute Abend sagen, dass sie sich
gemeinsam mit dem Rat noch ausführlicher mit diesem
Sachverhalt befassen muss.
Im Lichte der jüngsten Mitteilung von Herrn Prodi zur
Vereinfachung und Verbesserung der Rechtsvorschriften
ist dies ein Thema, mit dem sich die Kommission noch
eingehender beschäftigen sollte. Denn wir benötigen vor
allem eine Rechtsvorschrift, mit deren Hilfe der
Binnenmarkt funktionieren kann und zudem, wie von
Kolleginnen und Kollegen bereits angemerkt, konstant
hohe Sicherheitsstandards für die Benutzer von
Maschinen und Personen, die mit ihnen arbeiten,
gewährleistet werden.
Angesichts der Tatsache, dass es sich um eine technische
Richtlinie handelt, muss ich die Kommission heute
Abend darauf hinweisen, dass das Dokument des
Ausschusses für Recht und Binnenmarkt einige wichtige
politische Signale enthält. Dazu gehört insbesondere ein
Sachverhalt, mit dem Herr Miller und ich uns beschäftigt
haben - ich weiß, dass er gleich darauf eingehen wird nämlich die Behandlung der einzelnen Kategorien von
Aufzügen für Behinderte insbesondere in Privathäusern.
Wir waren sehr beunruhigt, als wir im Entwurf
feststellen
mussten,
dass
diese
wichtige
Maschinenkategorie in der Richtlinie benachteiligt wird.
Diese Art Maschinen leisten äußerst zufrieden stellende
Dienste. Sie tragen deutlich zur Verbesserung der
Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen bei,
weil sie in den eigenen vier Wänden installiert werden
96
können. Ich habe diese Einrichtungen begutachten
können.
Sie
entsprechen
sehr
hohen
Sicherheitsstandards. Wir müssen sicherstellen, dass sie
auch weiterhin genutzt werden können. Es ist nicht
Aufgabe dieser Richtlinie, zufrieden stellende Anlagen
ohne jeglichen Beweggrund vom Markt zu nehmen. Wir
fordern daher die Kommission dazu auf sicherzustellen,
dass diese Maschinen in der Richtlinie angemessene
Berücksichtigung finden. Es bedarf noch weiterer
Bemühungen und einige Aspekte sind noch zu
berücksichtigen.
Lassen Sie noch darauf verweisen, dass wir den Aspekt
des Binnenmarkts in den Vordergrund stellen müssen,
vor allem was den Vorrang der CE-Kennzeichnung
betrifft, da wir damit noch nicht vollständig zufrieden
sein können.
3-283
Miller (PSE). – (EN) Herr Präsident, auch ich möchte
dem Berichterstatter, Herrn Wieland, meinen Dank
aussprechen. Er hat sich lange und ausführlich mit dieser
Angelegenheit beschäftigt. Wenn er als Rechtsanwalt
und Herr Harbour als Ingenieur damit Schwierigkeiten
hatten, dann hoffe ich, Sie haben ein wenig Verständnis
für mich als Milchmann, denn mir ist es noch schwerer
gefallen.
Ich möchte auf eine Reihe von Bereichen eingehen und
morgen
einen
mündliche
Änderung
zum
Änderungsantrag 14 Ziffer 2 vorbringen, denn wir haben
zwar „Seeschiffe“ aufgenommen, doch war ich so
nachlässig, die „Binnenschiffe“ nicht zu erwähnen. Man
hat mich und ich wiederum habe den Berichterstatter
darauf hingewiesen, der einer Aufnahme mittels eines
mündlichen Änderungsantrags zugestimmt hat, und ich
hoffe, dass alle dafür stimmen werden.
Lassen Sie mich nun auf die von Herrn Harbour
erwähnten Aufzüge eingehen. Das Thema ist vielleicht
nicht besonders fesselnd, aber es ist wichtig, denn diese
Anlagen sind für Tausende von Menschen mit
Behinderungen in ganz Europa eine große Hilfe.
Zudem möchte ich darauf hinweisen, dass sich in die
englischsprachige Version ein Fehler eingeschlichen hat.
Die
in
der
englischen
Fassung
erwähnte
Geschwindigkeit lautet „0,015 Meter pro Sekunde“, es
sollte jedoch „0,15 Meter pro Sekunde“ heißen. Wenn
man die Geschwindigkeit um ein Zehntel reduzieren
würde, dann wären die Menschen tot, bevor sie ihr Ziel
erreicht hätten. Diese Aufzüge sind schon langsam
genug, machen wir sie nicht noch langsamer.
Meine Kritik gilt in diesem Zusammenhang nicht der
Kommission, denn nicht sie hat die technischen
Feinheiten ausgeklügelt, die verhindern, dass diese
Aufzüge unter diese Richtlinie fallen. Dies hat sich im
Rahmen der Erörterungen im Ausschuss für Recht und
Binnenmarkt ergeben. Die Kommission trifft hier
keinerlei Schuld. Erneut gilt mein Dank dem
Berichterstatter für die Annahme der von Herrn Harbour
und mir vorgelegten Änderungsanträge, an denen wir
03/07/2002
lange Zeit gefeilt haben. Wie ich bereits anmerkte, ist
dies für Tausende von Menschen von großer Bedeutung.
Das also sind die beiden Bereiche, die ich für besonders
relevant halte. Sie werden noch im Rat erörtert. Es
scheint eine Blockade zu geben, und ich hoffe, dass
diese Situation so schnell wie möglich geklärt wird,
denn die Angelegenheit dieser beiden Arten von
Aufzügen ist für zahlreiche Menschen von
grundlegender Bedeutung. Wir wollen sie nicht
enttäuschen. Bitte bemühen Sie sich so schnell wie
möglich um eine Lösung.
3-284
Zappalà (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, auch ich
möchte den Kollegen Wieland zu seiner ausgezeichneten
Arbeit
im
Zusammenhang
mit
diesem
Richtlinienvorschlag, dessen Inhalt sehr technisch ist,
beglückwünschen. Und obwohl ich Ingenieur bin, fiel es
auch mir nicht immer leicht, all seine Mechanismen zu
verstehen.
Im Vergleich zum ursprünglichen Vorschlag der
Kommission tragen die vom Ausschuss für Recht und
Binnenmarkt angenommenen Änderungsanträge dazu
bei, den freien Warenverkehr in Europa zu erleichtern
und die für die Verbraucher bestimmten Erzeugnisse
sowie
den
Gesundheitsschutz
zu
verbessern.
Letztendlich wird der Text dadurch klarer und die
Fälschung des CE-Kennzeichens erschwert.
Der
Meinungsaustausch
im
Rechtsausschuss
konzentrierte sich auf einige Fragen, von denen eine
bereits genannt worden ist. Artikel 14 Absatz 3 der
geänderten „Aufzugsrichtlinie“ enthielt einen Hinweis,
der darauf abzielte, Hebeanlagen mit einer
Fahrgeschwindigkeit unterhalb 0,15 m/s von deren
Anwendungsbereich auszuschließen, um aufwändige
Anpassungen von Anlagen mit geringem Risiko zu
vermeiden. Zu diesen Anlagen gehören auch Aufzüge
zur Beförderung von Personen mit eingeschränkter
Beweglichkeit oder älteren Menschen.
Der
Rechtsausschuss
hat
zu
Recht
jene
Änderungsanträge abgelehnt, die darauf gerichtet waren,
strengere Parameter als von der Kommission vorgesehen
für die Geschwindigkeit, Förderhöhe und Nutzung der
Aufzüge durch bevollmächtigte Personen einzuführen.
Eine Annahme dieser Änderungsanträge hätte den
Gebrauch dieser Anlagen stark eingeschränkt und dazu
geführt, dass viele der in öffentlichen Einrichtungen oder
privaten Wohnhäusern unserer Länder bereits
installierten Aufzüge nicht mehr betrieben werden
dürften, ohne dass es dafür handfeste Gründe in Bezug
auf die Sicherheit gäbe. Die Auswirkungen wären
äußerst negativ gewesen. Eine solche Maßnahme hätte
dazu
beigetragen,
dass
der
europäische
Integrationsprozess bei den Bürgerinnen und Bürgern
auf Ablehnung stößt. Die jetzige neue Formulierung der
Bestimmungen von Artikel 24 des Richtlinienvorschlags
betreffend die Besonderheiten gemäß Anhang 1
Nummer 7 in dem Bericht Wieland, wie sie geändert
wurde...
03/07/2002
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
3-285
Vitorino, Kommission. - (EN) Herr Präsident, ich
begrüße den Abschluss der ersten Lesung zur Änderung
der Richtlinie über Maschinen. Mein besonderer Dank
gilt dem Berichterstatter, Herrn Wieland, und dem
Ausschuss für Recht und Binnenmarkt.
Wie meine Vorredner bereits betont haben, besteht das
Ziel dieses Vorschlags in einer Erhöhung der
Rechtssicherheit durch die klarere Fassung des
Anwendungsbereichs der Richtlinie sowie durch eine
Beseitigung mehrdeutiger Formulierungen, die zu
unterschiedlichen
Auslegungen
geführt
haben.
Gleichzeitig geht es darum, ein höchstmögliches Niveau
an Gesundheitsschutz und Verbrauchersicherheit zu
gewährleisten.
Der Europäische Maschinenbausektor, der unter die
Maschinenrichtlinie fällt, umfasst eine große Zahl von
Produkten: Maschinen, mechanische Geräte und
Baugruppen. Im Jahre 1998 wurden in diesem Sektor
Waren im Wert von 300 Milliarden Euro produziert. In
allen 15 Mitgliedstaaten beschäftigt er mehr als
2,2 Millionen Fachkräfte. Das Produktionsvolumen liegt
über dem von Japan und konkurriert mit dem der USA.
Die Europäische Union ist vor den USA und Japan der
weltweit größte Exporteur von Maschinen und
mechanischen
Geräten.
Die
Erfahrungen
der
vergangenen 12 Jahre haben die Kommission zu der
Zielsetzung bewogen, den Verwaltungsaufwand zu
reduzieren und gleichzeitig die Einhaltung der
EU-Rechtsvorschriften zu erleichtern, ohne dabei die
Grundsätze
der
Subsidiarität
und
der
Verhältnismäßigkeit außer Acht zu lassen. Darüber
hinaus entspricht er den Empfehlungen der
Expertengruppen, da er sich an einer Verbesserung der
Rechtsetzung innerhalb des Binnenmarkts orientiert. Der
Vorschlag und seine Auswirkungen waren Gegenstand
ausführlicher
Erörterungen
mit
zahlreichen
Interessenvertretern.
Ich möchte hervorheben, dass mit dem Vorschlag
Verbesserungen in Bereichen erzielt werden sollen, die
bei der Anwendung bisher Schwierigkeiten bereitet
haben. Zahlreiche der vorgeschlagenen Änderungen
tragen
zu
einer
Verbesserung
des
Kommissionsvorschlags bei. Einige könnten in ihrer
jetzigen Form in einen geänderten Vorschlag
aufgenommen werden, während sich andere teilweise
oder grundsätzlich übernehmen lassen.
Einige der vorgeschlagenen Änderungen beziehen sich
auf detaillierte, hochtechnische Fragestellungen,
erbringen keinerlei neuen Nutzen und werden daher
nicht in dem geänderten Vorschlag berücksichtigt.
Andere wiederum befinden sich außerhalb des
Anwendungsbereichs,
den
wir
für
die
Maschinenrichtlinie als richtig erachten.
97
Was Änderungsantrag 5 zu Jahrmarktgeräten betrifft, so
ist sich die Kommission dieses Problems bewusst, und
wir beabsichtigen, eine diesbezügliche Studie in die
Wege zu leiten. Derzeit bereiten wir eine
Kommissionsmitteilung zur Funktionsweise dieses
neuen Konzepts vor, die im kommenden Herbst
veröffentlicht werden soll. Das neue Konzept im Bereich
der technischen Harmonisierung und Standardisierung
sieht den freien Warenverkehr und ein hohes Niveau an
Gesundheits-, Verbraucher- und Umweltschutz vor.
Wir wollen uns nicht in die allgemeine Debatte zur
Komitologie einmischen, sondern uns auf die praktische
Anwendung der vor uns liegenden Richtlinie
konzentrieren. Daher ziehen wir es vor, die Diskussion
zu Themen, die sich auf die ca. 20 Richtlinien des neuen
Konzepts beziehen, bis zu der von mir bereits
angekündigten Mitteilung zurückzuhalten, um einen
einheitlichen Ansatz zu gewährleisten.
Die
praktische
Anwendung
der
derzeitigen
Maschinenrichtlinie
hat
gezeigt,
dass
ein
Regelungsausschussverfahren zur Lösung technischer
Fragen erforderlich ist, mit dem die demokratische
Kontrollfunktion des Europäischen Parlaments nicht
verletzt wird. Darüber hinaus sind wir auch
grundsätzlich
der
Ansicht,
dass,
wie
in
Änderungsantrag 13
vorgeschlagen,
künftig
konsolidierte Veröffentlichungen von Rechtstexten
sichergestellt werden sollten. Dieser Änderungsantrag
geht jedoch über den Anwendungsbereich der
Maschinenrichtlinie hinaus, so dass wir ihn aus
rechtlichen Gründen nicht annehmen können. In der
Praxis werden die konsolidierten Texte geänderter
Richtlinien in den meisten Fällen auf die Website der
Kommission gestellt, und dies wird auch bei der
geänderten Aufzugrichtlinie der Fall sein. Demgemäß
lautet der Standpunkt der Kommission zu den
Änderungsanträgen wie folgt.
Vollständig oder teilweise annehmen kann die
Kommission die Änderungsanträge 2, 3, 14 bis 18, 23,
27, 42, 45, 47, 49, 56, 57, 59, 63, 66, 69, 72, 74 bis 76
und 80. Grundsätzlich kann sie Änderungsanträge 22,
30, 41, 51, 61, 62 und 64 annehmen. Nicht annehmen
kann sie schließlich alle weiteren Änderungen: die
Änderungsanträge 1, 4 bis 13, 19 bis 21, 24 bis 26, 28,
29, 31 bis 40, 44, 48, 50, 55, 58, 60, 65, 67, 70, 71, 73,
77 bis 79, 82 und 83.
3-286
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.9
3-287
Bekämpfung von Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit
3-288
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Aussprache über den Bericht (A5-0189/2002) von Herrn
9
Zusammensetzung des Parlaments: siehe Protokoll.
98
Ceyhun im Namen des Ausschusses für die Freiheiten
und Rechte der Bürger, Justiz und innere
Angelegenheiten über den Vorschlag für einen
Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung von
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (KOM(2001) 664 C5-0689/2001 - 2001/0270(CNS)).
Herr Ceyhun, der Berichterstatter, hat sich für seine
Abwesenheit entschuldigt und wird von Herrn Evans
vertreten.
3-289
Evans,
Robert
(PSE),
in
Vertretung
des
Berichterstatters. – (EN) Herr Präsident, zunächst
einmal möchte ich mich beim Europäischen Parlament
im Namen von Herrn Ceyhun entschuldigen, der in
Deutschland festsitzt und daher nicht hier sein kann.
Deshalb ist es mir eine Freude, seinen Bericht an seiner
Stelle vorzustellen. Ich möchte mich über Sie, Herr
Präsident, bei Herrn Ceyhun dafür bedanken, dass er
mir, der ich kein deutscher Muttersprachler bin, kurze
Anweisungen auf deutsch geschickt hat, auf die ich mich
heute Abend stützen werde.
Ich begrüße diesen sehr ambitionierten und lang
ersehnten Bericht: ein Bericht, den das Parlament seit
langer Zeit gefordert hat. Darüber hinaus möchte ich
Herrn Vitorino meine Anerkennung aussprechen, denn
dieser Bericht zeigt ganz klar, mit welchen hohen
Maßstäben und mit wie viel Einsatz er an diesen
Sachverhalt herangeht. Wir Abgeordneten – sowie ganz
sicher die Mitglieder meines Ausschusses – sind ihm für
seine umfangreichen Bemühungen sehr dankbar.
Dieser Bericht ist zudem sehr aktuell und kommt zur
rechten
Zeit.
Wir
mussten
erleben,
dass
Rechtsextremismus und Populismus einen Aufschwung
erfahren haben. Le Pen hat in Frankreich ein hohes
Wahlergebnis erzielen können, und vergleichbare
Entwicklungen sind in anderen Ländern zu beobachten.
Dort, wo Rechtsextreme sind, lassen Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit nicht lange auf sich warten, und
wir müssen ein wachsames Auge darauf haben. Den
Kolleginnen und Kollegen wird bekannt sein, dass
Fragen des Asyls und der Einwanderung derzeit in
Europa ebenfalls Beunruhigung hervorrufen. Mit
zahlreichen Horrorgeschichten verbreitet die Presse
falsche Informationen unter ihren Lesern. Mit diesem
Bericht soll eine eindeutige Definition von Rassismus
und Fremdenhass sowie strafbaren Handlungen geliefert
werden. Unsere Fraktion und der Ausschuss haben die
Bemühungen der Kommission zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften begrüßt.
Der Berichterstatter weist ebenfalls auf die Bedeutung
des Schutzes der freien Meinungsäußerung sowie des
Erfordernisses des Schutzes von Minderheiten und
anderen Gruppen hin. Wir müssen sicherstellen, dass
neue Rechtsvorschriften auf keinen Fall diesen
bedeutenden europäischen Grundrechten im Wege
stehen.
03/07/2002
Was die Strafen für eine Überschreitung dieser
Rechtsvorschriften betrifft, so müssen sich die einzelnen
Regierungen mit den vorliegenden Empfehlungen
auseinander setzen, die in der Spanne von sechs
Monaten für einige Straftaten bis zu zwei Jahren für
andere Straftaten liegen. Dies müssen wir als
Mindestanhaltspunkte – als kleinste gemeinsame Nenner
– betrachten und die Mitgliedstaaten dazu auffordern,
mehr zu unternehmen.
Herr Ceyhun geht in seinem Bericht außerdem auf die
wachsende Nutzung des Internet ein, das sich nicht auf
Europa beschränkt, sondern weltweit zugänglich ist und
keine Grenzen kennt. Die Internetanbieter tragen
diesbezüglich eine große Verantwortung für ihre
Websites, Nutzer und Inhalte. Dies bedeutet nicht, dass
sie immer für alles verantwortlich sein müssen, das auf
ihren Seiten geschieht, doch sie müssen für die
Bereitstellung rassistischer und fremdenfeindlicher
Inhalte zur Verantwortung gezogen werden.
Die Frage, ob eine Strafverfolgung möglich ist, gestaltet
sich dagegen komplizierter - dem Kommissar wird dies
in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt bekannt sein -,
wenn konkrete Opfer fehlen. Vielleicht könnten die
Mitgliedstaaten dafür verantwortlich zeichnen, da einige
von ihnen nicht damit zufrieden sind.
Ich möchte mich nun der Herstellung, Verbreitung und
dem privaten Besitz von rassistischem und
fremdenfeindlichen
Material
zuwenden.
Der
Berichterstatter hat sich mit allen Möglichkeiten
eingehend beschäftigt. Wir müssen unmissverständlich
deutlich machen, dass die Herstellung und Produktion
von solchem Material einen Straftatbestand darstellt.
Jedoch wird sich der private Besitz derartiger
Materialien in vielen Fällen als nicht strafbar erweisen,
was auch wünschenswert wäre, denn es würde die
Menschen davon abhalten, z. B. alte Bücher, Fotos und
anderes historisches Material aufzubewahren, das in
großen Mengen vernichtet werden müsste.
Der Berichterstatter will mit Hilfe von Europol und
Eurojust die bestehenden Strukturen in Zusammenarbeit
mit den Justizorganen der einzelnen Mitgliedstaaten
stärken. Ich bin mir sicher, dass der Austausch von
Daten bei der Umsetzung dieses Rahmenbeschlusses
hilfreich sein wird.
Der Berichterstatter bittet die Kommission um
regelmäßige Fortschrittsberichte zum Fortgang ihrer
Bemühungen, was bereits gängiger Praxis entspricht.
Dieser Rechtsakt stößt überall in Europa, in allen
Fraktionen im Ausschuss sowie bei zahlreichen
europäischen NRO auf große Unterstützung. Er kommt
zur rechten Zeit. Ich freue mich, dass sich die
Kommission so ausführlich damit beschäftigt hat, und
hoffe sehr, dass das Parlament dem Bericht morgen
seine volle Unterstützung zuteil werden lässt, damit wir
in unserem Vorgehen gegen rassistische und
fremdenfeindliche
Inhalte
vorankommen
und
tatsächliche Fortschritte erzielen können.
03/07/2002
3-290
Hermange (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, der
Vorschlag, der uns heute von der Kommission
unterbreitet wurde, verfolgt ein zweifaches Ziel:
einerseits soll erreicht werden, dass rassistisches und
fremdenfeindliches Verhalten in allen Mitgliedstaaten
wirklich unter Strafe gestellt wird, und andererseits soll
die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden im
Hinblick auf derartige Straftaten ausgebaut werden. Vor
dem politischen Hintergrund, wie er sich in einigen
Mitgliedstaaten darstellt, kommt dieser Vorschlag wie
gerufen. Die Europäische Stelle zur Beobachtung von
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit stellt übrigens in
ihrem letzten Bericht fest, dass das Ausmaß rassistischer
Gewalt, antisemitischer Übergriffe und rassistischer
Drohungen
und
Einschüchterungsversuche
in
Frankreich, Deutschland, Spanien, Schweden und im
Vereinigten Königreich im Jahr 2000 wesentlich
angestiegen ist. Laut Bericht stieg der Prozentsatz
rassistischer Straftaten in Deutschland innerhalb eines
Jahres im Vergleich zu 1999 um 33 % an, während sich
die Anzahl rassistischer Gewalttaten und rassistischer
Übergriffe im Zeitraum 1999-2000 im Vereinigten
Königreich verdoppelt hat. Diese Zahlen müssen uns
Mahnung sein, wie es bereits die Wahlergebnisse in
Frankreich waren.
Darüber hinaus steht zu befürchten, dass die
internationale Lage zu einer Zunahme solcher Akte
führt. Die Europäische Volkspartei begrüßt folglich den
Vorschlag für einen Rahmenbeschluss zur Bekämpfung
von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und schlägt
zugleich Veränderungen vor, die ihn unserer Meinung
nach besser verständlich machen und seine Anwendung
erleichtern.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf verweisen,
dass den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung und
Anwendung
dieses
Rahmenbeschlusses
unter
Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips einen
großen Ermessensspielraum haben müssen, und dass es
insbesondere noch zu beachten gilt, dass der Beschluss
nicht
ausschließt,
dass
die
Mitgliedstaaten
Rechtsvorschriften einführen oder aufrechterhalten, die
im Rahmen des Strafrechts ein höheres Schutzniveau
gegen
Rassismus
und
Fremdenfeindlichkeit
gewährleisten.
Ferner unterstützen wir die auf Initiative meines
Kollegen Lehne eingereichten Änderungsanträge, mit
denen der Anwendungsbereich des Beschlusses genauer
bestimmt und klar und deutlich darauf verwiesen wird,
dass dieser für Straftaten gilt, die im Hoheitsgebiet eines
Mitgliedstaats begangen werden, zugleich aber auch für
Straftaten unabhängig vom Tatort, soweit sie von
Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats begangen worden
sind.
Schließlich erscheint mir auch wichtig, darauf zu
verweisen, dass erschwerende, eine Verschärfung der
Strafe rechtfertigende Umstände auch auf Fälle
ausgedehnt werden sollten, in denen das Opfer
minderjährig ist, oder sich die Tat oder die Person, die
99
die Straftat begangen hat, an ein besonders leicht zu
beeinflussendes Publikum, etwa Kinder, wendet. Ich
möchte noch hinzufügen, dass meine Fraktion den
Änderungsantrag 12 unterstützen, jedoch nicht für die
Änderungsanträge 24 und 25 stimmen wird.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, und ich danke
Ihnen, Herr Kommissar, dass Sie diese rechtlich, aber
auch politisch sehr bedeutsame Angelegenheit vor das
Parlament gebracht haben.
3-291
Zrihen (PSE). – (FR) Herr Präsident! Herr Kommissar!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der eigentlich
erfreuliche Umstand, dass die Nutzung digitaler Netze
sowie des Internets fortschreitet und an Einfluss
gewinnt, bietet aber auch rassistischen und
fremdenfeindlichen
Botschaften
neue
Verbreitungsmöglichkeiten, die zudem noch gefördert
werden durch das Gefühl, dass aufgrund des
vermeintlich virtuellen Charakters einer im Web
begangenen Straftat negative Folgen nicht zu erwarten
sind.
In der Tat bietet das Internet ein öffentliches Forum für
Meinungsäußerungen von jedermann. Manche jedoch
scheinen vor ihrem Computer die öffentliche Dimension
ihrer Äußerungen oder Handlungen und die damit
zwangsläufig
einhergehende
Verantwortung
zu
vergessen. Die internationale Dimension, die Vielzahl
der Provider und die Anonymität haben offenkundig den
Eindruck begünstigt und verstärkt, dass der virtuelle
Raum eine Art extraterritorialen, rechtsfreien Raum
bildet. Aber auch wenn es sich um einen virtuellen
Raum handelt, so bleibt die Verantwortung dennoch
real.
Wenn das Internet ein Instrument der freien
Meinungsäußerung sein und auf die entsprechenden
Rechte und den Raum Anspruch erheben will, so
versteht sich von selbst, dass es auch allen Pflichten
unterliegt. Und wenn dieses grenzüberschreitende
Instrument zur Emanzipation der Gesellschaft und ihrer
„Cyberbürger“ beitragen will, so darf es keinesfalls die
Lücken aufgrund mangelnder Koordinierung der
nationalen Politiken ausnutzen, um das eigentliche Ziel
zu beeinträchtigen, das sich die Europäische Union
gestellt hat, nämlich ein Raum des Friedens, der
Gerechtigkeit und der Sicherheit zu sein.
Danke für diesen Vorschlag, Herr Kommissar. Genau
das soll im Bericht vermittelt werden. Es geht also nicht
darum, Anweisungen zu geben, sondern diesbezügliche
Anregungen zu vermitteln.
3-292
Schmidt, Olle (ELDR).  (SV) Herr Präsident, Herr
Kommissar! Im Namen der Fraktion der Liberalen
begrüße ich diesen Vorschlag, der die Bekämpfung von
wachsender Fremdenfeindlichkeit und zunehmendem
Rassismus in Europa mit Hilfe des Gesetzes zum Ziel
hat. Diese düstere Entwicklung steht im direkten
Widerspruch zu den Grundwerten der Europäischen
Union:
Freiheit,
Demokratie,
Wahrung
der
100
Menschenrechte und Rechtssicherheit. Ich finde, der
Kollege Ceyhun verdient eine Eloge für seine
vorzügliche Arbeit.
Es ist wichtig, innerhalb der EU gemeinsam eine
Verbesserung des Schutzes derjenigen anzustreben, die
fremdenfeindlichen
und
rassistischen
Angriffen
ausgesetzt sind, dafür zu sorgen, dass die Schuldigen
bestraft und die Lücken in der Gesetzgebung
geschlossen werden. Unterschiede in der Gesetzgebung
der einzelnen Mitgliedstaaten sollen nicht von
Straftätern ausgenutzt werden können.
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit müssen auf breiter
Front bekämpft werden, was im vorliegenden Bericht
getan wird. Kriminelle Handlungen müssen bestraft
werden und solche, die aus Fremdenfeindlichkeit und
Rassismus begangen werden, noch härter. Rassismus
muss bei der Festlegung des Strafmaßes einen
erschwerenden Umstand darstellen. Es ist höchste Zeit,
dass wir von Seiten des Europäischen Parlaments und
der Institutionen der Europäischen Union ein klares und
deutliches Signal geben, dass wir rassistische
Schandtaten in unserem Europa nie akzeptieren werden.
Wir müssen mit demokratischen Mitteln alle bekämpfen,
die ihre Bürger zu Verbrechen aufwiegeln. Unser Europa
soll ein sicherer Platz für alle sein, unabhängig von
ethnischer Identität, Rasse, Glauben oder sexueller
Orientierung. Das ist gegenwärtig nicht der Fall. Wir
wissen, dass in Europa heute viele um ihr Leben
fürchten, um die Sicherheit ihrer Familien. Sie wollen
das Haus nicht verlassen, fühlen sich bedroht. Das ist
völlig inakzeptabel.
Unser Wille, eine Gesellschaft für alle – ohne Rassismus
und Fremdenfeindlichkeit – zu schaffen, ist vielleicht
nur ein Traum, aber ein wichtiger. Er darf indes nicht zu
einer Einschränkung des Rechts jedes Einzelnen auf
freie Meinungsäußerung in Wort und Schrift führen, das
in der Europäischen Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist. Aus
diesem Grunde hoffe ich auf Ihre Unterstützung für
unsere Änderungsanträge 24 und 25, die die
Meinungsfreiheit von Journalisten, Künstlern und
anderen verteidigen.
Die Meinungsfreiheit ist von grundlegender Bedeutung
und darf im Prinzip nie eingeschränkt werden. In einigen
Mitgliedstaaten, darunter in meinem eigenen, sind
sowohl die Meinungs- als auch die Pressefreiheit in der
Verfassung verankert. Natürlich dürfen wir niemals
zulassen, dass andere Menschen bedroht oder beleidigt
werden, besonders nicht aus rassistischen Gründen.
Doch es ist auch nicht sicher, dass eine Strafbarkeit in
jedem Falle das Richtige ist. Hier handelt es sich um
eine Gratwanderung und ich finde es wichtig, die
dunklen Mächte beim Namen zu nennen, denn wenn sie
das Tageslicht erblicken, können wir sie bezwingen.
Aus diesem Grunde bin ich nicht ganz frei von Zweifeln
bezüglich einiger Vorschläge von Herrn Ceyhun, die ein
Verbot der Verbreitung fremdenfeindlichen Materials
03/07/2002
beinhalten und in der Praxis eine Kriminalisierung der
Mitgliedschaft
in
bestimmten
Organisationen
ermöglichen. Meine diesbezüglichen Zweifel und
Bedenken
tun
indes
meiner
vorbehaltlosen
Unterstützung der Vorschläge Ceyhuns keinen Abbruch.
3-293
Sylla (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Herr Kommissar! Es trifft
zu, dass dieser Bericht in einer Situation vorgelegt wird,
da
überall
in
Europa
populistische
und
fremdenfeindliche Wahlergebnisse zunehmen, die das
Mark unseres Kontinents zu vergiften drohen. Alle
Berichte, seien sie von Institutionen, NRO oder der
Wiener Beobachtungsstelle erstellt, verweisen auf das
Fortbestehen bzw. die Zunahme rassistischer Gewalt.
Ich persönlich begrüße es, dass der Berichterstatter mit
seiner Auffassung, Rassismus sei keine Sache der
Anschauung, eines klarstellt: Beleidigungen oder
Erniedrigungen haben nichts mit Meinungsfreiheit zu
tun, es handelt sich dabei schlicht und einfach um
Straftaten. Man äußert „ich mag keinen Pudding“ nicht
auf die gleiche Weise wie „ich mag keine Araber“. Man
ist sich sehr wohl bewusst, dass das nicht die gleichen
Folgen hat.
Viel wichtiger, als lediglich einzelne Personen oder
Handlungen zu bestrafen, ist es, diejenigen in die
Verantwortung zu nehmen, die Menschen ideologisch
rüsten, die dann zur Tat übergehen. Unter diesem
Gesichtspunkt sind die zum Internet angestellten
Überlegungen sehr interessant. Wir wissen alle, dass
man
heutzutage
über
jenes
einzigartige
Kommunikationsmittel, welches das Internet darstellt,
revisionistische Zeitschriften bestellen, das Dritte Reich
glorifizierende CDs kaufen, den Antisemitismus
anstacheln und seit dem 11. September im Namen der
Meinungsfreiheit ganze Foren nutzen kann, um
antiarabischen und islamfeindlichen Hass zu verbreiten.
Das darf nicht hingenommen werden. Meiner Ansicht
nach darf im Konzept für die Erweiterung Europas und
die friedliche Koexistenz zwischen den Völkern des
alten Kontinents die Sensibilisierung der Jugendlichen
gegen den Rassismus nicht fehlen.
Der Verfassungsrat in Frankreich hat kürzlich
entschieden, der Vereinigung SOS Rassismus das Recht
einzuräumen, ganz legal „Tests“ vorzunehmen, um
Besitzern von Nachtclubs auf die Spur zu kommen, die
bestimmten Jugendlichen keinen Einlass gewähren. Dies
ist ein nachahmenswertes Beispiel.
Ich möchte schließen und Ihnen, Herr Kommissar und
Herr Präsident, sagen, dass dieser Bericht - so sehr ich es
auch bedaure, dies sagen zu müssen - dennoch scheitern
wird, solange keine wirtschaftlichen und sozialen Rechte
...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
3-294
Boumediene-Thiery (Verts/ALE). – (FR) Herr
Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sorge
03/07/2002
bezüglich der Bekämpfung von Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit ist für unsere Institutionen nicht
neu. Schon mehrfach wurde der Kampf gegen den
Rassismus in unserem Plenum erörtert. Heute verfügen
wir über eine Europäische Beobachtungsstelle und über
Artikel 13 EG-Vertrag, in dem die Zuständigkeit der
Union
im
Bereich
der
Bekämpfung
von
Diskriminierungen verankert ist.
Darüber hinaus verfügen die europäischen Länder über
nationale Rechtsvorschriften zur Bekämpfung des
Rassismus. Andererseits aber traten rassistische
Diskriminierungen im realen Leben noch niemals in so
zugespitzter Form auf. Als Beleg dafür möchte ich den
Bericht der Europäischen Stelle zur Beobachtung von
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit anführen, in dem
das
Wiederaufleben
von
Rassismus
und
Fremdenfeindlichkeit, darunter der „Islamfeindlichkeit“
bestätigt wird, was darin zum Ausdruck kommt, dass
rechtsextreme Kräfte einen Besorgnis erregenden Zulauf
verzeichnen.
Ziel des Vorschlags des Rates zur Bekämpfung von
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, um den es hier
geht, ist es, bereits bestehende Rechtsmittel zu stärken
und zu ergänzen. Andererseits ist es außerordentlich
bedauerlich, ein weiteres Mal feststellen zu müssen, dass
die Vergemeinschaftung der Straftaten und der Strafen
auf den kleinsten gemeinsamen Nenner ausgerichtet
wird. Wie kann man gewährleisten, dass diese Straftaten
in allen Mitgliedstaaten auf die gleiche Art und Weise
bekämpft werden, wenn keine einheitlichen Definitionen
vorliegen? Man könnte sich fragen, ob es wirklich Ziel
dieses Vorschlags ist, den Rassismus zu bekämpfen,
oder eher das Gewissen zu beruhigen. Wenn man nicht
bereit ist, den Stier bei den Hörnern zu packen, bietet
man den Rassisten und jenen, die den Rechtsextremisten
in die Hände arbeiten oder Populismus und
demagogische Gleichsetzungen zu Wahlkampfzwecken
missbrauchen, das Recht auf Straffreiheit. Vergessen wir
nicht, dass die Bekämpfung des Rassismus nicht nur den
Schutz von Ausländern beinhaltet, sondern auch den
Schutz unserer demokratischen Werte - der
Menschenrechte und Grundfreiheiten als Grundfesten
für den Aufbau der Union.
Abgesehen davon, weshalb sollten die Staaten aus der
Umsetzung dieses Beschlusses ausgeklammert werden,
da doch genau bekannt ist, dass es institutionellen
Rassismus gibt, der mit größter Konsequenz bekämpft
werden muss? Dieser institutionelle Rassismus, der sich
in einem ganzen Bündel sozialer, wirtschaftlicher,
beruflicher, kultureller und politischer Ausgrenzungen
offenbart, beruht auf ethnischen und religiösen Motiven
sowie auf dem Grundsatz der nationalen Präferenz, an
dessen Stelle nunmehr die europäische Präferenz tritt.
Um den Rassismus im alltäglichen Leben besser
bekämpfen zu können, genügt es nicht, Rechtstexte zu
verabschieden. Wir sind der Überzeugung, dass die
Bekämpfung aller Formen des Rassismus allein durch
gleiche Rechte - einschließlich politischer Rechte - für
alle Bürger, unabhängig von ihrer Nationalität, möglich
wird, indem durch die Ausübung der bürgerlichen
101
Rechte das erforderliche politische Kräfteverhältnis
entsteht. Leider geht dieser Rahmenbeschluss nicht so
weit. Dennoch müssen wir jede Initiative unterstützen,
durch die die menschliche Würde in den Mittelpunkt der
Gestaltung der Europäischen Union gerückt wird, zu der
auch die Bekämpfung des Rassismus gehört.
3-295
Borghezio (NI). – (IT) Herr Präsident, ich ergreife das
Wort, um einige Änderungsanträge zu unterstützen, aber
auch, um Lösungsmöglichkeiten für einige schwer
wiegende Versäumnisse zum Thema Rechte der Völker
und
Volksgruppen
aufzuzeigen.
Kraft
des
Subsidiaritätsprinzips gilt es, jenes Bündel von
Änderungsanträgen anzunehmen, denen zufolge die
Entscheidung, wie die strafrechtliche Verfolgung
durchgeführt wird, auf jeden Fall den einzelnen
Mitgliedstaaten überlassen bleiben muss. Es gibt
nämlich einen festen Grundsatz, den das Europäische
Parlament insbesondere in einem so heiklen Bereich nie
aus den Augen verlieren darf, und zwar, dass die
Maßnahmen zur Bekämpfung des Rassismus nie dazu
führen dürfen, dass das Recht auf freie
Meinungsäußerung, die Vereinigungsfreiheit oder die
Meinungsfreiheit, die in Artikel 9 der Europäischen
Menschenrechtskonvention verankert sind, missachtet
werden. Dass diese Sorge, die ich hiermit bekunde, wohl
begründet ist, zeigt der aktuelle Fall eines
Gerichtsverfahrens, das eine angeblich antirassistische
Bewegung in Frankreich angestrengt hat, um das Verbot
des von der italienischen Schriftstellerin Oriana Fallaci
verfassten Buches „Wut und Stolz“ in Frankreich zu
beantragen. Einmal abgesehen von jeder inhaltlichen
Betrachtung zu diesem Buch – das in Italien, einem nicht
rassistischen Land, einen enormen Verlagserfolg hatte –
ist dennoch eine grundlegende Frage noch offen: Es
besteht nämlich die Gefahr, dass die so genannten
antirassistischen Bestimmungen zu Zwecken der
politisch-ideologischen Zensur und der Beeinträchtigung
des Rechtes auf freie Meinungsäußerung, das als ein
Grundprinzip der Europäischen Union gewährleistet ist,
missbraucht werden.
Nach Auffassung des Berichterstatters sollen die
Mitgliedstaaten
Straftaten
ihrer
eigenen
Staatsangehörigen auch dann bestrafen, wenn diese nicht
im eigenen Staatsgebiet begangen worden sind. Meines
Erachtens liegt es hingegen auf der Hand, dass es so zu
einer Einmischung eines Staates in die Rechtsordnung
eines anderen Staates kommen kann, indem dessen
Souveränität
ungebührend
eingeschränkt
wird.
Außerdem gibt es in Europa ganze Völker, Gruppen
sowie sprachliche und religiöse Minderheiten, die auch
innerhalb von Mitgliedstaaten, die von sich behaupten,
die freiheitlichen Werte zu wahren, gerade hinsichtlich
dieser Grundrechte keinerlei Schutz genießen. Oder ist
es vielleicht kein Rassismus, den Gebrauch der
Muttersprache vor Gericht zu verbieten bzw. zu
unterdrücken, Straßenschilder in der Lokalsprache
abzubauen – wie es dieser Tage in der Stadt Bergamo
geschah – oder den Unterricht in der Muttersprache und
in Heimatgeschichte an den Schulen zu verweigern,
wodurch nicht nur eine gravierende Diskriminierung aus
102
ethnischen Gründen, sondern auch ein regelrechter
kultureller
Völkermord
begangen
wird?
Der
Staatsrassismus geht in einigen Fällen, wie gegenwärtig
gegenüber der bretonischen Unabhängigkeitsbewegung,
sogar so weit, das Grundrecht auf Verteidigung oder das
ebenfalls in Frankreich gesetzlich verankerte Recht auf
freien und kostenlosen Zugang zu Prozessunterlagen zu
verweigern, was ich in einer Anfrage an den Rat
kritisiert habe.
Ebenso muss der Anwendungsbereich in Bezug auf
strafbare Handlungen des öffentlichen Leugnens klar
abgegrenzt werden, indem spezifiziert wird, dass das
Leugnen mit rassistischer oder fremdenfeindlicher
Absicht erfolgt und drohend, erniedrigend oder
beleidigend ist. Auf diese Weise werden der
ungehinderte Verkehr von historischen Texten und
Dokumenten und insbesondere die Freiheit der
wissenschaftlichen und historischen Forschung und
Arbeit besser gewahrt. Die Grenze zwischen diesen
Handlungen und dem Leugnen und Verharmlosen kann
nämlich manchmal sehr dünn sein, doch sie existiert,
und unsere liberale Kultur gebietet uns, die vollständige
Freiheit
der
Geschichtsforschung
und
der
Meinungsäußerung zu gewährleisten.
3-296
Santini (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, wir reden hier
über einen sowohl ersehnten als auch heiklen Bericht,
der jedoch, wenn er mit einigen vom EP eingereichten
grundlegenden Änderungen angenommen wird, wirklich
dazu beitragen kann, ein schwer wiegendes Problem zu
lösen. Auf jeden Fall wird er uns dabei helfen, in
unserem Engagement zur Bekämpfung jedweder
diskriminierenden Haltung gegenüber Personen aus
Gründen der Rasse, Religion oder einer anderen
Staatsangehörigkeit einen Schritt voranzukommen.
Ziel ist es, gemeinsame Aktionen der Mitgliedstaaten auf
den Weg zu bringen, die sich bemühen, das Problem auf
eine maximal koordinierte Weise anzugehen, um
insbesondere zu vermeiden, dass in verschiedenen EUStaaten begangene strafbare Handlungen dann zu
unterschiedlich und uneinheitlich beurteilt und geahndet
werden. Im ersten Teil des Berichts wird versucht, eine
möglichst präzise Definition der rassistischen oder
fremdenfeindlichen Straftaten zu geben. Hierzu möchte
ich den Herrn Kommissar auf den wertvollen Beitrag
von Änderungsantrag 12 hinweisen, dem die einzelnen
Begriffe zu entnehmen sind, um in diesem Rahmen eine
unnütze Hexenjagd, zu der es leicht kommen kann, wenn
von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gesprochen
wird, zu vermeiden, gleichzeitig jedoch Haltungen, die
wirklich rassistisch oder fremdenfeindlich sein könnten,
nicht zu unterschätzen.
Sodann werden in dem Bericht gemeinsame
Mindestsanktionen sowohl gegen natürliche als auch
gegen juristische Personen umrissen. Vor allem aber ist
dieser Bericht zeitgemäß, weil er sowohl die im Alltag
der Bürgerinnen und Bürger geschehenden als auch die
virtuellen, d. h. die tagtäglich über das Internet
begangenen Straftaten berücksichtigt. Interessant ist der
03/07/2002
Passus, in dem dargestellt wird, dass Rassismus in
bestimmten Fällen, d. h. bei Straftaten unterschiedlichen
Ursprungs und Charakters, als erschwerender Umstand
hinzutritt.
Schließlich muss, um diese Ziele zu erreichen, die
justizielle
Zusammenarbeit
zwischen
den
Mitgliedstaaten bewusst verstärkt werden. Es handelt
sich um eine neue Initiative, die andere, bereits früher
eingeleitete Aktionen fortführt und auf einer
Gemeinsamen Maßnahme aus dem Jahr 1996 basiert.
Hoffen wir, dass diese „Mutterinitiative“ künftig noch
mehr solche „Tochterinitiativen“ wie diesen Bericht
hervorbringen möge.
3-297
Marinho (PSE). – (PT) Herr Präsident! Wir alle wissen
ja, wie einfach rassistische und fremdenfeindliche
Verhaltensweisen von den Migrationserscheinungen
ausgelöst werden, mit denen Europa konfrontiert ist.
Dieser bequeme Weg, der im Bewusstsein der Bürger
unterschwellig Einwanderung mit Gewalt gleichsetzt,
öffnet Tür und Tor für rassistische und
fremdenfeindliche Entartungen, höhlt heute die
Grundlagen eines staatsbürgerlichen Zusammenlebens in
Europa aus und bringt Populisten in Machtpositionen.
Währenddessen zerfällt Europa, dieser Mehrwert, der
dazu beitragen kann, ein gemeinsames Problem zu lösen,
in nationalistische und polizeiliche Barrieren, die jeder
einzelne Staat für sich errichtet, im Grunde Sandburgen,
die einstürzen, sobald ein schärferer Wind bläst.
Aus all diesen Gründen ist auf die wahrhaft europäische
Bedeutung dieses Rahmenbeschlusses hinzuweisen, mit
dem die strafrechtliche Verfolgung der Verbrechen des
Rassismus
und
der
Fremdenfeindlichkeit
auf
europäischer Ebene festgelegt werden soll, die ja bisher
entweder
durch
internationales
oder
durch
innerstaatliches Recht der Mitgliedstaaten geregelt ist,
ein Netz mit zu weiten Maschen, durch das die Straftäter
entkommen.
Herr Präsident! Europa kann sich nicht schützen, wenn
es politisch untätig bleibt, nur redet ohne zu handeln
oder es sich gegenüber den Wählern in
verantwortungsloser Weise ganz einfach macht und sagt,
dass die anderen schuld seien. Europa schützt sich mit
Gesetzen, Sanktionen und Gerichten. Darum, Herr
Kommissar, befürworten wir diese Initiative und
erwarten, dass sie vom Rat auf jeden Fall zügig
angenommen wird.
3-298
Schröder, Ilka (GUE/NGL). – Herr Präsident, Herr
Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der
Bericht das Versprechen, das er mit dem Titel gibt,
einhalten würde, täte ich nichts lieber als zuzustimmen.
Ich möchte kurz begründen, warum er das genau nicht
tut. Stichwort Internet. Es ist bereits im Internet alles
illegal, was auch offline illegal ist. Dieses Faktum
scheint sich in diesem Hause nicht herumgesprochen zu
haben. Es ist anderen Fraktionen zu verdanken, dass
Provider wirklich nur dann bestraft werden können,
wenn sie von illegalen Inhalten auf ihren Websites
03/07/2002
wissen. Der Berichterstatter hat alles dafür getan, um das
Internet insgesamt zu kriminalisieren. Hier, finde ich,
zeigt sich wunderbar die wirkliche Intention des
Berichterstatters.
Zweiter Punkt: In dem Bericht wird der Ansatz verfolgt,
dass man vor allen Dingen das bestraft, was gedacht
wird. Auf Taten wird weniger eingegangen. Dadurch
kommen wir davon weg, hate crime zu bestrafen,
nämlich das, was wirklich auf rassistischer Motivation
beruht, und gehen in Richtung von mind policing. Das
führt zu mehr Zensur, zu weniger Presse- und
Redefreiheit. Das kann man doch nicht unterstützen!
Letzter Punkt: Antirassismus, so wie es hier steht, würde
bedeuten, die Lebensbedingungen von Migrantinnen und
Migranten konkret zu verbessern. Was macht der
Bericht? Der Bericht geht nicht gegen institutionellen
Rassismus vor, wo Eurodac nur die Spitze des Eisberges
ist, nicht gegen ökonomischen Rassismus und nicht
gegen den puren Rassismus, der in Sevilla genau
nochmal beschlossen wurde, nämlich die Festung EU
nicht nur auszubauen, sondern eben so weit zu gehen,
dass man Drittstaaten direkt im Würgegriff hält.
Deswegen kann man diesen Bericht als Antirassist
überhaupt nicht ernst nehmen.
3-299
Coelho (PPE-DE). – (PT) Herr Präsident, Herr
Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir
beglückwünschen den Kollegen Ozan Ceyhun, und
bedauern zugleich die wachsende Zahl rassistischer
Vorfälle in den europäischen Ländern. Der Europäischen
Beobachtungsstelle
für
Rassismus
und
Fremdenfeindlichkeit zufolge war im Jahre 2000 (im
Vergleich zum Vorjahr) eine Zunahme der
Feindseligkeiten und Angriffe zu verzeichnen, in einigen
Ländern der Union besonders stark. Mit den tragischen
Ereignissen vom 11. September 2001 hat sich die Lage
verschärft, und es kam zu einer weiteren Zunahme
insbesondere der antiislamischen Spannungen und
Gewalttaten. Einmal mehr muss hervorgehoben werden,
dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einen klaren
Verstoß gegen die Grundsätze der Freiheit, der
Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und der
Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit darstellen
– Grundsätze, die das Fundament der Europäischen
Union bilden und die den Mitgliedstaaten gemeinsam
sind.
Die Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der
ethnischen Herkunft ist in allen Staaten verboten, doch
im Anwendungsbereich, beim Wortlaut und bei der
Umsetzung dieses Verbots zeigen sich beträchtliche
Abweichungen. Die Mitgliedstaaten müssen die
Möglichkeit haben, vorteilhaftere Bestimmungen für den
Schutz des Grundsatzes der Gleichbehandlung
einzuführen oder beizubehalten. Entscheidend ist jedoch,
dass es Mindestvorschriften auf europäischer Ebene gibt.
Wer derartige Straftaten begeht, darf nicht die
Möglichkeit haben, von bestehenden Unterschieden zu
profitieren und der Strafverfolgung zu entgehen, indem
er von einem Land in ein anderes übersiedelt.
103
Dieser Vorschlag für einen Rahmenbeschluss muss zu
einer Angleichung der nationalen Strafvorschriften
führen und einen gemeinsamen Ansatz begründen, um
eine wirksame Bekämpfung rassistischer Straftaten in
der Europäischen Union zu ermöglichen.
Allerdings kann man nie genug betonen, dass zwischen
dem Kampf gegen die Geißel des Rassismus und der
Fremdenfeindlichkeit und der Wahrung der Grundrechte
und -freiheiten, insbesondere der Freiheit der
Meinungsäußerung,
der
Presseund
Versammlungsfreiheit, ein ausgewogenes Verhältnis
bestehen muss. Doch im Interesse der Wahrheit muss
man auch daran erinnern, dass man den Rassismus nicht
nur bekämpft, indem man dessen Äußerungen, vor allem
die gewaltsamen, bestraft. Vor allen Dingen kommt es
darauf an, vorbeugend zu wirken, ihn zu verhindern,
indem man zur Gleichheit erzieht und vernünftige
Maßnahmen trifft, die keine unerwünschten Reaktionen
provozieren. Ein ganz aktuelles Beispiel hierfür sind die
Maßnahmen, die im Bereich der Asyl- und
Einwanderungspolitiken zu ergreifen sind.
3-300
VORSITZ: JOSÉ PACHECO PEREIRA
Vizepräsident
3-301
Korakas (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Welche
positiven Maßnahmen der Rat und der zur Diskussion
stehende Bericht für eine Reform in Richtung auf eine
unnachsichtigere Politik der Europäischen Union im
Sinne einer strengeren strafrechtlichen Verfolgung von
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auch immer
vorschlagen, sie laufen ins Leere, wenn wir uns die
Beschlüsse von Sevilla zu den Einwanderern
vergegenwärtigen. Dort wurde wirklich eine Politik der
systematischen Verfolgung und Terrorisierung der
Einwanderer konzipiert, die auf die Logik der
rechtsextremen Kräfte, die in den Einwanderern die
Schuldigen für alle Gebrechen des Kapitalismus sehen,
abgestimmt ist. Es geht um Einwanderer, die letzten
Endes vornehmlich aus den Ländern kommen, die Opfer
der unmenschlichen Ausbeutung auch durch die Länder
der Europäischen Union sind. Gleichzeitig stellen wir in
vielen Ländern wie beispielsweise auch in Griechenland,
dem Land mit dem vielleicht höchsten Prozentsatz an
Einwanderern, Praktiken fest, die eine grobe und brutale
Verletzung der grundlegenden Menschenrechte der
Einwanderer darstellen. Unlängst wurde aufgedeckt,
dass 2 700 Einwanderer unter solch furchtbaren
Bedingungen festgehalten wurden, dass sie sich
aufgelehnt und zu einem Protestmarsch formiert haben.
Herr Präsident! In diesem deprimierenden Kontext
bilden der Vorschlag des Rates und der Bericht Ceyhun
in Verbindung mit der bestehenden Gesetzgebung zum
Europäischen Haftbefehl im Grunde Maßnahmen zur
Beschönigung und Verschleierung der rassistischen und
fremdenfeindlichen Politik der Europäischen Union.
3-302
104
Vitorino, Kommission. – (PT) Herr Präsident, meine
Damen und Herren Abgeordnete! Die Kommission
begrüßt den Bericht des Herrn Abgeordneten Ceyhun,
denn er folgt dem Vorschlag, den wir für einen
Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit vorgelegt haben. Wie der
Berichterstatter betont, unterliegt die Freiheit der
Meinungsäußerung in einem demokratischen Rechtsstaat
bestimmten Einschränkungen, und vor allem darf sie
nicht als Rechtfertigung benutzt werden, um die Rechte
anderer zu verletzen oder um kriminelle Handlungen zu
begehen. Leider sehen wir uns in einigen Gebieten
Europas nach wie vor mit rassistischen und
fremdenfeindlichen Äußerungen konfrontiert, die in
unseren demokratischen Gesellschaften unannehmbar
sind. Ein integrierter Ansatz, der sowohl vorbeugende
Maßnahmen als auch Strafmaßnahmen beinhaltet, ist
von grundlegender Bedeutung, um diese Erscheinung
wirksam zu bekämpfen. Ein Element dieses Ansatzes
sind strafrechtliche Maßnahmen wie jene, die im
Vorschlag der Kommission vorgesehen sind.
Andererseits hat die Kommission jedoch immer betont,
dass es hier um eine Auseinandersetzung kultureller Art
geht.
Darum
hat
sie
bereits
diverse
Sensibilisierungsmaßnahmen ergriffen, in Bereichen wie
Beschäftigung,
Einwanderung,
Asylpolitik
und
Bildungswesen
gegen
Rassismus
und
Fremdenfeindlichkeit vorzugehen.
Bezüglich der Änderungsanträge zum Vorschlag der
Kommission für einen Rahmenbeschluss vertritt der
Berichterstatter den Standpunkt, wenn eine rassistische
oder fremdenfeindliche Straftat mit Hilfe eines
Massenkommunikationsmittels begangen werde, sei dies
als
erschwerender
Umstand
einzustufen.
Die
Kommission vertritt zu zusätzlichen erschwerenden
Umständen eine flexible Haltung. Es könnte bei diesem
Punkt aber zweckmäßiger sein, auf Materialien zu
verweisen, die sich an ein breites Publikum wenden, da
von einer einzigen Person verbreitetes rassistisches
Material (zum Beispiel die Verteilung rassistischer
Propaganda) ebenfalls für ein breites Publikum bestimmt
sein kann.
Die Änderungsanträge sechs und zwölf Buchstabe b)
beinhalten
zur
Verantwortlichkeit
von
Internetdiensteanbietern einen Verweis auf die Richtlinie
über den elektronischen Geschäftsverkehr. In der Tat
beeinträchtigen
die
Bestimmungen
des
Rahmenbeschlusses kein Instrument des ersten Pfeilers,
insbesondere nicht die Richtlinie „elektronischer
Geschäftsverkehr“. In dieser Hinsicht ist hervorzuheben,
dass die Mitgliedstaaten gemäß dieser Richtlinie über
den
„elektronischen
Geschäftsverkehr“
den
Dienstleistungserbringern
keine
allgemeine
Verpflichtung zur Überwachung der Inhalte auferlegen
dürfen, aber eine Informationspflicht der zuständigen
Behörden über betreffende Handlungen oder von den
Adressaten übermittelte gesetzwidrige Informationen
festlegen
können.
Demzufolge
kann
die
Verantwortlichkeit der Anbieter immer festgelegt
werden, wenn die Internetdiensteanbieter tatsächlich
Kenntnis davon erhalten, dass sie rassistisches Material
03/07/2002
aufgenommen haben, das heißt, wenn diese Anbieter
von einer Justizbehörde durch eine Anzeige darauf
hingewiesen wurden, sie jedoch keine Maßnahmen
ergriffen haben, um das betreffende Material zu
entfernen. Bei den Straftatbestandsmerkmalen der
öffentlichen Verherrlichung der Verbrechen des
Völkermordes und anderer sehr schwerer Verbrechen
vertritt die Kommission eine etwas andere Meinung als
der Herr Berichterstatter. Die in diesem Punkt vom
Änderungsantrag Nr. 12 vorgeschriebenen Bedingungen
sind enger gefasst als sie von der Gemeinsamen
Maßnahme von 1996 befürwortet wurden, denn sie
verlangen, dass die betreffenden Worte oder
Verhaltensweisen eine Drohung, Beschimpfung oder
Beleidigung darstellen und mit rassistischen oder
fremdenfeindlichen Motiven erfolgen. Nun verlangte die
vor sechs Jahren angenommene Gemeinsame
Maßnahme nur, dass die öffentliche Verherrlichung mit
rassistischen oder fremdenfeindlichen Absichten erfolgt.
Deshalb würden die vom Änderungsantrag Nr. 12
vorgeschriebenen Bedingungen eine höhere Schwelle für
die Strafverfolgung festlegen, und aus diesem Grund
bitten wir das Parlament, diese Frage zu überdenken.
Abschließend möchte ich betonen, dass unser Vorschlag
in
Bezug
auf
die
Definition
und
die
Tatbestandsdarstellung des Verbrechens eindeutig ist,
weil wir immer auf konkrete Handlungen und nicht auf
Meinungen verweisen. Der Vorschlag für einen
Rahmenbeschluss darf nicht so interpretiert werden, dass
er die Grundrechte beeinträchtigt, insbesondere die
Freiheit der Meinungsäußerung und die in den Artikeln
10 und 11 der Europäischen Konvention zum Schutze
der Menschenrechte und von der Charta der Grundrechte
der Europäischen Union anerkannten Grundsätze.
Allerdings muss im europäischen Recht ebenso wie im
Recht jedes einzelnen Mitgliedstaates der Europäischen
Union ein ausgewogenes Verhältnis gewährleistet sein.
Gemäß Artikel 10 Absatz 2 der Europäischen
Konvention kann und muss die Ausübung dieser
Freiheiten Gegenstand einer Abwägung gegenüber der
Aufrechterhaltung
der
Ordnung,
der
Verbrechensverhütung und dem Schutz des guten Rufes
oder der Rechte anderer sein. In diesem Zusammenhang
schlagen wir jetzt keineswegs vor, eine Gedankenpolizei
zu schaffen, sondern wollen lediglich, dass die gesamte
Union den Werten treu bleibt, die seit der Annahme der
Europäischen
Konvention
zum
Schutze
der
Menschenrechte zu unserem gemeinschaftlichen
Besitzstand gehören. In diesem Sinne muss es die klare
politische Botschaft geben, dass rassistische und
fremdenfeindliche Verbrechen im gesamten Raum der
Europäischen Union mit Nachdruck und in
übereinstimmender Form zu bekämpfen sind.
(Beifall)
3-303
Der Präsident. - Vielen Dank, Herr Kommissar António
Vitorino.
Die Aussprache ist geschlossen.
03/07/2002
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
3-304
Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des
Rates: Unternehmenszusammenschlüsse
3-305
Der Präsident. - Nach der Tagesordnung folgt der
Bericht (A5-0217/2002) von Herrn Luis Berenguer
Fuster im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und
Währung über das Grünbuch der Kommission über die
Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates
(KOM(20021) 745 - C5-0159/2002 - 2002/2067(COS)).
3-306
Berenguer Fuster (PSE), Berichterstatter. – (ES) Herr
Präsident, vor etwa zwei Jahren fand in Brüssel eine
Tagung zur Feier des zehnjährigen Jubiläums der
Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 über die Kontrolle von
Unternehmenszusammenschlüssen statt. Mit einer
Einhelligkeit, die bei Expertenmeinungen recht
ungewöhnlich ist, lobten auf dieser Tagung sämtliche
Redner die Qualitäten der Verordnung. Ich teile diese
Meinungen und bekunde meine Übereinstimmung mit
der positiven Beurteilung.
Wenn es nun um die Erarbeitung des Vorschlags zur
Änderung der Verordnung geht, so muss von Anfang an
ein Gedanke deutlich gemacht werden. Die positive
Bewertung schließt nicht aus, dass partielle Reformen
bzw. Anpassungen an Notwendigkeiten, die sich in der
Praxis gezeigt haben, vorgeschlagen werden können,
doch werden diese Reformen in jedem Fall begrenzt
bleiben.
Im Text der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 selbst ist
vorgesehen, dass einige Aspekte zehn Jahre nach ihrem
Inkrafttreten neu überdacht werden sollen. Nach Ablauf
dieser Frist hat die Kommission ein Grünbuch vorgelegt,
in dem sie vorschlägt, nicht nur die in der Verordnung
vorgesehenen Punkte zu prüfen, sondern alle Punkte, die
eine Aktualisierung des Textes erlauben. Zu dieser sehr
positiven Initiative ist die Kommission zu
beglückwünschen.
Die vielleicht wichtigsten Punkte des genannten
Grünbuches beziehen sich auf die Festlegung der
Schwellenwerte für die Einstufung einer Operation als
Transaktion von gemeinschaftsweiter Bedeutung und
zweitens auf die Voraussetzungen, unter denen ein bei
der Kommission angemeldeter Zusammenschluss zur
Prüfung und Entscheidung an die Behörde bzw.
Behörden der Mitgliedstaaten verwiesen werden kann
und wann im Gegenzug eine bei den einzelstaatlichen
Behörden angemeldete Transaktion gemeinsam an die
Kommission verwiesen werden kann.
Im ersten Abschnitt schlägt die Kommission vor, dass
ein
Zusammenschluss
von
gemeinschaftsweiter
Bedeutung ist, wenn er in drei oder mehr Mitgliedstaaten
angemeldet werden kann, so dass die in Artikel 1 Abs. 3
der
Verordnung
festgelegten
komplizierten
Verfahrensregeln
entfallen.
Einige
nationale
Wettbewerbsbehörden haben ihren Standpunkt zur
105
Änderung des genannten Absatzes bzw. zu seiner
Ersetzung kundgetan und stützen sich dabei auf andere
Kriterien als die der Kommission.
Wir können mit diesen Einwänden nicht konform gehen.
Die von der Kommission vorgeschlagene Regel der
automatischen Kompetenzzuweisung trägt zu größerer
Klarheit und zur Vereinfachung bei, sie fördert
einheitliche
Bewertungskriterien,
verstärkt
die
Rechtssicherheit und spart Kosten für die Unternehmen.
Deshalb findet sie unsere volle Unterstützung.
Der zweite Abschnitt, in dem die Frage der
Aktenübermittlung behandelt wird, ist komplexer, und
aus diesem Grunde geben das Europäische Parlament
sowie der Ausschuss für Wirtschaft und Währung dazu
einige Anregungen. Die erste geht davon aus, dass es
sinnvoll wäre, wenn die Parteien ihr Einverständnis zur
Übermittlung der Akten durch die Europäische
Kommission an eine oder mehrere nationale Behörden
gäben. Wenn eine einheitliche Handhabung als
effizienter und kostengünstiger für die Unternehmen
betrachtet wird, so sieht es nicht so aus, als ob die
Unternehmen durch die Übermittlung dazu gezwungen
werden könnten, die Bearbeitung verschiedener Akten
gegen ihren Standpunkt zu veranlassen.
In einem zweiten Abschnitt macht das Europäische
Parlament die Kommission auf das Problem
aufmerksam, das sich bei einer möglichen Übermittlung
stellt, wenn die letzte Entscheidung politischen Organen
und nicht unabhängigen Behörden obliegt. Hier ist zu
bedenken, dass die Entscheidungsbefugnis in mehreren
Mitgliedstaaten bei einem politischen Organ liegt; in
meinem Land beispielsweise liegt sie letztlich bei der
Regierung. Aus diesem Grunde können die Kriterien,
nach denen ein Zusammenschluss möglicherweise
genehmigt oder abgelehnt wird, von denen abweichen,
die sich aus der Analyse der Wirkungen auf den
Wettbewerb und der potenziellen Effizienzvorteile
ergeben.
In einem in der Presse meines Landes veröffentlichten
Interview wies Kommissar Monti kürzlich besonders auf
den Druck hin, den Regierungen bei den
Wettbewerbsakten ausüben. Es erfordert keinen
besonderen Scharfsinn, um zu erraten, wie die Haltung
dieser Regierungen aussehen könnte, wenn sie selbst die
Entscheidungen treffen.
Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas
hält an zwei Änderungsanträgen fest: Der erste bezieht
sich auf die Notwendigkeit, dass zu den
Effizienzvorteilen, die die Auswirkungen eines
Zusammenschlusses auf den Wettbewerb ausgleichen
können, auch die Wahrung oder die Schaffung von
Arbeitsplätzen gehört. Im Grunde geht es um die
Umsetzung des Prinzips der „failing company defence“,
das bereits von der Kommission angewendet worden ist,
und unserer Ansicht nach wird der Bericht verbessert,
wenn sich dies im Wortlaut widerspiegelt.
106
Ebenso wird der Bericht durch den Inhalt des zweiten
Änderungsantrages verbessert, in dem gefordert wird,
dass nicht nur die Konkurrenten, sondern auch die
Verbraucher und gegebenenfalls die Vertreter der
betroffenen Arbeitnehmer in den Akten über einen
Zusammenschluss als interessierte Parteien gelten sollen.
3-307
Gil-Robles Gil-Delgado (PPE-DE), Verfasser der
Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Recht
und Binnenmarkt. – (ES) Herr Präsident, mir kommt nun
die Rolle zu, den Standpunkt des genannten Ausschusses
zum Bericht des Herrn Berenguer darzulegen, den ich zu
seiner Arbeit ebenso beglückwünsche wie die heute
durch Herrn Kommissar Monti vertretene Kommission,
dies im Hinblick auf die Initiative, die auch wir für
sinnvoll halten.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung hat einige
der Schlussfolgerungen des Rechtsausschusses in seinen
Bericht aufgenommen. Insbesondere nenne ich hier
diejenigen, die sich auf die Nichtausweitung der
Vorabkontrolle auf neue Anträge beziehen, auf die
Vereinfachung der Fristen oder die Ablehnung der
Aufzeichnung
mündlicher
Aussagen,
die
die
Rechtssicherheit beeinträchtigen könnten. Ich danke dem
Berichterstatter für seine Offenheit gegenüber diesen
Änderungsanträgen und dem federführenden Ausschuss
für deren Annahme.
Demgegenüber gibt es andere Punkte, in denen die
Meinung des Rechtsausschusses keine Berücksichtigung
gefunden hat und erneut bekräftigt werden muss.
Konkret halten wir bei der Genehmigung von
Zusammenschlüssen
die
Ablösung
des
Marktbeherrschungskriteriums durch das Kriterium einer
wesentlichen Verminderung des Wettbewerbs nicht für
sinnvoll, ebenso wenig die Ausweitung des Verfahrens
der Verweisung von der Kommission an die zuständigen
einzelstaatlichen Behörden und die Berechnung der
Geldbußen auf der Grundlage des Geschäftsumfangs.
Der Grund hierfür liegt darin, dass wir es nicht für
ratsam erachten, aus dem Streben nach einer Einführung
mehr oder weniger moderner neuer Verfahren Risiken
im Hinblick auf die Rechtssicherheit einzugehen, wenn
solche Verfahren nicht erforderlich sind.
Nach diesen Überlegungen liegt es auf der Hand, dass
nach Ansicht des Verfassers der Stellungnahme weder
die von der Sozialistischen Fraktion eingereichten
Änderungsanträge noch Änderungsantrag 5 der Fraktion
der Vereinigten Europäischen Linken Erfolg haben
sollten, denn sie laufen dem Bemühen um eine klarere
Gestaltung der Verfahren zuwider und zeichnen sich
durch einen offenkundigen Mangel an Präzision aus; das
Gleiche gilt für die anderen beiden Änderungsanträge,
die mit dem Ziel, ein besseres Kontrollverfahren für
Unternehmenszusammenschlüsse zu erreichen, nichts zu
tun haben.
Mein Glückwunsch also zu der Initiative, und Vorsicht,
damit nicht etwas zerschlagen wird, was gut
funktioniert!
03/07/2002
3-308
Doorn (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Auch ich
gratuliere Herrn Berenguer Fuster zu dem meines
Erachtens ausgezeichneten Bericht. Ich kann mich
seinen Ausführungen uneingeschränkt anschließen. Das
gilt allerdings nicht für die Änderungsanträge, die er für
die Plenarsitzung eingereicht hat, aber darauf komme ich
später zurück.
Das
Grünbuch
„Kontrolle
von
Unternehmenszusammenschlüssen“
zeichnet
den
Rahmen vor, in dem die Fusionskontrolle in Europa in
den kommenden Jahren vonstatten gehen wird. Es ist
begrüßenswert, die bestehenden Regeln zu prüfen und
gegebenenfalls
zu
überarbeiten.
Seitens
der
Unternehmen wurde heftige Kritik an den
Anmeldungsverfahren
laut,
vor
allem
bei
grenzüberschreitenden
Unternehmenszusammenschlüssen. Da zwischen den
Mitgliedstaaten keine Abstimmung besteht, kommt es zu
bürokratischen, teuren und zeitraubenden Verfahren. Die
jetzt von der Kommission vorgeschlagene Lösung halte
ich für ausgezeichnet. One stop shop in Brüssel für
Mehrfachanmeldungen in mehr als zwei Mitgliedstaaten.
Meines Erachtens sollte das one stop shop-Prinzip auch
bei Anmeldung in mehr als einem Mitgliedstaat gelten.
Eine Anmeldung in Brüssel kostet nicht nur weniger, sie
kommt auch der Rechtssicherheit ganz wesentlich
zugute.
Erfreulicherweise nimmt nun endlich auch die
Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten auf dem
Gebiet der Fusionskontrolle allmählich eine gewisse
Form an. Hier müssen selbstverständlich auch die neuen
Mitgliedstaaten einbezogen werden. Hoffen wir, dass
diese Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu
weniger Bürokratie und einer Vereinheitlichung der
Verfahren und Kriterien führt.
Wir fordern die Kommission auf, bei dem Spiegelbild
des one stop shop, der Verweisung an die
Mitgliedstaaten gemäß Artikel 9 durch die Kommission,
gleichfalls die erforderliche Zurückhaltung an den Tag
zu legen. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung
hat in dem Bericht klargestellt, dass die Verweisung nur
mit Einwilligung der betreffenden Unternehmen möglich
ist bzw. sein darf. Auch das geschieht im Interesse der
Rechtssicherheit.
Herr
Präsident,
die
Kontrolle
von
Unternehmenszusammenschlüssen
dient
der
Überwachung der Auswirkungen von Fusionen auf den
Markt. Es werden neue Strukturen geschaffen, die
Folgen dieser Strukturen für den Markt stehen im
Mittelpunkt der Kontrolle durch die Kommission. Hier
haben wir es mit einer Regelung der Wirtschaft zu tun,
bei der die Beurteilungskriterien, zu denen ich auch die
Erhöhung
der
Effizienz
rechne,
auf
dem
Wettbewerbsrecht fußen. Meine Fraktion lehnt deshalb
alle Änderungsanträge ab, die eine Ausweitung der
Beurteilungskriterien um beispielsweise Folgen für die
Beschäftigung und sonstige soziale Aspekte bezwecken.
Dies gehört nicht in die Fusionskontrollverordnung.
03/07/2002
Dasselbe, Herr Präsident, gilt für Herrn Herzogs
Änderungsanträge mit handelspolitischem Inhalt. Bei der
Fusionskontrolle geht es nicht um die Stärkung
europäischer Industrien oder um das Errichten starker
Industrien. Die stärksten Industrien und die stärksten
Unternehmen entstehen durch stärkeren Wettbewerb,
und genau darin besteht das Ziel der Kontrolle von
Unternehmenszusammenschlüssen.
Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass ich der
Rechtssicherheit von Unternehmen bei solchen
Verfahren große Bedeutung beimesse. Das Heranziehen
verschiedener
Kriterien
kann
zu
konträren
Schlussfolgerungen führen. Aus eben diesem Grund sind
wir auch gegen mehr kollegiale Leitung bei der
Beschlussfassung über Fusionen. Hier sind enorme
Investitionen im Spiel. Die Unternehmen haben ein
Recht auf schnelle und unbürokratische Verfahren. Das
Grünbuch der Europäischen Kommission bietet dafür
einen brauchbaren Ansatz.
3-309
Randzio-Plath (PSE). – Herr Präsident! Der Vorschlag
der Kommission zur Reform ist zu begrüßen. Immerhin
ist es ja weitsichtig, trotz der Erfolgsgeschichte der
Fusionskontroll-Verordnung jetzt zu Modernisierungen
und Reformen zu greifen. Ich denke, es ist auch insofern
weitsichtig,
weil
damit
bereits
auf
die
Erweiterungsprozesse Rücksicht genommen wird.
Ich unterstütze den Bericht des Berichterstatters – und
die Fraktion unterstützt ihn –, ich teile aber auch die
Sorgen, dass zum Beispiel einige Vorschläge im
Grünbuch vielleicht doch nicht verwirklicht werden
könnten. Von daher ist es ganz wichtig, von der
Kommission tatsächlich die Zusage zu haben, dass die
Frage der Definitionen, aber auch die Frage, dass
Marktbeherrschungstests ersetzt werden, nicht auf
spätere Revisionen vertagt werden. Ich denke, das gilt
insbesondere im Hinblick auf die internationale
Dimension der Fusionsprozesse und insbesondere für die
innovativen Bereiche, in denen die Fusionen stattfinden.
Die
Anzahl
von
grenzüberschreitenden
Firmenzusammenschlüssen ist in den vergangenen
Jahren ständig gestiegen. Die damit steigende Anzahl
und auch die Komplexität sind sicherlich mit ein Anlass
für die Überarbeitung der Aufgabenverteilung und die
Neuordnung bei der Abstimmung zwischen nationalen
und EU-Wettbewerbsbehörden. Ich begrüße vor dem
Hintergrund
von
Effizienz,
Transparenz,
Rechtssicherheit und Verkürzung der Fristen,
Verringerung des Verwaltungsaufwandes für die
Unternehmen die stärkere Konzentration auf die
Kommission als zentrale Anlaufstelle, und ich
unterstütze auch ausdrücklich den Hinweis der
Kommission, dass es notwendig wäre, eventuell eine
zusätzliche gerichtliche Instanz zu schaffen.
Gründlich zu überprüfen – und da widerspreche ich
meinen Vorrednern – sind aber auch die erheblichen
Auswirkungen von Fusionen, vor allem auf die
107
Beschäftigungssituation, die Kriterien und Verfahren für
die Überprüfung der Zulässigkeit einer Fusion. Durch
die einschlägigen Umstrukturierungen sind Tausende
von
Arbeitsplätzen
im
gesamten
EU-Raum
verlorengegangen. Unternehmen sollten sicherlich die
größtmögliche
Freiheit
haben,
Managemententscheidungen zu treffen, aber gleichzeitig
ist es häufig der größte Arbeitgeber in einer Region, der
solche betrieblichen Umstrukturierungen durchführt. Der
Verlust von Arbeitsplätzen trifft damit nicht nur die
einzelnen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen,
sondern hat auch Folgen für den wirtschaftlichen und
sozialen Zusammenhalt in der ganzen Region. Ich
möchte hier daran erinnern, dass der Europäische Rat
von Nizza ausdrücklich wirtschaftliche Leistung und
sozialen Fortschritt untrennbar miteinander verknüpft
hat. Dies haben auch das Wettbewerbsrecht und die
Wettbewerbspolitik zu berücksichtigen, auch im
Rahmen der Fusionskontrolle.
3-310
Schmidt, Olle (ELDR).  (SV) Herr Präsident, Herr
Kommissar! Ich möchte dem Berichterstatter, Herrn
Berenguer Fuster, für eine hervorragende Arbeit danken.
Herr Kommissar, ich habe es bereits früher gesagt und
auch in Schweden mehrfach unterstrichen: Sie sind
vermutlich das wichtigste Kommissionsmitglied für die
Bürger meines Heimatlandes, in dem Fragen des
Wettbewerbs nie besonders große Beachtung fanden.
Dies beginnt sich nun zu ändern, so habet Hoffnung! Die
Wettbewerbspolitik ist besonders wichtig für kleine
Länder, in denen die Gefahren der Monopolbildung und
Unternehmenszusammenschlüsse deutlich sichtbar sind.
Es ist zu begrüßen, dass die Europäische Union nun
bereit ist zu untersuchen, wie die Prüfung von
Zusammenschlussvorhaben in einer globalisierten
Wirtschaft funktionieren soll. Die Welt verändert sich,
wodurch auch neue Anforderungen an die
Fusionskontrolle der EU gestellt werden.
Nach dem Aufsehen erregenden Scheitern mehrerer
geplanter Fusionen gab es in meinem Heimatland eine
breite Diskussion zu diesen Fragen. Ich behaupte nicht,
dass die Kommission in diesen Einzelfällen eine
fehlerhafte Entscheidung getroffen hat. Hingegen bin ich
der Meinung, dass ein breiterer Ansatz bei der
Beurteilung von Fusionen von Vorteil wäre. Und noch
einmal: Das ist besonders für kleine Staaten von großer
Bedeutung.
Einige wichtige Punkte möchte ich hierzu anführen.
Erstens: Die Fusionskontrolle sollte sich stärker darauf
konzentrieren, die Entwicklung und Rationalisierung der
Unternehmen auf dem Binnenmarkt in seiner Ganzheit
zu unterstützen. Wir müssen einen vollständigen Markt
ohne Hemmnisse und Segmente schaffen, was
gegenwärtig nicht der Fall ist. Zweitens: Die
Fusionskontrolle muss vorhersehbarer werden. Drittens:
Die Rechtssicherheit kann noch verstärkt werden. Es ist
ein gesundes Prinzip, dass die einen Fall prüfende
Behörde nicht dieselbe ist, die zuvor in der
Angelegenheit entschieden hat.
108
Herr Präsident! Europa braucht stärkere Unternehmen.
Wir brauchen einen stärkeren Wettbewerb und globale
Akteure, die wachsen können, um sich einer immer
härter werdenden Konkurrenz zu stellen. Aus diesem
Grunde ist in der Beurteilung von Fusionen durch die
Kommission eine langfristige und dynamischere
Sichtweise notwendig. Diesbezüglich kann die EU
vermutlich einiges von den USA lernen, mit dem Ziel, in
Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen von
Lissabon eine EU mit größerer Wachstumskraft und
höherer Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen.
03/07/2002
werden, indem die Argumente der betroffenen Seiten
angehört und Hinweise berücksichtigt werden. Das
unternehmerische Interesse muss gewahrt werden, was
auch das Ziel eines meiner Änderungsanträge ist.
Selbstverständlich kann man
hinsichtlich der
Anfechtbarkeit der Entscheidungen noch weiter gehen.
Echter Wettbewerb auf dem Binnenmarkt einerseits und
Entwicklung der Unternehmen und der Beschäftigung
andererseits - hinsichtlich dieser beiden Ziele ist vieles
noch verbesserungswürdig.
3-312
3-311
Herzog (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident! Herr
Kommissar! Angesichts der wachsenden Bedeutung von
Unternehmenszusammenschlüssen und deren immensen
sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen können die
Vorschläge des Grünbuchs durchaus noch weiter
vervollkommnet werden. Wie der Berichterstatter, Herr
Berenguer Fuster, betont, ist die Kontrolle der
Unternehmenszusammenschlüsse
ein
wesentliches
Element der Wettbewerbspolitik der Europäischen
Union. Allerdings kann die Berechtigung von
Unternehmenszusammenschlüssen nicht allein unter
dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs beurteilt werden,
sondern es müssen noch weitere Ziele - die in der
Strategie von Lissabon enthalten sind - einbezogen
werden, so die Dynamik zwischen Vollbeschäftigung
und Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe. Diese beiden
Zielkategorien sollten rechtlich gleichwertig behandelt
werden, damit es zu keinen Einbußen der
Wettbewerbsfähigkeit kommt, um zugleich aber auch
die bislang noch hintan stehenden Interessen der
Industrie und der Beschäftigung zu befördern.
Folglich ist die Frage der Neuformulierung der
Beurteilungskriterien relevant. Es gilt, die Realitäten des
Wettbewerbs auf internationaler Ebene besser zu
berücksichtigen und einzusehen, dass der Begriff des
nationalen Marktes, abgesehen von einigen Bereichen,
seine Daseinsberechtigung verliert, dass der Begriff
‚europäischer Markt’ sachlich relevant ist und der
Begriff ‚contestable market’ definiert werden muss,
wobei man sich am Kriterium einer deutlichen
Verminderung des Wettbewerbs orientieren sollte.
Zugleich sind auch die Verfahren zu verbessern. Der
Grundsatz einer einzigen Anlaufstelle für Transaktionen
von gemeinschaftsweiter Bedeutung ist ausgezeichnet,
wenn er mit geeigneten Kontrollbedingungen einhergeht.
Die Frage der Schwellenwerte für die Anmeldung kann
vereinfacht und die Zwei-Drittel-Regel beibehalten
werden, ohne den Zusammenhalt der Gemeinschaft aus
dem Blick zu verlieren.
Allerdings bedarf es bei zwei methodischen Aspekten
noch wesentlicher Fortschritte. Angesichts der enormen
sozialen Auswirkungen von Fusionen ist es unerlässlich,
bevor
Entscheidungen
getroffen
werden,
Arbeitnehmervertreter und andere Beteiligte anzuhören,
wie es in den Änderungsanträgen von Herrn Goebbels
und Herrn Berenguer Fuster vorgeschlagen wird. Das
Markttestverfahren muss völlig transparent gestaltet
Karas (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar,
meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wie alle
Redner schon gesagt haben, sind wir mit mehreren
Herausforderungen konfrontiert. Auf der einen Seite mit
der stärkeren Integration der Märkte, auf der anderen mit
der wirtschaftlichen Globalisierung, die nicht zuletzt zu
einer Zunahme an Unternehmenszusammenschlüssen
führt, und schließlich mit der Herausforderung durch die
Erweiterung.
Der Wettbewerb ist ein wesentliches Instrument zur
Erreichung unserer wirtschaftspolitischen Ziele unter
Einhaltung unserer Grundsätze und im Rahmen des
europäischen Ordnungsprinzips der ökosozialen
Marktwirtschaft. Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit
Europas im Weltmarkt. Es geht um den Wettbewerb
innerhalb Europas, den wir zur Erreichung der LissabonZiele und zur Stärkung des Binnenmarktes dringend
benötigen. Wir wollen nicht, dass staatliche Monopole
durch private Monopole ersetzt werden. Wir wollen
einen Wettbewerb auf der Basis gemeinsamer Regeln.
So wie wir Wettbewerb verstehen, sichert und schafft er
Arbeit, führt er zu konsumentenfreundlicheren Preisen
und fördert den dringend notwendigen dynamisierten
Erneuerungsprozess.
Wir stehen vor der zusätzlichen Herausforderung der
Erweiterung,
die
dringend
eine
gegenseitige
Abstimmung
grundlegender
Aspekte
der
Wettbewerbsvorschriften
der
Mitgliedstaaten
untereinander und mit den Beitrittsländern benötigt.
Herr Kommissar, wir haben natürlich auch Wünsche.
Wir wollen eine klare Abgrenzung des relevanten
Marktes, gerade in der Zeit der Globalisierung. Wir
bedauern, dass es keine Trennung zwischen den
ermittelnden Behörden und der beschlussfassenden
Behörde gibt. Wir unterstreichen die Notwendigkeit,
dass die Kompetenzaufteilung und Koordinierung
zwischen der Kommission und den nationalen
Wettbewerbsbehörden kohärent gestaltet wird. Wir
begrüßen, dass venture capital-Beteiligungen nicht mehr
unter die EU-Fusionskontrolle fallen. Dass wir uns selbst
erneuern müssen, zeigt auch Österreich, wo wir seit 1.
Juli ein neues Wettbewerbs …
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort)
3-313
Paasilinna (PSE). – (FI) Herr Präsident! Herr
Kommissar! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen
03/07/2002
Dank für den guten Bericht. Der Binnenmarkt begünstigt
Unternehmenszusammenschlüsse, das gleiche gilt für die
gemeinsame Währung, die Erweiterung der Union und
die Globalisierung, die ja eigentlich ein Prozess der
Unternehmenszusammenschlüsse an sich ist und die
globale Kontrolle der Kommunikation in wenigen
Händen bedeutet. Die Konvergenz hat wiederum dazu
geführt, dass der IT-Sektor, die Medien und der
Telekommunikationssektor einander beinhalten, was in
der Folge riesige Zusammenschlüsse, eine gewaltige
Megamacht, hervorbringt, bei der die Wirtschafts-,
Industrie, Kommunikations- und in vielen Fällen auch
politische Macht praktisch in wenigen Händen
konzentriert ist. Die Medien sind gleichermaßen stark
zentralisiert, wobei ich nicht feststellen konnte, dass die
Kommission hier wesentlich eingegriffen hätte. Die
Situation in Italien erinnert an Russland, allerdings ist
die russische Führung nicht im Besitz eigener
Fernsehkanäle. Im Telesektor sind bald nur noch einige
wenige Unternehmen oder Betreiber übrig. Auch wenn
sich eine führende Marktstellung nicht in einem, zwei
oder drei Ländern realisieren lässt, so ist dies global
wohl möglich. Damit hat ein Unternehmen dann in
einem Dutzend Ländern einen erheblichen Marktanteil.
Ich hoffe, dass die Kommission hier eingreift und eine
global wichtige Marktposition einschätzt. Unternehmen,
die einen Vorteil erzielt haben, können den Markt
manipulieren. Das Prinzip der Union, das zur sozialen
Kohäsion verpflichtet, setzt voraus, dass soziale und
Arbeitsrechte berücksichtigt werden, warum nicht auch
die Rechte der Aktienbesitzer, was wohl zur gemeinsam
beschlossenen Kohäsion gehört.
3-314
Laguiller (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident! Der
Berichterstatter begrüßt es, dass die europäischen
Institutionen
eine
Kontrolle
über
Unternehmenszusammenschlüsse
ausüben.
Diese
Selbstzufriedenheit
ist
lächerlich,
denn
die
Großunternehmer,
die
diese
Zusammenschlüsse
vornehmen, berücksichtigen die Interessen der
Großaktionäre weitaus mehr als die Meinung des
Europäischen Parlaments. Indem der Bericht behauptet,
dass Unternehmenszusammenschlüsse zu größerer
Wettbewerbsfähigkeit und folglich zu mehr Wirtschaftsund Beschäftigungswachstum führen, wird die
Unternehmerthese wieder aufgelegt, wonach für die
Gesellschaft günstig ist, was für die Unternehmer und
die Aktionäre günstig ist. Allerdings braucht man nur die
Bilanz der Unternehmenszusammenschlüsse zu ziehen,
die
den
Abbau
von
Arbeitsplätzen
und
Betriebsschließungen nach sich gezogen, Tausende von
Arbeitnehmern arbeitslos gemacht und ganze Regionen
zugrunde gerichtet haben, um deutlich zu machen, dass
die Interessen der Aktionäre das Gegenteil der Interessen
der werktätigen Mehrheit der Gesellschaft darstellen.
Die Vivendi-Affäre zeigt nach vielen anderen Affären,
die sich in den Vereinigten Staaten abgespielt haben, wie
Ihr System die Produktion in Finanzkapital, in ein bloßes
Spekulationsobjekt umwandelt. Die Börse macht die
Reichen reicher, einige Wenige werden ärmer, ärmer
109
wird aber vor allem die Gesellschaft. Reichtum wird
nicht durch Spekulation, sondern durch Arbeit erzielt,
und an der Börse werden lediglich die Früchte echter
Arbeit vergeudet und in angebliche Werte umgewandelt.
3-315
Andria (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, ich gratuliere
dem Berichterstatter, Herrn Berenguer Fuster, zu seiner
hervorragenden Arbeit. Die Investitionstätigkeit hat im
zurückliegenden Jahrzehnt quantitativ und qualitativ an
Bedeutung gewonnen und war auf einen bessere Einsatz
der Mittel und eine gezielte Kosteneinsparung gerichtet.
Unter anderem auch dank der Entwicklung der
Informatik nahm ein offenkundiger und einschneidender
Globalisierungs- und Konzentrationsprozess konkrete
Gestalt an, der zwar von erheblichem Vorteil für die
Entwicklung
der
Investitionen
und
der
Produktionstätigkeiten war, jedoch auch Krisen
ausgelöst hat, die zu einer Destabilisierung der Bankenund Finanzsysteme in den Entwicklungsländern führten.
Die negativen Auswirkungen schlugen sich in der
Produktion und Beschäftigung und zuweilen auch im
Lebensstandard breiter sozialer Schichten dieser Länder
nieder.
Zwar haben die Unternehmenszusammenschlüsse die
Wirtschaftssysteme einiger Staaten, die aufgrund ihrer
nachgewiesenen Solidität von den gebotenen Chancen
zu profitieren wussten, gestärkt, doch müssen sie auch
Initiativen
zum
Ausbau
der
internationalen
Unterstützung fördern können, die auf die Durchführung
von Reformen zur Begünstigung der Integration im
Welthandel abzielen muss. Oftmals jedoch weisen die
Marktmechanismen,
welche
die
Unternehmenszusammenschlüsse
stimulieren
und
fördern, deutliche Mängel auf und können große
Unzufriedenheit in jenem Teil der Bevölkerung
auslösen, die von den etwaigen Vorteilen dieser
Verhältnisse
ausgenommen
sind.
Wenn
die
Unternehmenszusammenschlüsse ausschließlich auf den
share golden value bzw. auf die Optimierung des
Unternehmenswertes ausgerichtet sind, werden sie auf
ihrem Weg in starke Konflikte mit anderen
Marktteilnehmern und mit den Verbrauchern geraten.
Im Banksektor, wo der Trend zu Zusammenschlüssen
und zum blinden Gewinnstreben vorherrschend ist, sind
die Folgen klar ersichtlich. Im Bericht Cruikshank – es
ist schon das zweite Mal, Herr Kommissar, dass ich ihn
Ihnen gegenüber erwähne – wird darauf hingewiesen,
dass
der
britische
Bankenmarkt
einen
Konzentrationsgrad aufweist, der schädlich für die
Verbraucher ist. Die Tatsache, dass die vier wichtigsten
Handelsbanken derart große Marktanteile besitzen,
schlägt sich in unverhältnismäßig hohen Gebühren und
Preisen sowie in einem spärlichen Angebot an Produkten
und Dienstleistungen für Privathaushalte und
Unternehmen nieder.
3-316
Monti, Kommission. – (IT) Herr Präsident, ich möchte
mich beim Europäischen Parlament für die
Unterstützung, die es dem Grünbuch der Kommission
über die Revision der Fusionskontrollverordnung hat
110
angedeihen lassen, bedanken. Meinem Eindruck nach
pflichtet das Europäische Parlament dem Ziel der
Kommission, das rechtliche Instrumentarium im Bereich
der Fusionskontrolle zu verstärken, eindeutig bei. Nur
mithilfe moderner Methoden und Instrumente ist es
möglich, Herausforderungen wie die bevorstehende
Erweiterung, die Verstärkung der Beziehungen zu
anderen Kartellbehörden und ein weltweit höheres
Bewusstsein für die Bedeutung der Fragen bezüglich der
Fusionskontrolle zu bewältigen.
Ich möchte von dieser Stelle aus dem Ausschuss für
Wirtschaft und Währung und dem Berichterstatter,
Herrn Berenguer Fuster, sowie all jenen, die zu dieser
Debatte beigetragen haben, also insbesondere dem
Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, meinen Dank
aussprechen. Dem öffentlichen Anhörungsverfahren
ließen und lassen sich weiterhin zahlreiche interessante
und gut dokumentierte Auffassungen zu den in dem
Weißbuch
aufgeworfenen
rechtlichen,
verfahrenstechnischen
und
inhaltlichen
Fragen
entnehmen. Ihr Bericht, Herr Berenguer Fuster,
beinhaltet deren wohl durchdachte Zusammenfassung
und legt besonders interessante Überlegungen dar. Sie
kennen meine große Wertschätzung, die ich dem Beitrag
des Europäischen Parlaments entgegenbringe, und ich
kann Ihnen versichern, dass er äußerst sorgfältig
analysiert werden wird. Auf der Grundlage all dieser
Beiträge wird die Kommission noch vor Jahresende
einen Vorschlag für eine neue Verordnung über die
Unternehmenszusammenschlüsse
annehmen,
die
anschließend im Rat behandelt wird.
Ich betrachte diese Verordnung als Teil – der zwar
wichtig, aber eben nur ein Teil ist – eines Reformpakets,
das auch Auslegungsleitlinien für die Anwendung des
substanziellen Kriteriums des Wettbewerbs umfassen
wird – wir haben verschiedene Auffassungen zum
gegenwärtigen Marktbeherrschungskriterium und dem
eventuell alternativ anzuwendenden Kriterium der
substantial lessening of competition, d. h. der
wesentlichen Verminderung des Wettbewerbs, gehört -;
sie dienen insbesondere der Klarstellung der
Prüfungsmodalitäten für die Marktmacht im Falle von
Fusionen sowie der Bedeutung, die den ebenfalls
verschiedentlich erwähnten Betrachtungen zur Effizienz
beizumessen
ist.
Selbstverständlich
wird
der
Verordnungsvorschlag
zu
Anhörungszwecken
veröffentlicht.
Außerdem haben wir vorgesehen, mit Juristen- und
Unternehmerkreisen eine Reihe neuer Leitlinien über die
im
Untersuchungsverfahren
zu
Unternehmenszusammenschlüssen anzuwendende beste
Praxis zu vereinbaren. Sodann werden wir über die
strukturellen
und
verwaltungstechnischen
Veränderungen nachdenken müssen, die zur Flankierung
dieses Reformpakets erforderlich sein werden, und vor
allem über die Weiterbehandlung der Fragen des
Verteidigungsrechts,
der
Stärkung
unseres
wirtschaftlichen Potenzials und der Rolle der
Wirtschaftsanalyse in unserem Entscheidungsverfahren.
03/07/2002
Abschließend möchte ich kurz auf ein Problem zu
sprechen kommen, das während dieser Sitzung von
verschiedenen Damen und Herren Abgeordneten des EP
angeschnitten wurde, und zwar die etwaige Verbindung
zwischen Sozial- und Wettbewerbspolitik.
Dieses Problem wirft Fragen zu den Grundsatzkriterien
auf, nach denen die Unternehmenszusammenschlüsse
bewertet werden müssen. Ich möchte in diesem Punkt
richtig verstanden werden. Durch die Einführung
zusätzlicher, sich von denen des Wettbewerbs
unterscheidender Kriterien in das System zur Bewertung
von Unternehmenszusammenschlüssen würde die
vorrangige Funktion der Fusionskontrollverordnung,
nämlich die Sicherung eines wirksamen Wettbewerbs,
komplizierter, unübersichtlicher und letzten Endes
zunichte gemacht werden. Das heißt jedoch nicht, dass
der Beschäftigungspolitik nicht größte Aufmerksamkeit
zu widmen wäre. Sowohl die Europäische Union als
auch
die
Mitgliedstaaten
verfolgen
eine
Beschäftigungspolitik, und die Kommission und ich
persönlich
befürworten
die
Verstärkung
der
beschäftigungspolitischen Maßnahmen; auch die
Bewahrung eines gesunden Wettbewerbs fördert auf
mittlere und lange Sicht das Wirtschaftswachstum, und
mit dem Wachstum auch die Beschäftigung. Ein
Durcheinander der Ziele und die Aufnahme des Ziels des
Erhalts
von
Arbeitsplätzen
in
die
Fusionskontrollverordnung würde sie jedoch meines
Erachtens entstellen.
Das bedeutet nicht, dass die Unternehmen im
Zusammenhang mit Fusionsverfahren nicht auf ihre
Pflicht zur Einhaltung der Sozialvorschriften
aufmerksam gemacht werden können, wo dies
erforderlich ist. Wir wollen den Arbeitnehmern und
ihren Vertretern auf jeden Fall die Möglichkeit geben,
der Kommission ihren Standpunkt während der
Untersuchung darzulegen. Wie ich bereits sagte, nehmen
wir eine Prüfung hinsichtlich des Wettbewerbs vor, und
unter diesem Blickwinkel kann der Standpunkt der
Beschäftigten und ihrer Vertreter, wenn er sich auf die
Auswirkungen der Maßnahme auf den Wettbewerb
bezieht, größere Bedeutung erlangen.
Alles
in
allem
verfolgen
die
wichtigen
Sozialvorschriften und die ebenfalls wichtigen
Wettbewerbsvorschriften
mit
vielfältigen
unterschiedlichen, jedoch gleichermaßen gültigen
Methoden Ziele, die sich fachlich voneinander
unterschieden. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass
eine Vermischung dieser Instrumente weder der Sozialnoch der Wettbewerbspolitik zum Vorteil gereichen
würde.
Ich danke dem Europäischen Parlament nochmals für
den Beitrag, den es auch bei dieser Gelegenheit zur
Vervollkommnung der Wettbewerbsinstrumente leistet.
3-317
Der Präsident. - Vielen Dank, Herr Kommissar Mario
Monti.
03/07/2002
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
3-318
Erhaltung und Bewirtschaftung der
Fischereiressourcen im Südostatlantik
3-319
Der Präsident. - Nach der Tagesordnung folgt der
Bericht (A5-0115/2002) von Frau McKenna im Namen
des Ausschusses für Fischerei über den Vorschlag für
einen Beschluss des Rates über den Abschluss des
Übereinkommens
über
die
Erhaltung
und
Bewirtschaftung
der
Fischereiressourcen
im
Südostatlantik durch die Europäische Gemeinschaft
(KOM(2001) 679 - C5-0666/2001 - 2001/0280(CNS)).
3-320
McKenna (Verts/ALE), Berichterstatterin. – (EN) Herr
Präsident, der Südostatlantik ist eines der letzten Gebiete
der Weltmeere, in denen es keine regionale
Fischereiorganisation gibt. Um dieser Notwendigkeit
nachzukommen, wurde das neue Übereinkommen über
die
Erhaltung
und
Bewirtschaftung
der
Fischereiressourcen im Südostatlantik zur Errichtung der
Fischereiorganisation
für
den
Südostatlantik
geschlossen. Bisher ist das Übereinkommen nur von
Namibia ratifiziert worden. Mit der morgigen
Abstimmung im Parlament wird die Ratifizierung durch
die
Europäischen
Gemeinschaften
hoffentlich
beschleunigt. Dann wäre nur noch eine weitere
Ratifizierung vor Inkrafttreten des Übereinkommens
erforderlich.
Ziel der Organisation ist es, neben den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften von Angola, Namibia und Südafrika
die langfristige Erhaltung und nachhaltige Nutzung der
Fischereiressourcen im Südostatlantik sicherzustellen.
Es umfasst Fische, Muscheln, Krebstiere und andere
sesshafte Arten, mit Ausnahme von weitwandernden
Arten, die unter das ICCAT-Übereinkommen fallen.
Der Bericht liefert wichtige Hintergrundinformationen,
die ich hier kurz vorstellen möchte. Für die gewerbliche
Fischerei spielen derzeit folgende Fischbestände eine
Rolle: Kaphechte, Stöcker, Sardinellen, Sardinen,
Sardellen und Heringe. Die meisten von ihnen werden
jedoch in nationalen Gewässern gefangen. Die
Kommission weist darauf hin, dass die Fänge dieser
Arten auf Hoher See außerhalb des SEAFO-Gebiets
geringfügig sein würden. Es stellt sich somit die Frage,
welche Arten unter die Bewirtschaftungszuständigkeit
der SEAFO fallen werden.
In anderen Regionen der Welt verlagert sich die
Fischwirtschaft in Anbetracht der Tatsache, dass bei den
Fischbeständen in den Küstengewässern eine
zunehmende Überfischung und Dezimierung eintritt, auf
Tiefseearten. In vielen Fällen ist die Fischerei bei diesen
Arten völlig unreguliert, wobei jedoch die biologischen
Merkmale dieser Fischarten dazu führen, dass sie auf
eine Überfischung sehr anfällig reagieren. Sie zeichnen
111
sich durch ein äußerst langsames Wachstum, extreme
Langlebigkeit und begrenztes Vorkommen aus. Die
Vergangenheit hat wiederholt gezeigt, dass die
Befischung
dieser
Bestände
angesichts
der
Geschwindigkeit, mit der die Fischbestände dezimiert
wurden, letztlich nur als Raubbau bezeichnet werden
kann.
In den Gewässern des Südostatlantiks gibt es eine Reihe
von Beständen an Tiefseearten wie Schwarzer Seehecht,
Kaiserbarsch, Oreos und Tiefseegarnelen. Bislang
existieren nur sehr wenige Informationen über die
Lebensformen und das Vorkommen dieser Arten. Dies
allein sollte Anlass zu Besorgnis geben. Jedoch lässt die
Tatsache, dass man sich vor kurzem immerhin auf
Bewirtschaftungsmaßnahmen für einige Tiefseebestände
im Nordostatlantik einigen konnte, neuen Mut schöpfen.
In meinem Bericht bin ich auf einige Bereiche
eingegangen, in denen der Text zwar deutlicher als
einige frühere Übereinkommen, aber weniger deutlich
als das UN-Übereinkommen über Fischbestände ist.
Einer der wichtigsten Punkte ist vermutlich der Hinweis
auf den Vorsorgeansatz, der wesentlich schwächer
ausfällt, als im neuen Abkommen über die
Bewirtschaftung der Thunfischbestände im Westpazifik.
Darauf gehe ich in meinem Bericht näher ein.
Begrüßenswert ist dagegen die Aufnahme der
Übergangsregelung für die Überwachung, Kontrolle und
Inspektion in das SEAFO-Übereinkommen.
Ob die SEAFO den hohen Erwartungen und ehrgeizigen
Zielen gerecht wird, bleibt abzuwarten. Der Erfolg jeder
Regionalen Fischereiorganisation hängt völlig vom
politischen Willen der Vertragsparteien ab. In dieser
Hinsicht bin ich, was das Verhalten der Europäischen
Union betrifft, etwas besorgt. Unglücklicherweise, und
damit hat sich die Europäische Union keine Ehre
erwiesen, gab es im Laufe der Jahre in mehreren
Organisationen zahlreiche Fälle, in denen die
Europäische Union nicht auf den wissenschaftlichen Rat
der Regionalen Fischereiorganisationen gehört hat.
So gesehen geben die Geschehnisse in der
Vergangenheit nicht gerade Anlass zu der Hoffnung,
dass die EU alles in ihrer beträchtlichen Macht Stehende
tun wird, um die Erhaltung der Fischereiressourcen im
Südostatlantik zu fördern. Meine Hoffung besteht darin,
dass in der Europäischen Union in dieser Frage ein
Sinneswandel stattfinden wird.
Ich wünsche der neuen SEAFO größtmögliche Erfolge
bei der Fischereibewirtschaftung und hoffe, dass sich die
EU in diesem Bereich als konstruktive Kraft erweisen
wird.
3-321
Miguélez Ramos (PSE). – (ES) Herr Präsident, die
Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas
gratuliert zur Errichtung einer neuen regionalen
Fischereiorganisation, der Fischereiorganisation für den
Südostatlantik (SEAFO), deren Zuständigkeitsbereich,
112
wie der Name schon sagt, sich auf den Südostatlantik
erstrecken wird, sowie zur Beteiligung der Gemeinschaft
an dieser Organisation. Dabei geht es – wie Frau
McKenna sagte, die ich sehr herzlich zu ihrem Bericht
beglückwünschen möchte – um die geordnete
Bewirtschaftung
einer
Zone,
die
von
der
Gemeinschaftsflotte befischt wird und in der wir
überdies Fischereibeziehungen zu den Anrainerstaaten
unterhalten. Als Beteiligte an der SEAFO wird die
Gemeinschaft zur Untersuchung und zur Ergreifung von
Maßnahmen zum Schutz der Fischereiressourcen
beitragen, indem sie eine verantwortungsbewusste
Fangtätigkeit ausübt, wie sie das Internationale Seerecht
vorsieht.
Ich lege der Kommission und dem Rat nahe, im
Interesse des Fischereisektors der Gemeinschaft eine
Beteiligung der Gemeinschaft an allen bereits
existierenden
und
zukünftigen
regionalen
Fischereiorganisationen (RFO) anzustreben, so wie es
das Europäische Parlament in seiner Entschließung zum
Grünbuch gefordert hat.
Ich möchte an zwei Probleme erinnern: Das erste leitet
sich aus der Tatsache ab, dass es in den RFO kein
durchdachtes Abstimmungssystem gibt, wodurch die
Gemeinschaft benachteiligt ist, weil sie, wie ein
vertragschließender Mikrostaat lediglich über eine
einzige Stimme verfügt; das zweite Problem ist die
schleppende Umsetzung der von diesen regionalen
Fischereiorganisationen gefassten und für die
Gemeinschaft
verbindlichen
Beschlüsse
in
Gemeinschaftsrecht. Die Verwaltungsverfahren müssen
beschleunigt werden.
Ferner ersuche ich die Kommission, ihre Haltung vor der
Teilnahme an den Zusammenkünften der SEAFO und
der
anderen
RFO
nach
Konsultierung
des
Fischereisektors entsprechend festzulegen, was eine gute
Kommunikation und reibungslose Verbindungen
zwischen der Kommission und dem Fischereisektor
erfordert.
Ich komme nicht umhin, meine Besorgnis über eine von
der Kommission in ihrem Reformvorschlag zur
Gemeinsamen Fischereipolitik geäußerte Idee zum
Ausdruck zu bringen, wenn sie hinsichtlich der RFO
darauf hinweist, dass die Gemeinschaft nur dann
intervenieren sollte, wenn für den Fischereisektor der
Gemeinschaft wirkliches Interesse besteht. Was versteht
die Kommission unter wirklichem Interesse? Mir
scheint, dass diese Selbstbeschränkung vor allem den
Fischereigrundsätzen der Gemeinschaft schadet, die sie,
gemäß Artikel 174 des Vertrags, in allen Foren vertreten
sollte. In Artikel 174 heißt es, dass die Politik der
Gemeinschaft auf diesem Gebiet zur „Förderung von
Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung
regionaler oder globaler Umweltprobleme“ beiträgt.
Ich denke, dass die Präsenz und die führende Rolle der
Gemeinschaft in den RFO notwendig sind, um die
Nachhaltigkeit der Ressourcen in europäischen und
gleichermaßen in nichteuropäischen Gewässern – wie es
03/07/2002
die Kommission selbst zum Ausdruck gebracht hat – zu
schützen, und um darüber zu wachen, dass die Interessen
der Nationen, die Hochseefischerei betreiben,
gebührend, das heißt, in demselben Maße wie die
Interessen der Küstenstaaten berücksichtigt werden.
Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas
ersucht daher die Kommission, den gesamten Komplex
der Gemeinschaftspolitiken in der SEAFO und in den
anderen RFO zu koordinieren, und umgekehrt, dass die
Kommission auch all ihre Politiken zum Schutz der
Interessen der Gemeinschaftsflotte in der Welt
koordiniert, weil sie nur so die Interessen der
europäischen Fischer schützen kann. Es ist daher
notwendig, der für die RFO zuständigen Stelle der
Kommission ausreichend Personal und Finanzmittel zur
Verfügung zu stellen, damit diese Aufgaben erfolgreich
in Angriff genommen werden können.
3-322
Lage (PSE). – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar,
meine Damen und Herren Abgeordneten! Die
Fischereiressourcen zu schützen, zu bewahren und zu
erhalten ist gleichbedeutend damit, die Natur zu
schonen, die Meere als wertvolle und unersetzbare
Lebensräume anzusehen, das Leben und die biologische
Vielfalt zu schützen. Es ist aber auch eine zwingende
Notwendigkeit für das Überleben menschlicher
Tätigkeitsbereiche. Wenn man nämlich die Meere mit
Raubbaumethoden ausbeutet, versiegen sie, und dies
bedeutet auch das Ende für diese Tätigkeiten. Kein
Meeresbereich sollte dem Raubbau überlassen bleiben,
und darum überrascht es, dass ein so weites
Meeresgebiet wie der Südostatlantik nicht der Ordnung
und
Bewirtschaftung
irgendeiner
Organisation
unterliegt. Deshalb ist das Übereinkommen zur
Errichtung einer Regionalen Fischereiorganisation für
dieses Hochseegebiet des Atlantiks zu begrüßen, das
auch schon im April 2001 von den wichtigsten
Küstenstaaten und anderen interessierten Staaten
unterzeichnet wurde. Aus diesem Grund erhält der
Vorschlag für einen Beschluss über den Abschluss des
Übereinkommens
über
die
Erhaltung
und
Bewirtschaftung
der
Fischereiressourcen
im
Südostatlantik durch die Europäische Gemeinschaft
unsere uneingeschränkte Unterstützung.
Hinzu kommt noch, dass die betroffenen Arten durch
ihre biologischen Merkmale und ihren Lebensraum sehr
empfindlich sind. Die Berichterstatterin, die Frau
Abgeordnete McKenna, hat gut daran getan, nur einen
einzigen Änderungsantrag zu stellen und – trotz
punktueller Kritik - das Übereinkommen als positiv
einzuschätzen. Wir stehen auf ihrer Seite und danken ihr
für ihre Arbeit.
3-323
Fischler, Kommission. – Herr Präsident, meine sehr
geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte
zunächst
Ihnen,
Frau
McKenna,
für
Ihren
hervorragenden Bericht und dem Europäischen
Parlament für die nachhaltige Unterstützung unserer
Bemühungen bei den Verhandlungen über das SEAFOAbkommen danken.
03/07/2002
Unsere Bemühungen haben sich bezahlt gemacht, denn
wir stehen kurz vor der Ratifizierung dieses
Übereinkommens durch die Gemeinschaft. Seitdem wir
uns
1997
den
Verhandlungen
zu
diesem
Übereinkommen angeschlossen haben, ist die
Gemeinschaft aktiv daran beteiligt und wird nun zu den
ersten
Vertragsparteien
gehören,
die
das
Übereinkommen ratifizieren. Damit tragen wir
entscheidend zu seinem raschen Inkrafttreten bei. Der
Weg hin zu diesem Übereinkommen war beispielhaft für
eine positive und aktive multilaterale Zusammenarbeit in
der internationalen Fischerei. Dieses Übereinkommen
setzt die jüngsten Entwicklungen des Seerechts um, und
es ist ein echter Beweis für das Engagement aller
Beteiligten für eine verantwortliche Fischerei in einer
Meeresregion, deren Bestände sehr empfindlich sind.
An dieser Stelle möchte ich drei Punkte hervorheben:
Erstens schafft das Übereinkommen ein gutes System
zur Überwachung und Kontrolle der Fischereitätigkeit in
dieser Region. Zweitens enthält es ein gutes
Gleichgewicht
bei
der
Verteilung
der
Fischereimöglichkeiten
auf
Küstenstaaten
und
Entwicklungsländer.
Und
drittens
hat
das
Übereinkommen den Streitbeilegungsmechanismus des
internationalen Seerechts übernommen. Damit hat die
SEAFO alle Chancen, eine durchsetzungsfähige
Organisation zu werden, um die Ressourcen
verantwortungsvoll zu bewirtschaften, illegalen, nicht
gemeldeten und unregulierten Fischfang entschlossen zu
bekämpfen, und sie wird einer Reihe von Küstenstaaten
nützen, deren Volkswirtschaften in großem Maß von
diesen Ressourcen abhängig sind.
Ich komme jetzt zu Ihrem Änderungsantrag, Frau
McKenna, dem die Kommission nur zustimmen kann.
Es ist eine Tatsache, dass das UN-Übereinkommen ohne
Ratifizierung der Gemeinschaft in Kraft getreten ist. Der
Beschluss des Rates von 1998 sah eine rasche,
gleichzeitige Ratifizierung durch die Gemeinschaft und
die Mitgliedstaaten vor. Trotzdem sind heute in drei
Mitgliedstaaten die internen Verfahren zur Ratifizierung
noch immer nicht abgeschlossen. Das hindert die
Gemeinschaft
daran,
Vertragspartei
des
UNAbkommens zu werden. Ich habe mich im Rat und bei
den Mitgliedstaaten mehrmals persönlich dafür
eingesetzt, diesen Vorgang zu beschleunigen.
Ihre weiteren Anliegen, dass wir auf die Empfindlichkeit
der Bestände, besonders von Tiefseearten - wie Sie das
auch vorhin erwähnt haben -, im Geltungsbereich der
SEAFO Rücksicht nehmen müssen, und dass sich die
Gemeinschaft stärker für eine weitgehende Anwendung
des Vorsorgeansatzes bei der Bewirtschaftung dieser
Bestände durch die SEAFO engagieren muss, kann ich
nur unterstützen. Ich kann Ihnen versichern, Frau
Abgeordnete, dass sich die Gemeinschaft weiterhin aktiv
an der Arbeit der SEAFO beteiligen wird. In unserer
Mitteilung
zur
Reform
der
Gemeinsamen
Fischereipolitik haben wir deutlich zum Ausdruck
gebracht, dass es unser Anliegen ist, eine
113
Zusammenarbeit aller Küstenstaaten für eine nachhaltige
und verantwortungsvolle Hochseefischerei zu erreichen.
3-324
Der Präsident. - Vielen Dank, Herr Kommissar Franz
Fischler.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
3-325
Gemeinsame Fischereipolitik
3-326
Der Präsident. - Nach der Tagesordnung folgt die
gemeinsame Aussprache über folgende Berichte:
- A5-0176/2002 von Herrn Busk im Namen des
Ausschusses für Fischerei über den Bericht der
Kommission über die Überwachung der Umsetzung der
Gemeinsamen Fischereipolitik (KOM(2001) 526 C5-0008/2002 - 2002/2001(COS));
- A5-0228/2002 von Frau Attwooll im Namen des
Ausschusses für Fischerei über die Mitteilung der
Kommission an den Rat und das Europäische Parlament:
Aufgedeckte Fälle von Verhaltensweisen, die einen
schweren
Verstoß
gegen
die
Gemeinsame
Fischereipolitik darstellen, im Jahr 2000 (KOM(2001)
650 - C5-0197/2002 - 2002/2093(COS)).
3-327
Busk (ELDR), Berichterstatter. – (DA) Herr Präsident,
Herr Kommissar! Die Kommission hat vor kurzem einen
Reformvorschlag für die zukünftige Fischereipolitik
vorgelegt, und in diesem Zusammenhang ist der Bericht
der Kommission über die Überwachung der Umsetzung
der Gemeinsamen Fischereipolitik, um den es in meinem
Bericht geht, ein sehr wichtiges Instrument. Wir müssen
alle Erfahrungen aus der bisherigen Fischereipolitik
nutzen, damit die zukünftige Fischereipolitik zu
eindeutigen Verbesserungen führt. Verbesserungen sind
notwendig, da die bisherige Fischereipolitik zu viele
Schwachstellen aufweist. Ein markantes Beispiel sind
die MAP-Programme, die keine wirkungsvolle Kontrolle
der Zahl der Fischereifahrzeuge ermöglicht und nicht die
erforderliche Reduktion der Fangflotte sowie eine
wirkungsvolle
Kontrolle
der
tatsächlichen
Flottenkapazität
gewährleistet
haben.
Einige
Mitgliedstaaten
sind
ihrer
Verpflichtung
zur
Unterrichtung
der
Kommission
über
den
Fischereiaufwand ihrer Schiffe überhaupt nicht oder nur
gelegentlich im Berichtszeitraum nachgekommen.
Bedauerlicherweis gibt es erhebliche Unterschiede
zwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die
Einhaltung der Verpflichtung über die Fangmeldungen
an die Kommission. Zu viele Mitgliedstaaten
vernachlässigen ihre Verpflichtungen im Rahmen der
Gemeinsamen Fischereipolitik. Das gilt auch für die
Meldung von Daten, die Durchführung gemeinsamer
Beschlüsse und die Nutzung ausreichender Mittel zur
Gewährleistung der vollständigen Durchführung der
114
Gemeinsamen Fischereipolitik. Zur Durchführung der
Gemeinsamen Fischereipolitik bedarf es der Anwendung
eines
wirkungsvollen Systems der Kontrolle,
Durchsetzung und Meldung in allen Mitgliedstaaten.
Das ist auch deshalb notwendig, um die Unterstützung
und Anerkennung der Fischer für die beschlossenen
Maßnahmen zu gewinnen. Die Fischer müssen zudem
die Gewissheit haben, dass diese Maßnahmen in allen
Mitgliedstaaten in gleicher Weise umgesetzt werden.
Die Verantwortung für die Durchführung der
gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften gemäß den
Grundsätzen der Gemeinschaft obliegt natürlich den
Mitgliedstaaten. Vieles deutet darauf hin, dass sie mehr
Hilfe brauchen, um diese Verpflichtung zu erfüllen.
Letztendlich trägt die Gemeinschaft die oberste
Verantwortung für eine befriedigende Durchführung.
Die Mitgliedstaaten haben im Rahmen ihrer rechtlichen
und administrativen Traditionen Kontrollregelungen
erlassen und zuständige Behörden benannt. Außerdem
haben sie die Fischereiinspektoren mit rechtlichen
Befugnissen für die Kontrollen und die Einleitung
entsprechender Verfahren ausgestattet. Damit wäre
eigentlich alles geregelt. Die Voraussetzungen sind
jedenfalls gegeben; die nationalen Behörden sind in der
Lage, die Gemeinschaftsbeschlüsse umzusetzen.
Bedauerlicherweise gibt es dabei aber, wie der Bericht
der Kommission feststellt, erhebliche Unterschiede, was
natürlich bei den Fischern den Eindruck entstehen lässt,
innerhalb der Gemeinschaft ungleich behandelt zu
werden.
Dem Kommissionsbericht konnte ich auch entnehmen,
dass die Fischereiinspektoren keine ausreichende
Ausbildung besitzen. Ich kann zwischen den Zeilen
lesen, dass sie teilweise nicht einmal zwischen Hering
und Sprotte unterscheiden können. Wenn ich Recht habe
und dem so ist, muss hier wirklich etwas getan werden –
nicht zuletzt deshalb, weil die Ausbildung der
Inspektoren zum Teil von der EU finanziert wird. Es ist
einfach nicht hinnehmbar, dass, wie die Kommission
feststellen musste, offenkundige Ausbildungs- und
Erfahrungslücken im Bereich der Überprüfung der
Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften bestehen. Es
ist höchste Zeit, die Mitgliedstaaten daran zu erinnern,
dass sie ihre Verpflichtungen ernster nehmen. Es geht
um mehr Effizienz der einzelstaatlichen Verantwortung.
So dürfen Überwachung, Kontrolle und Beaufsichtigung
nicht, wie das in einem Mitgliedstaat der Fall ist, auf
sieben Behörden verteilt werden, denn das führt dazu,
dass sich keine wirklich zuständig fühlt. Verstöße
müssen wirksam geahndet, und es müssen genügend
Mittel für die Überwachungs- und Kontrollfunktion zur
Verfügung gestellt werden. Ich habe der Kommission
vorgeschlagen, über ein Belohnungssystem – z. B. in
Form von zusätzlichen Quoten – für die Mitgliedstaaten
nachzudenken, die die Gemeinschaftsvorschriften
einhalten. Natürlich müssen auch schärfere Sanktionen
für den Fall eingeführt werden, dass die Mitgliedstaaten
sich nicht daran halten. Herr Kommissar, ich bin davon
überzeugt, dass der Schlüssel zum Erfolg der Reform
unserer Fischereipolitik im Bereich der Kontrolle zu
finden ist.
03/07/2002
3-328
Attwooll (ELDR), Berichterstatterin. – (EN) Herr
Präsident, es ist schon etwas merkwürdig, dass ich mich
so spät am Abend mit Verstößen beschäftigen soll, die
mehr als zwei Jahre zurückliegen und unter Umständen
begangen wurden, für die die Kommission bereits
Reformvorschläge vorgelegt hat. Dennoch lohnt sich die
Mühe, denn drei Punkte bieten Anlass zu Besorgnis;
zwei beziehen sich auf die Mitteilung, einer auf den
Vorschlag.
Zunächst einmal geht es um Verzug. Die für Juni
vorgesehene Kommissionsmitteilung wurde erst im
November veröffentlicht. Die entsprechende Mitteilung
für das Jahr 2001 ist bereits mehr als einen Monat
überfällig. Ich hoffe, die Kommission kann dem
Ausschuss für Fischerei versichern, dass eine
Veröffentlichung kurz bevorsteht.
Zweitens geht es um den Inhalt. Nicht alle
Mitgliedstaaten haben wie erforderlich in elektronischer
Form Bericht erstattet, und es wurden nicht immer die
zutreffenden Codes benutzt. Einige Berichte waren
unvollständig oder unleserlich. Ein Mitgliedstaat hat im
vergangenen Jahr überhaupt nicht Bericht erstattet,
obwohl er, wenn ich mich Recht erinnere, in den
vergangenen
Jahren
immer
seiner
Pflicht
nachgekommen ist.
Nach Durchsicht der Unterlagen musste ich feststellen,
dass die Mitgliedstaaten bei der Einordnung der
Verstöße nicht immer einheitlich vorgegangen sind.
Einige Strafen scheinen zusammenfassend verhängt
worden zu sein, so dass der prozentuale Anteil der Fälle,
in denen Strafen verhängt wurden, nur schwer
festzustellen ist.
Dies alles ist sehr bedauerlich, da es, wie auch die
Kommission selbst zugegeben hat, auf diese Weise
unmöglich
ist,
eindeutige
und
einheitliche
Schlussfolgerungen zu ziehen. Aus inoffiziellen
Kontakten mit der Kommission geht hervor, dass die
Qualität der Berichterstattung für 2001 besser gewesen
ist. Der Ausschuss für Fischerei hofft nun, dass sie sich
um eine umfassendere und ausgefeiltere Analyse
bemühen werden. So kann z. B. die Zahl der von den
Mitgliedstaaten erfassten Verstöße nur dann richtig
gedeutet werden, wenn auch die Größe der beteiligten
Flotten in Betracht gezogen wird. Der Kommissar wird
es mir hoffentlich nicht übel nehmen, wenn ich davon
ausgehe, dass von Seiten Österreichs mit bedeutend
weniger Verstößen zu rechnen ist, als von Seiten einiger
anderer Mitgliedstaaten.
Allgemein betrachtet müssen wir, und auch bei
Vorliegen besserer Daten, bei der Interpretation
umsichtiger vorgehen. Bedeutet die Erfassung eines
höheren Prozentsatzes von Verstößen, dass tatsächlich
mehr Verstöße begangen wurden oder dass einfach nur
die Aufdeckungsrate höher ist? Und sollten die
auferlegten Strafen in absoluten Zahlen vergleichbar sein
oder unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten
in den betreffenden Mitgliedstaaten? Bei einer richtigen
03/07/2002
Auslegung könnten die Informationen jedoch für den
Umgang mit Verstößen im Verlauf der Reform der GFP
von großem Nutzen sein. Die Mitteilung liefert
ausreichend Beweise dafür, dass die Bandbreite an
Strafen recht groß ist. Was z. B. Fälschungen oder
unterlassene Eintragungen in Logbücher betrifft,
variieren
die
Durchschnittsgeldbußen
in
den
Mitgliedstaaten zwischen 88 Euro und 16 020 Euro.
Der Ausschuss für Fischerei begrüßt die Tatsache, dass
sich die Kommission in Kapitel 5 ihres Vorschlags über
die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der
Fischereiressourcen mit der Harmonisierung von Strafen
befasst hat.
Doch dies bringt mich zum dritten Punkt, der Anlass zu
Besorgnis gibt: die Wortwahl orientiert sich nicht
vollständig an den Punkten unseres Berichts. Zunächst
fordern wir, dass für die Definition und Einstufung des
Tatbestands sowie der Strafen objektive Kriterien
zugrunde gelegt werden. Diesbezüglich möchten wir
hervorheben, wie nützlich die in diesem Bericht
genannten Daten sein können, wenn sie richtig ausgelegt
werden.
Zweitens enthält der Bericht die Forderung nach einem
einheitlichen System von Mindeststrafen, während
dieser Punkt im Vorschlag keinerlei Erwähnung findet.
Sogar im Falle schwerer Vergehen können einige
Tatbestände schwer wiegender als andere sein. Es ist
zweckmäßig, eine Unterscheidung zwischen einem
erstmaligen oder einem wiederholten Verstoß oder
zwischen Fällen vorzunehmen, in denen ein
beabsichtigter Verstoß oder ein wirkliches Fehlverhalten
vorliegen. Im Sinne der Gerechtigkeit ist es wichtig, dass
nicht alle Fälle gleich behandelt werden, sondern für
gleich gelagerte Fälle auch vergleichbare Strafen
verhängt werden.
Aus diesen Gründen und unter Berücksichtigung des
Grundsatzes
der
Gewaltenteilung
wäre
es
unverantwortlich, eine Ermessensausübung der Gerichte
und Verwaltungen in diesem Zusammenhang
auszuschließen.
Vorbehaltlich dieser Einschränkung bin ich der
Auffassung, dass wir weitere Fortschritte bei der
Umsetzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung
erzielen können, der, zusammen mit Maßnahmen wie
der Einsetzung von regionalen Beratungsgremien einen
wichtigen Beitrag dazu leisten kann, das Vertrauen
unserer Fischergemeinschaften in die Gemeinsame
Fischereipolitik zu gewinnen. Die ausführlichen
Vorschläge des Kommissars zu diesem Thema erwarten
wir mit Spannung. Ich versichere dem Kommissar, dass
wir sie genauestens prüfen werden.
3-329
Miguélez Ramos (PSE). – (ES) Herr Präsident, die
sozialistische Fraktion möchte ihre herzlichsten
Glückwünsche und ihre Befriedigung über die Berichte
von Frau Attwooll und von Herrn Busk sowie über die
115
zwei Mitteilungen der Kommission
Kontrollsystem zum Ausdruck bringen.
über
das
Zufrieden sind wir auch, und dies ist an die Adresse von
Kommissar Fischler gerichtet, über die auf dem Gebiet
der Inspektion und Kontrolle erzielten Fortschritte, die
der von der Europäischen Kommission angenommene
Reformvorschlag zur GFP voraussetzt. Insofern stimmen
wir vollkommen mit der Kommission überein, wenn sie
sagt, dass die derzeitigen Maßnahmen zur Kontrolle und
zur
Umsetzung
der
gemeinschaftlichen
Rechtsvorschriften unzureichend waren, um EU-weite
einheitliche Bedingungen zu gewährleisten. Darunter hat
die Glaubwürdigkeit der GFP gelitten. Wir unterstützen
den Vorschlag, wie vom Europäischen Parlament
gefordert, ein gemeinsames Inspektions- und
Kontrollsystem zu errichten. Dies wird sich als ein
großer Schritt in Richtung auf eine stärkere
Vergemeinschaftung der Gemeinsamen Fischereipolitik
erweisen. Gleiches würden wir auch gern in anderen
Bereichen dieser Politik reflektiert sehen. Dieser Schritt
wird in dem Sinne, wie es das Europäische Parlament
fordert, zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen
den nationalen Behörden führen und uns einem
Gemeinsamen
Inspektionssystem
auf
Gemeinschaftsebene sowie einheitlichen Regelungen
näher bringen, darunter auch zur Höhe finanzieller
Sanktionen. Ferner wird das Problem der momentan
aufgrund
fehlenden
Personals
und
fehlender
Finanzmittel unzulänglichen Kontrollen, die sich auf
vereinzelte Inspektionen von Anlandungen beschränken,
gemildert. Auch die wesentlichen Unterschiede bei von
den Mitgliedstaaten durchgeführten Inspektionen und
verhängten Sanktionen lassen nur wenig effektive
Kontrollen zu.
Daher forderten wir in der Entschließung zum Grünbuch
– ich war Berichterstatter – ein harmonisiertes
europäisches Inspektions- und Kontrollsystem, das durch
alle Experten gleichermaßen anwendbar ist, niemanden
benachteiligt und sich durch ein einheitliches System
von Vorschriften und Sanktionsverfahren auszeichnet,
das auf mehr Konformität seitens des Fischereisektors
baut. Ohne ein solches System sind alle Anstrengungen
zur Erhaltung der Ressourcen und zu einer rationalen
Bewirtschaftung der Fischbestände zum Scheitern
verurteilt.
Die Kontrolle kann jedoch nicht effektiv erfolgen, wenn
es keine Abstimmung zwischen der Kommission und
den Mitgliedstaaten gibt und letztere, wie Frau Attwooll
sagte, nicht ihrer Meldepflicht bei Verstößen auf diesem
Gebiet nachkommen. Daher bitte ich den Kommissar,
uns möglichst anzuzeigen, was die Kommission
angesichts der Versäumnisse von Mitgliedstaaten, die
den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 2740/1999
nicht nachgekommen sind und auf die die Kommission
in
ihrer
bevorstehenden
Mitteilung
hinweist,
unternommen hat. Ferner bitte ich den Kommissar, uns
mitzuteilen, ob man Frankreich um Aufklärung ersucht
hat, warum es keinerlei Informationen übermittelt hat
und welche Antwort gegeben wurde.
116
Wie Frau Attwooll bemerkte, kann man ohne das alles
unmöglich gesicherte Schlussfolgerungen ziehen.
Abschließend schließen wir uns dem Antrag meines
Kollegen Busk an, mit dem die Kommission um die
Ausarbeitung eines Katalogs von effizienteren und
abschreckenderen Sanktionen gebeten wird, in dem die
in den einzelnen Mitgliedstaaten gesammelten
Erfahrungen zu Grunde gelegt werden und der als
Leitfaden für alle dienen kann.
Wir sind uns sicher, dass ein effizientes, objektives und
homogenes europäisches Kontrollsystem zu einer
breiteren Unterstützung sowie einer stärkeren Beachtung
der Verordnungen auf dem Gebiet der Fischerei seitens
der Fischer führen wird.
3-330
McKenna (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident, aus den
hervorragenden Berichten von Frau Attwooll und
Herrn Busk geht ganz klar hervor, dass die Kontroll- und
Überwachungssysteme in der Europäischen Union
einiges zu wünschen übrig lassen. Seit ich vor einigen
Jahren meinen Bericht über die Kontrollen erstellt habe,
hat sich nur sehr wenig geändert.
Die Anwendung der Kontrollverordnung innerhalb der
Gemeinschaft erfolgt ausgesprochen lückenhaft: einige
Mitgliedstaaten setzen Teile davon gut und wieder
andere weniger gut um. Die Höhe der Geld- und
sonstigen Strafen weist innerhalb der Gemeinschaft
große Unterschiede auf, obwohl wir über eine
gemeinsame Liste schwerer Verstöße verfügen.
Was wir dringend benötigen, ist eine EU-weite
Koordinierung der Kontrollen und der Überwachung.
Die Glaubwürdigkeit der Fischereipolitik steht in diesem
Bereich auf dem Spiel. Anders formuliert müssen der
Kommission
diesbezüglich
umfangreichere
Zuständigkeiten erteilt werden, wie wir es im Parlament
seit langen Jahren fordern. Daher unterstütze ich den im
Reformpaket der Kommission enthaltenen Vorschlag,
eine EU-Inspektion einzurichten, und meine Fraktion
wird für beide Berichte stimmen.
3-331
Souchet (NI). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar,
liebe
Kolleginnen
und
Kollegen!
Wie
der
Berichterstatter des Ausschusses für Fischerei, unser
Kollege Niels Busk, zu den Fragen der Überwachung
der Umsetzung der Gemeinsamen Fischereipolitik
betonte, ist es wichtig, dass die Regeln dieser Politik von
den Fischern für gerecht, angemessen und
verhältnismäßig empfunden werden, damit sie deren
Unterstützung
finden.
Ich
zitiere
unseren
Berichterstatter: „Die Unterstützung und Einhaltung der
Fischereiverordnungen seitens der Fischer wird sich
durch die Einbeziehung der Fischerorganisationen in den
Entscheidungsprozess verbessern.“
Dies ist ein wesentlicher Punkt. Wenn die betroffenen
Berufsangehörigen nicht eng in die Ausarbeitung der
Entscheidungen und die Festlegung der Bestandsschutzund technischen Maßnahmen eingebunden werden,
wenn sie feststellen, dass die Gemeinsame
03/07/2002
Fischereipolitik ungerecht und gegen sie gerichtet ist,
wenn sie das Gefühl haben, von vornherein als
Zuwiderhandelnde angesehen zu werden, dann können
die Bestimmungen der Gemeinsamen Fischereipolitik
niemals angemessen durchgesetzt werden, und keine
Strafbestimmungen werden daran etwas ändern.
Leider ist der von der Kommission gewählte Weg, um
den Reformprozess für die Gemeinsame Fischereipolitik
in die Wege zu leiten, genau das Gegenteil einer solchen
notwendigen gemeinsamen Erarbeitung der neuen
Regeln. Dennoch haben sich die Fischerorganisationen
sehr aktiv und konstruktiv in den von der Kommission
nach der Veröffentlichung ihres Grünbuchs in Gang
gebrachten Konzertierungsprozess eingebracht. Sie
meinten, die Reform der gemeinsamen Fischereipolitik
würde die Möglichkeit bieten, mit der traurigen
Tradition der von oben durchgesetzten Politiken zu
brechen und Vertrauen wiederherzustellen. Umso mehr
erfüllt es sie mit Bitterkeit, sich heute einem
Reformprojekt gegenüber zu sehen, das ihre Vorschläge
dennoch nicht berücksichtigt. Somit kommt zu dem
grundsätzlichen Irrtum, welcher der Kommission
unterlaufen ist, nun auch noch ein methodischer Irrtum
hinzu.
Was die Maßnahmen zum Schutz und zur
Wiederherstellung der Bestände anbelangt, will uns die
Kommission - anstatt in Übereinstimmung mit der
Interessenlage der Fischer Verfahren anzustreben, die
mehr Abstimmung und Übernahme von Verantwortung
erfordern - mehr Autoritarismus und Zentralisierung
auferlegen, auch wenn beispielsweise durch die
Einrichtung regionaler Beratungsausschüsse ein anderer
Eindruck entstehen könnte.
Rücksichtslos und willkürlich sind die Maßnahmen zur
Regulierung des Fischereiaufwandes, die zunehmend auf
das Abwracken von Schiffen und das Ausscheiden von
Seeleuten hinauslaufen. Sollten solche Maßnahmen
verabschiedet werden, so steht zu befürchten, dass die
Kontrolle über die Umsetzung der künftigen
Gemeinsamen Fischereipolitik in Zukunft noch viel
problematischer sein wird als heute. Aber noch ist Zeit,
Herr Kommissar, sich zu verbessern und den von der
Basis an Sie gerichteten Signalen Gehör zu schenken.
Sie wissen ja, dass Ihre Vorschläge nicht gerade auf
Begeisterung gestoßen sind, sondern in unseren Häfen
und an unseren Küsten Empörung ausgelöst haben.
Wenn Sie es vermögen, den Grund dieser Empörung zu
verstehen, werden Sie schnell feststellen, dass unseren
Fischern eine nachhaltige Gestaltung des Fischfangs
weitaus mehr am Herzen liegt als Ihren
Umweltschützern, die vom Schreibtisch aus agieren.
3-332
Cunha (PPE-DE). – (PT) Herr Präsident! Angesichts
der wachsenden Anzeichen für eine Dezimierung vieler
Fischbestände hat die Gemeinsame Fischereipolitik
(GFP) die Komponente des Schutzes und der Erhaltung
dieser Ressourcen zunehmend einbezogen und verstärkt.
Es handelt sich um eine Frage staatsbürgerlicher und
politischer Verantwortung, denn solche Maßnahmen
03/07/2002
sind unbedingt erforderlich, um die Zukunft der
Fischerei selbst und der Fischer zu sichern, auch wenn
sie möglicherweise zunächst nicht besonders populär
sind. Um die wirksame Umsetzung dieser wichtigen
Dimension der GFP zu gewährleisten, gibt es seit
geraumer Zeit einen Komplex von gemeinschaftlichen
Kontroll-,
Inspektionsund
Überwachungsmechanismen, deren Einhaltung im
Wesentlichen von den Mitgliedstaaten abhängt.
Die Kommission hat jetzt einen Bewertungsbericht über
die Umsetzung dieser Mechanismen in den
Mitgliedstaaten vorgelegt. Dieser Bericht zeigt, dass es
große Unterschiede bei der Auslegung und praktischen
Anwendung dieser Maßnahmen gibt, und zwar
insbesondere
bei
den
Kontrollund
Überwachungseinrichtungen, der Ausbildung der
Inspektoren, der Häufigkeit der Kontrollmaßnahmen und
den Sanktionsverfahren. Auch der Bericht der Frau
Abgeordneten Attwooll beleuchtet einige der genannten
Probleme.
Aus diesen Unterschieden ergibt sich zwangsläufig eine
objektive Ungleichbehandlung der Fischer in den
einzelnen Mitgliedstaaten. Dies äußert sich letzten Endes
auch in einer Wettbewerbsverzerrung. Dazu kam es
beispielsweise bei den bekannten Mehrjährigen
Ausrichtungsprogrammen für die Fischerei, den MAPF,
bei denen jene Mitgliedstaaten, die die festgelegten Ziele
nicht einhielten, keinerlei Sanktionen unterlagen, so dass
die Täter letztlich noch begünstigt wurden.
In diesem Bericht erklärt die Kommission nun, dass die
Kontroll- und Überwachungsmechanismen der Fischerei
wesentlich gestärkt werden müssen. Dazu gehört auch
die Möglichkeit, dass die Gruppe der Inspektoren der
Kommission gegenüber den nationalen Behörden
unabhängig handeln kann. Wir sind mit dieser Absicht
einverstanden, und jetzt muss diese Debatte in die
Debatte über die GFP nach 2002 eingebunden werden.
Abschließend möchte ich nur noch sagen, dass ich dem
Kollegen Niels Busk für die Unterstützung, die er dem
Ausschuss für Fischerei erwiesen hat, und für seinen
Bericht danke, dessen Inhalt wir im Wesentlichen
zustimmen.
3-333
Lage (PSE). – (PT) Herr Präsident, meine Damen und
Herren Abgeordneten, Herr Kommissar! Die Berichte
Busk und Attwooll sowie die Dokumente der
Kommission, die sie behandeln, kommen zum richtigen
Zeitpunkt und sind von größtem Nutzen. Tatsächlich
befinden wir uns ja an einem Wendepunkt, an dem die
Gemeinsame Fischereipolitik in all ihren Kapiteln einen
Revisionsprozess durchläuft. Die Berichte tragen nun
dazu bei, einen wesentlichen Bestandteil der
Fischereipolitik zu erhellen und aufzuklären: die
Kontrolle und die Sanktionen.
Die Erhaltung von knappen, aber erneuerbaren
Ressourcen ist eine lebenswichtige Frage, das kann man
nicht oft genug wiederholen. Die fischereiliche
117
Sterblichkeit kann bekanntlich auf verschiedene Weise
gesteuert werden, etwa durch eine Begrenzung der
Fangmengen (TAC und Quoten) und die Begrenzung
des Fischereiaufwands (Begrenzung der Seetage und
periodische
Einstellung
des
Fischfangs).
Die
Fangstruktur kann auch noch über technische
Maßnahmen gesteuert werden, z. B. Maschenöffnungen,
Fischmindestgrößen, Sperr- und Schongebiete). Der
springende Punkt ist jedoch, dass die Kontrollregelungen
sicherstellen
sollen,
dass
diese
Bestandserhaltungsmaßnahmen von den Fischern
eingehalten werden.
Leider ist heute festzustellen, dass die Wirksamkeit und
Qualität der Fischereikontrollen unterschiedlich ist und
viel zu wünschen übrig lässt. Manche Tätigkeiten
werden effektiv kontrolliert, andere bleiben von jeder
Kontrolle verschont. Sicher hat es Fortschritte gegeben,
doch wie alle sagen, reichen sie nicht aus! Die
Kontrollen und die verhängten Sanktionen fallen, wie es
im Bericht heißt, je nach Mitgliedstaat so unterschiedlich
aus, dass im Endergebnis ungerechte Unterschiede
zwischen den Fischern in den einzelnen Länder
entstehen, was die Zuverlässigkeit, Akzeptanz und
Einhaltung
der
Gemeinschaftsvorschriften
beeinträchtigt.
Unter diesen Umständen ist es dringend erforderlich, das
Kontrollinstrumentarium der Gemeinschaftsfischerei in
den Bereichen Überwachung, Kontrolle und praktische
Anwendung zu vervollkommnen. Gestatten Sie mir zum
Abschluss, dass ich den Herrn Kommissar darin
bestärke, sich um Kompromisse und Anpassungen zu
bemühen, die seinen - so kontroversen Reformvorschlag für die Mitgliedstaaten annehmbar
machen. Wir hoffen aufrichtig, dass bis Ende dieses
Jahres eine Einigung erzielt werden kann und man nicht
in einem Morast von Unklarheiten versinkt.
3-334
Nogueira Román (Verts/ALE). – (PT) Herr Präsident,
Herr Kommissar! Die Mitteilungen der Kommission und
die Berichte unserer Kollegen Busk und Attwooll
zeigen, dass die Gemeinsame Fischereipolitik ein Riese
auf tönernen Füßen ist! Für die GFP verfügt die
Kommission
über
eine
große
politische
Gesetzgebungsbefugnis, aber ein sehr schwaches
Instrumentariums, was die Kommission selbst
eingestehen muss.
Bei der Leitung der Gemeinsamen Politik und bei der
Kontrolle ihrer Umsetzung fehlt es ganz offenkundig an
finanziellen Mitteln. Außerdem bestehen zwischen
Staaten große Unterschiede bei den Kontrollen und bei
den Sanktionen für die gleichen Verhaltenverstöße, was
ein gewisses Misstrauen gegen die Gemeinsame
Fischereipolitik hervorruft. Dieser Mangel beim
Instrumentarium äußert sich auch im Fehlen von
Personal und Finanzmitteln, in der Beteiligung der
Regionalen Fischereiorganisationen und bei den
Abkommen mit Drittländern sowie in den
wissenschaftlichen
Untersuchungen
der
118
Fischereiressourcen, wo die
glaubwürdiges System besitzt.
03/07/2002
Kommission
kein
bemühen, wenn wir in irgendeiner Hinsicht Erfolge
erzielen wollen.
Ich meine, wenn man das alles berücksichtigt, wäre es
doch besser, die Reformierung der GAP damit zu
beginnen, dass man für die Kommission die
erforderlichen
Verwaltungsund
Finanzierungsinstrumente
bereitstellt
und
den
gleichberechtigten Zugang zu den Gemeinschaftsmeeren
und den Fangmengen festlegt, und zwar stets nach dem
Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung.
Die Kommission hat empfohlen, die 6- und 12-MeilenZonen beizubehalten, um die anfällige Küstenfischerei
zu schützen. Interessant ist dabei, dass die Kommission
in dem ursprünglichen Entwurf der Reformvorschläge
für die GFP, die im März durchsickerten, angegeben hat,
dass die 6- und 12-Meilen-Zone ein fester und zeitlich
unbegrenzter Bestandteil der GFP werden sollte. So
wurde es formuliert. Diese Anmerkung ist nun auf
mysteriösem Wege verschwunden und wurde lediglich
durch die Bestätigung der Notwendigkeit von 12Meilen-Zonen ersetzt. Trotz der Versicherungen von
Herrn Fischler, dass er dem Druck des spanischen
Premierministers Aznar nicht nachgegeben hat, scheinen
die spanischen Drohungen, gegen die Kommission in der
Frage der Übereinkommen über den freien Zugang vor
dem Gerichtshof Beschwerde einzulegen, doch Früchte
getragen zu haben. Diese Änderungen sind sehr
enttäuschend und alarmierend. Eine Erklärung, warum
sie vorgenommen wurden, würde ich doch sehr
begrüßen.
3-335
Parish (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, eingangs
möchte ich eine kurze Rede meiner Kollegin
Brigitte Langenhagen verlesen, die heute Abend nicht
hier sein kann: „In dieser Woche hat der dänische
Ratsvorsitz seine Tätigkeit aufgenommen, und bezüglich
der Fischerei wird er vor einer schweren Aufgabe
stehen. Wir befinden uns am Scheideweg und sind leider
im Verzug. Wenn Sie sich die Fischbestände in unseren
Gewässern anschauen, dann werden Sie begreifen, dass
wir nicht viel Zeit zu verlieren haben. In meinen Augen
geht aus den beiden Berichten, die wir nun erörtern,
ganz klar hervor, dass wir handeln müssen. In einigen
Mitgliedstaaten mangelt es an Zusammenarbeit,
wodurch eine ordnungsgemäße Umsetzung der GFP
behindert wird. Die Kontrollen müssen verschärft und
einheitliche Sanktionen innerhalb der EU geschaffen
werden. Ich bin daher der Ansicht, dass Europa mit
dieser Reform der GFP seine Glaubwürdigkeit
zurückgewinnen muss. Eine umfangreiche Reform kann
nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn die Beteiligten
die Anordnungen aus Brüssel verstehen und an den
Erfolg der zu ergreifenden Maßnahmen glauben.
Natürlich wollen wir auch im kommenden Jahrzehnt und
darüber hinaus noch Fischerei betreiben, also lassen Sie
uns unsere Kräfte bündeln und nach der richtigen
Lösung suchen.“
Ich werde nun mit meinen eigenen Worten fortfahren.
Der Berichterstatter, Herr Busk, sowie Frau Attwooll,
haben bei der Erstellung dieser Berichte hervorragende
Arbeit geleistet. Ich möchte Ihnen für ihre hilfreichen
und unermüdlichen Bemühungen danken. Jedoch
gestalten sich diese Maßnahmen derart, als würde man,
um ein Sprichwort zu benutzen, erst dann handeln, wenn
das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Wir werden
lediglich dazu gezwungen, derart drastische Maßnahmen
zu ergreifen, weil die GFP völlig fehlgeschlagen ist. Es
ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass diese Politik
eine absolutes Desaster war und einen großen Anteil an
der umweltbezogenen und wirtschaftlichen Katastrophe
hat, in der wir uns jetzt befinden.
Ich sehe und unterstütze die Notwendigkeit einer
sofortigen
Einführung
von
Kontrollund
Überwachungsmaßnahmen der Fischereiflotten in
europäischen Gewässern. Wir müssen alle zur
Verfügung stehenden Maßnahmen nutzen, insbesondere
die Satellitentechnologie, und uns um eine strenge und
einheitliche Umsetzung in allen Mitgliedstaaten
Eine grundlegende Maßnahme ist die Rückübertragung
der Zuständigkeiten für die Bewirtschaftung innerhalb
der
12-Meilen-Grenzen
an
die
betreffenden
Mitgliedstaaten. Sie müssen eine umfassendere
Zuständigkeit für Maßnahmen der Bestandserhaltung
und -bewirtschaftung und deren Durchsetzung für alle
Schiffe gleich welcher Herkunft erhalten, die sich
innerhalb dieser Zonen bewegen.
Was die strittige Frage der Rückwürfe betrifft, so ist es
an der Zeit, dieses klägliche Übel endgültig aus der Welt
zu schaffen. Wir können nicht weiter eine Strategie
verfolgen, bei der alljährlich insgesamt 2 Millionen
Tonnen gesunder Fische - 25 % des gesamten Fischfangs
in der EU - tot zurück ins Meer geworfen werden. Die
britischen Fischer sind sehr aufgebracht über die
Rückwürfe, denn sie machen ständige fast 50 % ihrer
Fänge aus. Ein Großteil des Problems lässt sich auf
unseren Umgang mit den zulässige Gesamtfangmengen
und den Quoten zurückführen. Dies müssen wir uns
deutlich vor Augen führen. Die zulässigen
Gesamtfangmengen und Quoten wurden nicht aus
Gründen der Bestandserhaltung in die GFP
aufgenommen, sondern um den Austausch von
Fischereirechten zu unterstützen. Viele würden jedoch
anbringen, das „Gerechtigkeit“ nicht unbedingt ein Wort
ist, das für die GFP gilt. Als Großbritannien der GFP im
Jahre 1972 beitrat, bedeutete das damals geschlossene
Übereinkommen einen Schlag ins Kontor der britischen
Fischwirtschaft.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass die
GFP in den Augen vieler Menschen nun ihre allerletzte
Chance erhält, denn für einen zweiten Fehlschlag steht
zuviel auf dem Spiel.
3-336
Pérez Álvarez (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, meine
Damen und Herren, Herr Kommissar! Zunächst möchte
03/07/2002
ich den Berichterstattern für ihre gute Arbeit und ihre
Anstrengungen bei der Ausarbeitung der beiden Berichte
danken.
Verstöße oder potenzielle Verstöße gegen Vorschriften
der Gemeinsamen Fischereipolitik sind vielfältig, und es
ist eine Tatsache, dass die Verstöße unentdeckt und
verborgen bleiben können, weil es an Auskünften seitens
der Mitgliedstaaten sowie an Bezugspunkten und
Vergleichsmöglichkeiten fehlt oder auch weil
Schwierigkeiten in der Auslegung und im Verständnis
auftreten, da es keine Angaben über vorgeschlagene
Sanktionen, über die Flottenstärke, über effizientere
Kontrollmittel und -mechanismen etc. gibt.
Auch wenn ich einsehe, dass es eine gewisse Flexibilität
bei der Auslegung von Vorschriften und bei der
Bewertung von Verhaltensweisen geben muss, so glaube
ich doch, dass es an der Zeit ist, auf eine Intensivierung
der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen
nationalen Kontrollbehörden zu setzen, um über
Sanktionen für begangene Verstöße zu informieren.
Ferner ist es an der Zeit, auf wirklich abschreckendem,
effektive und effiziente Sanktionen zu setzen, und zwar
durch Gleichbehandlung und durch einen kühnen
Beschluss, der die Einfuhr von Produkten aus illegalem
Fischfang in die Europäische Union verhindert. Die
häufigsten und schwersten Verstöße betreffen den
illegalen Fischfang, der nicht deklariert und nicht
reglementiert wird, der gegen den Schutz der
Fischereiressourcen verstößt und überdies diejenigen
Fischer bestraft, die keine Verstöße begehen. Und die
illegalen Aktivitäten derjenigen – ich spreche von den
Gesetzesbrechern –, gegen die vielleicht Geldstrafen
verhängt werden, werden weder verhindert noch
unrentabel, und ebenso wenig werden diese
Gesetzesbrecher davon abgehalten, mit ihrem illegalen
Fischfang fortzufahren.
Fazit ist, wir müssen ein wirkungsvolles System der
Kontrolle,
Durchsetzung
und
Berichterstattung
entsprechend Erwägung A errichten, das aber zugleich
auch eine wechselseitige Verantwortung und ein
gegenseitiges Vertrauen sowie eine einheitliche
Verpflichtung zur effektiven und gesicherten
Berichterstattung über Verstöße in allen Mitgliedstaaten
erfordert.
Wenn wir die Reform der GFP für diese Zielsetzungen
nutzen würden, Herr Kommissar, könnten wir der
Aktion der Europäischen Union größere Transparenz
und Effizienz verleihen.
3-337
Fischler, Kommission. – Herr Präsident, meine sehr
geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Beide in der
jetzigen Debatte gemeinsam zu behandelnden Berichte
befassen sich mit der Umsetzung der Gemeinsamen
Fischereipolitik. Ich begrüße es sehr, dass Sie, Herr
Busk, und der Ausschuss für Fischerei den Bericht der
Kommission über die Überwachung der Umsetzung der
Gemeinsamen Fischereipolitik unterstützen.
119
Wir sind uns darüber einig, dass Kontrollen und die
Durchsetzung der Rechtsvorschriften Schlüsselthemen in
der
Gemeinsamen
Fischereipolitik
sind.
Die
Verbesserungen der Mitgliedstaaten bei der Kontrolle
und Durchsetzung sind jedoch bislang nur ein
Flickenteppich geblieben. Die Fischer fühlen sich daher
zu Recht unterschiedlich behandelt. Es gibt in den
Mitgliedstaaten ungleiche Wettbewerbsbedingungen und
vollkommen ungleiche Ahndungen von Verstößen.
Wir haben die Debatte im Europäischen Parlament über
diesen Bericht aufmerksam verfolgt. Ihre Empfehlungen
nehme ich zur Kenntnis. Ich werde der Kommission im
zweiten Halbjahr dieses Jahres einen Aktionsplan für
mehr Zusammenarbeit bei Kontrolle und Durchsetzung
sowie über die gemeinsame Fischereiaufsicht vorlegen.
Ziel dieses Aktionsplans wird neben einer wirksameren
Kontrolle und Durchsetzung vor allem eine
einheitlichere
Umsetzung
der
Gemeinsamen
Fischereipolitik sein.
Sie fordern in Ihrem Bericht eine Liste von Sanktionen.
Die Kommission begrüßt das. Die Grundlage dafür sind
die Vorschläge zur Reform der Gemeinsamen
Fischereipolitik. Sobald diese verabschiedet sind,
werden wir dem Europäischen Parlament und dem Rat
auch eine solche Liste vorlegen.
Zum Bericht von Frau Attwooll möchte ich sagen, dass
ich mich ausdrücklich für ihre positive Stellungnahme
zu unserer Mitteilung bedanken möchte. Sie, Frau
Abgeordnete, haben damit klar zum Ausdruck gebracht,
dass das Europäische Parlament und die Kommission bei
der Gleichbehandlung gleichartiger Verstöße und bei der
Forderung nach einheitlichen Sanktionen am gleichen
Strang ziehen.
Ziel unserer Mitteilung war es, transparent zu
vergleichen, wie die Vorschriften der Gemeinsamen
Fischereipolitik befolgt und im Falle einer Übertretung
auch geahndet werden. Die Übertretungen betreffen zum
Beispiel die Nichtbeachtung der Vorschriften für
Lizenzen, erlaubtes Fanggerät oder die Frage der
Anlandungen und Kontrollen. Wir hatten bei der
Ausarbeitung unserer ersten Mitteilung folgende
grundlegende Probleme: Erstens haben die meisten
Mitgliedstaaten die Angaben viel zu spät und nicht im
vorgeschriebenen Format übermittelt, was eine
computergestützte Verarbeitung ermöglichen sollte, die
durch dieses Versäumnis erschwert wurde.
Zweitens hat es ein Mitgliedstaat, nämlich Frankreich,
bevorzugt, zunächst einmal überhaupt keine Angaben zu
machen. Drittens haben einige Mitgliedstaaten
Informationen nur lückenhaft übermittelt.
Nun kann ich sagen, dass in der Zwischenzeit alle
Mitgliedstaaten den Anforderungen der Verordnung
2740/99
nachgekommen
sind.
Aber
diese
Vorgehensweise, die zunächst eingeschlagen wurde,
macht natürlich einen Vergleich der Situationen in den
Mitgliedstaaten sehr, sehr schwierig. Aus den
übermittelten Informationen konnten wir aber dennoch
120
folgende Schlüsse ziehen: Erstens, die meisten Verstöße
betreffen das Fischen ohne Fangerlaubnis für eine
bestimmte Zone. Zweitens: In einigen Mitgliedstaaten
wird eine Übertretung strafrechtlich geahndet, in
anderen wiederum nur verwaltungsmäßig. Drittens: Bei
den Strafen gibt es zwischen den Mitgliedstaaten große
Unterschiede. Häufig sind die Strafen überhaupt nicht so
angelegt, dass sie abschreckend wirken.
Wir haben daher im Rahmen der GFP-Reform gezielte
Vorschläge vorgelegt. Wir brauchen einheitliche
Vorschriften zur Durchsetzung der Gemeinsamen
Fischereipolitik. Die Sanktionen müssen wirksam und
auch geeignet sein, dem Verantwortlichen seinen
wirtschaftlichen Gewinn aus der Übertretung zu
entziehen, und wir brauchen Maßnahmen, die die
Wiederholung von schweren Verstößen verhindern.
Auch für die Mitteilung über Verstöße, die im Jahr 2001
aufgedeckt wurden, haben die meisten Mitgliedstaaten
ihre Berichte wiederum nicht rechtzeitig eingereicht.
Deshalb konnte auch die Kommission die Frist der
zweiten Mitteilung, nämlich den 1. Juni 2002, nicht
einhalten. Die Aufforderung, das Parlament künftig bis
zum 15. April darüber in Kenntnis zu setzen, welche
Mitgliedstaaten
ihrer
Berichtspflicht
nicht
nachgekommen sind, greife ich daher gerne auf. Ich
werde das gerne tun, damit in der Öffentlichkeit klar
wird, wer hier säumig ist und wer nicht.
3-338
Der Präsident. - Vielen Dank, Herr Kommissar Franz
Fischler.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt. 10
(Die Sitzung wird um 23.35 Uhr geschlossen.)
10
Tagesordnung für die nächste Sitzung: siehe Protokoll.
03/07/2002
03/07/2002
121
INHALT
SITZUNG AM MITTWOCH, 3. JULI 2002 5
Genehmigung des Protokolls der
vorangegangenen Sitzung ..................... 5
Tätigkeitsprogramm des dänischen
Ratsvorsitzes .......................................... 6
Abstimmungen ..................................... 33
Bekämpfung des Hungers ................... 50
Konsequenzen des Schutzgesetzes für
Bedienstete der Vereinigten Staaten auf
die transatlantischen Beziehungen .... 62
Teilnutzungsrechte an Immobilien...... 73
Fragestunde (Rat) ................................. 78
Maschinen ............................................. 94
Bekämpfung von Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit ........................... 97
Revision der Verordnung (EWG) Nr.
4064/89 des Rates:
Unternehmenszusammenschlüsse... 105
Erhaltung und Bewirtschaftung der
Fischereiressourcen im Südostatlantik
............................................................. 111
Gemeinsame Fischereipolitik ............ 113
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