Aus dem Leben eines Taugenichts

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Joseph von Eichendorff
Aus dem Leben eines Taugenichts
Aus dem Leben eines Taugenichts ist eine Novelle von Eichendorff. Sie wurde 1822/1823
fertiggestellt, aber erst 1826 veröffentlicht. Das Werk gilt als Höhepunkt lyrischmusikalischer Stimmungskunst und wird als beispielhafter Text für das Leben der
Spätromantiker angesehen. Eichendorff verwendet bei diesem Werk, wie bei vielen seiner
Werke, die offene Romanform und streut zahlreiche Gedichte ein.
Thema, Handlungsgerüst
Eines Tages wird der Taugenichts von seinem Vater in die weite Welt geschickt, um etwas zu
lernen. Unterwegs wird er von zwei adeligen Damen nach Wien mitgenommen, auf deren
Schloss er zuerst als Gärtner und dann als Zolleinnehmer eingestellt wird. Es entwickelt sich
dabei ein heimliche Liebe zu der jüngeren Schlossdame, die er "schöne gnädige Gräfin/ Frau"
nennt.
Wegen der Unerreichbarkeit zu ihr setzt der Taugenichts seine Wanderung fort, die ihn nach
Italien führt. Er wird Diener zweier Reiter, die - wie sich später herausstellt- der Maler
Leonhard und dessen Gehilfe Guido sind. Wenig später verlassen sie ihn aber heimlich, und
er fährt allein in der Postkutsche, wie ein "gnädiger Herr", weiter. Die Postkutsche bringt ihn
hierauf in ein Schloss, wo man ihn herrlich verpflegt. Eines Tages bekommt er einen Brief,
der mit "Aurelie" Unterzeichnet ist. In diesem Brief liest er, dass die "Aurelie" ihn auffordert
zu ihr zurückzukehren.
Da er seine "gnädige Gräfin" für den Absender hält, flieht er nachts aus dem Schloss und
gelangt nach Rom. Enttäuscht trifft er aber dort eine ganz andere Frau, und er erfährt nur, dass
seine Angebetene längst wieder in der Heimat sei.
Er beschliesst daher ,dem falschen Italien auf ewig den Rücken zu kehren und wandert noch
zur selbigen Stunde zum Tore hinaus". Gemeinsam mit den Prager Studenten, die er auf
seiner Odyssee kennen lernte, fahren sie die Donau abwärts zum Schloss der schönen Gräfin.
Dort trifft der Taugenichts auf den Maler Leonhard, auf die alte Gräfin und eine junge Dame
namens Flora, die sich damals als Maler Guido verkleidet hatte.
Leonhard -in Wirklichkeit ein benachbarter Graf- hatte Flora aus einer Anstalt entführt,
worauf sie verfolgt wurden, und er versuchte sie auf einen seiner Schlösser zu verstecken,
nahm aber dann davon Abstand, und genau dort spielte der Taugenichts, ohne es zu ahnen,
Floras Rolle. Den Brief, den er damals erhielt, war für Flora bestimmt gewesen.
Am Schluss trifft er seine "gnädige Frau" und es klärt sich alles auf:
Leonhard heiratet Flora, die Tochter der alten Gräfin und die "gnädige Frau" ist aber gar keine
Gräfin; sie entpuppt sich als Pflegetochter der alten Gräfin.
Darbietungsform der Geschichte
Er verwendet als sprachliche Mittel Lieder(z.B. “Wem Gott will rechte Gunst erwiesen.....”
im ersten Kapitel) und eingeschobene Zitate.
Der Prosatext ist in 10 Kapitel aufgeteilt und chronologisch (=nach der Zeit)geordnet.
1. Taugenichts als Gärtnerjunge im Schloss
2. Unglückliche Liebe und Zolleinnehmer auf dem Schloss
3. Aufbruch nach Italien
4. Zusammentreffen mit zwei Malern, die Maler lassen den Taugenichts im Stich
5. Fahrt zum Schloss
6. Eine Nachricht von Aurelia, Flucht aus dem Schloss
7. Die Erlebnisse in Rom
8. Hinweise auf Aurelia und die grosse Enttäuschung
9. Heimreise, Zusammentreffen mit den Prager Studenten
10. Wiedersehen
Erzählperspektive
Das Geschehen wird aus der Ich Perspektive geschildert, d.h. der Erzähler ist ein Teil der
dargestellten Wirklichkeit und erlebt das Geschehen mit.
Dadurch ist der Leser auf die subjektive Schilderung des Erzählers beschränkt, wodurch der
Leser ein besonders tiefes Gefühl der Verbundenheit mit dem erzählenden Ich erfährt.
Außerdem streut Eichendorff einige seiner Gedichte ein, die der Taugenichts in der Novelle
mit seiner Geige vor sich her spielt und dazu singt.
Weiterhin ähnelt die Novelle einem Märchen, was durch die märchenhaft glücklichen
Fügungen, die das Schicksal des Taugenichts bestimmen und die märchenhaften Landschaften
mit ihren Schlössern, Gärten und Wäldern zum Ausdruck kommt.
Metaphern und Symbole (Leitmotive)
Wichtige Themen (und Motive) der romantischen Literatur sind :
•der Zauber und die Geheimnisse der Natur (Nacht, Mond, Wald...)
•die Phantasien und Gefühlstimmungen der Menschen (Liebe, Sehnsucht, Wahnsinn) •die
Gedankenwelt des einfachen Volkes (Volksglauben, Aberglauben)
•Kritik phantasie- und gefühlloser Geschäftigkeit (Spießer)
•Ausstieg oder die Flucht aus dem Alltag (Fernweh, Wanderlust, Traum)
Leitmotive: Schlaf, Sehnsucht, Geige, Kartoffel / Pantoffel, Lilie
Gattung
Novelle und Märchen
Novellen (= novella (ital.) Neuigkeit) sind Erzählungen, welche
1. kürzer sind als ein Roman, keine Nebenhandlungen und nur wenige Hauptfiguren
(=Protagonisten) haben.
2. Die Handlung konzentriert sich auf ein plötzliches, krisenhaftes Ereignis, durch
welches der Lebensweg des Protagonisten eine schicksalshafte Wendung erfährt.
3. Die Struktur der Novelle ist der des Dramas ähnlich:
Exposition - Hinführung zur - Krise - Verzögerung - Lösung/Katastrophe
Märchen:
1.
2.
3.
4.
nicht realitätsbezogen
einfache Sprache
fröhlicher Geselle
glückliches Ende
Charakter und Psychologie der Figuren
Die Personen dieser Novelle lassen sich anhand ihrer Lebenseinstellungen in zwei Gruppen
einteilen.


Zum einen sind Charaktere vorhanden, welche optimistisch in die Zukunft blicken und
demnach auch mutig, naturverbunden und abenteuerlustig leben (die Romantiker).
Zum anderen sind Figuren enthalten, welche als träge, pessimistisch und langweilig
bezeichnet werden können und im Kontrast zur anderen Gruppe stehen, d.h. einen
typischen Spießbürger vertreten. (Philister)
Der Taugenichts
Er lebt völlig entgegen der bürgerlichen Lebensweise, was bedeutet, dass ihm nichts so
verhasst ist, wie ein Leben, das sich ausschließlich an Sicherheit und am eigenen Vorteil
orientiert.
Er lebt nach dem Motto "In die Welt gehen und sein Glück machen".
Glück definiert er als Liebe, Spaß und Freude. Der typisch romantische Mensch wird also
vom Taugenichts repräsentiert.
Die Aurelie
Sie ist die vergötterte des Taugenichts, und über sie erfährt man in der Geschichte nicht
gerade viel. Am Schluss sagt sie jedoch, dass sie eine Waise ist, und der Pförtner ihr Onkel.
Sie selbst ist genau so naiv, wie der Taugenichts. Sie leben nicht auf dieser Welt, sonder in
einem schönen Traum.
Welche Werte und Normen werden thematisiert?
Wir erkennen zwei entgegengesetzte Welten:
"Kalte Welt"
"Weite Welt"
Geschäftigkeit und Hektik:
Gesteigertes Naturerleben:

Väterliche Mühle


Vögel, Brunnen, Bächlein
Freies Wanderleben
Zweckmäßigkeit und Erfolgsdenken:
Müßiggang, Geigenspiel


der Portier
Kartoffeln und Gemüse

"ewiger Sonntag im Gemüte"
Neckische Koketterie:
Blumen, Unkraut
- Bootsfahrt
Tiefe Gefühlsempfindungen
Volkslied und Liebeslied
Zwischen diesen Welten ist der Taugenichts hin- und hergerissen.
Wie ist die Sprache?
1. Es liegt eine Ich-Erzählung vor. Der treuherzige Taugenichts lässt seinen persönlichen
Stimmungen freien Lauf und schämt sich nicht, seine inneren Regungen mitzuteilen.
Folge: Der Leser fühlt sofort mit, wird unmittelbar angesprochen und fühlt mit dem
Taugenichts. Dieser volkstümliche Ton sichert der Erzählung auch ihren zeitlosen
Erfolg.
2. Die Sprache weist auffallend viele schmückende Adjektive und lautmalerische Verben
auf. Durch ein Zuviel an „Schmuck“ verliert sie an konkreter Anschaulichkeit. Der
Stil animiert dazu, die „Leerstellen mit eigener Phantasie zu füllen.
3. Der Satzbau ist zwar von langen Sätzen geprägt, wird aber deswegen nicht etwa
schwerfällig: Die Teilsätze sind leicht und sehr übersichtlich. Die verschiedensten
Gedanken werden praktisch (nebenordnend) miteinander verbunden.
4. Immer wieder werden direkte Redeteile eingeflochten, oftmals auch nur kurze „Ja“
oder „Nein“. Diese Redeteile wirken auflockernd.
5. Zum Erreichen einer raschen Charakterisierung verwendet der Dichter feststehende
Attribute wie „schöne gnädige Frau“ usw.
6. Typisch sind die lyrischen Einlagen, die den epischen Text auflockern, bzw. an den
entscheidenden Stellen verdichten. Die Lieder stehen im Volksliedton und und haben
sich selbständig gemacht.
7. Die Beschreibung der Landschaft ist oft Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung
gewesen. Eichendorff „beschreibt“ die Landschaft nicht eigentlich, er erschliesst sie
durch Bewegung, die auf das Ich eindringen. Den Raum füllt wieder die Phantasie des
Lesers.
8. „Fatale Ereignisse werden mit Humor genommen.
9. Lebenserfahrungen werden oft in Form von Sprichworten notiert.
10. Auch erzählende Passagen sind oft nach musikalischen und rhythmischen (also
lyrischen) Gesichtspunkten gebaut.
Welches Menschen- und Weltbild herrscht vor?
Die Romantik lehnte die Wirklichkeit des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jh. radikal
ab. Sie sah die Gesellschaft geprägt vom Gewinnstreben und vom bloßen Nützlichkeitsdenken
des beginnenden industriellen Zeitalters. Den aufblühenden Naturwissenschaften warfen die
Romantiker vor, sie würden alles mit dem Verstand erklären, alles auf seine Nützlichkeit,
Verwertbarkeit untersuchen und keine Geheimnisse mehr lassen. Der bürgerliche Alltag
erschien den Romantikern als grau, ohne Abwechslung, "prosaisch", beherrscht vom
eintönigen bürgerlichen Berufsleben.
Gegenüber der so gesehenen Wirklichkeit feierte die Romantik die mythische Welt der
Religion, sah daher im Mittelalter die ideale Zeit der Geschichte, da damals die Menschen im
christlichen Glauben geeint gewesen seien. Die Romantik glaubte an die Macht des Ahnens,
Schauens, der Intuition, pries das Reich der Phantasie und des Traums, bis hin zu den dunklen
Bereichen der Seele. Die Romantiker pflegten die abgeschlossene Welt des intakten
Freundeskreises, sie verehrten und sammelten die einfache Kunst des Volkes, da sie am
ursprünglichsten sei, sie begeisterten sich für die Schönheit und Wildheit der Natur.
All diese Gegenwelten fassten die Romantiker unter dem Begriff der "Poesie" zusammen. Sie
sei eine unermessliche, unerschöpfliche Kraft, ständig wachsend ("progressiv"), die den
Urgrund aller Dinge bilde ("universal"). In den frühen Zeiten der Menschheitsgeschichte, der
Zeit des Mythos, und im Mittelalter habe sie die Welt bestimmt, sei dann aber von der
modernen Welt (Reformation, Aufklärung) verdrängt worden und nur noch in der
Volksliteratur, der Natur, in einzelnen Momenten des Lebens (Liebe) und in bestimmten
Personen (v.a. Frauen, Kindern) zu entdecken.
Historische Einordnung des Textes
Taugenichts ist in die Spätromantik einzuordnen.
Der Taugenichts ist in einer für Eichendorff ungewöhnlich glücklichen Zeit entstanden. Er
war 1821 nach Danzig, einer damals beschaulichen, altertümlichen Mittelstadt versetzt
worden. Die romantische Stadt übte auf Eichendorff, der Natureindrücke liebte, eine sehr
starke Anziehungskraft aus. Diese Natureindrücke und die reizvolle und abwechslungsreiche
Ungebung veranlassten ihn auch den Taugenichts, den er 1826 fertig stellte, zu schreiben.
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