Grosser Rat Wortprotokoll 68. Sitzung 29. März 2011, 10.00 Uhr (Art

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Grosser Rat
Wortprotokoll
68. Sitzung
29. März 2011, 10.00 Uhr
Vorsitzender:
Patricia Schreiber-Rebmann, Wegenstetten
Protokollführung:
Rahel Ommerli-Peyer, stv. Ratssekretärin
Präsenz:
Anwesend 131 Mitglieder
(Art. 1191-1216)
Abwesend mit Entschuldigung 9 Mitglieder
Entschuldigt abwesend: Martin Bhend, Oftringen; Fredy Böni, Möhlin;
Benjamin Brander, Muri; Jürg Caflisch, Baden; Monika Küng,
Wohlen; Ernst Moser, Würenlos; Kurt Rüegger, Rothrist; Dr. Peter
Schuhmacher, Wettingen; Christian Sprenger, Lenzburg
Behandelte Traktanden
1191 Mitteilungen
Seite
2688
1192 Thomas Lüpold, SVP, Möriken-Wildegg, und Rudolf Lüscher, CVP, Laufenburg; 2688
Rücktritte als Mitglieder des Grossen Rats
1193 Neueingänge
2689
1194 Antrag auf Direktbeschluss Martin Christen, SP, Turgi, vom 29. März 2011 betreffend 2689
sofortige definitive Ausserbetriebnahme der Atomkraftwerke Beznau 1 und 2 sowie
Mühleberg; Einreichung und schriftliche Begründung
1195 Motion der Fraktion der Grünen vom 29. März 2011 betreffend Änderung des 2690
Energiegesetzes, welche die Stromversorgungsunternehmen zur Einführung eines
progressiven Stromtarifs verpflichtet; Einreichung und schriftliche Begründung
1196 Motion der Fraktion der Grünen vom 29. März 2011 betreffend Änderung des 2691
Energiegesetzes zur Verpflichtung der Stromversorgungsunternehmen zur Einführung
eines Standard-Strommix, der zu 100 % aus erneuerbarer Energieproduktion stammt;
Einreichung und schriftliche Begründung
1197 Motion der SP-Fraktion (Sprecher Dieter Egli) vom 29. März 2011 betreffend Rückzug 2692
der Vorlage 10.182 "Energiegesetz des Kantons Aargau" sowie Erarbeitung eines neuen
Energiegesetzes; Einreichung und schriftliche Begründung
1198 Motion der SP-Fraktion (Sprecher Kurt Emmenegger) und der Fraktion der Grünen vom 2692
29. März 2011 betreffend Schaffung eines Gesetzes über eine kantonale
Arbeitslosenhilfe; Einreichung und schriftliche Begründung
1199 Motion Gregor Biffiger, SVP, Berikon, vom 29. März 2011 betreffend Schaffung von 2693
rechtlichen Grundlagen für die Einführung regionaler Kleinklassen; Einreichung und
schriftliche Begründung
1200 Motion Christoph Riner, SVP, Zeihen, vom 29. März
Einbürgerungskurse
für
einbürgerungswillige
ausländische
Einreichung und schriftliche Begründung
2011 betreffend 2693
Staatsangehörige;
1201 Motion Christoph Riner, SVP, Zeihen, vom 29. März 2011 betreffend Einbürgerung nur 2694
mit der Niederlassungsbewilligung; Einreichung und schriftliche Begründung
1202 Postulat der SP-Fraktion vom 29. März 2011 betreffend anständige Mindestlöhne; 2694
2686
Einreichung und schriftliche Begründung
1203 Postulat der SP-Fraktion (Sprecher Martin Christen) vom 29. März 2011 betreffend 2695
Bericht über die Verflechtungen des Paul Scherrer Instituts (PSI) mit der Atomindustrie
und dem Kanton Aargau sowie die wissenschaftliche Unabhängigkeit des PSI;
Einreichung und schriftliche Begründung
1204 Postulat René Kunz, SD, Reinach, vom 29. März 2011 betreffend Ausstieg aus der 2696
atomaren Stromproduktion, möglichst ohne Beeinträchtigung von Natur und Landschaft;
Einreichung und schriftliche Begründung
1205 Postulat Dr. Dragan Najman, SD, Baden, vom 29. März 2011 betreffend zentrale 2697
Unterbringung von kriminellen Ausländern, die trotz Landesverweis nicht ausgeschafft
werden können; Einreichung und schriftliche Begründung
1206 Postulat Dr. Jürg Stüssi-Lauterburg, SVP, Windisch (Sprecher), Jörg Hunn, SVP, 2697
Riniken, und Richard Plüss, SVP, Lupfig, vom 29. März 2011 betreffend Glaubwürdigkeit
am Bözberg; Einreichung und schriftliche Begründung
1207 Auftrag der Fraktion der Grünen vom 29. März 2011 betreffend Strommix aus 100 % 2698
erneuerbaren Energien für kantonseigene Liegenschaften und Betriebe; Einreichung und
schriftliche Begründung
1208 Auftrag der Fraktionen der SP (Sprecher Dieter Egli), der Grünen (Sprecher Hansjörg 2698
Wittwer), der GLP (Sprecher Beat Flach) und der EVP (Sprecher Roland Bialek) vom 29.
März 2011 betreffend Erarbeitung eines aargauischen Energieszenarios ohne
Atomenergie; Einreichung und schriftliche Begründung
1209 Interpellation der Fraktion der Grünen vom 29. März 2011 betreffend Lehrpersonen als 2699
Denunziantinnen und Denunzianten; Einreichung und schriftliche Begründung
1210 Interpellation der SP-Fraktion (Sprecher Martin Christen) vom 29. März 2011 betreffend 2700
Einfluss der Atomlobby auf die Aargauer Energiepolitik; Einreichung und schriftliche
Begründung
1211 Interpellation René Kunz, SD, Reinach, vom 14. Dezember 2010 betreffend Einsatz von 2702
Bürgerwehren – sprich zivile und unbewaffnete Ordnungs- und Sicherheitshüter – in
Gemeinden mit hohem Sicherheitsrisiko zur Unterstützung der Kantonspolizei und
Regionalpolizeien; Beantwortung; Erledigung
1212 Kommissionswahlen in ständige Kommissionen; Kenntnisnahme
2705
1213 Stärkung der Volksschule; Verfassung des Kantons Aargau; Änderung; Schulgesetz; 2705
Änderung; 1. Beratung; Fortsetzung der Detailberatung; Gesamtabstimmung
1214 Neuordnung der Pflegefinanzierung; Beteiligung des Kantons an den Restkosten der 2711
Pflegefinanzierung im Jahr 2011; Grosskredit; Beschlussfassung; fakultatives
Referendum; Auftrag an Staatskanzlei
1215 Interpellation Theres Lepori, CVP, Berikon, vom 30. November 2010 betreffend 2717
Spitalplanung 2012 des Kantons Aargau; Beantwortung und Erledigung
1216 Anpassung des Richtplans; Festsetzung des regionalen Deponiestandorts (Erweiterung 2721
“Weid-Banacker”) für unverschmutztes Aushubmaterial in Beinwil (Freiamt) (Kapitel E
3.2, Beschluss 3.5); Beschlussfassung; Eintreten; Abweisung Rückweisungsantrag
2687
Art. 1191-1192
29. März 2011
1191 Mitteilungen
Vorsitzende: Ich begrüsse Sie zur 68. Sitzung der Legislaturperiode 2009-2013.
Vor einer Woche ist uns zur Kenntnis gebracht worden, dass am 11. März der ehemalige Grossrat
und weit über die Aargauer Grenzen hinaus bekannte Schriftsteller Friedrich Walti-Steiner,
Dürrenäsch, verstorben ist. Friedrich Walti gehörte dem Grossen Rat von 1965 bis 1973 an. Er war
Mitglied der SVP-Fraktion. Ich bitte Sie, dem Verstorbenen ein ehrendes Andenken zu bewahren. Wir
haben seiner Familie unser Beileid ausgedrückt.
Eine Mitteilung der Kommission für Justiz: Die Kommission teilt mit, dass sie das Gesuch von Frau
Oberrichterin Sandra Massari um eine Bewilligung für die Nebenbeschäftigung als Ersatzrichterin am
Versicherungsgericht in der Sitzung vom 22. Februar 2011, befristet bis Ende Juni 2011, bewilligt hat.
Heute werden im Grossratsgebäude Fotoaufnahmen für die neue Ausgabe der Broschüre "Blickpunkt
Aargau" gemacht.
Die Traktandenliste wird stillschweigend genehmigt.
Regierungsrätliche Vernehmlassung an Bundesbehörden
1. Vernehmlassung vom 23. März 2011 an das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten,
Bern, zum Bericht des Bundesrats über die revidierte Europäische Sozialcharta
Die Staatskanzlei stellt auf Verlangen die Vernehmlassungen samt den Unterlagen des Bundes zur
Verfügung. Die Vernehmlassungen können auch im Internet (www.ag.ch) abgerufen werden.
1192 Thomas Lüpold, SVP, Möriken-Wildegg, und Rudolf Lüscher, CVP, Laufenburg; Rücktritte
als Mitglieder des Grossen Rats
Wir haben zwei Rücktritte aus dem Grossen Rat zu verzeichnen: Nach 7-jähriger Zugehörigkeit hat
Ruedi Lüscher, Laufenburg, seinen Rücktritt auf das Ende des Amtsjahres 2010/11 beschlossen.
Während 7 Jahren hat Ruedi Lüscher als Mitglied bei der Kommission für Umwelt und Gewässer und
der Kommission für Allgemeine Verwaltung mitgearbeitet. Als stellvertretendes Mitglied war er in den
Kommissionen Allgemeine Verwaltung, öffentliche Sicherheit und der Geschäftsprüfungskommission
tätig. Ruedi Lüscher hat in seinem Rücktrittsschreiben auf sein vielseitiges Engagement einerseits im
Hauptberuf und andererseits als Stadtammann von Laufenburg hingewiesen. Wir danken Ruedi
Lüscher für seine Mitarbeit und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.
Der zweite Rücktritt betrifft Thomas Lüpold, Möriken-Wildegg. Er hat seinen Rücktritt mit seinem
Geburtstag zusammengelegt und verlässt uns nach 18-jähriger Grossratszugehörigkeit. Lieber
Thomas Lüpold, zu Ihrem Geburtstag gratuliere ich Ihnen herzlich und wünsche für die kommende
grossratsfreie Zeit alles Gute. Den Landschaftsführer des Juraparks habe ich Ihnen bereits übergeben
und hoffe, dass Sie ihre freie Zeit im Jurapark verbringen können.
Ich lese Ihnen nun das Rücktrittsschreiben von Thomas Lüpold vor. Wie wir es gewohnt sind, ist es
witzig und spontan geschrieben: "Am 7. März 1993, also vor über 18 Jahren, haben mich die
Stimmbürger des Bezirks Lenzburg erstmals in den Grossen Rat delegiert. Obwohl ich nichts von
Quotenregelung halte, sei mir ein Hinweis zu diesem Wahltag erlaubt. Der 7. März 1993 war ein
geschichtsträchtiger Wahltag, an dem das Parlament total umgekrempelt wurde. Nicht etwa aufgrund
der Parteistärken, sondern aus Sicht der Geschlechter. Wurden doch an diesem Tag 63 Frauen in das
Aargauer Parlament gewählt, was den Frauenanteil schlagartig von 18,5 auf 31,5 Prozent erhöhte. Im
für damalige Verhältnisse jugendlichen Alter von 31 Jahren gehörte ich zu den ""Jungspunden"",
waren doch nur zwei Mitglieder des Parlaments jünger als ich, eines davon unter 30. Trotz oder
vielleicht wegen des jugendlichen Alters standen mir damals die Türen offen und ich wurde von
Anfang an akzeptiert und respektiert. Übrigens war es eine Zeit, als es noch keine E-Mails gab und
nur wenige Leute über ein Fax verfügten. Es war eine Zeit, in der nur geschrieben wurde, was wirklich
nötig war. Es war aber auch eine Zeit, in der man aufgrund der Zustellungsfristen mit der Post
wesentlich weiter vorausschauen und planen musste. Als Kommissionspräsident war das Telefon,
nicht das Handy, das gab es nur sehr selten, das wohl wichtigste Führungsinstrument. Die folgenden
18 Jahre waren immer wieder geprägt von neuen Herausforderungen, immer mehr Termindruck und
manchmal auch etwas Resignation. Trotzdem, die positiven Erinnerungen überwiegen bei Weitem, sei
es die Kommissionsarbeit, die Präsidien, welche ich innehaben durfte, die unzähligen Begegnungen
2688
mit Regierungsrat
und Verwaltung oder ganz einfach die menschlichen Kontakte im Rat. Es war alles sehr bereichernd
für mich.
Eine besondere und einmalige Erfahrung war aber sicher das Amtsjahr 2004/2005, indem ich den
Grossen Rat mit damals noch 200 Mitgliedern präsidieren durfte. Obwohl ich immer glaubte, den
Kanton Aargau zu kennen, hat mir dieses Jahr besondere Einblicke in die Regionen unseres Kantons
und viele gesellschaftliche Kontakte ermöglicht. Kurzum, es war ein Jahr, das ich nicht missen
möchte. In jungen Jahren sagte ich jeweils: Mit der Politik ist es wie mit den Hunden: vier Jahre ein
junger Hund, vier Jahre ein guter Hund, vier Jahre ein alter Hund und vier Jahre Gnadenfrist. Nun,
meine persönliche Gnadenfrist ist vor zwei Jahren abgelaufen und damit ist es höchste Zeit für mich
zu gehen. Vielleicht fragen Sie sich, weshalb ausgerechnet jetzt? Den wirklich richtigen Zeitpunkt gibt
es wohl nie und trotzdem soll man den Schritt einmal machen. Die Tatsache, dass meine Nachfolge
von einer jungen Frau wahrgenommen wird, die ich fast von Geburt an kenne, – sie könnte vom Alter
her meine Tochter sein –, machte mir den Entscheid etwas Einfacher. Die zweite Tatsache, dass eine
Blutauffrischung immer gut tut und dass einem Parlament auch Leute angehören sollen, die ihre
ganze Zukunft noch vor sich haben, führte dann zum definitiven Entscheid des Rücktritts in diesem
Amtsjahr. Eine dritte Tatsache führte dann zum definitiven Rücktrittstermin vom 29. März, darf ich
doch an diesem Tag erstmals in den 18 Jahren Ratszugehörigkeit an einem Sitzungstag meinen
Geburtstag feiern. Man merkt es, mein Abschied ist kein Schnellschuss! Einerseits ist er geprägt von
etwas Wehmut, andererseits aber auch von der Freude, für eine Blutauffrischung zu sorgen. Auch
wenn ich nun aus dem Aargauer Parlament austrete, werde ich der Politik in der nächsten Zeit sicher
noch treu bleiben, sei es als Parteipräsident oder vielleicht gelegentlich in einem anderen Amt. Ihnen
allen danke ich für das Vertrauen und die Wertschätzung, die mir immer wieder entgegengebracht
wurden, und wünsche sowohl dem Parlament als auch dem Regierungsrat in Zukunft eine glückliche
Hand, damit der Aargau auch für die nächsten Generationen ein lebenswerter Kanton bleibt, ein
Kanton, in dem man stolz ist, dass man eben hier Zuhause ist. In der Hoffnung, dass ich auch in
Zukunft dem einen oder anderen Ratsmitglied immer wieder über den Weg laufen werde,
verabschiede ich mich mit freundlichen Grüssen Thomas Lüpold"
Thomas Lüpold hat in seinen 18 Jahren Ratszugehörigkeit in verschiedenen Kommissionen
mitgearbeitet und zwar in den ständigen Kommissionen Justiz- und Verkehr. Dann präsidierte er die
Justizkommission. Er war auch Mitglied der Gesundheitskommission, der Kommission für öffentliche
Sicherheit und stellvertretendes Mitglied der Kommission für Allgemeine Verwaltung. Er hat auch in
nicht ständigen Kommissionen gearbeitet: 1995 Teilrevision des Gesetzes über das Feuerwesen,
Gesetz über die Gebäude und Fahrnisversicherung vom 15. Januar 1934, 1996 in der nicht ständigen
Kommission EGAR als Präsident und 2001-2005 am Legislaturprogramm 2001/2005. Speziell
erwähnenswerte Chargen: 1997/98 war er Stimmenzähler, 2003/04 Grossratsvizepräsident und
2004/05 Grossratspräsident.
Ich denke, die beiden austretenden Grossräte haben einen Applaus verdient. Sie haben viel Zeit ihrer
privaten Freizeit für die Politik aufgewendet. Herzlichen Dank.
1193 Neueingänge
1. Gesetz über die Gebäudeversicherung (Gebäudeversicherungsgesetz, GebVG); Änderung;
1. Beratung. Vorlage des Regierungsrats vom 16. März 2011. Geht an die Kommission für
Öffentliche Sicherheit (SIK)
2. Gemeinden Würenlos, Wettingen, Neuenhof und Killwangen; Anpassung des kantonalen Nutzungsplans "Grundwasserschutzareal Tägerhard". Vorlage des Regierungsrats vom 23. März 2011. Geht
an die Kommission für Umwelt, Bau, Verkehr, Energie und Raumordnung (UBV)
1194 Antrag auf Direktbeschluss Martin Christen, SP, Turgi, vom 29. März 2011 betreffend
sofortige definitive Ausserbetriebnahme der Atomkraftwerke Beznau 1 und 2 sowie Mühleberg;
Einreichung und schriftliche Begründung
Von Martin Christen, SP, Turgi, und 12 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgender Antrag
eingereicht:
2689
Art. 1191-1192
29. März 2011
Text:
Der Grosse Rat des Kantons Aargau fordert sein ehemaliges Ratsmitglied Doris Leuthard, CVP,
Merenschwand, die heutige Bundesrätin und Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für
Umwelt, Verkehr und Kommunikation (UVEK) auf, gestützt auf Art. 25 des Kernenergiegesetzes vom
21. März 2003 sofort vorsorglich die Atomkraftwerke Beznau 1 und 2 sowie Mühleberg abzustellen,
die Betriebsbewilligung zu entziehen und die Stilllegung gemäss KEG anzuordnen.
Für das von diesen Massnahmen betroffene Personal ist in Zusammenarbeit mit den
Personalverbänden ein in jeder Beziehung grosszügiger Sozialplan auszuhandeln. Die Kosten für alle
Stilllegungsarbeiten sind von den Betreiberfirmen zu tragen (KEG Art. 27 Abs. 2 lit. f).
Begründung:
Als Folge der AKW-Katastrophe in Japan wird weltweit der Neubau von AKWs sistiert. In Deutschland
sind in der vorletzten Woche 7 Alt-AKWs vorläufig – mit grosser Wahrschein-lichkeit aber endgültig –
vom Netz genommen worden. Auch in der Schweiz ist – ausser im "Atomkanton" Aargau – einiges in
Bewegung geraten:
-
-
Der geplante Bau zweier neuer AKWs wird vermutlich nie realisiert werden.
Die bestehenden AKWs sollen vom ENSI bis übermorgen in Form eines Sicherheits-Checks, der
allerdings nicht EU-Niveau aufweist und dessen Ergebnis laut "Sonntag" vom 27.3.2011 bereits
feststeht, auf ihre Sicherheit überprüft werden.
Die SP, die Grünen, die GLP, die EVP und neuerdings auch die BDP (ohne Aargau) fordern den
Ausstieg aus der Atomenergie.
Zahlreiche bürgerliche nationale resp. ausserkantonale Politikerinnen und Politiker unter-stützen
öffentlich ein Ausstiegsszenario.
73,9 % der Bevölkerung lehnen den Bau neuer AKWs ab. (SonntagsZeitung, 20.3.2011)
77,0 % der Bevölkerung unterstützen einen mittelfristigen Atomausstieg. (SZ, 20.3.2011)
62,4 % der Bevölkerung wollen die Alt-AKWs Mühleberg, Beznau 1 und 2 sofort und definitiv,
mindestens aber vorläufig vom Netz nehmen. (SZ, 20.3.2011)
Unsere Landesregierung hat die Ängste der Schweizer Bevölkerung ernst zu nehmen:
-
-
Die Menschen in unserem Land wollen nie in die Lage geraten, aufgrund einer atomaren
Bedrohungslage verstrahlt oder evakuiert zu werden oder gar die Heimat verlassen und als
Flüchtlinge in ein weniger betroffenes Gebiet der Schweiz umsiedeln oder ins Ausland auswandern
zu müssen.
Sie wollen sicher sein, dass eine atomare Katastrophe ausgeschlossen werden kann.
Sie wollen verhindern, dass Teile unseres Landes jemals wegen radioaktiver Verseu-chung für
Jahrhunderte oder Jahrtausende unbewohnbar werden.
Die drei rund vierzigjährigen Alt-AKWs, die nachgewiesenermassen verschiedene, teilweise
gravierende Sicherheitsmängel aufweisen und die zum jetzigen Zeitpunkt weder genügend
erdbebensicher sind, noch über eine absolut sichere Notstromversorgung verfügen, können vom Netz
genommen werden, ohne dass es zu Versorgungsengpässen kommen sollte. Die Landesregierung,
insbesondere die Vorsteherin des zuständigen Departements, wird deshalb aufgefordert, ihre
Verantwortung gegenüber der verunsicherten Schweizer Bevölkerung wahrzunehmen und als
Sofortmassnahme die ältesten AKWs unverzüglich und definitiv vom Netz nehmen.
1195 Motion der Fraktion der Grünen vom 29. März 2011 betreffend Änderung des
Energiegesetzes, welche die Stromversorgungsunternehmen zur Einführung eines
progressiven Stromtarifs verpflichtet; Einreichung und schriftliche Begründung
Von der Fraktion der Grünen wird folgende Motion eingereicht:
Text:
Vom Regierungsrat wird gefordert, dass er aus Gründen der Energieeffizienz und der
Energieeinsparung die Stromversorgungsunternehmen verpflichtet, progressive Stromtarife
einzuführen.
2690
29. März 2011
Art. 1193-1194
Begründung:
Die herkömmlichen Stromtarifsysteme wirken sich negativ auf einen effizienten und sparsamen
Stromverbrauch aus. Ein hoher Stromkonsum wird heutzutage mit niedrigen Tarifen und einheitlichen
Grundpauschalen gegenüber einem sparsamen und effizienten Verbrauch belohnt. Dies, obschon
Grossverbraucher mit der Auslegung der Infrastruktur (Netz- und Speicherkapazitäten etc.)
überdurchschnittlich zu den Kosten der Elektrizitätsversorgung beitragen.
Mit einem ansteigendem Preis pro kWh verbrauchten Stroms wird ein finanzieller Anreiz geschaffen,
den Stromkonsum niedrig zu halten und dessen fortschreitender Zunahme entgegenzuwirken. Zudem
kann mit der Einführung einer entsprechend progressiven Tarifstruktur der Effekt abgeschwächt
werden, dass mit der Zunahme der verkauften Strommenge in der Regel auch höhere Gewinne für die
Stromversorgungsunternehmen einhergehen.
Erfahrungen in anderen Ländern (Italien, Kalifornien) zeigen auf, dass mit einer progressiven
Tarifstruktur eine signifikante Stromeinsparung erreicht resp. eine Stromverbrauchszunahme
verhindert werden kann. Die Stromversorgungsunternehmen können zudem von progressiven Tarifen
dahingehend profitieren, dass sich die Auslastung des Stromnetzes optimieren lässt.
Bei der Ausgestaltung eines progressiven Tarifsystems sind verschiedene Varianten möglich, bei der
Einspareffekte und Effizienzgewinne zum Tragen kommen. Dies kann durch eine Beseitigung der
Grundpauschalen, eine Einführung einer Progression der Netznutzungspreise und/oder der
Energiepreise erfolgen. Um die Wirtschaftsverträglichkeit progressiver Stromtarife für Industrie und
Gewerbe zu gewährleisten, können bei Nachweis der effizienten Energieverwendung z. B.
sogenannte Effizienzboni (Reduktion der Energierechnung) gewährt werden. Dadurch wird das
Einspar- und Effizienzpotenzial der Wirtschaft berücksichtigt, ohne deren Konkurrenzfähigkeit zu
schmälern.
1196 Motion der Fraktion der Grünen vom 29. März 2011 betreffend Änderung des
Energiegesetzes zur Verpflichtung der Stromversorgungsunternehmen zur Einführung eines
Standard-Strommix, der zu 100 % aus erneuerbarer Energieproduktion stammt; Einreichung
und schriftliche Begründung
Von der Fraktion der Grünen wird folgende Motion eingereicht:
Text:
Vom Regierungsrat wird gefordert, dass er die Stromversorgungsunternehmen verpflichtet, einen
Standard-Strommix anzubieten, der zu 100 % aus erneuerbaren Energien stammt. Dieser Strommix
soll nach einer Informations- und Übergangsphase als Grund-Standard eingeführt und angeboten
werden. Kunden, welche nicht aktiv ein anderes vom Energieversorger angebotenen Produkte
wählen, sollen künftig automatisch Strom aus 100 % erneuerbarer Produktion erhalten.
Begründung:
Strom aus nicht erneuerbaren Quellen ist seit Jahrzehnten umstritten. Sowohl die eine fossile als auch
die atomare Stromerzeugung in der Schweiz sind kaum noch mehrheitsfähig. Trotz dieser Tatsache
bieten im Aargau die Stromversorgungsunternehmen Strom aus erneuerbaren Produktionsformen nur
sehr zurückhaltend an. Wer sich nicht aktiv über die zum Teil sehr unübersichtlichen Tarife zu den
mehr oder weniger nachhaltigen Stromprodukten informiert, wird meist mit einem Strommix bedient,
dessen Anteile weit über dem im Inland produzierten fossilen oder atomaren Produktionsanteilen
liegen (bis über 80 % Stromanteile aus in- und ausländischer Atomenergie).
Viele Stromversorgungsunternehmen, Wirtschaftsvertreter, Energiefachleute und auch die Mehrheit
der Parteien sind mit unterschiedlicher zeitlicher Vorstellung der Ansicht, dass eine sichere und
weitgehend unabhängige Schweizer Stromproduktion künftig aus einem Mix verschiedener
erneuerbarer Energien bestehen wird. Damit den Stromversorgungsunternehmen bei der Förderung
dieser erneuerbarer Energien eine aktivere Rolle zuteil wird, ist es angezeigt, diese im Verkauf und
Marketing erneuerbarer Stromprodukte in die Pflicht zu nehmen. Der steigende Anteil von Privaten
und Unternehmen, welche bereit sind, für einen nachvollziehbaren Aufpreis Strom aus erneuerbarer
Produktion zu beziehen, ist erfreulich. Diese Kunden sollen aber nicht mit zeitraubenden und zum Teil
2691
Art. 1195
29. März 2011
wenig nachvollziehbaren, unübersichtlichen Deklarationen und Preisbildungsinformationen
abgeschreckt werden. Daher sollen künftig alle Stromkunden automatisch einen Standard-Strommix
aus 100 % erneuerbarer Produktion erhalten, mit der Möglichkeit, weiterhin ein anderes, vom
Energieversorger angebotenes Produkt zu wählen
1197 Motion der SP-Fraktion (Sprecher Dieter Egli) vom 29. März 2011 betreffend Rückzug der
Vorlage 10.182 "Energiegesetz des Kantons Aargau" sowie Erarbeitung eines neuen
Energiegesetzes; Einreichung und schriftliche Begründung
Von der SP-Fraktion wird folgende Motion eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird eingeladen, das Geschäft 10.182 „Energiegesetz des Kantons Aargau"
zurückzuziehen, auf der Grundlage eines Energieszenarios ohne Atomenergie ein neues
Energiegesetz auszuarbeiten und baldmöglichst dem Grossen Rat vorzulegen.
Begründung:
Nachdem sich endlich eine Energiezukunft ohne Atomstrom abzuzeichnen beginnt, zeigt sich mit aller
Deutlichkeit, dass das Energiegesetz, wie es aus der ersten Lesung hervorgegangen ist, nicht
geeignet ist, die zukünftigen Energieprobleme unseres Kantons nachhaltig zu lösen. Somit drängt sich
eine grundsätzliche Neubeurteilung der aargauischen Energiepolitik auf. Unter diesen Umständen
bilden der Rückzug der Vorlage 10.182 durch den Regierungsrat und die Erarbeitung eines neuen
Energiegesetzes den besten und schnellsten Weg, um mittelfristig das Ziel einer umwelt- und
menschfreundlichen, ökologischen und sicheren Energieversorgung auf der Basis erneuerbarer
Energien sowie optimaler Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und des sparsamen
Umgangs mit jeder Energieform zu erreichen.
1198 Motion der SP-Fraktion (Sprecher Kurt Emmenegger) und der Fraktion der Grünen vom
29. März 2011 betreffend Schaffung eines Gesetzes über eine kantonale Arbeitslosenhilfe;
Einreichung und schriftliche Begründung
Von den Fraktionen der SP und der Grünen wird folgende Motion eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird eingeladen, ein Gesetz über eine kantonale Arbeitslosenhilfe zu schaffen,
welches insbesondere folgende Massnahmen vorsieht:
a) Schaffung und/oder Finanzierung von Massnahmenplätzen für Personen, die ohne Arbeit
sind, aber voll- oder teilerwerbsfähig und aus- oder weiterbildungsfähig sind. Die Massnahmenplätze müssen zwingend einen Aus- oder Weiterbildungsanteil umfassen.
b) Finanzierung von Präventivmassnahmen für Personen, die ohne entsprechende Umschulung oder Weiterbildung stark gefährdet sind, arbeitslos zu werden (vor allem Geringqualifizierte).
c) Arbeitslosenhilfe in Form von Taggeldern an Arbeitslose, die ihren Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausgeschöpft haben, aber deren Rahmenfrist noch nicht abgelaufen
ist.
Begründung:
Mit dem Inkrafttreten der Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes auf den 1. April 2011
werden gesamtschweizerisch über 15'000 Personen auf einen Schlag ausgesteuert, weil die
Bezugsdauer von Taggeldern verkürzt wird. Im Aargau geht das AWA davon aus, dass auf den 1.
April über 1'000 Personen ausgesteuert werden.
Dazu kommt, dass in den letzten Jahren die Langzeitarbeitslosigkeit (Personen, die seit über einem
Jahr arbeitslos sind) massiv zugenommen hat. Im Aargau waren es im Jahresdurchschnitt 2008 979
Personen und im Jahresdurchschnitt 2010 bereits 2'100 Personen.
2692
29. März 2011
Art. 1196
Mit der Verkürzung der Bezugsdauer von Taggeldern wird diese Entwicklung dazuführen, dass die
Zahl der Ausgesteuerten auch für die Zukunft massiv höher sein wird als heute (plus/minus 175
Personen pro Monat).
Schliesslich gibt es heute schon gesamtschweizerisch über 40'000 Ausgesteuerte und 30'000
Jugendliche, die nie den Einstieg in den Arbeitsmarkt geschafft haben (für den Aargau dürften die entsprechenden Zahlen bei 3'000 bzw. 2'000 liegen). Und die Arbeitslosigkeit wird sich in den nächsten
Monaten bei über 3 % stabilisieren. Es ist zu befürchten, dass die Sockelarbeitslosigkeit, die nach der
letzten Krise bei rund 2 % gelegen ist, nach der jüngsten Krise bei rund 3 % liegen wird.
Neben den Bemühungen auf Bundesebene muss auch der Kanton Aargau mit entsprechenden
Massnahmen aktiv werden und deren Finanzierung sicherstellen, um Jugendliche erstmals und
Ausgesteuerte wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Damit und mit der Ausrichtung von zusätzlichen kantonalen Taggeldern (Basel Stadt hatte im alten
Gesetz betreffend Arbeitslosenhilfe 85 Taggelder (plus auf Antrag unter besonderen Voraussetzungen
60 Taggelder) vorgesehen) würde der Kanton einen wichtigen Beitrag leisten, dass die
Verschlechterungen der Arbeitslosenversicherung und die besorgniserregende Entwicklung der Langund Sockelarbeitslosigkeit neben den direkt Betroffenen nicht allein auf die Sozialhilfe und damit auf
die Gemeinden abgewälzt werden.
Am meisten betroffen von Arbeitslosigkeit sind nach wie vor gering qualifizierte Personen. Mit einer
rechtzeitigen Vermittlung von Basiswissen (z.B. Deutsch und Grundlagen Informatik), einer
Weiterbildung oder Umschulung könnte Arbeitslosigkeit verhindert oder mindestens vermindert
werden.
Diese Qualifizierung ist aber frühzeitig vorzunehmen und nicht erst, wenn die Arbeitslosigkeit schon
eingetreten ist.
Damit solche Präventivmassnahmen rechtzeitig, also vor unmittelbar bevorstehender Arbeitslosigkeit,
z. B. während Kurzarbeitsperioden, ergriffen werden können, stellt der Kanton Aargau die
Finanzierung sicher.
1199 Motion Gregor Biffiger, SVP, Berikon, vom 29. März 2011 betreffend Schaffung von
rechtlichen Grundlagen für die Einführung regionaler Kleinklassen; Einreichung und
schriftliche Begründung
Von Gregor Biffiger, SVP, Berikon, und 28 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende Motion
eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird beauftragt, die notwendigen gesetzlichen Grundlagen für die Einführung von
regionalen Kleinklassen zu schaffen.
Begründung:
Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb Unterricht in Kleinklassen für lernbehinderte Kinder und
Jugendliche, die dem Unterricht in Regelklassen nicht zu folgen vermögen, plötzlich falsch sein soll.
Kinder mit ausgeprägten Schwächen gesondert in Kleinklassen ihren Möglichkeiten gemäss zu
fördern, hat in der Vergangenheit sehr oft gute Resultate gebracht. Überlegungen, ob solche Kinder in
integrativ geführten Klassen besseren Schulerfolg erzielen, bleiben auffälligerweise regelmässig
ausgeklammert. Ebenso erweist sich die Begründung, man wolle schwächere, mit Lern- und anderen
Schwierigkeiten belastete Schüler nicht länger durch den Besuch einer Kleinklasse diskriminieren, als
wenig stichhaltig. Denn bei der praktischen Umsetzung der sog. integrativen Schulung werden
einzelne Schüler oder kleine Gruppen genauso separiert und in anderen Räumen unterrichtet wie
vorher.
Nachdem das Stimmvolk am 17. Mai 2009 die Bildungsreform (Kleeblatt) abgelehnt hatte, wurde mit
Beschluss des Grossen Rates GRB 2009-0357 vom 1. Dezember 2009 im AFP 2011-2014 folgerichtig
das Ziel 310ZI0013 (Verstärkung der Integrationsbemühungen an den Schulen) gelöscht. Die
Gemeinden können demnach frei entscheiden, ob sie integrative Unterrichtsformen einführen oder
weiterhin ein segregatives Schulmodell anwenden wollen. Obwohl viele Schulpflegen in ihrem
Verantwortungsbereich integrativ geführte Schulen eingeführt haben, haben andere Schulbehörden in
ihrem Zuständigkeitsbereich am traditionellen segregativen Schulmodell festgehalten. Damit diese
Wahlfreiheit in Zukunft gerade auch für kleinere Gemeinden – die aus Bestandesgründen keine
2693
Art. 1197-1198
29. März 2011
eigenen Kleinklassen führen können – gewährleistet bleibt, drängt sich die Einführung regionaler
Kleinklassen auf.
1200 Motion Christoph Riner, SVP, Zeihen, vom 29. März 2011 betreffend Einbürgerungskurse
für einbürgerungswillige ausländische Staatsangehörige; Einreichung und schriftliche
Begründung
Von Christoph Riner, SVP, Zeihen, wird folgende Motion eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird anlässlich der Totalrevision des Gesetzes über das Gemeinde- und
Kantonsbürgerrecht eingeladen, die notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, mit dem Ziel,
Einbürgerungskurse
einzuführen
für
ausländische
Staatsangehörige,
die
sich
im
Einbürgerungsverfahren befinden.
Begründung:
Die Teilnahme an den Einbürgerungskursen soll obligatorisch sein für einbürgerungswillige
ausländische Staatsangehörige, welche in der Schweiz nicht mindestens 5 Jahre ununterbrochen eine
Schule besucht haben. Die erfolgreiche Absolvierung des Einbürgerungskurses soll eine der
Voraussetzungen sein, um das Bürgerrecht auf kantonaler Ebene zu erlangen. Inhaltlich soll das
Schwergewicht auf Staatskunde, Rechte und Pflichten sowie Werte und Normen gelegt werden,
ebenso ist mittels mündlichem und schriftlichem Test nachzuweisen, dass man sich in deutscher
Sprache verständigen kann. Die Einbürgerungskurse können von privater oder öffentlicher Stelle
angeboten werden, wobei die Kosten vollumfänglich zulasten der Teilnehmenden gehen sollen. Die
Einbürgerungskurse stellen eine Ergänzung zu den Abklärungen und Gesprächen mit den
Gemeinderäten dar.
Die Einführung von Einbürgerungskursen wird helfen, zukünftige Schweizerinnen und Schweizer auf
Ihre Rechte und Pflichten als Staatsbürgerinnen und Staatsbürger vorzubereiten. Seit Anfang 2010
kennt der Kanton Bern dieses System bereits und es funktioniert gut.
1201 Motion Christoph Riner, SVP, Zeihen, vom 29. März 2011 betreffend Einbürgerung nur mit
der Niederlassungsbewilligung; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Christoph Riner, SVP, Zeihen, wird folgende Motion eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird eingeladen, bei der kommenden Totalrevision des Gesetzes über das
Kantons- und Gemeindebürgerrecht den § 5 Abs. 1 (KBüG) wie folgt zu ergänzen:
Aufnahme in das Kantons- und Gemeindebürgerrecht erhält nur, wer über eine Niederlassungsbewilligung verfügt.
Begründung:
Nach geltendem Recht können im Kanton Aargau Personen eingebürgert werden, welche nie über
eine Niederlassungsbewilligung verfügt haben. Meist haben sie einen Antrag auf Asylstatus gestellt
und das Gesuch ist abgelehnt worden. Danach wurde der Entscheid durch alle Instanzen gezogen,
was eine grosse Zeit in Anspruch nahm und ihnen zu einem faktischen Aufenthaltsstatus
(Aufenthaltsbewilligung F) verhalf. Aufenthaltsstatus F bedeutet vorläufig aufgenommen.
Das Problem liegt darin, dass sich Personen einer Rückführung in ihr Heimatland mittels
Einbürgerung entziehen und dies ist absolut nicht im Sinne der vorläufigen Aufnahme. Es darf nicht
sein, dass mittels Einbürgerungen Asylpolitik betrieben wird.
Die Praxis Einbürgerungen nur noch mittels Niederlassungsbewilligung wird sogar vom Bundesrat
begrüsst sowie von zahlreichen politischen Parteien und Kräften.
2694
29. März 2011
Art. 1199-1200
1202 Postulat der SP-Fraktion vom 29. März 2011 betreffend anständige Mindestlöhne;
Einreichung und schriftliche Begründung
Von der SP-Fraktion wird folgendes Postulat eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat soll in einem Bericht aufzeigen, in welchen Wirtschaftsbranchen im Kanton Aargau
Tieflöhne unter Fr. 22.–/Stunde bezahlt werden.
Der Regierungsrat soll aufzeigen, mit welchen Instrumenten und Massnahmen der Kanton einen
Beitrag leisten kann, dass in Branchen mit Tieflöhnen Verbesserungen gemacht werden, unter
Berücksichtigung der besonders betroffenen Arbeitnehmenden (Berufsein-steigerlnnen, Frauen,
Alleinerziehende usw.)
Der Regierungsrat soll im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens sicherstellen, dass keine
Arbeiten an Firmen vergeben werden, welche unter Fr. 22.–/Stunde bzw. unter Fr. 4'000– (bei 42
h/Woche) bezahlen.
Begründung:
Wer Vollzeit arbeitet, sollte davon anständig leben. Für rund 370'000 Arbeitnehmende in der Schweiz
ist das heute nicht der Fall. Sie verdienen unter Fr. 4'000.–, d. h. weniger als Fr. 22.–/Stunde.
Betroffen von der Problematik Tieflöhne sind vor allem Frauen, nämlich rund 260'000.
Gemäss der letzten Lohnstrukturerhebung (2008, BFS) sind folgende Branchen am meisten betroffen:
Branche
Pers. Dienstleistungen
Gastgewerbe
Detailhandel
Unterhaltung, Kultur, Sport
Dienstleistungen für Unternehmungen
Nahrungsmittelindustrie
Textilgewerbe
Gartenbau
Durchschnitt CH
Anteil Tieflöhne Frauen
45 %
36 %
17 %
13 %
20 %
21 %
27 %
46 %
13 %
Anteil Tieflöhne Total
41 %
32 %
14 %
11 %
12 %
10 %
15 %
30 %
08 %
Im Kanton Aargau dürften über 30'000 Arbeitnehmende von Löhnen unter Fr. 4'000.–betroffen sein.
Steigende Krankenkassenprämien und hohe Mietkosten lasten schwer auf ihrem Familienbudget.
Viele sind trotz Vollerwerbstätigkeit auf Sozialhilfe angewiesen (working poor). Damit werden mit
Steuergeldern Betriebe erhalten, die mit durchschnittlichen Löhnen nicht überlebensfähig sind.
Der Kanton hat eine Verantwortung und auch Möglichkeiten (z.B. über die Submissionen) Tieflöhne
unter Fr. 4'000.– zu bekämpfen
1203 Postulat der SP-Fraktion (Sprecher Martin Christen) vom 29. März 2011 betreffend Bericht
über die Verflechtungen des Paul Scherrer Instituts (PSI) mit der Atomindustrie und dem
Kanton Aargau sowie die wissenschaftliche Unabhängigkeit des PSI; Einreichung und
schriftliche Begründung
Von der SP-Fraktion wird folgendes Postulat eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird eingeladen, in einem von einem unabhängigen, neutralen wissenschaftlichen
Institut erstellten Bericht darzulegen:
2695
Art. 1201-1202
-
-
-
-
29. März 2011
wie das Paul Scherrer Institut (PSI) personell, wirtschaftlich und finanziell mit der Atomindustrie,
dem Bund, dem Kanton Aargau, dem AEW, der Kantonalbank und allenfalls anderen
Staatsanstalten verflochten ist,
welche gegenseitigen Abhängigkeiten bestehen,
ob und auf welche Weise die in der Verfassung verankerte Freiheit von wissenschaftlicher Lehre
und Forschung (§ 14 KV) in jeder Beziehung und uneingeschränkt am PSI gewährleistet ist,
wie gross der Anteil an wissenschaftlichen Forschungsarbeiten und Publikationen war und ist, die
sich kritisch mit der Atomenergie auseinandersetzten resp. -setzen,
ob es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am PSI gibt, die
sich gegen Atomkraftwerke aussprechen und wie gross allenfalls deren Anteil an der
Gesamtbelegschaft ist resp. inwieweit es Mitarbeitenden erlaubt ist, sich innerhalb und ausserhalb
des PSI kritisch gegenüber der Atomenergie zu äussern, ohne mit der Entlassung rechnen zu
müssen,
wie der Regierungsrat das PSI und dessen wissenschaftliche Tätigkeit aus kantonaler Sicht
beurteilt respektive ob und inwieweit der Vorwurf zutrifft, das PSI erarbeite in den Bereichen
"Kernenergie", "Allgemeine Energie" und "Umweltforschung" tendenziöse, der Verbreitung und
Verharmlosung dienende wissenschaftliche Studien und Analysen im Dienste der Atomwirtschaft,
welche Schlüsse der Regierungsrat aus den Ergebnissen dieses Berichts zu ziehen gedenkt.
Begründung
Das PSI gilt als wichtiger "wissenschaftlicher" Bestandteil der Atomindustrie, als Institut, dem mit
seinen Forschungsarbeiten die Aufgabe zusteht, die Weiterverbreitung der "friedlichen Nutzung" der
Atomenergie auf "wissenschaftlicher Basis" zu fördern, zu propagieren und zu unterstützen.
Zahlreiche vom PSI erstellte Auftragsstudien fallen durch ihren die Atomrisiken stark
verharmlosenden, die negativen Seiten der Atomenergie beschönigenden, die Kosten der
Atomenergieproduktion manipulativ berechnenden Charakter auf, was starke Zweifel an der
wissenschaftlichen Seriosität dieser Forschungsarbeiten aufkommen lässt.
Beispiele:
- Die in der Sonntagszeitung vom 20. März 2011 zitierte Studie über die Gefährlichkeit der
verschiedenen Energieträger gelangt aufgrund "wissenschaftlicher" Berechnungen zum Schluss,
die "Kernenergie" sei im Vergleich zu Kohle, Erdgas, Biomasse, Sonnen- und Windenergie
eindeutig die risikoärmste Energieart mit den weitaus wenigsten Todesfällen pro Gigawattjahr –
kein Wunder, wenn das PSI die Anzahl der Todesfälle zwischen 1970 und 2008 bei der
"Kernenergie" mit "31" angibt, während bei den übrigen Energieträgern im gleichen Zeitraum
94'087 Todesopfer errechnet wurden. Zum Vergleich: Aufgrund seriöser Recherchen schätzt
Greenpeace die Zahl der Tschernobyl-Opfer auf mindestens 93'000.
- Die für die Axpo erstellte "Ökobilanz" für Atomstrom weist so gravierende Mängel auf, dass sogar
die Axpo selbst gegenüber der Öffentlichkeit Fehler zugestehen musste.
- Das Potenzial der Wind- und der Sonnenenergie wird vom PSI systematisch wesentlich negativer
beurteilt als dies andere, von der Atomindustrie unabhängigere Forschungsinstitute tun.
- In der Studie Neue Nuklearanlagen: Potenziale und Kosten wird ein Atomstromanteil im Jahr 2050
von bis zu 68 % prognostiziert – mit einem "ambitiösen" Preis von 2,5 bis 3,5 Rp./kWh.
Derartig einseitige Forschungsarbeiten und Publikationen im Dienste der Atomwirtschaft sind eines
seriösen wissenschaftlichen Instituts nicht würdig. Die unabhängige, in der Verfassung garantierte
wissenschaftliche Forschungsfreiheit muss im Zentrum jeder wissenschaftlichen Tätigkeit stehen –
und nicht das von den Auftraggebern gewünschte Resultat.
Es ist deshalb höchste Zeit, die wissenschaftliche Tätigkeit des PSI, dessen Abhängigkeit von der
Atomindustrie sowie dessen Vernetzung mit staatlichen und halbstaatlichen Stellen unter die Lupe zu
nehmen.
1204 Postulat René Kunz, SD, Reinach, vom 29. März 2011 betreffend Ausstieg aus der
atomaren Stromproduktion, möglichst ohne Beeinträchtigung von Natur und Landschaft;
Einreichung und schriftliche Begründung
Von René Kunz, SD, Reinach, wird folgendes Postulat eingereicht:
2696
29. März 2011
Art. 1203
Text:
Der Regierungsrat wird gebeten zu prüfen und gleichzeitig Wege aufzuzeigen, wie der schrittweise
Ausstieg aus der atomaren Stromproduktion möglichst ohne Beeinträchtigungen von Natur und
Landschaft vollzogen werden kann.
Begründung:
Mit der Atomkatastrophe von Fukushima ist endgültig klar geworden, dass die sogenannten
"Restrisiken" von Kernkraftwerken nicht zu verantworten sind und die bestehenden Kernkraftwerke –
vordringlich die unsicheren und höchst umstrittenen Kernkraftwerke Beznau 1 (seit 1969 in Betrieb),
Beznau 2
(seit 1971) und Mühleberg (seit 1972) – möglichst zügig und ersatzlos vom Netz genommen werden
müssen.
Damit wächst jedoch der politische Druck, bisher umstrittene Ausbauten bei der Nutzung der
Wasserkraft auszuführen oder die Schweizer Berglandschaft mit Plantagen von "Windmühlen" zur
Stromgewinnung zu verschandeln. Dabei gäbe es durchaus auch hierzulande weitere Alternativen,
insbesondere die Förderung der dezentralen Stromerzeugung in vielen kleinen und sehr kleinen
Anlagen. Dies betrifft sowohl die Wasser- als auch die Windkraft und insbesondere die Solarenergie.
Hier ist rasches Handeln nötig, damit zwar die Atomgefahr beseitigt wird, hierfür aber Natur (z. B.
bezüglich Restwassermengen) und die Landschaft (z. B. durch zusätzliche grosse Stauanlagen,
Erweiterungen von solchen, Windparks) schweren Schaden nehmen. Selbstverständlich gibt die
Problematik auch Anlass, die Politik des dauernden Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums zu
überdenken, die den Energiebedarf trotz aller Sparbemühungen kontinuierlich in die Höhe treibt.
1205 Postulat Dr. Dragan Najman, SD, Baden, vom 29. März 2011 betreffend zentrale
Unterbringung von kriminellen Ausländern, die trotz Landesverweis nicht ausgeschafft werden
können; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Dr. Dragan Najman, SD, Baden, wird folgendes Postulat eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird aufgefordert, einen Bericht vorzulegen über die Möglichkeit, kriminelle
Ausländer, die ordentlich verurteilt und gegen die ein Landesverweis ausgesprochen worden ist, in
einer zentralen Unterkunft, die möglichst ausserhalb des Siedlungsgebiets gelegen ist,
unterzubringen. Dies bezieht sich auch auf Asylbewerber, nicht anerkannte Flüchtlinge sowie vorläufig
aufgenommene Asylbewerber.
Begründung:
Für einen Rechtsstaat ist es unzumutbar, wenn kriminelle Ausländer mit oder ohne
Aufenthaltsbewilligung, die rechtskräftig verurteilt und gegen die ein Landesverweis ausgesprochen
worden ist, den Behörden und dem Schweizervolk auf der Nase herumtanzen, weil sie nicht
ausgewiesen werden können.
Diese Leute bzw. ihre Schlepper sind nämlich nicht dumm und wissen genau, welche
Staatsangehörigkeit sie bei ihrer (legalen oder illegalen) Ankunft in der Schweiz angeben müssen, um
nicht ausgewiesen werden zu können. Sie geben nämlich eine Nationalität an, von der sie wissen,
dass sie in dieses Land nicht zurück geschafft werden können. Damit nutzen sie die Gutgläubigkeit
unserer Behörden und die beinahe schon "sakrosankte" Humanität der Schweiz schamlos aus. Sie
wissen, dass sie auf diese Weise praktisch bis zum "Sankt Nimmerleinstag" in der Schweiz bleiben
können bzw. bis zu ihrer Einbürgerung, nach welcher sie ohnedies nicht mehr ausgewiesen werden
können.
Sollte eine solche Ausweisung der Menschenrechtskonvention, der Flüchtlingskonvention oder irgend
einer anderen Übereinkunft, welche die Schweiz unterzeichnet hat, widersprechen, müsste die
Schweiz nachträglich einen entsprechenden Vorbehalt eintragen lassen. Falls ein solcher
nachträglicher Vorbehalt nicht möglich wäre, müsste die Schweiz umgehend die Mitgliedschaft in
einer solchen Organisation kündigen. Danach könnte die Schweiz wieder in die betreffende
2697
Art. 1204
29. März 2011
Organisation eintreten mit dem Vorbehalt, dass sie unter den im Text erwähnten Umständen nicht
daran gebunden ist.
Das wäre keine "Weltneuheit". Italien hat bekanntlich die Flüchtlingskonvention seinerzeit auch nur
unter gewissen Vorbehalten unterschrieben. Zu diesen Vorbehalten haben meines Wissens gehört:
Italien war nur bereit, Flüchtlinge aus dem europäischen Raum zu übernehmen. Und als weitere
Bedingung hat Italien ausdrücklich betont, dass nach italienischer Auffassung die Türkei nicht zu
Europa gehört.
Ich bin der Meinung, was die Italiener offenbar ohne weiteres machen konnten, sollte auch der
"kleinen" Schweiz möglich sein.
1206 Postulat Dr. Jürg Stüssi-Lauterburg, SVP, Windisch (Sprecher), Jörg Hunn, SVP, Riniken,
und Richard Plüss, SVP, Lupfig, vom 29. März 2011 betreffend Glaubwürdigkeit am Bözberg;
Einreichung und schriftliche Begründung
Von Dr. Jürg Stüssi-Lauterburg, SVP, Windisch, Jörg Hunn, SVP, Riniken, Richard Plüss, SVP,
Lupfig, und 17 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgendes Postulat eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird höflich eingeladen, vor jeder Verletzung der intakten Erde des Bözbergs durch
Bohrungen seine Vorhaben durch das ENSI prüfen zu lassen.
Begründung:
Nukleare Abfälle sind entstanden und entstehen weiter. Unabhängig von der Zukunft der Kernenergie
wird die Lagerung an die Hand zu nehmen sein. Bekanntlich ist – wenn auch aus seismischen und
geologischen Gründen nicht in erster Priorität – der Bözberg als Standort für ein solches Lager nach
wie vor nicht aus den Überlegungen der zuständigen Stellen ausgeschieden. Gleichzeitig will der
Regierungsrat im Eigeninteresse einer privaten Firma und gegen den Willen von Gemeinden und
Landeigentümern am Bözberg bohren. Die vor diesem Hintergrund und angesichts der Entwicklung
der Diskussion um nukleare Fragen generell entstandene, weit verbreitete Unsicherheit ist gross. Das
Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI geniesst jenen Respekt, der einer von privaten
Geschäftsinteressen unabhängigen Amtsstelle zukommt. Hat der Regierungsrat Recht und sind die
geplanten Bohrungen unbedenklich, so wird das Gutachten dieses Resultat zutage fördern, hat der
Regierungsrat aber nicht recht und werden durch die Bohrungen gefährliche Ansatzpunkte für die
Langfristerosion geschaffen und intakte geologische Verhältnisse gestört, so muss auch dieses
Ergebnis wie jede wissenschaftliche Erkenntnis anerkannt werden. Ein Gutachten des ENSI würde in
beiden Fällen mithelfen, jene Glaubwürdigkeit zu sichern, die am Bözberg – wie auch anderswo – ein
zentrales öffentliches Anliegen ist und bleiben soll.
1207 Auftrag der Fraktion der Grünen vom 29. März 2011 betreffend Strommix aus 100 %
erneuerbaren Energien für kantonseigene Liegenschaften und Betriebe; Einreichung und
schriftliche Begründung
Von der Fraktion der Grünen und 42 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgender Auftrag
eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird verpflichtet anzuordnen, dass ab dem nächsten Rechnungsjahr sämtliche
kantonseigene Liegenschaften und Betriebe nur noch mit einem Strommix aus 100 % erneuerbaren
Energien versorgt werden.
Begründung:
Die Atomkatastrophe von Japan und auch die Unruhen in den nordafrikanischen Staaten zeigen die
schwierigen Verhältnisse der atomaren und fossilen Energieversorgung auf. Die Risiken und Gefahren
der Atomtechnologie sowie die Abhängigkeiten von Energieträgern aus Konfliktgebieten haben im
2698
29. März 2011
Art. 1205-1206
Krisenfall weitreichende Konsequenzen. In zahlreichen Umfragen sehen eine Mehrheit der Schweizer
und auch der Aargauer Bevölkerung sowie Vertreterinnen aus Wirtschaft und Politik im Ausbau der
erneuerbaren Energien (Sonne, Wind, Klein-Wasserkraft, Geothermie) ein enormes Potential um sich
aus den Abhängig-keiten dieser Energieträger zu lösen.
Deshalb ist es wichtig, dass der Kanton Aargau als traditioneller Energiekanton seine
verantwortungsvolle Rolle wahrnimmt und ein Zeichen für neue Energietechniken setzt. Mit dem
Bezug von Strom aus 100 % erneuerbaren Energien, für die kantonseigenen Liegenschaften und
Betriebe, kann der Aargau seine energiepolitische Vorreiterfunktion wahrnehmen. Diese strahlt weit
über die Kantonsgrenzen aus und fördert gezielt die wirtschaftlichen Innovationen im Bereich der
erneuerbaren Energien.
1208 Auftrag der Fraktionen der SP (Sprecher Dieter Egli), der Grünen (Sprecher Hansjörg
Wittwer), der GLP (Sprecher Beat Flach) und der EVP (Sprecher Roland Bialek) vom 29. März
2011 betreffend Erarbeitung eines aargauischen Energieszenarios ohne Atomenergie;
Einreichung und schriftliche Begründung
Von den Fraktionen der SP, der Grünen, der GLP, der EVP, und 42 mitunterzeichnenden
Ratsmitgliedern wird folgender Auftrag eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat erarbeitet auf der Basis eigener oder im Auftrag erstellter Grundlagen sowie der
INFRAS- und TNC-Studie vom 7. Mai 2010 ein aargauisches Energieszenario ohne Atomenergie.
Begründung:
Schon heute zeichnet sich ab, dass die Schweiz und der Aargau mit gosser Wahrscheinlichkeit auf
den Bau neuer Atomkraftwerke verzichten werden, sodass eine Neubeurteilung des gesamten
Energiebereichs dringend notwendig ist.
Die im Auftragstext erwähnte Studie "Stromeffizienz und erneuerbare Energien – wirtschaftliche
Alternativen zu Grosskraftwerken" zeigt auf, dass
-
-
-
der von den Stromunternehmen für das Jahr 2035 prognostizierte zusätzliche Strombedarf von 30
TWh allein mit Effizienzmassnahmen und erneuerbaren Energien abgedeckt werden kann,
Investitionen in Effizienz und Photovoltaik, Windkraft, Biomasse oder Geothermie wirtschaftlicher
sind, eine höhere Wertschöpfung bringen und wesentlich mehr Arbeitsplätze schaffen als die
Energieproduktion durch neue Atomkraftwerke,
mit ökologischer Stromproduktion und Energiesparmassnahmen der kumulierte C02-Ausstoss bis
2035 um über 30 Millionen Tonnen reduziert werden kann, während dieser bei der "Variante AKW"
um rund 36 Millionen Tonnen zunimmt,
das Risikopotenzial im Szenario "Stromeffizienz und erneuerbare Energien" in allen Bereichen –
Finanzen, Politik, Gesundheit, Umwelt – wesentlich geringer ausfällt als mit einem AKWGrosskraftwerke-Modell.
Aufgrund der grossen Wahrscheinlichkeit, dass spätestens ab Mitte der Zwanzigerjahre der Aargau
und die Schweiz über keine Atomkraftwerke mehr verfügen werden, wird der Regierungsrat
aufgefordert, innert nützlicher Frist eine Energiestrategie auszuarbeiten, die aufzeigt, mit welchen
Massnahmen der Stromverbrauch gesenkt, die erneuerbaren Energien gefördert und die
Energieeffizienz gesteigert werden können, sodass die aargauische Energiezukunft auch ohne
Atomkraftwerke gewährleistet ist.
1209 Interpellation der Fraktion der Grünen vom 29. März 2011 betreffend Lehrpersonen als
Denunziantinnen und Denunzianten; Einreichung und schriftliche Begründung
Von der Fraktion der Grünen wird folgende Interpellation eingereicht:
2699
Art. 1207-1208
29. März 2011
Text und Begründung:
Gemäss Medienberichten prüft der Bund, die Schulen zu verpflichten, die kantonalen Migrationsämter
zu informieren, wenn bei ihnen Kinder von Sans-Papiers unterrichtet werden. Das Grundrecht auf
Bildung ist damit in Frage gestellt, denn Eltern ohne Aufenthaltsbewilligung werden ihre Kinder von
der Schule fernhalten, wenn sie ansonsten Sanktionen gegen sich riskieren müssen.
Das Recht auf unentgeltlichen Grundschulunterricht unabhängig von der Aufenthaltsbewilligung
musste während 30 Jahre erkämpft werden. Seit den 90er Jahren wird dieses Recht schweizweit
durchgesetzt. Ein Bruch mit dieser Praxis käme einer politischen Kehrtwende gleich, die im
Widerspruch zur UNO-Kinderrechtskonvention und den Empfehlungen der Konferenz der kantonalen
Erziehungsdirektoren (EDK) steht. Bereits hat die Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen
Alarm geschlagen.
Die Kinder von Personen ohne Rechtsstatus müssen in der Schweiz für die rechtliche Situation ihrer
Eltern büssen. Das ist deshalb besonders unfair, weil die Kinder dafür nicht verantwortlich sind.
Der Regierungsrat wird gebeten folgende Fragen zu beantworten:
1. Wie nimmt der Regierungsrat des Kantons Aargau Stellung zum Vorschlag, die Schulen in die
Erfassung von Sans-Papiers einzubeziehen?
2. Wie schätzt der Regierungsrat die Wirksamkeit des Einbezugs der Schulen in die Erfassung von
Sans-Papiers ein?
3. Sofern der Regierungsrat die vorgeschlagene Massnahme ablehnt: wie gedenkt er dagegen
vorzugehen?
1210 Interpellation der SP-Fraktion (Sprecher Martin Christen) vom 29. März 2011 betreffend
Einfluss der Atomlobby auf die Aargauer Energiepolitik; Einreichung und schriftliche
Begründung
Von der SP-Fraktion wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Die Schweizer Atomlobby ist die mächtigste und einflussreichste nationale wirtschaftliche
Interessengruppe, prägt und beeinflusst sie doch massgeblich die schweizerische und die kantonale
Energiepolitik sowie die öffentliche Meinung in diesem Bereich. Der Kanton Aargau mit seinen drei
Atomkraftwerken und seinen grossen Unternehmungen in der Strombranche1 spielt dabei eine
zentrale Rolle, ebenso wie die Aargauer Bundesparlamentarier/innen2, die mit Ausnahme von SP und
Grünen alle dieser die gesamte schweizerische Energiepolitik dominierenden Lobby angehören.
Eingebunden in diese Gruppierung Mächtiger und Einflussreicher sind auch ein Mitglied des
Regierungsrates, mehrere Grossräte3 (und ev. Grossrätinnen) sowie weitere Personen aus Wirtschaft,
Forschung und Politik.
Dass Wirtschaftskreise versuchen, mit Lobbying die nationale und kantonale Politik zu beeinflussen,
ist bis zu einem gewissen Mass auch nicht zu verurteilen und verfassungs- und gesetzeskonform. Die
Aktivitäten, Strategien, Beeinflussungs- und Druckversuche der engmaschig vernetzten Atomlobby
jedoch sprengen jeden Rahmen, sodass der Begriff "Atomfilz" nicht übertrieben ist:
-
-
In atomfreundliche PR-Kampagnen wurden in den vergangenen Jahren Millionenbeträge
investiert; ebenso war geplant, mit einer beispiellosen Werbekampagne die Schweizer
Stimmberechtigten von der Notwendigkeit neuer Atomkraftwerke zu überzeugen.
Zahlreiche Lobbyorganisationen4, die sich punkto Zielsetzung nicht voneinander unterscheiden,
propagierten und propagieren die Atomenergie erfolgreich in Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Im National- und Ständerat sowie in den meisten kantonalen Parlamenten verfügt die Atomlobby
noch immer über klare Mehrheiten.
Die NAGRA und das ENSI, die eigentlich unabhängige Unternehmen sein sollten, sind Teil der
Atomlobby.
Das im Dienst der nationalen (und internationalen) Atomwirtschaft stehende PSI verleiht seinen
zahlreichen, die Risiken der Atomenergie bewusst und systematisch verharmlosenden "Studien"
2700
29. März 2011
-
Art. 1209
und "Analysen" einen Höchstgrad von Wissenschaftlichkeit, der einer Überprüfung durch ein
unabhängiges und neutrales wissenschaftliches Forschungsinstitut nie standhalten würde.
Die Standortgemeinden der Atomanlagen werden mit grosszügigen "Ausgleichszahlungen"
entschädigt respektive "gekauft".
In diesem Zusammenhang bitte ich den Regierungsrat, die folgenden Fragen zu beantworten:
1.
2.
Wie beurteilt der Regierungsrat allgemein die Einflussnahme der "Atomlobby" auf die
aargauische Energiepolitik?
Inwieweit ist der Regierungsrat, der stets einen atomfreundlichen Kurs vertreten hat und immer
noch vertritt, Teil dieser "Atomlobby"? Inwiefern ist er in der Lage, eine eigenständige, von der
Stromwirtschaft nicht diktierte Energiepolitik zu verfolgen? Bestehen Verbindungen
(beispielsweise Mitgliedschaften) einzelner Chefbeamtinnen und Chefbeamter der kantonalen
Verwaltung zu Kreisen, die der Atomlobby nahe stehen? Welche Aargauer Grossrätinnen und
Grossräte sowie welche Aargauer Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Lokalpolitik sind direkte
Interessenvertreter/innen der Atomlobby oder stehen dieser nahe, z. B. durch eine Mitgliedschaft
in einer ihrer Lobbyorganisationen?
3.
Wie stark ist das atomenergiefreundliche AEW mit der "Atomlobby" vernetzt? Welche
Abhängigkeiten und Beziehungen bestehen zwischen dem AEW-Verwaltungsrat resp. der
Geschäftsleitung und den AKW-Betreiberfirmen resp. der AXPO? Welche Werbestrategie hätte
das AEW im Hinblick auf die AKW-Volksabstimmung 2013 verfolgt? Wie gross wäre das
Werbebudget gewesen? Hat das AEW aargauische Bundesparlamentarier/innen, Grossrätinnen
und Grossräte sowie Lokalpolitiker/innen oder atomenergiefreundliche schweizerische, kantonale
oder lokale Parteien jemals finanziell unterstützt – zum Beispiel bei Wahlen? Wenn ja: Wen? Mit
welchen Beträgen?
4. Welche Strategie verfolgte die AXPO in Bezug auf die bevorstehende Volksabstimmung über den
AKW-Neubau? Welche Summen – inklusive Personalkosten – wären für PR-Massnahmen und
den Abstimmungskampf vorgesehen gewesen? Hat die AXPO jemals nationale, kantonale oder
lokale Politikerinnen und Politiker oder Parteien finanziell unterstützt resp. bestand die Absicht,
dies bei den diesjährigen National- und Ständeratswahlen zu tun? Wenn ja: Wer wurde wann mit
welchen Beträgen entschädigt?
5. Ist dem Regierungsrat bekannt, ob eine der zahlreichen Atomlobby-Organisationen jemals
Aargauer Politikerinnen und Politiker resp. atomenergiefreundliche Parteien finanziell unterstützt
hat? Ist er bereit, diese und die übrigen Fragen seriös abzuklären?
6. Wie beurteilt der Regierungsrat die Tatsache, dass die Atomlobby mit Hilfe einer tendenziösen
Auftragsstudie vor einigen Jahren bewusst das Thema "Stromversorgungslücke" lancierte, um so
den Weg für einen AKW-Neubau zu ebnen? (siehe "Der Bund", 18.3.2011)
7. Wie beurteilt der Regierungsrat die Wahrscheinlichkeitsberechnungen und Sicherheitsstudien der
Atomlobby, die nachweisen sollen, dass sich ein AKW-Unfall mit Kernschmelze in der Schweiz
höchstens einmal in 100'000 Jahren resp. einmal in einer Million Jahren ereignen könnte (ENSI,
siehe NZZ, 24.3.2011)?
8. Wie beurteilt der Regierungsrat die wissenschaftliche Tätigkeit respektive den wissenschaftlichen
Wert der zahlreichen, tendenziösen Auftragsstudien des mit Millionenbeträgen vom Bund
unterstützten PSI im Bereich "Kernenergie", „Allgemeiner Energie" und "Umweltforschung"?
Inwieweit glaubt der Regierungsrat an die Möglichkeit, dass derartige Auftragsstudien und
Sicherheitsanalysen in erster Linie der Förderung der "Kernenergie" und nicht der unabhängigen
wissenschaftlichen Wahrheit dienen und dienten?
9. Wie beurteilt der Regierungsrat die Sicherheitsüberprüfungstätigkeit des ENSI, dessen
personelle und finanzielle Verflechtungen und Abhängigkeiten mit der Strombranche sowie
dessen tatsächliche, immer wieder beteuerte "Unabhängigkeit"?
10. Wie beurteilt der Regierungsrat die von der Atomlobby errechneten Kosten des Atomstroms? Wie
teuer wäre tatsächlich der AKW-Strom bei einer Vollkostenrechnung ohne Quersubventionierung,
bei voller Deckungshaft, inklusive sämtlicher Entsorgungs-, Stilllegungs- und Endlagerkosten
sowie aller durch Uranabbau und Brennelemente-Produktion im Ausland entstandener
Folgekosten (z. B. Gesundheitsschäden durch radioaktive Strahlung)? Trifft es zu, dass bei
Berücksichtigung aller externer Kosten die erneuerbaren Energien auch ohne Subventionierung
durchaus konkurrenzfähig wären? Wie teuer wäre der Natur- und Ökostrom, wenn dieser ebenso
quer-/subventioniert würde wie die Atomenergie?
2701
Art. 1210
29. März 2011
11. Inwieweit könnten – nach einem schweren atomaren Unfall in einem aargauischen AKW mit
Toten, Evakuierten und radioaktiv verseuchten Gebieten im In- und Ausland respektive mit
Schäden, die über die versicherte Haftpflichtsumme von 2 Milliarden Franken hinausgingen – das
ENSI, die AKW-Betreiber, das PSI sowie die Personen und Personengruppen, die der Atomlobby
angehören, kollektiv und persönlich für die entstandenen Schäden haftbar gemacht werden?
12. Wie beurteilt der Regierungsrat die Verfassungsmässigkeit der Machenschaften der Atomlobby?
Ist es nicht bedenklich, dass sich in unserem demokratischen Staatswesen, in unserer sonst
offenen und pluralistischen Schweiz, eine kleine und reiche Machtelite etablieren kann, die auf
fast totalitäre Weise die Energiepolitik des ganzen Staates über Jahrzehnte diktiert und lenkt?
Welche Massnahmen und Möglichkeiten sieht der Regierungsrat, um den Einfluss der Atomlobby
in Zukunft auf ein zuträgliches Mass zu beschränken? Ist der Regierungsrat bereit, sich aus
dieser Atomlobby zu verabschieden und eine aargauische Energiepolitik anzustreben, die den
Menschen und der Umwelt dient und keine atomaren Risiken birgt?
1
2
3
4
Axpo AG, AEW Energie AG, EGL Laufenburg, ALSTOM AG, KKL Leibstadt, Nagra, Zwilag Würenlingen, Verband
Schweiz. Elektrizitätsunternehmen VSE, PSI Villigen, Resun AG, Schweiz.Wasserwirtschaftsverband u.a.
NR E. Egger, CVP, C. Eichenberger, FDP, S. FIückiger-Bäni, SVP, L. Füglistaller, SVP, U. Giezendanner, SVP,
W. GIur, SVP, R. Humbel, CVP Näf, CVP, H. Killer, SVP, P. Müller, FDP, L. Stamm, FDP, M. Zemp, CVP, SR
C. Egerszegi, FDP, M. Reimann, SVP.
RR P. Beyeler, FDP, GR D. Heller, FDP, A. Brunner, CVP, K. Wyss, CVP, K. Wiederkehr, CVP, M. SteinacherEckert, CVP, Bernhard Scholl, FDP, u.ev.a.
Nuklearforum Schweiz, swisselectric, swissnuclear, Verband Schweiz. Elektrizitätsunternehmen VSE, WANO die World Association of Nuclear Operators, WNA - die World Nuclear Association, Schweizerische Gesellschaft
der Kernfachleute SGK, Young Generation der SGK, Frauen in der Atomenergie WIN, European Nuclear Society
ENS, Foratom, Energieforum Schweiz, Schweizerische Gesellschaft für Nuklearmedizin, Aktion für vernünftige
Energiepolitik Schweiz AVES, Frauen für Energie ffe, Forum Medizin und Energie FME, Energieforum
Nordwestschweiz, Arbeitsgruppe Christen+Energie ACE, Verein Kettenreaktion, u.ev.a.
1211 Interpellation René Kunz, SD, Reinach, vom 14. Dezember 2010 betreffend Einsatz von
Bürgerwehren – sprich zivile und unbewaffnete Ordnungs- und Sicherheitshüter – in
Gemeinden mit hohem Sicherheitsrisiko zur Unterstützung der Kantonspolizei und
Regionalpolizeien; Beantwortung; Erledigung
(vgl. Art. 0997)
Antwort des Regierungsrates vom 9. März 2011:
Zur Frage 1: "Verfügt die Kantonspolizei über einen genügenden Personalbestand, um der
zunehmenden Kriminalität Einhalt zu bieten, damit der Bevölkerung das Anrecht auf umfassende
Sicherheit gewährleistet wird? Wenn nein, was gedenkt der Regierungsrat dagegen zu tun?"
Die öffentliche Sicherheit ist ein wichtiges öffentliches Gut. Die Verhinderung, Bekämpfung und
Verfolgung von Straftaten ist eine Kernaufgabe des Staats. Der Regierungsrat stellte im
Entwicklungsleitbild 2009–2018 eine hohe objektive Sicherheit und ein hohes subjektives
Sicherheitsgefühl fest. Umfragen zeigen, dass sich die grosse Mehrheit der Bevölkerung im Aargau
sicher fühlt. Nachdem die in der nationalen Polizeistatistik erfassten Straftaten neu seit 2009 nach
vereinheitlichten und gesamtschweizerisch vergleichbaren Kriterien erhoben werden, lassen sich die
Kennzahlen der letzten Jahre nur bedingt vergleichen. Trotzdem kann festgestellt werden, dass sich
die Anzahl der im Kanton Aargau registrierten Delikte in den letzten Jahren insgesamt kaum verändert
hat, in gewissen Bereichen sogar rückläufig war. So nahmen beispielsweise die Fallzahlen für
Einbruchdiebstähle im Zeitraum von 2005–2009 ab (von 3'384 [2005] auf 2'662 [2009]).
Unter anderem wegen des starken Bevölkerungswachstums der letzten Jahre hat sich die
Polizeidichte im Kanton Aargau verringert. Aufgrund der Volksinitiative "Mehr Sicherheit für alle" wurde
in § 13 Abs. 2 des Gesetzes über die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit (Polizeigesetz, PolG)
festgelegt, dass die Polizeidichte bis 2017 schrittweise auf eine Polizistin oder einen Polizisten pro
700 Einwohnerinnen beziehungsweise Einwohner zu erhöhen ist. Für die Umsetzung dieser Vorgabe
ist es zwingend, den Personalbestand sowohl bei der Kantonspolizei als auch bei den Kommunal- und
Regionalpolizeien deutlich zu erhöhen. Der Regierungsrat hat sich am 27. Januar 2010 dafür
2702
29. März 2011
Art. 1210
ausgesprochen, den Personalaufbau zur Erreichung der gesetzlichen Verhältniszahl im Verhältnis 2/3
Kantonspolizei zu 1/3 Polizeikräfte der Gemeinden umzusetzen. Der Bestand der Kantonspolizei
Aargau wird voraussichtlich von 563 ausgebildeten Polizistinnen und Polizisten (per 2010) bis ins Jahr
2017 auf 638 steigen. Im Rahmen des Aufgaben- und Finanzplans (AFP) 2011–2014 wurden der
Stellenaufbau der Kantonspolizei und die damit verbundenen finanziellen Auswirkungen
berücksichtigt.
Der Regierungsrat wurde im Zusammenhang mit der Einführung der Schweizerischen
Strafprozessordnung vom kantonalen Gesetzgeber beauftragt, für die neu geschaffene
Staatsanwaltschaft, die Jugendanwaltschaft und die Kantonspolizei Vorgaben betreffend
Schwerpunkte der Kriminalitätsbekämpfung festzulegen. Es sollen damit die knappen Ressourcen
nach strategischen sicherheitspolitischen Erfordernissen eingesetzt werden, damit die gute objektive
Sicherheit im Kanton Aargau punktuell noch verbessert wird. Dabei wurden Bereiche ausgewählt, bei
denen Schwachstellen bestehen beziehungsweise Verbesserungspotenzial identifiziert werden kann
(vgl. dazu auch Antwort zur Frage 6). Schwerpunkt 3 der Strafverfolgung hat zum Ziel, durch
verstärkte präventive und repressive Massnahmen der Polizeikräfte mittelfristig die Anzahl der im
Kanton Aargau verübten Einbruchdiebstähle weiter zu senken und die Quote der aufgeklärten
Einbruchdiebstähle gleichzeitig zu erhöhen.
Zur Frage 2: "Wie sieht es beim Personalbestand der Regionalpolizeien aus, die bekanntlich für die
Sicherheit der Bevölkerung in ihren Regionen sorgen? Wie bewertet der Regierungsrat die Zusammenarbeit zwischen der Kantonspolizei und den Regionalpolizeien, wenn es um die Bekämpfung der
Kriminalität und die Sicherheit der Bevölkerung geht?"
Der Kanton und die Gemeinden gewährleisten gemeinsam die öffentliche Sicherheit. Die Gemeinden
sind integral für die Gewährleistung der lokalen Sicherheit verantwortlich. Die geforderten Standards
sowie der Ausgleich zum Bevölkerungswachstum verlangen sowohl bei der Kantonspolizei wie auch
bei den Polizeikräften der Gemeinden eine Erhöhung des Stellenbestands. Die personelle
Verstärkung bei den kommunalen Polizeikräften müsste bis ins Jahr 2017 37 Vollzeitstellen betragen.
Die Mehrheit der zuständigen Organe der Stadt- und Regionalpolizeien hat im Herbst 2010
Absichtserklärungen abgegeben, sich im vorgesehenen Umfang am Aufbau der Polizeibestände zu
beteiligen.
Der Regierungsrat hält fest, dass sich das duale Sicherheitssystem im Kanton Aargau in den letzten
vier Jahren bewährt hat. In der Praxis funktioniert die Zusammenarbeit zwischen der Kantonspolizei
und den Kommunalpolizeien gut. Die Schnittstellen sind etabliert und regelmässige
Abspracherapporte stellen den Informationsfluss sowie die Koordination der Einsätze sicher. Seit dem
1. Januar 2011 werden durch die Polizeikräfte der Gemeinden einheitliche Standards umgesetzt,
welche Mindestanforderungen an die Organisation sowie die Einsatzbereitschaft definieren. Im
kommenden Jahr soll das duale Sicherheitssystem einer eingehenden Evaluation unterzogen werden.
Zur Frage 3: "In wie vielen Gemeinden im Kanton Aargau sorgen derzeit – hauptsächlich nachts –
zivile Ordnungshüter für Sicherheit, Recht und Ordnung?"
Das Polizeigesetz räumt den Gemeinden die Möglichkeit ein, zur Gewährleistung der lokalen
Sicherheit qualifizierte private Sicherheitsdienste beizuziehen, soweit es sich nicht um die Erfüllung
hoheitlicher polizeilicher Aufgaben handelt (§ 19 Abs. 2 PolG). Der Beizug privater Sicherheitsdienste
unterliegt dabei einem Bewilligungsverfahren. Aktuell verfügen im Kanton Aargau 59 Gemeinden über
eine Bewilligung zum Beizug von privaten Sicherheitsdiensten.
Zur Frage 4: "Teilt der Regierungsrat die Meinung, dass in Gemeinden mit hohem Sicherheitsrisiko die
sichtbare Präsenz von zivilen und unbewaffneten Ordnungs- und Sicherheitshütern (z. B. Freiwillige
aus Dorfvereinen oder professionelle, private Sicherheitsdienste usw.) eine präventive Wirkung
darstellen?"
Vorab legt der Regierungsrat Wert auf die Feststellung, dass es Kernaufgabe des Staats ist, die
Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Die Tendenz in den Gemeinden, zur
Intensivierung der Überwachung des öffentlichen Raums mit privaten Sicherheitsdiensten
zusammenzuarbeiten, hält an beziehungsweise hat sich – wie in anderen Kantonen – noch verstärkt.
Der ergänzende Einsatz von privaten Sicherheitsunternehmen in den Gemeinden ist solange
unproblematisch, als es sich um Tätigkeiten handelt, die nicht zum Kernbereich der Polizeiarbeit
gehören. Zentral erscheint dem Regierungsrat dabei, dass die Bestimmungen des Polizeigesetzes zur
2703
Art. 1211
29. März 2011
Bewilligungspflicht und zu den Anforderungen an die Sicherheitsdienste konsequent eingehalten
werden.
Das Polizeigesetz regelt abschliessend, welche Aufgaben an Private delegierbar sind. Nach § 27 Abs.
1 PolG ist die Übertragung hoheitlicher polizeilicher Befugnisse, insbesondere von polizeilichen
Massnahmen und Zwangsmitteln, untersagt. Die Aufgabe von Privaten kann daher ausschliesslich in
der sichtbaren Überwachung und der Meldung von verdächtigen Wahrnehmungen an die Polizei
bestehen. Es ist davon auszugehen, dass damit eine präventive Wirkung erzielt werden kann.
Hoheitliche Aufgaben wie beispielsweise die Vornahme von Personenkontrollen sind demgegenüber
von vornherein ausgeschlossen.
Zur Frage 5: "Zivilschutz heisst auch Bevölkerungsschutz! Kann sich der Regierungsrat vorstellen,
dass für zivile Patrouillen auch Angehörige des Zivilschutzes – auf freiwilliger Basis – herbeigezogen
werden können? Wenn nein, warum nicht?"
Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit gehört wie gesagt zum Kern der staatlichen Aufgaben.
Das Gewaltmonopol macht die Anwendung vorab physischen Zwangs zur ausschliesslichen
Angelegenheit des Staats. Eine Privatisierung beziehungsweise Delegation von Sicherheitsaufgaben
kann deshalb nur punktuell und in ergänzender Weise in Betracht kommen. Vor diesem Hintergrund
ist auch der Einsatz von Angehörigen des Zivilschutzes bei zivilen Patrouillen zu beurteilen.
Das Bundesgesetz über den Bevölkerungsschutz und den Zivilschutz (BZG) unterscheidet bei den
Einsätzen des Zivilschutzes zwischen Wiederholungskursen (WK) und Einsätzen zugunsten der
Gemeinschaft (EZG). Damit die Schutzdienstpflichtigen für Einsätze zugunsten der Gemeinschaft
aufgeboten werden können, müssen folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein (vgl. Art. 2
Verordnung über Einsätze des Zivilschutzes zugunsten der Gemeinschaft, VEZG):
 der/die Gesuchsteller/Gesuchstellerin kann seine/ihre Aufgaben mit eigenen Mitteln nicht
bewältigen
 der Einsatz stimmt mit dem Zweck und den Aufgaben des Zivilschutzes überein und dient der
Anwendung des in der Ausbildung erworbenen Wissens und Könnens
 private Unternehmen werden dadurch nicht übermässig konkurrenziert
 das unterstützte Vorhaben dient nicht überwiegend dem Ziel der Geldmittelbeschaffung.
Seit den 90er-Jahren führen verschiedene Zivilschutzorganisationen (zum Beispiel Wynental,
Limmattal oder Suret) sogenannte "Crime Stop"-Einsätze durch. Indem die Angehörigen des
Zivilschutzes insbesondere in den Wintermonaten November, Dezember und Januar Präsenz in den
Wohnquartieren markieren, sollen Dämmerungseinbrüche vermieden werden. Diesen Patrouillen
kommt lediglich die Kompetenz zu, das Geschehen vor Ort zu beobachten und bei verdächtigen
Wahrnehmungen die Kantons- beziehungsweise die Regionalpolizei zu informieren.
Selbstverständlich sind sie unbewaffnet. Die Angehörigen des Zivilschutzes werden von den
Polizeiorganen sorgfältig und gründlich für diese Aufgabe vorbereitet. Die Erfahrungen mit diesen
Einsätzen werden in der Praxis sowohl von der Bevölkerung als auch den Angehörigen des
Zivilschutzes und den Gemeinden als positiv beurteilt. Die Einbruchsquote in den Wohnquartieren
konnte gesenkt werden. Die Aktion "Crime Stop" wird auch von der Kantonspolizei und den
Regionalpolizeien begrüsst.
Die Zivilschutzformationen können somit auch künftig – im Rahmen der rechtlichen Vorgaben und
unter Berücksichtigung der eingangs erwähnten Grundsätze betreffend Delegationsmöglichkeiten von
Sicherheitsaufgaben – auf freiwilliger Basis und zeitlich beschränkt zur Verstärkung der Polizeiorgane
eingesetzt werden. Die Dienstleistungen des Zivilschutzes können dabei nur auf Anordnung und
Bewilligung der zuständigen Behörden erbracht werden. Wichtig erscheint zudem, dass bei derartigen
Einsätzen von Anfang an die Kantonspolizei beziehungsweise die zuständige Regionalpolizei in
Bezug auf die Einführung und Ausbildung der Angehörigen des Zivilschutzes einbezogen wird.
Zur Frage 6: "Ist der Regierungsrat der Meinung, dass die heutigen Anstrengungen der Polizeiorgane
bezüglich Gewaltprävention, Verbesserung der persönlichen Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger
und Einbruchschutz ausreichen oder optimiert werden müssen?"
Wie bereits in der Antwort zur Frage 1 dargelegt, ist der Kanton Aargau ein sicherer Kanton. Der
Regierungsrat ist sich aber bewusst, dass es immer besonderer Anstrengungen bedarf, um das
erreichte hohe Niveau zu halten und neue Herausforderungen im Bereich der Kriminalität mit den
2704
29. März 2011
Art. 1211
vorhandenen personellen und finanziellen Mitteln bewältigen zu können. Das bestehende positive
Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung muss durch die wirkungsvolle Tätigkeit der Polizeikräfte im Alltag
immer wieder bestätigt werden. Am 17. November 2010 hat der Regierungsrat für die Jahre 2011–
2014 folgende sechs Schwerpunkte der Strafverfolgung festgelegt:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Schwere Verbrechen kompromisslos bekämpfen
Gewalt im öffentlichen Raum eindämmen
Mehr Einbruchdiebstähle verhindern und aufklären
Vermögensdelikte konsequenter verfolgen
Jugendliche Intensivtäter früher identifizieren
Strafverfahren beschleunigen
Es sollen damit die bisherigen und die zusätzlichen personellen Ressourcen gezielt eingesetzt und die
Wirkung der Kriminalitätsbekämpfung im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung im Kanton Aargau
weiter verbessert werden. Die Schwerpunkte werden im Aufgaben- und Finanzplan durch
Kennzahlen, Ziele und Indikatoren abgebildet. Dem Grossen Rat wird im Rahmen der
Jahresberichterstattung Rechenschaft abgelegt.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'281.–.
Mit Datum vom 19. März 2011 hat sich der Interpellant, René Kunz, SD, Reinach, gemäss § 84 Abs. 2
GO schriftlich von der Antwort des Regierungsrates befriedigt erklärt. Das Geschäft ist somit erledigt.
1212 Kommissionswahlen in ständige Kommissionen; Kenntnisnahme
Gemäss schriftlicher Mitteilung hat das Büro mit Korrespondenzbeschluss vom 22. März 2011 gestützt
auf die §§ 12 und 13 des Geschäftsverkehrsgesetzes die folgende Wahl in eigener Kompetenz
vorgenommen:
Kommission für Gesundheit und Sozialwesen (GSW)
- Wahl von Regina Lehmann, Reitnau, als stellvertretendes Mitglied (anstelle von Max Härri, Birrwil)
Aus der Mitte des Rats wird das Wort nicht verlangt.
Kenntnisnahme
1213 Stärkung der Volksschule; Verfassung des Kantons Aargau; Änderung; Schulgesetz;
Änderung; 1. Beratung; Fortsetzung der Detailberatung; Gesamtabstimmung
(Fortsetzung der Beratung der Vorlage des Regierungsrats vom 15. Dezember 2010 samt Synopse
mit den abweichenden Anträgen zur Schulgesetzänderung der Kommission für Bildung, Kultur und
Sport (BKS) vom 28. Januar 2011, denen der Regierungsrat teilweise zustimmt)
Detailberatung (Fortsetzung)
Vorsitzende: Auf der Regierungsbank begrüsse ich Frau Dr. Priska Furrer, Projektleiterin "Stärkung
der Volksschule", BKS.
§§ 18c-20 Abs. 2, § 20 Abs. 3 (aufgehoben), § 21a, § 22 Abs. 1-3
Zustimmung
§ 22 Abs. 4
Die Kommission BKS stellt den Antrag, Abs. 4 nicht wie vom Regierungsrat beantragt aufzuheben,
sondern wie folgt zu formulieren: "Die Abteilungen der Oberstufe können in maximal zwei Fächern als
Niveauklassen geführt werden." Der Regierungsrat hält an der Aufhebung von Abs. 4 fest.
Lepori-Scherrer Theres, CVP, Berikon, Präsidentin der Kommission für Bildung, Kultur und Sport
(BKS): Der Antrag der Kommission, welcher eine Präzisierung darstellt, wurde mit 13 gegen 0
2705
Art. 1211
29. März 2011
Stimmen gutgeheissen.
Unternährer Beat, SVP, Unterentfelden: Ich bitte Sie, den Antrag der Kommission auf Einführung von
Niveaugruppen abzulehnen. Das Aargauer Volk hat am 17. Mai 2009 Niveaugruppen klar abgelehnt.
Weniger Differenzierung in den Leistungszügen und mehr Differenzierung in einzelnen Fächern sind
widersprüchlich und pädagogisch nachteilig. Ein relativ stabiler Klassenverband wird durch einen
ständigen Wechsel der Schülergruppen geopfert. Das führt zu Unrast und Heimatlosigkeit und ist
kontraproduktiv. Für die Lehrkräfte ist es eine Überforderung. Sie beschäftigen sich
unverhältnismässig viel mit Laufbahnentscheidungen. Dies gilt umso mehr, wenn auch die Eltern
einbezogen werden müssen. Die Durchlässigkeit wird nicht etwa erhöht, sondern im Gegenteil
verringert. Eine dreiteilige Sekundarstufe mit Niveaus ist im Kanton Aargau mit seiner Kleinräumigkeit
nicht umsetzbar. Die für das Funktionieren eines Leistungszugsmodells mit Niveaugruppen
notwendigen Absprachen zwischen den Lehrpersonen werden durch die vielen Schnittstellen
erschwert bis verunmöglicht. Das Bilden der heute sehr bewährten Parallelklassen ist bei drei
Leistungszügen nicht mehr möglich. Ein optimaler Einsatz von zwei Lehrpersonen an zwei
Parallelklassen ist nicht mehr gewährleistet. Die Lehrpersonen müssen an vielen unterschiedlichen
Klassen unterrichten, auch über den Jahrgang hinaus, wenn sie ein volles Pensum erreichen
möchten. Das hat der Stimmbürger 2009 erkannt.
Lehnen Sie diesen Antrag ab.
Dubach Manfred, SP, Zofingen: Immer wieder hört man im Kanton Aargau das Hohelied auf die
Schule vor Ort, ausser wenn es darum geht, wirklich etwas zu entscheiden. Dann möchte der Kanton
doch die Fäden in der Hand behalten und den Gemeinden die Freiheit nehmen, einen vernünftigen,
an die örtlichen Gegebenheiten angepassten, Entscheid zu fällen. Was spricht dagegen, dass man
einseitig begabten Jugendlichen die Möglichkeit bietet, in zwei Fächern den Unterricht mit der Gruppe
zu besuchen, deren Fähigkeiten ihren eigenen entsprechen? Weshalb muss jedes Kind in eine fixe Schublade
eingeteilt werden, auch wenn es in der Realität diese fixen Leistungskategorien gar nicht gibt?
Weshalb soll man die Motivation dieser Jugendlichen nicht verbessern, indem sie erleben können,
dass sich der Einsatz in dem Gebiet, in dem sie ihre Stärken haben, auch lohnt?
Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Gemeinden nur die Möglichkeit zu geben, nicht die
Pflicht aufzuerlegen, wenn es denn die örtlichen Verhältnisse zulassen, den Jugendlichen einen ihren
Fähigkeiten angepassten Unterricht zu bieten. Diese Massnahme kostet nichts, sie erfordert nur einen
kleinen organisatorischen Aufwand und sie bietet vielen Schülerinnen und Schülern eine faire Chance,
ihre spezifischen Fähigkeiten zu zeigen. Übrigens konnte das aargauische Volk nie über
Niveauklassen abstimmen, sondern nur über ein ganzes Paket von Massnahmen, das gesamthaft
abgelehnt wurde.
Unterstützen Sie die Fassung der Kommission.
Eliassen Vecko Eva, Grüne, Obersiggenthal: Ich kann Manfred Dubach nur beistimmen. Wir haben
nicht über die Niveauklassen abgestimmt, sondern über ein Paket. Wenn wir ausserdem von
Heimatlosigkeit innerhalb der Klassen sprechen, müsste ich mich in der Schule unheimlich heimatlos
gefühlt haben: Wir hatten nämlich noch unterschiedliche Fächer für Mädchen und Buben. Da die SVP
ja zu jener Zeit zurückkehren will, als die Schule noch eine heile Welt war, denke ich nicht, dass das
ein grosses Problem sein sollte.
In diesem Rat hat man jahrelang debattiert, wie unsere Volksschule Begabtenförderung betreiben soll.
Vorstösse wurden vor allem von bürgerlicher Seite eingereicht. Man hat über ein Elitegymnasium oder
Progymnasium diskutiert. Man hat die Förderung von Mathematik und Naturwissenschaften gefordert
und verschiedene andere Angebote der Begabtenförderung geprüft. Man sprach auch gerne von sich
abzeichnenden allgemeinen Niveausenkungen. Jetzt, wo es um die Stärkung der Volksschule ginge,
also wo die Begabtenförderung ganz klar auch ein Thema sein sollte, weil wir da ziemlich Verspätung
haben, wird nicht einmal mehr erwogen oder es wird wieder bestritten, Niveauunterricht einzuführen.
Das wäre die niederschwelligste Art von Förderung des eigenen Nachwuchses. Kinder und
Jugendliche sind nicht genormt wie ein Litermass oder ein Schweizer Offiziersmesser. Sie haben alle
unterschiedliche Stärken und Schwächen und würden es verdienen, darin mindestens teilweise
gefördert zu werden. Ich denke da vor allem auch an Legastheniker, die, weil sie in der Sprache
logischerweise schwach sind, in einer unpassenden Schulstufe verharren müssen und ihre
Fähigkeiten in Mathematik und in den Naturwissenschaften nicht angemessen entwickeln können. Ich
denke auch an Kinder mit einer Rechenschwäche, die aus diesem Grund, auch wenn sie von den
sprachlichen Fächern längst eine Stufe höher wären, in einer ebenfalls inadäquaten Stufe verharren
2706
29. März 2011
Art. 1212-1213
müssen.
Wir bringen uns und unsere Volkswirtschaft damit um ein Potenzial an Mitbürgerinnen und Mitbürgern,
die am richtigen Ort die richtigen Fähigkeiten entwickeln und diese für die Gesellschaft nutzbringend
anwenden könnten. Wir schaffen eine ganze Anzahl Jugendlicher, denen die Schule vorzeitig
verleidet, die ihre Leistungsfreude und Leistungsfähigkeit einbüssen, weil ihre Stärken
zurückgebunden werden und ihre Schwächen ihnen den Weg in eine adäquate Schule und
Berufslaufbahn verbauen.
Bitte stimmen Sie diesem Minimalabschnitt zu, damit Ihre Kinder und Ihre Enkel mindestens einen Teil
ihrer Stärken und Schwächen austarieren können und in der ihnen angemessenen Schulstufe
gefördert werden.
Dr. Jenni Felix, GLP, Oberwil-Lieli: Zu Beat Unternährer: Unser Volk hat ein Riesenpaket abgelehnt.
Aber letzte Woche haben Sie selbst von einem Kleeblatt-light gesprochen. Ich glaube, hier geht es um
super-light, somit um eine vernünftige Entwicklung. Der Turnunterricht, der auch heute noch getrennt
ist, schafft nicht Unruhe in einer Klasse. Und wenn es noch fünf weitere Lektionen wären, ist das ein
Scheinargument.
Ich denke, es ist wichtig, dass wir hier – wie sonst auch immer von der SVP gefordert – lokalen
Gegebenheiten Freiheiten geben. Es gibt Fächer – ich möchte hier speziell die Sprachen erwähnen –,
in denen der Niveauunterricht für alle sehr erfolgreich ist. Nirgends wie in den Sprachen ist es so
wichtig, dass eine homogene Gruppe mit etwa ähnlichen Fähigkeiten unterrichtet wird. Wir erhöhen da
die Effizienz des Unterrichtes ohne Kostenfolge.
Deshalb bitte ich Sie, sich der Meinung der Kommission anzuschliessen und dem Antrag
zuzustimmen.
Hottiger Hans-Ruedi, Parteilos, Zofingen: Die CVP-BDP-Fraktion befürwortet den Antrag der BKSKommission aus zwei Hauptgründen: Erstens ergibt dies den Gemeinden die Möglichkeit, ihre Schule
vor Ort so auszugestalten, wie sie das als Erfolg versprechend anschauen. Zweitens hat sich die
CVP-BDP-Fraktion immer für eine adäquate Form der Begabtenförderung eingesetzt. Unserer Meinung nach ist dies eine adäquate Form.
Leitch-Frey Thomas, SP, Wohlen: Dieser Paragraf respektive Abschnitt ist mir wirklich ein Anliegen.
Ich möchte Ihnen ein konkretes Beispiel aus dem Schulalltag geben: Wir haben an der Kreisschule
zwei Parallelklassen Real- und drei Parallelklassen Sekundarschule. Wir haben jeweils ab der dritten
Klasse die Möglichkeit, dass die Schülerinnen und Schüler Englisch und Französisch, also beide
Fächer, oder nur das eine oder das andere, nehmen dürfen. Sehr viele Schülerinnen und Schüler
wählen beides, weil sie nachher gerne eine KV-Lehre machen möchten. Es ist für uns an der Schule
überhaupt kein Problem, wenn wir die Stunden im Stundenplan der Real- und Sekundarschule parallel
setzen, also alle zur gleichen Zeit Französisch haben. So wird es möglich, einen Austausch im Sinne
dieses Paragrafen oder Abschnittes in Niveaus vorzunehmen. Ich kann Ihnen sagen, es gibt nichts
Schlimmeres als Schülerinnen und Schüler, die in einer Gruppe, beispielsweise im Sprachunterricht,
unterfordert sind. Warum schieben wir hier einen Riegel? Das macht doch wirklich Sinn, dass wir die
guten Schüler zusammenfassen. Die Schwächeren, die etwas mehr Zeit brauchen, können wir dann
optimal fördern und in der Gruppe vielleicht auch andere Themen behandeln. Eventuell arbeitet man
mehr mündlich oder was auch immer angebracht ist.
Ich bitte Sie, sich dies noch einmal zu überlegen. Es ist nicht mit dem Anliegen zu verwechseln, das
damals im Bildungskleeblatt war. Zudem ist es eine Kann-Formulierung. Offener und sinnvoller geht
es wirklich nicht mehr. Bitte stimmen Sie diesem Abschnitt zu.
Lepori-Scherrer Theres, CVP, Berikon: Der vorliegende Entwurf der Kommission wurde mit 8 gegen 3
Stimmen, bei 2 Enthaltungen, gutgeheissen. Wir haben die Situation so gewichtet, dass es für die
Schülerinnen und Schüler wirklich als Chance und als Stärkung angesehen wird. Auch sehen wir
diesen Paragrafen im Zusammenhang mit § 21a, wo wir präzisiert haben, dass die Oberstufe vor
allem einklassig geführt werden muss und das Departement Ausnahmen bewilligen kann.
Niveaugruppen in zwei Fächern sind wirklich zumutbar.
Hürzeler Alex, Regierungsrat, SVP: Im Namen des Regierungsrats bitte ich Sie, auf diesen Antrag
nicht einzutreten beziehungsweise, so wie der Regierungsrat es vorschlägt, keine Veränderung
vorzunehmen. Der Regierungsrat hat ganz bewusst keine neue Oberstufenreform gestaltet. Wir
verzichten auf eine Oberstufenreform. Mit diesem Antrag verwässern Sie dieses Konzept. Sie öffnen
es und das wird innerhalb der Oberstufenführung im Kanton Aargau zu einem Wirrwarr führen. Wir
2707
Art. 1213
29. März 2011
wollen ein gutes und ein gut erklärbares Schulsystem im Kanton Aargau, das Ruhe ins Schulsystem
des Kantons Aargau bringt. Wenn Sie diesem Antrag zustimmen, wird es mindestens im Bereich der
Oberstufe neue Kann-Lösungen geben. Einzelne Schulen werden es eventuell organisieren können,
viele andere aber sicher nicht.
Es gibt aber auch pädagogische Gründe dafür. Es wurde bereits in der Thematik des
Bildungskleeblatts in diesem Saal so besprochen: Generell bringen Niveaugruppen bei einer
dreigliedrigen Oberstufe – und Sie stimmen mit mir überein, dass wir in der Oberstufe des Kantons
Aargau weiterhin dreigliedrig bleiben – kaum Vorteile. Niveaukurse können praktikablerweise nur dort
über alle drei Oberstufentypen angeboten werden, wo sich die Oberstufe auch unter einem Dach
befindet. Das ist im Kanton Aargau bei Weitem nicht so. Sie haben es soeben mit dem § 22 Abs. 1, 2
und 3 zementiert, dass wir im Kanton Aargau auch kleinere Schulstandorte, wie es auch in vielen
anderen Kantonen ist, weiterhin tolerieren. Konkret gäbe diese neue Möglichkeit bei vielen Schulen
riesige Probleme. Wir würden Niveauklassen an Bezirksschulen anbieten können. Wie sollen wir
diese dann an Serealschulen anbieten und dort, wo sogar nur einzelne Schulstufen, zum Beispiel eine
Realschule, angeboten wird? Die Chancengerechtigkeit innerhalb des Oberstufensystems im Kanton
Aargau würde völlig neu aufgegleist und es bestünde keine Chancengleichheit mehr. Es braucht aber
– auch wenn es, wie wir soeben von Grossrat Leitch in einem einzelnen Beispiel gehört haben, gut
klappt – ganz sicher zeitaufwändige Absprachen zwischen den Lehrpersonen, damit die
Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Niveauklassen gewährleistet wird. Es werden auch
aufeinander abgestimmte Lehrmittel benötigt. Zuletzt kann auch angemerkt werden, dass mit
Niveauklassen die Stundenplangestaltung und der Lehrpersoneneinsatz weiter erschwert würde, da
Niveauklassen immer parallel angeboten werden müssen. Als letztes Argument: Niveauklassen
können auch zusätzliche Kosten verursachen, nämlich dort, wo die Niveauaufteilung nicht der
Klassenaufteilung entspricht und aufgrund der Niveauklassengrösse eine zusätzliche Niveauklasse
geführt werden muss.
Ich bitte Sie nochmals, im Auftrag und auch im Sinne des gesamten Regierungsrats: Wir wollen im
Kanton Aargau auch auf der Oberstufe ein gutes und ein erklärbares Schulsystem. Verzichten Sie
darauf, diese Vorlage mit diesem zusätzlichen Antrag zu belasten.
Abstimmung
Antrag der Kommission BKS
Antrag des Regierungsrats
65 Stimmen
60 Stimmen
§ 23, § 25 Abs. 1, § 25 Abs. 2 (aufgehoben), § 26 Abs. 1, § 26 Abs. 2 (aufgehoben)
Zustimmung
§ 27
Zustimmung
Lepori-Scherrer Theres, CVP, Berikon: Im Zusammenhang mit dem Systemwechsel von 6/3, und
generell weil die Stärkung der Bezirksschule eigentlich nicht zur Diskussion steht oder überhaupt
erwähnt ist, ist die Kommission zur Auffassung gelangt, dass wir auf die 2. Beratung einen
Grundsatzprüfungsantrag formulieren, der heisst: "Die Auswirkungen des Modells 6/3 auf die
Bezirksschule sind zu klären und in der Botschaft zur 2. Beratung aufzuzeigen."
Ich bitte Sie, diesen Antrag zu unterstützen.
Abstimmung
Der Prüfungsantrag wird mit 105 zu 0 Stimmen gutgeheissen.
§§ 28 und 29
Zustimmung
§ 29 Abs. 2
Schmid Samuel, Parteilos, Biberstein: Probleme mit der Sprachfähigkeit werden heute häufig
erfolgreich erkannt und es wird gut darauf eingetreten. Die mathematischen Probleme und
Lernstörungen werden aber eher "stiefmütterlich" behandelt, obschon auch diese verheerende
Auswirkungen für den Bildungsablauf und die Schulentwicklung eines Kindes haben können. Konkret
2708
29. März 2011
Art. 1213
wurde das Thema Dyskalkulie in unserem Rat bereits besprochen, so zum Beispiel im Jahre 2007 im
Rahmen einer Interpellation. In der Zwischenzeit hat sich auch auf wissenschaftlicher Ebene einiges
getan. Eine Untersuchung, die dem Regierungsrat damals noch nicht vorgelegen ist, datiert von 2007,
meldet: "Die Dyskalkulie wird durch eine Fehlfunktion im Gehirn ausgelöst. Wissenschaftler störten bei
Probanden gezielt ein Areal im Grosshirn. Sie lösten so eine Rechenschwäche ohne bleibende
Schäden aus. Fünf Prozent der Menschen kennen die Symptome der Dyskalkulie." Die
wissenschaftliche Grundlage für das Phänomen der Dyskalkulie und die Folgen davon sind klar
dargelegt. So gibt es beispielsweise auch ein Institut zur Behandlung von Rechenschwächen in
Österreich. Der Wissenschaftler Michael Gaidoschik sagt: "Je früher eine Dyskalkulie erkannt wird,
umso früher können gezielte Gegenmassnahmen ergriffen werden." Umso rascher und mit umso
geringerem Aufwand können in der Förderung Erfolge erzielt werden. Umso grösser sind also die
Chancen für das betroffene Kind, umso geringer ist also das Risiko, dass es zu Folgeproblemen
kommt. In § 29 Abs. 2 wird der Sprachheilunterricht, welcher auch die Bereiche Logopädie- und
Legasthenie-Therapie zu Recht explizit erwähnt. Wir haben im Rat schon mehrfach gesehen, dass die
Stärkung der naturwissenschaftlichen Fächer aber auch von grosser Wichtigkeit ist, besonders in
einer technisierten Welt. Deshalb scheint es mir wichtig, dass auch das Anliegen der Dyskalkulie hier
explizit erwähnt wird. Ich möchte Ihnen dies aber nicht in einem Schnellschuss hier in einer
Formulierung vorlegen, sondern bitte den Regierungsrat um Prüfung dieses Anliegens. Ich lege Ihnen
folgenden Prüfungsantrag vor: "Wie kann nebst dem Sprachheilunterricht, welche auch Logopädieund Legasthenie-Therapie umfasst, auch die Dyskalkulie-Therapie als pädagogisch-therapeutische
Massnahme Berücksichtigung finden?" Der Regierungsrat wird eingeladen, dies zu prüfen und
allenfalls eine entsprechende Formulierung vorzulegen, dass nicht nur der sprachliche Aspekt von
Lernschwächen- und Störungen, sondern auch der mathematische Aspekt künftig auf Gesetzesebene
berücksichtigt wird.
Ich danke Ihnen für die Unterstützung des Prüfungsantrages.
Hürzeler Alex, Regierungsrat, SVP: Zum Prüfungsantrag Schmid: Die Dyskalkulie-Therapie ist keine
von der Invalidenversicherung anerkannte pädagogisch-therapeutische Massnahme, wie es die
Sprachheilbehandlung und die Psychomotorik-Therapie sind. Deshalb ist Dyskalkulie im Kanton
Aargau – und sicher auch in den anderen Kantonen – als Lernschwierigkeit tituliert. Sie kann somit
gemäss § 15 Abs. 2 des Schulgesetzes im Rahmen der heilpädagogischen Unterstützung sowohl in
Kleinklassen wie auch mit heilpädagogischer Unterstützung in Regelklassen behandelt werden. Das
ist die Antwort auf den Umgang mit Dyskalkulie. Es kommt zusätzlich dazu, dass es finanzielle
Konsequenzen auslösen könnte oder sogar müsste, würden wir diese Therapieform, wie Sie dies
verlangen, auch im Schulgesetz § 29 explizit aufnehmen. Dann würde das Tür und Tor für zusätzliche
Unterstützungsangebote öffnen.
In diesem Sinne kann ich diesem Prüfungsantrag nicht zustimmen. Das Parlament soll entscheiden.
Sofern Sie den Prüfungsantrag trotzdem überweisen, werden wir Ihnen unsere Argumente in der 2.
Lesung darlegen.
Ich bitte Sie, diesen Prüfungsantrag nicht zu überweisen.
Abstimmung
Der Prüfungsantrag wird mit 65 gegen 44 Stimmen gutgeheissen.
§§ 52-53, § 54 (aufgehoben), § 57a Abs. 1, § 58b, § 66, § 67a (aufgehoben), § 71, § 73 Abs. 1 und 2
Zustimmung
§ 73 Abs. 2bis
Die Kommission BKS beantragt die Beibehaltung des geltenden Rechts. Der Regierungsrat hält an
seiner Neufassung fest.
Unternährer Beat, SVP, Unterentfelden: Ich bitte Sie, nicht mehr zu reglementieren, als unbedingt
erforderlich. Privatschulen werden überwacht. Sie sind anerkannt und ausserdem vom Inspektorat
überprüft. Man kann davon ausgehen, dass die Lehrpersonen an Privatschulen durchaus beurteilen
können, ob ein Schüler prüfungsfrei übertreten kann oder nicht. Diese Hürde müssen wir nicht
einbauen, dass eine Prüfung zur Beurteilung des Leistungsstandards angeordnet werden muss.
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Bühler Hans Ulrich, FDP, Stein: Ich stelle Ihnen namens der FDP-Fraktion den Antrag, der Fassung
des Regierungsrates zuzustimmen. Es geht hier um die Übertritte von staatlich anerkannten
Privatschulen. Wir haben Vertrauen in diese Institutionen, die alle notwendigen Voraussetzungen
erfüllen müssen. Die staatlich anerkannten Privatschulen haben in unseren Augen im Kanton Aargau
einen gewissen Stellenwert. Wir sollten deren Schüler nicht benachteiligen und sie auch nicht der
Willkür einzelner Schulpflegen aussetzen.
Klaus Günthart Susanne, Grüne, Aarau: Die Grüne Fraktion findet es wichtig, dass den Behörden die
Hände nicht gebunden werden und dass sie die Möglichkeit haben, spezifisch zu reagieren. Die
Verantwortlichen sollen jederzeit in der Lage sein, den Leistungsstand zu prüfen.
Wir unterstützen daher den Antrag der BKS-Kommission.
Leitch-Frey Thomas, SP, Wohlen: Ich bitte Sie auch, den Antrag der Kommission zu unterstützen und
damit das Recht beizubehalten, wie es bisher war. Natürlich haben wir Vertrauen in Privatschulen.
Trotzdem müssen wir aus Erfahrung sagen, dass es Privatschulen und Privatschulen gibt. Es gibt
auch Leute, die ihr Kind, wenn es nicht empfohlen wird, ein Jahr in die Privatschule schicken und
dann, wenn keine Prüfung mehr angeordnet werden kann, entscheidet der Geldbeutel, in welcher
Stufe ein Kind platziert wird. Das kann es auch nicht sein. Ausserdem dauert es nach der neuen
Promotionsverordnung ein ganzes Jahr – stellen Sie sich das mal vor – bis ein Kind, welches falsch
eingeteilt ist, die Stufe wechseln kann. Dann muss dieses ein ganzes Jahr in einer Klasse sein, in der
es überfordert ist. Es heisst nicht, dass die Schulpflege eine Prüfung anordnen muss, sondern sie
kann. Gerade wenn man weiss, dass es bei bestimmten Privatschulen problematische Fälle gibt, bei
denen die Einteilung aufgrund der Erfahrung nicht stimmt, sollte es weiterhin möglich sein, nicht nach
dem Geldbeutel der Eltern zu entscheiden, sondern dem Kind zuliebe eine Prüfung zu machen und
das Kind in die richtige Stufe einzuteilen, in der es auch am besten gefördert wird.
Jauslin Matthias, FDP, Wohlen: Genau darum geht es ja. Die Schulpflege kann, und genau diese
"Kann-Definition" ist doch eine Willkür. Haben Sie in der Schulpflege Personen, die gegen
Privatschulen sind – da bin ich überzeugt –, werden die entsprechenden Schulpflegen lieber einmal zu
viel eine solche Überprüfung beantragen. Diese Willkür brauchen wir nicht. Entweder macht die
Schulpflege diese Überprüfung oder eben nicht. Ich bin überzeugt, dass der Lehrkörper, die Lehrer
und Lehrerinnen, durchaus beurteilen können, ob dieses Kind stufengerecht bei ihnen untergebracht ist. Da
braucht es die Willkür einer Schulpflege nicht, die zusätzlich einen Stein in den Weg legen kann.
Ich bitte Sie, der Version des Regierungsrates zuzustimmen.
Lepori-Scherrer Theres, CVP, Berikon: Der Antrag von Thomas Leitch wurde mit 9 gegen 2 Stimmen,
bei 2 Enthaltungen, gutgeheissen. Ich erlaube mir auch hier ein persönliches Votum: Privatschulen
werden kontrolliert. Das haben wir gehört. Die Hürde für eine Prüfung ist nur eine Hürde für das Kind,
das eigentlich im Mittelpunkt stehen müsste. Betreffend der Selektionierung hat jedes Kind, auch
jenes aus der Privatschule, eine Probezeit zu bestehen. Ich werde die Fassung des Regierungsrats
unterstützen.
Hürzeler Alex, Regierungsrat, SVP: Die Kommissionspräsidentin hat soeben das ganz entscheidende
Argument gebracht. Seitens des Regierungsrats erachten wir hier eine Anpassung und eine
Vereinheitlichung des Systems als gerechtfertigt. Es handelt sich gegenüber heute um eine kleine
Anpassung. Wir haben es ganz deutlich geschrieben. Es geht hier nicht etwa um jene Kinder, die zu
Hause im sogenannten "Homeschooling" geschult werden, sondern es geht nur um jene, welche in
staatlich anerkannten Privatschulen geschult werden. Diese Privatschulen sind auch von der
Bewilligungsfähigkeit her unter Aufsicht des BKS, welche über das Inspektorat wahrgenommen wird.
Im Sinne einer Gleichwertigkeit der öffentlichen Schulen und staatlich anerkannten Privatschulen
bitten wir Sie seitens des Regierungsrats um eine kleine Anpassung, zu welcher von der Präsidentin
der BKS-Kommission jetzt auch sehr gut argumentiert wurde.
Abstimmung
Antrag des Regierungsrats
Antrag der Kommission
84 Stimmen
34 Stimmen
Vorsitzende: Ich gebe das Wort an Thomas Leitch für eine persönliche Erklärung.
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Leitch-Frey Thomas, SP, Wohlen: Natürlich akzeptiere ich dieses Resultat. Ich möchte aber eine
persönliche Erklärung abgeben: Ich finde es nicht korrekt, einen Entscheid einer
Kommissionsmehrheit so zu beurteilen, wie es die Kommissionspräsidentin eben getan hat. Erstens
hat sie meinen Namen genannt, als hätte ich den Antrag gestellt. Es steht nicht zur Debatte, woher
dieser kommt. Zweitens hat sie selber als Kommissionspräsidentin nicht ihre persönliche Meinung zu
vertreten, sondern diejenige der Kommission. Ich finde es nicht in Ordnung, wie das jetzt gemacht
worden ist. Ich habe es absichtlich nicht vor der Abstimmung gesagt, weil ich die Abstimmung nicht
beeinflussen wollte.
Lepori-Scherrer Theres, CVP, Berikon: Ich möchte Ihnen, Thomas Leitch, auch entgegnen: Erstens
begreife ich Ihren Unmut, dass ich Ihren Namen erwähnt habe. Aber ich denke, dass Sie zu diesem
Antrag stehen. Zweitens muss ich sagen, dass ich selber auch die Gelegenheit haben sollte, meine
persönliche Meinung kundzutun. Das muss so sein. Ich habe es auch so deklariert.
§ 73 Abs. 3 und 4 (aufgehoben), § 77, § 89 Abs. 1 (aufgehoben), § 89 Abs. 2 bis 4, § 90a
(aufgehoben), § 90b (aufgehoben), § 90c, § 91 Abs. 1, § 91 Abs. 2 bis 4 (aufgehoben)
Zustimmung
II., 1. Gesetz über die Anstellung von Lehrpersonen (GAL)
§ 1 Abs. 1 und 2, § 41
Zustimmung
III., IV.
Zustimmung
Vorsitzende: Roger Fricker hat vor einer Woche einen Rückkommensantrag deponiert. Ich gebe ihm
das Wort zur Begründung. Wir entscheiden zuerst über Rückkommen ja oder nein. Erst nachher
können Sie den Antrag inhaltlich begründen.
Fricker Roger, SVP, Oberhof: Ich habe am letzten Dienstag gesagt, dass ich gerne in § 4 Abs. 1 im
ersten Satz das Wort "legal" eingefügt haben möchte. Der Satz heisst somit: "Alle Kinder und Jugendlichen mit legalem Aufenthalt im Kanton unterstehen der Schulpflicht." Ich bitte Sie, dem Antrag auf
Rückkommen zuzustimmen.
Abstimmung
Der Rückkommensantrag wird mit 72 gegen 43 Stimmen abgelehnt.
Vorsitzende: Wir sind am Schluss der Beratung. Ich komme zu den Anträgen in der Botschaft, S. 55.
Unternährer Beat, SVP, Unterentfelden: Die SVP ist immer und zu jeder Zeit für die Stärkung der
Schule Aargau eingetreten. Sie hat auch sämtliche Anträge, die auf eine Stärkung der Schule Aargau
hinauslaufen, unterstützt. Ausserdem ist die Schulstärkungsinitiative der SVP pendent, die
weitergehende Stärkungsmöglichkeiten vorsehen. Bei den reinen Strukturelementen dieser Vorlage
taten wir uns schwer. Ich bitte zu anerkennen, dass diese Elemente nicht viel mit Schulstärkung zu tun
haben. Ich weiss, man kann unterschiedlicher Meinung sein. Ich akzeptiere das auch. Alle Gegner von
Gesamtschulen müssten eigentlich gegen eine Ausdehnung dieser Schulform um ein Jahr sein. Denn
es ist der erste Schritt, ein bisher dreifach gegliedertes Schulsystem in eine Gesamtschule
umzuwandeln. Thomas Leitch hat es gesagt: Es gibt nichts Schlimmeres als Schüler, die unterfordert
sind. Sorgen wir dafür, dass Schüler in der 6. Primarklasse dann nicht unterfordert sind. Mit mildem
Lächeln sind viele, die dem Regierungsrat in verschiedenen Phasen der Kleeblattentwicklung gefolgt
sind, auch dann als sie Pirouetten schlug, über uns hergezogen. Man hat uns als rückwärts gewandte
"Stiefeliryter" bezeichnet, unsere Zweifel als Ängstlichkeit pathologisiert oder als Zeichen des
Unverständnisses idiotisiert. Genau dasselbe passierte an und nach der 1. Lesung am vergangenen
Dienstag. Das hat auch mit Stil zu tun.
Dies ist die 1. Lesung. Man hat uns gefragt: Werdet ihr das Behördenreferendum ergreifen? Das
können wir am Schluss der 1. Lesung nicht beurteilen, ebenso wenig die Frage, ob wir unsere
Initiative zurückziehen können. Wir hoffen, das eine wird nicht nötig sein. Und das andere können wir
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Art. 1213
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zur Lösung beisteuern. Da warten wir aber sicher noch ab.
An der heutigen Schlussabstimmung zur 1. Lesung werden die meisten Mitglieder der SVP-Fraktion
Nein stimmen, auch deshalb – das sage ich Ihnen ganz klar –, weil die Niveaukurse hineingekommen
sind. Wir haben eigentlich ursprünglich gesagt, einige werden die Stärkungselemente, andere die
Strukturelemente höher gewichten. Es wird dann ein paar Ja-Stimmen geben und einige NeinStimmen. Heute muss ich sagen, die SVP wird mehrheitlich Nein stimmen.
Lepori-Scherrer Theres, CVP, Berikon: Den Anträgen 1 und 2 wurde mit 10 gegen 3 Stimmen, dem
Antrag 3 mit 11 gegen 0 Stimmen, bei 2 Enthaltungen, zugestimmt.
Gesamtabstimmung
Antrag 1 wird mit 80 gegen 34 Stimmen gutgeheissen.
Antrag 2 wird mit 79 gegen 35 Stimmen gutgeheissen.
Antrag 3 (Kreditbeschluss) wird mit 82 gegen 30 Stimmen gutgeheissen.
Beschluss
1. Der Entwurf einer Änderung der Verfassung des Kantons Aargau wird in 1. Beratung zum
Beschluss erhoben.
2. Der Entwurf einer Änderung des Schulgesetzes wird, wie er aus den Beratungen hervorgegangen
ist, in 1. Beratung zum Beschluss erhoben.
3. Der Kleinkredit für den Projektaufwand zur Stärkung der Volksschule mit einem Nettoaufwand von
Fr. 800’000.– wird vorbehältlich der Zustimmung zur Änderung des Schulgesetzes vom 17. März 1981
(SAR 401.100) durch das Volk um einen Zusatzkleinkredit von Fr. 715’000.– auf Fr. 1’515’000.–
erhöht.
1214 Neuordnung der Pflegefinanzierung; Beteiligung des Kantons an den Restkosten der
Pflegefinanzierung im Jahr 2011; Grosskredit; Beschlussfassung; fakultatives Referendum;
Auftrag an Staatskanzlei
(Vorlage des Regierungsrats vom 16. Februar 2011)
Roth Barbara, SP, Erlinsbach, Präsidentin der Kommission für Gesundheit und Sozialwesen (GSW):
Die Kommission GSW hat das Geschäft: Neuordnung der Pflegefinanzierung; Beteiligung des
Kantons an den Restkosten der Pflegefinanzierung im Jahr 2011; Grosskredit an ihrer Sitzung vom
28. Februar 2011, im Beisein von Frau Regierungsrätin Susanne Hochuli, Herrn Mark Burkhard,
Generalsekretär DGS, Herrn Dr. Robert Rhiner, Leiter Abteilung Gesundheitsversorgung und Herrn
Urs Niffeler, Leiter Planung Gesundheitsversorgung, beraten.
Die gemäss Bundesgesetz beschlossene Neuordnung der Pflegefinanzierung ist bekanntlich per
01. Januar 2011 in Kraft getreten und bedingt eine Teilrevision des Aargauischen Pflegegesetzes vom
26. Juni 2007. Mit der Neuordnung der Pflegefinanzierung ergeben sich, vor allem als Folge der
Pflicht der öffentlichen Hand zur Restkostenfinanzierung im Bereich der stationären Pflege, im Kanton
Aargau Zusatzkosten in Höhe von circa 46 Millionen Franken.
Das revidierte Pflegegesetz sieht vor, dass die Restkosten der stationären Pflege getreu dem
Grundsatz "stationäre Spitalbehandlung beim Kanton und Langzeitpflege bei den Gemeinden" von
den Gemeinden zu tragen sind. Bei den Gemeinden sowie den Gemeindeverbänden stiess diese Idee
schon in der Vernehmlassung zur Gesundheitspolitischen Gesamtplanung (GGpl) 2010 auf grosse
Ablehnung, welche in direktem Zusammenhang mit den durch die Revision des Bundesgesetzes über
die Krankenversicherung (KVG; Spital- und Pflegefinanzierung) verursachten Mehrkosten zu
verstehen ist.
In der vom Grossen Rat am 26. Oktober 2010 verabschiedeten Gesundheitspolitischen
Gesamtplanung wurde in Strategie 1 festgelegt, dass die Finanzierung der Kosten im
Gesundheitswesen im Rahmen einer übergeordneten Aufgaben und Lastenverteilung bis am 31.
Dezember 2013 so zu regeln ist, dass die Übernahme der Akutsomatik durch den Kanton
beziehungsweise der Langzeitpflege durch die Gemeinden erfolgt. An der aktuellen Lastenverteilung
von Kanton und Gemeinden ist gesamthaft festzuhalten. Bis zur Umsetzung gilt im Akutbereich der
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Art. 1214
bisherige Kostenteiler, wobei sich der Kanton zu 60 Prozent und die Gemeinden zu 40 Prozent an den
Aufwendungen der öffentlichen Hand beteiligen werden. Im Langzeitpflegebereich müssen die
Gemeinden aber bereits ab 1. Januar 2011 die sogenannten Restkosten tragen, welche gegenüber
bisheriger Rechtssetzung einen neuen und insbesondere hohen Aufwandsposten für diese darstellen.
Zur Entlastung der Gemeinden schlägt der Regierungsrat deshalb nun vor, im Einführungsjahr 2011
maximal 23 Millionen Franken der entstehenden Restkosten über den Aufwand des Kantons
abzurechnen. Er hat in § 10 Absatz 2 der Übergangsverordnung das für den Vollzug notwendige
Verfahren festgelegt und unterbreitet mit vorliegender Botschaft und vorliegendem Antrag dem
Grossen Rat dafür einen entsprechenden Grosskredit zum Beschluss zu erheben.
Eintreten auf das vorliegende Geschäft war in der Kommission GSW unbestritten.
Umstritten, und demzufolge heftig diskutiert, war hingegen das vom Regierungsrat festgesetzte
Kostendach von 23 Millionen Franken. Fallen die Gesamtkosten der durch die Gemeinden zu
tragenden Restkosten höher aus, als die auf Annahmen basierenden berechneten 46 Millionen
Franken, wird sich der Kanton durch dieses festgesetzte Kostendach mit weniger als der Hälfte an
diesen Kosten beteiligen. Diese Tatsache stiess nicht nur in der Vernehmlassung zu diesem Geschäft
bei einer Vielzahl von Anhörungsadressaten auf Vorbehalte, sondern auch bei einem Teil der
Kommissionsmitglieder auf harsche Kritik.
Insgesamt drei gestellte Anträge postulierten nicht nur die 50-prozentige Beteiligung des Kantons im
Übergangsjahr 2011 an den zulasten der Gemeinden anfallenden Restkosten aus den stationären
Pflegeleistungen, sondern beinhalteten auch die hälftige Mitbeteiligung des Kantons an diesen Kosten
in den Jahren 2012 und 2013.
Alle drei Anträge wurden zugunsten des aus der Diskussion resultierenden Antrages, welcher – wie
bereits im Vorfeld bei allen Fraktionspräsidien angekündigt – auch heute noch einmal gestellt wird,
zurückgezogen.
Eintreten
Vorsitzende: Stillschweigend Eintreten haben die Fraktionen der EVP und der Grünen signalisiert.
Friker-Kaspar Vreni, SVP, Oberentfelden: Zur Berechnung über die Lastenverteilung zwischen Kanton
und Gemeinden ist zu bemerken, dass es sich dabei um Planungszahlen handelt. So sind unserer
Ansicht nach die Auswirkungen der Übernahme der Restkosten durch die öffentliche Hand auf den
Bedarf von Ergänzungsleistungen derzeit schwierig abschätzbar. Dies wird vom Regierungsrat in der
Botschaft auf Seite 9 bestätigt, in dem festgehalten wird, dass die genannten Zahlen mit Mehrkosten
auf Annahmen und Hochrechnungen basieren und vor allem in der Spitalfinanzierung mit gewissen
Vorbehalten zu verwenden seien. Der Mehraufwand von 46 Millionen Franken basiert auf der
Grundlage der Statistik aus dem Jahr 2008. Die demografischen Entwicklungen sind hinlänglich
bekannt. Daher befürchten wir, dass das Kostendach von 23 Millionen Franken überschritten werden
könnte und der Mehraufwand durch die Gemeinden übernommen werden müsste. Deshalb wird die
SVP dem vorliegenden Vorschlag mit einem Kostendach von maximal 23 Millionen Franken nicht
zustimmen. Diese Bedenken werden dahingehend verstärkt, da man uns auch mit dem Geschäft Nr.
11.32 Spitalfinanzierung Unterlagen und Zahlen unterbreitet hat, die nur sehr bedingt mit dem Antrag
zu tun hatten, sondern mit dem AFP zu behandeln sind.
Beim vorliegenden Geschäft betreffen zwei Drittel der Informationen gar nicht die Pflegefinanzierung,
sondern die Spitalfinanzierung respektive jene der Aufgabenteilung. Wie in der GGpl in Strategie Nr. 1
auf Seite 54 festgehalten wurde, muss eine Aufgabenentflechtung im Gesundheitswesen in eine
übergeordnete Aufgaben- und Lastenteilungskonzeption eingebettet werden können, die eine für
Kanton und Gemeinden tragbare Lösung über alles vorsieht.
Frau Regierungsrätin, ich bitte Sie, nehmen Sie von folgendem Fehler in Ihrer Botschaft Kenntnis: In
der Botschaft auf Seite 19 steht geschrieben, dass die Gemeindeammännervereinigung die Vorlage
ohne Einschränkung gutheisst. Dies ist jedoch nicht korrekt. Ich zitiere aus der Vernehmlassung der
Gemeindeammännervereinigung (GAV): "Der Vorstand des GAV kann sich vollumfänglich mit der
Vorlage einverstanden erklären, mit dem einzigen Vorbehalt, dass anstelle des fixen Betrages von 23
Millionen Franken von der Hälfte der Restkosten gesprochen werden sollte. Damit werden allfällige
Mehr- oder selbstverständlich auch Minderkosten gleichmässig aufgeteilt."
Aus all den genannten Gründen stellen wir folgenden Antrag: "Der Kanton deckt im Übergangsjahr 50
Prozent der bis zum 31.12.2011 zulasten der Gemeinden anfallenden Restkosten aus den stationären
Pflegeleistungen. Zu diesem Zweck wird als Zusatzfinanzierung zum Budget 2011 für das Jahr 2011
ein Grosskredit für einen Nettoaufwand von 23 Millionen Franken beschlossen. Reicht der
Zusatzkredit nicht, muss der Regierungsrat beim Grossen Rat einen weiteren Zusatzkredit
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Art. 1214
29. März 2011
beantragen."
Die zusätzlichen Belastungen für die 220 Aargauer Gemeinden sind mannigfaltig.
Geschätzte Frau Regierungsrätin, erlauben Sie mir, dass ich Ihnen die Kostenfolgen gemäss AFP
2011-2014 als Beispiel für die Gemeinde Oberentfelden nenne: Im Jahr 2011 sind es rund 640’00
Franken und das entspricht 5 Steuerprozenten. Im Jahr 2012 sind es dann bereits 1,5 Millionen
Franken, dies entspricht rund 11,5 Steuerprozenten. 2013 sind es schon 1,9 Millionen Franken und
rund 14,5 Steuerprozente. Im Jahr 2013 sind es dann 2,1 Millionen Franken, also rund 16
Steuerprozente innerhalb von vier Jahren!
Wir alle hier im Saal kennen die weltberühmte Aussage des ehemaligen amerikanischen Präsidenten
John F. Kennedy: "Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann, fragt, was ihr für euer Land tun
könnt." Unsere Grossratskollegin und Präsidentin der Gemeindeammännervereinigung des Kantons
Aargau, Renate Gautschy, hielt in ihrem Jahresbericht fest, dass, wenn sich der Regierungsrat auch
an Kennedys Regel halten würde, diese Aussage wie folgt lauten würde: "Fragen Sie nicht, was die
Gemeinden für den Kanton tun können, sondern fragen Sie, was der Kanton für die Gemeinden tun
kann."
Zu Regierungsrätin Susanne Hochuli: Falls Sie von den in der Botschaft genannten Zahlen überzeugt
sind, dann haben Sie ja nichts zu befürchten, dann sind es im besten Falle anstelle der
prognostizierten 46 Millionen Franken allenfalls nur 40 Millionen Franken und wir haben beide
gewonnen: "Geteilte Freude ist doppelte Freude." Werden es aber wider Erwarten Mehrkosten sein,
dann richten wir uns nach dem bekannten Sprichwort: "Geteiltes Leid ist halbes Leid."
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, werte Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter, geben
Sie sich einen Ruck und unterstützen Sie unseren Antrag zugunsten unserer 220 Gemeinden.
Beck-Matti Beatrice, SP, Schafisheim: Im Schnellzugstempo wurde das Bundesgesetz über die
Neuordnung der Pflegefinanzierung durch die eidgenössischen Räte per 1.1.2011 in Kraft gesetzt.
Wie in der GGpl strategisch festgelegt, hätten die Gemeinden laut den vorliegenden Schätzungen
Restkosten von 46 Millionen Franken zu berappen. Um ein Ungleichgewicht zwischen der Belastung
des Kantons und den Gemeinden im Übergangsjahr 2011 zu vermeiden, beantragt der Regierungsrat
einen Grosskredit von 23 Millionen Franken. Damit entlastet der Kanton die Gemeinden erheblich. Die
SP tritt auf dieses Geschäft ein und wird den Grosskredit gutheissen, weil der Regierungsrat damit ein
deutliches Zeichen setzt, wie ernst er es mit dem Lastenausgleich meint, obwohl er – laut dem
Grundsatz "Finanzierung der Spitalbehandlung beim Kanton und stationäre Langzeitpflege bei den
Gemeinden" – dazu in diesem Jahr nicht verpflichtet wäre. Alle allfälligen Forderungen vonseiten
Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertretern, die diese 23 Millionen Franken übersteigen, so wie
sie bereits
in der Kommissionsberatung beantragt wurden, wird unsere Fraktion ablehnen. Wir bitten Sie, dies
ebenfalls zu tun und dem beantragten Grosskredit zuzustimmen.
Haller Stefan, BDP, Wohlen: Auch in der CVP-BDP-Fraktion wurde dieses Geschäft kontrovers
diskutiert. Heute geht es aber nur um maximal 23 Millionen Franken, die wir sprechen wollen und
sollen. Alle anderen Aussagen, Zahlen, Berechnungen sind Teil der Teilrevision Pflegegesetz, welche
wir in 2. Beratung noch vor uns haben. Auch bei uns wurde die 50:50-Lösung diskutiert. Die
Gemeindeammännervereinigung würde es begrüssen, dahingehend Zustimmung zu erhalten. Jedoch
sieht die CVP-BDP-Fraktion klar, dass es ein Grosskredit ist und somit ein fixer Betrag wichtiger ist,
als diese 50-prozentige Aufteilung. Letzten Endes zahlen wir ja alle, ob wir da oder dort zahlen. Egal
ob die Gemeinde zahlt, auch der Kanton zahlt und wir alle zahlen mit. Die Diskrepanz wurde vom
Regierungsrat im AFP für das Jahr 2011 klar erkannt. Er hat daher in dieser Botschaft beschlossen,
die Gemeinden zu unterstützen.
Ich persönlich finde das sehr nobel vom Regierungsrat und würde mich freuen, wenn Sie diesem
Anliegen und dieser Botschaft zustimmen würden.
"Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul!" Bitte unterstützen Sie den Antrag des
Regierungsrats.
Dr. Jenni Felix, GLP, Oberwil-Lieli: Ich kann es vorwegnehmen: Die GLP tritt auch auf diese Vorlage
ein. Meine Vorrednerin hat gesagt oder gefragt: Was kann der Kanton für die Gemeinden tun? Ich
denke, Frau Regierungsrätin Hochuli hat darauf eine Antwort gegeben. Wir finden es richtig, dass man
im Übergangsjahr aus der Kantonskasse die Gemeinden unterstützt. Nicht zuletzt ist kurzfristige
Planungssicherheit ein wichtiges Anliegen und dabei hilft der Kanton. Man muss sich aber fragen, wie
es in der Gesundheitspolitik im Allgemeinen weitergeht. Irgendwie ist das nicht wirklich eine Lösung.
Es wird auch auf die Planung hingewiesen und wie die Kosten sich entwickeln sollen. Wenn in diesem
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29. März 2011
Art. 1214
Umfeld etwas gilt, dann dass alle diese Prognosen immer falsch und immer zu tief waren. Man muss
sich die Frage stellen, warum alles immer auch noch teuerer wird; allein oder wenigstens suggeriert,
dass die Formulierungen allein durch eine andere Organisation teurer werden. Eine Tageszeitung hat
sogar folgende Schlagzeile gebracht: "Anreize zum Sparen verteuern die Prämien!" Also wir sind hier
in einem Umfeld, in dem man endlich daran gehen muss, Lösungen zu suchen und nicht nur mit
"Pflästerli-Politik" zu arbeiten. Aber das ist heute nicht die Frage. Wir können mit gutem Gewissen jetzt
und heute dieser Vorlage zustimmen, aber wir müssen in Zukunft wirklich an langfristigen Lösungen
arbeiten.
Meier Titus, FDP, Brugg: Vieles was Sie in der Botschaft des Regierungsrats zum Grosskredit lesen
konnten, dürfte Ihnen bekannt vorgekommen sein. Im vergangenen Jahr haben wir in der Strategie 1
GGpl festgelegt, dass der Kanton die Akutsomatik und die Gemeinden die Langzeitversorgung
übernehmen sollen. Diese Aufteilung soll bis spätestens Ende 2013 umgesetzt werden. Dabei will
man an der aktuellen gesamthaften Lastenverteilung zwischen Kanton und Gemeinden festhalten, mit
anderen Worten: Die Mehrbelastung – es geht nicht um eine Entlastung – bei Kanton und Gemeinden
soll unter dem Strich ausgeglichen sein. In der Detailbetrachtung fällt auf, dass die Einführung der
Neuordnung der Pflegefinanzierung und der Spitalfinanzierung zeitlich verschoben ist. Diese
Verschiebung führt dazu, dass im laufenden Jahr 2011 die Gemeinden durch die Übernahme der
Restkosten im Pflegebereich eine stärkere Mehrbelastung aufweisen als der Kanton. Um diese
einmalige, einseitige Zusatzbelastung abzufedern, schlägt der Regierungsrat vor, im Jahr 2011 die
Hälfte der voraussichtlichen Restkosten, jedoch maximal 23 Millionen Franken, zu übernehmen. Die
FDP begrüsst diesen Vorschlag grundsätzlich. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es nur um
eine Abfederung des Kostenanstieges geht. In den nächsten Jahren werden die Gesundheitskosten
die öffentliche Hand noch viel stärker belasten. Wie stark diese Belastung ausfällt und über welches
Portemonnaie die Bürgerinnen und Bürger – sei es jenes als Prämienzahler oder jenes als
Gemeindebürger oder jenes als Kantonsbürger –, diese Mehrkosten tragen müssen, ist heute noch
unklar.
Es kommt mir in diesem Zusammenhang immer wie das Bild einer Höhle vor: Der Kanton geht
zusammen mit den Gemeinden in eine dunkle Höhle. Man hat eine kleine Kerze dabei und versucht
gemeinsam vorwärtszukommen. Immer wenn man an eine Wand kommt, trifft man wieder auf andere
Zahlen und stellt erstaunt fest, dass diese Zahlen höher sind als zuvor angenommen. Man könnte
diese Höhe der Zahlen auch mit der Länge des Ganges gleichsetzen. Wir wissen immer noch nicht,
wann wir am Ende dieses Tunnels Licht haben und sagen können: Jetzt haben wir endlich Klarheit
und können auf verlässlichen Zahlen basieren.
Die FDP hat den Zusatzantrag von Vreni Friker diskutiert. Die grosse Mehrheit wird diesen Antrag
unterstützen, aus der Überzeugung heraus, dass wir es hier mit Restkosten zu tun haben, deren Höhe
komplett unbekannt ist und die bei jeder Schätzung wieder höher ausfallen. In dieser Hinsicht ist es
uns wichtig, dass wir "geteiltes Leid gleich halbes Leid" übernehmen. Wir unterstützen
grossmehrheitlich den Zusatzantrag und treten auf diese Vorlage ein.
Gautschy Renate, FDP, Gontenschwil: Die Neuordnung der Pflegefinanzierung soll die Gemeinden im
Übergangsjahr 2011 – und wir sprechen nur vom Übergangsjahr 2011 – mit Mehrkosten von 46
Millionen Franken belasten. Nach konstruktiven Gesprächen zwischen dem Regierungsrat und der
Gemeindeammännervereinigung konnte erreicht werden, dass im Übergangsjahr die Restkosten von
46 Millionen Franken geteilt werden, das heisst, mit je 23 Millionen Franken für den Kanton und die
Gemeinden.
Die Gemeindeammännervereinigung hat sich am Anhörungsverfahren beteiligt und mit Schreiben vom
25. Januar 2011 Frau Regierungsrätin Susanne Hochuli mitgeteilt, dass der Vorstand der GAV sich
vollumfänglich mit der Vorlage einverstanden erklären kann, mit dem einzigen Vorbehalt, dass
anstelle des fixen Betrages von 23 Millionen Franken von der Hälfte der Restkosten gesprochen
werden sollte. Wir haben damit begründet, dass so allfällige Mehr- oder Minderkosten auch
gleichmässig
aufgeteilt
werden
können.
Leider
ist
die
richtige
Botschaft
der
Gemeindeammännervereinigung im regierungsrätlichen Botschaftstext nicht wiederzuerkennen.
Mit der Neuordnung der Pflegefinanzierung gehen wir einen neuen, noch unbekannten Weg. Es wird
von Annahmen und Hochrechnungen ausgegangen. Die Gemeinden und der Kanton haben grosse
Erfahrung mit der Aufteilung, insbesondere der Restkosten von Sonderschulen und Heimen. Da wird
auch immer von Annahmen ausgegangen. Auch die effektive Kostenaufteilung zwischen Kanton und
Gemeinden findet immer rückwirkend statt. Für mich ist es unlogisch, dass der Regierungsrat am
Kostendach und an der Definition des Kostenverteilers festhalten will, wenn wir die effektiven Kosten
heute noch nicht kennen. Ich stelle keinen separaten Antrag und unterstütze im Namen der
2715
Art. 1214
29. März 2011
Gemeindeammännervereinigung den Antrag von Vreni Friker und bitte Sie, dies auch zu tun.
Hochuli Susanne, Regierungsrätin, Grüne: Ich danke Ihnen für die doch weitgehend konstruktive
Eintretensdebatte zur Beteiligung des Kantons an den Restkosten der Pflegefinanzierung im Jahr
2011. Ich habe den gesamten Titel der Vorlage noch einmal aufgenommen, weil es wichtig ist, dass
wir uns immer wieder vor Augen führen, wovon wir sprechen und wovon eben nicht. Das will heissen:
Wir sprechen vom Jahr 2011 und von gar nichts anderem, wenn wir die Kantonsbeteiligung an den
Restkosten erwähnen. Ich formuliere etwas pointierter: Ausnahmsweise müssen wir uns nicht darum
kümmern, was war und was sein wird. Nein, wir dürfen uns auf das verlassen, was uns im Moment
umgibt. Denn wir haben es im Rahmen des beantragten Grosskredits mit einer befristeten
Spezialfinanzierung beziehungsweise einem einmaligen Grosskredit für das laufende Jahr zu tun.
Es ist sinnvoll, wenn wir uns in diesem Korsett bewegen und dafür schauen, dass wir für diesen
Zeitraum eine gute, kooperative Lösung zwischen Kanton und Gemeinden finden und damit in der
Lastenverteilung zwischen den beiden Staatsebenen eine unschöne Spitze brechen, die durch die
Ungleichzeitigkeit der Einführung der neuen Spital- und Pflegefinanzierung entstanden ist. Darauf
wurde schon hingewiesen.
Zur demografischen Entwicklung: Wir müssen uns keine Sorgen machen, dass die demografische
Entwicklung, die Vreni Friker angesprochen hat, sich im Jahr 2011 mit einem grossen Knall äussern
wird. Die demografische Entwicklung wird uns in den kommenden Jahren noch stark beschäftigen.
Was ich damit sagen will: Der Kanton zeigt gegenüber den Gemeinden mit dieser Vorlage einen
offenkundigen Goodwill oder eben, er schenkt den Gemeinden einen Gaul, wenn er sich in diesem
Jahr an den Restkosten der Pflegefinanzierung beteiligt. Ich bitte Sie eindringlich, dies in Ihrer
Beurteilung des regierungsrätlichen Antrags einfliessen zu lassen.
Ich sage Ihnen auch, das was wir hier machen, schafft kein Präjudiz für die beiden nachfolgenden
Jahre. Dies wäre umso unverständlicher, als Sie schlussendlich mit der Gesundheitspolitischen
Gesamtplanung 2010 strategisch festgehalten haben, dass ab 2014 im Bereich der Spital- und
Pflegefinanzierung eine Entflechtung von Aufgaben und Finanzen stattfinden soll und zwar eine, die
an der aktuellen Lastenverteilung zwischen Kanton und Gemeinden festhält, mit anderen Worten: Wir
werden die Pflegefinanzierung brauchen, um den Ausgleich aufseiten der Gemeinden überhaupt
erreichen zu können. Ich erzähle Ihnen keine Geheimnisse, wenn ich sage, dass wir schon im
kommenden Jahr sehen werden, dass der Kanton von den Folgen der neuen Spitalfinanzierung
stärker betroffen sein wird, als die Gemeinden.
Es wäre vor diesem Hintergrund auch nicht sinnvoll, die Spezialfinanzierung für das laufende Jahr auf
die Jahre 2012 und 2013 auszudehnen. Wir haben die Ausnahmesituation in diesem Jahr. Dieser
Situation wollen wir mit einer guten Lösung gerecht werden. Mögliche Lösungen, wenn es denn
solche überhaupt gibt, um die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen in Grenzen halten zu können,
legt der Regierungsrat in einem Bericht vor, den die FDP mit einem Postulat gefordert hat. Dies wird
nach den Sommerferien der Fall sein.
Dass wir für das laufende Jahr 2011 jetzt eine gute Lösung auf dem Tisch haben, davon ist der
Regierungsrat überzeugt. Erstens erreichen wir für die Mehrbelastungen, die für die Gemeinden in
diesem Jahr anfallen, einen Ausgleich, in dem der Kanton 2011 maximal 50 Prozent der Restkosten
bis zum Gesamtbetrag von 23 Millionen Franken übernimmt.
Zu Titus Meier: Bei den Restkosten haben wir uns nie in einer dunklen Höhle bewegt. Wir haben von
Anfang an von 46 Millionen Franken gesprochen. Dieser Betrag wurde ziemlich genau berechnet. Ich
gebe zu, bei der Spitalfinanzierung bewegen wir uns alle – und zwar alle in der Schweiz – ein wenig in
einer dunklen Höhle. Dafür können die Kantone – weder die Exekutive noch die Legislative – die
Verantwortung nicht übernehmen, schliesslich sind Baserate und Investitionspauschale noch nicht
bekannt. Zweitens zeigen die Berechnungen des Kantons klar, dass das Kostendach so angesetzt ist,
dass sich niemand darüber Sorgen machen muss, die im Volksmund als hälftige Teilung der
Restkosten bezeichnete Regelung sei gefährdet. Jedenfalls gibt es keinen Grund zur Annahme, dass
die beantragten Mittel nicht ausreichen werden, um das zitierte Versprechen einzulösen. Wir erreichen
also, was Sinn und Zweck der Vorlage ist: die Entlastung der Gemeinden in einem schwierigen Jahr,
nicht mehr und nicht weniger.
Ich bitte Sie eindringlich, das in einzelnen Voten erschienene Misstrauen abzulegen und dem
gleichzeitig konstruktiven wie klaren regierungsrätlichen Vorschlag zu folgen.
Wenn nun versucht wird, den Kanton zu noch weitergehenden Verpflichtungen zu zwingen, hält sich
das Verständnis auf der Regierungsratsbank in sehr engen Grenzen. Zum einen weise ich darauf hin,
dass das Entgegenkommen des Kantons nicht einfach ein Klacks, sondern durchaus erheblich ist. Der
Kanton schultert nämlich in der Lastenverteilung mit den Gemeinden im Jahr 2011 44,4 Millionen
Franken mehr, die Gemeinden dagegen bloss 29,9 Millionen Franken. Dies ergibt eine Differenz von
2716
29. März 2011
Art. 1214
immerhin 14,5 Millionen Franken an Mehrbelastung. Zum anderen entsprechen diese 46 Millionen
Franken für die Restkosten nicht einer beliebigen Schätzung, sondern einer nach dem besten Wissen
und Gewissen durchgeführten Berechnung, wobei es in der Natur der Sache beziehungsweise der
Einführung einer neuen Regelung liegt, dass gewisse Annahmen getroffen werden müssen. Drittens
möchte ich mich bei den Gemeindevertretern für den Fehler in der Botschaft auf Seite 19
entschuldigen. Es tut mir wirklich leid. Viertens, falls Sie auf Heller und Pfennig auf der hälftigen
Teilung der Restkosten beharren, schlagen wir auf die 46 Millionen Franken zusätzlich die 7 Millionen
Franken an Ergänzungsleistungen hinzu, die der Kanton ebenfalls aus gutem Willen einfach so bei
sich angesiedelt hat. Dann kämen wir auf insgesamt 53 Millionen Franken und einen neuen Teiler, der
für die Gemeinden wesentlich ungünstiger wäre, als jener, der nun auf dem Tisch des Hauses liegt.
Wenn sich die Gemeindevertreter schon einen Ruck geben sollten, wie Vreni Friker anmahnt, dann
bitte ich Sie, geben Sie sich den Ruck und berechnen Sie die hälftige Teilung auf diesen 53 Millionen
Franken.
Summa summarum bin ich überzeugt, dass der vom Regierungsrat geebnete Weg ein guter, weil
pragmatischer ist. Es ist ein guter Weg, um ein isoliertes Problem gemeinschaftlich und pragmatisch
zu lösen. Ich bitte Sie, dem Antrag des Regierungsrats zu folgen und den Goodwill nicht
überzustrapazieren.
Kurz zu Präsident Kennedy: Diesem Kennedy-Zitat halte ich Folgendes entgegen: Wir halten es in der
Schweiz mit dem Subsidiaritätsprinzip. Ausserdem ist es oft ja gar nicht gewünscht, dass der Kanton
zu viel tut, ausser natürlich, wenn er zahlt.
Die Gemeinden werden mit dem vorliegenden Antrag auf der sicheren Seite sein, wenn es um die
Restkosten im Übergangsjahr 2011 geht, ebenso der Kanton. Nach heutigem Stand der Dinge, wird
es so sein, dass diese neue Ausgabe, die Sie heute beschliessen werden, im Rahmen der
Kantonsrechnung 2011 kompensiert werden kann.
Gautschy Renate, FDP, Gontenschwil: Ich möchte festhalten, dass es nur um das Übergangsjahr
2011 und die Kosten der Restfinanzierung geht. Es wurde eine Riesenvermischung mit der
Spitalfinanzierung der Zukunft gemacht, die noch absolut unklar ist. Die Ergänzungsleistung ist auch
eine Sache der Gemeinden.
Vorsitzende: Eintreten ist unbestritten, wir sind auf die Botschaft eingetreten.
Detailberatung
Roth Barbara, SP, Erlinsbach: Der aus der Mitte der Kommission gestellte Antrag, der jetzt nochmals
vonseiten der SVP gestellt wurde, wurde mit 9 gegen 4 Stimmen abgelehnt.
Dass die Übernahme der anfallenden Restkosten für die stationären Pflegeleistungen in Höhe von
46 Millionen Franken, und nun die – mittels der Beteiligung des Kantons – verbleibenden 23 Millionen
Franken oder auch etwas mehr für die Gemeinden einen grossen Brocken bedeutet, war und ist für
sämtliche Kommissionsmitglieder unbestritten. Die Tatsache, dass mit diesem SVP-Antrag nicht nur
die durch den Grossen Rat verabschiedete Gesundheitspolitische Gesamtplanung, sondern auch das
in 1. Beratung beschlossene Pflegegesetz, wonach die stationäre Akutsomatik Aufgabe des Kantons
und die stationäre und ambulante Langzeitpflege Aufgabe der Gemeinden sein soll, ganz klar
untergraben wird, war schlussendlich ausschlaggebend für die Ablehnung dieses Antrages respektive
für die grossmehrheitliche Unterstützung des Antrages des Regierungsrates.
Vorsitzende: Ich gebe Ihnen das Abstimmungsdispositiv bekannt. Wir haben den Antrag der
Regierung, den werde ich dem Antrag Vreni Friker gegenüberstellen und danach eine
Schlussabstimmung vornehmen.
Eventualabstimmung
Fassung Regierungsrat
Fassung Vreni Friker
54 Stimmen
70 Stimmen
Hauptabstimmung
Der Antrag Friker wird mit 109 Stimmen gegen 1 Stimme gutgeheissen.
Beschluss
Der Kanton deckt im Übergangsjahr 50 % der bis zum 31.12.2011 zu Lasten der Gemeinden
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Art. 1214
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anfallenden Restkosten aus den stationären Pflegeleistungen. Zu diesem Zweck wird als
Zusatzfinanzierung zum Budget 2011 für das Jahr 2011 ein Grosskredit für einen Nettoaufwand von
23 Mio. Franken beschlossen. Reicht der Zusatzkredit nicht, muss der Regierungsrat dem Grossen
Rat einen weiteren Zusatzkredit beantragen.
Fakultatives Referendum
Der Beschluss untersteht dem fakultativen Referendum gemäss § 63 Abs. 1 lit. d der
Kantonsverfassung. Die Staatskanzlei wird mit der Publikation beauftragt.
1215 Interpellation Theres Lepori, CVP, Berikon, vom 30. November 2010 betreffend
Spitalplanung 2012 des Kantons Aargau; Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 0973)
Mit Datum vom 16. Februar 2011 hat der Regierungsrat die Interpellation beantwortet:
Allgemeine Bemerkungen
Am 29. Juni 2010 wurde die Motion der FDP-, CVP-BDP-, SVP- und GLP-Fraktionen vom 19. Januar
2010 betreffend Schaffung rechtlicher Grundlagen zu einem fairen, transparenten und wettbewerblich
organisierten Verfahren für den bedarfsgerechten Leistungseinkauf des Kantons im Bereich der
stationären Grundversorgung überwiesen. Das Departement Gesundheit und Soziales entwickelt
derzeit dementsprechend das Bewerbungsverfahren und stützt sich dabei wie andere Kantone
gemäss Empfehlung der Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) auf die Kriterien
und das Vorgehen des Kantons Zürich in gleicher Sache ab.
1.
Ausgangslage
Auf den 1. Januar 2012 treten massgebliche Veränderungen des Bundesgesetztes über die
Krankenversicherung (KVG) in Kraft. Der Regierungsrat legt in Übereinstimmung mit dem
Bundesgesetzgeber besonderen Wert auf die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen, die im
Rahmen des verfassungsmässig festgeschriebenen Versorgungsauftrags erbracht werden.
Wirtschaftlichkeit und Qualität beziehungsweise das optimale Verhältnis von Preis und Qualität
werden im Rahmen der Erstellung der Spitalliste beziehungsweise der Erteilung von
Leistungsaufträgen beurteilt und kontrolliert. Bei der Planung haben sich die Kantone nach den
Bestimmungen des KVG und der Verordnung über die
Krankenversicherung (KVV) zu richten, insbesondere nach den Art. 39 und 49 KVG, sowie Art. 58a–
58e KVV.
Auch wenn die KVG-Revision sowohl im Bereich der Spitalliste als auch in jenem der
Beitragszahlungen durch die öffentliche Hand entscheidende Parameter setzt, ist der
Handlungsspielraum des Kantons auf dem Feld der leistungsorientierten Spitalplanung nicht zu
unterschätzen.
 Die bedarfs- beziehungsweise angebotsorientierte Spitalplanung einerseits und die hoheitliche
Erteilung von Leistungsaufträgen andererseits, gehören zu den wichtigsten Aufgaben des Kantons
bei der Umsetzung der Spitalfinanzierung gemäss KVG.
 Die Erteilung von Leistungsaufträgen basiert in der Regel auf der gesamtschweizerisch
einheitlichen Tarifstruktur gemäss DRG (Diagnosis Related Groups), wobei der Kanton ein
bestimmtes Leistungsspektrum zur Sicherstellung der (Grund-)Versorgung zur Auflage oder
Bedingung machen.
 Der Kanton kann als Basis für die Zuteilung bestimmter Leistungen Mindestfallzahlen festlegen, die
zum einen der Qualitätssicherung, zum andern der Konzentration des Angebots und damit dem
Gebot der Wirtschaftlichkeit dienen können. Dies gilt insbesondere für die spezialisierten
medizinischen Leistungen.
 Der Kanton kann im Rahmen des Leistungsauftrags ebenfalls Anforderungen in Bezug auf die
Einhaltung von spitalübergreifenden Gebäude- und Geräteplanungen sowie auf das Verfahren für
das Auslösen von Investitionen formulieren.
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Art. 1215
 Die Leistungen der Aus- und Weiterbildung können ebenfalls als Auflagen im Leistungsauftrag
formuliert werden. Über die gemeinwirtschaftlichen Leistungen können weitere Angebote finanziert
werden (zum Beispiel Forschung, universitäre Lehre, Kinderschutzgruppen).
Der Kanton Aargau hat sich mit den Kantonen Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn auf die
Grundkriterien geeinigt, welche für alle vier Partnerkantone verbindlich sind. Diese folgen im
Wesentlichen den Zürcher Grundkriterien und haben lediglich im Bereich der Mindestfallzahlen zwei
Abweichungen, indem in der Nordwestschweiz eine Übergangsfrist von drei Jahren gelten soll und die
Mindestfallzahlen pro Facharzt und nicht pro Institution vorgesehen sind.
Bei den Zuteilungskriterien will sich der Kanton Aargau mit den anderen Nordwestschweizer Kantonen
und dem Kanton Bern auf die Kriterien des Kantons Zürich abstützen und seiner Spitalplanung die
Grundstruktur mit den Basispaketen und den leistungsspezifischen Anforderungen zugrunde legen. Er
ist sich dabei bewusst, dass die Zürcher Spitalstrukturen im Detail nicht mit jenen im Kanton Aargau
identisch sind und suchte deshalb schon früh das Gespräch mit den Zürcher Planern. Es ergaben sich
dadurch bereits einige Anpassungen und einzelne Leistungsgruppen werden diesbezüglich überprüft.
Grundsätzlich sollen keine allzu grossen Abweichungen vorgenommen werden, damit eine solide
Vergleichbarkeit der Leistungserbringung bestehen bleibt. Es ist jedoch beabsichtigt, die Aargauer
Spitalstruktur gebührend zu berücksichtigen.
Bei einem derart wettbewerblich ausgestalteten System muss akzeptiert werden, dass Spitäler Verlust
und Gewinn erzielen werden, aber auch dass bei Spitälern, welche sich in einer wirtschaftlich
schlechten Lage befinden, mit dem Ausscheiden aus dem Wettbewerb gerechnet werden muss.
Zur Frage 1: "Wird das System der Leistungsgruppenzuordnung ohne Veränderungen aus dem
Kanton Zürich übernommen oder ist vorgesehen, die Leistungsgruppen auf die bestehende
Spitalstruktur des Kantons Aargau mit seinem Zentrumsspital (KSA), dem Schwerpunktspital (KSB)
und den in den Regionen verankerten Regionalspitälern auszurichten?"
Einleitend ist zu bemerken, dass das Kantonsspital Baden mit der Gesundheitspolitischen
Gesamtplanung (GGpl) 2010 neu als Zentrumsversorger gilt, da die Kategorie Schwerpunktspital nicht
mehr existiert. Mitte November wurde in Absprache mit dem Kanton Zürich einige Änderungen an der
Kriterienliste vorgenommen und den Spitälern kommuniziert. Die Analyse der Falldaten aller Aargauer
Spitäler aus dem Jahr 2009 wird ergeben, ob weitere Anpassungen notwendig sind. Diese
Überlegungen müssen immer vor dem Hintergrund erfolgen, als die bisherigen Analysen nur auf Basis
von AP-DRG 6.0 und kantonal unterschiedlichen Abgeltungssystemen gemacht werden können,
welche es 2012 nicht mehr geben wird. Ab dem 1. Januar 2012 wird Swiss-DRG 1.0 gelten und die
Bedingungen für alle Schweizer Spitäler werden identisch sein, was zu gewissen Verschiebungen
gegenüber heute führen wird. Leider darf die Swiss-DRG Version 1.0 erst im Sommer 2011 erwartet
werden, weshalb aktuell nur mit Näherungsmodellen gearbeitet werden kann. Der Kanton strebt auf
2012 eine gute Vergleichbarkeit zwischen den Kantonen an und dabei sind interkantonal gut
abgestimmte Anforderungen an die Leistungen von grossem Nutzen.
Zur Frage 2: "Ist sich der Regierungsrat bewusst, dass es bei einem stark reduzierten
Leistungsangebot für die Regionalspitäler schwierig wird, "leichtere" Fälle optimal zu versorgen, da die
Regionalspitäler als Arbeitgeber für gut qualifizierte Ärzte und Fachpersonen nicht mehr attraktiv
sind?"
Mit der neuen Spitalfinanzierung wird nicht nur eine Zentralisierung von spezialisierten Leistungen
angestrebt, sondern unter dem Titel einer optimalen Nutzung der Infrastrukturen auch eine
Auslagerung von Leistungen der Grundversorgung aus den Zentrums- in die peripheren Spitäler.
Dadurch sollen sich die absoluten Fallzahlen nicht verschieben, sondern die Casemix-Indizes
(Mittelwerte der Kostengewichte aller Fälle eines Spitals) der Häuser in dem Sinne verändern, als der
Index bei den Zentrumsspitälern etwas zunimmt, während er bei den Regionalspitälern etwas
abnimmt. Dies entspricht dem Grundgedanken des DRG-Systems. Dieses führt durch Multiplikation
des Grundpreises (Baserate) mit dem jeweiligen Kostengewicht zum Fallpreis, welcher damit dem
Aufwand für die entsprechende Behandlung gerecht wird. Es ergibt sich dabei von selber eine höhere
Abgeltung komplexerer Fälle.
Erfüllen Leistungserbringer die generellen und leistungsspezifischen Bedingungen, haben sie gute
Aussichten, jedoch keine Garantie für einen Leistungsauftrag im Rahmen der Spitalplanung 2012. Es
muss jedoch bei einem derart wettbewerblich ausgestalteten System akzeptiert werden, dass Spitäler
welche sich in einer wirtschaftlich schlechten Lage befinden an Attraktivität verlieren, Verluste erzielen
und mit dem Ausscheiden aus dem Wettbewerb rechnen müssen.
2719
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Zur Frage 3: "Ist sich der Regierungsrat der Gefahr bewusst, dass die Patienten (teilweise durch die
Hausärzte gesteuert) in den Randgebieten nach Ausserkantonal abwandern (z. B. im unteren Fricktal
nach Basel und im Freiamt nach Zürich/Zug/Luzern), wenn das lokale Spital nur noch einen Teil der
Grundversorgung anbieten darf?"
Nach wie vor werden die Regionalspitäler die ganze Basisversorgung anbieten können, so dass keine
Abwanderung aufgrund einer Leistungsbeschränkung zu befürchten ist.
Zur Frage 4: "Für die Strukturkriterien (siehe Bericht Versorgungskriterien Seite 6) sind keine
Übergangsfristen vorgesehen; die Umsetzung erfolgt per 1.1.2012. Ist sich der Regierungsrat
bewusst, dass damit ein teilweises Berufsverbot für Ärzte in bestehenden Anstellungsverhältnissen in
den Regionalspitälern erfolgt?"
Da schon heute in den Regionalspitälern in erster Linie eine gut ausgebaute Basisversorgung
angeboten wird und die Zahl der neu zentral durchzuführenden Behandlungen wie oben erwähnt nur
gering ist, sind keine wesentlichen Einschränkungen in der Berufstätigkeit von Spezialärztinnen und
Spezialärzten an Regionalspitälern zu erwarten.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Verwendung des Begriffs "Berufsverbot" in diesem
Kontext missverständlich ist. Bei den Medizinalberufen ist das Berufsverbot die strengste
Disziplinarmassnahme (Art. 43 Medizinalberufegesetz, MedBG, § 24 Gesundheitsgesetz, GesG),
welche an massive Verfehlungen knüpft und darin besteht, dass der Beruf für das ganze oder einen
Teil des Tätigkeitsspektrums nirgendwo mehr ausgeübt werden darf.
Zur Frage 5: "Eine Umsetzung der vorliegenden Spitalplanung führt zu einer Zentralisierung der
"mittelschweren" Fälle in das Zentrums-/Schwerpunktspital. Sieht der Regierungsrat vor, im Gegenzug
"leichtere" Fälle aus den Zentren in die Region zu steuern, was aus Kostengründen angebracht
wäre?"
Die Zentralisierung findet mit den heute vorhandenen Planungswerten nur in geringem Ausmass statt
und wurde bereits entsprechend beschrieben. Der Regierungsrat erachtet es als wünschbar, die
Grundversorgung in periphere Spitäler mit einer günstigeren Kostenstruktur abzugeben, soweit diese
Versorgung nicht in der Pflicht der Zentrumsspitäler im Rahmen deren Leistungsauftrag, zum Beispiel
in der Notfallmedizin, zu sehen ist und die Kapazitäten es zulassen. Ein strukturiertes Vorgehen mit
Schwerpunktbildungen bezüglich Zentrums- und Grundversorgung ist durchaus erwünscht und
erfordert eine entsprechende Planung unter den Partnern.
Zur Frage 6: "Die Spitalplanung nach Zürich gibt vor, dass für eine Behandlung, z. B. Darmspiegelung,
im Spital eine Intensivpflegestation Level 2 vorhanden sein muss, während die gleiche Behandlung in
der Praxis eines Facharztes ohne solche Vorgaben erbracht werden kann. Ist sich der Regierungsrat
bewusst, dass dies nicht nur einer Wettbewerbsverzerrung gleich kommt, sondern auch
kostentreibend wirkt?"
Diese Frage stellt sich bei der Betrachtung des Zürcher Systems sofort und klärt sich erst, wenn sich
das zentrale Element der Konstruktion der Leistungsgruppen zu erkennen gibt. Die Leistungsgruppen
sind in aller Regel aus mehreren Diagnosen und Behandlungen beziehungsweise der Kombination
von einem oder mehreren dieser Elemente zusammengesetzt. Fokussiert man nun auf eine einzelne
Diagnose oder Therapie, entsteht der Eindruck, an sich einfache Zustände oder Prozeduren würden
unnötig komplexe Infrastrukturen erfordern. Dies ist jedoch nicht so, sondern gewisse einfache
Eingriffe können dann in eine Leistungsgruppe mit höheren Infrastrukturanforderungen gelangen,
wenn diese Eingriffe in Kombination mit anderen Diagnosen oder Behandlungen zum Bestandteil
eines komplexen Falls werden. Einfache Eingriffe, welche auch ambulant in einer Praxis durchgeführt
werden können, unterstehen als alleinige Leistung aber niemals der Pflicht, auf einer Intensivstation
durchgeführt zu werden.
Zur Frage 7: "Ist sich der Regierungsrat bewusst, dass er bei einer Übernahme der Kriterien aus dem
Kanton Zürich die Spitallandschaft Aargau schwächt? Dies weil er die Ertragssituation der
Regionalspitäler nachhaltig schwächt, die Zentrumsspitäler andererseits kaum in der notwendigen
Geschwindigkeit die erforderlichen Kapazitäten aufbauen können. Dies führt zwangsweise zu einer
Abwanderung in die umliegenden Kantone."
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Der Regierungsrat ist sich der Folgen bewusst, welche eine Übernahme der Kriterien in ihrer
ursprünglichen Form aus dem Kanton Zürich hätte. Allerdings wurden die Anforderungen inzwischen
auch in Zürich angepasst und die Aargauer Strukturen werden bei der Gestaltung der Spitallisten
berücksichtigt.
Die Kosten für die Bearbeitung dieses Vorstosses betragen Fr. 921.–.
Lepori-Scherrer Theres, CVP, Berikon: Ich danke dem Departement für die Beantwortung meiner
Fragen betreffend der Leistungsgruppenzuordnung beziehungsweise Aktualisierung der Spitallisten
gemäss KVG für das Jahr 2012.
Die Ausführungen zu den Kriterien aus dem Kanton Zürich beruhigen dahingehend, dass sich der
Aargauer Regierungsrat bewusst ist, welche Folgen eine Übernahme der Kriterien aus dem Kanton
Zürich in seiner ursprünglichen Form für unser Versorgungsnetz gehabt hätte. Die Anpassung an die
sehr erfolgreichen Aargauer Strukturen bei der Gestaltung der Spitallisten erachte ich als zwingend
notwendig. Ich stimme dem Regierungsrat zu, dass in Übereinstimmung mit dem Bundesgesetzgeber
besonderen Wert auf Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen gelegt werden muss. Es geht um
Wirtschaftlichkeit und Qualität in Bezug auf das optimale Verhältnis von Preis und Leistung. Die
Ausführungen zu den einfachen Eingriffen in Kombination mit anderen Diagnosen, welche zum
Bestandteil eines kompletteren Falles führen und infolgedessen höhere Anforderungen an die
Infrastruktur stellen, leuchten ein. Ein flächendeckendes Aufrüsten an Intensivstationen in allen
Spitälern wäre aber meines Erachtens ein enormer Kostentreiber, der sich weder aus
Sicherheitsgründen noch unter dem Aspekt des gesunden Menschenverstandes rechtfertigen liesse.
Abschliessend möchte ich nochmals festhalten, dass die grossartig vernetzte und auf die Bevölkerung
zugeschnittene Spitallandschaft Aargau mit all ihren regionalen Anbietern künftig auf keinen Fall
geschwächt werden darf. Eine Abwanderung in die umliegenden Kantone darf einerseits aus der
Verantwortung gegenüber unserer Bevölkerung nicht stattfinden, wie auch absolut nicht aus
Kostengründen. Eine Optimierung der Prozesse und noch engere Verknüpfung unter den Anbietern ist
aber zu begrüssen. Gerne weise ich nochmals auf die Regionalspitäler hin, welche mit ihrem heutigen
Leistungsangebot einen wichtigen Beitrag zur medizinischen Versorgung der Aargauer Bevölkerung
erbringen. Festzuhalten ist auch, dass die Regionalspitäler einem Bedürfnis der Patientinnen und
Patienten entsprechen, die Fallzahlen belegen dies. Diese Leistungen werden in sehr guter Qualität
und signifikanter Anzahl ausgewiesen und zudem ausserordentlich ökonomisch erfüllt. Die
Regionalspitäler betreuen ihre Patientinnen und Patienten bei medizinischer Notwendigkeit in der
intermediatecare Station, dies erlaubt eine qualitativ einwandfreie medizinische Behandlung und zwar
verantwortungsvoll und zu vertretbaren Kosten. Daran sollte nichts geändert werden. Mit der
Beantwortung der Fragen bin ich nur teilweise zufrieden.
Vorsitzende: Die Interpellantin ist teilweise zufrieden. Das Geschäft ist erledigt.
1216 Anpassung des Richtplans; Festsetzung des regionalen Depo-niestandorts (Erweiterung
“Weid-Banacker”) für unverschmutztes Aushubmaterial in Beinwil (Freiamt) (Kapitel E 3.2,
Beschluss 3.5); Eintreten; Abweisung Rückweisungsantrag
(Vorlage des Regierungsrats vom 26. Januar 2011)
Vorsitzende: Für die Kommission referiert Oliver Flury, Lenzburg.
Flury Oliver, SVP, Lenzburg, Vizepräsident der Kommission UBV: Zur Ausgangslage: Die Deponie für
unverschmutztes Aushubmaterial in Beinwil (Freiamt) ist beinahe aufgefüllt. Die Deponie "Au" in
Mühlau, die vor knapp zwei Jahren im Grossen Rat gutgeheissen wurde, hätte die Nachfolgedeponie
in der Region Oberes Freiamt werden sollen. Durch das Volks-Nein musste die Situation überdacht
werden. Damit auch künftig in der Region Oberes Freiamt die Möglichkeit besteht, unverschmutztes
Aushubmaterial regional zu deponieren, soll die bestehende Deponie "Weid-Banacker" um
1,4 Millionen Kubikmeter Festmass erweitert werden. Die Repla Oberes Freiamt sowie die Gemeinde
Beinwil haben daher formell einen Antrag für eine entsprechende Richtplananpassung gestellt.
Zur Beratung in der Kommission: Die Kommission für Umwelt, Bau, Verkehr, Energie und
Raumordnung hat die Vorlage an ihrer Sitzung vom 3. März 2011 beraten. Eintreten war unbestritten.
In der Kommission herrschte zudem weitgehend Einigkeit darüber, dass ein Deponiestandort im
Oberen Freiamt ökonomisch sowie ökologische sinnvoll ist und daher die geplante
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Art. 1215
29. März 2011
Deponieerweiterung zweckmässig und sinnvoll sei.
Es wurde der folgende ergänzende Antrag gestellt: "Streichung der Beschränkung der Betriebsdauer
gemäss Punkt 9.: Anforderungen und Massnahmen für die nachgeordneten Verfahren; Beschränkung
der Betriebsdauer und des Einzugsgebiets (siehe Seite 12 der Botschaft)."
Als Argument wurde angefügt, dass, wenn schon der Deponieraum knapp sei, man der Deponie
Sorge tragen soll, damit diese möglichst lange ihren Dienst tun kann. Demgegenüber vertrat die
Mehrheit den Standpunkt, dass eine Deponie mit einem klaren Zeitziel zu versehen sei und damit
auch der Bevölkerung der Zeithorizont klar ist.
Zu den Abstimmungen in der Kommission (13 Anwesende):
• Antrag 1 (Richner) wurde mit 11 Stimmen gegen 1 Stimme, bei 1 Enthaltung, abgelehnt.
• Der Antrag der Botschaft wurde mit 12 zu 0 Stimmen, bei 1 Enthaltung, angenommen.
Zum Antrag der Kommission: Die Kommission für Umwelt, Bau, Verkehr, Energie und Raumordnung
(UBV) beantragt dem Ratsplenum Eintreten und Beschlussfassung gemäss den Anträgen in der
Botschaft des Regierungsrats.
Eintreten
Vorsitzende: Ich informiere Sie, dass sich Milly Stöckli, Muri und Jean-Pierre Gallati, Wohlen, für die
Dauer der Beratung dieses Geschäfts nach Massgabe von
§ 30 Abs. 1 lit. a des Geschäftsverkehrsgesetzes in den Ausstand begeben.
Für einen Antrag auf Rückweisung gebe ich das Wort an Sämi Richner, Auenstein.
Richner Sämi, EVP, Auenstein: Im Namen der EVP-Fraktion stelle ich Ihnen folgenden
Rückweisungsantrag, den Sie bereits vor einer Woche per Mail erhalten haben: "Das Geschäft 11.33
Deponiestandort Beinwil (Freiamt) sei an den Regierungsrat zurückzuweisen mit der Aufgabe, dem
Parlament eine Lösung unter Einbezug des benachbarten Waldes vorzulegen mit einem minimalen
Fruchtfolgeflächenverlust und ohne Waldflächenverlust. Der Vorschlag kann in zwei oder mehr
aufeinander abgestimmte Etappen erfolgen."
Zur Begründung: Ich bin der Auffassung, wir müssen sehr gut überlegen, was wir mit unserer Natur
und Umwelt machen. Besonders der Boden ist nicht vermehrbar. Wir müssen aufpassen und Sorge
zu den Fruchtfolgeflächen und zum Wald geben. Man muss beides anschauen. Wir sind es
insbesondere unseren Kindern schuldig, denen wir das, was wir in der Natur beanspruchen oder eben
nicht beanspruchen, hinterlassen.
Beim Vorbereiten der Botschaft 11.33 ist mir sofort aufgefallen, dass für diese Deponie mit
"sauberem" Aushub ein Fruchtfolgeflächenverlust von 2,3 Hektaren für immer in Kauf genommen wird.
Das kann doch nicht sein, es muss doch andere Lösungen geben. Ich habe mir ein Luftbild besorgt,
denn in den Unterlagen ist praktisch nichts dazu vorhanden. Ich wollte sehen, was für ein Loch dort
aufgefüllt wird. Im Luftbild wurde klar, dass man ein freies Feld auffüllen und einen Hügel aufschichten
will.
Daneben liegt ein relativ breites Stück Wald.
In der Kommissionssitzung sind Erklärungen, warum es genau so sein soll, ungenügend und
unbefriedigend gewesen. Auch bezüglich der steilen Böschung konnte keine Antwort zur künftigen
Bewirtschaftung gemacht werden. Ich habe mich deshalb der Stimme enthalten.
Nach der Kommissionssitzung hat mir die Sache keine Ruhe gelassen. Ich habe weiter evaluiert und
mit diversen Fach- und Ortskundigen diskutiert. Das Resultat kennen Sie. Es gibt Lösungen praktisch
ohne Fruchtfolgeflächenverlust, wenn man den benachbarten Wald einbezieht. Zur Behauptung der
Wald werde geopfert: Das ist natürlich falsch. Die Rodung ist ja nur temporär.
Warum kann man diesen Weg nicht auch bei einer Deponie mit sauberem Aushub beschreiten, wenn
man dies bereits bei Kiesgruben macht? Im Gespräch mit anderen Grossräten wurde die Kiesgrube
Bremgarten erwähnt. Diese Kiesgrube wandert: Vorne wird Wald abgeholzt und hinten wieder
aufgeforstet. Die Kiesgrube Lenzburg liegt auch im Wald. Hinterher wird wieder rekultiviert und es
kommt dort ein bisschen mehr Natur hinein. Auch in Schöftland liegt eine Kiesgrube im Wald, die
hinterher wieder aufgeforstet wird. In Gränichen ist das auch der Fall, wenn ich richtig liege. Warum
soll dies mit einer Deponie mit sauberem Aushub nicht möglich sein?
Im Wald wird es eine Schneise geben, ungefähr wie wenn ein künstlicher "Lothar" durchgegangen
wäre. Selbst beim Sturm Lothar hat man gesagt, dass die Waldschäden für die Biologie und gewisse
Pflanzen eine Chance waren. Für die Biodiversität ist das gar nicht so schlecht. Vor allem ist es
langfristig gesehen so, dass wir gleich viel Wald haben werden.
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Es ist noch ein neues Argument für die Rückweisung aufgetaucht. Offensichtlich hat es einen groben
Fehler in der Botschaft, denn unter Punkt 6.5 "Mitwirkungsverfahren" steht: "Der Gemeinderat Auw
(Gemeindebann grenzt unmittelbar an die Deponie) stimmt der Deponieerweiterung und der
erforderlichen Standortfestsetzung im Richtplan zu. Weitere Eingaben erfolgten im Rahmen der
Mitwirkung keine." Das habe ich auch gelesen und gedacht, gut, dass es sonst keine Einwände gibt.
Aber offensichtlich stimmt diese Aussage nicht. Es hat sich eine Person, die eine Eingabe gemacht
hat, an mich gewendet. Ich wollte etwas Konkretes vorzuweisen haben und er hat mir einen Beweis
geschickt, den ich an Sie alle weitergeleitet habe. Es gab also eine Eingabe. In der Botschaft steht
etwas anders. Wir haben aufgrund der Botschaft einen Vorentscheid in der Kommission getroffen. Die
Grundlagen dazu waren aber nicht richtig. Wenn Sie nun sagen, das sei nur ein geringer Fehler, dann
erwidere ich: Nein, das ist kein geringer Fehler. Gerade im eidgenössischen Raumplanungsgesetz
nimmt die Mitwirkung einen grossen Stellenwert ein. Die Mitwirkung ist sehr wichtig, deshalb ist es
kein vernachlässigbarer Fehler.
Ich empfehle Ihnen als besten und schnellsten Weg die Rückweisung. Die Rückweisung initiiert, dass
man zwei Etappen macht und den Wald miteinbezieht. Es dauert sicher etwas länger, bis man die
Bewilligung im Bereich Wald hat, deshalb kann man mit der andern Etappe beginnen. Wichtig ist,
dass beide Etappen aufeinander abgestimmt werden.
Keller Martin, SVP, Obersiggenthal: Wir bedauern den formellen Fehler in der Botschaft, da nicht alle
eingetragenen Anhörungen aufgeführt wurden. Wir verlangen vom Regierungsrat und der Verwaltung
mehr Seriosität bei ihrer Arbeit, damit das in Zukunft nicht mehr passiert.
Der Rückweisungsantrag von Sämi Richner beweist einmal mehr die fundamentale Opposition gegen
alles, was mit grösseren Bauvorhaben wie Deponien und Strassenbau zu tun hat, ausser es dient
ausschliesslich dem öffentlichen Verkehr, dann werden alle Bauvorhaben locker akzeptiert. Das
Obere Freiamt hat nach der Ablehnung der Deponie Au in Mühlau nun einmal schlicht und ergreifend
keine Deponiemöglichkeiten mehr. Eine Rückweisung würde unweigerlich zu erheblichem
Mehrverkehr ins Birrfeld oder ins Limmattal führen. Genau dieses Beispiel beweist einmal mehr, dass
gewisse Kreise beziehungsweise Personen das Wort Ökologie und Umweltgedanken nur als Vorwand
für ihre Verhinderungspolitik gebrauchen. Ebenfalls machen sie sich keine Gedanken über eine
funktionierende Wirtschaft; nein, es werden die Steuerzahler noch mit Füssen getreten. Ich dachte
eigentlich, das Kürzel EVP stehe für so etwas wie Nächstenliebe, aber eigentlich heisst es
Eidgenössische Verhinderungspartei. Auch der Zeitpunkt betreffend Medienwirksamkeit scheint recht
gut gewählt zu sein, wäre doch ein Votum diesbezüglich seit über 2 Monaten möglich gewesen. Eine
Beschwerde ist ja gar nicht möglich, da es ja noch gar keinen Entscheid gibt. Gäbe es das Wort
Wendehals noch nicht, wäre es hiermit erfunden. Stand vor einer Woche das Thema FFF
(Fruchtfolgefläche) im Vordergrund, steht heute plötzlich die Beschwerde und die Waldrodung im
Vordergrund, so schnell können die Zeiten, die Themen ändern.
Vielleicht brauchen gewisse Personen etwas mehr Zeit um ihre generelle Verhinderungsstrategie
aufzubauen oder einfach um das Thema zu kapieren. Ich hoffe im Namen der grossmehrheitlichen
SVP-Fraktion, dass eine Mehrheit im Grossen Rat den Umweltgedanken ernst nimmt und dem
Rückweisungsantrag Sämi Richner nicht zustimmt. Ich danke für Ihre Unterstützung.
Agustoni Roland, GLP, Rheinfelden: Nach dem Votum von Martin Keller fällt es mir schon etwas
schwer, dieser Vorlage trotzdem zuzustimmen. Aber aufgrund der Tatsache, dass im Freiamt keine
offenen Kiesabbaustellen oder ähnlich geeignete Gruben vorhanden sind, die aufgefüllt werden
könnten, bin ich der Meinung, und mit mir die Mehrheit der GLP, dass dieser vorliegende Vorschlag
unterstützt werden kann. Es wird dabei nicht, wie Sämi Richner ausgeführt hat, ein Berg
aufgeschüttet. Vielmehr soll der Abhang Richtung Wald teilweise aufgefüllt werden. Dass dabei das
Gebiet nicht einsehbar ist und das unverschmutzte Aushubmaterial ohne lange Transportwege und
ausschliesslich aus der Region abgelagert wird, sind weitere Vorteile dieser Vorlage. Da insbesondere
auch die Anwohnergemeinde Auw, der Regionalplanungsverband und der Nachbarkanton Zug nichts
Gegenteiliges zu dieser Deponie einzuwenden haben, und diese zudem innert 10 Jahren ab
rechtskräftiger Betriebsbewilligung aufgefüllt und rekultiviert werden muss, spricht ebenfalls für eine
Zustimmung. Als grosser Wermutstropfen verbleibt die Tatsache, dass tatsächlich 2,3 Hektaren
Fruchtfolgeflächen verloren gehen. Dass die Deponieflanken bei der Rekultivierung mittels
ökologischen Ausgleichsflächen gestaltet werden müssen, mindert diesen Verlust dabei wenigstens
ein wenig. Im Gegensatz zum Verlust von wertvoller Fruchtfolgefläche für die Erstellung einer
Waschanlage kann dieser Verlust hier eher akzeptiert werden, da wie erwähnt der Nutzen für die
Allgemeinheit weitaus grösser ist. In diesem Sinne bitte ich Sie, dieser Richtplananpassung
zuzustimmen.
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Andermatt-Bürgler Astrid, SP, Lengnau: Wie schon in der Kommission vertreten, unterstützen wir
diesen Deponiestandort. Es geht um unverschmutztes Aushubmaterial und um die Lösung eines
akuten Deponienotstands. Natürlich wäre es besser, den Kreislauf an Ort und Stelle zu schliessen,
keine oder kleine Transportwege zu haben, das heisst, das Aushubmaterial vor Ort zu verwenden.
Doch das geht ja leider selten. Immerhin versuchen wir mit der Wahl dieses Standorts, das Problem
regional, ja kleinräumig zu lösen. Dass Aussagen zu Mitwirkungsverfahren in der Botschaft nicht
stimmen, ist ärgerlich. Unseres Erachtens wäre es das Beste, das Traktandum abzusetzen.
Keinesfalls wollen wir Grund geben für Beschwerden. Sämi Richners Rückweisungsantrag können wir
unterstützen, falls der Regierungsrat uns nicht versprechen kann, dass der Fehler rechtlich nicht zu
Beschwerden führen wird.
Köchli Martin, Grüne, Boswil: Die Grünen stehen bei diesem Geschäft wieder einmal in einem
richtigen Dilemma, so wie es im Büchlein steht. Es wurde von Martin Keller schon ausführlich
erläutert.
Auf der einen Seite sind wir uns bewusst, dass die Zeiten, als der Aushub vom Rübenkeller als Stock
für die Hocheinfahrt der Scheune aufgeschüttet wurde, längst vorbei sind. Wir wissen, dass die
Aushubmengen nicht mehr Schaufel und Pickel und Karrette entsprechen, sondern ständig von
grösser und leistungsfähiger werdenden Baggern und Transportfahrzeugen vorgenommen werden.
Manchmal gewinnt man ja wirklich den Eindruck, gewisse Leute träumten von Maschinen, mit denen
man den Aushub für ein Haus in 10 Minuten bewerkstelligen kann. Auf der anderen Seite müsste
unserer Ansicht nach wirklich darüber nachgedacht werden, wie gross denn solche Deponien
angelegt werden sollen. Wir wollen nicht so weit gehen, dass Bauzonen nur noch bewilligt werden,
wenn der anfallende Aushub auf Gemeindegebiet wiederverwertet wird: Man könnte zum Beispiel
einen Landsgemeindehügel aufschichten oder so was. Aber ein wenig könnte man schon von der
Fantasie unserer Vorfahren profitieren, die zugegebenermassen "gezwungenermassen" den
anfallenden Aushub vor Ort zu verwerten wussten. Die Deponie "Feld" in Beinwil wurde 2004 eröffnet
und vor allem als Lösung für den regional anfallenden Aushub verkauft. Inzwischen ist ein Volumen an
Material zusammengekommen, das den Laien staunen lässt und auch einfachste
Überschlagsrechnungen ergeben, dass da der Begriff "regional" sehr grosszügig ausgelegt wurde.
Aus grüner Sicht ist es natürlich nicht das Ziel, dieser Deponieerweiterung zuzustimmen, um unter der
Region einen Rayon zu verstehen, der offenbar bis ins Züricher Glattal reicht. Hier ist vom Betreiber
eine regionale Beschränkung zu verlangen, die diesen Namen verdient. Es kann nicht sein, dass in
einer gewachsenen Kulturlandschaft massive Landschaftsveränderungen in Kauf genommen werden,
einfach um eine Sorge los zu werden. Man muss es schon klar sehen: Hier werden mindestens 2
Kilometer idyllischen Waldrands mit Spazierwegen und freiem Blick aufs Dorf Beinwil und bis zur
Krete des Lindenbergs mit einer bis zu 10 Meter hohen Böschung verstellt. Um solche Eingriffe zu
rechtfertigen, ist die Vorgabe von 15 Prozent Ökofläche ein gut gemeinter und auch guter Ansatz. Die
Steilheit der Böschung ist ein gut gemeinter und auch guter Ansatz, um Kulturlandfläche zu gewinnen.
Es bleibt auch hier die Frage der Menge.
Der Lindenberg – ich kenne diesen Hügel gut – hat ja seinen Namen nicht von den Bäumen, sondern
von dem "linden" Boden, also dem weichen Boden, der durch die überall vorhandenen
Wasseraufstösse entsteht. Es gibt denn auch kaum eine Parzelle – vor allem am Ostabhang des
Lindenbergs –, die nicht mit Drainagen versehen ist und mit Quellaufstössen. Es wird ja auch reichlich
genutzt. Ob solche massiven Aufschüttungen nicht Auswirkungen auf den tieferen Untergrund haben,
müssten die Landbesitzer und die Beinwiler schon selber wissen. An ihrer Stelle würde ich jedenfalls
die in Aussicht stehenden 2 Millionen Franken Entschädigungszahlungen für die Gemeinde vorerst
einstellen, um für geologische Überraschungen und deren Sanierung gewappnet zu sein.
Erosionsschäden an der weniger steilen Böschung, als sie jetzt vorgesehen ist, der nun
fertiggestellten Deponie "Feld" geben da Hinweise. Sie können bei mir ein Foto anschauen, worauf
dies ersichtlich ist.
Apropos Entschädigungszahlungen: Ohne den Beinwilern neidisch zu sein, ist doch zu fragen, ob
denn nicht zumindest zu einem Teil die stark belästigten, wenn nicht gefährdeten Einwohner vom
Dorfteil Rüstenschwil Anrecht auf solche Zahlungen hätten. Diese Anwohner sind nämlich am meisten
betroffen. Das Gebiet Auw ist nur vom Durchgangsverkehr betroffen und Beinwil praktisch überhaupt
nicht. Nach unserem Rechtsempfinden wäre es jedenfalls richtig, wenn den Rüstenschwilern
Entgegenkommen gezeigt würde.
Hier bin ich jetzt nicht sicher, inwieweit wir noch Stellung in der Detailberatung nehmen können. Ein
Anliegen dieser Rüstenschwiler und dieser Person, die einen Einspruch bei der Richtplanänderung
am 22. Dezember 2010 gemacht hat, also einen Tag, bevor das Vernehmlassungsverfahren
abgeschlossen wurde, ist ja, dass da ein Ringverkehr für den Lastwagenverkehr installiert wird. Die
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Begründung lautet, damit sie vom belastenden und gefährdenden Kreuzungsverkehr bei der Einfahrt
Rüstenschwil in die Kantonsstrasse nicht noch weitere 10 Jahre betroffen sind.
Die Grünen treten auf die Vorlage ein. Wir sind aber klar der Meinung, dass man die Nachteile eines
solch massiven Eingriffs klar benennen soll. Wir behalten uns das Recht vor, in der Detailberatung,
falls es dazu Gelegenheit gibt, noch darauf zurückzukommen.
Bachmann-Steiner Regula, CVP, Magden: Die CVP-BDP-Fraktion tritt auf das Geschäft ein und
stimmt der Anpassung des Richtplans zu. Auf die Rückweisung treten wir nicht ein.
Zur Begründung: Sie haben gehört, dass in der Region Oberes Freiamt der Deponieraum wirklich
knapp ist. Um Transportwege kurz zu halten, braucht es eine Deponiemöglichkeit. Wir haben Mühlau
abgelehnt, und nun wurde mit der Erweiterung der Deponie "Feld" in Beinwil eine rasch realisierbare
Lösung gefunden. Zugegeben, es ist eine Lösung in der freien Landschaft. Die Aufschüttung eines
Hügels ist nicht gerade eine elegante Lösung. Wir können sie akzeptieren. In Zukunft sollte man
sicher versuchen, Deponiematerial möglichst an Ort und Stelle abzulagern.
Zu den Fruchtfolgeflächen: Natürlich bedauern wir den Verlust der Fruchtfolgeflächen. Diese
Fruchtfolgeflächen gehen ja nicht auf ewig verloren, sondern werden rekultiviert und wieder der
landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt, zumindest das.
Zum Einwand der Nichterwähnung: Es ist wirklich sehr störend, dass dieser Einwand nicht erwähnt
wurde. Ich habe dazu etwas nachgefragt und gehört, dass der Einwand, es sei im
Mitwirkungsverfahren die Eingabe eines Einwohners übergangen worden, nicht ganz zutrifft. Zwar
wurde dieser Mitwirker nicht in der Botschaft erwähnt, das ist unschön, aber seine Eingaben wurden in
der Behandlung berücksichtigt. Materiell wurden die Eingaben einbezogen, so habe ich es von der
Abteilung Raumplanung erfahren.
Zum Lösungsvorschlag von Sämi Richner: Die Lösung im Wald ist aus meiner Sicht nicht einfach die
bessere Lösung, nämlich Wald gegen Fruchtfolgeflächen abzuwägen, ist gar nicht so einfach.
Zum Wald habe ich noch Folgendes erfahren: Das Areal, welches sich für die Auffüllung eignen
würde, liegt scheinbar auf dem Gebiet der Gemeinde Auw. Die Gemeinde Auw hat sich gegen eine
Deponie ausgesprochen. Also in diesem Fall gäbe es wieder ein sehr langes Verfahren. Deshalb
stimmen wir dem Geschäft zu und lehnen die Rückweisung ab.
Ochsner Bettina, FDP, Oberlunkhofen: Das Geschäft 11.33 wurde in der Kommission intensiv
behandelt und mit 12 Stimmen, bei 1 Enthaltung, angenommen. Die FDP hat sich bereits bei der
Anhörung zur Erweiterung der Deponie positiv geäussert, ebenso in der Kommission.
Ich erwähne einige Fakten, die zu diesem FDP-Entscheid führten: Es handelt sich um
unverschmutztes Aushubmaterial, welches in die Nachfolgedeponie gebracht wird. Es bedingt eine
Verlegung der Strasse auf einer Länge von 300 Metern. Diese Kosten werden durch den Betreiber
übernommen. Es entstehen somit keine Kosten. Die vorgesehene Erweiterung umfasst 1,4 Millionen
Kubikmeter. Die Zufuhr beträgt circa 200 Kubikmeter pro Jahr und umfasst eine Fläche von circa 19,4
Hektaren. Die Betriebsbewilligung wird alle 5 Jahre erneuert und überprüft.
Die Richtplananpassung ist nötig aufgrund des Deponienotstandes, weil die geplante Deponie Mühlau
nicht realisiert werden kann und die bestehende Deponie praktisch aufgefüllt ist und 2011 rekultiviert
wird. Leider ist der Verlust von Fruchtfolgeflächen von circa 2,3 Hektaren unschön. Nach Abschluss
der Deponiearbeiten wird jedoch auch diese Deponie wieder rekultiviert werden. Durch die Anhebung
des Terrains entsteht ein gewisser Verlust von Fruchtfolgefläche. Der Variante durch temporäre
Rodung den Fruchtfolgeflächenverlust zu minimieren, können wir uns nicht anschliessen. Eine
Rodung
ist nicht ohne Weiteres möglich und müsste via Änderung des Waldgesetzes erfolgen. Dies würde
jedoch unter Umständen Jahre dauern und könnte das Deponieproblem nicht lösen.
Die FDP ist unglücklich, dass ein Teilnehmer des Mitwirkungsverfahrens nicht berücksichtigt wurde.
Die FDP bittet den Regierungsrat, mit dem Mitwirkenden Kontakt aufzunehmen und nach machbaren
Lösungen zu suchen. Die FDP ist einstimmig für die Anpassung des Richtplans und die Erweiterung
der Deponie.
Dr. Stüssi-Lauterburg Jürg, SVP, Windisch: Der Ausgang des Geschäfts ist voraussehbar: Wer Erfolg
will, muss dafürsprechen. Der Erfolg ist gewiss nicht zu verachten, aber die Wahrheit ist wichtiger als
der Erfolg! Wir müssen uns als Milizparlamentarier auf die Wahrhaftigkeit der regierungsrätlichen
Botschaften verlassen. In diesem Fall können wir es aber nicht.
Wir lesen auf Seite 9, die Wiederholung ist nötig: "Der Gemeinderat Auw (der Gemeindebann grenzt
unmittelbar an die Deponie) stimmt der Deponieerweiterung und der erforderlichen
Standortfestsetzung im Richtplan zu. Weitere Eingaben erfolgten im Rahmen der Mitwirkung keine."
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Nun haben wir erfahren, dass Herr J. F. mitgewirkt hat. Uns hingegen hat der Regierungsrat diese
Mitwirkung verschwiegen. Wenn nun geltend gemacht wird, Herr F. habe seine Eingabe falsch
adressiert, oder was auch immer, so sollten wir uns an unsere Aargauer Kantonsverfassung § 22 Abs.
2 erster Satz erinnern: "Unbeholfene dürfen in den Verfahren nicht benachteiligt werden."
Die Voraussetzung für die Beratung einer Botschaft ist deren Wahrhaftigkeit. Wenn die Mitwirkung
eines Bürgers unterschlagen wird, dann stellt sich die Frage, was stimmt sonst noch nicht? Heute ist
auch gesagt worden, man habe den Einwänden Rechnung getragen. Können wir uns darauf
verlassen? Ist es wahr? Wenn ich persönlich für die Rückweisung stimme, dann einzig und allein, weil
ich über eine wahrhaftige Botschaft verhandeln will und über nichts anderes, denn die Wahrheit ist ein
zu wichtiges Gut!
Frunz Eugen, SVP, Obersiggenthal: Dem vermeintlichen Deponiestandort, den wir diskutieren, ist eine
unschöne Situation vorausgegangen. Jürg Stüssi hat hier ein Problem beleuchtet, das es sicher zu
berücksichtigen gilt. Es gilt aber genauso zu berücksichtigen, was denn der Inhalt des Einwandes
dieses Mitwirkenden oder vermeintlich Mitwirkenden gewesen wäre. Sind die von ihm vorgebrachten
Argumente im Mitwirkungsverfahren geprüft oder nicht geprüft worden? So wie ich es in Erfahrung
gebracht habe, wurden diese Punkte im Verfahren abgehandelt. Also man kann nicht sagen, es wäre
eine neue Situation entstanden, die wir jetzt neu bemessen müssten. Die gestellten Anliegen wurden
berücksichtigt. Aus diesem Grund können wir zustimmen, auch wenn es unschön ist, und ich die
Meinung von Jürg Stüssi teile, dass jemand, auch wenn er eine falsche Eingabe macht und den
falschen Briefkasten verwendet, die Weiterleitung von Amt zu Amt gewährleistet sein sollte. Das muss
klar und so garantiert sein.
Ich komme noch auf einen anderen Punkt zurück. Martin Köchli hat ausgeführt, was wir noch alles
machen könnten, vor allem bei der Verkehrssituation usw.
Ich möchte festhalten: Wir haben hier ein Richtplanverfahren und kein Baubewilligungsverfahren.
Genau dies gilt es, zu berücksichtigen. Alle diese Massnahmen, die zum Beispiel gegen die
Verkehrsbelästigung usw. getroffen werden sollen, sind möglich. Aber dazu wird ein
Baubewilligungsverfahren folgen. Diesem Umstand haben wir hier Rechnung zu tragen. Ich bitte Sie
im Interesse auch einer ökologischen Bauwirtschaft, die im Freiamt betrieben werden soll, diesem
Standort zuzustimmen.
Richner Sämi, EVP, Auenstein: Zu Martin Keller. Sie haben mich als Fundamentaloppositionsmacher
und Verhinderungspolitiker taxiert. Sie haben die Tabelle auch erhalten. Ich weiss nicht, inwiefern es
Verhinderungspolitik sein soll. Ich habe gemäss Rückweisungsantrag vorgeschlagen, dass die
Deponie anstatt 1,4 rund 2 Millionen Kubikmeter gross werden soll. Einfach unter Einbezug des
Waldes. Dadurch hätte man praktisch keinen Fruchtfolgeflächen- und Waldverlust. Ich unterbreite
einen Vorschlag und das soll Verhinderungspolitik sein? Ich betrachte es mehr als Rhetorik von Ihrer
Seite aus.
Nach meiner Auffassung habe ich einen konstruktiven Vorschlag gemacht. Zudem habe ich
vorgeschlagen, dass man zwei aufeinander abgestimmte Etappen macht, damit sofort eine Etappe
ausgeführt werden kann. Wenn Sie mir trotzdem Verhinderungspolitik unterstellen, dann ist das reine
Rhetorik.
Es sind diverse Varianten diskutiert worden, die nicht in der Kommission vorgestellt wurden. Ich
erwähne in diesem Zusammenhang und als Gegensatz die WSB-Vorlage, wobei diverse Varianten
ganz sauber und super ausgeführt wurden, sodass man praktisch keine Fragen mehr hatte.
Zum Mitwirkungsverfahren: Man kann doch nicht sagen, man habe den Mitwirker berücksichtigt, wenn
gleichzeitig in der Botschaft nichts darüber steht. Wenn in der Botschaft steht, es habe eine Eingabe
gegeben, dann kann ich nachfragen und nachschauen, was in dieser Einsprache oder Eingabe gemacht wurde. Dann sehe ich, was die Betroffenen gesagt haben. Da kann man hinterher nicht einfach
behaupten, es sei eingeflossen und man weiss auch gar nicht wie, das müsste auch noch erklärt
werden. Diese Eingabe ist nicht abschliessend geklärt.
Es wäre klug, den Rückweisungsantrag anzunehmen, aber ich spüre, die Mehrheit entscheidet.
Flury Oliver, SVP, Lenzburg: Ich wiederhole, was ich bereits gesagt habe: Das Eintreten war in der
Kommission unbestritten. Der Antrag der Botschaft wurde mit 12 gegen 0 Stimmen, bei 1 Enthaltung,
angenommen.
Zum wiederholten Male werden neue Anliegen zu Botschaften des BVU erst bei der Beratung im
Plenum vorgebracht, anstatt diese Anliegen in die Kommissionsarbeit einfliessen zu lassen.
Beyeler Peter C., Landammann, FDP: 1. Ich entschuldige mich, dass sich ein Fehler in die Botschaft
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eingeschlichen hat, indem gesagt wurde, es hätte keine Eingaben zur Anhörung gegeben. Das ist ein
Fehler, den wir nicht rekonstruieren können. Die Einsprache liegt mir vor und wurde beantwortet. Es
tut mir leid.
Die Auflage zu diesem Geschäft war zum gleichen Zeitpunkt wie die Gesamtrevision des Richtplans,
bei welchem 750 Eingaben eingingen. In diesem ganzen Stoss ist diese Stellungnahme nicht
aufgenommen worden.
Zur rechtlichen Situation: Wir haben einen Richtplan. Eingaben zum Richtplan im Anhörungsverfahren
sind keine Beschwerden. Sie werden nicht einzeln behandelt und abgetan. Das ist auch nicht üblich,
dass man die Eingaben von Einzelpersonen einzeln aufführt. Beim Richtplan hätte man ansonsten
750 Eingaben einzeln auflisten müssen. Es gibt dafür einen Grund und es steht so auch im Gesetz,
dass man wohl eine Erwähnung oder einen Bericht der hauptsächlichsten Eingaben machen soll, aber
nicht, dass jede Einzelne aufgenommen und begründet wird, was damit geschehen ist.
Zu Astrid Andermatt: So gesehen gibt es ganz klar keine Beschwerdemöglichkeit, weil es kein
Baubewilligungsverfahren ist. Das Baubewilligungsverfahren wird erst noch folgen. Wir werden mit
Herrn F., bevor das Baubewilligungsverfahren in die Wege geleitet wird, Kontakt aufnehmen. Ich
werde mich auch bei ihm dafür entschuldigen, dass wir hier diesen falschen Satz eingebaut haben.
Zu Herrn Stüssi: Nach meiner Auffassung ist die Verfassung nicht verletzt worden, weil es kein
Rechtsverfahren mit Beschwerdemöglichkeit ist. Es ist ein Anhörungsverfahren.
Zum Inhalt: Die Eingaben wurden insofern behandelt, als zu den Themen, die Herr F. aufgeführt hat,
auch in der Botschaft etwas dazu gesagt wird. Er fragte zum Beispiel nach der Herkunft des
Aushubmaterials: Das steht in Kapitel 9. Die Verletzung des typischen Landschaftscharakters wurde
erwähnt. Er hat die Feldhasen erwähnt. Wir haben es von den Ämtern ökologisch bewerten lassen. In
der gesamten Abwägung wurde diese Deponie wirklich in allen Details von allen Abteilungen geprüft,
auch von den Regionalplanungsverbänden und die Gemeinden wurden einbezogen.
Zur Variante Wald. Diese Variante wurde auch untersucht. Die Gemeinde Auw ist strikt gegen diese
Lösung. Wenn eine Gemeinde dagegen ist, dann gibt das ein langes Verfahren. Wir brauchen aber
eine Deponie. Man kann die heutige Deponie fortsetzen. Oder man macht einen 2-3-jährigen
Unterbruch und beginnt wieder von Neuem. Ich bin überzeugt, dass es richtig ist, wenn wir diesen
Standort im Richtplan festsetzen und nicht "baubewilligen". Danach kann ein Bewilligungsverfahren
eröffnet werden.
Die Ausdehnung in den Wald ist durchaus eine Option.
Aber lassen Sie uns nun diesen Punkt setzen, damit wir möglichst schnell das
Baubewilligungsverfahren einleiten können. Im Freiamt wird gebaut. Das Material fällt heute an.
Natürlich können wir es ins Mittelland fahren und viele Kilometer zurücklegen. Es wäre nicht richtig,
wenn wir auf das Geschäft nicht eintreten.
Ich bitte Sie wirklich, den Rückweisungsantrag abzulehnen. Ich werde später noch einige
Begründungen machen können, wenn ich noch ein wenig mehr Zeit von der Frau
Grossratspräsidentin dafür erhalte.
Dr. Stüssi-Lauterburg Jürg, SVP, Windisch: Es ist eben nicht nur das rechtliche Verfahren gemeint.
Ich lese in § 22 Abs. 1:" Die Betroffenen haben in behördlichen Verfahren Anspruch auf rechtliches
Gehör und faire Behandlung." Es sind alle behördlichen Verfahren gemeint.
Der Herr Landammann hat ja gesagt, dass er mit der betroffenen Person sprechen wolle, umso
besser. Nur hätte man uns dann nach Entdeckung des Fehlers dies ja auch mitteilen können, das ist
aber nicht geschehen.
Vorsitzende: Eintreten ist unbestritten.
Abstimmung
Der Rückweisungsantrag wird mit 97 gegen 24 Stimmen abgelehnt.
Vorsitzende: Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit unterbreche ich die Sitzung. Wir treffen uns heute
Nachmittag um 14.15 Uhr.
(Schluss der Sitzung um 12.31 Uhr)
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