161. Grossratsitzung vom 18. Juni 1996

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18. Juni 1996
Art. 1729
161. Sitzung
18. Juni 1996, 14.00 Uhr
Vorsitzender:
Dr. Rudolf Rohr, Würenlos
Protokollführer:
lic. iur. Urs Meier, Staatsschreiber-Stellvertreter
Tonaufnahme/Redaktion:
Norbert Schüler
Präsenz:
Anwesend 176 Mitglieder
(Art. 1729-1734)
Abwesend mit Entschuldigung 23 Mitglieder, ohne Entschuldigung 1 Mitglied
Entschuldigt abwesend: Judith Bigler, Rupperswil; Kerstin Borek, Neuenhof; Martin
Bossard, Kölliken; Stefan Ehrismann, Windisch; Dr. Kurt Fricker, Wohlen; Barbara Hilpert, Oberrohrdorf; Hans-Rudolf Hochuli, Reitnau; Leodegar Huber, Aristau-Birri; Christine Kaderli-Schweitzer, Wettingen; Werner Knörr, Aarau; Esther Küng, Wettingen; Liset
Lämmler, Wettingen; Werner Lanz, Wettingen; Walter Lindenmann, Seengen; Walter Nef,
Klingnau; Wilfried Richner, Rupperswil; Christine Roth-Stiefel, Zetzwil; Martin Sacher,
Schinznach-Dorf; Hans Schneider, Zeiningen; Andreas Schweizer, Untersiggenthal; Josef
Senn, Döttingen; Christian Stebler, Hirschthal; Dr. Max Widmer, Baden
Unentschuldigt abwesend: Heinz Mutti, Wettingen
Vorsitzender: Ich begrüsse Sie zur 161. Ratssitzung der
laufenden Legislaturperiode.
1729 Gesetz über den Bau, den Unterhalt und die Finanzierung der National- und Kantonsstrassen (Strassenbaugesetz); Änderung (Erhöhung der Motorfahrzeugabgabe und Anpassung des Bemessungssystems; Reduktion
der Beiträge der Gemeinden an Innerortsstrecken);
zweite Beratung; Fortsetzung der Eintretensdiskussion,
Detailberatung und Schlussabstimmung
(vgl. Art. 1728 hievor)
Vorsitzender: Ich begrüsse Herrn Viktor Erni, Chef des
Strassenverkehrsamtes.
Kurt Rüegger, Rothrist: Ich wollte eigentlich heute nicht
zum Eintreten sprechen, habe es mir aber nach den vorangehenden Voten anders überlegt. Zu Frau Kuhn: Der "Basar",
den Sie angesprochen haben, ist nur eine unmittelbare Mitwirkung der Betroffenen, also der Zahlenden. Zudem ist der
Regierungsrat bestrebt, einigermassen tragfähige Mehrheiten
zu erhalten. Er muss sich ja irgendwie aus der Affäre ziehen.
Die FPS/SD bietet nach wie vor auch 0 %, aber das ist ein
grundsätzlicher Entscheid: Wir sind gegen eine Steuererhöhung. Die unheilige Allianz: Ich möchte betonen, dass wir
aus entgegengesetzten Gründen gegen eine Erhöhung stimmen werden. Zusätzlich haben wir in der ersten Lesung
verschiedene Prüfungsanträge gestellt, die teilweise überwiesen wurden. Aus diesem Grund können wir heute keinen
Nichteintretensantrag unterstützen, obwohl wir bei der
Schlussabstimmung dagegen sein werden. Zum Verursacherprinzip und den sozialen Kosten: Ich und die regierungsrätliche Seite haben in der Kommission mehrmals
klarzumachen versucht, dass wir das Verursacherprinzip
nicht auf kantonaler Ebene einführen können. Herr Christen,
ich weiss nicht, ob Sie es nicht verstehen können, aber
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meiner Ansicht nach wollen Sie nicht. Zum Vorwurf, der
Schwerverkehr komme zu gut weg: Der Schwerverkehr ist
auch im Kanton Aargau der sogenannte Nutzverkehr. Natürlich belastet der die Strassen vom Gewicht her mehr als die
Personenwagen, aber er leistet bereits heute höhere Beiträge.
Zudem bezahlt der Nutzverkehr auf Bundesebene kräftig in
Sachen Schwerverkehrssteuer. Die ASTAG Aargau hat vor
der zweiten Lesung eine interne Umfrage und eine Abstimmung gemacht und anschliessend mit drei Bedingungen für
eine zehnprozentige Erhöhung beim Nutzverkehr gestimmt.
Die Bedingungen sind teilweise nicht im Gesetz aufgeführt.
Ich werde da noch entsprechend Antrag stellen. Die FPS/SD
wird in der Schlussabstimmung gegen diese Vorlage stimmen, weil sie für uns klar eine Steuererhöhung bedeutet.
Sollte dieses Gesetz im Grossen Rat durchkommen, so hoffe
ich, dass es bei der Volksabstimmung eine gehörige Abfuhr
erfährt.
Hans Bürge, Safenwil: Ich spreche nicht als Vertreter der
EVP-Fraktion, sondern als Einzelvotant. Unser Dorf wird,
wie so viele andere auch, durch die Autobahn zerschnitten.
Da diese aus Geldmangel schlecht unterhalten ist, hat sich
der Lärmpegel im Laufe der letzten Jahre sehr stark erhöht.
Fast tagtäglich werde ich von unserer Bevölkerung mit
Klagen über unzumutbare Lärmbelästigung überhäuft, genau
wie der Regierungsrat. Über ein Jahrzehnt haben wir uns
erfolglos bemüht, den Kanton zur Erfüllung der gesetzlichen
Auflagen zu bringen. Die Lärmschutzverordnung wird
nämlich längst nicht mehr eingehalten. Erst vor kurzem
haben wir den deutlichen Willen bei Regierung und Verwaltung feststellen können, hier Abhilfe zu schaffen. Nun fehlt
das Geld. Wie Sie der Vorlage entnehmen können, wird das
Geld aus den Motorfahrzeugsteuern nicht nur für Neubauten, sondern auch für den Strassenunterhalt gebraucht.
Darunter fallen auch Lärmschutzmassnahmen. Aufgrund des
immensen Druckes unserer geplagten Bevölkerung haben
wir
bereits
erwogen,
den
Kanton
als
Stra-
Art. 1729
sseneigentümer wegen Nichterfüllung gesetzlicher Pflichten
gerichtlich einzuklagen. Wir möchten von diesem Vorhaben
grundsätzlich absehen. Bei einem entsprechenden Urteil
wäre die Zeche von allen Steuerzahlern, auch von den
Nichtautofahrern, zu bezahlen. Ich bitte Sie deshalb im
Namen aller Autobahnanlieger, auf die Vorlage einzutreten
und die massvolle Erhöhung der Steuern zu genehmigen.
Roger Fricker, Oberhof: Ich habe dieser Vorlage nur schweren Herzens und unter gewissen Vorbehalten zugestimmt.
Ich möchte den Herrn Regierungsrat bitten, eine verbindliche Aussage betreffend Rückführung von Strassen zu machen, insbesondere der K 116, der Bözbergstrasse in den
Gemeinden Hornussen und Bözen. Ich möchte Sie bitten,
diese Strasse die nächsten zehn Jahre nicht zu verschmälern,
also keine baulichen Massnahmen vorzunehmen. Aus
grundsätzlichen Überlegungen wäre es mir sonst nicht möglich, dieser Vorlage zuzustimmen.
Daniel Knecht, Windisch: Das engagierte Votum von Frau
Kuhn hat mich zu meinem Votum veranlasst. Dies nahm ja
fast das Ausmass einer angenehmen Märchenstunde an. Frau
Kuhn, es geht hier nicht um das Telefonieren auf Nachbars
Kosten, auch nicht um mehr Strassenbau, sondern um die
Substanzerhaltung unserer Infrastruktur. Der Strassenbau im
Aargau hat sein Schlankheitsprogramm bereits hinter sich
gebracht. 1984 wurde eine Volksinitiative angenommen und
die Alimentierung der Strassenrechnung mit drei Prozent der
Staatssteuer aufgehoben. Diese drei Prozent wären heute
rund 33 Mio. Franken wert, also rund das Doppelte der jetzt
anbegehrten Abgabenerhöhung. Die vom Kanton damals
gesparten drei Prozent sind jetzt wieder konsumiert, und
sicher nicht im Strassenbau. Einmal kommen die Unterhaltsarbeiten, wir werden das auch an anderen Objekten
sehen. Wir dürfen unsere Infrastruktur nicht verlottern lassen. Ich bitte Sie deshalb, auf das Geschäft einzutreten und
der Abgabenerhöhung zuzustimmen.
Regierungsrat Dr. Thomas Pfisterer: Es ist mir heute etwas
Ausserordentliches passiert: Frau Kuhn, ich danke Ihnen
sehr, dass Sie mich zitieren. Ich bin gerne bereit, Ihnen den
Text aufzuschreiben, handsigniert zu übergeben, damit Sie
ihn unter dem Kopfkissen aufbewahren können. Engpassituation auf den Strassen: Die Situation ist genau gleich. Im
laufenden Jahr haben wir ein Neubauvolumen von etwas
über 8 Mio. Franken, und aller Voraussicht nach können wir
in der zweiten Jahreshälfte nicht ein einziges Bauwerk gemäss Strassenbauprogramm beginnen, auch nicht im kommenden Jahr. Das ist leider die Situation. Beim Unterhalt ist
auch wieder etwas geschehen: Wir haben jetzt den Testlauf
EDV zur Optimierung des Unterhalts auf das nächste Jahr
definitiv organisiert. Wir können im nächsten Jahr mit dem
Strada-Programm diesen Zeitpunkt testweise auf den Nationalstrassen N1 und N3 ermitteln. Wir können zum wirtschaftlich optimalen Zeitpunkt mit den Unterhaltsmassnahmen eingreifen und die Kosten maximal senken. Wir haben
im laufenden Jahr auf der N1 Aufwendungen von 1,1 Mio.
Franken. Das sind die Flickarbeiten, die wir täglich, häufig
in der Nacht, vornehmen müssen, damit sich der heutige
Strassenzustand nicht noch weiter verschlechtert. Diese 1,1
Mio. Franken ist Geld, das wir zum Fenster hinauswerfen.
1985 waren es 55'000 Franken im Jahr, 1986 200'000 Franken, jetzt sind wir bei 1,1 Mio. Franken pro Jahr. Das ist
sehr problematisch. Die Spurrinnen-Tafeln mussten wir
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aufstellen, um Haftpflichtprozesse gegen den Staat abzuwehren. Nach wie vor ist es billiger, zu sanieren, als Missstände in Ordnung zu bringen. Wir stehen beim Unterhalt
vor einem Generationenvertrag. Die Frage ist, ob unsere
Generation die Lasten einfach auf die nächste abschieben
kann. Das Problem der Via Mala N1 hat in den letzten
Monaten zu intensiven Diskussionen Anlass gegeben. Ich
wurde mehr als einmal nach Bern eingeladen, um diese
Thematik zu besprechen. (Der Ausdruck "Via Mala" stammt
von Herrn Berz, nicht von mir). Die Vorhaben, die jetzt zur
Diskussion stehen, sind nach wie vor viele. Es vergeht keine
Woche, in der nicht eine Gemeinde, gestützt auf Sorgen der
Anwohner, mit einem Begehren auf Trottoirausbau, Strassenkorrektur oder Unterhaltsmassnahme kommt. Die Liste
wird laufend länger. Von den grösseren Vorhaben, an denen
wir jetzt konkret arbeiten: die Obersiggenthalerbrücke - wo
wir bereit sind, sobald das verwaltungsgerichtliche Verfahren vorbei ist -, die NK 495 in Rheinfelden/Möhlin - vorige
Woche war der Stadtrat Rheinfelden bei uns -, die Autobahnbrücke, die die Stadt Rheinfelden und die Gemeinde
Kaiseraugst entlasten soll, die Sanierung des Bareggtunnels
- nicht sein Ausbau, sondern die versicherungsmässige
Sanierung, die Ostumfahrung Aarau ist in der Auflage, die
Kerntangente Lenzburg unmittelbar davor, die Ennetbadener
Umfahrung ist auch fertig. Dann gibt es Arbeiten, die uns
das Neubauvolumen im nächsten Jahr blockieren, etwa die
N3, die Lärmschutzwand in Neuenhof, ein dringendes
Grossbauvorhaben; die Reussbrücke Sins, die neue Unterführung Gais, die vielen Innerortsprojekte, die ich Ihnen
nicht aufzählen muss, die Eigentrassierung WSB, die BDDoppelspur am Belvedere ist im Gang. Die Bauvorhaben,
die wir dieses Jahr neu angefangen haben, belaufen sich auf
5,58 Mio. Franken. In der zweiten Jahreshälfte waren 3,43
Mio. Franken geplant, das sind doch keine grossen Beträge!
Das ist alles, was wir noch gehofft hatten, aber wir können
das nicht machen. Es wird in der zweiten Jahreshälfte kein
einziges neues Bauwerk begonnen. Die Beiträge des Bundes
sind weiter zurückgegangen. Damit sind Bauvorhaben im
nächsten Jahr in Frage gestellt. Herr Bürge hat recht, sich
für die lärmgeplagten Einwohner an der N1 zu wehren.
Auch hier sind wir seit der ersten Lesung einen Schritt
weiter. Das Konzept für den kantonalen Vollzug ist fertig.
Das Projekt für den Flüsterbelag an der N1 ist auch soweit.
Die Gemeinden sind alle einverstanden. An einem Ort müssen wir noch eine Diskussionsrunde durchführen. Wir haben
wirklich laufend Reklamationen, und ich begreife die Leute.
Es ist aber nicht nur ein Problem des Kantons, sondern auch
des Bundes, weil er diese Lärmschutzmassnahmen nicht ins
Programm aufnimmt. Wir sind auch säumig, das gebe ich
gerne zu. Es gibt keinen Plan des Kantons zur Rückführung,
aber es gibt einzelne Gemeinden, die mit bestimmten Rückbauvorhaben kommen, um den Verkehr in ihren Dörfern
nach Inbetriebnahme der N1 wieder einigermassen tragbar
zu machen. Am letzten Wochenende hatte ich eine diesbezügliche Diskussion an der Baustelle in Umiken. Aber das
sind verständliche Einzelfälle, kein generelles Programm.
Zuerst sparen, ja. Das ist nach wie vor das Programm, Frau
Kuhn, aber wir machen nichts anderes als im öffentlichen
Verkehr. Wir haben massiv reduziert, allein schon von den
Mitteln her. Herr Dr. Rüttimann hat zu Recht darauf hingewiesen. Wir haben eine massive Einbusse der Einnahmen,
da die Steuereinnahmen vollständig weggefallen sind. Das
ist nach wie vor so. Die Überprüfung des Strassenbaupro163
18. Juni 1996
grammes ist für den Regierungsrat abgeschlossen. Wir
haben eine definitive Liste im Richtplanentwurf, die Ihnen
zugestellt wird. Es gibt noch eine weitere Reihe von Projekten, die seit der ersten Lesung reduziert wurden. Das Beispiel Wohlen hat Frau Kuhn erwähnt. Die Gemeinde hat
dort den Anstoss gegeben, das Projekt zu redimensionieren.
Das ist eine gewaltige Einsparung von 4,2 Mio. Franken auf
1,07 Mio. Franken. Das ist erfreulich. Es gibt weitere derartige Projekte. Sogar im Bau reduzieren wir, beispielsweise
mit dem Staffelegg-Ausbau Densbüren in der Bauphase
noch einmal um 110'000 Franken und in Othmarsingen um
220'000 Franken. Die Korrektur in Wohlen läuft um 70'000
Franken. Auch die Fitnesskur in der Verwaltung ist einen
Schritt weiter. Die Abteilung Tiefbau hat schon lange wesentlich besser gearbeitet als andere. Wir sind aber bereits
weiter. Das QS-Handbuch ist in der Abteilung Tiefbau in
Anwendung. In der Wirkungsorientierten Verwaltungsführung ist Leistungsvereinbarung 1 in Anwendung, und die
Leistungsvereinbarung ab 1. Januar 1997 liegt auf dem
Tisch und kommt jetzt ins Vernehmlassungsverfahren. Das
Werkhofkonzept, das ich erwähnt habe, ist jetzt in der Realisierungsphase. Wir können zwei Werkhöfe weglassen, wenn
dieses Projekt realisiert wird, und sogar das Spartelefon hat
etwas eingebracht. Wir haben die letzten Monate für intensive Gespräche mit dem Bund genutzt, auf Ebene Bundesrat,
Bundesverwaltung und Verkehrskommission des Ständerates. Selbst bei Leuten, die für Verkehrsfragen wirklich Verständnis haben, wurde uns klargemacht, dass vom Bund
überhaupt nichts zu erwarten ist. Im Gegenteil. Zweimal
wurde mir die Frage gestellt - sowohl von einem Bundesrat
wie von einem Mitglied der Verkehrskommission des Bundesrates -, wie der Aargauer Baudirektor mehr Geld vom
Bund verlangen könne, wenn der Aargau seine eigenen
Möglichkeiten, Geld zu beschaffen, nicht voll ausschöpft.
Auf diese Frage konnte ich leider nicht antworten. Das sind
ernsthafte Probleme. Die ganze Reform unseres Finanzausgleichs basiert auf dem Prinzip, dass jeder seine eigenen
Mittel ausschöpft. Wer das nicht tut, wird in seinen Beiträgen gekürzt. Auf diese Frage konnte ich nur antworten, dass
der Aargau seine Möglichkeiten nicht ausschöpft. Es ist
richtig, dass der Bund seine Treibstoffgelder nicht freundlich für den Aargau verteilt, indem die Streckenlänge nur
etwa 6 % zählt, und die Verkehrsbelastung, unser Hauptproblem, gar nicht. Aber das können weder Sie noch ich
ändern, wenn das Parlament uns ganz deutlich sagt, eine
Revision des Treibstoffzollgesetzes komme überhaupt nicht
in Frage. Wir müssen also zuerst im eigenen Hause Ordnung
schaffen. Wer gegen eine Erhöhung der Motorfahrzeugabgabe eintritt, liefert dem Bund erst recht einen Vorwand, mit
dem Benzinpreis in die Höhe zu gehen. Ich bitte Sie sehr,
einzutreten. Von dieser Vorlage profitieren alle, auch Gemeinden und die, denen der Umweltschutz ein Anliegen ist.
Mit der Zweckbindung haben Sie die Garantie, dass die
Gelder dafür verwendet werden, wofür sie bestimmt sind.
Daher darf man jetzt mit gutem Gewissen ja sagen. Wir
haben nach allen Erfahrungen, auch mit anderen Kantonen,
eine Chance. Die Mehrheit der Kantone, die in den letzten
Jahren über diese Frage abgestimmt haben, hat der Vorlage
zugestimmt. Ich hoffe, Sie können das jetzt beim Eintreten
tun.
Abstimmung:
Für Eintreten: 112 Stimmen.
Art. 1729
noch
diesen
Monat
Dagegen: 40 Stimmen.
Detailberatung
Barbara Kunz-Egloff, Brittnau, Präsidentin der nichtständigen Kommission Nr. 16: Aus meinen eigenen Erläuterungen
und denen zur Synopse geht hervor, dass die Kommission
im Laufe der Detailberatung durch einen Rückkommensantrag die schrittweise Erhöhung der Abgabe von zweimal
10 % ablehnt und die Erhöhung in einem Schritt vornehmen
will. Dies ist die grundlegende Änderung, die die Kommission Ihnen heute vorschlägt. In § 6 Abs. 2 wurde der Antrag
gestellt, in der Zweckbindung solle auch die Deckung weiterer verkehrsbedingter Schäden aufgenommen werden, dies
um so mehr, als die vom Eidgenössischen Verkehrs- und
Energiewirtschaftsdepartement veröffentlichte Studie aufzeigt, wie immens die tatsächlichen Folgen und Folgekosten
des Strassenverkehrs sind. Der Antrag wurde jedoch mit 10 :
5 Stimmen abgelehnt. In § 9 Abs. 1 wurde aufgrund der
Bundesvorschriften eine rein redaktionelle Anpassung vorgenommen, indem unter der ursprünglichen lit. a "die Fahrzeuge des Bundes" wegfallen.
Titel und Ingress, §§ 1-8
Zustimmung.
§9
Dr. Heinz Suter, Gränichen: Ich bin als Automobilist an
einem flüssigen Verkehr interessiert. Solarfahrzeuge sollen
die Flüssigkeit des Verkehrs nicht behindern. Daher stelle
ich Ihnen den Antrag, bei Abs. 1 lit. e zu streichen. Natürlich wäre eine Zwischenlösung vielleicht sachgerecht, wenn
man z. B. schreiben würde: "Solarfahrzeuge, die marschtüchtig sind". Aber da gäbe es viele Abgrenzungsprobleme
und fragwürdige Kriterien, die schwierig anzuwenden sind.
Deshalb brauchen wir hier eine saubere Lösung. Wir wollen
keine Fahrzeuge privilegieren, die den Verkehr stark behindern. Ich bitte Sie, dem Streichungsantrag bezüglich Solarfahrzeugen zu unterstützen.
Vorsitzender: Liegen dazu Wortmeldungen vor? Das ist
nicht der Fall.
Abstimmung:
Für den Antrag Suter: 38 Stimmen.
Dagegen: 74 Stimmen
Im übrigen Zustimmung.
§ 10
Sämi Richner, Auenstein: Die meisten Männer träumen von
schlanken Frauen, die meisten Juristen von schlanken Gesetzen. In diesem Fall leidet § 10 an juristischer Magersucht.
Nach Abschluss der Beratungen in der Kommission wären
die Abgaben für spezielle Elektrofahrzeuge von den Kommissionsmitgliedern mit Sicherheit nicht richtig berechnet
werden. Es scheint mir ein zu behebender Mangel zu sein.
Jemand, der das Gesetz liest, soll diese Steuern berechnen
können. Deshalb möchte ich Ihnen beliebt machen, folgenden Abs. 4 neu aufzunehmen: "Elektrofahrzeuge werden
nach Gesamtgewicht und, falls vorhanden, mit dem besonderen Berechnungsfaktor in der betreffenden Fahrzeugart
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Art. 1729
besteuert, abzüglich Ermässigung gemäss § 14 lit. a." Der
Zusatz ist nötig. Herr Erni meint das zwar nicht. Aber für
onsmitglieder haben dieses Gesetz nicht gemacht, sondern
nur lesen müssen, und niemand wäre auf die Idee gekommen, dass man spezielle Elektrofahrzeuge so besteuern
muss. Daher ist dieser Zusatz nötig. Materiell bringt er keine
Änderung. Ich möchte den Herrn Regierungsrat fragen, ob
er sich bewusst ist, dass man den Rabatt für diese speziellen
Kategorien gesondert betrachten muss. Bei der einen Kategorie braucht es vielleicht 50 % bei einer anderen 70 % oder
80 %. Sonst könnte es nämlich sein, dass ein Kleinmotorrad
mit Verbrennungsmotor und Pauschale wesentlich günstiger
ist als ein entsprechendes Motorrad mit Elektromotor. Das
kann ja sicher nicht der Sinn sein.
Regierungsrat Dr. Thomas Pfisterer: In der mittleren Kolonne E der Synopse Seite 9 ist es uns bewusst, dass man
differenzieren muss. Der Regierungsrat hat nach § 14 die
Kompetenz, den Erlass und die Ermässigung der Motorfahrzeugabgaben zu regeln, auch für Fahrzeuge mit elektrischem
Antrieb.
Viktor Erni, Chef des Strassenverkehrsamtes: Herr Richner
hat mich freundlicherweise am Freitag vorbereitet. Ich habe
den Rechtsdienst des Regierungsrates konsultiert. Herrn
Richners Eintrag ist unserer Ansicht nach überflüssig. Die
Gesetzessystematik ist klar. Sie haben in § 11 Abs. 1 lit. e
die Ansätze für die Elektrofahrzeuge bis 500 kg. Was darüber ist, ist nach § 11 Abs. 1 lit. f geregelt. Dort wird der
Vorbehalt der besonderen Abgabeansätze für viele Fahrzeugarten wie Motorkarren, Arbeitskarren usw. gemacht.
Damit ist klar, dass für Elektrofahrzeuge die besonderen
Fahrzeugarten gelten. Aus dieser Systematik ergibt sich
zwingend, dass auch für Elektrofahrzeuge die Fahrzeugart
für die Veranlagung massgebend ist. Gestützt auf § 14 kann
der Regierungsrat für Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb
den Erlass der Abgabe regeln. Im übrigen hat der Regierungsrat in der Botschaft zugesichert, dass er diese Fahrzeuge um mindestens 50 % ermässigen wird.
Abstimmung:
Der Antrag Richner wird mit grosser Mehrheit, bei
13 befürwortenden Stimmen, abgelehnt.
Im übrigen Zustimmung.
§ 11
Barbara Kunz-Egloff, Brittnau, Präsidentin der nichtständigen Kommission Nr. 16: Bei Abs. 1 lit. e wurde für Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb ein anderes Tarifmodell
vorgeschlagen, das in 100-kg-Schritten vorangeht. Die
Kommission stimmte diesem Modell zu, verwarf es allerdings, um kein neues System einzuführen, in einem Rückkommensantrag, im Stimmenverhältnis 7:4 bei 2 Enthaltungen. Zu lit. f: Hier wurde für alle übrigen Motorfahrzeuge
von einem Gesamtgewicht über 1'800 kg der Ansatz von 45
Franken auf 38 Franken gesenkt. Diese Korrektur wurde von
der ASTAG eingebracht, damit die Differenz zwischen den
Fahrzeugkombinationen Vierachser und Anhängerzug bzw.
Sattelzug besser dem schweizerischen Mittelmass entspreche. Die Kommissionsmehrheit unterstützte diese Korrektur.
Zu lit. a, b, c und d: In einem Rückkommensantrag, der
verlangte, die Abgabensätze seien derart neu zu formulieren,
dass für die entsprechenden Fahrzeuge 20 % Abgabenerhö-
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ihn
ist
dies
selbstverständlich.
Die
Kommissi-
hung und für alle übrigen Fahrzeugkategorien 10 % Abgabenerhöhung resultieren. Mit 7:5 Stimmen und einer Enthaltung stimmte die Kommission diesem Antrag zu. Somit
entsprechen die Zahlen in § 11 Abs. 1 lit. a-d wieder den
Zahlen der ersten Beratung. Die kleinen Differenzen haben
ihren Ursprung in der Änderung des Bemessungssystems, in
der Umstellung von Steuer-PS auf die Hubraumbesteuerung.
Sämi Richner, Auenstein: Der Hauptantrag ist eine Abänderung von § 11 Abs. 3. Sollte er angenommen werden, gäbe
es noch eine lit. c. Ich stelle den Antrag, für die landwirtschaftliche Motorfahrzeuge die Struktur zu ändern, wie der
Grosse Rat einen Prüfungsantrag überwiesen hat. Bis anhin
hat die Landwirtschaft für ihre Fahrzeuge eine Pauschale
von 60 Franken bezahlt. Dann gibt es noch die Kategorie
der Motoreinachser, die 24 Franken kosteten. Neu will man
nun die 60 Franken in ein neues System von riesiger
Spannweite zwängen. Es gibt riesige Differenzen zu dem
Betrag, den die Bauern bis jetzt zahlen mussten. Dass diejenigen, die 40 % weniger bezahlen, nicht opponieren, ist klar,
aber die meisten davon sind wohl keine Bauern. Die das
kompensieren müssen, sind die Bauern. Ob das für die
landwirtschaftlichen Fahrzeuge das Richtige ist und ob man
das den Bauern schmackhaft machen kann, bezweifle ich.
Beim PW stellt man von PS auf Hubraum um. Es wurde
sogar geprüft, ob man auf das Gesamtgewicht gehen solle.
Man stellte in der Kommission riesige Berechnungen für im
Vergleich zu den Landwirtschaftsfahrzeugen sehr kleinen
Abweichungen an. Es wäre daher konsequent, einer einfachen, guten Lösung zuzustimmen, zu der die Bauern ja
sagen könnten, und zwar folgendermassen: "Für landwirtschaftliche Motorfahrzeuge gilt das Leergewicht als Bemessungsgrundlage. Die Motorfahrzeugabgabe wird nach folgenden Ansätzen erhoben: bis 2000 kg Leergewicht
60 Franken, 2001-3500 kg Leergewicht 66 Franken, über
3500 kg 72 Franken." Damit würden lit. g, k und m entfallen. Hinzu käme eine lit. c. Die Motoreinachser, die fast
nicht auf der Strasse verkehren, sollten gleich belassen
werden.
Roman Gloor, Bottenwil: Ich stelle einen Antrag zu Abs. d.
Es handelt sich um denselben Antrag, den ich schon bei der
ersten Lesung als Prüfungsantrag vorgebracht habe. Er
lautet: "Die jährlichen Motorfahrzeugabgaben für Personenwagen sind nach Gesamtgewicht zu erheben. § 11 Abs. 1
lit. d ist zu streichen und unter lit. f zu subsumieren". Der
Grundgedanke liegt darin, dass man mit den Motorfahrzeugsteuern einen Anreiz schaffen sollte, Treibstoff zu sparen.
Der Zusammenhang zwischen Gewicht und Spritverbrauch
ist eindeutig und nicht widerlegbar. Jedes Sparauto ist
leicht, ob Solar-, Elektro- oder Benzinfahrzeug. Der Zusammenhang zwischen Treibstoffverbrauch und Hubraum
ist nicht in dem Masse vorhanden. So kann ein 1-LiterMotor mit Turbolader ohne weiteres mehr PS hervorbringen
als ein 2-Liter-Motor ohne Turbolader und entsprechend
mehr Abgaben entwickeln. Der Regierungsrat hat in seinem
Bericht anscheinend kein grosses Interesse daran, Treibstoff
zu sparen. Er kommt zum Schluss, dass das bestehende
System besser sei. Kein einziger Punkt dieses Berichtes
kann mich überzeugen, höchstens der Übergang von SteuerPS zu Hubraum, der doch für jeden viel klarer ist, da es
keine Formel mehr braucht. Zur Behauptung, leichte PWs
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seien weniger sicher: Sie alle haben schon einmal ein Formel-1-Rennen gesehen. Wissen Sie, wie schwer diese Wa-
gen sind? 500 kg! Diese spektakulären Unfälle, die hie und
da
passieren,
werden
von
den
Piloten
meist ohne Schaden überstanden. Es ist also offensichtlich,
dass auch leichte Fahrzeuge unfallsicher gebaut werden
können. Man muss sich nur in der Konstruktion umstellen.
Bei den Lieferwagen, die sich in der gleichen Gewichtskategorie wie die PWs befinden, nämlich 0- 3,5 Tonnen, will der
Regierungsrat auf Gewichtsbesteuerung umstellen. Wo ist
denn da der Unterschied punkto Sicherheit oder Abnützung
der Strassen? Hier widerspricht sich der Regierungsrat.
Mein Antrag brächte auch eine Vereinfachung, den lit. d
könnte gestrichen werden. Die PWs fielen unter diese litera
unter litera f. Natürlich müsste dort ein Korrekturfaktor
eingebaut werden, wie es für andere Kategorien auch gemacht wird. Der Herr Regierungsrat hat mal gesagt, er wolle
Transparenz. Folgen Sie meinem Antrag, dann haben Sie
schon wieder eine Vereinfachung.
zugestimmt. Das haben wir bei den landwirtschaftlichen
Fahrzeugen ebenfalls übernommen. Grundsätzlich werden
die landwirtschaftlichen Fahrzeuge gleich behandelt wie alle
anderen Fahrzeugarten mit besonderen Ansätzen. Es entspricht auch allgemein gerechten Steuergrundsätzen, dass
man für einen Landwirtschaftstraktor unterschiedliche Steuern erhebt, wenn er unterschiedlich schwer ist. Hier braucht
es von der Steuergerechtigkeit her eine Differenzierung.
Daher schlagen wir Ihnen vor, an dem Vorschlag von Regierung und Kommission festzuhalten.
Hansruedi Brun, Merenschwand: Allgemein ist festzuhalten, dass Erhöhungen politisch heutzutage einen schweren
Stand haben, vor allem dann, wenn sie über das normale
Mass hinausgehen. Das ist bei den landwirtschaftlichen
Fahrzeugen teilweise der Fall. Auf der einen Seite gibt es
gewisse Senkungen, auf der anderen massive Erhöhungen.
Hier stellt sich die Frage, ob das angewendete System richtig ist. Bei den Autos hat man ein anderes Bemessungssystem. Hier gibt es in der Anwendung andere Möglichkeiten.
In der ersten Lesung hat man den richtigen Prüfungsauftrag
angenommen, der in der Kommission aber abgelehnt wurde.
Für ein landwirtschaftliches Fahrzeug bis 1000 kg wurden
bis jetzt pauschal 60 Franken bezahlt, nach Vorschlag der
Regierung und Kommission käme das jetzt auf 34 Franken,
also minus 43 %. Vielleicht ist in dieser Kategorie nicht
einmal der administrative Aufwand gedeckt. Ein Traktor bis
5000 kg kostet heute pauschal 60 Franken, neu 110 Franken. Das wäre eine Erhöhung von 84 %. Der Antrag Richner
differenziert. Er geht von 0-20 % Erhöhungen aus. Das ist
praktikabel und findet wahrscheinlich bei den betroffenen
Kreisen Anerkennung. Ich möchte Sie bitten, diesen Antrag
zu unterstützen.
Sämi Richner, Auenstein: Für PWs soll die zweite Spalte, d,
genommen werden: Bis 1'000 ccm Hubraum 200 Franken
und pro 100 ccm 13 Franken mehr. Das bedeutet 10 %. Mir
scheint, dass 10 % mehr Motorfahrzeugsteuern für die PWs
verkraftbar sind. Es würde die Ausfälle, die wir vom Bund
haben, kompensieren. Das hätte grosse Chancen, in der
Abstimmung angenommen zu werden. Jetzt bleibt abzuwägen, ob man lieber 10 % auf ziemlich sicher oder 20 % sehr
unsicher haben möchte. Gehen Sie auf die sichereren 10 %!
Barbara Kunz-Egloff, Brittnau, Präsidentin der nichtständigen Kommission Nr. 16: Die von Herrn Richner beantragte
Änderung wurde bereits in der Kommission diskutiert. Der
entsprechende Antrag wurde mit 8:3 Stimmen bei
4 Enthaltungen abgelehnt.
Viktor Erni, Chef des Strassenverkehrsamtes: Was Ihnen
Herr Richner vorschlägt, ist im Prinzip eine Fortführung des
heutigen Systems der Pauschalabgaben. Die haben wir bei
allen anderen Fahrzeugarten abgelehnt. Zu den einachsigen
Motorfahrzeugen verlangt die Regierung 26.25 Franken,
also 2.25 Franken mehr, was im Gegensatz zu Herrn Richners Vorschlag teilbar wäre. Sie haben in allen anderen
Fahrzeugarten einer stufenweisen Bemessung von 500 kg
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Regierungsrat Dr. Thomas Pfisterer: Herrn Gloors Anliegen
ist auf S. 5 der Botschaft. Wir haben Ihren Prüfungsantrag
dort kommentiert. Der Übergang zum Hubraum erfolgt, weil
alle das besser begreifen. Nicht alle sind Spezialisten wie
Herr Gloor. Die Gesamtgewichtsbesteuerung führt zu Verzerrungen. Sie lässt sich nicht rechtsgleich und sozial verträglich anwenden. 20 Kantone haben das System des Hubraums, weil sie die gleiche Feststellung gemacht haben. Das
Gewicht spielt beim PW eine sekundäre Rolle, anders als
beim Lastwagen. Herr Gloor, Sie kennen diese Differenzen
besser als ich. Ich gebe zu, dass der Hubraum auch ein
Hilfskriterium ist, aber eines, das wir alle verstehen und das
zu einem rechtsgleichen Ergebnis führt. Was Sie letztlich
beantragen, läuft auf einen Systemwechsel in letzter Minute
hinaus. Ich bitte den Rat sehr, das nicht zu tun. Man kann
nicht einfach die Zahlen nehmen, die für Nutzfahrzeuge im
Entwurf stehen, sonst passt das nichts ins Ganze, und zudem
schafft man Ungleichheiten. Das lässt sich nicht realisieren.
Der Unterschied zwischen den PW-Zahlen in Abs. 1 lit. d,
zwischen Kommissionsbeschluss und Antrag des Regierungsrates, ist durch das andere System erklärlich. Das
haben wir Ihnen in der Kommission lang und eingehend
erläutert. Sie hatten auch Gelegenheit, weitere Gespräche
mit dem Strassenverkehrsamtsvorsteher zu führen. Wir
können nicht das System ändern, um dann immer genau auf
die alten Ergebnisse zu kommen. Das Gesamtsystem muss
geschlossen sein, sonst schaffen wir Ungleichheiten. Man
muss einmal die Realitäten der Zahlen akzeptieren. Wir
haben auf Anregung von Herrn Richner und Herrn Stutz das
letzte Mal den Entscheid gefällt, für die landwirtschaftlichen
Fahrzeuge auf das Niveau der Lastwagen zu gehen. Daher
haben wir bei allen Nutzfahrzeugen den 10 %-Tarif genommen. Das ist die entscheidende Differenz gegenüber der
ersten Vorlage, eine Leistung zur Entlastung der Landwirtschaft. Erkennen Sie das bitte an! Diese Vorlage schafft für
das Gewerbe insgesamt eine schwierige Situation, da einzelne entlastet und andere belastet werden. Wir versuchen jetzt,
die Zerreissprobe für das Gewerbe zu reduzieren, indem wir
überall die Nutzfahrzeuge auf 10 % senken. Das ist der
tiefere Sinn. Unterstützen Sie dieses politische Prinzip und
folgen Sie der Kommission.
Bruno Nüsperli, Aarau: Ich habe das Gefühl, wir kämpfen
auf verschiedenen Kriegsschauplätzen. Nebenkriegsschauplätze sind Elektrofahrzeuge, Sattelschlepper, Bemessungsgrundlagen usw. Herr Richner hat ja zum Hauptkriegsschauplatz einen Antrag gestellt, nämlich zur 10 %Erhöhung für PWs. Unsere Fraktion unterstützt den Antrag
Richner. Auf der Skala von 0-20 % ist dies ein Kompromiss.
Deshalb unterstützen wir diesen Vorschlag. Es geht darum,
den Unterhalt des Strassennetzes sicherzustellen. Deshalb
Art. 1729
unterstützen wir nicht den Antrag der Grünen. Wir wollen
keine New Yorker Zustände, wo Strassen stillgelegt werden,
weil sie zusammenbrechen. Es braucht etwas Geld. Um zu
20 %, weil wir den Neubaueffekt, die Projekte aus ökologischen Gründen etwas bremsen möchten. Wenn man dann
auch nicht die Bözbergstrasse zurückversetzen kann, was ich
sicher begrüssen würde, - aber dafür haben wir jetzt kein
Geld, das kann man nicht. Unsere Fraktion ist zusammen
mit den Freiheitlichen die einzige, die für tiefe Steuern ist,
da ja jetzt auch die FDP für 20 % votieren. Grundsätzlich
sollte man dem Staat so wenig Geld wie nötig abliefern
müssen. Unsere Fraktion hat eine Standesinitiative überwiesen, welche den ganzen Unterhalt des Nationalstrassennetzes dem Bund überantworten möchte, damit eine gerechtere
Besteuerung möglich wird. Wir finden es richtig und gut,
wenn der Kanton mit dem Geld sparsam umgeht und so
etwas Druck auf die Bundesbehörde ausübt, diese Standesinitiative beförderlichst zu behandeln.
Sämi Richner, Auenstein: Herr Erni hat gesagt, bei den
landwirtschaftlichen Fahrzeugen sei es eine Fortführung der
Pauschale. Dem möchte ich widersprechen. Wir hatten
bisher einen Betrag von 60 Franken. Nach meinem Vorschlag haben wir eine Aufteilung nach Gewichtskategorien,
die ein bisschen gröber ist. Wir haben nachher drei Kategorien mit einem höheren Sockelbeitrag. Aber ich muss mich
energisch gegen die Behauptung wehren, dies sei eine Fortführung des Gehabten.
Barbara Kunz-Egloff, Brittnau, Präsidentin der nichtständigen Kommission Nr. 16: Die Kommission hat mit 7:5
Stimmen bei einer Enthaltung einer Erhöhung um 20 %
zugestimmt.
§ 11 Abs. 1 lit. d
Eventualabstimmung:
Für den Antrag von Regierung und Kommission: 95 Stimmen.
Für den Antrag Richner (Erhöhung um 10 %): 34 Stimmen.
Hauptabstimmung:
Der Antrag von Regierung und Kommission wird mit grosser Mehrheit dem Antrag Gloor vorgezogen.
§ 11 Abs. 3
Abstimmung:
Für den Antrag von Regierung und Kommission: 84 Stimmen.
Dagegen: 21 Stimmen.
Im übrigen Zustimmung.
§ 12
Hedy Zehnder, Niederrohrdorf: Ich möchte einen Abänderungsantrag betreffend der landwirtschaftlichen Traktoren
stellen, keine Systemänderungen: In litera g sei der Faktor
auf 0.185 abzuändern. Vor einer Woche haben wir das
Landwirtschaftsgesetz revidiert und darin das Bauerneinkommen eher geschwächt als gestärkt. Ich war Mitglied der
vorberatenden Kommission und habe mich davon überzeugen lassen, dass sich ein Betrieb heute nur noch verbessern
kann, wenn er auf die Dauer Kosten einspart. Hier haben wir
18. Juni 1996
kompensieren, was der Bund uns vorenthält, genügen 10 %
Erhöhung.
Gleichzeitig
wollen
wir
aber
nicht
nun eine Möglichkeit, der hart geforderten Landwirtschaft
zu zeigen, dass wir sie echt fördern wollen. Auch wenn es
nur ein paar Franken pro Traktor ausmacht, ist es immerhin
ein Zeichen. Die landwirtschaftlichen Traktoren stellen rund
25 % aller landwirtschaftlichen Motorfahrzeuge. Wenn wir
bei ihnen den Faktor 0.195 auf 0.185 zurücknehmen, macht
dies nach Berechnungen des Strassenverkehrsamtes eine
durchschnittliche Erhöhung von knapp 5 % statt 10 % aus.
Die landwirtschaftlichen Traktoren kosten nach dieser
Rechnung immer noch fast 27'000 Franken mehr als bisher.
Beim Faktor 0.195 wären es rund 58'000 Franken. Mit
meinem Antrag ersparen wir den Bauern rund 30'000 Franken im Jahr. Dies ist finanzpolitisch zu verantworten und
aus landwirtschaftlicher Sicht richtig, denn ein landwirtschaftlicher Traktor benützt die Kantons- und Gemeindestrassen prozentual viel weniger als ein PW oder ein
Lastwagen. Erfahrungszahlen sprechen von etwa 20 %. Die
übrigen 80 % fährt ein Landwirtschaftstraktor auf Flurstrassen, die nicht über das Strassenbaugesetz finanziert werden,
oder auf Feld- und Ackerboden. Eine differenzierte Behandlung der landwirtschaftlichen Traktoren im Rahmen des
Strassenbaugesetzes ist also recht und billig. Von der Sache
her gehe ich mit Herrn Richner einig, der für die Traktoren
eine besonders günstige Regelung verlangt. An seinem
Antrag stört mich aber das Berechnungssystem. Dieses auf
Gewicht und Faktoren aufbauende System soll um der
Transparenz willen für alle Fahrzeuge gelten. Es führt unter
anderem dazu, dass die leichteren Traktoren sogar weniger
kosten als bisher. Ich bitte Sie, meinem Antrag zuzustimmen.
Hans Killer, Untersiggenthal: Ich bitte Sie, diesen Antrag
abzulehnen. Wir haben herausgefunden, dass das System
richtig ist. Es wäre falsch, jetzt wieder an einzelnen Zahlen
herumzuschrauben. Die Beträge, die pro Landwirt neu
erhoben werden, sind nicht so massgeblich, dass das der
Landwirtschaft als Ganzes schadet. Wenn wir beginnen, bei
einzelnen Kategorien an diesen Faktoren zu schrauben,
könnte mir die Idee kommen, auch für gewisse Baumaschinen einen neuen Faktor einzuführen. Auch dort gäbe es
allenfalls Ungerechtigkeiten, die innerhalb der Gesetzestoleranz aber zu verkraften sind. Ich bitte Sie, diesen Antrag
abzulehnen.
Regierungsrat Dr. Thomas Pfisterer: Was heisst diese Zahl
0.195 praktisch? Natürlich geht es um etwa 26'000 Franken.
Da hat Frau Zehnder recht. Es geht aber schon um eine
Grundsatzfrage, ob man nämlich für die Landwirtschaft auch
etwa 10 % erhöht oder nur 5 %, wobei zuzugeben ist, dass
man bei den Lastwagen auch nur um etwa 8 % erhöht. Allerdings sind diese im Gegensatz zu den landwirtschaftlichen Fahrzeugen mit der Schwerverkehrsabgabe belastet.
Konsequenterweise und vom System her sind diese 10 %
zumutbar.
Reinhard Gloor, Birr: Warum haben wir 20 % für die PWs
und 10 % für die Nutzfahrzeuge? In der Kommission haben
wir uns aufgrund eines Rückkommensantrags entschieden,
zwei Kategorien zu machen, wobei die landwirtschaftlichen
Fahrzeuge bei den Nutzfahrzeugen eingeordnet wurden, um
der Landwirtschaft entgegenzukommen. Wir von der SVP
165
18. Juni 1996
Art. 1729
waren schon bei der ersten Lesung für eine spezielle, vertretbare Lösung für die Landwirtschaft. Wir haben diese mit
der jetzigen Regelung gefunden. Man sollte dies nicht noch
einmal aufbrechen. Bedenken Sie, dass wir den Unterschied
zwischen PW und Lastwagen wegen der Schwerverkehrsabgabe gemacht haben, die bei den landwirtschaftlichen Fahrzeugen fehlt. Trotzdem wurden sie unter 10 % eingereiht,
mit dem Einverständnis der SVP und vieler anderer.
Abstimmung:
René Birri, Stein: Bei der ersten Beratung hatten wir noch
den Vorschlag, dass der Regierungsrat beauftragt wird, bei
Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung die Projekte innert 17
Jahren zu realisieren. Bei der zweiten Beratung wurde dieser
Text gestrichen. Bei der Kommissionsberatung haben wir
nicht über eine neue Einführung entschieden. Ich stelle im
Namen der grossmehrheitlichen FDP-Fraktion Antrag, § 20
Abs. 2 so einzuführen, wie er in der gelben Synopse steht:
"Der Regierungsrat ist beauftragt, das beim Inkrafttreten
dieser Gesetzesänderung geltende Strassenbauprogramm
innert 17 Jahren zu realisieren und zugleich die Werterhaltung des kantonalen Strassennetzes sicherzustellen". Wir
sehen darin eine Erfolgskontrolle mit genauen Fristen, wie
wir sie aus dem Umwelt- , Lärm- und dem Gewässerschutzgesetz kennen. Damit kann die härtere Zweckbindung erreicht werden. Wir beurteilen diesen Abschnitt als einmalig.
Wir kennen dies aus anderen Gesetzen nicht und möchten es
im Sinne einer Erfolgskontrolle einführen. Wir bitten Sie,
diesen Antrag zu unterstützen.
Für den Antrag von Regierung und Kommission: 91 Stimmen.
Für den Antrag Zehnder: 25 Stimmen.
Kurt Rüegger, Rothrist: Abs. 2 ist nicht mehr vorhanden.
Ich stelle hier einen Antrag, als Abs. 2 folgenden Text in das
Gesetz aufzunehmen: "Bei einer allfälligen Einführung der
leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe durch den Bund
reduzieren sich die kantonalen Abgaben für Motorfahrzeuge
für die betroffenen Fahrzeugarten wieder um 10 %". Dieser
Satz war vorher in Abs. 2, ebenso in § 18. Da er offensichtlich aus dem Gesetz gestrichen worden ist, muss ich ihn
wieder stellen.
Regierungsrat Dr. Thomas Pfisterer: Ich frage mich, ob wir
den Fünfer und das Weggli wollen. Wir haben ja mit der
Begründung Schwerverkehrsabgabe diesen niederen Satz
legitimiert. Sie bekommen diese Beschränkung schon, wenn
das Gesetz früher in Kraft tritt. Zudem wissen wir beide,
dass die Einführung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe zunächst noch ein Traum der Bundesverkehrspolitik ist. Ob und wann er realisiert wird, wissen wir nicht.
Das hängt nicht von Bern ab, sondern von den Landverkehrsverhandlungen mit Brüssel. Deren Fortsetzung ist nach
den Ergebnissen der gestrigen Verkehrsministertagung
offener denn je. Wenn diese Situation eintritt, ist der Regierungsrat bereit, die Problematik wieder aufzugreifen und
eine allfällige Gesetzesrevision zu diskutieren. Aber das tun
wir nicht auf Vorschuss. Es wird jetzt ein differenzierter
Tarif vorgeschlagen, und ich bitte Sie, sich mit dieser weitgehenden Regelung zugunsten des Gewerbes abzufinden.
Lehnen Sie den Antrag von Herrn Rüegger ab.
Abstimmung:
Eine grosse Mehrheit stimmt gegen den Antrag Rüegger.
Im übrigen Zustimmung.
§ 13
Barbara Kunz-Egloff, Brittnau, Präsidentin der nichtständigen Kommission Nr. 16: Hier wurde verlangt, dass pro
Wechselschild bis zu 5 Fahrzeuge zugelassen werden sollten. Dieser Antrag wurde aber abgelehnt, weil aufgrund der
Bundesgesetzgebung hier gar keine Vorschriften über die
Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge gemacht werden müssen. In Abs. 2 sollten die 20 % für das zweite Fahrzeug
durch eine Pauschale von 60 Franken ersetzt werden, was
die Kommission jedoch mit 11:2 Stimmen bei 2 Enthaltungen ablehnte. Auch der Antrag zu Abs. 3, pro Wechselschild
seien über alle Fahrzeugkategorien 5 Fahrzeuge zuzulassen,
wurde mit grossem Mehr abgelehnt.
Zustimmung.
§ 14-19
Zustimmung.
§ 20
166
Marianne Herzog-Ernst, Oberhof: Herr Birri hat es gesagt:
Es ist wirklich einmalig, einen solchen Zeithorizont in einem Gesetz festzulegen. Diese 17 Jahre hängen ja nicht
allein vom Kanton Aargau ab, sondern auch vom Bund. Der
Bund wird sich wohl in Zukunft eher mehr zurückziehen.
Also sind diese 17 Jahre eine ganz unsichere Grösse. Wir
warnen davor, solche Zeiten in eine Gesetz aufzunehmen.
Eine solche Frist gehört nicht in ein Gesetz, sondern vielleicht in eine Abstimmungsbroschüre oder in die Medien.
Bei dieser Erfolgskontrolle werden die meisten von uns
nicht mehr dabei sein, wahrscheinlich auch der Herr Regierungsrat nicht. Ich weiss, dass er gerne ehrgeizige Herausforderungen sucht, aber für uns wäre es viel wichtiger, jedes
Projekt vor der Realisierung auf Herz und Nieren zu prüfen,
ob es wirklich den neuesten Anforderungen und den modernsten Erkenntnissen in allen Hinsichten genügt. Wir
bitten Sie, diesen unrealisierbaren 17 Jahren nicht zuzustimmen.
Reinhard Gloor, Birr: Wir haben es versäumt, darüber noch
einmal zu diskutieren. Herrn Birris Antrag müssen wir
unterstützen. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Wortlaut
des Antrags besagt, man gehe vom jetzt geltenden Strassenbauprogramm aus. Alle nicht vorhersehbaren Änderungen
werden berücksichtigt. Wir haben keine Veranlassung, diese
Absicht nicht zu offenbaren. Für die referendumspolitische
Bedeutung kann es etwas bewirken, wenn die Stimmberechtigten wissen, welche konkreten Absichten unter den heute
geltenden Prämissen bestehen. Darum sollten wir das machen. Ich unterstütze Herrn Birris Antrag. Dass gespart
werden muss, ist Allgemeingut. Wir überprüfen die Vorhaben selbstverständlich auf ihre Aktualität und werden das
auch in Zukunft tun.
Dr. Albert Rüttimann, Jonen: Auch ich möchte Sie bitten,
den Antrag Birri zu unterstützen, da wir vorher den Ansatz
20 % beschlossen haben und damit 15 Mio. Franken mehr
erhalten werden. Damit wird dieses Ziel im Strassenbauprogramm, das kantonale Projekte beinhaltet und nichts mit
dem Bund zu tun hat, wieder realistisch. Der Regierungsrat
Art. 1729
bekommt den Auftrag, wirklich daran zu arbeiten. Wenn wir
diese Mittel zielgerichtet einsetzen wollen, müssen wir
diesem Antrag zustimmen. Er hat gesetzestechnisch keine
grosse Sünde zur Folge, da er ja im Übergangsrecht steht.
Das hat oft Fristen drin, die einmal ablaufen und dann wegfallen.
den damaligen Überlegungen angeschlossen hat, aber offensichtlich ist dies nicht der Fall. Auf jeden Fall ist es nach
wie vor notwendig, diesen Absatz zu streichen, weil die
Konsequenzen deutlicher und schärfer sind, als jetzt dargestellt wurde. Es geht um einen verbindlichen Auftrag, das
geltende Programm zu vollziehen, mit Limite. Das heisst
nicht nur, wie Herr Gloor gesagt hat, dass das Neue nicht
dazukommt. Ich habe in diesem Rat schon verschiedene
Programme erlebt. Wir haben periodisch Projekte, die sich
als nicht dringlich oder andersartig herausgestellt haben, aus
dem Programm gestrichen, weil die Einsicht kam, dass
gewisse Dinge sich mit der Zeit ändern. Das dürften wir mit
dieser Formulierung nicht mehr machen. Wenn es hier
heisst, dieses Programm müsse vollzogen werden, dann wird
dem Volk gesagt, dass die Politiker darauf behaftet werden
können. Wenn es dann doch nicht getan wird, würde zu
Recht gesagt, man hätte etwas vorgemacht, was nicht eingehalten wurde. Ich habe auch Verständnis dafür, dass man bei
der Abstimmung sagen würde, die Absicht sei, das Wesentliche in vernünftigen Fristen zu realisieren. Wie es aber hier
steht, dürfen wir nicht Gesetzgebung betreiben, weil wir da
für spätere Ratsmitglieder eine Verpflichtung stagnieren, die
wir so nicht vollziehen können. Ich bitte Sie, beim Kommissionsantrag zu bleiben und diesen Absatz zu streichen.
Dr. Charles Meier, Wettingen: Ich möchte Sie bitten, diesen
Streichungsantrag abzulehnen. Die Regierung gibt sich
Mühe, dem Stimmbürger eine Garantie zu geben. Es ist mir
klar, dass eine Streichung aus dem Lager von Frau Herzog
erwünscht wäre. Wir haben ja gesehen, was das kostet.
Kürzlich hat Herr Bundesrat Leuenberger enorme Kostensteigerungen im Nationalstrassenbau festgestellt. Die kommen von dem von Frau Herzog befürwortenden Perfektionismus, die Projekte immer wieder zu prüfen, auch wenn
das schon hundertmal erfolgt ist. Wenn wir mit dem Zins
bauen könnten, welche die Eidgenossenschaft auf der Rückstellung aus dem Nationalstrassenbau gescheffelt bzw.
gestohlen hat, so könnten wir Tausende von arbeitslosen
Bauarbeitern beschäftigen. Dass uns die Regierung hier eine
Garantie geben will, finde ich sympathisch. Ich bitte Sie,
diesen Streichungsantrag nicht zu unterstützen.
Rudolf Stutz, Neuenhof: Für den Fall, dass der Antrag Birri
angenommen wird, möchte ich empfehlen, dass die Projektsliste auf den Zeitpunkt der Volksabstimmung aktualisiert
wird.
Regierungsrat Dr. Thomas Pfisterer: Im Text steht "bei
Inkrafttreten des Gesetzes". Dieses Problem ist also bereits
erkannt. Es ist richtig, dass dieser Absatz bei der Kommissionsberatung vergessen wurde. Allerdings kann man nicht
mehr von 17 Jahren sprechen. Wir haben das genau berechnet. Es geht jetzt 19 Jahre, weil 1,1 Mio. Franken weniger
zur Verfügung stehen, indem alle Nutzfahrzeuge auf den
10 %-Tarif genommen wurden. Es geht nicht um die Nationalstrassen, sondern um die Kantonsstrassen im Sinne von §
20 Abs. 1. Die Überprüfung muss möglich sein und ist es in
Zukunft auch, aber das geht nur in ordnungsgemässen Ver-
18. Juni 1996
Heiner Studer, Wettingen: Unsere Fraktion hat bei der ersten Lesung den Antrag gestellt, diesen Absatz zu streichen.
Wir waren der Meinung, dass sich die Kommission
fahren. Der Grosse Rat kann an sich jeden Beschluss im
normalen Verfahren rückgängig machen, aber solange ein
Beschluss gilt, gehört er in dieses Strassenbauprogramm und
muss von der Regierung umgesetzt werden. Sie geben den
Takt an, nicht wir. Damit ist gewährleistet, dass man bei den
einzelnen Bauprojekten redimensionieren und vernünftige
Lösungen finden kann, wie ich Ihnen das dargestellt habe.
Die Voraussetzungen sind so, wie sie Herr Gloor umschrieben hat: Es geht selbstverständlich um die heutigen Prämissen, dass Verzögerungen als Rechtsmittelverfahren höherer
Gewalt nicht berücksichtigt werden können, liegt auf der
Hand. Wir verstärken die Zweckbindung. Wir wollen der
Bevölkerung ganz klar sagen, wofür dieses Geld gebraucht
wird, nämlich nur für die Strassen und nicht für irgend etwas
anderes. Dafür hat sich Herr Christen das letzte Mal zu
Recht eingesetzt, wenn auch die Definition nicht ganz so
herausgekommen ist, wie er sich das vorgestellt hat. Der
Grosse Rat soll dem Regierungsrat auch in zeitlicher Hinsicht auf die Finger schauen können. Das ist Führung durch
Output, wenn man sich eine Frist setzt und sagt, bis dann
und dann sei dieses Ziel zu erreichen. Ich bin sehr dankbar,
dass das Aargauer Volk mit sehr grosser Mehrheit dem
Gesetz über den öffentlichen Verkehr zugestimmt hat. Wir
wissen aber alle, dass von dieser Vorlage vor allem auch die
Agglomerationen profitieren. Im ländlichen Raum kommen
wir auch künftig nicht ohne einen Grossteil von Strassenverkehr aus, privat und öffentlich. Wenn wir mit den ländlichen Gemeinden solidarisch sein wollen, müssen wir auch
beim Strassenbaugesetz ja sagen. Beide Vorlagen sind Zwillinge. Es ist doch eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit! Es ist der Versuch, den Leuten ganz klar zu sagen, was
sie einkaufen, wenn sie diesem Gesetz zustimmen. Dieser
Versuch lohnt sich. Ich bitte Sie, zuzustimmen.
Eventualabstimmung:
Der modifizierte Antrag des Regierungsrates (19 Jahre) wird
dem Antrag Birri (17 Jahre) mit Mehrheit vorgezogen.
Hauptabstimmung:
Für den modifizierten Antrag des Regierungsrates aus der
ersten Lesung: 88 Stimmen.
Dagegen: 43 Stimmen.
Im übrigen Zustimmung.
§ 21
Zustimmung.
Vorsitzender: Wird Rückkommen verlangt? Das ist nicht der
Fall.
Barbara Kunz-Egloff, Brittnau, Präsidentin der nichtständigen Kommission Nr. 16: Mit 8:5 Stimmen stimmt die
Kommission der Vorlage, wie sie aus den Kommissionsberatungen hervorgegangen ist, zu.
Schlussabstimmung:
167
18. Juni 1996
Für die Gesetzesänderung, wie sie aus den Beratungen
hervorgegangen ist: 79 Stimmen.
Dagegen: 59 Stimmen.
Barbara Kunz-Egloff, Brittnau, Präsidentin der nichtständigen Kommission Nr. 16: Für Ihre wertvolle und engagierte
Mitarbeit und die spannenden Auseinandersetzungen danke
Vorsitzender: Ich danke der Kommission und deren Präsidentin. Das Geschäft ist erledigt.
1730 Postulat der SP-Fraktion vom 12. Dezember 1995
betreffend Schaffung eines "ökologischen Finanzausgleichs"; Ablehnung
(vgl. Art. 1427 hievor)
Antrag des Regierungsrates vom 29. Mai 1996:
Die rechtliche und finanzielle Situation des Natur- und
Landschaftsschutzes hat sich in den letzten Jahren mit dem
Inkrafttreten von § 40 des Gesetzes über Raumplanung,
Umweltschutz und Bauwesen (Baugesetz) vom 19. Januar
1993, der Änderung des Dekretes über den Natur- und
Landschaftsschutz, dem Mehrjahresprogramm Natur 2001
und dem Naturschutzprogramm Wald verbessert. Eine zusätzliche Verbesserung wurde beim direkten Finanzausgleich mit der Einordnung der Naturschutzprojekte in die
prioritären Aufgaben erzielt. Die Auswirkungen der neuen
Anreize für die Gemeinden lassen sich auch nach dem Europäischen Naturschutzjahr 1995 noch nicht abschätzen.
Weitere Änderungen wären deshalb zumindest verfrüht.
Das Postulat zielt unter dem Stichwort „Ökologischer Finanzausgleich“ auf grundlegende Änderungen ab, für die
sich der Finanzausgleich nur beschränkt eignet. Letztlich
geht es um einen Lastenausgleich. Dieser kann nur mit
einem völlig neuen Steuerungsmodell erreicht werden. Dazu
fehlt jedoch die gesetzliche Grundlage.
1. Bestehende Rechtsgrundlagen: Das Baugesetz bestimmt
in den §§ 39 bis 43 die Aufgaben des Kantons und der
Gemeinden im Bereich des Umweltschutzes und überträgt in
§ 40 Abs. 6 dem Grossen Rat die Kompetenz, die sachgemässe Aufteilung der Aufgaben und Kosten zwischen Kanton und Gemeinden festzulegen.
Mit der Änderung des Dekretes über den Natur- und Landschaftsschutz vom 15. November 1994 hat der Grosse Rat
die Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden,
insbesondere die Kantonsbeiträge an Aufwendungen der
Gemeinden oder Dritter, geregelt. Das Dekret ist Ende 1994
in Kraft getreten. Ein zusätzlicher Regelungsbedarf besteht
so lange nicht, als die Entwicklung, die das Gesetz und die
Dekretsänderung fördern wollen, nicht beurteilt werden
kann. Es ist in diesem Zeitpunkt verfrüht, über zusätzliche
Anreize zu entscheiden, als ob bereits feststünde, dass die
Gemeinden ihre gesetzlichen Aufgaben nicht im Rahmen
ihrer Möglichkeiten erfüllen würden.
2. Anpassung der Prioritätenordnung im bestehenden Finanzausgleich: Der Regierungsrat hat am 24. Januar 1996
im bisherigen Finanzausgleich verschiedene Änderungen
168
Art. 1729
ich Ihnen sehr herzlich. Besonders bedanken möchte ich
mich bei allen Kommissionsmitgliedern sowie den Herren
Erni, Schuler, Peterhans und Rüedi für die fruchtbare Zusammenarbeit und die tatkräftige Unterstützung. Ich danke
auch dem Baudirektor. Mit Freude habe ich diese Kommission präsidiert, wie Sie vielleicht gemerkt haben.
der Prioritätenordnung beschlossen. Die bis anhin dem
Wahlbedarf zugeordneten Massnahmen der Gemeinden
unter dem Stichwort „Biotope, Naturschutzgebiete, Weiher“
wurden unter dem neuen Titel „Natur- und Landschaftsschutz“ der Prioritätsstufe I zugeteilt, soweit es um genehmigte Projekte auf der Grundlage des Mehrjahresprogrammes Natur 2001, der Richt- oder der Nutzungsplanung geht.
In der Regel handelt es sich um finanziell geringfügige
Aufwendungen.
Da im ländlichen Raum mehr schützenswerte Gebiete als in
Agglomerationen erhalten blieben, schafft die Änderung der
Prioritätenordnung einen gewissen Ausgleich zwischen
ländlichen und eher städtischen Gegenden.
3. Finanzausgleich oder Lastenausgleich?: Das Postulat zielt
auf weitergehende Änderungen ab. Die in der Begründung
skizzierte Lösung ist jedoch mit der geltenden Finanzausgleichsordnung nicht zu vereinbaren. Nach § 1 des Finanzausgleichsgesetzes vom 29. Juni 1983 besteht der Zweck des
Finanzausgleichs darin, unter den Gemeinden ausgewogene
Verhältnisse hinsichtlich der Steuerbelastung und der Leistungsfähigkeit zu gewährleisten sowie eine zeitgemässe
Entwicklung zu ermöglichen. Kriterium sowohl für den
Anspruch auf Ausgleichsbeiträge als auch für die Beiträge
zugunsten des horizontalen Finanzausgleichs ist demnach
die finanzielle Leistungsfähigkeit, nicht die Höhe der Belastung durch eine bestimmte Aufgabe. Wo die individuelle
Belastung einer Gemeinde durch eine Aufgabe berücksichtigt wird (zusätzliche Finanzbedarfsgrössen wie z.B. Schulgelder für Berufsschulen), geht es bei allen Gemeinden um
gleichermassen auferlegte, bezüglich der finanziellen Aufwendungen nicht beeinflussbare Verpflichtungen. Das Postulat will jedoch gerade nicht gleichmässig bestehende
Aufgaben abdecken, sondern nach unterschiedlichen Leistungen differenzieren. Es verlangt einen Lastenausgleich,
wenn die Aufwendungen für ökologische Massnahmen,
gemessen nach festzulegenden Kriterien, über oder unter
einer bestimmten Grösse liegen, und zwar unabhängig von
der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinde.
4. Finanzausgleich statt Steuerungsprozesse?: Letztlich zielt
das Postulat auf ein richtiges Anliegen ab, nämlich auf den
Steuerungsprozess für eine nachhaltige, umweltgerechte
Entwicklung. Grundlage dazu sind einerseits Umweltstandards, anderseits Ausgleichsmodelle wie direkte Abgeltungszahlungen, Lenkungsabgaben ohne Zweckbindung
oder zweckgebundene Abgaben wie der Landschaftsrappen.
Damit eine solche Steuerung funktioniert, müssen bestimmte
Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Erforderlich sind in erster Linie klare umweltpolitische
Ziele, denen Indikatoren zur Beurteilung der Zielerreichung
zugeordnet sind. Die Ziele sind regional zu differenzieren,
und sie dürfen nicht statisch sein, sondern müssen Umweltveränderungen berücksichtigen (Klima, Nährstoffbelastungen etc.).
Art. 1729
2. Staatliche Programme, welche diese festgelegten Ziele
berücksichtigen und der Verpflichtung zur Evaluation der
Umweltwirkung unterliegen.
3. Erfolgskontrolle oder Evaluation der staatlichen Massnahmen und Sachprogramme.
4. Ein allgemeines Monitoring (Dauerbeobachtung im Bereich Wasser, Boden, Luft, Landschaft, biologische Vielfalt
etc.).
Diese Grundlagen fehlen sowohl in rechtlicher als auch in
naturwissenschaftlicher Hinsicht und können nicht von
heute auf morgen erarbeitet und umgesetzt werden. Insbesondere ist ein einzelner Kanton sinnvollerweise nicht autonom, von sich aus neue Umweltstandards und Abgaben
einzuführen. Im Rahmen des zur Zeit anlaufenden Aufgabenteilungsprojektes wird dieser Aspekt möglicherweise im
Gesamtrahmen nochmals geprüft.
Vorsitzender: Der Regierungsrat ist nicht bereit, dieses
Postulat zu übernehmen.
Martin Christen, Turgi: Die SP-Fraktion schlägt Ihnen die
Schaffung einer Art ökologisch begründeten Finanzausgleichs vor. Dieser Lastenausgleich soll von Gemeinden
gespiesen werden, die in ökologischer Hinsicht Defizite
aufweisen, weil sie für den Schutz und der Förderung von
Naturwerten inner- und ausserhalb des Siedlungsraumes zu
wenig Mittel bereitstellen bzw. zu wenig Massnahmen
treffen. Profitieren sollen von einem solchen Lastenausgleich Gemeinden, die in diesen Bereichen Überdurchschnittliches leisten. Die Begründung für einen solchen
Vorschlag, der meines Wissens in der Schweiz noch nicht
existiert: Unser aller Ziel muss ja die Erhaltung der Artenvielfalt sein. Es soll verhindert werden, dass weitere bedrohte Tier- und Pflanzenarten sang- und klanglos aussterben.
Trotz vorhandener gesetzlicher Grundlagen, trotz gewachsenem Verständnis und gutem Willen vieler Behörden und
Verwaltungen müssen wir mehr tun. Es braucht mehr Engagement im Kanton und in den Gemeinden. Vor allem
braucht es mehr Mittel, weitere Massnahmen, mehr Druck
und Anreize. Wir haben hier im Grossen Rat schon mehrmals Nutzungspläne genehmigt, die punkto Naturschutz in
keiner Weise zu genügen vermochten. Vor einer Woche war
es die Nutzungsplanung Hunzenschwil. Sie weist kein einziges Schutzgebiet aus. Offenbar sind in den letzten Jahrzehnten sämtliche naturnahen Gebiete ausgeräumt worden
oder, was wahrscheinlicher ist, mögliche Biotope von lokaler oder regionaler Bedeutung sind nicht unter Schutz gestellt worden. Wir haben auch andere Beispiele in anderen
Nutzungsplanungen angetroffen. Erstaunlicherweise waren
es Nutzungsplanungen von ländlichen Gemeinden, z.B.
Unterendingen (0 ha Naturschutzzone, 0 ha Magerwiesen),
Recklingen (0,7 ha Naturschutzzone bei einer Kulturlandfläche von 457 ha) oder Kallern, wo der Regierungsrat in
seiner Botschaft geschrieben hat: "Ein Blick auf das Kulturland bestätigt, dass es sich um eine weitgehend ausgeräumte
Landschaft handelt, die nur noch wenige biologische Naturwerte besitzt". Regierungsrat Dr. Pfisterer hat am letzten
Dienstag darauf hingewiesen, dass im Rahmen des Richtplans festgelegt werden müsse, wo und in welchen Gemeinden welche Schutzgebiete quasi als Ersatz für schutzgebietlose Gemeinden festzulegen seien. Das mag ja richtig sein,
aber die Gemeinde, die keine solche Schutzzone aufweist,
18. Juni 1996
5. Die Ergebnisse aus Erfolgskontrolle und Dauerbeobachtung wären einerseits direkt für die Korrektur von Massnahmen, z.B. staatlichen Programmen zu verwenden, anderseits periodisch in einer Umweltberichterstattung zusammenzufassen und im Hinblick auf die Frage zu interpretieren, welche Verbesserungen für eine dauerhaftumweltgerechte Politik zu planen sind.
müsse selbstverständlich in einem solchen Fall auch einen
Beitrag leisten, mit dem Schutz- und Förderungsmassnahmen in anderen Gemeinden unterstützt werden könnten.
Wahrscheinlich fehlen hierzu, wie aus dem Kommentar des
Regierungsrates hervorgeht, die gesetzlichen Grundlagen.
Es ist auch keine Motion, sondern ein Postulat, also ein
Vorschlag, der ein Ziel für ein neuartiges Lenkungsinstrument vorgibt, mit dem weitere Anreize geschaffen werden
könnten. Sicher wäre es nicht ganz einfach, eine Bewertungs- und Beurteilungsgrundlage zu schaffen, also eine Art
Punktesystem, das möglichst objektiv und einfach zu handhaben wäre. Die SP-Fraktion bittet Sie, unsere Idee zu unterstützen. Natürlich ist ihre Realisierung mit einigen
Schwierigkeiten verbunden, aber dieses Artensterben, diese
Katastrophe, die sich in unserem Kanton in aller Stille abspielt, nur mit weiteren, wirksamen Massnahmen verhindert
werden kann. Unser Postulat wäre eine solche Möglichkeit.
Gisela Sommer, Wettingen: Ich möchte noch etwas zur
ungleichen Lastenverteilung im Naturschutz sagen: Heute
sind die Gemeinden von Massnahmen für den Naturschutz
ganz unterschiedlich stark belastet. Einerseits haben wir
Gemeinden mit Dekrets- oder Schwerpunktgebieten für den
Natur- und Landschaftsschutz. Von ihnen wird erwartet,
dass sie ihre Naturwerte langfristig sichern, und zwar mit
planerischen Massnahmen und finanziellen Aufwendungen.
Sie tun etwas im öffentlichen Interesse, für den ganzen
Kanton. Auf der anderen Seite stehen die oft reicheren
Mittellandgemeinden, welche ihre Landschaften schon
längst ausgeräumt haben. Keine Naturwerte, folglich keine
Leistungen für den Naturschutz. Diese Situation ergibt
automatisch eine ungleiche Lastenverteilung. Gemeinden,
die reich an Naturwerten, aber arm an Finanzen sind, wehren sich verständlicherweise dagegen, immer mehr für den
Naturschutz tun zu müssen. Das ist auch der Grund, weshalb
immer wieder Gebiete von kantonaler Naturschutzbedeutung
nicht mehr weiter erhalten werden. Ihre Bewirtschaftung
wird intensiviert, und bei der Nutzungsplanung werden sie
umgezont. Sie gehen für den Naturschutz verloren. Diese
Entwicklung müssen wir aufhalten. Die jetzigen Vereinbarungen und Ausgleichszahlungen reichen dazu nicht immer
aus. Der prozessorientierte Naturschutz in unserem Kanton
funktioniert nur, wenn von Fall zu Fall genügend finanzielle
Mittel und die entsprechenden rechtlichen Instrumente
bereitstehen, um Naturschutzprogramme umzusetzen. Die
Situation von an Naturwerten reichen, an Finanzen armen
Gemeinden sollte nicht ausschlaggebend für den Vollzug
des Natur- und Landschaftsschutzes sein. Ich möchte Sie
bitten, das Postulat zu überweisen. Dem Regierungsrat fällt
bei einer Überprüfung dieser Situation sicher kein Stein aus
der Krone.
Regierungsrat Dr. Thomas Pfisterer: Das ist ein reales
Anliegen, das wir ernst nehmen müssen. Es ist ein Problem
169
18. Juni 1996
des Stadt-Land-Gefälles in unserem Kanton. Ich habe dies in
den letzten Jahren intensiv erlebt. Ich erinnere an die Diskussionen über Raumordnungskonzept, Richtplan, öffentlichen Verkehr, Strassenbaugesetz, Bewirtschaftungsbeiträge.
Ich bitte Sie aber sehr, uns diesen Riesenauftrag nicht jetzt
zu erteilen. Wir können das nicht auch noch integral angehen. Es ist eine Frage der Kapazitäten und Prioritäten. Es
fehlt uns an den statistischen Unterlagen. Wir sind dabei,
Art. 1730
diese aufzubauen. Das AGIS wird uns helfen. Wir sind in
verschiedenen Teilbereichen mit diesem Problem beschäftigt. Wir haben den Pfad der schrittweisen Einzelansätze
gewählt. Dieser pragmatische Weg ist vernünftig. Bitte
keinen neuen Grossauftrag, aber das Anliegen wollen wir
schrittweise weiter angehen. Spätestens bei der Diskussion
um das Regierungsprogramm können Sie wieder Gewichte
setzen.
Die Bandbreite der Gemeindesteuerfüsse hat sich bei 88 135 % stabilisiert und liegt damit deutlich unter den Extremwerten früherer Jahre.
Abstimmung:
Für Überweisung des Postulates: 36 Stimmen.
Dagegen: 81 Stimmen.
Vorsitzender: Das Geschäft ist erledigt.
1731 Postulat Felix Binder, Tegerfelden, vom 26. April
1994 betreffend Zusammenarbeit der Gemeinden; Überweisung an den Regierungsrat
(vgl. Art. 477 hievor)
Vorsitzender: Der Regierungsrat ist bereit, das erwähnte
Postulat entgegenzunehmen. Liegen dazu Wortmeldungen
vor? Das ist nicht der Fall. Sie haben das Postulat stillschweigend überwiesen.
1732 Interpellation Felix Binder, Tegerfelden, vom
17. Januar 1995 betreffend Wahrung der Selbständigkeit
aller Aargauer Gemeinden; Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 900 hievor)
Antwort des Regierungsrates vom 8. Mai 1996:
Die vorliegende Interpellation wurde anfangs 1995 eingereicht. Die Beantwortung erfolgt erst jetzt, weil die Entwicklung der Finanzlage der Gemeinden und des Finanzausgleichs im vergangenen Jahr abgewartet wurde, um im
Hinblick auf die gestellten Fragen die richtigen Schlüsse
ziehen zu können. Zudem war in den letzten Monaten das
Projekt Aufgabenteilung Kanton - Gemeinden in Vorbereitung, das für die Wahrung der Selbständigkeit der Gemeinden ebenfalls von erheblicher Bedeutung ist.
Die Situation des Finanzausgleichs hat sich 1995 deutlich
beruhigt. Die Kürzung der ordentlichen Beiträge konnte
gegenüber dem Vorjahr um die Hälfte auf 14.3 % reduziert
werden. Entgegen früheren Befürchtungen konnten die
zusätzlichen Beiträge voll ausgerichtet werden. Das Fondsvermögen erhöhte sich um Fr. 3.3 Mio. auf Fr. 10.1 Mio.
Mit dem Voranschlag 1996 bewilligte der Grosse Rat zudem
die Erhöhung des Steuerzuschlags auf 3 %, was in den
kommenden Jahren zu einer weiteren Verbesserung der
Leistungsfähigkeit des Finanzausgleichs führen dürfte.
170
Aus Sicht des Regierungsrates besteht keine Notwendigkeit,
Zusammenschlüsse von Gemeinden zu forcieren. Dagegen
erachtet er eine Intensivierung der Zusammenarbeit der
Gemeinden bei der gemeinsamen Aufgabenerfüllung als
sinnvoll und notwendig. Die entsprechenden Bestrebungen
der Gemeinden sollen durch den Kanton noch vermehrt
unterstützt werden. Im Hinblick darauf hat deshalb das
Departement des Innern, parallel zum Projekt Aufgabenteilung, auch eine Ueberprüfung der Organisation und Aufgaben der Gemeindeabteilung und insbesondere des Gemeindeinspektorates in die Wege geleitet.
Zu Frage 1 und 2: Der Regierungsrat vertritt nach wie vor
die Auffassung, dass der Zusammenschluss in erster Linie
Sache der Gemeinden selbst ist, wie es die Kantonsverfassung (§ 105) und das Gemeindegesetz (§ 5 ff.) vorsehen. Es
sind durchaus Situationen denkbar, in denen für die beteiligten Gemeinden ein Zusammenschluss sinnvoll ist. Der
Regierungsrat würde entsprechende Bestrebungen der Gemeinden unterstützen, jedoch nicht aktiv forcieren. Die
abschliessende Zuständigkeit liegt ohnehin beim Grossen
Rat, der die Zusammenschlüsse genehmigen muss. Wie
schon bei früherer Gelegenheit festgehalten (u.a. Beantwortung der Interpellation Kurt Oldani vom 13. Oktober 1992),
erachtet der Regierungsrat die bestehende Kompetenzordnung für den Zusammenschluss von Gemeinden vor dem
Hintergrund der Gemeindeautonomie als sachlich und politisch richtig. Er beabsichtigt deshalb keine Aenderung der
erwähnten Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen. Hingegen ist der Regierungsrat der Meinung, dass das bestehende Instrumentarium für eine zweckmässige und wirtschaftliche Aufgabenerfüllung durch interkommunale Zusammenarbeit (Gemeindevertrag und Gemeindeverband)
sowie Uebertragung an Dritte noch vermehrt ausgeschöpft
werden muss. Entsprechende Akzente sind beim Startgespräch zum Projekt Aufgabenteilung zwischen einer Delegation des Gemeindeammännerverbandes und des Regierungsrates von beiden Seiten gesetzt worden. Bereits heute bietet
§ 11 des Baugesetzes eine neue, weitergehende Grundlage
zur verbesserten Zusammenarbeit für die einzelnen Gemeinden; danach haben die Regionalplanungsverbände dafür zu
sorgen, dass die Gemeinden ihre Planungen innerhalb der
Region aufeinander abstimmen. Gemäss §§ 72 und 76 des
Gemeindegesetzes könnten die Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen sogar zur Zusammenarbeit bzw. zum
Beitritt zu einem Gemeindeverband verpflichtet werden. Der
Regierungsrat vertritt jedoch auch in diesem Bereich die
Auffassung, dass die Gemeinden in erster Linie selbst aktiv
werden sollen. Allerdings müssen für entsprechende Bestrebungen noch vermehrt Anreize geschaffen werden. In die
gleiche Richtung zielt auch das Postulat (6644) Felix Binder
vom 26. April 1994, das eine Förderung der Zusammenar-
Art. 1730
18. Juni 1996
beit der Gemeinden mit differenzierten Subventionssätzen
vorsieht. Es wird deshalb beantragt, dieses Postulat entgegenzunehmen.
Zu Frage 3: Die Schaffung ausgewogener Verhältnisse im
Sinne von § 120 der Kantonsverfassung bedeutet nicht, dass
in allen Gemeinden die erbrachten Leistungen und die Steuerbelastungen vereinheitlicht werden müssen. Dies würde
dem autonomen Gestaltungswillen der Gemeinden widersprechen und wäre mit deren Eigenständigkeit nicht zu
vereinbaren. Der ausgleichenden Annäherung der kommunalen Steuerfüsse sind dadurch Grenzen gesetzt, weshalb
indem die Anzahl der Gemeinden in der Bandbreite von 100
% - 125 % auf 189 (81,5 %) gesunken ist, 11 (4,7 %) Gemeinden einen Steuerfuss unter 100 % und 32 (13,8 %)
Gemeinden einen Ansatz über 125 % aufwiesen, darf immer noch von relativ ausgewogenen Verhältnissen gesprochen werden. Dies gilt auch für das Jahr 1996, das ein praktisch unverändertes Bild zeigt (Extremwerte 88 % - 131 %;
188 Gemeinden 100 % bis 125 %; 11 Gemeinden unter 100
%; 33 Gemeinden über 125 %). Die Steuerbelastung in den
einzelnen Gemeinden ist heute jedenfalls wesentlich ausgeglichener als in den 60er und 70er Jahren mit damaligen
Extremwerten von bis zu 190 %. Die am 1. Januar 1995 in
Kraft getretenen revidierten Bestimmungen des Finanzausgleichsgesetzes sowie die Erhöhung des Staatssteuerzuschlages auf 2 % ab 1993 und auf 3 % für das Jahr 1996
lassen zudem erwarten, dass sich die Steuerfüsse im oberen
Bereich nicht nur stabilisieren, sondern tendenziell wieder
nach unten bewegen werden. In diesem Zusammenhang
kann auf die folgende Entwicklung der ordentlichen Finanzausgleichsbeiträge hingewiesen werden:
Auszahlungsjahr
Bedarf
(Mio.)
Auszah- Verändelung
rung zu
(Mio.)
Vorjahr
Kürzung
1993
24,8
24,8
- 9,2 %
keine
1994
48,6
33,1
+ 33,5 %
31,8 %
1995
49,7
35,5
+ 7,3 %
28,6 %
1996
48,4
41,5
+ 16,9 %
14,3 %
Für das Jahr 1997 und folgende kann mit einer weiteren
Reduktion der Kürzung der ordentlichen Beiträge gerechnet
werden. Ebenso sollten für die zusätzlichen Beiträge ausreichend Mittel zur Verfügung stehen.
Zu Frage 4 a): Die Beratungstätigkeit hat innerhalb des
Aufgabenbereiches des Gemeindeinspektorates bereits seit
Jahren und heute noch vermehrt einen sehr grossen Stellenwert. Die Beratung der Gemeinden in allen Fragen des
Finanzhaushaltes erfolgt durch die tägliche Erteilung von
mündlichen und schriftlichen Auskünften, durch individuelle Hilfestellungen für einzelne Gemeindebehörden und
Finanzverwaltungen sowie durch die Durchführung von
Fachkursen und die Mitarbeit bei Weiterbildungsprogrammen. Sie betrifft die Beantwortung von einfachen Fragen der
Buchführung und geht bis zur Behandlung von komplexeren
Finanzierungs- und Analyseproblemen. Die Gemeindeabteilung sucht permanent nach Verbesserungen der Beratungstätigkeit. Im Zuge der anstehenden Neubesetzung der Stelle
des Chefs Gemeindeabteilung werden Organisation und
auch keine gesetzlichen Vorgaben bestehen, wie die anzustrebende Ausgewogenheit konkret auszusehen hat.
Für die Beurteilung der Ausgewogenheit darf nicht von den
Extremwerten - im Jahre 1994 zwischen 88 % und 135 % ausgegangen werden. Von den 232 Gemeinden befanden
sich deren 202 (87,1 %) in einer Bandbreite von 25 % (100 125 %). Nur 11 (4,7 %) Gemeinden hatten einen Steuerfuss
unter 100 % und 19 (8,2 %) Gemeinden einen solchen über
125 %. Obwohl sich die Situation im Jahre 1995 mit unveränderten Extremwerten etwas negativ verändert hat,
Aufgaben der Abteilung wie auch des Gemeindeinspektorates einer grundsätzlichen Ueberprüfung unterzogen. In diese
Ueberprüfung ist auch die Beratungstätigkeit gegenüber den
Gemeinden einbezogen, v.a. in den Bereichen Organisation,
interkommunale Zusammenarbeit und Finanzen. Die Beratung soll künftig gezielter auf diejenigen Gemeinden ausgerichtet werden, bei denen ein höherer Unterstützungsbedarf
besteht.
Zu Frage 4 b): Die Frage der Erfüllung von Aufgaben des
Gemeindeinspektorates unter Einbezug von Privaten (Treuhand- und Revisionsgesellschaften) ist ebenfalls Gegenstand
der Ueberprüfung der Organisation der Gemeindeabteilung.
Eine umfassende Privatisierung wird dabei jedoch nicht
angestrebt, weil der Kanton nicht vollständig von der Aufsicht über die Gemeindefinanzen entbunden werden kann.
Die Uebertragung der Berechnungen für den Finanzausgleich auf Amtsstellen des Finanzdepartementes wird geprüft. Zur Zeit erhebt das Kantonale Steueramt allerdings
nur zum Teil die für den Finanzausgleich benötigten Daten.
Die notwendigen Grundlagen werden hauptsächlich bei der
Kontrolle der vollständigen Gemeinderechnungen beschafft,
mit denen sich heute weder das Kantonale Steueramt noch
das Amt für Finanzkontrolle befassen.
Zu Frage 4 c): Wie bereits erwähnt, ist die Förderung der
interkommunalen Zusammenarbeit durch die Anwendung
differenzierter Subventionssätze zu begrüssen. Dem Anliegen trägt der Kanton in einzelnen Teilbereichen bereits
heute Rechnung. So sieht das vom Grossen Rat verabschiedete und im Juni dieses Jahres zur Volksabstimmung gelangende revidierte Feuerwehrgesetz vor, dass die Gebäudeversicherungsanstalt die Beitragsleistung bei einer gemeinsamen Anschaffung und Verwendung von Material und Einrichtungen durch mehrere Gemeinden erhöht, sofern
dadurch technische, betriebliche oder finanzielle Vorteile
erwachsen, welche die Interessen an der gemeindeweisen
Anschaffung überwiegen. Die Zielsetzung, über die Zusprechung von Subventionen Anreize für eine vermehrte Kooperation der Gemeinden zu schaffen, ist bei anstehenden und
künftigen Gesetzesrevisionen sowie im Rahmen des Projektes Aufgabenteilung Kanton - Gemeinden weiterzuverfolgen. In diesem Sinne ist der Regierungsrat auch bereit, das
entsprechende Postulat Felix Binder entgegenzunehmen. Im
Bereich des Finanzausgleichs wird das Anliegen berücksichtigt, indem regionale Projekte bei der Freigabe von Projekten im Hinblick auf zusätzliche Beiträge aus dem Finanzausgleich höhere Priorität haben.
Felix Binder, Tegerfelden: Ich bin von der Antwort nur
teilweise befriedigt. Ich bin überrascht, dass nach anderthalb
Jahren eine so dürftige Antwort gekommen ist. Die Frage
der Selbständigkeit der kleinen Gemeinde auf die Höhe des
171
18. Juni 1996
Finanzausgleichs reduzieren zu wollen ist zu einfach. Ich
hätte grundsätzliche Überlegungen zu diesem Thema erwartet. Nicht nur die Finanzen drücken die kleinen Gemeinden,
es gibt vor allem auch Umsetzungsprobleme, verbunden mit
den hier produzierten und vom Volk angenommenen Vorlagen. Zum Thema Zusammenarbeit der kleinen Gemeinden
sollte es Modellvorschläge geben. Ich war bei Schul- und
Feuerwehrzusammenlegungen dabei, und bei jedem Thema
musste das Rad neu erfunden werden. Es wäre zeitgerecht,
1733 Interpellation Urs Locher, Zofingen, vom 5. März
1996 betreffend Öffnungszeiten für alkoholfreie Cafés an
Sonn- und Feiertagen; Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 1518 hievor)
Antwort des Regierungsrates vom 5. Juni 1996:
§ 26 des Gesetzes über das Wirtschaftswesen und den Handel mit geistigen Getränken (Wirtschafts-gesetz) vom 2.
März 1903 lautet wie folgt: "An Sonn- und Feiertagen sollen
die Wirtschaften bis 10.00 Uhr geschlossen sein. Dieses
Verbot bezieht sich jedoch weder auf Reisende, noch auf
diejenigen Personen, die in einer Wirtschaft herbergen."
Diese Gesetzesbestimmung ist grundsätzlich anwendbar auf
alle Gastwirtschaften, handle es sich um solche mit oder
ohne Alkoholausschank.
An der Bestimmung fällt auf, dass sie in Satz 1 als SollVorschrift formuliert ist, Satz 2 hingegen von einem Verbot
ausgeht. In der Praxis macht dieser Widerspruch Mühe und
lässt Raum für eine unterschiedliche Handhabung. Keine
Geltung hat die Vorschrift für Reisende und für Personen,
die in einer Gastwirtschaft logieren. Die Ausnahme für
Reisende ist im Zusammenhang mit den Reisegewohnheiten
und Möglichkeiten zu Beginn dieses Jahrhunderts zu verstehen. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass Gastwirtschaften, die als Nebenbetriebe der Eisenbahn und der Nationalstrassen eingestuft sind, nicht unter das kantonale Recht
fallen. Deshalb können die entsprechenden Gaststätten an
Bahnhöfen und die Raststätten auf der Autobahn an Sonnund Feiertagen früher öffnen. Der Regierungsrat hält die
Bestimmung von § 26 als revisionsbedürftig und wird mit
dem Entwurf des neuen Gastwirtschaftsgesetzes deren Aufhebung beantragen.
Zu Frage 1: § 26 des Wirtschaftsgesetzes ist aufgrund der
gesellschaftlichen Verhältnisse zu Beginn dieses Jahrhunderts entstanden. Der sonntägliche Kirchgang war damals
derart dominierend, dass eine Oeffnung von Gastwirtschaften vor dem Abschluss des Gottesdienstes kaum denkbar
war. Zudem bestand auch kein eigentlicher Bedarf für eine
frühere Oeffnung am Sonntagmorgen, weil es die heute
herrschende freizeitliche Betriebsamkeit am Sonntagmorgen
noch gar nicht gab. Der Regierungsrat ist der Auffassung,
dass es nicht die Aufgabe des Rechts sein kann, durch gesellschaftliche Entwicklungen überholte Ordnungen aufrecht
zu erhalten. Die geltende Regelung der zulässigen Oeffnungszeiten von Gastwirtschaften am Sonntagmorgen ist
172
Art. 1731-1732
wenn sich die Regierung zu diesen Themen Gedanken
machte. Die Frage des Steuerfusses und der Bandbreite
zwischen 88 % und 135 %: Diese erachte ich als zu hoch. In
diesen Gemeinden versteht niemand, warum manche Leute
nicht einmal 90 % Steuern bezahlen müssen und in den
kleinen Gemeinden müssen es 135 % sein, damit die minimalsten Aufgaben erfüllt werden können. Ich bin von der
regierungsrätlichen Antwort nur teilweise befriedigt.
Vorsitzender: Das Geschäft ist erledigt.
angesichts des in den letzten Jahren eingetretenen Wandels
nicht mehr zeitgemäss.
Zu Frage 2: Auch wenn das geltende Wirtschaftsgesetz in
diesem Sinne einen Mangel aufweist, behält es grundsätzlich
seine Gültigkeit. Insbesondere lässt es nach Ansicht des
Regierungsrates keinen Platz für die Erteilung von Ausnahmebewilligungen an Wirte, die ihren Betrieb früher öffnen
möchten. Die Erteilung von Ausnahmebewilligungen ist nur
zulässig, wenn das Gesetz selbst solche vorsieht und einer
Behörde die Kompetenz erteilt, Ausnahmebewilligungen zu
erteilen. Beides ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die
Ahndung von Verstössen gegen die Oeffnungszeiten fällt in
die Kompetenz der Justizbehörden in den Bezirken. Diese
tolerieren bereits heute in mehreren Bezirken frühere Oeffnungszeiten von Gastwirtschaften an Sonn- und Feiertagen
und verzichten auf die Einleitung von Strafverfahren. Auch
eine kürzlich vom Grossen Rat mit grosser Mehrheit überwiesene Motion verlangt eine Liberalisierung der Oeffnungszeiten von Gastwirtschaften an Wochenenden.
Zu Frage 3: Die Totalrevision des Wirtschaftsgesetzes erweist sich erwartungsgemäss als komplexes Unterfangen. Zu
klären sind bedeutende Fragen im Zusammenhang mit der
Bedürfnisklausel, dem Fähigkeitsausweis, der Patentpflicht
und den Oeffnungszeiten. Weiter müssen die meisten Bestimmungen den Entwicklungen der heutigen Zeit angepasst
oder ganz eliminiert werden. Der beigezogene Gesetzesredaktor hat alle diese Fragen einer eingehenden und zeitaufwendigen Ueberprüfung unterzogen. Nach diesen Vorarbeiten sollte es möglich sein, den Gesetzesentwurf im Sommer
1996 in eine breit gestreute Vernehmlassung zu geben. Der
weitere Fahrplan hängt davon ab, wie der Entwurf in der
Vernehmlassung aufgenommen wird und wie anschliessend
die Beratung im Grossen Rat verläuft. Regierungsrat und
Departement des Innern sind bestrebt, das Gesetzgebungsverfahren speditiv abzuwickeln.
Urs Locher, Zofingen: Ich danke dem Regierungsrat für die
klare Stellungnahme bezüglich dem heutigen Stellenwert der
angesprochenen Bestimmungen im Wirtschaftsgesetz. Ich
sehe auch, dass er sich den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht entgegenstellen will. Ich stelle ebenfalls fest, dass
es allein Sache der Justizbehörden im Bezirk ist, ob man
diesbezüglich grosszügig und tolerant ist. Der Regierungsrat
lässt zwischen den Zeilen durchblicken, dass er ebenfalls
eine grosszügige Lösung empfiehlt. Ich tue das auch und
möchte die Bezirksbehörden auffordern, sich in tolerantem
Sinn gegenseitig abzustimmen und keine unnötigen Kontroll- und Anzeigeübungen mehr durchzuführen. Ich bedaure, dass kein interner Fahrplan für ein zügiges Durchsehen
der Wirtschaftsrevision besteht. Es gibt Gesetzesrevisionen,
die in aller Eile durchgezogen werden, andere eher im
Schneckentempo. Mir scheint, dass bislang ziemlich viel
Zeit verloren wurde, obwohl schon eine Reihe von Signalen
Art. 1732
gesetzt wurde. Meiner Meinung nach müsste es möglich
sein, die in diesem Sommer stattfindende Vernehmlassung
zügig zu verarbeiten und die beiden Lesungen mit anschliessender Volksabstimmung 1997 durchzuziehen, damit das
neue Wirtschaftsgesetz wie in anderen Kantonen innert
1734 Postulat der SP-Fraktion vom 12. Dezember 1995
betreffend finanzielle Starthilfe an das Schweizerische
Therapiezentrum für Folteropfer; Ablehnung
(vgl. Art. 1428 hievor)
Antrag des Regierungsrates vom 22. Mai 1996:
1. Allgemeine Bemerkungen zur Folter: Internationale Abkommen verbieten heute die Folter, diese schwerste, die
Menschenwürde missachtende Form der Menschenrechtsverletzung. Art. 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinigten Nationen vom 10. Dezember
1948 nimmt dazu klar Stellung: "Niemand darf der Folter
oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden".
Sowohl die Europäische und die Amerikanische Menschenrechtskonvention, als auch die Afrikanische Charta der
Menschenrechte und die Interamerikanische Konvention zur
Prävention und Bestrafung von Folter sprechen sich in
diesem Sinne aus.
Trotz der internationalen Bemühungen zur Einhaltung der
Menschenrechte kann nicht negiert werden, dass die Folterung und grausame Misshandlung von Gefangenen weiterhin eine triste Realität politischer Machtausübung in vielen
Ländern bildet.
2. Therapieprojekt SRK für gefolterte Flüchtlinge: Das
Therapie-Zentrum SRK steht unter der Trägerschaft des
Schweizerischen Roten Kreuzes (Departement Flüchtlingshilfe) und befindet sich im Areal des Inselspitals in Bern.
Anfangs September 1995 wurden die Räumlichkeiten bezogen und das Therapie-Zentrum eröffnet. Per Jahresbeginn
1996 befanden sich 18 Personen in einer längerfristigen
Behandlung.
Aufgabe des Therapiezentrums: Zentrale Aufgabe bildet die
ärztlich geleitete Therapie. Das ambulante Abklärungs- und
Therapieangebot für die gefolterten oder schwer kriegstraumatisierten anerkannten Flüchtlinge und ihre Angehörigen
umfasst medizinische, psychische, psychotherapeutische und
soziale Aspekte. Daneben übernimmt das Therapiezentrum
SRK auch Aufgaben in den Bereichen Dokumentation
(Aufbau einer Dokumentationsstelle zur Thematik der Folter
und Kriegstraumatisierung) und Forschung (Durchführung
praxisorientierter Forschungsprojekte, wie Evaluation von
18. Juni 1996
nützlicher Frist in Kraft treten kann. Weil ein konkreter
Terminplan fehlt und etwas zu wenig Dampf gemacht wird,
bin ich von der regierungsrätlichen Antwort nur teilweise
befriedigt.
Vorsitzender: Das Geschäft ist erledigt.
Behandlungsmodellen). Ferner wird mittels Aus-, Weiterund Fortbildung der Aufbau von weiteren interdisziplinären
Behandlungseinheiten für Folteropfer in der ganzen Schweiz
gefördert.
Finanzierung: In der Aufbauphase erfolgt die Finanzierung
hauptsächlich durch das Schweizerische Rote Kreuz. Weiter
werden Beiträge durch Spenden und die öffentliche Hand
entrichtet. So leistete der Bund bis anhin einen Startbeitrag
von Fr. 450'000.--. Einzelne Kantone (Bern, Neuenburg,
Schwyz und Appenzell-Ausserrhoden) haben insgesamt Fr.
145'000.-- zugesichert. Die medizinisch-therapeutischen
Leistungen werden von den Krankenkassen oder der IV
bezahlt. Wie sich der Betrieb nach den Starthilfen finanzieren lässt, bleibt offen.
Budget 1996: Das Budget für 1996 sieht bei einem Stellenetat von rund 800 % für 1996 Betriebskosten von Fr. 1,5
Millionen vor.
3. Bisherige Gesuche an den Kanton Aargau: Bereits im
Jahre 1993 stellte das Schweizerische Rote Kreuz ein Beitragsgesuch an den Kanton Aargau für ein Therapieprojekt
für gefolterte Flüchtlinge mit der Begründung, dass die
Schweiz 1984 die UNO-Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen ratifiziert hat und damit eine moralische Verpflichtung
eingegangen sei, diesen Personen eine möglichst vollständige Rehabilitation zu ermöglichen. Das Schweizerische Rote
Kreuz wollte sich - unter Vorbehalt der Finanzierung dieser humanitären Aufgabe annehmen.
Das Gesundheitsdepartement wurde damals vom Regierungsrat beauftragt, dieses Projekt zu prüfen. Nach Abklärungen, sowohl mit der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz und der Kantonalen Fürsorgedirektorenkonferenz
in Bern, hat der Regierungsrat eine Beteiligung an diesem
Projekt ebenfalls abgelehnt. Die Ablehnung erfolgte in der
Überzeugung, dass die Therapieangebote in unserem Kanton
und in der Schweiz sehr gut ausgebaut sind und die Folteropfer in den bestehenden Therapiezentren kompeten therapiert und behandelt werden können.
Im Jahre 1994 stellte der ACAT (Action des Chrétiens pour
l'Abolition de la Torture) Schweiz in Bern ein erneutes
Unterstützungsgesuch an den Regierungsrat. Dieses Gesuch
wurde unter den gleichen Gesichtspunkten abgelehnt.
Am 12. Dezember 1995 wurde das Postulat der SP-Fraktion
eingereicht.
4. Eingeholte Stellungnahmen des Gesundheitsdepartementes: Stellungnahme des Vorstandes der Konferenz der kantonalen Fürsorgedirektoren Bern: Die vorgeschlagene Lösung über eine neu zu schaffende zentrale Struktur findet
keine Zustimmung. Die Konferenz ist der Auffassung, dass
die dezentrale Behandlung eindeutig vorzuziehen ist. Die
Kantone sind für die Betreuung von Flüchtlingen mit Niederlassungsbewilligungen, d.h. nach 5 Jahren, zuständig.
Nach dieser Zeit ist die Integration weit fortgeschritten. Die
ärztliche und soziale Betreuung sollte nach diesem Zeit173
18. Juni 1996
punkt gleich wie bei der einheimischen Bevölkerung erfolgen.
Stellungnahme des Externen Psychiatrischen Dienstes
(EPD) Königsfelden: Immer wieder werden dem EPD Folteropfer (ausländische) zur Behandlung zugewiesen. Das
spezielle Fachwissen wird regelmässig (auch im Zusammenhang mit dem psychiatrischen Katastrophenkonzept des
Kantons Aargau) geschult. Es werden Krisentinterventionen
und Kurztherapien durchgeführt. Die Patientinnen und
Patienten können danach in vielen Fällen in Praxen von
Psychiaterinnen und Psychiatern, die über das spezielle
Fachwissen verfügen, weiterbetreut werden. Ein Problem,
gung zugezogen werden (diese werden übrigens auch von
der Opferhilfe nach OHG eingesetzt). Es erstaunt, dass nun
plötzlich die Kantone einen Beitrag an einen speziellen Teil
dieser Betreuung leisten sollen. Die entstehenden Kosten
gehören in die Betreuungskosten der anerkannten Flüchtlinge und damit zum Bund.
5. Folgerungen des Regierungsrates: Der Regierungsrat
erachtet das Projekt eines Therapiezentrums SRK als eine
nicht notwendige zusätzliche therapeutische Einrichtung mit
sehr hohen Kosten. Insgesamt wird dadurch die Lage von
Menschen, die die Sprache extremer Gewalt erfahren haben
(Folteropfer) und mit diesen traumatisierenden Erlebnissen
weiterleben müssen, nicht wesentlich verbessert. Dass eine
dezentrale Behandlung, aus Zugänglichkeits- und psychosozialen Gründen, einer zentralisierten wenn immer möglich
vorzuziehen ist, entspricht dem Grundsatz zeitgemässer
Therapie (Spitex, Sozialpsychiatrie u.a.m.).
Es ist sicher richtig, dass foltertraumatisierte, anerkannte
Flüchtlinge, die einer komplexen Behandlung bedürfen,
einer fachkundigen therapeutischen Hilfe zugeführt werden
müssen. Der Regierungsrat ist sich durchaus bewusst, dass
diese sowohl psychisch, physisch wie sozial betroffenen und
geschädigten Menschen, die die traumatischen Auswirkungen der Folter bewältigen müssen, einfühlsam sowie fachlich kompetent behandelt werden müssen.
Der Regierungsrat befürwortet aber die bisherige Regelung,
dass dafür die vorhandenen, sehr gut ausgebauten Infrastrukturen, die über das nötige Fachwissen verfügen, zu
nutzen sind. In einer multikulturellen und multikonfessionellen Gesellschaft ist das ärztliche und das therapeutische
Personal stets angehalten, sich das nötige Fachwissen zu den
vielfältig vorhandenen Problemen anzueignen. Es ist - auch
in Anbetracht der eingeschränkten finanziellen Ressourcen jedoch nicht möglich, dass für alle Therapiesparten spezielle
Behandlungenszentren eingerichtet werden, deren längerfristige Existenz fraglich ist. Das zeitlich beschränkte Projekt des Therapie-Zentrums SRK hat vor allem den Charakter einer wissenschaftlichen Studie mit sehr hohen Kosten.
Die Zukunft des Projektes ist jedoch ungewiss. Des weiteren
richtet sich das Projekt ausdrücklich an die anerkannten
Flüchtlinge, für deren Kosten in den ersten 5 Jahren der
Bund aufkommt. Die Frage, wie sich nach den Starthilfen
der weitere Betrieb finanzieren lässt, bleibt offen.
Vorsitzender: Der Regierungsrat beantragt, das Postulat
abzulehnen.
Barbara Kunz-Egloff, Brittnau: In seiner ablehnenden
Antwort bezeichnet der Regierungsrat das Therapiezentrum
174
Art. 1733
das bei der Behandlung ausländischer Patientinnen und
Patienten handicapiert, ist die Sprache. Dazu werden Dolmetscherinnen und Dolmetscher beigezogen (dieses Problem besteht aber genauso beim SRK-Therapiezentrum).
Stellungnahme des Sozialdienstes des Kantons Aargau: Von
den angeblich 7'000 Folteropfern, welche sich unter den
anerkannten Flüchtlingen in der Schweiz befinden sollen,
leben auch einige in unserem Kanton. Ihnen wird seit jeher
medizinische, psychologische und therapeutische Hilfe
gegeben. Wenn die Erlebnisse überhaupt je verarbeitet
werden können, dann ist das mit den bestehenden Mitteln
gewährleistet, indem Fachleute für Traumabewältifür Folteropfer als eine nicht notwendige zusätzliche therapeutische Einrichtung mit sehr hohen Kosten. Er stellt in
Abrede, dass durch die Arbeit dieses Zentrums die Lage von
Menschen, die extreme Gewalt und Verletzungen erfahren
haben, verbessert werden könne. Diese Haltung des Regierungsrates ist masslos enttäuschend. Bis zur Eröffnung des
Zentrums im Herbst 1995 war die Schweiz die einzige Industrienation der Welt, die keine spezialisierte Behandlungsstelle für gefolterte und kriegstraumatisierte Menschen
hatte. Dabei rechtfertigen humanitäre und fach-liche Gründe
diese notwendige therapeutische Einrichtung. Der Entscheid
der Aargauer Regierung stützt sich unter anderem auf die
ablehnende Empfehlung der Konferenz der Fürsorgedirektoren von 1993. Dieser Entscheid wurde damals aufgrund
umfassender theoretischer Projektgrundlagen gefällt, namentlich aufgrund von Studien von Prof. Wicker und Frau
Dr. Weiss. Es ist sehr bedauerlich, dass neuere Entwicklungen und insbesondere die nun praktischen Erfahrungen des
seit September 1995 eröffneten Therapiezentrums nicht
berücksichtigt wurden. Das Therapiezentrum hat keine
zentrale Versorgungsstruktur, im Gegenteil. Es will durch
die intensive Öffentlichkeitsarbeit, Beratungs- und Weiterbildungsangebote sowie intensive Arbeit im Bereich von
Forschung und Dokumentation die gemachten Erfahrungen
in der Behandlung von Gefolterten und Kriegstraumatisierten weitertragen. Beispielsweise muss die universitäre Weiterbildung "Folter- und kriegstraumatisierte Flüchtlinge in
der Schweiz" doppelt geführt werden, weil so viele sich
angemeldet hatten und der Kurs ein überdurchschnittlich
positives Echo hervorrief. Das Ziel dieser Konzeption der
Multiplikation von Fachwissen und therapeutischen Fähigkeiten ist, eine Grundlage für den Aufbau von anderen
Therapieeinrichtungen zu schaffen. Seit der Eröffnung des
Zentrums haben sich bereits rund 70 von schwersten Menschenrechtsverletzungen betroffene, anerkannte Flüchtlinge
für eine ambulante medizinische und psychotherapeutische
Behandlung angemeldet. 40 Menschen stehen zur Zeit in
Behandlung. Es besteht gegenwärtig bereits eine lange
Warteliste. Die schwer traumatisierten Flüchtlinge aus bisher acht verschiedenen Ländern leiden teilweise schon seit
Jahren unter schwerwiegenden körperlichen und sozialen
Folgen der Misshandlungen. Sie sind deshalb in der Arbeitswelt kaum integrierbar, und die nachhaltigen Folgen
treffen die ganze Familie. Die Mehrzahl der Patientinnen
und Patienten im Therapiezentrum des Roten Kreuzes wurden bislang in freier Praxis behandelt, ohne durchgreifenden
Erfolg. Wiederholt durchgeführte und zum Teil teure Abklärungen sowie unkoordiniert durchgeführte Behandlungen
mit einer Vielzahl an Medikamenten sind bei den Opfern an
der Tagesordnung. Nicht selten werden diese Behandlungen
18. Juni 1996
Art. 1734
ohne ausreichende Übersetzungshilfen durchgeführt. Dies
begünstigt Unklarheiten, Missverständnisse und mangelhafte Kooperation. In Ergänzung zu den bestehenden Strukturen können spezialisierte Therapieeinrichtungen für Folteropfer mithelfen, die Behandlungskosten zu senken. Dies
wirkt längerfristig kostendämpfend, beispielsweise durch
Verhinderung einer Invalidisierung. Die Auswirkungen von
Folter und Krieg werden gerne verleugnet und heruntergespielt. Es liegt in der Natur des Menschen, abscheuliche
Menschenrechtsverletzungen, Misshandlungen und deren
Auswirkungen am liebsten nicht wahrhaben zu wollen. Der
Kampf gegen diese Menschenrechtsverletzungen stellt
jedoch einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Demokratie dar und ist ein Tatbeweis im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen. Ich bitte Sie inständig, das Postulat zu
überweisen.
auch eine intensive Therapie. Offenbar haben das Rote
Kreuz sowie der Bund und einige Kantone dies erkannt und
entsprechend Starthilfe gewährt. Die Schweiz ist in diesem
Bereich speziell zur bestmöglichen Hilfe verpflichtet, da
sonst das geflügelte Wort von der humanitären Schweiz zur
Farce würde. Gerade weil die Flüchtlingsfürsorge fünf Jahre
nach der Einreise eines Flüchtlings an den Kanton übergeht,
sollte dieser das grösste Interesse daran haben, dass in der
Zeit davor für Therapiebedürftige das Optimum getan wird.
Der Kanton könnte sich dadurch viele Kosten ersparen,
wenn die Leute für ihren Unterhalt selber sorgen könnten.
Es geht hier um anerkannte Flüchtlinge. Wir müssen zu
diesen Leuten sehen. Die Klinik Königsfelden kann vieles,
aber nicht alles. Gemäss Angaben des Leiters des Berner
Therapiezentrums werden sie in Bern überhäuft mit Anfragen von Psychiatern, Juristen und Sozialarbeitern. So sind
die von diesem Zentrum ausgeschriebenen Weiterbildungskurse für Fachpersonal zum voraus weitgehend ausgebucht.
Auch die Klinik Königsfelden und alle interessierten Fachkräfte im Aargau können von diesem Zentrum profitieren.
Ein Zentrum mit dem Know-how, wie man Dolmetscher in
den Therapieprozess integriert, das das Verständnis und
Bewusstsein bei den Fachpersonen und in der Bevölkerung
fördert und sich durch deine Dokumentationen auszeichnen
könnte, wäre darum wirklich sinnvoll. In der Sendung "Mitenand" wurde im Fernsehen DRS in Zusammenhang mit
diesem Zentrum eine Familie aus dem Aargau, aus Rothrist,
vorgestellt. Ich habe erfahren, dass weitere Leute aus dem
Aargau dort behandelt werden. Daher ist ein angemessener
Beitrag angebracht. Wir haben einen Lotteriefonds, aus dem
wir manches bezahlen. Das wäre eine Möglichkeit. Seit
1993, als der Bericht verfasst wurde, der der regierungsrätlichen Antwort zugrunde liegt, sind einige neue Erkenntnisse
dazugekommen. Demnächst wird die Fürsorgedirektorenkonferenz der Schweiz nochmals mit dem Problem konfrontiert werden. Die Weichen werden dann höchstwahrscheinlich anders gestellt, da die vom Therapiezentrum geleistete
Arbeit und deren Unterstützungswürdigkeit durch die Kantone differenzierter beurteilt werden kann. 1993 lag der
Bericht als theoretische Abhandlung vor. Heute sind praktische Erfahrungen vorhanden. Der Aargau sollte ein humanitäres Zeichen setzen. Es darf nicht bei schönen Worten
bleiben. Ebenso reicht es nicht aus, entsetzt die Greueltaten
vor allem an Frauen aus Ex-Jugoslawien zu verurteilen.
Auch im Aargau gibt es einige schwerstleidende Menschen.
Sie verdienen eine optimale Hilfe. Es wäre befremdend,
wenn der Rat die Botschaft aus dem Postulat einfach negieren und mit beschönigenden Worten ablehnen würde. Wieviel kostet es den Kanton Aargau, diese Menschen in Königsfelden zu betreuen, wenn es verpasst wurde, sie recht-
zeitig am richtigen Ort zu behandeln. Posttraumatische
Schübe eines Opfers können seine Persönlichkeit dramatisch
verändern, besonders dann, wenn eine richtige Behandlung
unterbleibt. Ich bitte Sie, das Postulat zu überweisen.
175
Josef Winter, Laufenburg: Warum braucht es dieses Therapiezentrum? Vereinfacht formuliert halte ich einleitend fest,
dass unser Asylgesetz Menschen Asyl gewährt, die an Leib
und Leben bedroht sind und dies auch ausreichend beweisen
können. Wer bei uns Asyl erhalten hat, ist oft ein gezeichneter Mensch. Er hätte sonst gar keine Chance gehabt, hierzubleiben. Wer als Folteropfer bei uns Aufnahme findet,
braucht
weitere
Betreuung
und
leider
oft
Patrizia Bertschi-Hitz, Ennetbaden: In der Antwort heisst
es: "Die Kantone sind für die Betreuung von Flüchtlingen
mit Niederlassungsbewilligungen zuständig. Zu diesem
Zeitpunkt ist die Integration weit fortgeschritten. Die ärztliche und soziale Betreuung sollte nach diesem Zeitpunkt
gleich wie bei der einheimischen Bevölkerung erfolgen:"
Das ist bedenklich und bestätigt mich in der Annahme, dass
hier nicht ganz realisiert wird, worum es geht. Das sind
nicht irgend welche Probleme, sondern Menschen, die zum
Teil über Jahre auf schlimmste Weise gefoltert wurden. Ich
habe mich bei Psychiatern erkundigt, wie sie die Situation
sehen, und es werden ganz klar Parallelen zum Ansatz der
psychiatrischen Katastrophenhilfe gezogen, der allerdings
auf eine schweizerische Bevölkerung zugeschnitten ist. Bei
den Folter- und Kriegsopfern geht es noch um einiges mehr.
Da brauchen Therapeuten ein zusätzliches Wissen über
religiöse, kulturelle, politische und regionale Hintergründe
ihrer Patientinnen und Patienten. Eine Psychiaterin, die die
Katastrophenausbildung besitzt, hat mir bestätigt, wie wichtig eine Zusatzausbildung ist, die ja vom Zentrum in Bern
angeboten wird. Die Probleme, die Übersetzer im Aargau
oder bei diesem Zentrum haben, sind nicht die gleichen.
Wenig geschulte Leute werden oft beigezogen. Der Sozialdienst redet von "angeblich 7'000 Folteropfern". Diese
Menschen können sich kaum vorstellen, dass man ihnen
nicht glaubt. Der KSD betreut ja "nur" Asylsuchende. Sie
haben ebenso wie die Ärzte aus der Psychiatrie betont, wie
wichtig ein solches Zentrum ist. Es kann nicht jeder Kanton
für sich ein solches Angebot realisieren. Daher bitte ich Sie,
das Postulat zu überweisen.
Ursi Arpagaus, Rudolfstetten: "Tradition - wir stehen dazu!"
So hiess das Motto vom letzten Flüchtlingstag. Die Schweiz
hat eine humanitäre Tradition. Wir müssen diese aber pflegen und tatsächlich dazu stehen, auch die Kantone. Es geht
hier nicht um Millionen. Schon mit etwa 50'000 Franken
wären wir dabei. Verlangt wird ja nur eine Starthilfe. Der
Regierungsrat erwähnt die AKAD, wo ich Mitglied bin. Das
ist eine Unterorganisation von Amnesty International. Alle
Mitglieder wissen, wie nötig ein solches Zentrum ist. Ich
bitte Sie, zu der humanitären Tradition der Schweiz zu
stehen und das Postulat zu überweisen.
Elisabeth Imhof-Kappeler, Gipf-Oberfrick: Die Fraktion der
FDP lehnt das Postulat ab. Nicht etwa, weil wir uns nicht
der humanitären Tradition bewusst wären oder die Proble-
Art. 1734
18. Juni 1996
matik nicht einsähen, wir sind aber ganz klar der Meinung,
dass wir im Kanton Aargau über sehr gute ambulante und
stationäre Strukturen verfügen. Wir haben ein weites und
vielfältiges Netz von ärztlichen, sozialen und psychiatrischen Betreuungsmöglichkeiten privater und öffentlicher
Anbieter. Es ist klar, dass diesen Opfern geholfen werden
muss. Ihnen soll die nötige Hilfe zukommen, die wir aber im
Aargau anbieten. Wir ziehen die dezentrale Hilfe vor, auch
aus Gründen der langen Zufahrtswege. Auch die sind eine
Belastung. Zudem sind wir der Meinung, dass auch das
private Umfeld der Patienten in die Behandlung einbezogen
werden muss. Aus diesen Gründen lehnen wir das Postulat
ab.
Bettina Bacher, Merenschwand: Ich werde mich schämen
müssen, wenn wir diesem Unternehmen keinen roten Heller
zusprechen. Wenn wir es schon nicht schaffen, den Folteropfern direkt Hilfe zukommen zu lassen, dann sollten wir
finanzielle Hilfe der Unternehmung selbst zukommen lassen. In der Antwort des Regierungsrates steht: "Die Institution macht die Durchführung praxisorientierter Forschungsprojekte wie Evaluation von Behandlungsmodellen. Ferner
wird mittels Aus-, Weiter- und Fortbildung der Aufbau
interdisziplinärer Behandlungseinheiten für die Folteropfer
in der ganzen Schweiz gefördert." Kann der Kanton Aargau
abseits stehen und nicht Nutzniesser dieser Forschungsprojekte werden? Ganz sicher wird es auch in
die Ausbildung unserer Ärzte einfliessen. Wir werden dann
von den Bezahlungen der anderen profitieren. Ich möchte
Ihnen ins Gewissen reden, einen Beitrag finanzieller Art zu
leisten.
Kranken im Kanton nie erreichen. Wenn man ein solches
Zentrum führen will, stellt sich auch die Frage, wer für die
Kosten aufkommen soll. Für Asylbewerber ist der Bund für
die ersten fünf Jahre nach Anerkennung der Flüchtlinge
kostenersatzpflichtig. Diese Therapien haben nur dann einen
Sinn, wenn sie rechtzeitig einsetzen. Damit würde der Bund
als Kostenträger im Vordergrund stehen. Offensichtlich
steht der Bund selber nicht voll dahinter und beteiligt sich
deshalb im Moment mit einem Viertel an den Kosten. Wir
haben hier von Starthilfe gesprochen. Was hat sie für einen
Sinn, wenn kein Mensch weiss, wie eine solche Einrichtung
nachher weiterfinanziert wird? Wenn wir schon Geld ausgeben, sollten wir es tun, um die bestehenden Einrichtungen in
den Kantonen zu verbessern, allenfalls auch jene Leute
auszubilden, die in den Kantonen tätig sind. Das wäre eine
wünschenswerte Hilfe, aber dafür brauchen wir dieses Zentrum nicht. Wir sollen und wollen helfen und tun dies auch.
Wir tun dies aber dezentral und so, wie es im Aargau Brauch
ist, nämlich ohne eine Geschichte daraus zu machen. Sicher
können wir auch in unserer Betreuung noch Verbesserungen
anbringen und werden dies auch laufend tun. Aber der Weg
über die Unterstützung dieses Zentrums ist der falsche. Ich
bitte Sie, dieses Postulat abzulehnen.
Patrizia Bertschi-Hitz, Ennetbaden: Ich habe wirklich bei
Leuten Abklärungen gemacht, die Flüchtlinge betreuen. Mir
wurde gesagt, das Angebot im Kanton Aargau reiche nicht.
Das wurde mir auch von seiten der Psychiatrie bestätigt.
Landstatthalter Dr. Stéphanie Mörikofer-Zwez: Psychiatrische Hilfe für Folteropfer, aber auch für andere Flüchtlinge,
die psychische Probleme haben, ist für den Regierungsrat
eine Selbstverständlichkeit. Wir diskutieren hier nicht über
die Frage, ob wir diesen Menschen helfen sollen, sondern
wie. Diese Hilfe wird im Kanton Aargau unspektakulär
geleistet. Frau Bertschi hat gesagt, es brauche zusätzliches
Wissen. Das ist richtig. Unsere Ärztinnen und Ärzte sind
verpflichtet, sich dieses Wissen anzueignen, das sie für die
Ausübung ihres Berufes brauchen. Sie tun es auch in diesem
Falle. Man darf sich keinen Illusionen hingeben. Vorhin hat
es geklungen, als ob man Folteropfer durch Behandlung in
einem Therapiezentrum auf Dauer heilen könnte. Wer sich
mit Folter und ihren Folgen auseinandergesetzt hat, weiss,
dass man die Wunden bestenfalls zum Vernarben bringen
Abstimmung:
kann, aber die Narben bleiben und brechen immer wieder
auf. Das Therapiezentrum des Roten Kreuzes, das gegen den
Für Überweisung des Postulates: 46 Stimmen.
Willen der Sanitätsdirektorenkonferenz entstanden ist, kann
Dagegen: 80 Stimmen.
in der Therapie auch nichts anderes tun als wir hier im
Kanton. Es bietet zusätzlich Dokumentationen und AusbilVorsitzender: Das Geschäft ist erledigt. Wir sind damit am
dung an. Darüber könnte man allenfalls reden, aber nicht
Schluss der Traktandenliste. Ich wünsche Ihnen einen schöüber eine Institution, die mit einem Jahresbudget von 1,5
nen Abend. Die Sitzung ist geschlossen.
Mio. Franken und 800 Stellenprozent rechnet und damit im
(Schluss der Sitzung um 16.40 Uhr.)
Moment jetzt 40 Folteropfer betreut. Anfangs Jahr waren es
18. Diese Verhältnisse könnten wir für unsere psychisch
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