Beitrag auf salto.bz Musterprozess Sozialsprengel

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Gesucht: Anwalt für Prozess gegen Sozialsprengel
Auch die Plattform für Alleinerziehende reiht sich in den Chor der Kritiker von
Sozialdiensten ein. "Wir streben einen Musterprozess an", sagt Präsidentin Ida Lanbacher.
Von
Susanne Pitro 17.12.2015 salto.it
Frau Lanbacher, die Plattform für Alleinerziehende stellt sich hinter die harte Kritik von
Christian Masten an den Sozialdiensten des Landes. Was haben Sie ihnen vorzuwerfen?
Ida Lanbacher: Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass alleinerziehende Mütter von
den Sozialsprengeln extrem unter Druck gesetzt werden. Dabei bräuchten gerade sie dringend
mehr Unterstützung.
Wie werden sie unter Druck gesetzt?
Eben auch mit der Androhung, ihnen die Kinder wegzunehmen. Es gibt da einen Mustersatz,
den wir von den Frauen immer wieder in verschiedenen Situationen zu hören bekommen:
Wenn Sie das nicht auf die Reihe kriegen, dann müssen wir die Kinder anderwertig
unterbringen. Das kann sein, wenn die Übergabe mit dem Vater nicht klappt. Da passiert,
wenn alleinerziehende Mütter keinen Job finden und das Lebensminimum beantragen. Wir
haben den Fall einer Frau, die 200 Bewerbungen geschrieben hat, aber immer noch unter
Druck gesetzt wird, dass sie zu wenig macht, um Arbeit zu finden.
Sowohl Landesrätin Martha Stocker als auch die Direktorin des Landesamtes für Kinderund Jugendschutz Petra Frei beteuern in der neu aufgeflammten Diskussion, dass die
Fremdunterbringung von Kindern die ultima ratio ist, auf die wirklich nur zurückgegriffen
wird, wenn das Aufwachsen in einem geschützten Umfeld nicht garantiert ist. Welche
Interesse hätten Sozialsprengel daran, dazu beizutragen, dass Eltern ihre Kinder ohne
triftigen Grund weggenommen werden?
Das kann ich ihnen nicht beantworten. Vielleicht gilt es Strukturen füllen, die es gibt,
vielleicht müssen Jobs gesichert werden. Ich weiß es nicht. Zum Sparen trägt die
Fremdunterbringung sicher nicht bei, denn ein Platz in einem Heim kostet 3000 Euro im
Monat. Da könnten alleinerziehende Mütter mit wenig weniger Mitteln weit besser unterstützt
werden. Und das ist, was sie angesichts ihrer starken Mehrfachbelastung am dringendsten
bräuchten: ein wenig Unterstützung. Ob finanziell oder beispielsweise auch mit einer
Familienhelferin, die ihr in schwierigen Zeiten die Möglichkeit gibt, einmal wieder
durchzuschnaufen.
Doch Familienhelferinnen gibt es längst nicht mehr?
Nein, diese Art der Unterstützung wurde damals mit der Einführung der Sozialsprengel
abgeschafft. Man hat gedacht, alles dort abfangen zu können. Doch es ist einfach etwas ganz
anderes, wenn jemand ab und zu vorbeikommt, mit dem Ziel zu helfen und zu unterstützen
und nicht zu werten und zu verurteilen. Sozialassistenten haben dagegen von oben den
Auftrag, Familien zu kontrollieren. Da wird jeder Beistrich protokolliert, gleich ein Bericht
geschrieben, wenn die Wohnung einmal nicht aufgeräumt ist. Und wenn dieser Druck auch
noch dazukommt, können überforderte Elternteile irgendwann wirklich psychische Probleme
bekommen.
Durch den Druck von Seiten der Sozialdienste?
Das ist eben ein Kreislauf. Die Frauen stehen ohnehin schon sehr unter Stress, dann werden
sie vielleicht einmal laut bei den Sozialdiensten. Deshalb schickt man sie zum Psychiater, gibt
ihnen Medikamente und irgendwann wir ihnen das Kind tatsächlich genommen, weil es heißt,
die Mutter hat psychische Probleme.
Das sind schwere Anschuldigungen gegenüber Menschen, die laut den Verantwortlichen
der Sozialdienste „sehr gewissenhaft und mit großem Verantwortungsbewusstsein“
arbeiten. Denken Sie nicht, dass die SozialassistentInnen solche Situationen aufgrund
ihrer Erfahrung umfassender beurteilen können als die Betroffenen selbst?
Es sind eben auch Menschen. Und es sind vielfach junge und unerfahrene Menschen, die von
oben den Auftrag haben, Gesetze und Auflagen einzuhalten und nichts anderes. Und
außerdem ist von oben auch noch Sparen angesagt. Natürlich gibt es auch Leute mit
Erfahrung und solche, die gute Arbeit leisten. Doch das Problem ist, dass diese Jobs sehr
anstrengend und belastend sind und nicht unbedingt begehrt. Vielfach kommt das Personal
deshalb auch frisch aus der Schule, wird hineingeworfen und macht das Ganze eben so lange
mit, wie sie durchhalten. Sobald sich jedoch ein anderer Job ergibt, springen sie dann wieder
ab. Ich habe eine Frau begleitet, die in zweieinhalb Jahren sechs verschiedene Zuständige
beim Sozialdienst hatte. Und ich erzähle Ihnen nicht einmal, was in diesen zweieinhalb Jahren
alles kaputt gemacht wurde. Doch davon will man im Sozialsprengel nichts wissen. Dort heißt
es dann: Wir wollen nicht von der Vergangenheit sprechen, wir wollen die Zukunft planen.
Was muss sich also laut der Plattform für Alleinerziehende konkret ändern?
Wir wollen allem voran, dass solche Fälle, bei denen in den Sozialsprengeln wirklich etwas
schief gelaufen ist, auch zur Kenntnis genommen werden und die Verantwortlichen zur
Rechenschaft gezogen werden. Statt dessen werden die Berichte der Sozialdienste vom
Jugendgericht in der Regel 1:1 übernommen – selbst wenn Familien oft für teures Geld
weitere Gutachten einholen.
Gibt es keine Möglichkeit in solchen Fällen einzuschreiten?
Manchmal hat es schon geholfen, wenn ich Frauen zu den Stellen hin begleitet habe, dann hat
sich das Blatt plötzlich gewendet. Aber beschweren kann man sich eigentlich nur bei den
Vorgesetzten. Und die haben auch kein Interesse, dass solche Fälle aufgedeckt werden, weil
sie schließlich Mitverantwortung tragen und dann aufkommt, dass sie sich nie direkt damit
befasst haben. Deshalb versuchen wir derzeit auch einen Musterprozess gegen einen
Sozialsprengel anzustoßen.
Gegen welchen Sozialsprengel?
Das kann ich noch nicht sagen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass dort bereits einiges
schief gelaufen ist. Und wir wollen, dass Verantwortliche endlich dafür gerade stehen müssen,
wenn Kinder unberechtigt ihrer Familie entzogen werden.
Wann soll dieser Musterprozess stattfinden?
Uns fehlen leider die finanziellen Mittel, dafür einen Anwalt oder eine Anwältin zu zahlen.
Doch wir haben die Hoffnung, dass wir jemanden finden, der den Fall aus Interesse
übernimmt, zum Beispiel weil sie oder er in dem Bereich selber schon Erfahrungen mit
KlientInnen gemacht hat. Wenn man so einen Prozess gewinnt, kommt es sicher zu einer
Kettenreaktion. Doch dafür sind wir leider erst einmal auf jemanden mit gutem Willen
angewiesen.
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