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LENTOS Kunstmuseum Linz
Presseunterlage
SLAPSTICK!
Die Kunst der Komik
DVR-Nummer 0002852
28. Februar bis 25. Mai 2014
LENTOS Kunstmuseum Linz, A-4021 Linz, Ernst-Koref-Promenade 1
Tel: +43 (0)732.7070-3600 Fax: +43 (0)732.7070-3604 www.lentos.at
Inhalt
Allgemeine Daten …………………………………………………………………………..
3
Kurzbeschreibung der Ausstellung ..…………………….…………………………….…
4
KünstlerInnenliste
..………………………………………………….……………….……
4
Kunstvermittlungsprogramm ………………………...…………………………………...
5
Saalhefttexte …………………………………………………………………………….….
8
Pressebilder ………………………………………………………………………………..
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Allgemeine Daten
Ausstellungstitel
SLAPSTICK! Die Kunst der Komik
Ausstellungsdauer
28. Februar bis 25. Mai 2014
Eröffnung
Donnerstag, 27. Februar 2014, 19 Uhr
Pressekonferenz
Donnerstag, 27. Februar 2014, 10 Uhr
Ausstellungssort
LENTOS Kunstmuseum Linz, großer Saal, 1. OG
Kuratorin
Uta Ruhkamp, Kunstmuseum Wolfsburg
Projektleitung LENTOS
Stella Rollig und Magnus Hofmüller
Kooperation
Die Ausstellung ist eine Produktion des Kunstmuseum Wolfsburg.
Exponate
Zwölf Stummfilme bzw. Ausschnitte daraus und 20 zeitgenössische
Werke- bzw. Werkgruppen werden in zwölf Kapiteln zueinander in
Beziehung gezeigt.
Saaltexte
Den BesucherInnen steht ein Saalheft in deutscher und englischer
Sprache mit Informationen zu allen Exponaten zur Verfügung.
Texte: Nina Kirsch, Dunja Schneider, Stella Rollig, Uta Ruhkamp
Redaktion: Dunja Schneider
Mobile Guide
Das LENTOS bietet zur Ausstellung wieder ein mobiles Service für
Smartphones und Tablets an (plattform- und geräteunabhängig).
Einfach vor, während oder nach der Ausstellung unter
http://app.lentos.at zu erreichen. Mit Unterstützung von Samsung
Kontakt
Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 Linz, Tel. +43(0)732/7070-3600;
[email protected], www.lentos.at
Öffnungszeiten
Di–So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr, Mo geschlossen
Am 18. April 2014 (Karfreitag) ist das LENTOS geschlossen.
Eintritt
€ 8,-, ermäßigt € 6 / € 4,50
Pressekontakt
Nina Kirsch, Tel. +43(0)732/7070-3603, [email protected]
GesprächspartnerInnen bei der Pressekonferenz:
Bernhard Baier, Vizebürgermeister und Kulturreferent der Stadt Linz
Stella Rollig, Direktorin LENTOS Kunstmuseum Linz
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Kurzbeschreibung der Ausstellung
Tortenschlachten! Prügeleien! Verfolgungsjagden!
Große Turbulenzen, aber auch die kleinen Fallen des Alltags – wie die tückische
Bananenschale – sind zu berühmten Slapstick-Einlagen geworden. Bildende KünstlerInnen
sind den großen Meistern auf den Fersen und machen sich die kulturellen Codes des
Slapsticks zunutze. Sie spielen in unterschiedlichen Medien gezielt mit Slapstick-Zitaten,
Motiven und Konzepten, die dem Genre entlehnt sind.
Die Lust am Scheitern
Die Ausstellung stellt zeitgenössische Kunstwerke in den Kontext der stummen SlapstickFilme aus der Frühzeit der Filmgeschichte. Im Mittelpunkt der Werke steht das Scheitern,
auf ganz unterschiedliche und individuelle Weise, mit Humor und auch mit Würde. Das
zelebrierte Scheitern gewinnt besonderen Charme vor dem Hintergrund der heutigen
Perfektions- und Hochleistungsgesellschaft.
KünstlerInnen
Francis Alÿs
Louis Lumière
John Bock
Gordon Matta-Clark
Charlie Chaplin
Bruce McLean
Clyde Bruckman
Steve McQueen
Carola Dertnig
Bruce Nauman
Marcel Duchamp
Fred C. Newmeyer
Robert Elfgen
Vincent Olinet
Peter Fischli/David Weiss
James Parrott
Rodney Graham
Wilfredo Prieto
Jeppe Hein
Charles Reisner
Buster Keaton
Edward Sedgwick
Szymon Kobylarz
Mack Sennett
Alexej Koschkarow
Timm Ulrichs
Peter Land
John Wood
Paul Harrison
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Kunstvermittlungsprogramm
ÖFFENTLICHE FÜHRUNGEN
Mit KunstvermittlerInnen
Dauer 1 Stunde, € 3 zzgl. Eintritt
Keine Anmeldung erforderlich. Die TeilnehmerInnenzahl ist begrenzt.
Jeden Sonntag, 16 Uhr
Blitzlichtführung
Englisch, Tschechisch, BKS (Bosnisch, Kroatisch, Serbisch)
Dauer 30 Min., € 2 zzgl. Eintritt
Keine Anmeldung erforderlich. Die TeilnehmerInnenzahl ist begrenzt.
Jeden ersten Samstag im Monat, 16 Uhr
Führungen für Gehörlose
Führung mit Gebärdensprachdolmetscherin, Eintritt und Führung für Gehörlose frei
Jeden ersten Samstag im Monat, 16 Uhr
GRUPPENFÜHRUNGEN
gegen Voranmeldung, in deutscher, englischer, tschechischer, bosnisch/serbisch/kroatischer
Sprache, Dauer 1 Stunde, max. 25 TeilnehmerInnen
Erwachsene: € 65 zzgl. Eintritt
Studierende: € 45 zzgl. Eintritt
migrantische Einrichtungen: € 45 Eintritt frei
KINDER & FAMILIE
Los Lentoniños
Ein monatlich wechselndes Programm, speziell für 4- bis 6-jährige Kinder
Dauer 1,5 Stunden, € 4,- pro Kind
Aufgrund der begrenzten TeilnehmerInnenzahl (max. 12 Kinder) steht nur bei
rechtzeitiger Anmeldung ein Platz zur Verfügung.
Sa 8. März und Sa 10. Mai, jeweils von 15–16.30 Uhr
Kleine Ausrutscher: Auf was kann man eigentlich alles ausrutschen? Eine vergnügliche
Rutschpartie erwartet uns heute.
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LENTOS Atelier
Für Kinder zwischen 6 und 13 Jahren
Während der Schulzeit samstags 10–12 Uhr, in den Ferien mittwochs 15–17 Uhr.
Dem experimentellen Teil geht immer ein Gespräch in der Ausstellung voraus.
€ 5,- (für Eintritt, Material & KunstvermittlerIn)
Sa 1. März
Kontrollverlust: Sessel, die zu müde sind zum Stehen und Bänke, auf denen man nicht
sitzen kann? Hoffentlich verliert keiner die Kontrolle beim Entwerfen ganz besonderer
Slapstick-Sessel.
Sa 8. März
Huch, ein Missgeschick: Ist dir schon einmal ein lustiger Lapsus passiert? Wir zeichnen
einen Comic, der von eurem Fehltritt erzählt. Voll peinlich!
Sa 15. März
Tortenschlacht: Liebst du auch fette Torten? Wir amüsieren uns heute mit
selbstgebauten Torten aus Schaumstoff.
Sa 22. März
Kleine Ausrutscher: Auf was kann man eigentlich alles ausrutschen? Eine vergnügliche
Rutschpartie erwartet uns heute.
Sa 29. März
Lachmuskeltraining für Filmprofis: Stummfilme und der Bau eines einfachen optischen
Geräts, das bewegte Bilder erzeugen kann, sind heute unsere Themen.
Sa 5. April
Kettenreaktion: Erst geht es noch ganz langsam, dann immer schneller und am Schluss
fällt alles um: Heute bauen wir uns eine Murmelbahn durchs ganze Donauatelier. Das
wird ein Spaß!
Mi 16. April
Gestatten: Sisyphos: Weißt du, was eine Sisyphos-Arbeit ist? Erfahre mehr und gestalte
ein Daumenkino mit deiner Sisyphos-Geschichte.
Sa 26. April
Pfrrnnggg, Boing, Doing: In Stummfilmen gibt es die lustigsten Töne. Heute erfährst du,
wie du mit ganz einfachen Mitteln selbst Slapstick-Geräusche machen kannst.
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SCHULE & MUSEUM
LehrerInnen-Informationsveranstaltung
Mi 5. März, 16 Uhr
Anmeldung beim Teleservice Center der Stadt Linz T 0732.7070 oder unter PH Online
Seminar Nr. 27F4KMP009
Schule schaut Museum
Mi 5. März, 9–12 Uhr
Ein höchst vergnüglicher Parcours durch die Ausstellung Slapstick! erwartet uns.
Innerhalb von 50 Minuten werden ausgewählte Lachmuskeltrainingsstationen besucht.
Kostenlos! Anmeldung beim Teleservice Center der Stadt Linz T 0732.7070 erforderlich.
SchülerInnenführungen für alle Schulstufen
max. 25 TeilnehmerInnen (empfohlen für 15 TeilnehmerInnen), Dauer 1 Stunde, € 35,-,
Eintritt frei im Klassenverband, gegen Voranmeldung
Workshops
Kleine Ausrutscher
VS/Hort/ASO | Auf was kann man eigentlich alles ausrutschen? Eine vergnügliche
Rutschpartie erwartet uns heute.
Lachmuskeltraining für Filmprofis
Unterstufe | Stummfilme und der Bau eines einfachen optischen Geräts, das bewegte
Bilder erzeugen kann, sind heute unsere Themen.
Kontrollverlust
Oberstufe | Sessel, die zu müde sind zum Stehen und Bänke, auf denen man nicht
sitzen kann? Hoffentlich verliert keiner die Kontrolle beim Entwerfen von ganz
besonderen Slapstick-Sesseln.
ANMELDUNG
Teleservice Center der Stadt Linz unter T 0732.7070
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Saalhefttexte
PROLOG
Die Ausstellung stellt zeitgenössische KünstlerInnen in den Kontext der SlapstickStummfilme aus der Frühzeit der Filmgeschichte. Die Slapstick-Komödie spielt mit
Erwartungsaufbau, kalkulierter Enttäuschung und verzögerter Pointe. Bildende KünstlerInnen
sind den großen Stummfilm-Meistern auf den Fersen, machen sich die kulturellen Codes des
Slapsticks zunutze und spielen mit dessen Zitaten, Motiven und Konzepten.
Eine Motivation dahinter ist es, das etablierte Bild des Künstlers als Helden zu unterwandern.
Der Preis dafür ist, lächerlich zu werden, und als Gewinn lockt die Einsicht in die zutiefst
verletzliche und nicht kalkulierbare menschliche Existenz. Vor dem Hintergrund der heutigen
Perfektions- und Hochleistungsgesellschaft gewinnt das zelebrierte Scheitern besonderen
Charme.
Das Saalheft der Kunstvermittlung gibt Informationen zu allen Werken und Filmen der
Ausstellung und ist nach Ausstellungskapiteln geordnet. Es soll Sie bei Ihrer individuellen
Annäherung an die künstlerischen und filmischen Werke unterstützen.
Louis Lumière (1864–1948)
L’Arroseur Arrosé [Der begossene Begießer]
0:49 Min. | Stummfilm von Louis Lumière, Frankreich, 1895
L’Arroseur Arrosé ist einer der ersten Stummfilme, die 1895 mit einem Cinématographen im
Pariser Grand-Café gezeigt wurde: Ein Gärtner wässert ein Beet, ein Junge steigt auf den
Schlauch, der Wasserstrahl versiegt und startet unerwartet erneut. Der Schelm wird
entdeckt, verfolgt und schließlich endet das Ganze mit einer Tracht Prügel. Wesentliche
Elemente des Slapsticks sind hier schon angelegt: Das Spiel mit der Erwartung des
Publikums, die Verfolgungsjagd und die Prügelei.
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CRASH-BOOM-BANG
Das Ende liegt im Anfang, und doch macht man weiter.
Samuel Beckett
Stan Laurel (1890–1965) & Oliver Hardy (1892–1957)
Helpmates
Dick und Doof - Wir sitzen in der Klemme, Hilfreiche Hände, Fussbodeningenieure, Wenn die
Maus aus dem Haus (diverse deutsche Titel)
Ausschnitt 1:08 Min. | Stummfilm von James Parrott und Hal Roach, USA, 1932
„Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch“, lautet ein bekanntes
Sprichwort, das den Film Helpmates gut zusammenfasst.
Hardy feiert in Abwesenheit seiner Frau eine wilde Party und wacht am Morgen darauf im
Chaos auf. Um die Wohnung bis zur Rückkehr seiner Gattin wieder zeitgerecht auf
Vordermann zu bringen, bittet er seinen Freund Laurel um Hilfe. Natürlich geht beim
Aufräumen alles schief, was nur schief gehen kann. Zum Schluss brennt das Haus sogar
nieder und Hardys Lage ist schlimmer als zu Beginn.
Die Zerstörung des Wohnhauses hat im Slapstick eine lange Tradition. Symbolisch steht das
Wohnhaus für die bürgerliche Ordnung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen besonders
hohen Stellenwert hatte. Darüber zu lachen, wie jemand anders sein Heim verliert, lenkt von
der Angst ab, wie schnell es gehen kann, selbst das Zuhause zu verlieren.
Peter Land
Geb. 1966 in Aarhus, Dänemark, lebt in Kopenhagen, Dänemark
Springtime (Forår), 2010 [Frühling (Forår)]
Ein Haufen Ziegelsteine und ein Arm, der herausgestreckt wird. Mehr ist nicht zu sehen. Wer
hier zugeschüttet wurde und wie das geschehen ist, bleibt offen. Wie sich die Person
hingegen fühlen muss, lässt sich erahnen. In Kombination mit dem Titel, der neben
„Frühling“ auch mit „Neubeginn“ übersetzt werden kann, drückt die Geste jedoch auch etwas
Heroisches aus: „Was? Von so einem Haufen Ziegelsteinen soll ich mich unterkriegen
lassen? Da muss schon mehr kommen“, scheint uns die Situation sagen zu wollen.
Das Scheitern, um danach wieder von vorne zu beginnen, als wäre nichts gewesen, zieht
sich wie ein roter Faden durch Peter Lands Kunst.
Bekannt wurde der Künstler in den 1990er Jahren mit Videos, in denen er sich freiwillig in
Situationen begab, in die niemand geraten möchte: als Entertainer, der immer wieder
betrunken vom Barhocker auf der Bühne fällt, oder als Striptease-Tänzer, der sich ungelenk,
wild tanzend vollständig entblößt.
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Das Lachen über die peinlichen, mitleiderregenden Aktionen, in denen der Künstler seine
Würde und sein Schamgefühl komplett ausblendet, bleibt den BetrachterInnen bald im Hals
stecken: Denn das Gefühl des Fremdschämens hat immer auch mit uns selbst zu tun.
TORTENSCHLACHT
Wieder so ein schöner Schlamassel, in den du mich da gebracht hast.
Stan Laurel
Stan Laurel (1890–1965) & Oliver Hardy (1892–1957)
The Battle of the Century
Die Schlacht des Jahrhunderts, Alles in Schlagsahne (diverse deutsche Titel)
Ausschnitt 2:57 Min. | Stummfilm von Clyde Bruckman, USA, 1927
Zwei Männer, ein Schicksal. In über 100 Filmen traten Laurel und Hardy von den frühen
1920er Jahren bis 1951 zusammen auf. In den meisten scheitert das US-amerikanische
Komiker-Duo an nicht allzu schweren Aufgaben oder Alltagssituationen. Die Rollen der
beiden sind klar verteilt: Hardy glaubt der Klügere und seinem Partner überlegen zu sein, ist
aber der viel größere Pechvogel und muss mehr Schmerzen einstecken. Laurels naives
Gemüt, das Hardy schnell auf die Palme bringt, scheint ihn vor Attacken jeglicher Art zu
schützen. Die Schlacht des Jahrhunderts zählt zu den ersten und berühmtesten Kurzfilmen
des Duos, das im deutschsprachigen Raum auch als Dick und Doof bekannt ist. Weil Laurel
bei einem Boxkampf das heiß ersehnte Preisgeld verliert, schließt Hardy eine
Unfallversicherung auf seinen Partner ab, um so die Finanzen aufzubessern. Als jedoch
nicht Laurel auf der absichtlich fallen gelassenen Bananenschale ausrutscht, sondern ein
Tortenlieferant, entbrennt ein unerbittlicher Kampf, in den bald die ganze Straße involviert ist.
Alexej Koschkarow
Geb. 1972 in Minsk, Belarurs, lebt in New York City
Tortenschlacht, 2003
13 Min.
Wollten Sie nicht auch schon mal jemand eine Cremetorte ins Gesicht schmeißen oder ein
daunengefülltes Kissen um die Ohren hauen?
Dieser Drang nach Polster- oder Tortenschlachten, der uns über die Kindheit hinaus
begleitet, entspricht vielleicht dem Wunsch nach ein bisschen heiterem Chaos in einer
perfekt geregelten Welt. Der Künstler Koschkarow erfüllte sich diesen Kindheitstraum und
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lud dreißig FreundInnen in die Räumlichkeiten des Düsseldorfer Kunstvereins Malkasten.
800 Kilogramm Cremetorte stellte er den unwissenden elegant Gekleideten zur Verfügung
und filmte sie dabei, wie sie sich lustvoll der Schlacht hingaben, bis sie – von Kopf bis Fuß
eingehüllt in Schlagobers – „fast selbst wie lebende Skulpturen“ aussahen. Koschkarow
spielt in vielen seiner subversiven Werke mit Situationen, die keinesfalls erwartet werden.
Vincent Olinet
Geb. 1981 in Lyon, Frankreich, lebt in Brüssel, Belgien und Singapur
Torten, 2007
Üppig, kalorienreich und picksüß wirken diese 20 Torten, die ihre beste Zeit schon hinter sich
zu haben scheinen. Läuft Ihnen beim Anblick dieser Torten das Wasser im Mund
zusammen? Oder schreckt Sie diese farbenfrohe Künstlichkeit eher ab?
Es sind zweierlei Emotionen, die der Künstler in uns wecken will: „Ich möchte glänzende,
farbenfrohe Kunstwerke schaffen, die unsere Träume und Bedürfnisse ansprechen, aber
eigentlich von Ernüchterung oder Vergänglichkeit handeln.“ Vincent Olients Arbeiten
scheinen aus einer Märchenwelt zu kommen, die ohne Happy End auskommen muss.
„Nichts ist nur schwarz oder weiß. Es ist wichtig für mich, beide Seiten der Medaille zu
zeigen“, sagt der Künstler, der als Kind Film-Regisseur und als Jugendlicher Comic-Zeichner
werden wollte, bevor er realisierte, dass sich als Künstler beide Kindheitsträume vereinen
lassen.
BANANENSCHALE
Buster Keaton (1895–1966)
The High Sign [etwa: Geheimzeichen]
Ausschnitt 0:33 Min. | Film von Buster Keaton und Edward F. Cline, USA, 1921
Bevor die Bananenschale zu einem bekannten Slapstick-Requisit wurde, war sie als
„Bedrohung für die Bevölkerung” bekannt. Die Banane war bald nachdem sie in der Mitte des
19. Jahrhunderts in die USA importiert wurde, ein beliebter Snack. So wie anderen Müll, warf
man damals – mangels öffentlicher Abfallkübel – auch die Bananenschale einfach auf die
Straße. Sobald die Schale zu verrotten beginnt, wird sie glitschig und so zur Gefahr. Um
1880 warnte eine Tageszeitung ihre LeserInnen vor Bananenschalen auf dem Gehsteig, da
sich so manche/r schon beim Ausrutschen verletzt hätte.
Der Comedian Billy Watson war um 1900 der erste, der die Bananenschale in seinen Shows
anwendete. Im Film war es Harold Lloyd, der den Gag 1917 erstmals in eine Szene
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einbaute. In The High Sign spielt Keaton mit der mittlerweile bekannten Requisite: Er geht
auf eine Bananenschale zu, und rutscht – entgegen der Erwartung der ZuseherInnen –
NICHT aus. Keaton führt die Menschen vor dem Bildschirm in diesem Fall an der Nase
herum, was diesen wiederum erst recht ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Wilfredo Prieto
Geb. 1978 in Sancti Spíritus, Kuba, lebt in Barcelona, Spanien
Grasa, Jabón y Plátano, 2006 [Fett, Seife und Banane]
Es ist, was es ist. Der kubanische Künstler Wilfredo Prieto nennt seine Kunstwerke meist
nach dem, was konkret zu sehen ist. Er wählt keine philosophischen Titel oder gar die
Bezeichung „Ohne Titel“, bei der die BetrachterInnen ganz sich selbst überlassen sind. In
diesem Fall trägt das Kunstwerk schlicht den Namen Fett, Seife und Banane. Rutscht man
auf diesem Gebilde etwa dreimal so heftig aus, wie auf einem einzelnen der drei
Bestandteile? Auf jeden Fall löst es bei den BetrachterInnen Bilder im Kopf aus. Man stellt
sich unweigerlich vor, was passieren würde, wenn man aus Versehen darauf steigt.
Prietos Arbeiten bestehen meist aus Alltagsgegenständen, die er scheinbar unaufwendig
arrangiert. Zum Beispiel 12 Schachtische, auf denen jedes Mal eine andere Schach-MattPosition zu sehen ist; oder zwei Steine in einer Blutlache. Was die Arbeiten vollendet und sie
zu Kunstwerken macht, sind die BetrachterInnen, in deren Köpfen die Geschichten dazu
entstehen.
KETTENREAKTION
Am schönsten ist das Gleichgewicht, kurz bevor’s zusammenbricht.
Fischli/Weiss
Robert Elfgen
Geb. 1972 in Wesseling, Deutschland, lebt in Köln und Berlin
der rock aber nicht den hut, 2011
Gleich 16 Mal sehen wir fotografische Ganzkörperporträts des Künstlers in schlichten
Schwarz-Weiß-Kopien. Diese wurden hintereinander in eine silbrig-glitzernde AirbrushLandschaft montiert. Als Bricolage, also Bastelei aus Gefundenem, Improvisiertem und
technisch genau Ausgeführtem könnte die Arbeit bezeichnet werden. Rock kann hier als
Frack übersetzt werden, denn der Künstler trägt Anzug. Der im Titel erwähnte Hut aber fehlt.
Dieser sollte immer aufbehalten werden, folgt man einem alten Zimmermannslied, so Elfgen.
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Der ausgebildete Schreiner war Meisterschüler von Rosemarie Trockel. Er beschäftigt sich in
seinen Arbeiten häufig mit dem Verhältnis zwischen Mensch, Umgebung und Gesellschaft.
So gelangte er zur Utopie des hoffnungsvollen Scheiterns. Entsprechend erinnert die Arbeit
nicht von ungefähr an ein Domino-Spiel oder eine Kettenreaktion. Elfgen schätzt wie Jeppe
Hein performative Einlagen des Publikums. 2007 bot er im Wuppertaler Stadtraum
Jugendlichen eine Bühne für Bewegung und Action an. In diesem Sinne: Bühne frei!
Lassen Sie sich fallen!
Charlie Chaplin (1889–1977)
Modern Times
Ausschnitt 2 Min. | Film von Charlie Chaplin, USA, 1936
Charlie Chaplin wurde in Großbritannien geboren und gilt als einflussreichster Komiker des
20. Jahrhunderts. Seine bekannteste Rolle ist der „Tramp“ (Vagabund). Dieser hat die
Manieren eines Gentlemans, ist ausstaffiert mit Melone, zu großen Hosen und Schuhen und
trägt ein Zweifingerbärtchen.
Modern Times gilt als Kinofilm, der mit den Folgen von Industrialisierung und Kapitalismus
hart ins Gericht geht: In dem hier ausgewählten Filmausschnitt arbeitet Chaplin am
Fließband: Der Tramp zieht Schrauben fest und führt diese Bewegung selbst dann weiter,
wenn die Maschine still steht. Oder er hadert mit der zu hohen Geschwindigkeit der
Maschine, hält der Beschleunigung nicht stand und stört dadurch hilflos die geregelten
Arbeitsabläufe bis er ins Räderwerk der Maschine gerät: eine tragisch-komische
Kettenreaktion. Im Verlauf des Films wird er entlassen, kommt ins Gefängnis und entflieht
diesem wieder, verliebt sich in eine Landstreicherin (gespielt von Chaplins damaliger Frau
Paulette Godard), die in einer Bar tanzt und singt, während Chaplin sich dort zunächst als
Kellner und dann als Sänger versucht.
Fischli/Weiss
Geb. 1952, lebt in Zürich / geb. 1946 in Zürich, gest. 2012 ebd.
Der Lauf der Dinge, 1987
31 Min.
Der Lauf der Dinge ist das wohl berühmteste Werk des Schweizer Künstlerduos
Fischli/Weiss und war ein Publikumsliebling auf der documenta 8. Peter Fischli und David
Weiss arbeiteten von 1979 bis 2012 in den unterschiedlichsten Medien zusammen. Typisch
für ihre Arbeiten ist deren schräger Humor. „In dem Werk rollen, fallen oder fließen
Alltagsobjekte zu einer wundersamen Kettenreaktion ineinander“, so beschrieb z. B. HansUlrich Obrist sein Lieblingswerk erst kürzlich in einem Kunstmagazin.
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Gefilmt wurde die Kettenreaktion, bei der ein Bewegungsimpuls den nächsten ergibt, in einer
Lagerhalle. Die Kamera folgt dem Ereignis, die BetrachterInnen fiebern mit: Geht es weiter
oder nicht?
ECKSITUATION
Marcel Duchamp
Geb. 1887 in Blainville-Crevon, Frankreich, gest. 1968 in Neuilly-sur-Seine, Frankreich
Nachbau des Türobjekts aus seinem Atelier in der Rue Larrey 11, (Orig. 1927)
Duchamp lässt eine besondere Tür von einem Tischler nach seinen Anweisungen anfertigen
und stellt damit die Prinzipien der Logik auf den Kopf.
Mit Door, 11 rue Larrey, einer späten Arbeit, führte der Künstler sein Konzept des
Readymade weiter: Zwar handelt es sich um einen alltäglichen Gegenstand, der durch die
Wahl des Künstlers die Würde eines Kunstwerks erlangt. Darüber hinaus wurde der
Gegenstand vom Künstler extra beauftragt. Die Original-Tür befand sich in seinem Studio in
Paris, der Titel verrät Straße und Hausnummer. Es handelt sich dabei um eine Tür, die in
zwei verschiedene Türrahmen passt. Der Spruch des Schriftstellers Alfred de Mussets, dass
„eine Tür entweder geöffnet oder geschlossen sein muss“, gilt hier nicht mehr. Will man
einen Raum schließen ist ein anderer geöffnet und vice versa. 1963 wurde die Tür aus
Duchamps Atelier ausgebaut und als autonomes Kunstwerk ausgestellt.
VERFOLGUNGSJAGD
Buster Keaton (1895–1966)
The High Sign [etwa: Geheimzeichen]
Ausschnitt 1:13 Min. | Film von Buster Keaton und Edward F. Cline, USA, 1921
Keaton, in der Rolle eines Mitarbeiters einer Schießbude, wird von „blutrünstigen Banditen“,
den Blinking Buzzards, als Auftragskiller angeheuert. Zugleich wird er von August
Nicklenurser als Bodyguard engagiert, dummerweise von demselben Mann, den er
erschießen soll. Bald beginnt eine wilde Verfolgungsjagd durch das Haus des Opfers.
Nicklenurser hatte in Erwartung seiner drohenden Ermordung sein Haus entsprechend mit
geheimen Fall- und Drehtüren ausgestattet, um sich im Bedarfsfall vor den Blinking Buzzards
verstecken zu können. Dass Körperkomik auch immer etwas mit bestimmten räumlichen
Situationen zu tun haben kann, wird in der legendären Szene beispielhaft vor Augen geführt.
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KÖRPERKOMIK
Think slow, act fast.
Buster Keaton
Buster Keaton (1895–1966)
The Cameraman
Der Kameramann, Buster der Filmreporter (diverse deutsche Titel)
Ausschnitt 3 Min. | Stummfilm von Edward Sedgwick, USA, 1928
Keaton spielt in The Cameraman den Ferrotypie-Fotografen Luke Shannon. Ferrotypien,
eine günstige Möglichkeit, sich ablichten zu lassen, waren damals auf Jahrmärkten sehr
beliebt. In der Szene kommt Luke gerade mit Sally (gespielt von Marceline Day), in die er
verliebt ist, im öffentlichen Schwimmbad an. Er landet versehentlich mit einem anderen
Mann in einer Kabine, es geht eng zu; mit dem Ergebnis, dass er schließlich mit dem
Badeanzug des anderen aus der Umkleide tritt. Klar, dass dieser Badeanzug nicht passt.
Damit aber der Lächerlichkeit noch nicht genug: Shannon verliert den Badeanzug bei einem
Sprung in den Pool.
Keaton hat seinen Eintritt in das große Filmstudio Metro Goldwyn Mayer, das The
Cameraman produzierte, als größten Fehler seines Lebens bezeichnet. Er spielte aufgrund
seines akrobatischen Geschicks lieber den Clown als einen romantischen
Charakterdarsteller, wie es sich die Hollywood-Industrie von ihm wünschte.
Carola Dertnig
Geb. in Innsbruck, lebt in Wien
Stroller 1, 2008 [Kinderwagen] & byketrouble, 2003 [etwa: Fahrradärger]
3 Min. und 5:50 Min.
In ihrer Video-Slapstickserie True Stories performt die Künstlerin selbst. Gezeigt werden
inszenierte Momente des Scheiterns, zumeist im öffentlichen Raum. Die alltäglichen
Handlungen erzählen von der Tücke des Objekts. Nicht auf komödiantische Weise wie im
Slapstick, sondern eher irritierend. Oft gehen diese auf tatsächliche Erlebnisse der Künstlerin
zurück. Die Situation, die in der Realität vielleicht nur ein kurzer Moment war, wird in Stroller
1 ausführlich geschildert: Eine Frau, die mit ihrem Kinderwagen nicht durch die
Absperrungen einer U-Bahn-Station gelangt. In einem zu engen Aufzug kommt Dertnig in
ihrem Video byketrouble in die Bredouille, besonders als eine andere Person zusteigt. Die
Kamera ist so positioniert, dass die BetrachterInnen (wie auch im Ausschnitt aus The
Cameraman, in dem zwei Männer in einer Umkleidekabine landen) von oben auf die Szene
blicken. Die Begrenztheit des Raums tritt dadurch noch deutlicher hervor.
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Timm Ulrichs
Geb. 1940 in Berlin, Deutschland, lebt in Berlin und Hannover
Der erste sitzende Stuhl (nach langem Stehen sich zur Ruhe setzend), 1970
Ulrichs ist nicht nur Künstler, sondern auch konkreter Poet, oft sind seine Werke visualisierte
Sprachbilder. Dies reicht vom Hautfilm (eine Projektion auf die Haut) bis hin zur concrete
poetry, einem Schriftzug aus Beton (engl. concrete). Anders als bei diesen wortwörtlichen
geht er mit Arbeiten wie der hier ausgestellten noch einen Schritt weiter. Er erzählt eine
ganze Geschichte, von einem Stuhl, der nicht mehr stehen will. Und das, obwohl das Wort
„Stuhl“ doch ursprünglich von „stehen“ kommt, wie der Künstler, dem oft ein
eulenspiegelhafter Humor nachgesagt wird, recherchiert hat. Die hinteren Stuhlbeine sind mit
Scharnieren versehen. Die Beine können daher umklappen, und der Stuhl sitzt, ähnlich wie
andere Vierbeiner. Der Mensch aber steht – das Verhältnis zwischen Mensch und Möbel
wird umgekehrt. Außer der Mensch ist bereit, seine gewohnte Sitzposition aufzugeben.
John Wood & Paul Harrison
Geb. 1969, Hong Kong, China und 1966, England, leben in Bristol
Twenty Six (Drawing and Falling Things), 2001
26:59 Min.
Wood und Harrison arbeiten seit 1993 zusammen. Gemeinsam erkunden sie in ihren 26
(hintereinander geloopten) Videoarbeiten die physischen und psychischen Parameter der
Welt um sich herum. Dabei entstehen kurze, tragisch-komische Theaterstücke, die an
Slapstick erinnern. Vielleicht sind sie eine moderne, britische Version von Estragon und
Wladimir, Figuren aus Samuel Becketts Warten auf Godot?
Die Körper der Mimen interagieren stets mit Requisiten, wie Gießkannen oder einem Boot, in
einfach konstruierten Räumen. Ist es ein Spiel, sind die beiden gerne Crash-Test-Dummies
oder einfach nur Freunde von special effects? Die kurzen Stücke lassen sich genussvoll
betrachten, laden ein zum Schmunzeln – je nachdem ob BetrachterInnen Sympathie für die
beiden aufbringen oder doch eher sadistisch veranlagt sind. Besonders komisch: beide
Performer, egal was passiert, verziehen – wie Buster Keaton – keine Miene.
Bruce McLean
Geb. 1944 in Glasgow, Schottland
Pose Work for Plinths, 1971 [Posieren für Sockel]
Der schottische Maler, Bildhauer und Performancekünstler studierte an der Glasgow School
of Art und an der Saint Martin’s School of Art. Früh entwickelte Mc Lean subversive und
humorvolle künstlerische Strategien, um dem Akademismus an der Kunsthochschule zu
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entfliehen. Zum Beispiel schuf er Müllskulpturen oder versuchte sich, wie in der ausgestellten
Fotoserie zu sehen, selbst als Skulptur im Stil von Henry Moore. Die Arbeit erinnert an die
Körperkomik in Slapstick-Filmen.
Pose Work for Plinths war ursprünglich eine Performance für die Situation Gallery in London
und wurde später für die Aufnahme der Fotoserie nachgestellt.
Bruce Nauman
Geb. 1941 in Fort Wayne, Indiana, lebt in Galisteo, New Mexico, USA
Bouncing in the Corner, No. 1 & No. 2, 1968 & 1969 [In die Ecke, aus der Ecke]
59:35 Min. und 59:58 Min.
1968/69 entstehen die beiden gleichnamigen Videoperformances, in denen Nauman selbst
der Akteur ist. Darin testet der Künstler die Grenzen des Raums, in diesem Fall seines
Ateliers, aus. Während sich die Schauspieler in The Cameraman in einer Rolle befinden,
bleibt Nauman stets er selbst und gibt sich der Lächerlichkeit preis. Im Entstehungsjahr von
Bouncing in the Corner, No. 1 hat der US-amerikanische Künstler seine erste Ausstellung in
Europa und ist außerdem an der documenta 4 beteiligt. Wie schon am Spiel mit den
Kamerapositionen erkennbar ist, erforschte Nauman mit großer Ernsthaftigkeit die
Möglichkeiten des damals noch jungen Kunstmediums. Der Titel verrät bereits die ganze
Handlung, deren Sinnhaftigkeit unter anderem darin besteht, zu zeigen, wie das Medium
Video funktioniert. Eine Besonderheit ist auch der Rhythmus durch das Geräusch, das durch
den Aufprall erzeugt wird und der durch den Videoloop immer wieder wiederholt wird.
TISCHMANIEREN
Er ist, wie alle großen Komiker, ein Philosoph.
Kurt Tucholsky über Charles Chaplin
Charlie Chaplin (1889–1977)
The Gold Rush
Ausschnitt 2:50 Min. | Film von Charlie Chaplin, 1925, USA
Der Tramp kann dem Klondike-Goldrausch nicht widerstehen und zieht nach Alaska, um sein
Glück zu suchen. Vor einem Schneesturm sucht er Schutz in einer Hütte, zu Essen gibt es
nichts. Deshalb kocht der Tramp sich seine Schuhe und verspeist sie mit Genuss – und
schuf so die bekannteste Szene aus Goldrausch. Der Filmschuh war übrigens aus Lakritze.
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John Bock
Geb. 1965 in Gribbohm, Deutschland, lebt in Berlin
Zezziminnegesang, 2006
27:22 Min.
Geht es in Chaplins Stummfilm Goldrausch noch recht manierlich zu, – sieht man einmal
davon ab, was auf den Tisch kommt – sind die Tischsitten in Zezziminnegesang eher
ungewöhnlich. Lässt man sich ein, kann zwischen dem Stummfilm The Gold Rush und
Bocks Zezziminnegesang ein komplexer Dialog entstehen, z. B. über die Art des Essens und
den tieferen Sinn bestimmter Lebensmittel. Bock, der in der Kunstliteratur häufig auch als
postmoderner Keaton oder als chaplinesk beschrieben wird, versuchte in der Performance
u. a. mit einem Löffel, der am Bein eines Fauteuils befestigt worden war, eine Dose Ravioli
zu essen.
SLAPSTICK-ZITAT 1
Das Lachen ist eine universelle Sprache.
Harold Lloyd
Harold Lloyd (1893–1971)
Safety Last!
Ausgerechnet Wolkenkratzer, Sicherheit spielt keine Rolle (diverse deutsche Titel)
Ausschnitt 3 Min. | Stummfilm von Fred C. Newmeyer und Sam Taylor, USA, 1923
Ein Mann baumelt an den Zeigern einer großen Uhr, die am obersten Stockwerk eines
Wolkenkratzers angebracht ist: Eine Szene, die in die Filmgeschichte einging und dem
Darsteller zum großen Durchbruch verhalf. Der Schauspieler Harold Lloyd schuf kurz davor
den sympathischen Rollentypus eines gedemütigten Durchschnitts-Angestellten, der es mit
Hilfe von Gewitztheit, Fitness und unbeugsamem Willen all jenen zeigt, die ihn nicht ernst
nehmen. Die Fassade eines Hochhauses, ein Symbol der aufsteigenden USA, empor zu
klettern, kann symbolisch auch für den Versuch die Karriereleiter zu erklimmen gelesen
werden. Oben angekommen, außer Lebensgefahr, oder – im übertragenen Sinne – an der
Erfolgsspitze angekommen, fällt ihm schließlich auch seine Geliebte um den Hals.
Lloyds Talent zum Klettern wurde mehrmals in seine Filme eingebaut und die meisten Stunts
führte er selbst aus. Als 1919 bei Dreharbeiten für einen Werbespot versehentlich eine
Bombe hochging, verlor der waghalsige Lloyd sogar Finger seiner rechten Hand.
Die Szene wurde immer wieder in anderen Filmen zitiert, darunter in Jackie Chans Project A,
Zurück in die Zukunft, und zuletzt 2011 in Martin Scorseses Hugo.
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Gordon Matta-Clark
Geb. 1943 in New York, USA, gest. 1978 ebd.
Clockshower, 1973 [etwa: Uhrdusche]
13:50 Min.
Gordon Matta-Clark studierte eigentlich Architektur. Obwohl er nie klassisch in diesem
Bereich arbeitete, war das Thema stets zentral für sein künstlerisches Schaffen.
Er wurde bekannt durch seine „building cuts“, für die er Gebäude spaltete oder Teile aus
ihnen herausschnitt. Ebenso wurden Wortspiele zu seinem Markenzeichen. So reimt sich der
Titel Clockshower auf den Clocktower in New York, den Ort des Geschehens dieses Videos.
Darin betreibt der Künstler direkt vor der Riesenuhr in luftiger Höhe Körperpflege und hängt
sich schließlich stark eingeschäumt auf die Zeiger. Mit dieser übertriebenen Bewegung
bezieht sich Matta-Clark einerseits auf Harold Lloyds akrobatische Slapstick-Einlage in dem
Stummfilm Safety Last! In der Auseinandersetzung mit Bewegung, Gewicht und Schwerkraft,
die er mit der befreundeten Choreografin Trisha Brown teilte, lag jedoch auch sein generelles
Interesse, das in seinen architektonischen Arbeiten immer wieder zu finden ist.
SCHLÄGEREI
Buster Keaton (1895–1966)
Steamboat Bill Jr.
Wasser hat Balken, Dampfschiff-Willi Junior, Dampfer Willis Sohn (div. deutsche Titel)
Ausschnitt 1:11 Min. | Stummfilm von Charles Reisner, USA, 1928
Die Schlägerei kann als Ur-Element des Slapstick-Genres gesehen werden. Kommt der
Begriff Slapstick doch von der Narrenpritsche, einem Theaterrequisit, mit dem man
Schlaggeräusche imitieren kann. Aus diesem Utensil entwickelte sich die Bezeichnung für
ein ganzes Genre. Warum es wohl so lustig ist, wenn jemand eine Tracht Prügel bekommt
oder auch aus Versehen einen Schlag einstecken muss? Ist es die Schadenfreude, oder der
Wunsch nach Aggression, die man selbst nicht ausleben kann? Buster Keaton wird in
Steamboat Bill Jr. zu einem Zweikampf gezwungen. Sein Vater, der sich einen „starken“
Sohn wünscht, formt sogar dessen Hand zu einer Faust und schlägt damit zu. Der friedliche
Junior scheint von Gewalt nichts zu halten und wird schließlich – wie eine Marionette – vom
Vater abgeführt. Hier lässt sich ein Bezug zu Keatons Biografie herstellen. Schon als kleiner
Junge trat er mit seinen Eltern in einer Slapstick-Bühnenshow auf. Sein Talent, Stürze
unbeschadet zu überstehen, wurde zur großen Attraktion: Sein Vater schleuderte ihn dabei
zum Vergnügen des Publikums durch den Raum. Dieser Begabung verdankt Keaton, der
eigentlich Joseph Francis getauft wurde, auch den Vornamen Buster – ein Wort, das auch
mit Sturz übersetzt werden kann.
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Szymon Kobylarz
Geb. 1981 in Swietochlowice, lebt in Katowice, Polen
Nose Punch Machine, 2007 [Fressenpolierer]
Trauen Sie sich hier Platz zu nehmen? Aber Vorsicht! Diese Apparatur könnte Ihnen einen
ordentlichen Schlag auf die Nase verpassen. Dreht man an der Kurbel, bewegt sich der
Schlagarm vor und zurück, direkt ins Gesicht der sitzenden Person. Wie praktisch! So kann
man die eigene Faust schonen, wenn man jemandem eine verpassen will.
Zynismus und Spott machen einen wichtigen Teil von Szymon Kobylarz’ Kunst aus – nicht
nur bei dieser Gerätschaft hier. So baute er zum Beispiel auch skurrile Objekte, die der
Selbstverteidigung dienen (könnten) und karikierte dadurch die Zivilschutzkurse, die während
des Kalten Krieges an Schulen unterrichtet wurden.
Inspiriert wurde Kobylarz zur Nose Punch Machine von einer Zeichnung Roland Topors
(1938–1997), einem französischen Künstler und Schriftsteller, der für seine satirischsurrealistischen Grafiken und Texte bekannt wurde.
SISYPHOS
Manchmal führt es zu nichts, wenn man etwas macht, manchmal führt es zu etwas, wenn
man nichts macht.
Francis Alÿs
Billy Bevan (1887–1957)
Super-Hooper-Dyne Lizzies [etwa: Über-Drüber-Muskel Lizzies]
Ausschnitt 2:43 Min. | Stummfilm von Sennett Mack, USA, 1925
Welch ein Missgeschick! Billy Bevan, australischer Stummfilmstar der ersten Stunde, will
eigentlich nur seinen Wagen nach Hause schieben. Dabei bemerkt er nicht, dass er nicht nur
seine eigene „Tin Lizzie“ („Blechliesel“), wie der Ford T im Volksmund hieß, in Bewegung
versetzt, sondern auch viele andere Autos. Was für eine Kettenreaktion! Wie Sisyphos wirkt
der Komödiant, wenn er die lange Wagenkolonne auf einen Hügel wuchtet. Am Ende
entsteht ein entsetzlicher Blechschaden: Die Autos stürzen über einen Abhang. Wie Chaplin,
Keaton und Hardy stand auch schon als Kind auf der Bühne und wurde vom Keystone-Chef
Sennett Mack, dem Vater des Slapstick, entdeckt. In Super-Hooper-Dyne Lizzies spielt er
gemeinsam mit dem schottischen Komiker Andy Clyde. Das Duo Clyde/Bevan wurde durch
rasante und absurde Slapstickkomödien bekannt. Die Einführung des Tonfilms beendete
Bevans Karriere.
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Francis Alÿs
Geb. 1959 in Antwerpen, Belgien, lebt in Mexico City
Paradox of Praxis 1 (Sometimes making something leads to nothing) – Ice, Mexico
D.F., 1997
4:59 Min.
1987 kam Alÿs als Architekt nach Mexiko City. Vier Jahre später gab er die Architektur für
seine frühen künstlerischen Arbeiten, die paseos (spanisch: Spaziergänge), auf. Ein solcher
Spaziergang, bei dem er den Stadtraum durchstreifte, war auch Paradox of Praxis 1. Aber
welcher Art ist diese künstlerische Arbeit, bei der er einen Eisblock vor sich her schiebt, bis
er schmilzt? Eine Bewegung, eine Tätigkeit, die zu nichts führt, wie im Titel angemerkt? Die
Absurdität seiner Performance ist offensichtlich, das Unspektakuläre, Alltägliche und
Clowneske daran berührt.
Die künstlerische Urheberschaft grundsätzlich in Frage zu stellen ist typisch für Alÿs, der mit
dieser Arbeit den Sisyphos-Mythos ebenso heraufbeschwört wie Figuren aus Becketts
Warten auf Godot.
VW Käfer, 2003
3:12 Min.
In Wolfsburg schob Alÿs einen roten VW Käfer durch die Stadt. In der deutschen Autostadt
lief nach dem zweiten Weltkrieg der erste VW Käfer vom Band. Ab 1974 wurde dieser im
mexikanischen Puebla produziert, 2003 die Produktion dort eingestellt. Der Witz daran ist,
dass der VW Käfer, den der Künstler hier durch die Stadt schiebt, nicht aus Wolfsburg
stammt. Alÿs importierte für seine Performance einen der letzten Käfer, der in Mexiko
produziert wurde. Dadurch dreht er den gängigen Wirtschaftsweg schlichtweg um.
Rodney Graham
Geb. 1949 in Matsqui, Kanada, lebt in Vancouver, Kanada
Vexation Island, 1997 [etwa: Frustinsel]
9 Min.
Ganz großes Kino: Für Vexation Island (engl. vexation: Quälerei) engagierte Graham ein
Filmteam aus der Werbebranche. Schnitt und verführerische Farben ziehen in den Bann.
Ein am Kopf verwundeter Mann liegt am Strand. Kostüm und Papagei erinnern an Robinson
Crusoe. Der Protagonist des Films, gespielt vom Künstler selbst, erwacht, steht auf und
schüttelt eine Palme, um sich Nahrung zu beschaffen. Eine Kokosnuss trifft ihn, er fällt um
und liegt erneut im Sand.
Der Bezug zur Slapstick-Komödie ist klar: Das ungeschickte Handeln des Protagonisten
bringt ZuschauerInnen zum Lachen. Wie ein moderner Sisyphos oder ein Zwangsneurotiker
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schüttelt er die Palme immer wieder. Vergeblich. Ein wesentliches Element in Grahams Werk
ist die Wiederholung, die auch das Interesse des Künstlers an der Psychoanalyse Freuds
verrät. Dieser untersuchte die Wiederholung als Symptom der Neurose.
SLAPSTICK-ZITAT 2
Buster Keaton (1895–1966)
Steamboat Bill Jr.
Wasser hat keine Balken, Wasser hat Balken, Stürmische Zeiten, Dampfschiff-Willi Junior,
Dampfer Willis Sohn (diverse deutsche Titel)
Ausschnitt 1:28 Min. | Stummfilm von Charles Reisner, USA, 1928
„Der Mann, der niemals lachte“, wurde Buster Keaton auch genannt. Tatsächlich hatte einer
der erfolgreichsten Stummfilm-Komiker stets einen eher leeren Gesichtsausdruck.
Ein zweites Merkmal, für das Keaton bekannt wurde, sind seine akrobatischen Einlagen.
Einer seiner berühmtesten Stunts, den er in mehreren Filmen zum Besten gab, ist folgender:
Eine Hausfassade kippt um und Keaton bleibt unverletzt, weil er genau in der Aussparung
eines offenen Fensters steht.
In Steamboat Bill Jr. ist es ein Sturm, der das Haus zum Einstürzen bringt. Der Film zählt
heute zu Keatons besten Werken; zu seiner Entstehungszeit war er aber nur mäßig
erfolgreich. Der Grund dafür dürfte in der eher tragischen, statt lustigen Geschichte liegen.
Die Väter von Dampfschiff-Willi Junior (gespielt von Keaton) und seiner Geliebten haben sich
gegen die Beziehung der beiden ausgesprochen und die wiederkehrenden Streitigkeiten
zwischen den Vätern untereinander sowie zwischen Junior und Senior waren eher untypisch
für damalige Slapstick-Filme.
Steve McQueen
Geb. 1969 in London, England, lebt in Amsterdam, Die Niederlande
Deadpan, 1997 [etwa: Pokerface]
4:03 Min.
Der Künstler und Filmemacher beschäftigt sich mit der Bildsprache des historischen Kinos,
insbesondere dem Slapstick-Stummfilm. In Deadpan wird direkt die berühmte HauseinsturzSzene aus dem Film Steamboat Bill Jr. paraphrasiert. Buster Keatons Stuntman-Rolle hat
hier McQueen mit „ausdruckslosem Gesicht“ (engl. „Deadpan“) eingenommen. Die Szene
der umstürzenden Hauswand wird mehrfach wiederholt und aus unterschiedlichen
Kameraeinstellungen gezeigt. Wie viele Filme McQueens hat auch Deadpan eine reduzierte
Bildsprache. Die Inszenierung im Raum und eine wandfüllende Projektion sind wesentlich:
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Sie nimmt BetrachterInnen mit in den Film hinein und macht ihn so physisch erfahrbar.
McQueen machte als Young British Artist Karriere und wurde durch seine frühen Filme
schlagartig berühmt. 1997 nahm er an der documenta X teil, zwei Jahre später erhielt er den
Turner Prize, in der zugehörigen Ausstellung lief Deadpan. 2009 vertrat er Großbritannien
auf der Biennale in Venedig. Seine bekanntesten Spielfilme sind Hunger und Shame. Sein
dritter Kinofilm 12 Years a Slave ist für den Oscar nominiert.
OHNE KAPITELZUORDNUNG
Jeppe Hein
Geb. 1974 in Kopenhagen, Dänemark, lebt in Berlin, Deutschland
Modified Social Bench # Q, # 7, # P, 2005–2008
Sitzmöbel von Jeppe Hein sind in der gesamten Ausstellung verteilt. Diese Möbel-Arbeiten
beziehen BetrachterInnen mit ein, stets sind sie es, die das Potential Heins besonderer
Kunstwerke erst entfalten. Probieren Sie die Bänke aus! Nutzen Sie die Möglichkeit der
slapstickhaften Selbsterfahrung. Lachmuskeltraining garantiert!
Texte: Nina Kirsch, Dunja Schneider, Stella Rollig, Uta Ruhkamp
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Pressebilder
Pressebilder stehen für die Dauer der Ausstellung auch auf www.lentos.at zum Download
bereit. Lizenzfreie Nutzung nur im Rahmen der aktuellen Berichterstattung zur Ausstellung.
1. Safety Last, 1923
Szenenfoto
Regie: Fred C. Newmeyer & Sam Taylor,
Produzent: Hal Roach, USA
© Harold Lloyd Entertainment
2. Peter Land
Springtime (Forår), 2010
Courtesy Galleri Nicolai Wallner
4. Wilfredo Prieto
Grasa, Jabón y Plátano, 2006
Sammlung Jesús Villasante
Courtesy Annet Gelink Gallery,
Amsterdam and NoguerasBlanchard,
Barcelona
5. Alexej Koschkarow
Tortenschlacht, 2003
© Alexej Koschkarow /
Bildrecht, Wien 2014
7. Modern Times, 1936
Szenenfoto
Regie: Charles Chaplin, USA
© Roy Export S.A.S. All rights reserved
8. Jeppe Hein
Modified Social Bench #P, 2008
Courtesy Johann König, Berlin und
303 Gallery, New York
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3. Vincent Olinet
Abricotine Vanilline, 2007
Courtesy Gallery Laurent Godin
6. Szymon Kobylarz
Nose Punch Machine
(Fressenpolierer), 2007
© Marek Kruszewski, Courtesy
ZAK BRANICKA Berlin
9. Francis Alÿs
Paradox of Praxis 1 (Sometimes Making
Something Leads to Nothing), 1997
Dokumentation einer Aktion, Mexico City
Courtesy Francis Alÿs und Galerie Peter
Kilchmann, Zürich
10. Carola Dertnig
Stroller 1, 2008
Courtesy Carola Dertnig
11. Steamboat Bill Jr., 1928
Szenenfoto
Stummfilm von Charles Reisner, USA
12.-16. SLAPSTICK! Die Kunst der Komik
Ausstellungsansicht
LENTOS Kunstmuseum Linz
Foto: maschekS., 2014
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