Wohnungslosigkeit und Wohnungslosenhilfe in Salzburg

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Wohnungslosigkeit und
Wohnungslosenhilfe in Salzburg
2011
Bedarfslage wohnungsloser SalzburgerInnen,
Wirkungsanalyse der Salzburger Wohnungslosenhilfe,
Maßnahmenempfehlungen
Heinz Schoibl, Salzburg April 2011
2
Wohnungslosigkeit und Wohnungslosenhilfe
im Bundesland Salzburg
Heinz Schoibl
– Forschung und Beratung, Salzburg
Im Auftrag von:

Land Salzburg, Abteilung für Soziales

Land Salzburg, Abteilung für Wohnen

Verband gemeinnütziger Wohnbauträger, Landesstelle Salzburg
Dieser Bericht wurde auf der Grundlage der quantitativen Basis der jährlichen
Wohnungslosenerhebungen des Forums Wohnungslosenhilfe Salzburg und mit
aktiver Unterstützung durch die MitarbeiterInnen der Mitgliedseinrichtungen des
Forums erarbeitet. Für Unterstützung und konstruktive Kritik möchte ich mich an
dieser Stelle herzlich bedanken.
3
4
Gliederung
Vorwort
I.
7
Quantitative Aspekte der Wohnungslosigkeit und der
Wohnungslosenhilfe in Salzburg
II.
Qualitative Aspekte der Bedarfslage
wohnungsloser SalzburgerInnen
III.
IV.
9
48
Wirkungsanalyse der Wohnungslosenhilfe in Salzburg und
Maßnahmenempfehlungen
113
Anhang
124
5
6
Vorwort
EINLEITUNG
Die jährliche Wohnungslosenerhebung wird seit mehr als 10 Jahren vom Forum
Wohnungslosenhilfe durchgeführt und stellt eine ausgezeichnete Datengrundlage für die
Wohnungslosenhilfe auf der Ebene Salzburg – Stadt und Umgebung sicher.
Damit lassen sich die Anzahl der bekannten Wohnungslosen (sichtbare Wohnungslosigkeit)
sowie spezifische Verteilungsmuster nach Alter, Geschlecht, Art der aktuellen
Wohnungslosigkeit respektive des akuten Wohnprekariats ablesen. Der mehrjährige
Vergleich der Datenreihen und Verteilungsmuster gewährleistet zudem die Möglichkeit,
Trends der Entwicklung von Wohnungslosigkeit sowie Verschiebungen in den Zielgruppen
der Wohnungslosenhilfe (WLH) abzulesen.
In den vergangenen fünfzehn Jahren stand das Forum WLH im Rahmen der Interpretation
der jeweiligen Ergebnisse wiederholt vor Fragen, die auf der Grundlage dieser rein
quantitativen Erhebungen nicht beantwortet werden konnten. Dabei handelte es sich vor
allem um folgende Aspekte der Entwicklung der Wohnungslosigkeit in der Stadt Salzburg:

Wie erklärt sich die Zunahme des Anteils der wohnungslosen Frauen in der
Gesamtgruppe der erfassten Personen in Wohnungsnot?

Warum nehmen immer mehr Frauen die Möglichkeit in Anspruch, bei Bekannten /
Verwandten notdürftig unterzuschlüpfen, um ihre akute Wohnungslosigkeit zu
überbrücken?

Warum bleibt die Anzahl jener Personen, die akut wohnungslos sind und / oder
überhaupt auf der Straße leben, trotz Weiterentwicklung der Angebote und Vorsorgen
der WLH (Notschlafstellen, Beratung und Betreuung) über Jahre hinweg konstant
hoch?

Wie steht es um die verdeckte Wohnungslosigkeit von jungen Erwachsenen in
extremer Wohnungsnot?
Fragen wie diese waren der Anlass dafür, dass das Forum WLH die Durchführung dieser
ergänzenden und vertiefenden qualitativen Studie initiierte. Im ersten Teil dieses Berichts
(Teil A) werden die Daten und Ergebnisse der bisher vorliegenden quantitativen Erhebungen
ausgewertet und in Bezug zu Daten und Ergebnisse der österreichweiten
Armutsberichterstattung gesetzt.
7
Wohnungslosigkeit ist die letzte Stufe eines extremen Verarmungsprozesses. Die der
Wohnungslosigkeit zu Grunde liegende sozioökonomische Krise einzelner Personen oder
Familien führt zu einem radikalen Verlust von gesellschaftlicher Integration. Die Teilhabe
wohnungsloser Menschen an der Gesellschaft schrumpft gegen Null. Zugleich mit dem
eigenen Wohnraum gehen elementare Lebenschancen verloren, wie der gleichberechtigte
Zugang zu Erwerbsarbeit und Existenzsicherheit, zu sozialen Kontakten und soziokulturellen
Aktivitäten aller Art. Wohnungslosigkeit stellt in dieser Hinsicht eine besondere Form der
Diskriminierung dar. Wohnungslose Menschen verlieren mit dem Verlust ihrer Wohnung auch
ihren Status als gleichberechtigte Mitglieder dieser Gesellschaft.
„Ohne Wohnung kommt ‚man/frau‘ buchstäblich um!“
(Vilem Flusser).
In diesem Sinne stellt Wohnungslosigkeit eine äußerst komplexe und vielschichtige
Problematik dar, die mit fortschreitender Dauer dazu führt, dass letztlich sämtliche
Lebensbereiche belastet und in ihrer Qualität abgebaut werden.
Die dem zweiten Abschnitt dieses Berichtes (Teil B) zugrundeliegenden
Betreuungsdokumentationen belegen den Ausgangsbefund von Komplexität und kumulativer
Problemlage und geben exemplarische Beispiele für die ausgesprochen negative Dynamik,
die sich im Zuge einer Wohnungslosenkarriere nahezu zwangsläufig ergibt.
Dieser Bericht wird abgerundet mit einer zusammenführenden Wirkungsanalyse der
Wohnungslosenhilfe (Teil C), wie sie aktuell im Bundesland Salzburg strukturiert und
ausgestattet ist, und schließt mit einem Ausblick auf konkrete Bedarfsstellungen und daran
orientierten Maßnahmenempfehlungen.
Im Anhang sind die aufbereiteten Unterlagen, Materialien und Tabellenbände zum
vertiefenden Gegenlesen versammelt.
8
I.
Quantitative Aspekte der Wohnungslosigkeit und
der Wohnungslosenhilfe in Salzburg
Detailgliederung
1. Bedarfsperspektiven der Wohnungslosigkeit in Salzburg
11
2. Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit im Ballungsraum Salzburg
19
2.1.
Ausgewählte Details aus der Wohnungslosenerhebung 10/09
21
2.1.1
Geschlechterverteilung
22
2.1.3
Altersverteilung
25
2.1.3
Jung und wohnungslos
27
2.2.
Wohnformen und (Über)Lebensstrategien wohnungsloser Menschen
29
2.3.
Entwicklung der Wohnungslosigkeit im Ballungsraum Salzburg-Stadt;
in Relation zu österreichweiten Daten
31
2.3.1
Substandard
32
2.3.2
Überbelag
34
2.3.3
Bedroht von Wohnraumverlust durch Delogierungsverfahren und
Zwangsräumung
35
2.3.4
Haftentlassung in die Wohnungslosigkeit
37
2.3.5
Entlassung aus stationärer Betreuung in die Wohnungslosigkeit
39
2.3.6
Betreutes Wohnen und (teil-)stationäre Wohnbetreuung
40
2.3.7
Mittelfristig bis dauerhaft in unbetreuten (Billig-)Pensionen
42
2.3.8
Temporäre Unterkunft bei Bekannten / Verwandten
43
2.3.9
Nächteweise in Notunterkünften versorgt
45
2.3.10 Obdachlosigkeit / sleeping rough
46
9
10
Bedarfsperspektiven der
1.
Wohnungslosigkeit in Salzburg
Die Analyse des von Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit betroffenen Klientels von
Einrichtungen der kommunalen Wohlfahrtseinrichtungen, der sozialen Dienste sowie der
Wohnungslosenhilfe, in Salzburg ergibt ein komplexes Bild. In der folgenden
Zusammenfassung werden die zentralen Feststellungen und Kernaussagen vorgestellt und
kurz erläutert.
Wohnungslosigkeit bleibt über den Zeitraum der vergangenen Jahre
auf einem hohen Niveau und stellt eine relevante Herausforderung
an armuts- als auch wohnpolitische Vorsorgen dar.
In den vergangenen Jahren konnte die jährliche Wohnungslosenerhebung im Sinne einer
zielgruppenspezifischen Diversifizierung der Fragestellungen und einer systematischen
Erschließung ergänzender Problembereiche (Wohnprekariat: Substandard und Überbelag;
Problemgruppen: MigrantInnen und Jugendliche; Schnittstellen: soziale Dienste in
Krankenhäusern, psychiatrischen Abteilungen und Gefangenenhaus etc.) weiterentwickelt
werden. Trotz dieser Verbesserungen der Datengrundlagen ist festzustellen:

die Wohnungslosenerhebung des Forums Wohnungslosenhilfe stellt tatsächlich
keine Vollerhebung dar und kann weite Bereiche der verdeckten
Wohnungslosigkeit nur ungenügend transparent machen

die Erhebung beschränkt sich auf den engeren Bereich der Stadt Salzburg und der
näheren Umgebung

der Zusammenhang zwischen Armutsbelastung und Wohnversorgung in den
ländlichen Regionen ib. der Bezirke im Innergebirg bleibt damit ungeklärt

mit den Daten der jährlichen Erhebung können letztlich keinerlei Auskünfte über
Ausmaß, Intensität und zielgruppenspezifische Aspekte des Problemtransfers aus
dem ländlichen Raum in den städtischen Kontext gewährleistet werden

die Schnittstelle zwischen sozialen Einrichtungen einerseits und den Angeboten
der Wohnungswirtschaft, ib. der gemeinnützigen Wohnbauträger, kann nur
unzureichend abgebildet werden.
11
Hohes Niveau des Monitorings von Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit
trotz fehlender struktureller Grundlagen und ausreichender Ressourcen
Über die Jahre hinweg sind Trends in der Zusammensetzung des Klientels der WLH und
zielgruppenspezifische Verschiebungen sichtbar geworden, ohne dass es jedoch im Detail
möglich war, den Hintergrund dieser Entwicklungen zu erschließen bzw. Fragen nach den
Ursachen zu beantworten. Diese Einschränkung der Aussagekraft ist wesentlich auf
strukturelle Besonderheiten der Wohnungslosenerhebung zurückzuführen:

die Teilnahme an der WL-Erhebung ist nicht formell begründet sondern beruht
ausschließlich auf dem freiwilligen Engagement der MitarbeiterInnen in den
teilnehmenden Einrichtungen

der Grad der Vollständigkeit der WL-Erhebung ist abhängig von der Intensität und
Qualität der bereichsübergreifenden Vernetzung der Sozialeinrichtungen

nachdem die Sozialeinrichtungen in den ländlichen Regionen Salzburgs nicht in
die wesentlich auf den städtischen Raum fokussierten Vernetzungsstrukturen
eingebunden sind, bleibt auch die Wohnungsnot / Wohnungslosigkeit in den
ländlichen Regionen Salzburgs durchgängig ausgeklammert

Personalfluktuationen an den Schnittstellen zu den Sozialdiensten von Krankenhäusern, Psychiatrie, Beratungseinrichtungen für MigrantInnen etc. führen demgemäß zu Schwankungen in der Erfassung von KlientInnen aus diesen Bereichen

behördliche Einrichtungen wie etwa die Sozialämter der Stadt Salzburg respektive
der Bezirkshauptmannschaften konnten mangels Ressourcen, unzureichend gewährleisteter Einbindung in die vorhandenen Vernetzungsstrukturen und aufgrund
eines fehlenden Auftrags bis dato nicht an der WL-Erhebung teilnehmen.
Für die Durchführung der jährlichen WL-Erhebung kann das Forum WLH ausschließlich auf
Ressourcen zurückgreifen, die von den beteiligten Einrichtungen bereit gestellt werden.
Somit war es in den vergangenen Jahren auch notwendig, die Aufwände für die Erhebung
sowie für die Auswertung und Interpretation der Ergebnisse so aufwandsneutral als möglich
zu halten. Eine in spezifischen Fragestellungen erforderliche Nachbesserung der quantitativen Grundlagen (Nachtelefonieren, Hilfestellung bei der Beibringung von Fallmeldungen aus
Bereichen mit rückläufiger Teilnahme an der Erhebung etc.) sowie qualitative Vertiefungen
und Ergänzungen der Fragebogenerhebung konnten bis dato bestenfalls ansatzweise
eingelöst werden.
12
Die Klientel im Einzugsbereich der WLH ist ausgesprochen heterogen.
Unterschiedliche Teilgruppen der von Wohnungsnot, prekärer Wohnversorgung bzw.
Wohnungslosigkeit betroffenen SalzburgerInnen zeichnen sich durch jeweils verschiedene
Profile bzgl. der Ursachen von Wohnungslosigkeit aus. Je nach Geschlecht, Alter,
Migrationshintergrund sind zudem unterschiedliche Strategien zur Bewältigung von
Wohnungsnot bis Wohnungslosigkeit festzustellen:

Männliche Wohnungslose dominieren in den klassischen Angebotsbereichen der
WLH und sind in den Notschlafstellen aber auch in den unbetreuten Pensionen
überrepräsentiert; ihr Anteil geht in den Kontexten der (stationären)
Wohnbetreuung deutlich zurück

Weibliche Wohnungslose sind deutlich jünger und ib. in prekären Wohnformen,
allem voran in der verdeckten Wohnungslosigkeit, zu finden. Während Frauen in
den Problembereichen der akuten Obdachlosigkeit, der prekären Unterbringung in
unbetreuten Pensionen sowie hinsichtlich der Nutzung von Nächtigungsangeboten
in Notschlafstellen deutlich unterrepräsentiert sind, bleibt ein übergroßer Teil des
weiblichen Klientels in tendenziell unzureichend erfassten informellen
Bewältigungsstrategien (temporäre Unterkunft bei Bekannten / Verwandten) ohne
wohnrechtliche Absicherung vom Goodwill ihres sozialen Netzes abhängig

Auffällig ist weiters der hohe Anteil, der auf jüngere Altersgruppen entfällt. Das
betrifft insbesondere die große Anzahl mitziehender minderjähriger Personen, die
von der Wohnungslosigkeit bzw. prekären Wohnversorgung ihrer Familien
betroffen sind und z.B. in überbelegten Wohnungen mit denkbar schlechten
Aufwachsbedingungen konfrontiert sind

Demgegenüber ist eine kleine aber nennenswerte Gruppe von minderjährigen
Personen festzustellen, die unmittelbar von Wohnungslosigkeit betroffen sind. Ein
großer Anteil der alleinstehenden Minderjährigen in Wohnungsnot nutzt die
Angebote betreuter Wohnformen respektive der Notschlafstelle für Jugendliche

Alarmierend hoch fällt der Anteil der jungen Erwachsenen (jünger als 29 Jahre)
aus, ib. bei den weiblichen KlientInnen im Umfeld der WLH. Zumal in dieser
Lebensphase Aufgaben der Festigung beruflicher sowie familiärer Perspektiven
anstehen, können existenzielle Notlagen, wie etwa Wohnungslosigkeit, zu
nachhaltigen Beeinträchtigungen der künftigen Lebenschancen dieser Personen
führen.
13

Die Gruppe der InländerInnen trägt die quantitative Hauptlast der Wohnungsnot /
Wohnungslosigkeit in Salzburg. Allerdings ist festzustellen, dass die NichtÖsterreicherInnen in Relation zum ihrem Anteil in der Salzburger Bevölkerung
deutlich überrepräsentiert sind

Es sind vor allem viele Dritt-Staaten-Angehörige / ArbeitsmigrantInnen, die im
Rahmen der WL-Erhebung als wohnungslos erfasst wurden. Auffällig viele
wohnungslose Frauen mit Migrationshintergrund leben unter sehr prekären
Wohnverhältnissen (Substandard und Überbelag). Gleichermaßen Männer wie
Frauen sind zudem häufig temporär bei Bekannten untergekommen.
Demgegenüber fallen andere Bewältigungsstrategien (Nutzung von
Notschlafstellen oder betreuten Wohnangeboten) bei den wohnungslosen
ArbeitsmigrantInnen kaum ins Gewicht.

Wohnungslose EU-AusländerInnen verteilen sich relativ ausgewogen über die
verschiedenen Bewältigungsformen. Auffällig ist jedoch, dass diese
Personengruppe in den Untergruppen der obdachlosen Personen (sleeping rough)
sowie der NutzerInnen von Nächtigungsangeboten in Notschlafstellen erheblich
überrepräsentiert ist.

AsylwerberInnen bilden mit einem Anteil von 4% die kleinste Untergruppe im
erfassten Klientel. In Hinblick auf Problemstellungen oder Bewältigungsformen
lassen sich aufgrund der kleinen Gesamtzahl keine signifikanten Besonderheiten
feststellen.
Akute Wohnungslosigkeit, Obdachlosigkeit und ‚sleeping rough‘
bewegt sich über die Jahre hinweg auf konstant hohem Niveau
Über die Jahre hinweg, seit das Forum WLH die jährlichen WL-Erhebungen durchführt, kann
festgestellt werden, dass die Anzahl obdachloser Personen in Salzburg weitgehend konstant
bleibt. Der Ausbau der WLH-Vorsorgen und ib. die Differenzierung in ergänzende
Nächtigungsangebote war bis dato offensichtlich nicht ausreichend, um diese extreme Form
von Armut und sozialer Ausgrenzung wirkungsvoll und nachhaltig zu bekämpfen.
Die obdachlosen Personen in Salzburg sind überwiegend männlich. Der Frauenanteil liegt in
dieser Gruppe mit 11% ausgesprochen niedrig. Betroffen von akuter Wohnungslosigkeit sind
hauptsächlich InländerInnen sowie – deutlich überdurchschnittlich – EU-AusländerInnen.
Jede/r siebte Obdachlose in Salzburg kommt aus einem anderen EU-Land.
14
Die Nutzung von Nächtigungsangeboten in Notschlafstellen
nimmt im Jahresvergleich deutlich ab
Auch in dieser Untergruppe sind männliche Klienten (überwiegend handelt es sich dabei um
männliche Inländer) deutlich überproportional vertreten. Wesentlich erscheint somit die
Feststellung, dass weibliche Wohnungslose offensichtlich informelle Bewältigungsstrategien
bevorzugen. Der Schluss erscheint naheliegend, dass reine Nächtigungsangebote, in
unmittelbarer Anbindung an eine Notschlafstelle für männliche Wohnungslose, an den
Bedürfnissen von akut wohnungslosen Frauen vorbeigehen respektive keine ausreichende
Akzeptanz findet.
Auffällig ist weiter, dass die Anzahl der Notschlafstellennutzer in den vergangenen Jahren
kontinuierlich abnimmt – möglicherweise ein Indiz dafür, dass die Fluktuation in diesem
Versorgungssegment abnimmt respektive die Aufenthaltsdauer steigt.
Temporärer Aufenthalt in unbetreuten (Billig)Pensionen:
stabiler Verlauf auf relativ hohem Niveau
Ein erheblicher Anteil des wohnungslosen Klientels in Salzburg findet temporär Unterschlupf
in (Billig)Pensionen und informellen Herbergen, die sich wesentlich dadurch auszeichnen,
dass sie einen betreuungsfreien Raum anbieten.
Billig sind in den von Wohnungslosen zu erheblichen Anteilen genutzten Pensionen und
Herbergen wohl in erster Linie die qualitativen Standards – sowohl bezüglich der Ausstattung
der Räumlichkeiten, der gewährleisteten Privatsphäre als auch der Vorsorgen für eine
individuelle Ansprache, Beratung und Betreuung.
15
Die Ergebnisse der WL-Erhebung machen auf
Schnittstellenprobleme der WLH-Vorsorgen aufmerksam
Wohnungslosigkeit ist nur zu oft die Folge von Problemen in unterschiedlichsten
Aufgabenbereichen der sozialen Arbeit bzw. der psychosozialen und medizinischen
Versorgung. So kann es etwa in der Folge einer Entlassung aus einem stationären Aufenthalt
(Krankenhaus, Kur, Psychiatrie, Jugendwohlfahrt oder Haft) zu Problemen mit der
anschließenden Wohnversorgung kommen.
Die Salzburger WL-Erhebung liefert den Beleg dafür, dass eine nennenswerte Anzahl von
Personen für die Zeit nach ihrer Entlassung aus einem stationären Aufenthalt auf
unterschiedlichste Formen des Wohnprekariats verwiesen bzw. von akuter
Wohnungslosigkeit bedroht ist, wenn im Rahmen der Entlassungsvorsorgen keine adäquate
Wohnversorgung gewährleistet werden kann. Insbesondere stellt sich in diesem
Zusammenhang die Frage, wie an der Schnittstelle dieser stationären Einrichtungen zu den
Angeboten der WLH die Zusammenarbeit funktioniert, ob z.B. die zur Entlassung
anstehenden Personen entweder nachbetreut oder bereits vor der Entlassung von
MitarbeiterInnen der WLH auf die Zeit nach ihrer Entlassung vorbereitet werden können.
Substandard, Überbelag und ungesicherte Wohnversorgung betreffen ein
Vielfaches der wohnungslosen Klientel im engeren Sinn
Wohnungsnot im Sinne von prekärer Wohnversorgung, Substandard, Überbelag,
unzureichender oder fehlender rechtlicher Absicherung, überteuerter bzw. nicht leistbarer
Unterkunft, zeitlicher Befristung der Wohnverhältnisse, Überteuerung der Wohnkosten etc.
stellt die Wohnungslosigkeit im engeren Sinn bei weitem in den Schatten. Insbesondere der
Datenvergleich zwischen WL-Erhebung und Dringlichkeitsmeldungen des Wohnungsamtes
der Stadt Salzburg verweist ganz deutlich auf die Tatsache, dass die ‚einfache‘ Wohnungsnot
für die WLH offensichtlich nur in Ausnahmefällen ein Thema ist.
16
Wohnungsnot und Armut stehen in einem engen Zusammenhang, ein übergroßer Anteil der
Armutsbevölkerung ist mit Problemen der Wohnversorgung konfrontiert:

Wohnkosten übersteigen 25% des Haushaltseinkommens;

Überbelag, Substandard und fehlende Wohnsicherheit betreffen einen großen Teil
der Armutshaushalte.
Demgegenüber bleibt die WLH insbesondere jenen Personen verpflichtet, die aufgrund von
kumulierter Armut und sozialer Ausgrenzung auch in Hinblick auf ihre Wohnversorgung
benachteiligt sind / werden.
Gleichermaßen wird jedoch evident, dass der Frage der Vermittlung von geeigneten und
leistbaren Wohnungen einerseits sowie von bedarfsorientierten Angeboten der sozialen
Arbeit andererseits für beide Zielgruppen der Armutsbekämpfung eine herausragende
Bedeutung zukommt.
Ambulant betreutes Wohnen & Angebote der (teil)stationären Betreuung
kommen nur wenigen wohnungslosen Menschen zugute
In der aktuellen Situation der WLH in Salzburg stellen Angebote des betreuten Wohnens, sei
es nun in heimförmigen Strukturen oder als ambulante und nachgehende Betreuung in
selbstständigen Wohn- und Lebensformen, eine wichtige Übergangsphase in der Bewältigung
von Wohnungsnot bzw. Wohnungslosigkeit dar. Vor diesem Zielhintergrund erscheint es
allerdings nachgerade absurd, dass das quantitative Verhältnis zwischen jenen Personengruppen ohne ausreichende oder adäquate Wohnversorgung (von Obdachlosigkeit, der
Nutzung von Notschlafstellen bis hin zu prekären Wohnformen) und den wohnbetreuten
Wohnungslosen sehr einseitig ausfällt.
Lediglich etwa jede/r Fünfte der erfassten Wohnungslosen wird im Kontext der ambulanten
bis (teil)stationären Wohnbetreuung wohnversorgt.
Allem voran wird in diesen Ziffern ein erheblicher Bedarf nach räumlichen sowie personellen
Ressourcen für die ambulante Wohnbetreuung und die begleitende Unterstützung im
Rahmen der Rehabitation deutlich.
17
Prekäre Wohnformen und informelle Bewältigungsstrategien
stellen hohe Anforderungen an die WLH
Die Ergebnisse der WL-Erhebung legen den Schluss nahe, dass die WLH offensichtlich nur
unzureichend in der Lage ist, potenzielle KlientInnen aus dem näheren und weiteren Umfeld
akuter Wohnungslosigkeit zu erreichen; insbesondere Jugendliche und Frauen, die von
Wohnungslosigkeit betroffen sind, sind zu hohen Anteilen im Dunkelfeld versteckter
Wohnungslosigkeit nur schwer von formellen Angeboten der WLH zu erreichen und nehmen
damit ein erhebliches Risiko (Gewalt, Abhängigkeit etc.) in Kauf.
Der dokumentierte kontinuierliche Anstieg der Anzahl der prekär wohnversorgten Personen
belegt einen zunehmenden Bedarf nach niederschwelligen und nachgehenden Angeboten im
Kontext der WLH, um die betroffenen Personen mit Information und Hilfestellung zu
erreichen, diese Personen zum Einstieg in begleitende Unterstützungsformen zu motivieren
und eine nachhaltige Bekämpfung ihrer akuten Wohnungslosigkeit einleiten zu können.
Armut und Wohnungslosigkeit im ländlichen Raum kein Thema für die WLH?
Praxiserfahrungen aus den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe weisen darauf hin, dass es
infolge fehlender Angebote in den Landbezirken zu einem erheblichen Problemtransfer in den
Ballungsraum Salzburg-Stadt kommt. Leider weist auch die WL-Erhebung einen blinden Fleck
hinsichtlich der regionalen Reichweite auf und bildet letztlich ein Charakteristikum der WLH
selbst ab:
In den ländlichen Regionen Salzburgs gibt es mit Ausnahme der Kontakt- und
Beratungsangebote der Delogierungsprävention keine spezifischen Angebote zur
Bekämpfung und Bewältigung von Wohnungslosigkeit. Die Einrichtungen und Angebote für
wohnungslose Menschen im Bundesland Salzburg sind zur Gänze in der Stadt Salzburg
angesiedelt. Versuche in den vergangenen Jahren, auch in den anderen Bezirken Salzburgs
einschlägige Angebote für Menschen in Wohnungsnot, prekärer Wohnversorgung und / oder
Wohnungslosigkeit (Beratungsstellen, Tageszentren, Nächtigungsangebote etc.) aufzubauen,
haben sich letztlich nicht etablieren können.
18
Wohnungsnot und
2.
Wohnungslosigkeit in Salzburg
Für den Oktober 2009 ergibt sich, einschließlich der Daten des Wohnungsamtes und des
Bundesrechenzentrums, eine Gesamtzahl von insgesamt 4.405 Nennungen (inkl. Doppelnennungen) für Personen, die von Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit betroffen waren.
Diese Nennungen verteilen sich auf folgende Teilbereiche.
WOHNUNGSNOT UND WOHNUNGSLOSIGKEIT IN SALZBURG, 10/09
obdachlos
57 80 89
152
304
Entlassung aus stationärem
Aufenthalt
unbetreute Pensionen
823
2900
(Übergangs)Einrichtungen der
WLH
Freunde / Bekannte
Überbelag / Substandard
delogierungsgefährdet
In dieser Zusammenstellung (vgl. dazu Tabellen im Anhang) sind die Nennungen des
Bundesrechenzentrums über laufende Delogierungsverfahren sowie des Wohnungsamtes der
Stadt Salzburg über Dringlichkeitsfälle (Haushalte in Überbelag oder Substandard) inkludiert.
Im Langzeitvergleich der Daten für den Ballungsraum Salzburg-Stadt lässt sich ein langsamer
Anstieg quer durch alle Subgruppen gemäß Status, Geschlecht, Alter etc. feststellen. Zu
berücksichtigen ist hier jedoch, dass es im Verlauf der jährlichen Erhebungen gelungen ist,
die Reichweite der Erhebung deutlich auszubauen, wodurch ein Teil dieses Zuwachses somit
mit methodischen Aspekten zu erklären sein dürfte.
19
MINDERJÄHRIGE IN WOHNUNGSNOT / WOHNUNGSLOSIGKEIT
53
87
unbegleitete Minderjährige
(Erhebung Forum: Oktober2009)
mitziehende Minderjährige
(Erhebung Forum: Oktober2009)
598
Minderjährige in Haushalten mit
prekärer Wohnversorgung
(Erhebung Wohnungsamt:
Jahresstatistik 2009)
Bei dieser Aufstellung ist zu berücksichtigen, dass über die Zusammensetzung der Haushalte,
die aktuell durch laufende Delogierungsverfahren in ihrer Wohnsicherheit erheblich bedroht
sind, keine detaillierten Unterlagen vorliegen. In jedem Fall dürfte somit die Gesamtzahl der
Minderjährigen in Wohnungsnot erheblich über der hier erfassten Gesamtzahl liegen.
Bemerkenswert erscheint vor allem, dass Wohnungslosigkeit von minderjährigen Personen
allem voran ein Problem jener Kinder und Jugendlichen ist, die von der Wohnungsnot /
Wohnungslosigkeit / Gefährdung der Wohnversorgung mit betroffen sind, mit denen ihre
Familien konfrontiert sind. Während jedoch die unbegleiteten Minderjährigen in
Wohnungsnot auf eine eigenständige Hilfestruktur (Notschlafstelle und Tagesaufenthalt im
exit7, Beratungsstelle und Tagesaufenthalt im BIVAK) zurückgreifen können, zeichnet sich
die Hilfestruktur in Salzburg vor allem dadurch aus, dass es für minderjährige Angehörige
von wohnungslosen Familien keine eigenständigen Vorsorgen gibt.
In einer zielgruppenspezifischen WLH-Planung ist zudem die Tatsache zu berücksichtigen,
dass in der WL-Erhebung eine erhebliche Anzahl von jungen Männern und Frauen (zwischen
18 und 29 Jahren) erfasst wird, die im Oktober des Vorjahres mit Wohnungsnot in ihren
unterschiedlichen Ausprägungen konfrontiert waren. Es erscheint deshalb als erforderlich, die
Vorsorgen für junge Menschen in Wohnungsnot systematisch zu evaluieren und unter
Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse während der Adoleszenz und des ErwachsenWerdens zu überarbeiten.
20
2.1
Detailauswertung der Wohnungslosenerhebung 10/09
In der Folge werden die Daten über jene Personen genauer vorgestellt, die in der
Wohnungslosenerhebung des Forums für den Zeitraum Oktober 2009 erfasst wurden. Das
betrifft insgesamt 759 erwachsene und 53 unbegleitete minderjährige Personen, zusammen
also 812 Personen in Wohnungsnot / Wohnungslosigkeit.
WOHNUNGSLOSE ERWACHSENE / GEGLIEDERT NACH STAATSBÜRGERSCHAFT
29
132
41
557
InländerInnen
EU-AusländerInnen
Dritt-Staat-Angehörige
AsylwerberInnen
Wohnungslosigkeit betrifft zu einem hohen Ausmaß Personen mit nicht-österreichischer
Staatsbürgerschaft. Mit einem Anteil von zusammen etwa 27% an der Population der
SalzburgerInnen in Wohnungsnot bzw. Wohnungslosigkeit sind sie im Vergleich zum
AusländerInnenanteil in Salzburg erheblich überrepräsentiert.
In diesen Zahlen kommt offensichtlich zum Ausdruck, dass die ungleichen Voraussetzungen
auf dem Wohnungsmarkt es Personen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft
tendenziell erschweren, eine adäquate und leistbare Wohnversorgung auf Dauer zu sichern.
Von dieser selektiven bis ausgrenzenden Wirkung der wohnrechtlichen Bestimmungen sind
auch AsylwerberInnen betroffen, die mit Wohnungsnot und Wohnprekariat konfrontiert sind,
wenn die Grundversorgung ausfällt.
21
2.1.1
Geschlechterverteilung in den einzelnen Untergruppen
Der Anteil der Frauen ist insbesondere in den Untergruppen der Dritt-Staat-Angehörigen
(45%) und der unbegleiteten Minderjährigen (41%) deutlich über dem Durchschnitt von
knapp 30%. Demgegenüber sind die Frauen in den Untergruppen der EU-AusländerInnen
(20%) und der AsylwerberInnen (23%) erheblich unterrepräsentiert.
GESCHLECHTERVERHÄLTNISSE IN DEN EINZELNEN STATUSGRUPPEN
29.00%
Gesamt
71.00%
41.00%
unbegleitete Minderjährige
59.00%
23.00%
AsylwerberInnen
77.00%
45.00%
Dritt-Staat-Angehörige
55.00%
20.00%
Eu-AusländerInnen
80.00%
25.00%
InländerInnen
0%
75.00%
20%
Frauen
40%
60%
80%
100%
Männer
Die Ergebnisse der Wohnungslosenerhebung in Salzburg unterstreichen mithin die bereits
häufig beklagte Erfahrung von einschlägigen Hilfeeinrichtungen, dass Frauen in
Wohnungsnot respektive Wohnungslosigkeit nur sehr schwer zu bewegen sind,
professionelle Hilfeangebote in Anspruch zu nehmen. Diese Feststellung wird durch die
Tatsache zusätzlich unterstrichen, dass die erfassten Frauen in Wohnungsnot zu einem
erheblichen Anteil in der verdeckten Wohnungslosigkeit zu überleben versuchen. Viele von
ihnen versuchen die Zeit ihrer akuten Wohnungsnot durch eine behelfsmäßige Unterkunft bei
Bekannten oder Verwandten zu überbrücken – in der Hoffnung, dass sie in der Folge in der
Lage sind, wieder eine adäquate Wohnform zu realisieren.
Ob und in welcher Intensität sich diese Frauen dann an Einrichtungen des Hilfesystems
wenden, um sich bei der Bewältigung ihrer Notlage und bei der Suche nach einer adäquaten
und leistbaren Wohnung unterstützen zu lassen, hängt nach Meinung der MitarbeiterInnen in
Beratungseinrichtungen für Frauen nicht zuletzt davon ab, inwieweit die vorgefundenen
Hilfeangebote auch tatsächlich in der Lage sind, frauenspezifische Vorsorgen zu realisieren
respektive spezifische Schutz- und Förderungsangebote zu gewährleisten.
22
FRAUEN IN WOHNUNGSNOT NACH STATUSGRUPPEN UND WOHNFORM
80
70
60
50
40
30
Inländerinnen
EU-Bürgerinnen
Migrantinnen
20
10
Asylwerberinnen
unbegl. Minderjährige
0
Der differenzierte Blick auf die unterschiedlichen Überlebensformen der Frauen, differenziert
nach ihrem fremdenrechtlichen Status, ergibt ein sehr auffälliges Bild.
Betrachten wir zunächst die Wohnversorgung der erfassten Inländerinnen, so fällt auf,
dass annähernd jede zweite Inländerin (48%) bei Freunden/Bekannten lebte und somit im
Bereich der verdeckten Wohnungslosigkeit wohnversorgt war. Der zweite Rang im Ranking
der Wohnversorgung von Inländerinnen in Wohnungsnot entfiel auf prekäre Wohnformen;
etwa jede Sechste (17%) lebte im Überbelag bzw. Substandard. Den dritten Rang teilten
sich unbetreute und betreute Wohnformen (jeweils 10%).
Etwa jede zwölfte Inländerin (8%) steht nach einem stationären Aufenthalt (Psychiatrie / Kur
oder Haft) vor der großen Unsicherheit, dass sie für die Zeit nach ihrer Entlassung über keine
adäquate Wohnversorgung verfügt. Mehrheitlich handelt es sich dabei um Patientinnen der
Psychiatrie.
In den Kategorien der Nutzung von Notschlafstellen sowie akuter Wohnungslosigkeit
(Obdachlosigkeit) fallen die erfassten Inländerinnen (wie auch in den anderen Untergruppen)
beinahe gar nicht ins Gewicht (jeweils 3% der erfassten Inländerinnen).
23
In Hinblick auf die Wohnversorgung der Drittstaatangehörigen fällt auf, dass die
Verteilung der Gastarbeiterinnen ein gänzlich anderes Profil aufweist. Zum überwiegenden
Anteil finden sich diese in der Kategorie der prekären Wohnversorgung (39%). Jeweils jede
Vierte (25%) konnte auf eine betreute Wohnform oder eine informelle Unterstützung durch
Bekannte zurückgreifen. Einige wenige bewohnten ein Zimmer in einer unbetreuten Pension
(7%). In den übrigen Kategorien finden sich jeweils nur ganz wenige oder überhaupt keine
Migrantinnen (wie z.B. in den Notschlafstellen).
Während EU-Bürgerinnen und Asylwerberinnen relativ gleichmäßig über die verschiedenen Kategorien verteilt sind, ist das Verteilungsbild bei den unbegleiteten Minderjährigen etwas eindeutiger. Betreute Wohnformen lagen bei der Untergruppe der unbegleiteten
Mädchen mit einem Anteil von 36% deutlich an der Spitze, gefolgt von der Nutzung der
Jugendnotschlafstelle Exit7 und / oder einer Unterkunft bei Bekannten (jeweils 20%).
MÄNNER IN WOHNUNGSNOT NACH STATUSGRUPPEN UND WOHNFORM
250
200
150
Inländer
100
EU-Bürger
Migranten
50
0
Asylwerber
unbegl. Minderjährige
Auch bei den wohnungslosen Männern sind es vor allem Inländer, die eine akute
Wohnungslosigkeit durch eine (temporäre) Unterkunft bei Bekannten zu bewältigen suchen.
Diese Teilgruppe bildet mit einem Anteil von 42% eine einsame Spitze in der oben
vorgestellten Grafik. Allerdings liegt der Anteil, der auf die Wohnform bei Bekannten entfällt,
bei der Untergruppe der männlichen Gastarbeiter noch um einiges höher. Mehr als die Hälfte
24
der männlichen wohnungslosen Migranten (53%) lebte im Oktober des Vorjahres in
verdeckter Wohnungslosigkeit.
Nennenswerte Größen entfallen bei den wohnungslosen Männern auch auf die Kategorien
Wohnbetreuung (12%), Notschlafstellen (13%) und unbetreute Pensionen (10%).
Deutlich abgeschlagen kommen bei den wohnungslosen Männern die Kategorien der
Obdachlosigkeit (7%) und des Wohnprekariats (6%) zuunterst im bereichsspezifischen
Ranking zu liegen. Von besonderer Bedeutung erscheint hier insbesondere die Tatsache,
dass Obdachlosigkeit lediglich bei 7% der wohnungslosen Inländer festzustellen ist.
Demgegenüber liegt der Anteil der Obdachlosigkeit bei den wohnungslosen EU-Bürgern mit
20% erheblich darüber.
Dieses Ergebnis erscheint insofern von besonderer Bedeutung, zumal in der öffentlichen
Meinung nahezu ausschließlich Obdachlosigkeit als besonders sichtbare Form der
Wohnungslosigkeit Beachtung findet, während für andere Aspekte der Zusammensetzung
des Problems Wohnungslosigkeit nur sehr schwer Aufmerksamkeit gefunden werden kann.
Zweierlei erscheint mithin für die weiteren Bearbeitungsschritte von besonderer Relevanz.
Das ist einmal die Frage, warum Obdachlosigkeit sich trotz eines sehr fortgeschrittenen
Ausbaus der Hilfe- und Unterstützungsstrukturen auf einem relativ hohen Niveau hält, das
auch im Mehrjahresvergleich stabil zu sein scheint. Weiters erscheint der Anteil der
obdachlosen EU-Bürger eklatant hoch, womit sich im Wesentlichen die Frage nach der
Zugänglichkeit der Hilfestrukturen für diese Statusgruppe mit großer Dringlichkeit stellt.
2.1.2
Altersverteilung der wohnungslosen InländerInnen
Zu großen Anteilen sind die erfassten wohnungslosen Menschen jünger als 30 Jahre.
Insgesamt 41 Frauen (29%) und 92 Männer (22%) sind jünger als 25 Jahre. Weitere 14%
der Frauen und 11% der Männer entfallen auf die 25-29Jährigen.
Wohnungslosigkeit und Wohnungsnot treten deutlich häufiger bei jüngeren Frauen (43%
aller erfassten Frauen sind jünger als 30 Jahre) auf als in der Gruppe der Männer in
Wohnungsnot, bei denen der Anteil der unter 30Jährigen lediglich bei 33% liegt.
25
ALTERSVERTEILUNG NACH GESCHLECHT, IN PROZENT
50
45
40
35
30
25
weiblich
20
männlich
15
10
5
0
18 - 29
30 - 39
40 - 49
50 59
60 plus
Die Alterskurve flacht bei den Frauen ab dem Alter von 50 Jahren rasch ab. Etwa jede siebte
Frau (16%) ist älter als 49 Jahre. Demgegenüber liegt der Anteil der wohnungslosen Männer
in fortgeschrittenem Alter deutlich darüber. Etwa jeder vierte Mann (24%) gehört zur
Altersgruppe der über 50Jährigen.
Im Zehnjahresvergleich der Daten aus den Erhebungen des Forums (Oktober 1999 bis
Oktober 2009) ergeben sich in Hinblick auf die Altersgruppen der jüngeren sowie der älteren
Wohnungslosen keine nennenswerten oder eindeutigen Entwicklungen, die etwa als Trends
der Problementwicklung interpretiert werden könnten. Vielfach kolportierte und
veröffentlichte Meldungen, wonach die Wohnungslosen immer jünger werden (zuletzt etwa:
Die Presse, 18.6.2010) können somit mit den Zahlen der Salzburger Langzeiterhebung nicht
belegt werden.
Unabhängig davon steht jedoch fest, dass Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit in einem
erheblichen Ausmaß jungen Erwachsenen zum Problem werden. Diese Tatsache sollte
insbesondere vor dem Hintergrund zu denken geben, dass damit die soziale, kulturelle und
demokratische Teilhabe sondern darüber hinaus die je individuelle Positionierung im
Erwerbsleben in Frage gestellt sind. Allem voran steht damit das gesamte Hilfesystem auch
hinsichtlich der Aufgabe vor großen Anforderungen, einen potenziell angelegten Einstieg in
eine Langzeitkarriere im gesellschaftlichen Abseits möglichst frühzeitig zu verhindern. Dies
erscheint sowohl in menschlicher als auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht von höchster
Priorität.
26
2.1.3
Jung und wohnungslos
Die Ergebnisse der Wohnungslosenerhebung im Oktober 2010 belegen, dass Jugendliche
und junge Erwachsene einen hohen Anteil an den Wohnungslosen im Ballungsraum
Salzburg-Stadt stellen. Das betrifft insbesondere eine hohe Anzahl von mitziehenden
Minderjährigen (insgesamt sind 738 minderjährige Personen erfasst, die von Wohnungsnot /
Wohnungslosigkeit betroffen waren). Es ist anzunehmen, dass viele dieser Personen in
Beratungs- und Betreuungsvorsorgen aus angrenzenden Hilfesystemen (z.B. der
Familienberatungsstellen) bekannt sind und jeweils nur ausnahmsweise in die
Betreuungszuständigkeit von WLH-Einrichtungen fallen. Anders sieht es mit der
Personengruppe der jungen Erwachsenen (18 bis 29 Jahre alt) aus. Mit einem Anteil von
43% der Frauen und 33% der Männer bilden diese Personen eine nennenswerte
Untergruppe der wohnungslosen KlientInnen von WLH- sowie Einrichtungen aus
angrenzenden Hilfebereichen.
Die detaillierte Darstellung der WLH-Angebote in Salzburg (siehe dazu im Anhang) gibt
jedoch keine eindeutige Antwort auf die Frage, ob und inwieweit die Ausgestaltung der
Angebotsschwerpunkte hinreichend auf zielgruppenspezifische Bedürfnisse und
Anforderungen in der Betreuung von Jugendlichen / jungen Erwachsenen ausgerichtet ist.
In jedem Fall ist offensichtlich, dass es einerseits keine Angebote gibt, die sich dezidiert der
Personengruppe der jungen Erwachsenen annehmen. Mithin wird im Rahmen der weiteren
Bearbeitungsschritte zu klären sein, ob und inwieweit sich innerhalb der aktuell realisierten
(durchgängig altersgemischt genutzten) Beratungs- und Betreuungseinrichtungen
andererseits dezidiert auf die Zielgruppe der jungen Erwachsenen abgestellte Ressourcen
und Angebotssegmente finden bzw. ob damit der entsprechende Bedarf gedeckt werden
kann.
Leider sind die Daten über mitziehende Minderjährige in Haushalten, die im Wohnprekariat
leben oder von laufenden Delogierungsverfahren in ihrer Wohnsicherheit erheblich belastet
sind, hinsichtlich Geschlecht und Verteilung auf fremdenrechtliche Statusgruppen nicht
differenziert bzw. überhaupt nicht adäquat ausgewiesen. Die nachstehende Grafik behilft sich
dementsprechend z.T. mit Annäherungen bzw. Pauschalwerten, ergibt jedoch insgesamt
gesehen einen eindrücklichen Hinweis darauf, dass Minderjährigen und jungen Erwachsenen
in Wohnungsnot verstärkt und gezielt Aufmerksamkeit gewidmet werden muss.
27
WOHNUNGSNOT UND WOHNUNGSLOSIGKEIT BEI MINDERJÄHRIGEN
800
700
600
500
400
300
725
598
200
100
0
53
87
198
28
2.2
Wohnformen und (Über)Lebensstrategien wohnungsloser Menschen
Gemäß der international akkordierten Definition von Wohnungslosigkeit und Wohnprekariat
(ETHOS) unterscheide ich im Folgenden nach den zentralen Kriterien der spezifischen Wohnund Unterbringungsformen, mit denen die im Rahmen der Wohnungslosenerhebung
(10/2009) erfassten Personen konfrontiert waren. Hervorgehoben werden hier die Kriterien
der Obdachlosigkeit und Nutzung von NächtigerInnenangeboten, des Aufenthalts in
stationären Institutionen (Haft, Klinik etc.) und der bevorstehenden Entlassung mit
ungesicherter Wohnperspektive, des temporären Aufenthalts in einer unbetreuten Pension,
der Wohnbetreuung in einer Einrichtung der WLH, der übergangsweisen Nächtigung bei
Bekannten / Verwandten und der Belastung durch Überbelag bzw. erheblichem Substandard.
KLIENTEL DER WOHNUNGSLOSENHILFE – OKTOBER 2009
obdachlos (sleeping rough)
57
Out Reach / amb. WLH
temporär in Notschlafstellen
64
NOST
(Übergangs-)Einrichtungen der WLH
77
stationäre WLH
Entlassung aus stationärer Verwahrung
(Klinik, Haft etc.)
80
soziale Dienste an den
Schnittstellen zur WLH
unbetreute Pensionen / Herbergen
89
ambulante WLH
bei Freunden / Bekannten
304
ambulante WLH
wohnungslos
ungenügend wohnversorgt
Wohnungsämter /
(Gesundheitsgefährdung / Überbelag)
8231
Wohnberatung
potenziell wohnungslos /
delogierungsgefährdet
2.900
Delogierungsprävention2
1
2
333 Dringlichkeitsfälle; hochgerechnet mit Durchschnittsbelag von 2,3 Personen pro Haushalt,
sowie Ergebnisse aus der Erhebung des F-WLH; hoher Anteil von mitziehenden Minderjährigen!
1.261 Verfahren im Ballungsraum Salzburg-Stadt betreffen bei Ø 2,3 Personen pro Haushalt
2.900 betroffene Personen (Angaben zur Zusammensetzung der Haushalte fehlen, erfahrungsgemäß ist jedoch von einem hohen Anteil von minderjährigen Familienmitgliedern auszugehen!)
29
Ergänzt werden die Daten der Wohnungslosenerhebung vom Oktober 2009 hier durch die
Daten des Wohnungsamtes zu den Dringlichkeitsfällen aufgrund von Überbelag und
Substandard sowie mit den Daten des Bundesrechenzentrums über laufende Verfahren zur
gerichtlichen Auflösung von Wohnverhältnissen (jeweils hochgerechnet auf die Anzahl der
Haushaltsmitglieder).
Die Grafik versucht insbesondere den Blick auf die Zugangsbereiche in Wohnungslosigkeit
und Wohnprekariat zu fokussieren und verdeutlicht mithin auch den engen Zusammenhang
zwischen Armutsverhältnissen und Einschränkungen der Wohnversorgung respektive
spezifischen Risiken, wohnungslos zu werden.
Zugleich damit wird jedoch auch deutlich, dass die WLH im engeren Sinn mit ihren
unterschiedlichen Hilfe- und Unterstützungsangeboten einen (zwar wichtigen jedoch)
insgesamt gesehen kleinen Ausschnitt aus dem breiteren Umfeld der Belastung durch
unzureichende bis fehlende Wohnversorgungssicherheit abzudecken vermag.
Eine große Bedeutung kommt in jedem Fall der ambulanten Wohnungslosenhilfe zu, die über
Notschlafstellen, Sozialberatungsstellen sowie nachgehende / aufsuchende Angebote einen
erheblichen Anteil der wohnungslosen Personen im Ballungsraum Salzburg erreicht. Das
betrifft gleichermaßen Personen, die in unbetreuten Pensionen und Herbergen leben, als
auch eine große Anzahl von Personen, die Strategien der verdeckten Wohnungslosigkeit und
eine temporäre Unterkunft bei Bekannten etc. den formellen Hilfeangeboten vorziehen, aber
in mehr/minder intensivem Kontakt zur ambulanten WLH bzw. sozialen Diensten aus
benachbarten Hilfebereichen stehen.
Im Detail ist jedoch insbesondere in Frage zu stellen, ob die Schnittstelle zwischen
verdeckter Wohnungslosigkeit und formellen Hilfeangeboten ausreichend und adäquat
gestaltet ist:

Wie wird mit den konkreten Risiken, die mit verdeckter Wohnungslosigkeit einhergehen,
umgegangen?

Welche Motive, Ängste und / oder Erwartungen sind dafür verantwortlich, dass
Strategien der verdeckten Wohnungslosigkeit den formellen Angebote vorgezogen
werden?

Welche Hürden behindern / verhindern die Nutzung formeller Hilfeangebote?

Wie ist es um Verweildauer und Fluktuation in der verdeckten Wohnungslosigkeit
bestellt?

Was bräuchte es aus Sicht der Betroffenen, um die Übergänge zwischen verdeckter und
sichtbarer Wohnungslosigkeit bewältigen zu können?
30
2.3
Entwicklung von Wohnungsnot und -losigkeit in Salzburg,
in Relation zu österreichweiten Daten
Unterschiedliche Datenquellen (Volks- und Häuserzählung 2001, Aufstellungen und Berichte
von Ministerien (Sicherheitsbericht, Gesundheitsbericht etc. sowie insbesondere die
Haushaltserhebungen im Rahmen von EU-SILC, ausgeführt von Statistik Austria)
gewährleisten einen quantitativen Überblick über Aspekte problematischer Wohnversorgung
in Österreich und belegen den Zusammenhang zwischen Armut und Wohnungsnot sowie den
Bedarf nach wohnspezifischen Unterstützungsangeboten, z.B. durch die WLH.
ARMUTSRELEVANTE REFERENZDATEN IM ÜBERBLICK
bedroht von
WL
betroffen
von WL
1,018.000
--
von akuter Armut Betroffene in Österreich (EU-SILC 2008)
424.000
--
Überbelag (EU-SILC 2007; Stichtag)
606.000
--
inadäquater Wohnraum (EU-SILC 2007; Stichtag)
223.000
--
wohnhaft in Einrichtungen für sozial Bedürftige (Volkszählung 2001; Stichtag;
ÖSTAT, 2005)
--
4.214
Wohnbetreuung in Einrichtungen der WLH (BAWO 2009; Stichzeitraum)
--
5.000
Delogierungsverfahren, Räumungsexekutionen (Justizministerium 20063);
jeweils hochgerechnet auf zwei erwachsene Haushaltsmitglieder
85.000
30.960
bedroht durch häusliche Gewalt / polizeiliche Intervention in Haushalten
(Sicherheitsbericht 2004); hochgerechnet auf zwei erwachsene
Haushaltsmitglieder / Frauen und Kinder in Frauenhäusern (2006)
37.000
3.143
8.471
3.811
Entlassung aus stationärer Betreuung (Psychiatrie etc.)
k.A.
k.A.
temporär bei Bekannten / Verwandten
k.A.
k.A.
nächteweise in Notunterkünften (BAWO 2009; im Jahr 20065)
--
1.150
obdachlos (BAWO 2009; im Jahr 20066)
--
1.100
Armutsgefährdung in Österreich (EU-SILC 2008)
Haftentlassene4 (Sicherheitsbericht 2006)
3
4
5
6
Von im Jahr 2006 anhängigen insgesamt 42.514 gerichtlichen Verfahren zur Auflösung von
Wohnverhältnissen wurden letztlich insgesamt 13.460 Verfahren als Räumungsexekutionen bei
den Gerichten eingebracht (Anfragebeantwortung des Justizministeriums). Tatsächlich exekutiert
wurden in der Folge 7.183 Räumungen. Für diese Hochrechnung wurde jedoch von der Zahl der
Räumungsexekutionen ausgegangen: 13.460 Verfahren abzüglich 10% angenommener
wohnfremder Nutzung x 2,3 Haushaltsmitglieder = 30.960.
Schätzungsannahme: 45% der Haftentlassenen verfügen über keine geeignete Wohnung.
Angaben ohne Wien, BAWO 2009, S. 94
Angaben ohne Wien und Steiermark; BAWO 2009, S. 93
31
Die armutsrelevanten Referenzdaten legen nahe, dass ein großer Teil der Armutsbevölkerung
von weitreichenden Beeinträchtigungen ihrer Wohnversorgung (Überbelag, inadäquater
Substandard, gerichtlicher Aufkündigung des Wohnverhältnisses bzw. bevorstehender
Räumungsexekution) bis hin zu Wohnungslosigkeit (in einem weiteren Verständnis als der
akuten Obdachlosigkeit) betroffen ist.
Die entsprechenden Daten werden im folgenden Abschnitt den Ergebnissen aus der
Salzburger Wohnungslosenerhebung gegenüber gestellt, um so eine Einschätzung der
entsprechenden Risiken in Salzburg im nationalen Vergleich zu ermöglichen.
2.3.1
Wohnen im Substandard
In Österreich gehören etwa 3,3% aller Mietwohnungen zur Kategorie der schlecht
ausgestatteten Kategorie D Wohnungen – ohne WC / Wasserinstallation innerhalb der
Wohnung (alle zusammen: 109.406 Wohnungen)7.
Nach EU-SILC 20088 sind überproportional armutsgefährdete bzw. akut arme Haushalte von
prekären Wohnverhältnissen betroffen. Betroffen von einer prekären Wohnsituation sind
28% der armutsgefährdeten und 30% der akut armen Haushalte. Diese sind von zwei oder
mehr der folgenden Wohnprobleme betroffen:

kein WC oder Badezimmer in der Wohnung

Feuchtigkeit, Schimmelbildung

dunkle Wohnräume

keine Waschmaschine vorhanden
7
Stat. Nachrichten 8/2004, S. 774
8
BMASK 2010, S. 97 ff.; EU-SILC beruht auf einer Stichprobenerhebung und erlaubt keine
regionale Differenzierung der Ergebnisse.
32
REGIONALE
DIFFERENZIERUNG – SALZBURG
Im Bundesland Salzburg entfallen gemäß der Gebäude- und Wohnungszählung aus dem Jahr
2001 insgesamt 1,1% der erfassten Wohnobjekte auf die Kategorie D (keine Wasserinstallation in der Wohnung) – mithin deutlich weniger als im österreichweiten Vergleich.
Insgesamt lebten knapp 5.000 Menschen im Substandard. Der Bestand an alten und schlecht
ausgestatteten Wohnungen ist in Salzburg in den vergangenen Jahrzehnten rapide
zurückgegangen. Diese Tatsache kommt auch in der WL-Erhebung des Forums zum
Ausdruck.
WL-Erhebung 10/09:
Differenziert nach Geschlecht und Statusgruppen ergibt sich für Salzburg eine Gesamtanzahl
von 22 Personen, die in unzumutbaren Wohnungen leben.
Substandard wurde im Rahmen der WL-Erhebungen des Forums erst im Jahr 2005 als eigene
Kategorie mit aufgenommen. Die Verlaufsdarstellung seit 2005 ergibt folgenden Verlauf:
unzumutbare Wohnung
40
35
30
25
20
15
10
5
0
2005
2006
2007
2008
2009
Unzumutbare Wohnverhältnisse betreffen überwiegend weibliche KlientInnen (7,6% der
erfassten Frauen in Wohnungsnot lebten im Oktober 2009 im Substandard). Demgegenüber
entfielen nur 1,9% der erfassten Männer auf diese Kategorie.
Auch in den Daten des Wohnungsamtes kommt zum Ausdruck, dass unzumutbare
Wohnverhältnisse in Salzburg eine eher untergeordnete Rolle spielen. Danach entfielen von
den 333 Dringlichkeitsfällen, die den Kriterien für Wohnungslosigkeit / Wohnungsnot des
Forums entsprachen, nur etwa 10% auf diese Kategorie; hochgerechnet etwa 80 Personen.
33
2.3.2
Wohnen in überbelegten Wohnungen
Überbelag (zwei oder mehr Personen leben in einem Raum) betrifft viele Haushalte in
Österreich und kann als Indiz für versteckte Wohnungslosigkeit interpretiert werden. Im Jahr
2008 lebten in Österreich rund 606.000 Menschen oder neun Prozent aller Personen in
Mehrpersonenhaushalten in einer überbelegten Wohnsituation.9
Die SILC-Erhebung beruht auf einer für Österreich repräsentativen Stichprobe, erlaubt
jedoch keine Differenzierung nach Ländern und einzelnen Städten.
WL-Erhebung 10/09
Im Oktober 2009 wurden insgesamt 20 Personen (11 Frauen und 9 Männer) erfasst, die in
überbelegten Wohnungen lebten. Auch hier wird mithin deutlich, dass in der Kategorie
Überbelag die weiblichen KlientInnen klar überrepräsentiert sind.
Der mehrjährige Vergleich zeigt folgenden Verlauf:
Überbelag
30
25
20
15
10
5
0
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Daten des Wohnungsamtes Salzburg
Von den 333 Dringlichkeitsfällen des Wohnungsamtes, die im Oktober 2009 vom Forum nach
den Kriterien für Wohnungsnot / Wohnungslosigkeit erfasst wurden, entfielen etwa 90% auf
die Kategorie Überbelag.
9
Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Armutsgefährdung in Österreich.
Ergebnisse aus EU-SILC 2008, Wien 2010, S. 97ff.
34
2.3.4
Bedroht von Wohnraumverlust durch Delogierung
Nachdem es über viele Jahre nicht möglich war, quantitative Evidenz über die gerichtlichen
Räumungsverfahren sowie durchgeführte Exekutionen zu erhalten, stellt nun das
Bundesrechenzentrum im Auftrag des BM:Justiz regelmäßig Daten über laufende Verfahren
sowie durchgeführte Räumungsexekutionen in regionaler Differenzierung vor. Einschränkend
ist hier anzumerken, dass diese Daten lediglich einen gesamthaften Überblick bieten.
Weitergehende Differenzierungen über die tatsächliche Nutzung der betroffenen Wohnungen
(etwa für Wohnzwecke, für gewerbliche Nutzung oder überhaupt Leerstand), über die
Zusammensetzung der betroffenen Haushalte und spezifische Statusmerkmale der
betroffenen Personen (Geschlecht, fremdenrechtlicher Status, Minderjährigkeit etc.) liegen
aktuell noch nicht vor.
Ebenso geben die Daten über die tatsächlichen Räumungsexekutionen keine Auskunft
darüber, wie es um die Wohnversorgung der delogierten Personen bestellt ist.
Im Jahr 2006 waren in Österreich insgesamt 42.514 Delogierungs- und Räumungsverfahren
bei den Bezirks- und Arbeitsgerichten anhängig; insgesamt 13.460 Räumungen wurden
tatsächlich exekutiert. Abzüglich eines geschätzten Anteiles für nicht wohngenutzten Bestand
von etwa 10% bedeutet das, dass insgesamt 12.120 Haushalte respektive etwa 24.500
Personen vom Verlust ihres Wohnraumes betroffen waren.
Die vorliegenden Zahlen verdeutlichen, dass ein hoher Anteil der Delogierungsverfahren im
Bundesland Salzburg in der Landeshauptstadt Salzburg (63%) anfällt. Demgegenüber sind
entsprechende Verfahren in den kleineren Bezirksstädten bzw. den ländlichen Regionen eher
selten. In diesen Zahlen kommt eine Besonderheit des Salzburger Wohnungsmarktes zum
Ausdruck, wonach Mietverhältnisse, um die es hier ja wesentlich geht, eher auf den
städtischen Raum konzentriert sind.
Im Verlauf der vergangenen 10 Jahre zeigt sich hinsichtlich der regionalen Verteilung sowie
der anfallenden Gesamtzahlen bei den Anträgen auf Räumungsexekution eine leichte
Zunahme der anfallenden Verfahren in den Bezirken Tennengau, Flachgau, Pongau und
Pinzgau. Demgegenüber ist die Situation in der Landeshauptstadt Salzburg – auf einem
hohen Niveau – sowie im Lungau – auf einem denkbar niedrigen Level – annähernd gleich
geblieben.
35
ANTRÄGE
AUF
R Ä U M U N G S E X E K U T I O N , 2 0 0 1 - 2 0 0 9 10
800
700
600
500
400
300
200
100
0
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Salzburg
Flachgau
Pongau
Tennengau
Pinzgau
Lungau
2008
2009
Bundesland Salzburg
Die Hauptlast dieser Verfahren entfällt auf die Landeshauptstadt Salzburg (vgl. dazu die Tab.
im Anhang), allerdings geht der Anteil der Stadt Salzburg am Gesamt aller Verfahren im
Bundesland gemäß der Zunahme der Verfahren in den ländlichen Regionen Salzburg zurück.
Der Blick auf die Entwicklung der Zwangsräumungen – als unmittelbares Ergebnis der
Räumungsexekutionsverfahren – unterstreicht diesen Hinweis, wonach es im Verlauf der
letzten zehn Jahre in der Frage der Delogierungsverfahren und Zwangsräumungen zu einer
tendenziellen Verlagerung der Problemstellung gekommen ist.
Die Anzahl der im Bundesland Salzburg angefallenen Zwangsräumungen ist im Verlauf der
letzt fünf Jahre deutlich zurückgegangen. Dieser Rückgang ist nahezu zur Gänze der
rückläufigen Entwicklung in der Landeshauptstadt Salzburg geschuldet, während die
Landbezirke ihr eher niedriges Niveau an exekutierten Räumungen in etwa gehalten haben.
10
Aufstellung des Bundesrechenzentrums, Wien 2010
36
VOLLZOGENE ZWANGSRÄUMUNGEN
IN
S A L Z B U R G , 2 0 0 4 - 2 0 0 9 11
350
300
250
200
150
100
50
0
2004
2005
2006
2007
Salzburg
Flachgau
Tennengau
Pongau
Pinzgau
Tamsweg
2008
2009
Bundesland Salzburg
Etwa 14% der gerichtlichen Kündigungs-/Räumungsverfahren münden in eine
Zwangsräumung. Dieser Wert liegt im Österreich weiten Vergleich ausgesprochen niedrig,
was wohl zu einem wesentlichen Teil auf die positive Bilanz der Delogierungsberatung
zurückzuführen sein dürfte.
Zum Vergleich:
Im Jahr 2006 wurden von der Fachstelle für Gefährdetenhilfe insgesamt 1.495 Haushalte
brieflich kontaktiert, 937 Familien nahmen eine Erstberatung in Anspruch, eine erfolgreiche
Intervention zur Wohnungssicherung konnte in 335 Fällen verzeichnet werden.
2.3.4
Haftentlassung in die Wohnungslosigkeit
Zur Frage der Wohnversorgung von Haftentlassenen gibt es in Österreich leider keine
verlässlichen Daten und Untersuchungen. Praxisberichte belegen, dass es für viele
Haftentlassene ein großes Problem darstellt, eine erschwingliche Wohnung nach der
Entlassung zu finden. Internationale Studien verweisen darauf, dass etwa 80% der
Haftentlassenen von dieser Problematik betroffen bzw. überhaupt für die erste Zeit nach
ihrer Entlassung wohnungslos sind.
11
Aufstellung des Bundesrechenzentrums, Wien 2010; Ziffern über vollzogene Zwangsräumungen
werden erst seit 2004 zur Verfügung gestellt.
37
Über Art und Qualität der Wohnversorgung nach der Haft liegen in Österreich jedoch keine
gesicherten Daten vor.12 Das betrifft insbesondere auch die Frage, in welches Bundesland
sich die Haftentlassenen nach ihrer Entlassung begeben. Demgemäß liegen für die Stadt
Salzburg keine gesicherten Angaben darüber vor, wie viele Personen sich jährlich in Salzburg
niederzulassen versuchen.
Eine Bedarfserhebung zu Armutsgefährdung und Wohnversorgung von KlientInnen der
Haftentlassenenhilfe in der Stadt Salzburg13 zeigt demgegenüber, dass etwa 45% der
Haftentlassenen (in Kontakt mit der Haftentlassenenhilfe / Neustart) für die Zeit nach der
Entlassung über keine gesicherten Wohnverhältnisse verfügen bzw. auch nicht in der Lage
sind, eine reguläre Wohnversorgung aus eigenem Vermögen sicherzustellen.
Wohnungslosenerhebung 10/09
Im Oktober 2009 standen in den Salzburger Haftanstalten insgesamt 37 Personen vor ihrer
Entlassung, ohne dass für die Zeit nach der Haft eine adäquate und leistbare
Wohnversorgung gewährleistet war. Überwiegend waren davon Männer betroffen (86%).
WOHNUNGSLOSIGKEIT
VON
HAFTENTLASSENEN: 2004 – 2009
haftentlassene InländerInnen
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Im Verlauf der Jahre 2004 bis 2006 ist ein deutlicher Rückgang der Anzahl der erfassten
InländerInnen festzustellen, die vor einer Haftentlassung standen, ohne dass ein gesicherter
Wohnraum zur Verfügung stand. Inzwischen ist diese Zahl in etwa gleich geblieben.
12
13
Der Sicherheitsbericht des Innenministeriums gibt lediglich die Gesamtzahl der Haftentlassenen in
Österreich wieder, schweigt sich diesbezüglich jedoch zur Gänze aus.
Bernhard Eisl, Armutsgefährdung nach der Haft, Salzburg 2001
38
2.3.5
Entlassung aus stationärer Betreuung in Wohnungslosigkeit
Für den Bereich der Wohnungsversorgung nach der Entlassung aus stationärer Betreuung
(nach Kuraufenthalten, Entwöhnungsbehandlungen, psychiatrischer Betreuung etc.) liegen in
Österreich keine verlässlichen Untersuchungen vor. Über den Status der Wohnversorgung
respektive über Fragen der Wohnungslosigkeit sind somit keine empirisch belegten Aussagen
möglich. Dieses Thema wird im jüngsten vorliegenden Psychiatriebericht noch nicht einmal
erwähnt.
Wohnungslosenerhebung 10/09:
Im Rahmen der Wohnungslosenerhebung im Oktober 2009 wurden insgesamt 42 Personen
gemeldet, bei denen eine Entlassung in eine unsichere bzw. inadäquate Wohnversorgung
bevorstand.
WOHNUNGSLOSIGKEIT
VON
KUR-/PSYCHIATRIEENTLASSENEN: 2004 - 2009
InländerInnen vor Kur/Psychiatrieentlassung
35
30
25
20
15
10
5
0
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Differenziert nach Geschlecht und Statusgruppen zeigt sich, dass Wohnungslosigkeit bei der
Entlassung aus einem therapeutischen stationären Aufenthalt überproportional häufig bei
männlichen KlientInnen der Fall ist (83%).
Nachdem in den vergangenen Jahren seit 2004 jeweils nur sehr wenige Personen festgestellt
werden konnten, die nach einem stationären Kur- oder Therapieaufenthalt ohne geeignete
Wohnversorgung vor der Entlassung standen, steigt in der WL-Erhebung vom Oktober 2009
die Zahl der Entlassenen ohne adäquate Wohnversorgung wieder deutlich an.
39
Anzumerken ist hier allerdings, dass es für die jahresspezifischen Schwankungen letztlich
keine Erklärungen aus der Praxis der WLH-Einrichtungen gibt. Vielmehr dürften hier
Erhebungsunschärfen, z.B. infolge eines Personalwechsels in den kooperierenden /
respondierenden Einrichtungen, zum Ausdruck kommen.
Im Detail wird auf Fragen wie diese in der qualitativen Vertiefung in den weiteren
Arbeitsschritten noch näher einzugehen sein.
2.3.6
BETREUTES WOHNEN & (teil-)stationäre Wohnbetreuung
Erstmalig wurden österreichweit in der Volkszählung 2001 nicht nur sämtliche
Anstaltshaushalte erhoben, sondern auch differenzierte Daten zu den erfassten Kategorien
von stationären Einrichtungen ausgewiesen14. Damit liegen für 2001 Stichtagsdaten über die
Anzahl der Personen, unterschieden nach Alter und Geschlecht, vor, die zum
Erhebungszeitpunkt 1.1.2001 in Einrichtungen für sozial Bedürftige / Wohnungslose
überwiegend mit längerer zeitlicher Perspektive ihren Hauptwohnsitz angemeldet hatten.
TAB.: STATIONÄRE WOHNUNGSLOSENHILFE UND SOZIALHEIME ETC.
gesamt
Gesamt
abs.
4.214
Männlich
in %
100%
abs.
3.208
in %
76%
weiblich
abs.
1.006
in %
24%
Im Jahr 2007 konnte im Rahmen einer BAWO-Studie der Bestand der WLH-Angebote in
Österreich (BAWO-Studie 2009) und der wohnungslosen Personen in stationärer
Wohnbetreuung erhoben werden. Leider konnten aus methodischen Gründen weder
Doppelnennungen systematisch ausgefiltert noch angrenzende Versorgungsbereiche, die
auch mit Problemen der Wohnversorgung bzw. der Wohnungslosigkeit ihrer KlientInnen
befasst sind, umfassend in die Erhebung einbezogen werden. Auf Grund von
Doppelnennungen und eingeschränkter Reichweite der Erhebung liegt sowohl eine
systematische Überschätzung als auch eine erhebliche Unterschätzung der Größenordnung
von Wohnbetreuung in der WLH vor.
14
STATISTIK AUSTRIA, Haushalte und Familien, Wien 2005, S. 67
40
Die Ergebnisse dieser Wohnungslosenerhebung stellen somit lediglich eine Annäherung an
das tatsächliche Potenzial der WLH Österreichs dar:

in stationärer bzw. ambulanter Wohnbetreuung standen Ende 2007 (Stichzeitraum
12/07) insgesamt 5.005 Personen; davon waren 704 Minderjährige; der Frauenanteil
bei den erwachsenen KlientInnen betrug 32%.
Nachdem es in dieser Erhebung nicht möglich war, Doppelnennungen systematisch
auszuschließen, ist ein direkter Vergleich mit den Daten aus 2001, wonach es in den letzten
Jahren zu einem Ausbau der Kapazität der stationären Wohnungslosenhilfe von bis zu 20%
gekommen ist, nur als Annäherungswert zu verstehen.
WL-Erhebung Salzburg:
Im Oktober 2009 standen insgesamt 90 männliche und 48 weibliche aller erfassten
KlientInnen in einer stationären Wohnbetreuung (inkl. den minderjährigen KlientInnen des
Exit7). Der Frauenanteil von 35% liegt somit deutlich über dem Frauenanteil in der
Gesamtzahl der erfassten wohnungslosen oder prekär wohnversorgten Personen in Salzburg
von 29%.
ZUM VERGLEICH: Bei der Untergruppe der erfassten erwachsenen InländerInnen liegt der
Frauenanteil mit 25% noch einmal niedriger. Lediglich in den Untergruppen der
MigrantInnen sowie der unbegleiteten Minderjährigen findet sich ein noch höherer
Frauenanteil. Dieser liegt bei der Gruppe der ArbeitsmigrantInnen mit Dritt-Staatszugehörigkeit bei 45% und in der Gruppe der unbegleiteten Minderjährigen bei 42%.
Unbegleitete Minderjährige
Relativ groß ist in dieser Kategorie auch der Anteil der unbegleiteten Minderjährigen. Mit
einem Gesamtscore von 33 Personen (einschließlich der KlientInnen des Exit7) liegt der
Anteil der minderjährigen Personen in dieser Kategorie bei 24%.
41
INLÄNDERINNEN IN STATIONÄRER WOHNBETREUUNG, 2004 – 2009
wohnbetreute KientInnen
84
82
80
78
76
74
72
70
68
66
64
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Die Anzahl der Wohnbetreuungsplätze ist in Salzburg in den vergangenen Jahren weitgehend
gleichgeblieben. Die Veränderungen in der Anzahl der wohnbetreuten InländerInnen im
Verlauf der letzten 6 Jahre kann letztlich durch zweierlei Faktoren bedingt sein:

Schwankungen in der Zusammensetzung des Klientels der Wohnbetreuung nach
Statusgruppen

unterschiedliche Fluktuation in dieser Kategorie und Schwankungen gemäß
unterschiedlicher Anzahl von Doppelnennungen.
2.3.7
Mittelfristig bis dauerhaft in unbetreuten (Billig-) Pensionen
Neben den speziell auf die Unterbringung bzw. Wohnbetreuung von wohnungslosen
Menschen ausgerichteten ‘professionellen’ Einrichtungen finden sich viele wohnungslose
Menschen, z.T. dauerhaft, in unbetreuten (Billig-)Pensionen – z.T. zu ausgesprochen
unwürdigen Konditionen (Mehrbett-Zimmer, eingeschränkte hygienische Standards, keine
Kochmöglichkeit, keine Privatsphäre etc.).
Eine systematische Erhebung dieses Versorgungssegments liegt für Österreich leider nicht
vor, so dass es derzeit auch nicht möglich ist, Anzahl und Zusammensetzung der unter
solchen Bedingungen lebenden Menschen seriös zu schätzen.
42
WL-Erhebung 10/09:
Die Wohnungslosenerhebung des Forums für 10/09 weist 89 Personen in prekärer
Wohnversorgung in unbetreuten Pensionen aus. Jede Vierte (25%) ist eine Frau.
IN UNBETREUTEN PENSIONEN, 2004 – 2009:
InländerInnen in unbetreuten
Pensionen
100
80
60
40
20
0
2004
2005
2006
2007
2008
2009
In dieser Kategorie zeigt sich ein weitgehend stabiler Verlauf auf einem durchweg hohen
Niveau. Der Anteil der in dieser Form prekär wohnversorgten Menschen in der Gesamtgruppe
der wohnungslosen Personen lag in den vergangenen Jahren jeweils bei ca. 11%.
UNBEGLEITETE MINDERJÄHRIGE PERSONEN: Die Unterbringung in unbetreuten Pensionszimmern
spielt in der Untergruppe der unbegleiteten minderjährigen Personen kaum eine Rolle. Im
Oktober 09 waren jeweils ein Mädchen und ein Junge in dieser äußerst prekären Wohnform
erfasst.
2.3.8
Temporäre Unterkunft bei Bekannten / Verwandten
Für Österreich liegen zu dieser Kategorien keinerlei systematisch erhobenen Daten vor. Mit
hoher Wahrscheinlichkeit kann angenommen werden, dass diese Personen jeweils den Daten
zur Kategorie Überbelag zugeordnet wurden, ohne dass diese besonders prekäre Wohnform
jedoch einer detaillierteren Analyse zugeführt wurde. Auch in der Wohnungslosenerhebung,
die von der BAWO für die Jahre 2006 und 2007 durchgeführt wurde, war es nicht möglich,
zu dieser Kategorie systematische Angaben und Zahlen zu erhalten.
43
WL-Erhebung 10/09
Die Wohnungslosenerhebungen des Forums Wohnungslosenhilfe weisen nach, dass diese
sehr prekäre Wohnform für Menschen in Wohnungsnot / Wohnungslosigkeit eine eminent
hohe Bedeutung im Sinne einer, wenn auch prekären, Strategie zur Bewältigung von
Wohnungslosigkeit hat. So waren im Oktober 2009 insgesamt 346 Personen erfasst, die
temporär bei Bekannten / Verwandten wohn(not)versorgt waren. Das entspricht einem Anteil
von 41% an allen erfassten Personen in Wohnungsnot/Wohnungslosigkeit!
Von den insgesamt 346 notdürftig bei Bekannten wohnversorgten Personen waren insgesamt
94 Frauen, das entspricht einem Anteil von 27%.
UNBEGLEITETE
MINDERJÄHRIGE GESAMT: Insgesamt zwölf <18Jährige, davon fünf Mädchen
lebten im Oktober 09 (zumindest zeitweise) bei Bekannten / Verwandten, um ihre akute
Wohnungslosigkeit zu bewältigen. Das entspricht einem Anteil von 20% der erfassten
Mädchen und 22% der erfassten Burschen.
INLÄNDERINNEN TEMPORÄR BEI BEKANNTEN / VERWANDTEN, 2004 – 2009
InländerInnen, temporär bei
Bekannten
300
250
200
150
100
50
0
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Der Mehrjahresvergleich belegt einen kontinuierlichen Anstieg der verdeckten
Wohnungslosigkeit. Insbesondere ist hier auf den hohen Frauenanteil in den Subgruppen der
wohnungslosen InländerInnen (36%) sowie bei den unbegleiteten Minderjährigen (42%)
hinzuweisen. Verdeckt wohnungslose Frauen sind in der Subgruppe der wohnungslosen
InländerInnen deutlich überrepräsentiert.
44
2.3.9
Nächteweise in Notunterkünften versorgt
Über wohnungslose Personen, die nächteweise die Versorgungsangebote von
Notschlafstellen etc. nutzen, liegen keine österreichweiten Daten vor.
Auch die BAWO-Erhebung für die Jahre 2006 und 2007 weist zu dieser Frage erhebliche
Leermeldungen auf, die eine Zusammenführung der Daten letztlich vereitelten, zumal Daten
zur Nutzung von NächterInnenangeboten aus den großen Bundesländern Wien und
Steiermark gänzlich fehlten.
WL-Erhebung 10/09
Im Oktober 2009 haben insgesamt 79 Personen die Angebote der Salzburger Notschlafstellen
(NOST für Frauen / Caritas; NOST für Männer / Caritas; NOST für Jugendliche / Caritas;
Torwirt / SAG) genutzt. Unter diesen NutzerInnen waren insgesamt dreizehn Frauen (16%),
die in dieser Subgruppe damit erheblich unterrepräsentiert sind.
In der Verteilung der einzelnen Statusgruppen erscheint erwähnenswert, dass nach der
Gruppe der InländerInnen mit einem Anteil von 69% als zweithäufigste NutzerInnengruppe
Personen aus anderen EU-Ländern aufscheinen. Deren Anteil an den erwachsenen
NächtigerInnen beträgt 18%. Demgegenüber nutzen MigrantInnen mit Dritt-StaatsAngehörigkeit (8%) sowie AsylwerberInnen (5%) die Angebote der Notschlafstellen lediglich
in sehr bescheidenem Ausmaß.
NUTZUNG VON NÄCHTIGUNGSANGEBOTEN IN DEN JAHREN 2004 – 2009
erwachsene InländerInnen,
nächteweise in Notschlafstellen
70
60
50
40
30
20
10
0
2004
2005
2006
2007
2008
2009
45
Die Nutzung der Notschlafstellen (NOST für Männer und für Frauen der Caritas, Torwirt der
SAG) geht über die Jahre 04 – 09 hinweg betrachtet kontinuierlich zurück.
Diese Entwicklung legt die Vermutung nahe, dass sich in den vergangenen Jahren die
Aufenthaltsdauer in den Notschlafstellen deutlich verlängert hat und damit die Frequenz in
den Notschlafstellen aliquot zurückgegangen hat. Diese These wird in den weiteren
Bearbeitungsschritte näher zu hinterfragen / überprüfen sein.
2.3.10 Obdachlosigkeit / sleeping rough
Über Obdachlosigkeit, d.h. Aufenthalt und Nächtigung auf der Straße bzw. in Objekten, die
nicht für den regulären Aufenthalt von Menschen gedacht sind (abgestellte Autos oder
Eisenbahnwagons, Abbruchhäuser, Tiefgaragen etc.), liegen keine österreichweiten Zahlen
vor.
Auch die BAWO-Erhebung für die Jahre 2006 und 2007 weist diesbezüglich gravierende
Lücken, ib. für das Bundesland Wien, auf und erlaubt demgemäß nur eine sehr
unvollständige Schätzung. Danach lebten im Dezember 2007 insgesamt 1.100
ÖsterreicherInnen auf der Straße.
Wohnungslosen-Erhebung 10/09
Im Oktober 2009 waren im Ballungsraum Salzburg-Stadt insgesamt 57 Personen obdachlos
(‚sleeping rough‘). Das entspricht einem Anteil an allen erfassten wohnungslosen Personen
von 7%.
Gegenüber dem Vorjahr ist ein Rückgang der obdachlosen Personen um -17% zu
verzeichnen. Dieser Rückgang ist ib. darauf zurückzuführen, dass im Jahr 2009 deutlich
weniger obdachlose Männer erfasst wurden; von 61 obdachlosen Männern im Jahr 2008 auf
51 Personen ohne Obdach im Jahr 2009.
Der Frauenanteil an den obdachlosen Personen belief sich im Jahr 2009 auf 11%. Dieser
Anteil liegt damit erheblich unter dem Frauenanteil in der Gesamtgruppe der erfassten
Personen in Wohnungsnot / -losigkeit.
Die Verteilung der einzelnen Statusgruppen weist die InländerInnen mit einem Anteil von
68% als die größte Subgruppe aus. Am zweithäufigsten scheinen Personen aus anderen EULändern auf. Deren Anteil an den erwachsenen NächtigerInnen beträgt 14%.
46
Demgegenüber wurden MigrantInnen mit Dritt-Staats-Angehörigkeit (9%) sowie
AsylwerberInnen (5%) lediglich in einem bescheidenem Ausmaß als obdachlos erfasst
werden.
UNBEGLEITETE MINDERJÄHRIGE GESAMT: Obdachlosigkeit von minderjährigen Personen trat im
Jahr 2009 lediglich in 2 Fällen auf, kann offensichtlich zum überwiegenden Teil durch die
Unterstützungsangebote für wohnungslose Jugendliche (Notschlafstelle und Tagesstruktur im
EXIT 7) aufgefangen und in ihren Auswirkungen gelindert werden.
ENTWICKLUNG DER OBDACHLOSIGKEIT IN DEN JAHREN 2004 – 2009
Obdachlosigkeit von erwachsenen
InländerInnen
48
46
44
42
40
38
36
34
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Der Blick auf den mehrjährigen Verlauf des Ausmaßes von Obdachlosigkeit im Ballungsraum
Salzburg-Stadt relativiert den positiven Eindruck eines deutlichen Rückgangs gegenüber dem
Vorjahr. Vielmehr liegt dieser Rückgang in etwa innerhalb der Schwankungsbreite. Der
aktuell niedrige Stand des Ausmaßes von Obdachlosigkeit kommt nur geringfügig unter dem
letzten Tiefstwert aus dem Jahr 2005 zu liegen.
Im Gegenteil legt der Blick auf die Verlaufskurve den Eindruck nahe, dass in Salzburg – trotz
eines professionellen und differenzierten Angebots für wohnungslose Menschen – diese
Extremform von Armut und Ausgrenzung auf einem ausgesprochen hohen Ausmaß stabil
bleibt.
47
II.
Qualitative Aspekte der Bedarfslage
wohnungsloser SalzburgerInnen
Detailgliederung
1.
Sekundäranalyse der Betreuung von wohnungslosen Personen
49
1.1
Anmerkungen zu Methode und Reichweite der Sekundäranalyse
49
1.2
Charakterisierung des erfassten Klientels
51
1.2.1
Alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede der Problembelastung
56
1.2.2
Mitziehende Minderjährige
57
1.3
Kampf gegen Wohnungslosigkeit in Salzburg
59
1.3.1
Anmerkungen zur Geschichte der WLH in Salzburg
59
1.3.2
Wege in die Wohnungslosigkeit
60
1.3.3
Bewältigung von Wohnungslosigkeit
66
1.3.4
Wege aus der Wohnversorgungskrise respektive Wohnungslosigkeit
75
1.3.5
Chancen, Potenziale und Grenzen der WLH in Salzburg
80
2.
Wohnungslosigkeit und Wohnungslosenhilfe im Spiegel von
Betreuungsdokumentationen
82
2.1
Wege in die Wohnungslosigkeit
82
2.1.1
Trennung / Scheidung / Wohnungslosigkeit
82
2.1.2
Häusliche Gewalt und deren Folgen für Männer
84
2.1.3
Häusliche Gewalt und deren Folgen für Frauen
85
2.1.4
Delogierung in die Wohnungslosigkeit
86
2.1.5
Ablöse von familiärer oder familienergänzender Betreuung
88
2.1.6
Aus stationärer Betreuung – in die Wohnungslosigkeit
90
2.1.7
Entlassung aus der Haft
92
2.1.8
Aufenthaltsrechtliche Probleme
93
2.1.9
Überleben im gesellschaftlichen Abseits – akut wohnungslos
94
2.2
Bewältigung von Wohnungslosigkeit
97
2.2.1
Prävention von Wohnungslosigkeit
97
2.2.2
Informelle Strategien zur Bewältigung der Wohnversorgungskrise
103
2.2.3
Professionelle Hilfen zur Bewältigung der Wohnungslosigkeit
105
48
1.
Sekundäranalyse der Betreuung
von wohnungslosen Personen
1.1
Anmerkungen zu Methode und Reichweite
Es handelt sich bei der Untersuchung von Betreuungsverläufen um keine Vollerhebung
sondern um die Analyse einer qualifizierten Stichprobe, die zum Ziel hat, charakteristische
Problemkonstellationen, die zu existenzielle Krisen der Wohnversorgung respektive zu
Wohnungslosigkeit führen und Verläufe der Bewältigung von Wohnungslosigkeit deutlich zu
machen. Im Zentrum stehen damit eine zielgruppenspezifische Beschreibung von je
besonderen Bedarfslagen sowie eine detaillierte Erhebung der je besonderen Anforderungen,
die sich an die einzelnen Segmente des Hilfesystems in der Stadt Salzburg richten.
Zu beachten ist weiters, dass die nachstehende Analyse auf einem zeitlich begrenzten
Querschnitt beruht. Damit wird es zwar in Hinblick auf die einzelnen KlientInnen möglich,
auch den zeitlichen Verlauf der jeweiligen Problemgenese sowie der einzelnen Etappen der
Bearbeitung / Bewältigung zu erfassen. Einschränkend ist jedoch festzuhalten, dass
Personen mit besonders komplexen Problemlagen sowie längeren Phasen existenzieller
Krisen in Querschnittserhebungen in der Regel überrepräsentiert sind, während Personen mit
eher kurzfristigen Phasen kritischer Wohnversorgung und sozialer Sicherheit aus
methodischen Gründen nur in jenem Ausmaß erfasst werden, wie diese im Verlauf des relativ
kurzen Erhebungszeitraums von etwa einem Monat in Einrichtungen des Hilfesystems
vorsprechen.
Die Auswahl der WLH-KlientInnen selbst erfolgte durch die MitarbeiterInnen der WLH-Einrichtungen – auf der Grundlage einer vorläufigen Empfehlung zur Verteilung der erfassten
Personen (siehe dazu im Anhang). Schwerpunkt des erfassten Klientels sind Personen,
welche die beteiligten Einrichtungen im Zeitraum April bis Juni 2010 frequentiert haben und
über die (mehr/minder) detaillierte Unterlagen vorhanden waren. Z.T. beruhen die
übermittelten Leitfäden auf ausführlichen Gesprächen mit diesen KlientInnen, in denen auch
die individuellen Wünsche und Bedarfseinschätzungen erhoben wurden.
Die Betreuungsdokumentationen wurden durch die MitarbeiterInnen der WLH auf der
Grundlage eines differenzierten Leitfadens (siehe Anhang) aufbereitet und in anonymisierter
Form für diese Auswertung zur Verfügung gestellt.
49
Rücklauf der Betreuungsdokumentationen
Die wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten KlientInnen, deren
Betreuungsdokumentationen diesem Bericht zugrunde liegen, verteilen sich auf
unterschiedliche Einrichtungen der mit Wohnungslosigkeit befassten Sozialeinrichtungen in
Salzburg und decken den gesamten Bereich von Delogierungsprävention, Beratung bis hin
zur Langzeitwohnbetreuung ab. Neben den WLH-Einrichtungen der SAG sowie der Caritas
Salzburg haben sich auch der Frauentreffpunkt, das Vertretungsnetzwerk sowie der Verein
Neustart an dieser Erhebung beteiligt und anonymisierte Betreuungsdokumentationen zur
Verfügung gestellt. Eine detaillierte Aufstellung des Rücklaufs findet sich im Anhang.
Die meisten Dokumentationen betreffen KlientInnen, die in Beratungsstellen ambulant
beraten und betreut werden:

Delogierungsprävention
11%

Beratung
59%
Ein weiterer großer Teil der KlientInnen wird ambulant in eigenen oder in
Übergangswohnungen der WLH-Einrichtungen bzw. im stationären Kontext des betreuten
Übergangs- bzw. Langzeitwohnens wohnbetreut:

stationäre Wohnbetreuung nach einer Entwöhnungsbehandlung

Übergangswohnbetreuung

Langzeitwohnbetreuung
9%
13%
5%
50
1.2
Charakterisierung des erfassten Klientels15
Geschlechtsverteilung
Von den in dieser Auswertung erfassten
44
63
wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten Personen sind 41%
weiblich und 59% männlich.
Frauen
Männer
Altersverteilung
Die Alterskurve zeigt eine relativ
ausgewogene Verteilung mit
Schwerpunkten in den Altersgruppen
der unter 30Jährigen sowie der unter
50Jährigen. Jugendliche und junge
40
30
20
10
Erwachsene (jünger als 21 Jahre) sind
leider gar nicht dokumentiert.
15
0
<21
21-30
Frauen
31-40
Männer
41-50
>50
gesamt
Die Eckdaten des erfassten Klientels (Geschlecht, Alter, sozialer und ökonomischer Status etc.)
werden im Anhang detailliert wiedergegeben.
51
Familienstand
Überwiegend sind die dokumentierten
60
Personen alleinstehend. Lediglich knapp
50
27% der Frauen und 13% der Männer
40
sind verheiratet und/oder leben in einer
30
Lebensgemeinschaft. Bei den
20
männlichen Klienten ist das einseitige
10
Verhältnis zwischen Alleinstehenden
0
Ledig
oder in Lebensgemeinschaft Lebenden
Geschieden /
verwitwet
Frauen
deutlich ausgeprägter als bei den
Verheiratet / in
Lebensgemeinschaft
Männer
gesamt
Frauen.
Fremdenrechtlicher Status
Im Sample sind die ÖsterreicherInnen
deutlich in der Überzahl, demgegenüber
haben 17% eine nicht österreichische
Frauen
Männer
gesamt
100
80
Staatsbürgerschaft. EU-StaatsbürgerInnen
60
sind kaum dokumentiert.
40
20
0
Österreich
EU-Land
Dritt-Staat
Sozio-ökonomischer Status
Mehr als drei Viertel der hier dokumentierten
Frauen
Personen waren während des
Erhebungszeitraums im Sommer 2010 ohne
Erwerbsarbeit (78%). Eine aufrechte
Erwerbstätigkeit, sei es in Voll- oder in
Teilzeit, ist demgegenüber nur in Einzelfällen
gegeben.
Männer
gesamt
Teilzeit
nicht
erwerbstätig
100
50
0
Vollzeit
52
Ökonomische Lebensgrundlage
Entsprechend zur niedrigen Erwerbsbeteiligung der dokumentierten wohnungslosen
Frauen
Personen fällt der Anteil der Transferleistungs- (Pension, Karenz, Arbeitslosengeld
oder Notstandshilfe) und/oder SozialhilfebezieherInnen ausgesprochen hoch aus. Im
Gesamtsample scheinen auch einige
Männer
Gesamt
35
30
25
20
15
10
5
0
männliche Klienten auf, welche auf keinerlei
Einkommen zugreifen können, z.B. aufgrund
eines ungeklärten aufenthaltsrechtlichen
Status.
Aktuelle Wohnversorgung / Wohnungslosigkeit
Die männlichen Klienten sind relativ
gleichmäßig über die unterschiedlichen
Frauen
25
Demgegenüber kommt bei den weiblichen
20
Klientinnen eine geschlechtsspezifische
15
Ausdruck. Überwiegend leben diese in einer
gesamt
30
Formen der Wohnversorgung verteilt.
Abweichung in den Wohnverhältnissen zum
Männer
10
5
0
(adäquaten oder unzureichenden) Mietwohnung oder (ohne Mietvertrag) bei
Bekannten / Verwandten.
Pensionszimmerunterbringung oder betreutes Wohnen sind nur in Ausnahmefällen dokumentiert.
Diese Feststellung gilt auch für Nächtigungsangebote/NOST oder stationäre Aufenthalte (z.B.
Klinikaufenthalt oder Haft), die im Rahmen dieser Auswertung lediglich in einzelnen
Falldarstellungen berücksichtigt werden können.
Demgegenüber sind Männer in den Kategorien eigene Mietwohnung sowie Unterkunft bei
Bekannten anteilsmäßig deutlich unterrepräsentiert und frequentieren Notschlafstellen,
Pensionszimmer und Wohnbetreuung erheblich häufiger als Frauen. Auch Obdachlosigkeit / das
völlige Fehlen einer Wohnversorgung ist im Wesentlichen männlich dominiert.
53
Problemschwerpunkte und individuelle Belastungen bei jungen Frauen (<30 Jahre)
Auf insgesamt 15 junge Frauen entfallen 45
Problemnennungen. Im Durchschnitt liegen
bei den jungen Frauen (jünger als 30 Jahre) drei Problembereiche der Wohnungslosigkeit / -not zugrunde. Zu einer prekären
Ablöse aus Jugendwohlfahrt
3
Ablöse von Familie
3
Schulden
6
Trennung vom Lebensgefährten
6
Einkommenssituation (100% der jungen
Frauen) gesellen sich bei jeweils etwa jeder
dritten jungen Frau eine Trennungserfah-
4
psychische Probleme
15
prekäres Einkommen
rung (40%) und/oder psychische Probleme
0
5
10
15
(27%).
Problemschwerpunkte und individuelle Belastungen bei jungen Männern
Auf 15 Betreuungsdokumentationen
entfallen insgesamt 48 Problemnen-
Delinquenz
4
psychische Probleme
4
nungen; im Durchschnitt also 3,2
Problemnennungen. Die Liste wird, so
wie bei den jungen Frauen, von der
Kategorie des prekären Einkommens
dominiert (93%), bei jeweils mehr als
der Hälfte der jungen Männer (53%)
liegt eine problematische Ablöse bzw.
Überschuldung vor.
6
Abhängigkeitserkrankung
8
Ablöse von der Familie
10
Schulden
14
prekäres Einkommen
0
5
10
15
Nur in einem Ausnahmefall handelt es sich bei diesen Schulden auch um Rückstände bezüglich
einer Unterhaltsverpflichtung. Jeder dritte junge Mann in Wohnungsnot ist weiters mit Folgen
einer Abhängigkeitserkrankung (Alkohol oder Drogen) konfrontiert.
54
Problemschwerpunkte und individuelle Belastungen bei erwachsenen Frauen
Auf 29 vorliegende Betreuungsdokumentationen entfallen insgesamt 106 Problemnennungen, im
Durchschnitt also 3,7 Nennungen pro Frau. Neben dem prekären Einkommen stehen bei den erwachsenen Frauen eine Trennungserfahrung (69%) und psychische
Probleme (66%) im Vordergrund.
Delogierungserfahrungen (48%) und
Abhängigkeitserkrankung
Überschuldung (33%) stellen weitere
Schulden
wichtige Rahmenbedingungen für die
aktuelle Wohnversorgungskrise dar.
Abhängigkeitserkrankungen (24%)
sowie Gewalterfahrungen in der
Beziehung (14%) folgen als weitere
Problemnennungen am Ende dieses
4
Gewalt in Beziehung
7
11
12
Delogierung
psychische Probleme
20
Trennung vom LG
20
28
prekäres Einkommen
0
5
10
15
20
25
30
Rankings.
Problemschwerpunkte und individuelle Belastungen bei erwachsenen Männern (>30 Jahre)
Auf 47 Betreuungsdokumentationen
kommen insgesamt 161 Problemnennungen; im Durchschnitt entfallen auf
einen Mann 3,4 Nennungen. In den
meisten Fällen liegen prekäre Erwerbstätigkeit oder eingeschränkte Arbeitsfähigkeit sowie ein entsprechend niedriges Einkommen (Transferleistungen
aus der Arbeitslosenversicherung oder
Sozialhilfe) der aktuellen Problemlage
5
Gewalt in der Beziehung
Delinquenz
10
psychische Probleme
12
Schulden
21
Trennung von LG
24
31
Abhängigkeitserkrankung
41
prekäres Einkommen
0
20
40
60
zugrunde. Viele wohnungslose Männer
leiden an Abhängigkeitserkrankungen (68%; überwiegend handelt es sich hier um
Alkoholismus).
Häufige Nennungen entfallen auf Trennungs- / Scheidungserfahrungen (51%), die z.T. in
unmittelbarer Konsequenz zu einer Phase der Wohnungslosigkeit führten. Bei einigen
Männern sind Vorfälle häuslicher Gewalt dokumentiert, welche in der Folge zu einer
gerichtlichen Wegweisung und einer Auflösung der Lebensgemeinschaft führt.
55
Gewaltbegleitete Trennung liegen bei 11% der wohnungslosen Männer (>30 J.) vor.
Annähernd jeder zweite Mann ist mit Schulden und Rückzahlungsverpflichtungen konfrontiert
(47%). Vielfach handelt es sich dabei um eine Kombination aus Unterhaltsverpflichtungen
respektive –schulden und Konsumschulden. In Anbetracht der Tatsache, dass die
wohnungslosen Männer durch die Bank in einer ausgesprochen prekären
Einkommenssituation stehen und in finanzieller Hinsicht arm sind, verwundert es auch nicht,
dass Unterhaltsverpflichtungen in der Regel mit Unterhaltsschulden gleichzusetzen sind.
Insgesamt ist annähernd jeder fünfte ältere Mann (19%) von Unterhaltsverpflichtungen und
entsprechenden Schulden betroffen.
Bei acht Männern (17%) sind Delogierungsverfahren bzw. Räumungen (vor allem aufgrund
von Mietschulden) als auslösender Faktor für den krisenhaften Verlauf ihrer Erwerbs- und
Wohnbiografie dokumentiert.
1.2.1 Alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede der Problembelastung
Zwischen den dokumentierten Beratungs- / Betreuungsverläufen sind deutliche
geschlechtsspezifische Differenzen – zum Beispiel bzgl. Familienstand, aktueller Wohnstatus
sowie bei den Problemschwerpunkten – festzustellen. Danach sind die Frauen anteilsmäßig
jünger als die Männer und leben häufiger in Lebensgemeinschaft, als dies bei den Männern
der Fall ist. Auch in der Form der Wohnungsnot und der festgehaltenen Etappen der
Bewältigung von Wohnungslosigkeit unterscheiden sich die weiblichen Klientinnen der WLH
erheblich von den Verläufen, die bei den männlichen Klienten beobachtet werden können.
So leben Frauen in Wohnungsnot überwiegend in einer eigenen Mietwohnung oder ohne
mietrechtliche Absicherung bei Verwandten/Bekannten. Formelle Wohn- oder Nächtigungsangebote der WLH sowie informelle gewerbliche Unterkünfte in Pensionszimmern nehmen
Frauen zu erheblich geringeren Anteilen in Anspruch als Männer; ganz krass zeigt sich das
bei der Nutzung von Notschlafstellen. Die Nutzung von Notschlafstellen wird in den Verlaufsprotokollen der wohnungslosen Frauen nur in wenigen Ausnahmen als temporäre Zwischenstation dokumentiert. Zum Erhebungszeitpunkt (Sommer 2010) schien keine einzige Frau als
Nutzerin der Notschlafstellen auf.
56
Insbesondere ergeben sich zudem hinsichtlich der Altersgruppen große geschlechtsspezifische Unterschiede bei der je spezifischen Kumulation von Problembereichen, die in einem
(mehr / minder engen bis kausalen) Zusammenhang mit der aktuellen Wohnungslosigkeit /
Wohnungsnot stehen.
KUMULATION VON PROBLEMBEREICHEN NACH ALTER UND GESCHLECHT
Frauen
Männer
Jünger als
30 Jahre




prekäres Einkommen
Trennung vom LG
psychische Probleme
aufenthaltsrechtliche Probleme




prekäres Einkommen
Ablöse von der Familie
Schulden
Abhängigkeitserkrankung
Älter als 30
Jahre







prekäres Einkommen
Trennung vom LG
psychische Probleme
Delogierung
Schulden
Abhängigkeitserkrankung
Gewalt in der Beziehung







prekäres Einkommen
Abhängigkeitserkrankung
Trennung von LG
Schulden
psychische Probleme
Delinquenz
Gewalt in der Beziehung / Wegweisung
Unangefochten steht in allen vier Teilgruppen unzureichendes / prekäres Einkommen
respektive Einkommensarmut im Vordergrund und an erster Stelle der Problemnennungen.
Während bei den Frauen, unabhängig von ihrem Alter, die Trennung von einem Lebensgefährten und psychische Probleme die folgenden Plätze im Ranking einnehmen, weisen junge
und ältere Männer einen deutlich abweichenden Problembefund auf. So rangiert bei den
jungen Männern die problematische Ablöse von ihren Eltern an zweiter Stelle, während bei
den älteren Männern einer vorliegenden Abhängigkeitserkrankung (überwiegend Alkoholismus) eine wesentliche Rolle bei der Entstehung respektive Verfestigung von Wohnungslosigkeit zukommt.
1.2.2 Mitziehende Minderjährige
Viele wohnungslose Menschen müssen in ihrer kritischen Lebenssituation / komplexen
Problemlage zudem noch für mitziehende Kinder und Jugendliche sorgen. Insgesamt sind in
den vorliegenden Betreuungsdokumentationen 32 Minderjährige erfasst, die in 17
Haushalten in extremer Wohnungsnot bzw. Wohnungslosigkeit leben. Über diese Untergrupe
liegen keine detaillierten Angaben zur Geschlechts- und Altersverteilung vor.
57
VERTEILUNG DER MITZIEHENDEN MINDERJÄHRIGEN NACH DEM FAMILIENSTATUS
Familienstatus
Haushalte mit
Kindern
mitziehende
Minderjährige
verheiratete oder in Lebensgemeinschaft lebende Paare
7
15
alleinerziehende jüngere Frauen (<30J.)
4
6
ältere alleinerziehende Frauen (>30J.)
5
9
alleinstehende jüngere Männer (<30J.)
0
0
ältere alleinerziehende Männer (>30J.)
1
2
17
32
Gesamt
Die Verteilung nach dem Familienstatus verweist auf die besonders prekäre Situation von
wohnungslosen Frauen. Mehr als die Hälfte der mitziehenden Minderjährigen lebt in einem
AlleinerzieherInnenhaushalt, wenig überraschend handelt es dabei überwiegend um
alleinerziehende Frauen. Lediglich ein älterer wohnungsloser Mann lebt mit seinen beiden
Kindern gemeinsam in einem Pensionszimmer. Demgegenüber ist dies bei keinem der
jüngeren Männer der Fall.
VERTEILUNG DER MITZIEHENDEN MINDERJÄHRIGEN NACH DEM AKTUELLEN WOHNSTATUS
Wohnstatus
mitziehende Minderjährigen
Mietwohnung
20
Pensionszimmer
5
bei Bekannten
7
anderer Wohnstatus
0
Überwiegend sind die mitziehenden Minderjährigen von prekären Wohnbedingungen wie
Überbelag, Substandard oder laufenden Delogierungsverfahren betroffen.
Bemerkenswert viele Kinder/Jugendliche leben gemeinsam mit den Erziehungsberechtigten
ohne wohnrechtliche Absicherung bei Bekannten (22%) oder ohne jegliche Privatsphäre in
einem Pensionszimmer (16%), entbehren somit in jeder Hinsicht den Rahmenbedingungen
für eine kindgerechte Umwelt.
58
1.3.
Kampf gegen Wohnungslosigkeit in Salzburg
1.3.1 Anmerkungen zur Geschichte der Wohnungslosenhilfe in Salzburg
Die Wohnungslosenhilfe in Salzburg ist im Jahr 1979 als Reaktion auf die Wiedereinführung
des Straftatbestands der Nichtsesshaftigkeit entstanden und hat die bis dahin sehr
unprofessionell geführten Vorsorgen für Armutshaushalte in existenziell bedrohlichen Notund Mangellagen (städtisches Substandard-Asyl in der Linzergasse) durch die Einrichtung
einer Beratungsstelle, den Aufbau von zielgruppenspezifisch ausgerichteten Wohnprojekten
sowie einer Einrichtung der geschützten Arbeit für wohnungslose Menschen (in der
Trägerschaft des Vereins Treffpunkt) abgelöst. In der Folge konnte Ende der 80er Jahre
dann auch das städtische Asyl aufgelöst und in eine betreute Notschlafstelle umgewandelt
werden16. Damit setzte sich auch in Salzburg ein international beobachtbarer Prozess der
Professionalisierung des Armenwesens durch, der eine weitgehende Diversifizierung der
Angebotslandschaft in der Wohnungslosenhilfe einleitete.
Sozialberatungsstellen, betreute Wohnheime und sozialtherapeutische Wohngemeinschaften
bestimmten bis in die 90er Jahre hinein die Angebotsstruktur der Salzburger WLH. Weitere
innovative Schritte zur Qualitäts- und Strukturentwicklung der WLH in Salzburg betrafen:

Beratungs- und Betreuungsangebote für wohnungslose Frauen

Fachstelle für Delogierungsprävention

Einrichtung für wohnungslose Jugendliche und junge Erwachsene (Notschlafstelle
und seit wenigen Jahren auch Tagesstruktur und Beratung)

Einrichtungen für Wohnungslose mit psychiatrischen Krankheiten
(Wohngemeinschaften)

Einrichtung für alkoholkranke Wohnungslose nach einer erfolgreichen
Entwöhnungsbehandlung (heimförmig)

ambulante, nachgehende Wohnbetreuung in eingestreuten Wohnungen

aufsuchende Beratung / Betreuung von PensionszimmerbewohnerInnen.
In den vergangenen Jahren hat die Entwicklung der WLH auch den Bereich der ambulanten
Wohnbetreuung in eigenständigen eingestreuten Wohnungen erschlossen und erste
Erfahrungen mit den fachlichen Anforderungen sowie dem Bedarf nach strukturellen
Vorsorgen zur Absicherung der nachgehenden Betreuung gesammelt. Das betrifft
16
Siehe dazu Verein Treffpunkt 1984 sowie ZEBU o.J.
59
insbesondere die Thematik der Beziehungsarbeit unter den Vorzeichen der Freiwilligkeit in
der Inanspruchnahme von Unterstützung.
Bereits derzeit ist die WLH in ihrem Bemühen um die Reintegration von ehemals
wohnungslosen Menschen mit der Erfahrung konfrontiert, dass diese die Einsamkeit in ihrem
neuen Zuhause nur sehr schwer aushalten, dass ihnen also die sprichwörtliche Decke auf
den Kopf fällt und sie in der Folge erst wieder ihre ‚Freizeit‘ an den altbekannten
Treffpunkten (Bahnhof, Kneipen etc.) verbringen. Die Erhaltung einer adäquaten Wohnung
und die Prävention von neuerlicher Wohnungslosigkeit sind auf Perspektive dadurch
gefährdet, wenn die Ablöse aus dem Milieu der Wohnungslosen nicht ausreichend und
nachhaltig gewährleistet werden kann.
1.3.2 Wege in die Wohnungslosigkeit
Recht auf Wohnen ist in Österreich nicht als individuell durchsetzbares Recht in der
Verfassung verankert, sondern als Staatszielbestimmung in den unterschiedlichen
Gesetzesmaterien zur Raumordnung, Wohnbauförderung und Sozialhilfe / bedarfsorientierte
Mindestsicherung festgelegt.17 Ungeachtet dieser verfassungsrechtlichen Einschränkung kann
die reale Gesetzeslage durchaus normativ interpretiert werden.
„Jeder Bewohner Österreichs hat im Fall der Obdachlosigkeit nach Maßgabe der Gesetze
Anspruch auf eine angemessene Unterbringung.“ (a.a.o., S. 186)
Tatsächlich jedoch gehören Wohnungsverluste nach wie vor zur gesellschaftlichen
Wirklichkeit. So werden Haushalte u.a. aufgrund von Mietschulden delogiert. An dieser
Tatsache können auch die inzwischen realisierten Vorsorgen für Delogierungsprävention
jeweils nur in Einzelfällen etwas ändern. Bedauerlich erscheint in diesem Zusammenhang,
dass nach wie vor keine systematische Dokumentation des Wohnversorgungsstatus von
Haushalten nach einer exekutierten Delogierung gewährleistet ist. Des Weiteren werden
Menschen aus der Haft entlassen, ohne dass systematisch nachgefragt und dokumentiert
wird, ob sie für die Zeit nach der Haft eine Unterkunft haben.
17
Als Ergebnis ihrer verfassungsrechtlichen Analyse zum Recht auf Wohnen stellt Gutknecht 1982
fest: „…, dass sich weite Bereiche des Wohnrechts nur für eine verfassungsrechtliche
Verankerung in Form von Staatszielbestimmungen eignen. Dies gilt vor allem auch für die
Wohnbauförderung. Für den Komplex Mieterschutz ist in der gegenwärtigen Rechtslage ein
Gesetzgebungsauftrag adäquat, das Wohnungseigentum hingegen eignet sich für eine
Institutsgarantie. Die Verankerung eines subjektiven Anspruches ist für den Bereich der
Obdachlosenunterbringung möglich.“ S. 186
60
Ebenso steht es um Entlassungen aus der stationären Versorgung in Krankenhäusern,
psychiatrischen Anstalten18, Einrichtungen der Jugendwohlfahrt sowie Institutionen zur
Behandlung von Alkohol- oder Drogenabhängigen.
PROBLEMKONSTELLATIONEN
Die vorliegenden Betreuungsdokumentationen (siehe dazu im Detail den nachstehenden
Abschnitt „Wohnungslosigkeit und Wohnungslosenhilfe im Spiegel der
Betreuungsdokumentationen; S. 82 ff.) ermöglichen ein erstes Ranking der bedeutendsten
Gründe für die Entstehung von Wohnungslosigkeit und geben einen Einblick in die Praxis der
mit Wohnungslosigkeit befassten Salzburger Einrichtungen.
Tabellarischer Überblick über die Wege in die Wohnungslosigkeit, in Prozent der jeweiligen Zielgruppe
(Mehrfachnennungen, Spaltensumme > 100%)
Gründe für die
Wohnungslosigkeit
Frauen
Männer
Gesamt (107)
<30J. (15)
>30J. (29)
<30J. (16)
>30J. (47)
Trennung von
LebensgefährtInnen
40%
69%
6%
51%
45%
Entwöhnungsbehandlung
13%
24%
44%
68%
45%
psychiatrische Behandlung
27%
69%
31%
25%
38%
Delogierungsverfahren
bzw. -erfahrungen
13%
41%
6%
17%
21%
Ablöse aus Erziehungskontext (Familie oder JW)
40%
0%
69%
0%
16%
häusliche Gewalt /
Wegweisung
13%
14%
6%
11%
11%
An prominenter erster Stelle dieser Reihung nach ursächlichen Problemhintergründen stehen
Trennungen von Lebensgemeinschaften und existenzielle Belastungen im Zusammenhang
mit Abhängigkeitserkrankungen respektive Entwöhnungsbehandlungen (ib. Alkoholismus).
Ergänzend ist hier anzuführen, dass die Trennung von Lebensgemeinschaften in vielen Fällen
mit Gewaltvorkommnissen und deren Folgen (Flucht aus der gemeinsamen Wohnung oder
Verlust der zu teuren Wohnung bei weiblichen Opfern / Wegweisung bei männlichen Tätern)
18
Im letzten Psychiatriebericht Österreichs wird das Thema der Wohnversorgung nach einer
stationären Behandlung nicht erwähnt. Dementsprechend wird darin auch nicht auf die Tatsache
eingegangen, dass viele PsychiatriepatientInnen nach ihrer Entlassung ausgesprochen prekär
wohnversorgt sind und z.B. in Pensionszimmern ohne Privatsphäre oder bei Bekannten im
Überbelag sowie ohne mietrechtliche Sicherheit zurechtkommen müssen.
61
zusammenhängt. Das ist in insgesamt 24% aller dokumentierten und
problemverursachenden Auflösungen von Lebensgemeinschaften der Fall.
Bereits an dritter Stelle stehen Probleme der Wohnversorgung / -sicherheit im
Zusammenhang mit psychosozialen Problemlagen respektive psychiatrischer Behandlung.
Dieser Problemzusammenhang ist insbesondere bei den älteren Frauen sehr häufig.
Demgegenüber sind drohende oder tatsächliche Wohnungsverluste infolge von
Delogierungsverfahren bereits deutlich abgeschlagen und liegen dementsprechend an vierter
Stelle dieser Reihung.
Bei jüngeren KlientInnen ist im Unterschied zu den älteren KlientInnen vor allem eine
problematische Ablöse aus familiären bzw. institutionellen Erziehungskontexten als ursächlich
für den Einstieg in eine Phase der Wohnungslosigkeit zu beobachten. Das ist insbesondere
bei den jüngeren Männern der Fall.
ZIELGRUPPENSPEZIFISCHE ANFORDERUNGEN AN DAS HILFESYSTEM
Erwartungsgemäß zeigen sich im oben vorgestellten Überblick über die ursächlichen
Problemzusammenhänge und –aspekte deutliche geschlechts- und altersspezifische
Unterschiede der Wege in die Wohnungslosigkeit. Dementsprechend ergeben sich auch
geschlechts- und altersspezifisch unterschiedliche Anforderungen an die Vorsorgen für die
Prävention sowie für die Bewältigung von Wohnungslosigkeit.
JUNGE ERWACHSENE (JÜNGER ALS 30 JAHRE)
Bei den jüngeren Frauen steht der Eintritt in eine Phase der Wohnungslosigkeit allem voran
im Zusammenhang mit der Trennung einer Lebensgemeinschaft sowie der Ablöse aus dem
familiären Erziehungskontext (jeweils 40%). Demgegenüber stehen Probleme im Rahmen
der psychosozialen Stabilisierung bzw. psychiatrischer Behandlungen bei den jüngeren
Frauen nur bei etwas mehr als jeder vierten Frau in einem ursächlichen Zusammenhang mit
ihrer akuten Wohnversorgungskrise. In Einzelfällen finden sich hier auch Einträge unter
Abhängigkeitserkrankungen, Gewalt in der Beziehung bzw. Erfahrungen mit einem
Delogierungsverfahren (jeweils 13%).
Bei den jungen Männern liegen die Problemgewichtungen deutlich anders. Hier steht die
Ablöse aus Erziehungskontexten, ib. Jugendwohlfahrt, klar an erster Stelle (69%), gefolgt
von Bedürfnissen im Rahmen der Suchthilfe (44%) und der psychosozialen / psychiatrischen
Versorgung (31%). Jeweils einer der jungen Männer weist einen Problemhintergrund im
62
Kontext der Trennung von der Lebensgefährtin, in Kombination mit einer Wegweisung, und
einem laufenden Delogierungsverfahren auf (jeweils 6%).
WOHNUNGSLOSIGKEIT BEI ÄLTEREN ERWACHSENEN
Die Wohnungslosigkeit der älteren Frauen steht überwiegend in Zusammenhang mit der
Trennung von einem Lebensgefährten bzw. mit Problemen im Rahmen der psychosozialen /
psychiatrischen Versorgung (jeweils 69%). Bei über 40% der älteren Frauen sind frühere
oder aktuelle Erfahrungen mit Delogierungsverfahren dokumentiert. Jede vierte erwachsene
Klientin der WLH benötigt Hilfen zur Bewältigung einer Abhängigkeitserkrankung und bei
jeder siebten (13%) stand die Auflösung einer Lebensgemeinschaft unter den Vorzeichen
traumatisierender Gewalt durch ihren Ex-Partner.
Völlig anders ist der Problemhintergrund bei den männlichen Klienten gestaltet. Hier stehen
Problemnennungen im Zusammenhang mit einer Abhängigkeitserkrankung (allem voran
Alkoholismus) deutlich im Vordergrund (69%), mit Abstand gefolgt von Trennungserfahrungen (51%). Bei annähernd jeder vierten Trennungserfahrung war Gewalt im Spiel, die eine
Wegweisung zur Folge hatte. Weitere 25% der männlichen Klienten benötigen Hilfen der
psychosozialen Stabilisierung / psychiatrischen Behandlung. Bei jedem Sechsten (17%) sind
frühere oder aktuelle Erfahrungen mit Delogierungsverfahren dokumentiert.
CHANCEN UND POTENZIALE FÜR DIE PRÄVENTION VON WOHNUNGSLOSIGKEIT
Entsprechend der komplexen Problemlagen, die hinter der aktuellen Wohnversorgungskrise
stehen, und ib. der großen geschlechts- und altersspezifischen Unterschiede in den
ursächlichen Faktoren, die zu dieser Wohnversorgungskrise geführt haben, steht die WLH
vor der zentralen Anforderung, ihre Angebote eher breit, d.h. zielgruppen- und
problemspezifisch auszugestalten, um wirksam der Entstehung von Wohnungslosigkeit
entgegenwirken zu können. Allem voran stehen in der WLH mithin vier große
Aufgabenbereiche an, die in Hinblick auf die Prävention von Wohnungslosigkeit von
überragender Bedeutung sind:

Scheidung oder Trennung von Lebensgemeinschaften / Gewaltvorkommnisse /
Wegweisung und Flucht aus der Beziehung

Schnittstellen zur Suchthilfe sowie zur psychosozialen Versorgung / Psychiatrie

Ablöse aus Familie bzw. familienergänzenden / -ersetzenden Erziehungseinrichtungen

Prävention von Wohnungsverlusten durch Zwangsräumungen.
63
WL-Risiko: Trennung von LebensgefährtIn
Die Verhinderung von Wohnungslosigkeit im Kontext der Auflösung von Lebensgemeinschaften, ib. im Zusammenhang mit Gewalt an Frauen und Kindern, ist in den hier vorliegenden
Betreuungsdokumentationen letztlich kein unmittelbares Thema. Dementsprechend sind die
beobachtbaren Interventionsstrategien eher darauf ausgerichtet, von Wohnungslosigkeit
Betroffene möglichst frühzeitig zu erreichen, sie bei der Bewältigung von Wohnungslosigkeit
zu unterstützen und ihnen dabei behilflich zu sein, möglichst rasch einen adäquaten Weg aus
der existenziellen Wohnversorgungskrise zu eröffnen.
Die Betreuung durch die WLH und mit Wohnungslosigkeit befasster Einrichtungen aus
benachbarten Segmenten des Hilfesystems setzt offensichtlich erst dann ein, wenn
Wohnungslosigkeit bereits akut geworden ist.
WL-Risiko an der Schnittstelle zu Suchthilfe und Psychiatrie
Auch in diesem Aufgabenbereich erweisen sich die Einrichtungen vor allem damit befasst, die
Betroffenen bei der Bewältigung ihrer Wohnversorgungskrise zu unterstützen und Wege aus
der Wohnungslosigkeit (wieder) zu eröffnen. Präventive Vorsorgen an den Schnittstellen der
WLH zu den angrenzenden Versorgungsbereichen der Suchthilfe sowie der psychosozialen /
psychiatrischen Versorgung19, die also einer Wohnungslosigkeit in der Folge einer Entlassung
aus dem stationären Kontext vorbeugen könnten, sind (nicht nur) in Salzburg offensichtlich
ebenfalls keineswegs bedarfsdeckend realisiert.
WL-Risiko: Problematische Ablöse aus Erziehungskontexten
Auch in Bezug auf problematisch verlaufende Ablösen aus dem familiären oder dem
institutionellen Erziehungszusammenhang bleiben die vorliegenden Betreuungsdokumentationen weitgehend darauf fokussiert, eine bereits eingetretene Wohnungslosigkeit zu
bearbeiten.
19
Zu Hilfen an der Schnittstelle von WLH und psychosozialer / psychiatrischer Versorgung in
Salzburg vgl. die Dokumentation der Fachtagungen des FORUM WLH 1999 und 2000
64
In diesen Fällen sind offensichtlich die bis dahin vorhandenen Unterstützungsnetzwerke so
nachhaltig zerrissen, dass in der Beratung und Betreuung dieser jungen Erwachsenen
gewissermaßen von vorne begonnen werden muss, die Grundlagen für die Bewältigung der
Wohnungslosigkeit zu gewährleisten respektive Wege aus der Wohnungslosigkeit zu
eröffnen.
Lediglich eine Betreuungsdokumentation weist eine alternative Interventionsstrategie aus,
indem die WLH unmittelbar am Zeitpunkt der drohenden Wohnungslosigkeit in Form einer
temporären Wohnbetreuung einsetzt und so den in den meisten anderen Fällen
dokumentierten prekären und überwiegend informellen Formen der Bewältigung von
Wohnungslosigkeit vorbeugen kann.
WL-Risiko: Mietschulden und unleidliches Verhalten
Die Prävention von Wohnungslosigkeit infolge von Delogierungsverfahren und Zwangsräumungen hat im Bundesland Salzburg bereits Tradition. Tatsächlich war die Fachstelle für
Gefährdetenhilfe in Österreich ein Vorreiter für die Einführung der inzwischen fast flächendeckenden Vorsorge für systematische Intervention zur Verhinderung von Wohnungsverlusten durch Zwangsräumungen. Der vergleichende Blick auf die große Anzahl an Delogierungsverfahren, die jährlich eingeleitet werden (siehe dazu ausführlicher im ersten
Zwischenbericht), belegt eindrücklich

die hohe Quote von Haushalten, die von Delogierungsverfahren in ihrer
Wohnsicherheit bedroht sind und Hilfen durch die Fachstelle in Anspruch nehmen

eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit, mit der durch diese Intervention einem
Wohnungsverlust vorgebeugt werden kann

den volkswirtschaftlichen Nutzen, der ib. darin zum Ausdruck kommt, dass
lediglich ein kleiner Teil der für die Wohnungssicherheit eingesetzten Mittel von
der öffentlichen Hand bereitgestellt werden muss.
Die vorliegenden Betreuungsdokumentationen verweisen ergänzend zu diesen allgemeinen
Feststellungen vor allem darauf, dass die den eingeleiteten Delogierungsverfahren
zugrundeliegenden Problemlagen ausgesprochen komplex sind und keineswegs ‚nur‘ mit dem
Hinweis auf materielle Notlagen ausreichend erklärt werden können. Sichtbar wird vielmehr
ein hoher Bedarf der betroffenen Haushalte nach ergänzenden Betreuungsleistungen und
65
fachlichen Interventionen etwa in Form von Schuldenberatung und –regelung, Sicherung der
Erwerbsbeteiligung sowie psychosozialer Stabilisierung. In Frage steht damit wesentlich,
inwieweit es im Rahmen der Bemühungen um die Wohnungssicherung auch gelingt, den
Zugang zu bedürfnisadäquaten weiterführenden Unterstützungsleistungen zu eröffnen und
eine weiterführende begleitende Hilfestellung auch für die Zeit nach der Wohnungssicherung
einzuleiten und zu gewährleisten.
Auffällig ist in den vorliegenden Betreuungsdokumentationen vor allem auch die Tatsache,
dass zum Zeitpunkt der Intervention zur Wohnungssicherung bereits mehr / minder geballte
Problemlagen vorliegen. Nicht nur sind zu diesem Zeitpunkt die Verfahren bereits eingeleitet.
Wesentlicher erscheint, dass es bereits zu einer – wie zu befürchten steht – nachhaltigen
Zerrüttung der sozialen Situation der betroffenen Haushalte gekommen war.
1.3.3 Bewältigung von Wohnungslosigkeit
Die Lebensumstände von Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht bzw. bereits akut
betroffen sind, zeichnen sich vor allem durch die Kumulation von Belastungen und Benachteiligungen in unterschiedlichen Lebensbereichen aus. Die Bewältigung ihrer kritischen und
Existenz bedrohenden Lebenslage erfordert große regelmäßige Anstrengungen, ihr Überleben zu gewährleisten. Wohnungslosigkeit verursacht Stress und Traumata, beeinträchtigt die
Gesundheit und geht auf Kosten sämtlicher Aspekte der Lebensqualität (Bildung, soziale
Kontakte und Beziehungen, Arbeitsfähigkeit, Fähigkeit für Beziehungen und ib. auch für die
Erziehung der mitziehenden Kinder, kulturelle und demokratische Teilhabe – um nur die
Wichtigsten zu nennen).
Insbesondere vor diesem Hintergrund erscheint es als besonders wichtig, dass durch
adäquate Hilfen dazu beigetragen wird, die Dauer der tatsächlichen Wohnungslosigkeit kurz
zu halten, um allfälligen und nachhaltigen Sekundärschäden vorzubeugen. Der WLH kommt
in sekundärpräventiver Hinsicht eine vorrangige Bedeutung zu.
AUFGABENSTELLUNGEN DER SEKUNDÄRPRÄVENTION
NIEDERSCHWELLIGER ZUGANG ZU ADÄQUATER HILFE
Eine zentrale Anforderung an die WLH stellt die Bereitstellung niederschwelliger Zugänge zu
konkreten Überlebenshilfen wie Beratung, Notschlafstellen, Tageszentren und aufsuchende
Hilfen (Out-Reach-Services) dar. Damit wird den Unterstützungsbedürftigen ein Zugang in
das Hilfesystem zu einem Zeitpunkt gewährleistet. Von Bedeutung erweist sich dieser
66
niederschwellige Zugang insbesondere deshalb, da damit die ursächlichen Problembelastungen zu einem frühen Zeitpunkt in der Problementwicklung bearbeitet und nachhaltige
Sekundärschäden durch das Überleben im sozialen Abseits vermieden werden können.
Der Zugang zum Hilfesystem stellt die Grundlage dafür dar, weitergehende Maßnahmen der
Existenzsicherung und der gesundheitlichen / psychosozialen Stabilisierung einleiten und in
eine systematische Bearbeitung problemverursachender Belastungen und Benachteiligungen
eintreten zu können.
AUFBAU EINER BETREUUNGSBEZIEHUNG ALS PERSONALE GRUNDLAGE FÜR AKZEPTANZ UND MITWIRKUNG
Für den Übergang vom niederschwelligen Zugang ins Hilfesystem in die weiterführende
Bewältigung der Problemlage Wohnungslosigkeit erweist sich der Aufbau einer stabilen
Betreuungsbeziehung als wesentlich. In der WLH wird, in den vorliegenden Betreuungsdokumentationen gut nachvollziehbar, dieser Anforderung durch das Angebot einer Bezugsbetreuung entsprochen, wonach eine SozialarbeiterIn als fallführende Begleitperson die
einzelnen Betreuungsschritte koordiniert und so sicherstellt, dass die für die Bewältigung der
Wohnungslosigkeit wichtigen Aufgaben angegangen werden.
SOZIALE SICHERHEIT DURCH TRANSFERLEISTUNGEN UND – AUF MITTLERE SICHT – ERWERBSBETEILIGUNG
Eine Kernaufgabe im Kontext des niederschwelligen Zugangsbereichs zur WLH stellt die
Realisierung des Zugangs zu Transferleistungen und / oder Sozialhilfe und mithin die
Gewährleistung von sozialer Sicherheit dar. Unterstützung bei der Beschaffung der nötigen
Antragsunterlagen sowie die begleitende Hilfestellung bei der Antragstellung, z.B. bei
ausländischen Pensionsversicherungsanstalten, stehen mithin am Beginn der konkreten
Leistungsangebote.
Damit kann eine stabile materielle Basis, in Ergänzung zur personalen Grundlage in der
Bezugsbetreuung, geschaffen werden, damit von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen
sich mit den für ihre Wohnungslosigkeit ursächlichen Faktoren wie Abhängigkeits- oder
psychischen Erkrankungen, Überschuldung, Beziehungsproblemen oder Trennungserfahrungen etc. systematisch auseinander setzen können.
Soziale Sicherheit und stabile Betreuung bilden die unverzichtbare Grundlage dafür, dass
Auswege aus der Wohnungslosigkeit respektive Perspektiven für ein selbständiges Leben
jenseits von Wohnungs- und Arbeitslosigkeit eröffnet werden können.
67
EINSTIEG IN HÖHERSCHWELLIGE FACHLICHE UNTERSTÜTZUNGSFORMEN
In einer Reihe von Betreuungsdokumentationen wird deutlich, dass bei Bedarf fachliche
Ergänzungen, z.B. durch spezialisierte Einrichtungen wie die Schuldnerberatung, eng in die
Hilfestruktur eingebunden werden. Damit ist auch sichergestellt, dass es in der Bearbeitung
komplexer Problemlagen nicht zu einem Wechsel in der Betreuungszuständigkeit und damit
auch zu einem Abbruch von Betreuungsbeziehungen kommt. Damit kann dem Risiko von
Abbrüchen und Rückschlägen in der Bewältigung von Wohnungslosigkeit vorgebeugt
werden.
TEMPORÄRE ASPEKTE DER BEWÄLTIGUNG VON WOHNUNGSLOSIGKEIT
Die vorliegenden Betreuungsdokumentationen machen überdeutlich, dass die Bewältigung
von Wohnungslosigkeit in zeitlicher Hinsicht eher verzögert funktioniert.
Verweildauer in der Wohnungslosigkeit, in Prozent der jeweiligen Zielgruppe
Dauer der Phase von
Wohnungslosigkeit
Frauen
Männer
Gesamt (107)
<30J. (15)
>30J. (29)
<30J. (16)
>30J. (47)
weniger als 1 Jahr
33%
17%
13%
9%
15%
1 bis 5 Jahre
33%
45%
62%
43%
45%
5 bis 10 Jahre
7%
7%
25%
17%
14%
länger als 10 Jahre
0%
14%
0%
21%
13%
keine Angaben zur Dauer
25%
17%
0%
11%
13%
Bei knapp der Hälfte der hier dokumentierten KlientInnen liegt die Verweildauer in der
Wohnungslosigkeit zwischen einem und fünf Jahren. Insbesondere bei den älteren Männern
(>30 Jahre) liegt die Dauer der Wohnungslosigkeit deutlich höher; jeweils etwa jeder Fünfte
ist zwischen 5 und 10 Jahren bzw. bereits länger als 10 Jahre wohnungslos.
Eine relativ günstige Verteilung bezüglich der Verweildauer in der Wohnungslosigkeit findet
sich letztlich nur bei den jüngeren Frauen, die zum Erhebungszeitraum jeweils zu einem
Drittel entweder weniger als ein Jahr oder zwischen einem und fünf Jahren wohnungslos
waren.
68
BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN UND DIE AKTUELL JEWEILS REALISIERTE WOHNVERSORGUNG
Der Blick auf die unterschiedlichen Bewältigungsformen und –strategien (siehe tab. Überblick
auf der folgenden Seite) zeigt insgesamt gesehen ein deutliches Übergewicht von informellen, prekären bzw. überhaupt fehlenden Lösungen. In geschlechts- und altersspezifischer
Differenzierung wird deutlich, dass überproportional viele Frauen auf informelle Strategien
zur Bewältigung ihrer Wohnversorgungskrise zurückgreifen und temporär bei Bekannten
unterkommen. Das ist auch bei etwa jedem dritten der jüngeren Männer der Fall.
Demgegenüber sind die älteren Männer zu hohen Anteilen in prekären Wohnverhältnissen in
einem Pensionszimmer temporär versorgt oder überhaupt akut wohnungslos/obdachlos bzw.
als (Langzeit-)Nutzer der Nächtigungsangebote in den Notschlafstellen dokumentiert. Auch
die jungen Männer scheinen überproportional häufig als Nutzer der Notschlafstellen auf.
Bewältigungsformen von Wohnungslosigkeit im tabellarischen Überblick , in % der jeweiligen
Altersgruppe
Status der Bewältigung von
Wohnungslosigkeit
Frauen
Männer
Gesamt (107)
<30J. (15)
>30J. (29)
<30J. (16)
>30J. (47)
Informell: Unterkunft bei
Bekannten
27%
34%
31%
15%
24%
Prekär: temporär in einem
Pensionszimmer
7%
17%
13%
19%
16%
Übergang: Wohnbetreuung
in der WLH
13%
10%
9%
15%
14%
Obdachlos: Leben auf der
Straße / in Notschlafstellen
7%
3%
19%
19%
13%
Ambulant: Betreutes
Wohnen in der WLH
7%
7%
0%
13%
8%
Überbelag / Substandard
20%
7%
0%
6%
8%
Dass jede fünfte jüngere Frau mit äußerst beengten Wohnverhältnissen zurechtkommen
muss, ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass diese den wenigen verfügbaren Raum
mit minderjährigen Kindern teilen müssen.
Insbesondere auffällig ist weiters, dass nur wenige von Wohnungslosigkeit betroffene
Menschen im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens unterstützt werden. Insbesondere
die jüngeren Männer scheinen in den Betreuungsdokumentationen aus diesem
Leistungsbereich der WLH gar nicht auf.
69
CHANCEN UND POTENZIALE FÜR DIE BEWÄLTIGUNG VON WOHNUNGSLOSIGKEIT
Während einerseits in den vorliegenden Betreuungsdokumentationen die Komplexität der zu
bewältigenden Problemlagen und die daraus erwachsenden Anforderungen an die Hilfestruktur überdeutlich vorgestellt und Leistungen sowie Erfolge in der Betreuung differenziert
dargestellt werden, fallen demgegenüber die dokumentierten Ergebnisse in der konkreten
Wohnversorgung von akut wohnungslosen Menschen ausgesprochen bescheiden aus. Der
oben vorgestellte Überblick über den Status der Wohnversorgung von Wohnungslosen in
Salzburg verweist auf schwierige bis unmögliche Zugänge zu leistbaren Wohnungen. Das
Gros der dokumentierten Personen belegt die unzureichenden Potenziale und Perspektiven
für eine reguläre Wohnversorgung und unterstreicht die Problematik informeller oder
prekärer Bewältigungsstrategien.
Niederschwelligkeit der Beratungsangebote gewährleistet
den Zugang zu persönlicher Hilfestellung und sozialer Sicherheit
Die WLH in Salzburg zeichnet sich offensichtlich durch ein gutes Beratungs- und
Betreuungsangebot im Zugangsbereich zum Hilfesystem aus. Bemerkenswert hoch erscheint
insbesondere der Anteil jener KlientInnen, die im informellen Wohnversorgungskontext eher
dem Bereich der verdeckten Wohnungslosigkeit zugeordnet werden können.
In einzelnen Betreuungsdokumentationen wird insbesondere auch darauf verwiesen, dass
selbst KlientInnen, die sich sonst durch die Ablehnung von professioneller Betreuung
auszeichnen, die Angebote der Beratungsstellen verbindlich und regelmäßig in Anspruch
nehmen. Das betrifft zum einen die Möglichkeit, in den Beratungsstellen eine amtlich
anerkannte Kontaktstelle oder Meldeadresse einzurichten. Zum anderen ergibt sich aus
kleineren Überlebenshilfen wie diesen auch die Möglichkeit für einen verbindlichen und
persönlichen Betreuungskontakt, aus dem sich bei behutsamer Kontaktpflege auch die
Chance ergibt, in eine systematische Bearbeitung von problemverursachenden Aspekten in
der Lebensführung, z.B. Konsum von Suchtmitteln etc., einsteigen zu können – auf der
Grundlage von je individueller Bedarfsanmeldung und allem voran in dem Tempo, das die
KlientInnen vorgeben und zu gehen bereit sind.
70
Bildung / Berufsbildung / Erwerbsbeteiligung
entsprechende Angebote der WLHL sind enden wollend
Die vorliegenden Betreuungsdokumentationen werfen ein bezeichnendes Licht auf
Grundcharakteristika der Klientel der WLH:

der Anteil jener Personen, deren höchster Bildungsabschluss die absolvierte
Pflichtschule darstellt, ist ausgesprochen hoch (42%)

eine abgeschlossene Berufsausbildung liegt nur bei jeder vierten KlientIn vor (25%)

eine weitergehende schulische oder eine höhere berufliche Ausbildung findet sich nur
in einigen wenigen Ausnahmen

die überwiegende Mehrzahl der KientInnen ist mehr/minder dauerhaft arbeitslos bzw.
aufgrund von Krankheit oder Behinderung vom Erwerbsleben ausgeschlossen (78%)

nur relativ wenige gehen einer regulären Erwerbsarbeit (22%) nach, etwa die Hälfte
davon steht in einer Vollzeitbeschäftigung.
Insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es sich beim überwiegenden Teil der
hier dokumentierten Betreuungen eben nicht um Neuzugänge in die Beratung / Betreuung
handelt, im Gegenteil auch die Betreuung bereits eine längere Laufzeit hinter sich hat,
erscheint dieser niedrige Anteil der Erwerbsbeteiligung als besonderes Indiz dafür, dass die
spezifische Kumulation von Benachteiligungen und Problemfaktoren eine hohe Tendenz zur
Verfestigung der Armutslage nach sich zieht:
keine Arbeit
keine Wohnung
kein
ausreichendes
Einkommen
kein
Einkommen
Wohnung ist zu
teuer
keine Wohnung
und keine
Arbeit
71
Die Analyse der vorliegenden Betreuungsdokumentationen legt die Vermutung nahe, dass es
der WLH nur sehr schwer gelingt, diesen Teufelskreis der Kumulation von Armutsfaktoren
wirkungsvoll und nachhaltig zu durchbrechen.
Kooperation mit dem psychosozialen / psychiatrischen Sektor
und die Frage der Krankheitseinsicht
Bei der Durchsicht der Betreuungsdokumentationen fällt auf, dass in vielen Fällen einer
psychosozialen Stabilisierung der KlientInnen ein großer Stellenwert in der Einschätzung der
individuellen Perspektiven und Chancen zur Rehabilitation beigemessen wird. Insbesondere
bei den weiblichen Klientinnen häufen sich die Vermerke psychischer Instabilität bzw.
psychiatrischer Erkrankungen. In deren Fachgeschichten dominieren stationäre Aufenthalte
in psychiatrischen Einrichtungen bzw. findet sich wiederholt der Verweis auf eine fehlende
Krankheitseinsicht sowie auf die Verweigerung von Medikation und psychiatrischer
Behandlung.
Demgegenüber finden sich in einigen wenigen Falldarstellungen auch konkrete Hinweise auf
eine systematische Kooperation mit dem psychosozialen / psychiatrischen Sektor.
Kooperation mit der Suchthilfe
und die Frage der Abstinenzbereitschaft
Ein ähnliches Bild ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der Abhängigkeitserkrankungen (ib.
von Alkohol, nennenswert jedoch auch von bewusstseinsverändernden Substanzen). So wie
im voranstehenden Kapitel bereits auf die große Bedeutung des WL-Risikos Abhängigkeitserkrankung und Schnittstelle zu Einrichtungen der Suchthilfe hingewiesen wurde, so ist auch
unter dem Gesichtspunkt der Bewältigungsstrategien von Wohnungslosigkeit festzustellen,
dass einer systematischen Kooperation mit Einrichtungen der Suchthilfe offensichtlich
bedeutsame Hürden entgegenstehen.
72
Insbesondere kann dies mit Blick auf die fragliche Abstinenzbereitschaft bzw. auf die
fehlenden niederschwelligen konsumtolerierenden Angebote der Wohnbetreuung
festgemacht werden. In diesem Hilfesegment sind offensichtlich die Zugangsanforderungen
sehr hoch angesetzt, so dass den Betroffenen vielfach nur die Wahl bleibt zwischen
nächteweiser Nutzung von Notschlafstellen, dem temporären Überleben bei Bekannten oder
der völlige Verzicht auf Privatsphäre im betreuungsfreien Raum der (Billig-)Pensionen.
Zugang zu adäquater Wohn(not-)versorgung
und die Frage der Wohnfähigkeit
Die Phase der Bewältigung von Wohnungslosigkeit und dem systematischen Abbau von
individuellen Belastungen und Problemkumulationen ist, so kann den vorliegenden
Betreuungsdokumentationen entnommen werden, gekennzeichnet durch ausgesprochen
unzureichende Wohnverhältnisse. Informelle Hilfestellungen (Wohnen bei Bekannten) und
prekäre Auswege (Überleben im Pensionszimmer) erweisen sich jedoch gerade für Personen
mit großen Problembelastungen (Kumulation aus prekärem bis fehlendem Einkommen und
psychosozialer Auffälligkeit bis Krankheit) als denkbar ungünstige bis de facto ungeeignete
Grundlage für eine erfolgreiche Problembewältigung.
Offensichtlich wird, dass die WLH in Salzburg in Ermangelung von ausreichenden Kapazitäten
zur Versorgung ihrer KlientInnen mit adäquaten und leistbaren Wohnungen tatsächlich in
einer sehr einschränkenden Flaschenhalssituation steckt. Während ständig Neuzugänge eine
Lösung ihrer aktuellen Wohnversorgungskrise einfordern, werden offensichtlich nur unzureichend Versorgungskapazitäten im betreuten (Übergangs-)Wohnen frei. Eine Ablöse in eigenständige günstige Wohnungen ist jedoch vielfach durch fehlende Ansprüche auf längere Zeit
verstellt.
In mehrfacher Hinsicht ist die WLH damit in die Zwangslage versetzt, die AnwärterInnen für
eine Aufnahme in Wohnbetreuungsangebote zu filtern. Letztlich kommen dann bevorzugt
jene in den Genuss einer bedarfsadäquaten (Übergangs-)Versorgung, deren aktuelle Situation eine relativ günstige Prognose hinsichtlich einer Wohnvermittlung bzw. ihrer Fähigkeit,
eine eigenständige Wohnung dann auch über einen längeren Zeitraum zu halten, erlaubt.
Demgegenüber werden Personen mit ‚ungünstigen‘ Rahmenbedingungen, sprich: hoher
Problembelastung und tendenziell ungünstiger Prognose, eher darauf verwiesen, sich im
betreuungsfreien Raum mit informellen oder prekären Zwischenlösungen zu begnügen.
73
Vor dem Hintergrund der vorliegenden Betreuungsdokumentationen wird deutlich, dass im
Falle von akuter Wohnungslosigkeit der Art und Qualität der jeweils realisierten Vermittlung
in eine Wohn(Not)Versorgung eine entscheidende Rolle zukommt. Dementsprechend kann
folgende Faustregel formuliert werden:
Je akuter und problematischer die individuellen Belastungen der Hilfesuchenden eine
systematische Bearbeitung von Wohnungslosigkeit bzw. der dafür ursächlichen
Problemlagen behindern
umso prekärer gestaltet sich die Wohn(Not)Versorgung
umso höher die Verweildauer in der Wohnungslosigkeit
eine tatsächliche Bewältigung der Wohnungslosigkeit wird mehr und mehr
unwahrscheinlich.
LANGZEITWOHNUNGSLOSIGKEIT UND ZEITLICH UNBESCHRÄNKTE VERSORGUNGSANGEBOTE
In den Fällen, in denen es der WLH nicht gelingt, ihre KlientInnen bei der Bewältigung der
Wohnungslosigkeit respektive der ursächlichen Problembelastungen nachhaltig zu unterstützen, kommt es zu einer Verfestigung der prekären Wohn- und Lebenssituation, die für
die Betroffenen letztlich zum Bedarf nach einer dauerhaften (Not-)Lösung im Rahmen einer
Basisversorgung mit kontinuierlicher Begleitung führt. Für diese Bedarfsgruppe werden von
der WLH einige betreute Dauerwohnplätze bereit gestellt.
Dieses Angebot erscheint letztlich als alternativlos, zumal die Betroffenen andernfalls in
ihrem Überleben gefährdet wären. Zu fragen wäre jedoch, ob und inwieweit eine Integration
dieser Personengruppe in stationäre Angebote der Seniorenhilfe (Seniorenheime, Pflegeheime) aufgrund ihres besonderen Unterstützungsbedarfs respektive der entsprechenden
Toleranz hinsichtlich Alkoholabhängigkeit und / oder auffälligem Verhalten realistisch ist oder
durch eine ambulante Wohnbetreuung in einer eigenen Wohnung eine angemessene
Lebenssituation gewährleistet werden kann.
74
1.3.4 Wege aus der Wohnversorgungskrise respektive Wohnungslosigkeit
In der Landeshauptstadt Salzburg hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine veritable
Wohnungsnot ausgebreitet und stabilisiert. Die Nachfrage nach leistbaren Wohnungen steht
in keinem Verhältnis zu den verfügbaren Kapazitäten des Altbaubestands als auch der
Neubauleistungen. So entfallen beim städtischen Wohnungsamt in Salzburg auf eine
verfügbare Wohnung etwa zehn WohnungswerberInnen mit zuerkannter Dringlichkeit, so
dass sich eine statistische Wartezeit von durchschnittlich zehn Jahren ergibt.
Die politischen und administrativen Körperschaften sind bislang mit Vorschlägen der WLHEinrichtungen, ein Kontingent von Wohnungen für die Wohnversorgung von wohnungslosen
Menschen bereitzustellen und / oder die Tatsache der Wohnungslosigkeit bei der Vergabe
von Wohnungen nachdrücklicher zu berücksichtigen, eher ablehnend umgegangen20.
WOHNUNGSLOSENHILFE UND DER WOHNUNGSMARKT
Der Salzburger Wohnungsmarkt kommt in den vorliegenden Betreuungsdokumentationen
nicht gut weg. Das betrifft zum einen die Tatsache, dass die überwiegende Mehrzahl der
KlientInnen der WLH über gar keinen eigenständigen Wohnraum verfügen. Die Beispiele von
Personen, die auf dem regulären Wohnungsmarkt wohnversorgt sind, verweisen zum
anderen nahezu durchgängig auf z.T. gravierende Missstände:

Wohnungen sind für Haushalte mit Kindern zu klein und überbelegt

Wohnungen sind zu teuer und nicht leistbar

Mietschulden und / oder unleidliches Verhalten haben zur Einleitung von
Delogierungsverfahren geführt

bei einigen KlientInnen der WLH geht die aktuelle Phase der Wohnungslosigkeit
auf einen Wohnungsverlust infolge einer Zwangsräumung zurück

weitere KlientInnen leben mit ihren Kindern in Wohnungen, die durch
unzumutbaren und gesundheitsgefährdenden Substandard eigentlich nicht für
Wohnzwecke geeignet sind.
20
Vgl. dazu die Dokumentation der Fachgespräche des FORUM WLH zu Modellen für wohnpolitische
Beiträge zur Lösung und Bewältigung von Wohnungslosigkeit
75
Gemeinsam haben diese Einzelbeispiele, dass sie sich entweder eine Übersiedlung in eine
adäquatere Wohnung einfach nicht leisten können und solcherart darauf angewiesen sind,
mit den prekären Verhältnissen zurechtzukommen, oder aber aufgrund fehlender Ansprüche
auf eine geförderte leistbare Wohnung von einem befristeten Wohnverhältnis in die nächste
Übergangslösung zu wechseln.
Auffällig ist in diesem Zusammenhang weiters, dass es im Rahmen der WLH nur sehr schwer
gelingt, ihre hilfesuchenden KlientInnen bei der Bekämpfung der wohnungsmarktspezifischen
Problemlagen von Zwangssesshaftigkeit in Überbelag oder Substandard bzw. von Zwangsmobilität von einer überteuerten Wohnung in die nächste wirkungsvoll zu unterstützen.
Offensichtlich fehlen diesbezüglich entsprechende rechtliche Ressourcen respektive der
notwendige politische Rückhalt, um im wohnpolitischen Kontext eine aktive Rolle spielen und
Einfluss auf die Konditionen des privaten Wohnungsmarktes nehmen zu können.
In jedem Fall machen die vorliegenden Betreuungsdokumentationen überdeutlich, dass der
private Wohnungsmarkt zu einem erheblichen Teil als Ursache der je aktuellen Wohnkrisen
angesehen werden kann. Zentrale Charakteristika wie hohe Anmietungskosten, Begrenzung
der Mietvertragsdauer, hohe Miet- und Betriebskosten stellen für Armutshaushalte große
Belastungen bzw. überhaupt ein Risiko dar, wohnungslos zu werden.
Auch aus der Sicht der WLH ist hier festzustellen, dass der private Wohnungsmarkt nur
wenige Optionen und Chancen bereit hält, zur Bewältigung von Wohnungslosigkeit beizutragen. Vor allem in Hinblick auf die anzustrebende Nachhaltigkeit der Bewältigung von
Wohnungslosigkeit erscheint im Gegenteil eine Vermittlung in Wohnungen des privaten
Wohnungsmarktes als WLH-Strategie tendenziell kontraindiziert.
Ungeachtet dieser Ausgangssituation bleibt der WLH jedoch insbesondere für jene
KlientInnen, welche die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer geförderten oder
Gemeindewohnung noch nicht erfüllen (z.B. Drittstaatsangehörige ohne verfestigten
Aufenthaltsstatus, AsylwerberInnen, ÖsterreicherInnen mit berufsbedingten Binnenwanderungen etc.), gar keine andere Wahl. In diesen Fällen gestaltet sich die Suche nach einer
leistbaren Wohnung äußerst schwierig, zumal hier letztlich nur der private Wohnungsmarkt in
Frage kommt. Die Nischen für preisgünstige schlecht ausgestattete (Substandard-) Wohnungen sind jedoch erfahrungsgemäß in den vergangenen Jahrzehnten auf einen kleinen
Restbestand zusammengeschrumpft. Dementsprechend ist es um die Wohnperspektiven
dieser Haushalte ausgesprochen schlecht bestellt. Erschwerend kommt hier zum Tragen,
dass die WLH nicht in die Lage versetzt ist, auch nur annähernd adäquate Alternativen zu
eröffnen.
76
ZUGANG ZU ERSCHWINGLICHEN WOHNUNGEN DES SOZIALEN WOHNUNGSMARKTES
In einer ganzen Reihe von Betreuungsverläufen steht die konkrete Betreuungsarbeit letztlich
unter den Vorzeichen der Suche nach einer leistbaren adäquaten Wohnung.
Bedarfsanmeldung für eine leistbare Wohnung
Bedarf nach einer
leistbaren Wohnung
absolut
in %
Weibliche Wohnungslose
31
70%
Männliche Wohnungslose
40
63%
71
66%
gesamt
In der Mehrzahl der vorliegenden Betreuungsdokumentationen (66%) verweisen die BetreuerInnen dezidiert auf die Dringlichkeit der Suche nach einer leistbaren Wohnung. Nach
Möglichkeit werden diese KlientInnen von ihren BetreuerInnen dabei unterstützt, ihre
Ansprüche auf eine Gemeindewohnung geltend zu machen. Viele KlientInnen der WLH sind
dabei jedoch mit der Tatsache konfrontiert, dass sie die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen nicht oder noch nicht erfüllen, wie in manchen Betreuungsdokumentationen
dezidiert vermerkt wird.
Im besten Fall handelt es sich dabei darum, der Vorgabe eines durchgängigen regulären
Wohnsitzes in der Stadt Salzburg zu entsprechen. Insbesondere vor dem Hintergrund einer
unregelmäßigen Wohngeschichte, von Unterbrechungen der Meldezeiträume etc. ist es vielen
wohnungslosen Menschen eben nicht möglich, einen lückenlosen Aufenthaltsnachweis zu
erbringen. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang die Situation von
Drittstaatsangehörigen, die (noch) nicht auf den Status eines verfestigten Aufenthalts
verweisen können.
Unter den gegebenen wohnpolitischen Vorzeichen bleibt der WLH häufig nichts anderes
übrig, als Zwischen- und Überbrückungslösungen anzubieten, um die sozialarbeiterischen
Bemühungen um eine Bewältigung der Wohnungslosigkeit nach Möglichkeit nicht zusätzlich
zu belasten. Im Einzelnen stehen der WLH in dieser Situation folgende ergänzende oder
ersatzweise Optionen zur Auswahl:

Rahmenbedingungen für die Überbrückung der Wartezeit bereitzustellen

Hilfestellungen zur Erfüllung von Anspruchsvoraussetzungen; z.B. Absicherung
des Aufenthaltsstatus, Antragstellung auf die österreichische Staatsbürgerschaft
77

psychosoziale Stabilisierung und Bewältigung von Faktoren, die zur Entstehung
der Wohnungslosigkeit ursächlich oder verschärfend beigetragen haben (ib.
Schulden, Konsumverhalten, soziale Integration etc.)

ambulante und nachgehende Betreuung im Wohnumfeld
In einzelnen Betreuungsdokumentationen wird dezidiert darauf verwiesen, dass der Antrag
auf eine Gemeindewohnung aktuell bereits eingebracht werden konnte. Ein
Betreuungsverlauf schließt mit der Feststellung, dass der Antrag auf eine Gemeindewohnung
bewilligt und bereits eine Wohnung zugewiesen wurde.
HILFESTELLUNGEN ZUR ÜBERBRÜCKUNG VON WARTEFRISTEN – IM SPANNUNGSFELD VON
ABSTINENZAUFLAGEN, KRANKHEITSEINSICHT UND ERWERBSBETEILIGUNG
Die Betreuungsverläufe, die aus dem engeren Bereich der WLH (Beratung und Betreutes
Wohnen) zur Verfügung gestellt wurden, stehen wesentlich unter dem Vorzeichen,
förderliche Rahmenbedingungen für die Überbrückung von Wartezeiten auf die Vermittlung
einer leistbaren Wohnung bereit zu stellen und die Zeit bis dahin so gut und intensiv als
möglich für die Aufarbeitung von ursächlichen Problemfaktoren zu nützen. Dabei geht es in
vielen Fällen um die psychosoziale Stabilisierung der KlientInnen, ib. in Hinblick auf die
Einleitung einer Entwöhnungsbehandlung. In etwas niedrigerem Maße steht die Förderung
der psychischen Gesundheit auf dem Programm. Fragen der individuellen Arbeitsfähigkeit,
von beruflicher (Um)Schulung und Arbeitsintegration kommen auf dem dritten Rang zu
liegen. In mehreren Betreuungsverläufen stehen weiters fremdenrechtliche Beratung und
entsprechende Unterstützungen an, damit die KlientInnen die Anspruchsvoraussetzungen für
die Vermittlung preisgünstiger Wohnungen erfüllen können.
Aufgabenstellungen im Vorfeld der Wohnvermittlung, tabellarischen Überblick , in % der jeweiligen Altersgruppe
Frauen
Männer
Gesamt (107)
<30J. (15)
>30J. (29)
<30J. (16)
>30J. (47)
Behandlung von Alkoholoder Drogenabhängigkeit
0%
14%
13%
51%
28%
Stabilisierung der
psychischen Befindlichkeit
27%
31%
25%
9%
20%
Förderung der
Arbeitsintegration
13%
3%
13%
15%
11%
fremdenrechtliche
Beratung
13%
7%
0%
6%
7%
78
FÖRDERUNG UND ABSICHERUNG VON ZUGANGSVORAUSSETZUNGEN,
IB. FREMDENRECHTLICHE BERATUNG UND HILFESTELLUNG
In einzelnen Betreuungsdokumentationen wird dezidiert darauf hingewiesen, dass aktuell die
Anspruchsvoraussetzungen auf die Beantragung einer Gemeindewohnung noch nicht erfüllt
sind. Allerdings wird diese Detailfrage eher nur unsystematisch beantwortet, sodass hier kein
statistischer Überblick über die jeweiligen Begründungen für fehlende Ansprüche möglich ist.
Die nachstehenden Kernaussagen aus einzelnen Betreuungsverläufen geben jedoch ein
meines Erachtens stimmiges Bild der entsprechenden Problemlagen:

Konventionsflüchtling, nach Auslaufen der Bundesbetreuung noch kein Anspruch auf
eine Gemeindewohnung

nach Scheidung mit den minderjährigen Kindern aus der BRD nach Salzburg
zurückgekehrt – kein Anspruch auf eine Gemeindewohnung

nach Delogierung aus Gemeindewohnung noch offene Mietschulden – kein Anspruch

nach Gewalt in der Beziehung Flucht aus der Wohnung in die Stadt – kein Anspruch

nach Auflösung der Lebensgemeinschaft ist die gemeinsame Wohnung nicht mehr
leistbar (zu groß und zu teuer) – kein durchgängiger Aufenthalt in der Stadt Salzburg
und noch kein Anspruch

nach problematischer Ablöse von seinen Eltern zieht Klient in die Stadt Salzburg,
kann sich aber eine Wohnung auf dem privaten Wohnungsmarkt sicherlich nicht
leisten, auf eine Gemeindewohnung besteht jedoch (noch lange) kein Anspruch

nach jahrelanger Beschäftigung im Gastgewerbe mit wechselnden Arbeitgebern und
Aufenthaltsorten kann der Klient keinen durchgängigen Wohnsitz vorweisen, damit
besteht auch kein Anspruch auf eine Gemeindewohnung
Als gemeinsamer Nenner dieser Bedarfsanmeldungen sind ib. die prekäre Einkommenssituation, eingeschränkte Erwerbsfähigkeit sowie eine existenziell belastende Problemlage zu
nennen. In Hinblick auf die Faktoren, die zur Zuerkennung einer dringlichen
Wohnversorgung angerechnet werden, besteht in allen diesen Fällen wohl kein Zweifel, dass
eine tatsächliche Bewältigung der Wohnversorgungskrise von einer Vermittlung in eine
leistbare und adäquate Wohnung abhängig ist. Trotz vorliegender Dringlichkeit und fachlich
begründetem Bedarf sind diese Haushalte aufgrund der Nichterfüllung der Anspruchsfristen
darauf verwiesen, sich mit teils sehr prekären Zwischen- und Übergangslösungen zu
behelfen, sofern sie nicht überhaupt in zeitlich unbeschränkten Wohnbetreuungsangeboten
jenseits einer regulären Wohnversorgung verweilen.
79
1.3.5 Chancen, Potenziale und Grenzen der WLH in Salzburg
Bei aller Würdigung der inzwischen realisierten fachlichen und strukturellen Weiterentwicklungen ist festzuhalten, dass die quantitative und qualitative Weiterentwicklung der WLHAngebote in Salzburg einem sozialpädagogischen Interventionsschema gefolgt ist und
demgemäß auf den engeren sozialpolitischen Bereich fokussiert blieb. Das in Salzburg,
weitgehend analog zur WLH in Österreich (siehe dazu den Ländervergleich zur Entwicklung
der WLH im Anhang), realisierte Versorgungssystem entspricht in seinen Grundzügen einem
Stufenmodell, das den wohnungslosen Menschen einen schrittweisen Aus- und Aufstieg aus
der Wohnungslosigkeit gewährleistet:
o
Prävention von Delogierungen für Haushalte, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind
o
niederschwelliger Zugang in Anlauf- und Beratungsstellen
o
niederschwellige NächtigerInnenangebote für akut wohnungslose Menschen
o
Angebote des (sozialtherapeutisch angelegten) betreuten Übergangswohnens
o
ambulant betreute Übergangswohnungen
o
eigenständige Wohnungen mit temporärer Begleitung und Nachbetreuung
Mit Ausnahme der Delogierungsprävention, die ansatzweise über den sozialpädagogischen
Aufgabenrahmen hinausreicht und gezielt auch rechts- und wohnpolitische Fragestellungen
behandelt, war es in Salzburg bislang kaum möglich, wohnpolitisch relevante
Regelungsbereiche in der Struktur- und Qualitätsentwicklung der WLH aufzugreifen. Selbst
unter präventiven Gesichtspunkten so wichtige Aufgabenbereiche wie etwa
bedürfnisadäquate Vorsorgen an den Schnittstellen zum Gesundheitssystem (ib. Psychiatrie
und Suchthilfe) sowie zur Rechts- und Justizpflege (Strafvollzug und Haftentlassenenhilfe;
gerichtliche Wegweisung) sind nur schwer zu gewährleisten. Der Wohnungslosenhilfe in
Salzburg ist es in diesem Sinne nur ansatzweise möglich, eine strukturell angelegte
Eindimensionalität zu überwinden und ihre Angebote und Maßnahmen zur Bewältigung von
Wohnungslosigkeit als Querschnittagenda unter systematischer Einbeziehung anderer
Politikbereiche (allem voran denke ich dabei an Gesundheit und Wohnen) zu gestalten.
Nach wie vor, so kann hier resümiert werden, steht die WLH in Salzburg im Bann eines
Paradigmas, das die Hilfestruktur nahezu ausschließlich an den Defiziten und Schwächen der
betroffenen Menschen ausrichtet. Strukturell angelegte Schwachstellen und
Problembereiche, allem voran der Mangel an leistbaren Wohnungen, bleiben letztlich in der
Ressourcen- und Kompetenzausstattung der WLH unberücksichtigt.
80
Dementsprechend gilt in der WLH das fachliche Diktum, wohnungslose Personen dahingehend zu unterstützen, damit diese wieder wohnfähig werden – unter der stillschweigend
hingenommenen Unterstellung, dass sich dann das Problem unzureichender Zugänge zu
leistbaren Wohnungen von selbst lösen würde.
INTERNATIONALE MODELLE FÜR EINE GANZHEITLICH ANGELEGTE WOHNUNGSLOSENHILFE
Einzelne EU-Mitgliedsländer (ib. Finnland und die Niederlande) haben inzwischen einen
alternativen Arbeitsansatz aufgegriffen, der auf ein in den USA entwickeltes und in einzelnen
US-Bundesstaaten bereits erfolgreich umgesetztes Modell zurückgeht, in dem die Unterbringung von wohnungslosen Menschen in eigenständige, leistbare und adäquate
Wohnungen an vorderster Stelle der Intervention steht21. Dieses Modell wird unter dem
Fachterminus ‚Housing first‘ diskutiert und steht in diametralem Gegensatz zu den Vorsorgen
in den meisten EU-Ländern, die sich wesentlich dadurch charakterisieren lassen, dass sich
die wohnungslosen Menschen über klar voneinander abgegrenzte Stufen eines Versorgungssystems (Stufenmodell) durch- respektive hinaufarbeiten müssen. Eine endgültige Versorgung auf dem Regelwohnungsmarkt ist im österreichischen System erst als letzte Stufe eines
komplexen, zeitaufwändigen und differenzierten Prozesses vorgesehen, in dem sich die
wohnungslosen Menschen jeweils bewähren müssen, bevor sie in die nächste Etappe
aufgenommen werden. Belastet wird dieses Modell in der Praxis jedoch auch dadurch, dass
die Kapazitäten für diesen Wechsel häufig nicht ausreichen und es dann zu letztlich kontraproduktiven Ausweitungen der Verweildauer in der Wohnungslosigkeit bzw. sogar zu einer
Verfestigung der ursächlichen Problemlagen kommt.
Der Arbeitsansatz des ‚Housing first‘ geht von der Annahme aus, dass die komplexe
Problematik der Lebenssituation wohnungsloser Personen erst dann systematisch und
nachhaltig bearbeitet werden kann, wenn der existenziell bedrohliche Mangel an einer
adäquaten und leistbaren Wohnung behoben ist. Demzufolge erfolgt die Unterstützung der
ehedem wohnungslosen Personen bei der Erhaltung ihrer Wohnung (regelmäßige Zahlung
von Miet- und Betriebskosten, Einhaltung von Hygiene und Hausregeln, friktionsfreier
Umgang innerhalb der Hausgemeinschaft etc.) sowie die systematische Bearbeitung und
Bewältigung jener individuellen Problemlagen, die den Weg in die Wohnungslosigkeit bereitet
oder verursacht haben, als Aufgabe flankierender Maßnahmen der individuellen Betreuung
erst nach der Vermittlung in eine eigenständige Wohnung.
21
Vgl. dazu Busch-Geertsema 2009, Tainio & Fredrikson 2010
81
Die Tatsache eines wie immer gestalteten Betreuungs- und Unterstützungsbedarfs stellt
demgemäß keinen Grund für einen Ausschluss von einer adäquaten Wohnversorgung dar.
Im Gegenteil gilt hier die Vermittlung einer Wohnung als erster und wesentlicher Schritt, auf
dessen Grundlage dann erst Maßnahmen zur gezielten Bearbeitung weitergehender
Bedürfnisse in einem begleitenden und ambulanten Setting gewährleistet werden.
2.
Wohnungslosigkeit und
Wohnungslosenhilfe im Spiegel von
Betreuungsdokumentationen
2.1.
2.1.1
Wege in die Wohnungslosigkeit
Trennung / Scheidung / wohnungslos
Der wohl wichtigste Auslöser bzw. der unmittelbare Anlass für den Einstieg in eine Phase der
Wohnungslosigkeit liegt in der Trennung von Ehen / Lebensgemeinschaften. Im Durchschnitt
betrifft dies knapp die Hälfte der detailliert dokumentierten Fälle (45%).
Insbesondere bei den Frauen (älter als 30 Jahre) stehen Trennungserfahrungen (z.T. in
Kombination mit häuslicher Gewalt) als Problemursache deutlich im Vordergrund (69%). In
einem Einzelfall hat der Suizid des Lebensgefährten zu einer nachhaltigen psychosozialen
Beeinträchtigung geführt, die ökonomische Überforderung war in der Folge Anlass für den
Wohnungsverlust. In einem weiteren Einzelfall hat die Inhaftierung des Lebensgefährten
dazu geführt, dass die Frau sich die Wohnung nicht mehr leisten konnte und ausgezogen ist.
Auch bei den Männern kommt der Trennung von Lebensgefährtinnen eine prominente Rolle
beim Einstieg in die Wohnungslosigkeit zu. Dies ist bei etwa jedem zweiten Mann (älter als
30 Jahre) der Fall (51%). Allerdings lässt sich in diesen Fällen beobachten, dass hier der
Einstieg in die Wohnungslosigkeit aus völlig anderen Motiven erfolgt als bei den Frauen.
Teilweise lässt sich die folgende Wohnungslosigkeit (der vorübergehende Unterschlupf bei
Bekannten, die Anmeldung in einer Notschlafstelle etc.) in manchen Fälle sogar als eine
Strategie zur Bewältigung der Trennungserfahrung interpretieren.
82
Bei den jüngeren Frauen (jünger als 30 Jahre) liegt dieser Wert bei 40%, bei den jüngeren
Männern bei 7%. Hier stehen andere Ursachenbündel als Auslöser für die Wohnungslosigkeit
im Vordergrund, wie z.B. Ablöse von der Familie respektive aus Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt.
Fallbeispiel aus der Delogierungsprävention, weiblich (Fall Nr. 3)
Angaben zur Person
weiblich / Ledig, 21-30 J. / Österreich /
nicht erwerbstätig – arbeitslos /
Transfer aus der Arbeitslosenversicherung / Mietwohnung / Schulden
höchster Bildungsabschluss: HASCH
Einkommen: € 1.020
Fixausgaben: € 980
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Trennung
vom Lebensgefährten infolge von Gewalt und
finanzieller Ausbeutung, Überschuldung, Arbeitslosigkeit
und Einkommenseinbußen
WL-Status: junge Frau bleibt in zu teurer Wohnung,
Mietschulden und Delogierungsverfahren
Status der Betreuung: Delo-Prävention erfolgreich,
Wohnung gesichert
Bedarf: Beratung bzgl. gesamter Lebenssituation, ib.
psychosozialer Stabilisierung, Wiederherstellung der
Arbeitsfähigkeit und der sozialen Sicherheit,
Schuldenregulierung
Fallbeispiel aus dem betreuten Wohnen, weiblich (Nr. 100)
Angaben zur Person:
Weiblich, >50 Jahre; geschieden; arbeitslos
– AL/NH; Österreich; Übergangswohnen
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
Scheidung, Haftstrafe, kann teure Mietwohnung
nicht halten, psychisch instabil / Depression und
Alk.Problem
höchster Bildungsabschluss: Poly
Status der Betreuung: lebt derzeit im betreuten
Übergangswohnen
Einkommen: € 800
Fixausgaben: € 300
Bedarf: Beratung, Gemeindewohnung, stabile Abstinenz
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, männlich (16)
Angaben zur Person:
männlich / >50J.; ledig / Österreich /
Nicht erwerbstätig; arbeitslos – aktuell
nicht arbeitsfähig / Behinderung /
Pensionszimmer
höchster Bildungsabschluss:
Hauptschule
Einkommen: € 700
Fixausgaben: € 350
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Tod
der Lebensgefährtin, psychosoziale Instabilität,
prekäre Beschäftigung und häufig arbeitslos;
aktuell nicht erwerbsfähig wegen psych.
Behinderung; seit ca. 10 Jahren prekäre
Wohnversorgung; Alk-Problem
WL-Status: WLH-Übergangswohnen abgebrochen,
seit mehreren Jahren in Pensionszimmer
Bedarf: Beratung und Amtshilfe, günstiger
Wohnraum, psychosoziale Betreuung und
Behandlung der Alk.Probleme
83
2.1.2
Häusliche Gewalt und deren Folgen für Männer (Wegweisung –
wohnungslos)
Bei fünf der älteren (>30 Jahre) und einem der jüngeren Männer stehen häusliche Gewalt
und / oder Wegweisung am Beginn einer Phase der Wohnungslosigkeit. Das entspricht
einem Anteil von 27% an den dokumentierten Auflösungen von Lebensgemeinschaften.
Anders als bei den betroffenen Frauen erfolgt bei den Gewalttätern der Einstieg in die
Wohnungslosigkeit als unmittelbare Konsequenz des Gewaltvorfalls bzw. als Folge einer
externen Intervention. Zumindest befristet ist der reguläre Wohnsitz damit nicht mehr
gegeben und eine zumindest temporäre Wohnungslosigkeit die Folge.
Die Anmietung eines Pensionszimmers, die temporäre Unterkunft bei Freunden / Bekannten
sind die häufigsten Strategien zur Bewältigung dieser akuten Notlage, die Vorsprache in
einer WLH-Einrichtung bzw. die Nutzung eines Nächtigungsangebotes in einer Notschlafstelle
werden in der Regel aus letzter Ausweg gewählt.
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, männlich (Nr. 39)
Angaben zur Person
männlich / 41-50J.; geschieden / Dritt-Staat; in
Sbg seit 2007 / Arbeitslos; AL-Bezug /
Notschlafstelle
höchster Bildungsabschluss: Hauptschule
Einkommen: € 700
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
nach Vorfällen häuslicher Gewalt ->
gerichtliche Wegweisung
WL-Status: Pensionszimmer, bei Freunden, NOST
Status der Betreuung: laufender Kontakt mit
Beratungsstelle
Bedarf: Beratung; Suche nach günstigem
Wohnraum
Fixausgaben: k.A.
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, männlich (Nr. 50)
männlich / 21-30J.; ledig; Unterhaltspflicht
für Kinder / Österreich / Arbeitslos,
Arbeitslosenbezug / Schulden, ib.
Unterhaltsschulden / wohnt bei Bekannten
ohne Mietvertrag
höchster Bildungsabschluss: Poly
Einkommen: € 600
Fixausgaben: € k.A.
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: prekäre
Erwerbstätigkeit sowie Wohnversorgung;
Wegweisung in die WL
WL: wohnt sich bei Bekannten, ib. weiblichen, durch
Bedarf: Beratung und Aufbau einer stabilen
Betreuungsbeziehung
84
Fallbeispiel aus der Sozialberatung (Nr. 29 & 30)
Angaben zu den Personen:
weiblich / 21-30 J.; verheiratet; 2
Kinder / Dritt-Staat / Aufenthaltsrecht
an Ehe gebunden / Nicht erwerbstätig;
Karenzgeld
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: ohne
eigenständiges Bleiberecht; Trennung von früherer LG;
nunmehr in neuer LG und gemeinsam mit den Kindern in
zu kleiner Wohnung
männlich 31-40 J.; verheiratet / DrittStaat / öst. Staatsbürgerschaft /
Vollzeit / Schulden;
WL: Überbelag und zu teure Wohnung
Kleinst-Mietwohnung – 30m2 – zu viert
höchster Bildungsabschluss: k.A.
Haushaltseinkommen: € 1.800
Fixausgaben: € 850
2.1.3
Betreuungsstatus: regelmäßiger Kontakt in der
Beratungsstelle
Bedarf: Beratung und Amtshilfe, Schuldenregulierung,
günstiger Wohnraum
Häusliche Gewalt und deren Folgen für Frauen (Überteuerung,
Unsicherheit etc.)
Vier der älteren (>30 Jahre) sowie zwei der jüngeren Frauen (<30 Jahre) führen als Ursache
für die Wohnungslosigkeit Gewalterfahrungen, ausgeübt von ihren Lebensgefährten, an. Das
entspricht einem Anteil von 23% an allen dokumentierten Auflösungen von
Lebensgemeinschaften.
Unter mehreren Gesichtspunkten stellt häusliche Gewalt für Frauen einen Auslöser für
existenzielle Krisen dar, die in Wohnungslosigkeit münden können. Das betrifft an erster
Stelle die psychischen Folgen wie etwa Trauma, Angst und psychische Instabilität, die es den
betroffenen Frauen in letzter Konsequenz unmöglich machen, in der gemeinsamen Wohnung
zu verbleiben. Selbst eine gerichtliche Wegweisung des gewalttätigen Mannes stellt vor
diesem Hintergrund keine ausreichende Maßnahme dar.
In vielen Fällen ist die finanzielle Grundlage für die Erhaltung der Wohnung nicht
sichergestellt, insbesondere wenn unklar ist, ob und wann entsprechende
Unterhaltsleistungen der männlichen Täter eingefordert respektive adäquate
Bevorschussungen von den Behörden lukriert werden können.
Die vorliegenden Betreuungsdokumente illustrieren in jedem Fall, dass viele betroffene
Frauen als unmittelbare Gewaltfolge auf informelle Lösungen und Bewältigungsstrategien
zurückgreifen und mehr / minder vorübergehend bei Bekannten oder Verwandten Schutz
und Hilfe suchen.
85
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, weiblich (Nr. 37)
Angaben zur Person
weiblich / 31-40J.; geschieden; 2 Kinder /
Österreich / Nicht erwerbstätig; Sozialhilfe
/ Familienbeihilfe / Bei Bekannten
höchster Bildungsabschluss: Hauptschule
Einkommen: € 464 plus Familienbeihilfe
Fixausgaben: k.A.
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Trennung
von LG (Gewalterfahrung) und Rückkehr nach
Österreich; aus dem Frauenhaus zu Bekannten
weitergezogen; kein Anspruch auf
Gemeindewohnung
WL: lebt mit den Kindern provisorisch bei Bekannten
Status der Betreuung: laufender Kontakt mit
Beratungsstelle
Bedarf: Beratung und psychosoziale Versorgung, Hilfe
bei Suche nach günstigem Wohnraum
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, weiblich (Nr. 57)
Angaben zur Person
Weiblich; 21-30J.; geschieden; 1 Kind; Österreich;
teilzeit erwerbstätig; Einkommen plus Unterhalt;
bei Bekannten / ohne Mietvertrag
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
Gewalt in der Beziehung – Flucht aus der
Wohnung (unsicher trotz Wegweisung)
WL-Status: seit Ende 2009 in prekären Lösungen
höchster Bildungsabschluss: kein Abschluss
Einkommen: € 1.170
Fixausgaben: € keine
Betreuungsstatus: Kontakt in Beratungsstelle
Bedarf: leistbare Wohnung
2.1.4 Delogierung in die Wohnungslosigkeit
Im Hintergrund vieler Karrieren wohnungsloser Personen, wie sie in den Betreuungsdokumentationen der Salzburger Beratungseinrichtungen vorgestellt werden, stehen
Mietschulden, Delogierungsverfahren und Räumungsexekutionen (21%). In einigen wenigen
Fällen ist auch unleidliches Verhalten bzw. Konflikt mit VermieterInnen oder Nachbarn als
auslösende Ursache für die Einleitung von Räumungsverfahren festgehalten.
86
Tab.: geschlechts- und altersspezifische Aspekte bzgl. Delogierungserfahrung
Geschlecht
Alter
Anzahl
Prozentanteil
Frauen
Unter 30 Jahre
2
13%
Über 30 Jahre
12
41%
Über 30 Jahre
8
17%
Unter 30 Jahre
1
6%
23
21%
Männer
Gesamt aus 107
In den dokumentierten Fällen stehen Armutsfaktoren wie prekäre Erwerbstätigkeit /
unzureichendes Einkommen im Hintergrund der konkreten Delogierungsverfahren, in
Kombination mit unterschiedlichsten Belastungs- oder Problemfaktoren wie Gewalt in der
Beziehung, Trennungserfahrungen, Abhängigkeitserkrankungen etc.
In vielen dokumentierten Delo-Erfahrungen wurden unterschiedlichste informelle Strategien
gewählt, um die Problemlage zu bewältigen, bevor es zu einem regulären Kontakt mit einer
Hilfeeinrichtung gekommen ist. Das reicht bis hin zum Versuch, über Privatkredite und
Umschuldungsversuche die Löcher im Mietbudget zu stopfen. Einzelne Personen sind vor
dem Hintergrund der anwachsenden Mietschulden freiwillig ausgezogen und z.B. bei
Bekannten untergekommen, um so dem drohenden Delogierungsverfahren respektive der
Räumungsexekution zuvorzukommen. Probleme in der Wohnversorgung und –sicherheit, wie
sie in der Einleitung von Delogierungsverfahren behördlich dokumentiert werden, sind
offensichtlich kein ausreichender Anlass für die Aufnahme eines Beratungskontakts
respektive einer helfenden professionellen Intervention. Die Erfahrungen der
Delogierungsprävention, wie sie in den entsprechenden Betreuungsdokumentationen
ausgewiesen sind, belegen zudem den hohen Bedarf der betroffenen Haushalte nach
weitergehenden Hilfestellungen und Begleitmaßnahmen, die auch nach einer erfolgreichen
Wohnungssicherung erforderlich wären.
Fallbeispiel aus der Delogierungsprävention, männlich (Nr. 2)
Angaben zur Person:
Männlich / Ledig, 21 – 30 J. /
Österreich / Teilzeit beschäftigt /
Mietwohnung; Überschuldung und
Verwaltungsstrafen
höchster Bildungsabschluss: Poly
Einkommen: € 849
Fixausgaben: € 410
Ursachen der Wohnversorgungskrise:
familiäre Streitigkeiten, problematische Ablöse in
verdeckte Wohnungslosigkeit und prekäre
Erwerbsbeteiligung / häufig arbeitslos; Überschuldung /
seit 2008 mehrere Delo-Verfahren – jeweils provisorisch
abgewendet (z.T. mittels Kredit), aktuell neuerliches
Delogierungsverfahren
Status der Betreuung: Intervention der Delo-Prävention
Bedarf: Schuldenregelung, Hilfestellung bei der Arbeitssuche
87
Fallbeispiel aus der Delogierungsprävention, weiblich (Nr. 1)
Angaben zur Person:
Weiblich / Alleinerzieherin, 40 J., drei
mj. Kindern / verwitwet / Österreich /
nicht erwerbstätig / Mietwohnung
Ursache der Wohnversorgungskrise: Tod des Ehemanns und
psychosoziale Instabilität, Schulden
WL: laufendes Delogierungsverfahren wegen Mietschulden
höchster Bildungsabschluss: Lehre
Betreuungsstatus: Delo-Prävention
Einkommen: mtl. € 2.120
Bedarf: Haushaltsanalyse und Klärung von Ansprüchen
(Sozialhilfe), Beratung und Delo-Prävention
Fixausgaben: mtl. € 870
Fallbeispiel aus der Delogierungsprävention, Familie mit zwei Kindern, (Nr. 4)
Angaben zu den Personen:
weiblich / 31-40J.; 2 mj. Kinder /
Österreich / nicht erwerbstätig /
Mietwohnung /
höchster Bildungsabschluss: Poly
männlich / 41-50 / arbeitslos /
Unterhaltspflichten & Überschuldung /
Österreich
höchster Bildungsabschluss: Lehre
Haushaltseinkommen: € 1.719
Fixausgaben: € 1.387
Ursachen für Wohnversorgungskrise: Übersiedlung in
größere Wohnung, Fehlgeburt, psychiatrisch/stationäre
Behandlung der Frau – nicht erwerbsfähig,
Arbeitslosigkeit des Mannes, Überschuldung
WL: Wohnung ist nach Einkommenseinbußen nicht leistbar,
Mietschulden und Delogierungsverfahren
Betreuungsstatus: Delo-Prävention
Bedarf: Delo-Prävention, Haushaltsplanung, Beratung und
Amtshilfe, Schuldenregulierung
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, weiblich (Nr. 49)
Angaben zur Person:
weiblich / >50J.; ledig / Österreich / Nicht
erwerbstätig; Sozialhilfe / Mietwohnung – ohne
Warmwasser, überteuert
höchster Bildungsabschluss: keine Angaben
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
psychisch krank, aber keine
Krankheitseinsicht – verweigert Behandlung;
Delogierung wegen unleidlichem Verhalten
WL: aktuell in Substandardwohnung
Betreuungsstatus: laufender Kontakt mit
Sozialberatung
Einkommen: € 464
Fixausgaben: € 600
Bedarf: Beratung, eine niederschwellige
frauenspezifische Wohnform (Weglaufhaus)
ist in Sbg leider nicht im Angebot
2.1.5 Ablöse von familiärer oder familienergänzender Betreuung (JW)
In den Betreuungsdokumentationen jüngerer KlientInnen zeigt sich im Unterschied zu den
älteren Personen, dass einer problematischen Ablöse aus familiären oder
familienergänzenden Rahmenbedingungen eine ausgesprochen prominente Rolle beim
Einstieg in die Wohnungslosigkeit zukommt.
88
Tabellarischer Überblick über Problemauslöser bei jungen Frauen und Männern (<30J.)
Geschlecht
Ablöse aus der
Familie
Ablöse aus
Jugendwohlfahrt
gesamt
abs.
in %
abs.
in %
abs.
in %
Frauen (% aus 15)
3
20%
3
20%
6
40%
Männer (% aus 16)
9
56%
2
13%
11
69%
gesamt (% aus 107)
12
11%
5
5%
17
16%
In den hier dokumentierten Fällen (siehe ausgewählte Beispiele unten) stehen kombinierte
Problemlagen im Hintergrund, wie etwa:

Schwierigkeiten mit dem Übergang von schulischer in berufliche Bildung

problematischer Einstieg ins Erwerbsleben

Konsum von Alkohol und / oder Drogen

Krach wegen Regelbrüchen aller Art, wie z.B. Hausregeln in der Jugendwohlfahrt,
innerfamiliäre Konflikte etc.
Sichtbar wird bei dieser Untergruppe des Klientels jedenfalls auch eine große Distanz zu
formellen Hilfe- und Unterstützungssystemen. Nahezu durch die Bank finden sich hier in
erster Linie informelle Bewältigungsstrategien, ib. die temporäre Zuflucht bei Bekannten.
Fallbeispiel aus der Sozialberatung (Nr. 77)
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Ablöse
von Familie in die Wohnungslosigkeit / immer nur
kurzfristige Arbeitsverhältnisse / kein Anspruch auf
Arbeitslosenunterstützung
Angaben zur Person
Weiblich; <20J.; Österreich; nicht
erwerbstätig; Sozialhilfe; bei Bekannten /
ohne Mietvertrag
WL: prekäre Selbständigkeit – Jobs / temporäre und
prekäre Unterkunft bei Bekannten
höchster Bildungsabschluss: Hauptschule
Status der Betreuung: ambulant, Aufbau der
Betreuungsbeziehung
Einkommen: € 464
Bedarf: Beratung, eigene Mietwohnung, Start einer
Berufsausbildung
Fixausgaben: k.A.
Fallbeispiel aus der Sozialberatung (Nr. 83)
Angaben zur Person:
Männlich; 21-30J.; ledig; Österreich;
nicht erwerbstätig; Schulden,
Krankengeld; obdachlos
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
Hilfsarbeiterjobs – viele Krankenstände – aktuell
arbeitsunfähig; Alk.Problem
WL: probl. Ablöse von Eltern (rausgeschmissen) -> WL seit
2007 (nur kurzzeitig in eigener Wohnung)
höchster Bildungsabschluss: Poly
Betreuungsstatus: regelmäßiger Beratungskontakt
Einkommen: € 760
Bedarf: Beratung, sehr niederschwellige Wohnbetreuung, die
es in Sbg nicht gibt
Fixausgaben: k.A.
89
Fallbeispiel aus der Sachwalterschaft (Fall Nr. 12)
Angaben zur Person
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: probl.
Ablöse aus JW, nicht erwerbsfähig, psychisch
krank; prekäre Wohnversorgung = alleine nicht
wohnfähig / tw. bei Bekannten
Weiblich / 21-30J.; ledig / Sozialhilfe, nicht
erwerbstätig / Untersuchungshaft; hatte nie
eigene Wohnung
Status der Betreuung: ambulant, aktuell in U-Haft
höchster Bildungsabschluss: kein Abschluss
Bedarf: Einkommenssicherung und –verwaltung;
stationäre Versorgung und psychosoziale
Betreuung
Einkommen: € 460 (vor der Haft)
Fixausgaben: keine
2.1.6 Aus stationärer Betreuung – in die Wohnungslosigkeit
Als besonders kritische Schnittstelle unterschiedlicher Hilfesysteme erweist sich nach
Durchsicht der vorliegenden Betreuungsdokumentationen auch der Übergang aus stationären
Behandlungseinrichtungen wie psychiatrische Kliniken, Entwöhnungseinrichtungen der
Suchthilfe etc. Insbesondere kritisch gestalten sich in diesem Zusammenhang jene
KlientInnen, die sich durch fehlende Krankheitseinsicht auszeichnen, die Behandlung
tendenziell verweigern respektive vor Abschluss abbrechen.
In diesen Fällen gibt es, wie es scheint, keinen funktionierenden / ausreichenden Filter vor
einem Einstieg in die Wohnungslosigkeit. Im besten Fall realisieren diese Personen dann eine
temporäre Zuflucht bei Bekannten oder eine prekäre Unterkunft in einem unbetreuten
Pensionszimmer. Schlimmstenfalls landen sie jedoch auf der Straße, in der Obdachlosigkeit
oder nächteweise in einer Notschlafstelle.
Tab.: Überblick über die geschlechts- und altersspezifische Verteilung (Mehrfachnennungen)
Geschlecht / Alter
Psychiatrie
Suchthilfe
gesamt
abs.
in %
abs.
in %
abs.
in %
Frauen, jünger als 30
Jahre (% aus 15)
4
27%
2
13%
6
40%
Männer, jünger als 30
Jahre (% aus 16)
5
31%
7
44%
12
75%
Frauen, älter als 30 Jahre
(% aus 29)
20
69%
7
24%
27
93%
Männer, älter als 30 Jahre
(% aus 47)
12
25%
32
68%
44
93%
gesamt (% aus 107)
41
38%
48
45%
89
83%
90
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, weiblich (Nr. 87)
Angaben zur Person
Weiblich; 21-30J.; ledig; Österreich;
nicht erwerbstätig; Pensionsvorschuss
& Sozialhilfe; Schulden; Mietwohnung
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: probl. Ablöse
aus JW; prekäre Erwerbsbeteiligung, häufig krank –
psych. Probleme; stationär in CDK
WL: prekäre Wohnversorgung seit 2008; häufig obdachlos
höchster Bildungsabschluss: Poly
Einkommen: € 510
Fixausgaben: 50 (f. Schulden)
Betreuungsstatus: Kontakt in der Beratungsstelle
Bedarf: Beratung, leistbarer Wohnraum,
Schuldenregulierung, Stabilisierung der Gesundheit
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, weiblich (Nr. 14)
Angaben zur Person
weiblich / >50J.; ledig / Österreich /
nicht erwerbstätig; seit vielen Jahren
Sozialhilfebezug / Pensionszimmer /
Schulden
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Delogierung
vor ca. 10 Jahren (unleidliches Verhalten und
Verwahrlosung der Wohnung), psychisch instabil;
fragliche Erwerbsfähigkeit
WL: nach der Delogierung einige Zeit in der Notschlafstelle
und seit 10 Jahren in Pensionszimmer
höchster Bildungsabschluss:
Hauptschule
Betreuungsstatus: loser Kontakt, keine verbindliche
Betreuungsbeziehung
Einkommen: € 460
Bedarf: Beratung und Amtshilfe, Schuldenberatung und
günstiger Wohnraum, Basisversorgung – ev.
Haushaltshilfe
Fixausgaben: € 320 (Miete)
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, männlich (Nr. 55)
Angaben zur Person:
Männlich / 21-30J.; ledig; Österreich;
arbeitslos; Sozialhilfe & Krankengeld;
hohe Schulden; obdachlos
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Entlassung aus
JW in die WL; psychisch sehr instabil; Alk.- und
Drogenprobleme, prekäre Erwerbstätigkeit
WL seit 2007
höchster Bildungsabschluss: Poly /
Lehre abgebrochen
Betreuungsstatus: nach Abbruch des betreuten
Übergangswohnens Beratungskontakt
Einkommen: € Sozialhilfe plus
Krankengeld
Bedarf: Beratung, Schuldenregelung und psychosoziale
Stabilisierung, leistbare Wohnung mit begleitender
Betreuung; geschützte Arbeit
Fixausgaben: € k.A.
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, männlich (Nr. 17)
Angaben zur Person:
männlich / 41-50J.; ledig / Österreich
/ Nicht erwerbstätig; Sozialhilfebezug /
Pensionszimmer
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Langzeitwohnungslos (ca. 15 Jahren), Drogenabhängigkeit;
einmal Gemeindewohnung – verloren wegen
Mietschulden
höchster Bildungsabschluss:
Hauptschule
WL: nach Entwöhnungsbehandlung Entlassung in die
Wohnungslosigkeit, danach Notschlafstelle und
wiederholt Pensionszimmer
Einkommen: € 460
Fixausgaben: € 50
Betreuungsstatus: loser Beratungskontakt (‚wenn er was
braucht‘)
Bedarf: Beratung und Amtshilfe, günstiger Wohnraum,
psychosoziale Betreuung (ib. Drogenkonsum)
91
2.1.7 Entlassung aus der Haft
Wohnungslosigkeit in Folge von Delinquenz und Haftstrafen scheint im Kontext der
vorliegenden Betreuungsdokumentationen allem voran als Problem der männlichen Klienten
auf. So weisen knapp jeder Dritte (31%) der jüngeren und jeder Fünfte der älteren Männer
in ihrer Problemgeschichte eine Haftstrafe auf. Demgegenüber ist dies jeweils nur bei einer
jüngeren sowie älteren Frau der Fall.
Im Gesamtdurchschnitt liegt die Delinquenzquote im hier dokumentierten Sample bei 16%.
Deutlich wird damit die große Bedeutung, die einer systematischen Vorsorge für eine
adäquate Wohnversorgung nach der Entlassung aus einer Haftstrafe zukommt.
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, weiblich (Nr. 48)
Angaben zur Person
weiblich / 21-30J.;
Lebensgemeinschaft / Österreich /
Nicht erwerbstätig; Sozialhilfe /
Pensionszimmer
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: probl. Ablöse
von Familie; Lehrabbruch – unregelmäßiges Leben und
WL (Punker Szene); Drogenabhängigkeit;
Kindesabnahme; Haftstrafe wegen Verwaltungsdelikten
WL: Entzug abgebrochen; Entwöhnung nicht angetreten
Betreuungsstatus: regelmäßiger Beratungskontakt
höchster Bildungsabschluss:
Hauptschule, Lehre abgebrochen
Einkommen: € 464
Bedarf: Beratung, Angebote des betreuten Wohnens für
drogenkonsumierende junge Erwachsene gibt es in Sbg
leider nicht
Fixausgaben: € 300
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, weiblich (Nr. 22)
Angaben zur Person:
weiblich / >50J.; geschieden /
Österreich / Arbeitsunfähig; Rente /
Obdachlos
höchster Bildungsabschluss: Poly
Einkommen: € 712
Fixausgaben: keine
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Tod ihres LG
vor 2000; seither nicht erwerbsfähig und in Pension; Alk.Problem
WL: aus Gemeindewohnung delogiert; Klinikaufenthalt und
Haft; Entlassung in die Wohnungslosigkeit
Bedarf: Beratung und Amtshilfe, günstiger Wohnraum,
psychosoziale Betreuung (Alk.Konsum) – Basisversorgung
Fallbeispiel aus dem ambulanten Betreuungssetting, männlich (Nr. 68)
Angaben zur Person:
Männlich; 21-30J.; ledig; Österreich;
Vollzeit; Schulden; Pensionszimmer
höchster Bildungsabschluss:
Hauptschule
Einkommen: € 900
Fixausgaben: 280
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: probl. Ablöse
von Familie -> WL; prekäre Erwerbslaufbahn; Delinquenz
WL: Haftstrafe, Entlassung in die Wohnungslosigkeit
Betreuungssetting: ambulante Betreuung
Bedarf: Beratung, betreutes Wohnen für junge Erwachsene
92
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, männlich (Nr. 21)
Angaben zur Person:
Männlich / >50J.; geschieden /
Österreich / Nicht erwerbstätig; Rente
/ Pensionszimmer
höchster Bildungsabschluss:
Hauptschule
Einkommen: € 1.168
Fixausgaben: € 520
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Scheidung
2000; seither prekäre Beschäftigung bzw. Arbeitslosigkeit
und prekäre Wohnversorgung; aktuell nicht erwerbsfähig
und befristet in Pension; Alk.-Problem;
WL: Klinikaufenthalt und Haft; Entlassung in die
Wohnungslosigkeit, danach Notschlafstelle und
Pensionszimmer;
Bedarf: Beratung und Amtshilfe, günstiger Wohnraum,
psychosoziale Betreuung (Alk.Konsum) – für Altersheim
angemeldet
2.1.8 Aufenthaltsrechtliche Probleme
In einzelnen Betreuungsdokumentationen wird die problematische Situation von Drittstaatsangehörigen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus und/oder eingeschränkten Zugängen zu
sozialer Sicherheit und Wohnungssicherheit deutlich. Im hier vorliegenden Sample sind
davon insgesamt 15 Personen (14%) betroffen, davon elf Männer und vier Frauen.
Durchgängig ist in diesen Fällen zu beobachten, dass diese Haushalte große Schwierigkeiten
damit haben, die Anmietungs- sowie die laufenden Mietkosten auf dem privaten
Wohnungsmarkt aufzubringen. Die Folge davon sind ausgesprochen unzureichende
Wohnverhältnisse. Das reicht von gesundheitsgefährdendem Substandard (verschimmelte
Wohnung) bis hin zu unvorstellbarem Überbelag (zu sechst in einem Pensionszimmer).
Die ökonomischen Belastungen werden bei manchen dieser Haushalte noch verschärft, wenn
der Aufenthaltsstatus nur unzureichend geklärt ist, wenn etwa das Aufenthaltsrecht einer
weiblichen Drittstaatsangehörigen an den Aufenthaltsstatus ihres männlichen Partners
gebunden ist. So kommt es etwa dazu, dass eine Mutter von zwei Kindern plötzlich ohne
eigenes Einkommen dasteht, weil ihr Lebensgefährte inhaftiert wurde. Die gemeinsame
Wohnung ist unter diesen Vorzeichen nicht mehr leistbar, sie zieht aus und kommt
(vorübergehend?) mit ihren Kindern bei Bekannten unter.
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, weiblich (Nr. 63):
Angaben zur Person:
Weiblich; 21-30J.; ledig – 2 Kinder;
Dritt-Staat – pos. Asylbescheid (in
Sbg seit 2007); arbeitslos; Sozialhilfe
& Unterhalt; Schulden; sehr kleine
Mietwohnung
höchster Bildungsabschluss:
Hauptschule
Einkommen: € 880
Fixausgaben: 30
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Trennung von
LG und Auszug aus Flüchtlingslager -> kleine Wohnung ist
wegen Schimmel nicht bewohnbar und untragbar
WL: Entlassung aus der Bundesbetreuung – in
gesundheitsgefährdenden Substandard, auch nach
Anerkennung des Flüchtlingsstatus – keine adäquate
Wohnversorgung
Betreuungsstatus: Kontakt mit Beratungsstelle
Bedarf: Beratung und Schuldenregulierung, Deutsch-Kurs und
berufliche Ausbildung, Gemeindewohnung
93
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, männlich (Nr. 38):
Angaben zur Person:
männlich / 21-30J.; ledig / DrittStaat / Asylwerber; in Sbg seit 2007
/ Nicht erwerbstätig; mittellos / in
stationärer Behandlung
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Asylverfahren
nicht abgeschlossen; psychisch krank; nicht erwerbsfähig;
kein Anspruch auf Gemeindewohnung
WL: in stationärer Behandlung in der CDK, für die Zeit nach
der Entlassung ist keine Wohnversorgung in Aussicht
Betreuungsstatus: loser Kontakt mit AusländerInnenberatung
höchster Bildungsabschluss: k.A.
Einkommen: kein Einkommen
Fixausgaben: k.A.
Bedarf: Beratung in asylrechtlichen Fragen und psychosoziale
Versorgung, psych. Stabilisierung; Suche nach günstigem
Wohnraum – ev. Pensionszimmer
Fallbeispiel aus der AusländerInnenberatung, männlich (Nr. 18):
Angaben zur Person:
männlich / 41-50J.; ledig – 2
mitziehende Kinder / Dritt-Staat /
Nicht erwerbstätig; Sozialhilfebezug /
Pensionszimmer / Schulden
höchster Bildungsabschluss: kein
Abschluss
Einkommen: € 460
Fixausgaben: € 320
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
langzeitwohnungslos; prekäre Erwerbstätigkeit bzw. nicht
erwerbsfähig; Alk.-Problem; frühere Mietwohnung –
verloren wegen Mietschulden und unleidlichem Verhalten
WL: Haftstrafe; Entlassung in die Wohnungslosigkeit, danach
Notschlafstelle und wiederholt Pensionszimmer
Betreuungsstatus: Beratungskontakt
Bedarf: Beratung in aufenthaltsrechtlichen Fragen, Amtshilfe,
günstiger Wohnraum, psychosoziale Betreuung, und
Schuldenregelung
Fallbeispiel aus der AusländerInnenberatung, weiblich (Nr. 62):
Angaben zur Person:
Weiblich; 31-40J.; verheiratet – 2
Kinder; Dritt-Staat (in Sbg seit
2008); Karenz; bei Bekannten / ohne
Mietvertrag
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: LG in
Untersuchungshaft; kein eigenständiger Aufenthaltstitel –
kein Anspruch auf Transferleistungen;
WL: kann mangels Einkommen Miete nicht zahlen und zieht
aus der gemeinsamen Wohnung aus
Betreuungsstatus: Beratungskontakt
höchster Bildungsabschluss: Matura
Einkommen: € keine
Fixausgaben: k.A.
Bedarf: Beratung, finanzielle Absicherung und
Krankenversicherung, Aufenthaltstitel, psychosoziale
Unterstützung, Wohnversorgung
2.1.9 Überleben im gesellschaftlichen Abseits – akut wohnungslos / obdachlos
Insgesamt scheinen in den Betreuungsdokumentationen sechs Männer und zwei Frauen als
akut wohnungslos / obdachlos auf. Weitere acht Männer sind als NutzerInnen von
Nächtigungsangeboten (Notschlafstellen) dokumentiert. Weiters werden eine Frau sowie
zwei Männer genannt, die aktuell in einem stationären Setting (Psychiatrie oder Haft) und
jenseits einer eigenen (wie immer prekären) Wohnform leben.
94
Tab.: akute Wohnungslosigkeit (inkl. Mehrfachangaben)
NOST
obdachlos
stationär
gesamt
Frauen
0
2
1
3
Männer
8
6
2
16
gesamt
8
8
3
19
Insbesondere bei den als obdachlos dokumentierten Personen verweisen die BetreuerInnen
auf die Tatsache, dass es sich bei ihnen um eine Langzeitkarriere als Wohnungslose handelt,
die sich mit dieser Situation inzwischen bereits weitgehend abgefunden haben. Der WLH
kommen in diesen Betreuungsfällen vor allem Aufgaben einer niederschwelligen
Kontaktstelle zu. Ihr Angebot einer Post- und Kontaktadresse, Hilfestellung bei Amtswegen
und Behördengängen, Geldverwaltung und Dokumentenverwahrung etc. stellt eine wichtige
Überlebenshilfe dar, ohne dass sich daraus zwangsläufig auch Optionen für eine
systematische Bearbeitung oder Bewältigung der grundlegenden Problemlagen ergeben.
Dementsprechend bescheiden sind denn auch die Wünsche und Perspektiven, die einige der
obdachlosen Personen an die Einrichtungen und / oder ihre BetreuerInnen richten. Letztlich
bleibt lediglich das Angebot als Ansprechperson, das dann mehr / minder regelmäßig in
Anspruch genommen wird. Kleinere Überlebenshilfen wie die Vermittlung von neuer
Bekleidung etc. oder aber die Begleitung in eine akut notwendige medizinische Behandlung
stehen im Vordergrund, ohne dass die Betroffenen von sich aus zu mehr bereit wären.
Fallbeispiel aus der Sozialberatung (Fall Nr. 55)
Angaben zur Person:
Männlich / 21-30J.; ledig; Österreich;
arbeitslos; Sozialhilfe & Krankengeld;
Schulden; obdachlos
höchster Bildungsabschluss: Poly / Lehre
abgebrochen
Einkommen: € Sozialhilfe plus Krankengeld
Fixausgaben: € k.A.
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
Entlassung aus JW in die WL; psychisch sehr
instabil; Alk.- und Drogenprobleme, prekäre
Erwerbstätigkeit; überschuldet
WL: seit 2007; aktuell obdachlos
Status der Betreuung: Abbruch des betreuten
Übergangswohnen; seither regelmäßiger Kontakt
mit der Sozialberatung
Bedarf: Beratung, Schuldenregelung und
psychosoziale Stabilisierung, leistbare Wohnung
mit begleitender Betreuung; geschützte Arbeit
95
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, weiblich (Nr. 51)
Angaben zur Person:
weiblich / 21-30J.; ledig / Österreich / Nicht
erwerbstätig; Sozialhilfe und
Pensionsvorschuss / obdachlos
höchster Bildungsabschluss: Lehre ohne
Abschluss
Einkommen: € 460
Fixausgaben: € k.A.
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
Alk.Probleme, prekäre Erwerbstätigkeit
WL: Entwöhnung abgebrochen – in die WL
Betreuungsstatus: regelmäßiger Beratungskontakt
Bedarf: Beratung und betreutes Wohnen, aber:
längerfristige Wohnbetreuung für Frauen – mit
ALK-Toleranz – gibt es in Salzburg nicht
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, männlich (Nr. 74)
Angaben zur Person:
Männlich; >50J.; ledig; Österreich; nicht
erwerbstätig; Sozialhilfe; obdachlos
höchster Bildungsabschluss: Lehre
Einkommen: € 464
Fixausgaben: k.A.
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
seit über 10 Jahren sehr prekäre
Lebensverhältnisse
WL-Status: NOST im Winter; im Sommer im
Freien
Betreuungsstatus: Beratungskontakt;
Wohnvermittlung sowie Antrag auf IVPension vom Kl. abgelehnt
Bedarf: Beratung, begleitende Betreuung
Klient: ist zufrieden, mit dem was er hat
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, männlich (Nr. 79)
Angaben zur Person:
Männlich; 31-40J.; ledig; Österreich; nicht
erwerbstätig; ohne Einkommen; obdachlos
höchster Bildungsabschluss: Sonderschule
Einkommen: k.A.
Fixausgaben: k.A.
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
keine Berufsausbildung, prekäre
Erwerbslaufbahn; prekäre Wohnverhältnisse
WL-Status: seit >10 Jahre ‚Zwischenlösung
Kapuzinerberg‘
Betreuungsstatus: Beratungskontakt
Bedarf: Beratung, Meldeadresse in Beratung
Klient: kommt mit aktueller Situation gut zurecht,
will nichts anderes
96
2.2
Bewältigung von Wohnungslosigkeit
2.2.1 Prävention von Wohnungslosigkeit
Die zur Verfügung gestellten Betreuungsdokumentationen machen die Chancen und
Potenziale zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit augenscheinlich. Das wird etwa in den
Falldarstellungen der Delogierungsprävention klar belegt.
Auch an der Schnittstelle zu Angeboten der Suchthilfe sowie der psychosozialen /
psychiatrischen Versorgung ist die WLH aktiv in Maßnahmen zur Verhinderung von
Wohnungslosigkeit eingebunden. Für diese Aufgabenbereiche liegen ebenfalls mehrere
Betreuungsdokumentationen dieser Auswertung zugrunde.
Die Bewältigung von problematischen Ablösen aus dem familiären Kontext gibt es allerdings
nur ein Beispiel dafür, wie mit den Angeboten der WLH zur Bewältigung einer drohenden
Wohnungslosigkeit beigetragen werden kann.
VERHINDERUNG VON WOHNUNGSVERLUSTEN / DELOGIERUNGS-PRÄVENTION
Die Verlaufs- und Interventionsdarstellungen, die von der Delogierungsprävention vorgelegt
wurden, verweisen vor allem auch auf die Tatsache, dass in vielen Fällen gezielte
Anstrengungen nötig sind, die weit über die ‚nur‘ sozio-ökonomische oder
exekutionsrechtliche Beratung und Hilfestellung hinausgehen. Das betrifft zum einen die
Tatsache, dass die von laufenden Delogierungsverfahren betroffenen Haushalte in der Regel
auch Bedarf nach ergänzenden Unterstützungsleistungen durch begleitende Sozialarbeit
aufweisen, wie z.B. Schuldenregulierung, psychosoziale Stabilisierung etc. In Frage steht
mithin, inwieweit es nach gelungener Wohnungssicherung möglich ist, eine weiterführende
Begleitung von Fachdiensten wie der Schuldenberatung oder von mobilen / nachgehenden
Betreuungsangeboten zur begleitenden Absicherung der Wohnversorgung zu realisieren.
97
Fallbeispiel aus der Delogierungsprävention (Nr. 10 & 11)
Angaben zu den Personen:
Lebensgemeinschaft: weiblich / 3140J. & männlich / 41-50J; mit 2
minderjährigen Kindern in einer
Mietwohnung / Überschuldung &
Mietschulden; beide: Österreich
sie: nicht erwerbstätig / Bezug von
Alimente; er: AMS-Maßnahme
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
prekäre Erwerbstätigkeit / eingeschränkt erwerbsfähig,
Alk-Problem / frühere Delogierungen und in deren Folge
ca. 3 Jahre in prekärer Wohnversorgung / temporär bei
Bekannten; Schulden
WL: laufendes Delo-Verfahren wegen Mietschulden
Status der Betreuung: aktuell läuft Delo-Prävention
höchster Bildungsabschluss: Poly /
Hauptschule
Einkommen: € 1.450
Fixausgaben: € 944 (Miete)
Bedarf: Haushaltsplanung, Beratung und Amtshilfe,
verfahrens- und exekutionsrechtliche Beratung,
Schuldenberatung und günstiger Wohnraum
Fallbeispiel aus der Delogierungsprävention (Nr. 5)
Angaben zu den Personen:
weiblich / 21-30J.; Sozialhilfe;
Lebensgemeinschaft, 1 Kind /
Österreicher / Karenz & Sozialhilfe /
Mietwohnung, Überschuldung
höchster Bildungsabschluss: Lehre
Einkommen: € 900
Fixausgaben: € 960
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
Arbeitslosigkeit, Einkommenseinbußen während Karenz,
Überschuldung (überhöhter Konsum)
WL: laufendes Delo-Verfahren wegen Mietschulden
Status der Betreuung: aktuell läuft Delo-Prävention
Bedarf: Delo-Prävention, Haushaltsplanung, Beratung und
Amtshilfe, Schuldenregulierung
Fallbeispiel aus der Delogierungsprävention (Nr. 9)
Angaben zu den Personen:
männlich / 41-50J.; ledig / Österreich
/ langzeitarbeitslos /
langzeitwohnungslos, AMSMaßnahmen – bis dato ohne Erfolg;
aktuell Pensionsvorschuss / aktuell:
Mietwohnung, aber Mietschulden
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: problematische
Ablöse von Familie in die Wohnungslosigkeit,
prekäre Erwerbsbeteiligung; AMS-Maßnahmen ohne
Erfolg, ausgeprägte Lese- und Schreibstörung;
Einstellung der Pension wegen Verfahrensfehler, prekäre
Wohnversorgung; häufiger Wohnungsverlust,
Pensionszimmer etc., Alk-Problem
WL: laufendes Delo-Verfahren wegen Mietschulden
höchster Bildungsabschluss: Poly
Einkommen: € 670
Fixausgaben: € 212
Status der Betreuung: aktuell läuft Delo-Prävention
Bedarf: Delo-Prävention, Haushaltsplanung, Beratung und
Amtshilfe, psychosoziale Stabilisierung und Behandlung
der Alkoholsucht; Tagesstruktur & Beschäftigung
SICHERSTELLUNG DER WOHNVERSORGUNG ZUR ABLÖSE VON DER FAMILIE
In der Regel werden von den jungen Erwachsenen im Kontext ihrer Ablöse von der Familie
informelle und offensichtlich prekäre (Zwischen)Lösungen angestrebt. So finden sich in den
Betreuungsdokumentationen jüngerer KlientInnen vor allem Beispiele der temporären
Unterkunft bei Bekannten, der Pensionszimmerunterbringung oder einer Aufnahme einer
Beschäftigung mit Firmenquartier. Tatsächlich liegt nur eine Betreuungsdokumentation vor,
98
das die Aufnahme eines jungen Mannes in eine ambulant betreute Übergangswohnung
dargestellt und so eine gelungene Intervention zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit im
Zusammenhang mit einer (unfreiwilligen) Ablöse aus der familiären Wohnversorgung
vorstellt.
Fallbeispiel aus dem ambulant betreuten Übergangswohnen, männlich (Nr. 109)
Angaben zur Person:
Männlich, <20 J., Österreich, ledig,
Vollzeit – Erwerbseinkommen und
Sozialhilfe, Übergangswohnen
höchster Bildungsabschluss: Poly –
aktuell in Lehre
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Mutter in
Strafhaft
WL: die gemeinsame Wohnung steht nicht mehr zur
Verfügung
Einkommen: € 1.000
Betreuungsstatus: der Klient wird in das betreute
Übergangswohnen aufgenommen
Fixausgaben: € 300
Bedarf: Beratung und soziale Sicherheit, leistbare Wohnung
PRÄVENTION VON WOHNUNGSLOSIGKEIT AN DER SCHNITTSTELLE ZUR SUCHTHILFE
Die vorliegenden Beispiele zur Betreuung von Wohnungslosen mit akuter
Abhängigkeitserkrankung verweisen darauf, dass die Aufnahme in eine betreute
Wohneinrichtung wesentlich davon abhängt, inwieweit es den Betroffenen gelingt, auf den
Konsum zu verzichten und abstinent / clean zu leben. Dabei erscheinen vor allem die
Angebote für alkoholkranke Menschen tendenziell weicher in den Abstinenzauflagen,
während es für drogenkonsumierende Menschen so gut wie gar keine akzeptierenden
Angebote gibt.
Die nachstehenden Beispiele stammen aus einer Übergangswohneinrichtung für abstinente
Wohnungslose sowie aus dem Kontext der ambulanten Wohnbetreuung und illustrieren den
komplexen Aufgabenrahmen, der sich bei der Hilfestellung zur Bewältigung der
Wohnungslosigkeit bei dieser Zielgruppe ergibt.
99
Fallbeispiel aus dem betreuten Übergangswohnen für alkoholkranke Männer (Nr. 97)
Angaben zur Person:
Männlich; 21-30J.; ledig; Österreich;
arbeitslos / Schulung; Alu; bei
Bekannten / ohne Mietvertrag
höchster Bildungsabschluss: Lehre
ohne Abschluss
Einkommen: € 900
Fixausgaben: k.A
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Alk.Problem;
verliert Arbeit und kann sich die Wohnung nicht mehr
leisten; zieht vorübergehend bei Bekannten ein
WL: nach erfolgreicher Ableistung einer
Entwöhnungsbehandlung folgt die Aufnahme in eine
betreute Wohneinrichtung
Betreuungsstatus: Bezugsbetreuung mit Schwerpunkt auf
psychosoziale und Abstinenzstabilisierung, Hilfestellung
bei beruflicher Qualifizierung
Bedarf: Beratung, Schuldenregulierung, leistbarer Wohnraum
und ambulante Begleitung
Fallbeispiel aus dem betreuten Übergangswohnen für alkoholkranke Männer (Nr. 92)
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Alk.Problem
seit etwa 2000
Angaben zur Person:
Männlich; 41-50J.; ledig; Österreich;
vollzeit; Entgelt; Übergangswohnen
höchster Bildungsabschluss: Lehre
Einkommen: € 1.200
Fixausgaben: k.A.
WL: Trennung von LG -> prekäre Lebensbedingungen und
Wohnversorgung, Antritt einer Entwöhnungsbehandlung
Betreuungsstatus: nach Entwöhnung Aufnahme in eine
Übergangswohneinrichtung für abstinente Wohnungslose
mit Schwerpunkt auf psychosoziale und
Abstinenzstabilisierung
Bedarf: Beratung, Schuldenregulierung; leistbare Wohnung,
Aufbau von abstinentem Kontaktumfeld
Kl.: Wechsel aus Gastronomie in andere Berufssparte;
Beibehaltung der Abstinenz; Aufbau sozialer abstinenter
Kontakte, eigene Wohnung beziehen
100
Fallbeispiel aus der ambulanten Wohnbetreuung, weiblich (Nr. 41)
Angaben zur Person:
weiblich / >50J.; geschieden /
Österreich / Nicht erwerbstätig; IVRente / Ambulante Wohnbetreuung /
Langzeitwohnen
höchster Bildungsabschluss: Matura
Einkommen: € 780
Fixausgaben: € 335
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: nach zweiter
Scheidung – sozialer Abstieg; Alkoholabhängigkeit;
aktuell aus gesundheitlichen Gründen nicht erwerbsfähig
und IV-Pension
WL: seit 2009 wohnungslos
Betreuungsstatus: ambulante Wohnbetreuung, ohne zeitliche
Befristung
Bedarf: Beratung in gesundheitlichen Angelegenheit und
begleitende Wohnbetreuung
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, weiblich (Nr. 48)
Angaben zur Person:
weiblich / 21-30J.;
Lebensgemeinschaft / Österreich /
Nicht erwerbstätig; Sozialhilfe /
Pensionszimmer
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: nach
Lehrabbruch – unregelmäßiges Leben und WL (Punker
Szene); Drogenabhängigkeit; Entzug abgebrochen;
Entwöhnung nicht angetreten; Haftstrafe wegen
Verwaltungsstrafen / zwischenzeitiges Mietverhältnis
wegen unleidlichem Verhalten gekündigt und delogiert
höchster Bildungsabschluss:
Hauptschule, Lehre abgebrochen
WL seit dem 16. Lebensjahr / Ablöse von Familie, pendelt
seither zwischen NOST, Bekannten, lebt nun seit 2 Jahren
mit LG in Pensionszimmer
Einkommen: € 464
Fixausgaben: € 300
Betreuungsstatus: regelmäßiger Beratungskontakt
Bedarf: Beratung, Angebote des betreuten Wohnens für
drogenkonsumierende junge Erwachsene gibt es in Sbg
leider nicht
WL-PRÄVENTION AN DER SCHNITTSTELLE ZUR PSYCHOSOZIALEN / PSYCHIATRISCHEN VERSORGUNG
Der Überblick über die vorliegenden Betreuungsdokumentationen belegt eindrücklich die
große Bedeutung, die der Schnittstelle der WLH zur psychosozialen / psychiatrischen
Versorgung in der konkreten Praxis der Einrichtungen beigemessen werden muss. Nur zu oft
jedoch wird hier auch sichtbar, dass es um die Perspektiven für eine erfolgversprechende
Bewältigung von Wohnungslosigkeit häufig nicht sehr gut bestellt ist. Vielfach sind Personen
mit ausgeprägten psychosozialen Belastungen bis Beeinträchtigungen sowohl in Hinblick auf
ihre soziale Sicherheit als auch bezüglich ihrer Wohnversorgung auf ausgesprochen prekäre
Lösungen angewiesen.
Demgegenüber verdeutlichen einzelne Beispiele durchaus ambitionierte Ansätze, wie mit
dieser Ausgangslage in enger Abstimmung und Kooperation der unterschiedlichen
Hilfeangebote umgegangen werden kann.
101
Fallbeispiel aus dem betreuten Übergangswohnen (Nr. 107)
Angaben zur Person:
Männlich, 21-30 J., Österreich, ledig,
erwerbstätig / Sozialhilfe,
Übergangswohnen
höchster Bildungsabschluss: Poly
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: nach dem Tod
der Eltern wohnte er entweder in Dienstzimmern oder bei
Freunden; psychisch instabil / Depression
WL: Klient hatte noch nie eine eigene Wohnung
Betreuungsstatus: Wohnbetreuung im Übergangswohnen
Einkommen: € 1.100
Fixausgaben: € 300
Bedarf: Beratung, Schuldenregulierung, psychosoziale
Stabilisierung, leistbare Wohnung
Fallbeispiel aus der ambulanten Betreuung, weiblich (Nr. 45)
Angaben zur Person:
Weiblich / >50J., ledig / Österreich; in
Sbg seit 2003 / Nicht erwerbstätig /
ambulante Wohnbetreuung
höchster Bildungsabschluss: HASCH
Einkommen: € Sozialhilfe
Fixausgaben: € 300
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: nach
mehrjährigen Auslandsaufenthalten landet sie 2003
mittellos und hilflos in Salzburg, psychisch sehr belastet
aber nicht in regulärer psychiatrischer Behandlung
WL: wohnungslos in Salzburg gestrandet, über Intervention
der Sozialberatung folgt die Aufnahme ins ambulant
betreute Wohnen
Betreuungsstatus: ambulante Wohnbetreuung
Bedarf: Beratung und Amtshilfe, gesundheitliche und
psychosoziale Stabilisierung
Fallbeispiel aus der ambulanten Betreuung, männlich (Nr. 65)
Angaben zur Person:
Männlich; 41-50J.; geschieden;
Österreich; Vollzeit; Schulden,
Mietwohnung
höchster Bildungsabschluss: Lehre
Einkommen: € 1.100
Fixausgaben: 800
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Trennung von
LG, stabile Erwerbslaufbahn bis zum Knick, Haftstrafe,
aktuell Bodenlegen
WL: Ende 08 Suizidversuch, CDK-Aufenthalt, Entlassung in
die WL
Betreuungsstatus: Hilfestellung bei der Anmietung einer
eigenen Wohnung, kontinuierliche ambulante Betreuung
Bedarf: Beratung, Schuldensanierung, Wohnungserhalt,
Jobwechsel (wegen Gesundheit)
WL-PRÄVENTION AN DER SCHNITTSTELLE ZUM WOHNUNGSMARKT
An Einrichtungen der WLH wenden sich auch Personen, die zwar in einer eigenständigen
Wohnung leben, jedoch in Hinblick auf finanzielle oder gesundheitsspezifische
Gesichtspunkte nicht adäquat wohnversorgt sind. Das betrifft etwa Probleme im
Zusammenhang mit den Wohnkosten bzw. mit der Größe der verfügbaren Wohnung und
entsprechendem Überbelag sowie der Suche nach einer leistbaren und ausreichend großen
102
Wohnung. Insbesondere problematisch erscheint in manchen Fällen, dass die verfügbare
Wohnung gravierende Mängel (Substandard, Schimmel etc.) aufweist, oder keine
ausreichende mietrechtliche Absicherung gegeben ist.
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, weiblich (Nr. 58)
Angaben zur Person:
Weiblich; 41-50J.; ledig; Österreich;
arbeitslos; Transfer aus der ALV;
Gemeindewohnung
höchster Bildungsabschluss:
Hauptschule
Einkommen: € 750
Fixausgaben: € 330
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: aufgrund
gesundheitlicher Probleme und psychischer Instabilität
(Depression) in den letzten Jahren prekäre
Erwerbstätigkeit; 2009 Suizid des LG; neuer Freund
erweist sich als gewalttätig
WL: lebt derzeit in einer Gemeindewohnung – Probleme mit
Schimmel
Status der Betreuung: laufender Kontakt mit Beratungsstelle
Bedarf: Beratung, gesundheitliche Abklärung,
Wohnungswechsel
2.2.2 Informelle Strategien zur Bewältigung der Wohnversorgungskrise
Ein großer Teil der hier dokumentierten wohnungslosen Menschen in Salzburg befindet sich
aktuell in eher prekären Lebensumständen, und ist um informelle Lösungen der akuten
Wohnversorgungskrise bemüht.
TEMPORÄRE UNTERKUNFT BEI BEKANNTEN, VERWANDTEN ODER ARBEITGEBERINNEN
Das betrifft in erster Linie die temporäre Unterkunft bei Bekannten. Wesentlich erscheint
dabei die Tatsache, dass diese temporären Lösungen keinerlei mietrechtliche Absicherung
gewährleisten und häufig mit Bedingungen des Überbelags und einem Verzicht auf
Privatsphäre (für alle Beteiligten) verbunden sind.
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, weiblich (Nr. 80)
Angaben zur Person:
Weiblich; 41-50J.; geschieden;
Österreich; nicht erwerbstätig;
Sozialhilfe; bei Bekannten / ohne
Mietvertrag
höchster Bildungsabschluss: Poly
Einkommen: € 464
Fixausgaben: k.A.
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: seit 2000 ohne
Erwerbstätigkeit, wegen Burn Out & Depressionen in
Behandlung -> arbeitsunfähig; nach Trennung von LG
kommt es zu einer ersten Phase der Wohnungslosigkeit
(2005)
WL: 2007 Delogierung aus Gemeindewohnung
Betreuungsstatus: loser Kontakt in der Beratungsstelle
Bedarf: Stabilisierung der Betreuung, leistbare Wohnung
103
Entlassung aus der psychiatrischen Klinik in die Wohnungslosigkeit, weiblich (Nr.35)
Angaben zur Person:
weiblich / 21-30J.; ledig / Österreich
/ Nicht erwerbstätig;
Pensionsvorschuss / bei Bekannten
höchster Bildungsabschluss: Poly
Einkommen: € 500
Fixausgaben: k.A.
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: problematische
Ablöse von den Eltern; psychisch behindert; aktuell nicht
erwerbsfähig
WL: Klinikaufenthalte -> Entlassung in die WL
Status der Betreuung: seit 2008 ohne eigenständigen
Wohnsitz
Bedarf: Beratung und psychosoziale Versorgung, Hilfe bei
Suche nach günstigem Wohnraum
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, männlich (Nr. 24)
Angaben zur Person:
männlich / >50J.; ledig / Österreich /
Nicht erwerbstätig; Rente / Bei
Bekannten oder NOST
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Tod der Mutter
im Erbschaftsstreit verliert er den Anspruch auf die
Wohnung der Mutter; nicht erwerbsfähig – in Pension;
psychisch krank
WL: seither langzeitwohnungslos
höchster Bildungsabschluss:
Universitätsabschluss / Doktorat
Betreuungsstatus: im Beratungskontakt
Einkommen: € 750
Fixausgaben: keine
Bedarf: Beratung und Amtshilfe, günstiger Wohnraum, ev.
Seniorenheim – Basisversorgung
TEMPORÄR IN (BILLIG-)PENSIONSZIMMER
Eine temporäre Unterkunft in einem Pensionszimmer ist sowohl bei Männern als auch bei
Frauen in akuter Wohnungslosigkeit eine häufig gewählte Option. Das betrifft insbesondere
Personen nach einem stationären Aufenthalt in der Psychiatrie, nach einer Haftentlassung
oder auch nach einer gerichtlichen Wegweisung wegen Gewalt in der Beziehung.
Diese Lebensverhältnisse erscheinen insbesondere dann als besonders belastend, wenn auch
noch mitziehende Minderjährige davon betroffen sind.
In dieser Situation kommt der nachgehenden und aufsuchenden Beratung und Betreuung
eine besondere Bedeutung zu, um zu verhindern, dass sich die Notlage, wie ebenfalls häufig
zu beobachten ist, verfestigt und quasi als Dauerstrategie etabliert.
104
Fallbeispiel aus der Sozialberatung, Familie mit Kindern (Nr. 27 & 28)
Angaben zu Personen:
Weiblich: 31-40J.; 2 Kinder
Lebensgemeinschaft / EU-Ausland /
nicht erwerbstätig; Karenzgeld
Männlich: 31-40J /
Lebensgemeinschaft / Dritt-Staat /
nicht erwerbstätig; AL-Bezug
gemeinsam mit LG und Kindern in
Pensionszimmer
höchster Bildungsabschluss:
Hauptschule / Poly
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
Frau: Trennung von früherem LG in der BRD – Rückkehr
nach Sbg 2009; nunmehr mit neuem LG und Kindern in
einem Pensionszimmer
Mann: Wegweisung und Scheidung von der früheren LG /
nach der Wegweisung temporäre Lösungen der WL in
Notschlafstelle und Pensionszimmer
WL: seit 2009 mit Kindern in Pensionszimmer
Betreuungsstatus: Beratungskontakt / Überbelag
Bedarf: Beratung und Amtshilfe, günstiger Wohnraum
Einkommen: € 1.700
Fixausgaben: 320
Fallbeispiel aus der ambulanten Betreuung, männlich (Nr. 66)
Angaben zur Person:
Männlich; keine Altersangabe; ledig; Österreich;
arbeitslos / AMS-Kurs; Pensionszimmer
höchster Bildungsabschluss: Hauptschule
Einkommen: € 600
Fixausgaben: € 300
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
Problematische Ablöse von Familie und JW;
Delinquenz und Haftstrafe; psychische
Probleme und Klinikaufenthalte; Schulden;
Suchterkrankung – Therapie abgebrochen ->
WL; eingeschränkt arbeitsfähig und etwa 10
Jahre nicht erwerbstätig
WL: Verlust der Wohnung durch Haft
Status: regelmäßiger Beratungskontakt
Bedarf: Beratung, Schuldenregelung, leistbare
Mietwohnung; psychosoziale Stabilisierung
und Drogenabstinenz
2.2.3 Professionelle Hilfen zur Bewältigung der Wohnungslosigkeit
Die professionellen Hilfen zur Bewältigung von Wohnungslosigkeit in Salzburg (siehe dazu
den Überblick über die WLH im Anhang) streuen von niederschwelligen Einrichtungen
(Beratungsstellen, Tageszentren und Notschlafstellen) bis hin zu spezialisierten Fachdiensten
(Delogierungsprävention) und den Angeboten des betreuten Wohnens. Den vorliegenden
Betreuungsdokumentationen dieser Einrichtungen ist gemeinsam, dass die Komplexität der
fachlichen Anforderungen gut abgebildet werden kann.
In den nachstehenden Absätzen zu Kernaufgaben der Wohnungslosenhilfe sollen einerseits
die breit gespannten Aufgabenstellungen illustriert werden und andererseits ansatzweise
widersprüchliche Anforderungen an die Hilfestruktur exemplarisch herausgestrichen werden.
105
SICHERSTELLUNG FINANZIELLER SICHERHEIT
Wohnungslosigkeit tritt in der Regel dann ein, wenn mindestens zwei Faktoren
zusammentreffen. Das betrifft einerseits ökonomische Unsicherheit oder ein prekäres
Einkommen einerseits sowie individuelle Belastungen (wie etwa im Kontext problematischer
Ablöse- oder Trennungsprozesse) andererseits. In Situationen wie diesen brechen die
sprichwörtlichen Dämme und Netze, der soziale Absturz in die Wohnungslosigkeit erscheint
unter diesen Vorzeichen nahezu unausweichlich.
Die zentrale Frage, die sich dann stellt, ist, ob die potenziellen Krisenopfer rechtzeitig den
Weg in eine Beratungsstelle finden und den freien Fall gewissermaßen auffangen können –
unter der Voraussetzung, dass es mithilfe der fachlichen Intervention dann möglich ist, für
ein ausreichendes und bedarfsentsprechendes Einkommen zu sorgen.
Tab.: Überblick über Art und Höhe des Einkommens
Geschlecht / Alter
bis € 500
bis € 1.000
über € 1.000
abs.
in %
abs.
in %
abs.
in %
Frauen, jünger als 30
Jahre (% aus 15)
5
33%
5
33%
2
13%
Männer, jünger als 30
Jahre (% aus 16)
3
19%
9
56%
1
6%
Frauen, älter als 30 Jahre
(% aus 29)
10
34%
13
27%
5
17%
Männer, älter als 30 Jahre
(% aus 47)
8
17%
24
51%
13
28%
gesamt (% aus 107)
26
24%
51
48%
21
20%
ZUGANG ZUM ARBEITSMARKT UND STABILISIERUNG DER ERWERBSBETEILIGUNG
Wohnungslosigkeit ist äußerst eng mit einer problematischen Erwerbsbeteiligung verknüpft.
Die Erwerbsbeteiligung der hier dokumentierten Personen liegt bei 22%.
Viele wohnungslose Personen sind nur eingeschränkt erwerbsfähig und zum Teil bereits als
InvaliditätspensionistInnen formell aus der Erwerbsarbeit ausgeschieden. Ein weiterer großer
Anteil ist formell arbeitslos gemeldet und z.T. bereits seit längerer Zeit ohne reguläre
Erwerbsarbeit. Das betrifft zu hohen Anteilen auch jene Personen, die im Rahmen der
Hilfeangebote des betreuten Wohnens betreut werden. Offensichtlich wird damit, dass der
Arbeitsmarkt insbesondere für Personen mit niedriger bzw. überhaupt fehlender beruflicher
106
Qualifizierung sowie weitergehenden individuellen Belastungen (sozial, gesundheitlich etc.)
tendenziell nur unzureichend aufnahmefähig ist.
Tab.: Überblick über berufliche Qualifikation und Erwerbsbeteiligung
Geschlecht / Alter
Pflichtschule
Lehre
abs.
in %
abs.
in %
Frauen, jünger als 30
Jahre (% aus 15)
7
47%
3
20%
Männer, jünger als 30
Jahre (% aus 16)
13
81%
1
6%
Frauen, älter als 30 Jahre
(% aus 29)
14
28%
7
24%
Männer, älter als 30 Jahre
(% aus 47)
21
45%
16
34%
gesamt (% aus 107)
45
42%
27
25%
In diesem Zusammenhang stellt sich insbesondere auch die Frage nach entsprechenden
Angeboten und Hilfen durch das Arbeitsmarktservice, die in den vergangenen Jahren mit
Verweis auf die eingeschränkte Arbeitsmarktrelevanz von psychosozial und / oder
gesundheitlich belasteten Personengruppen eher restriktiv diskutiert bzw. überhaupt
eingeschränkt wurden. Jüngere Ansätze wie „Hilfe zur Arbeit“ für die Zielgruppe von
SozialhilfeempfängerInnen sowie die explizite Zielformulierung aktivierender Hilfestellung im
Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (siehe dazu: Salzburger
Mindestsicherungsgesetz 2010) stellen einen Versuch dar, Auswege aus der prekären
Erwerbsbeteiligung zu realisieren bzw. der nahezu durchgängigen Ausgrenzung dieser
Zielgruppe aus dem Arbeitsleben entgegen zu wirken.
PSYCHOSOZIALE STABILISIERUNG
Die vorliegenden Betreuungsdokumentationen ergeben ein alarmierendes Bild bezüglich der
psychosozialen Befindlichkeit der KlientInnen aus WLH und angrenzenden Hilfeeinrichtungen.
Einschränkend ist hier jedoch anzumerken, dass es sich dabei nicht um fachärztliche
Diagnosen handelt, sondern um z. T. gut begründete und nachvollziehbare Darstellungen
von Problemlagen und dahinter vermuteten / beobachteten Ursachen. Ob und inwieweit
diese Problembefunde den Anforderungen einer wissenschaftlich angeleiteten Sozialdiagnose
entsprechen kann und soll hier nicht bewertet werden. Als Fakt erscheint immerhin, dass in
der Praxis der sozialen Arbeit mit wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit betroffenen
Menschen Fragen der psychosozialen Befindlichkeit sowie einer vorliegenden
107
Abhängigkeitserkrankung und entsprechenden Bedarfslagen zur Stabilisierung eine enorm
wichtige Rolle spielen.
Tab.: Bedarf nach psychosozialer Stabilisierung
Geschlecht / Alter
psychische Probleme
Abhängigkeitserkrankung
gesamt
abs.
in %
abs.
in %
abs.
in %
Frauen, jünger als 30
Jahre (% aus 15)
4
27%
2
13%
6
40%
Männer, jünger als 30
Jahre (% aus 16)
5
31%
7
44%
12
75%
Frauen, älter als 30 Jahre
(% aus 29)
20
69%
7
24%
27
93%
Männer, älter als 30 Jahre
(% aus 47)
12
26%
32
68%
44
94%
gesamt (% aus 107)
41
38%
48
45%
89
83%
In einzelnen Betreuungsdokumentationen wird dezidiert hervorgehoben, dass die Arbeit mit
diesen Personen vor allem durch eine fehlende Krankheitseinsicht, die Verweigerung von
medikamentöser / psychiatrischer Behandlung und / oder mangelnder Abstinenzbereitschaft
erschwert wird. Behandlungsabbrüche stehen nur zu oft Pate für den Einstieg in eine
Karriere des sozialen Abstiegs, stellen nur zu oft jedoch auch die Bemühungen um eine
stabile Betreuungsbeziehung im ambulanten Kontext von Beratungsstellen und / oder
Wohnbetreuung vor harte Bewährungsproben, insbesondere dann, wenn eine Vermittlung
dieser Personen in niederschwellige und anforderungsarme Betreuungsangebote mangels
entsprechender Einrichtungen nicht möglich ist.
Die nachstehenden Falldarstellungen sollen gleichermaßen die spezifische Anforderung an
die Hilfestruktur exemplarisch verdeutlichen und den Bedarf nach Hilfeangeboten mit
entsprechenden Standardvorsorgen belegen.
ZUGANG ZUR WOHNVERSORGUNG
Die Wohnungslosenhilfe bietet ein vielfältiges Spektrum von spezialisierten Angeboten, die
wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen einen Zugang zu einer
bedarfsgemäßen Wohnversorgung eröffnen. Die tageweise Unterbringung in einer
Notschlafstelle stellt einen formlosen und anforderungsarmen Zugang zum Hilfesystem
sicher. Die Aufnahme in eine temporäre Wohnbetreuung im semistationären Kontext von
Wohnheimen oder Wohngemeinschaften bietet darauf aufbauend die Möglichkeit zur
108
Bearbeitung bzw. Bewältigung von individuellen Problemlagen. Mit dem Angebot der
ambulanten Betreuung in eigenständigen Wohnungen wird ein erster Schritt zu einem
selbständigen Leben unabhängig von Betreuung und Begleitung gesetzt, der in weiterer
Folge in die Vermittlung in eine adäquate und leistbare eigene Wohnung münden soll.
Mit dieser Angebotsstruktur folgt die Salzburger WLH dem Paradigma einer aufbauenden und
schrittweisen Unterstützung von wohnungslosen Menschen bei ihrer Reintegration in die
Gesellschaft.
Der Blick auf die vorliegenden Betreuungsdokumentationen verdeutlicht jedoch auch die
Probleme respektive Grenzen dieses sozialpädagogisch ausgerichteten Ansatzes, dessen
funktionieren wesentlich davon abhängig ist, ob es in angemessener Zeit dann auch möglich
ist, eine Weitervermittlung dieser KlientInnen zu gewährleisten und einen zwischenzeitigen
Abbruch in diesem Hürdenlauf zu vermeiden.
Die WLH wird in diesem Kontext nur zu oft veranlasst, bei der Aufnahme in die
Wohnbetreuung nach Passfähigkeit zu filtern, gewissermaßen Prognosen für einen
erfolgversprechenden Verlauf zu stellen – und im Umkehrschluss jene Personen auszufiltern
und von der Aufnahme auszuschließen, bei denen eine positive Erfolgsprognose eben nicht
realistisch erscheint.
Die nachstehenden Fallbeispiele verweisen u.a. auch auf die Problematik, inwieweit es
wirklich die Aufgabe der WLH sein kann / darf, ihre KlientInnen nach dem Kriterium der
Wohnfähigkeit und / oder ihrer Bereitschaft, Abstinenzauflagen zu befolgen, zu filtern,
gewissermaßen das Menschenrecht auf Wohnen zu beugen und für jene Menschen
auszusetzen, die sich in einem weiten Sinne als betreuungsresistent erweisen.
BETREUTES
WOHNEN IM ÜBERGANG
Die vorliegenden Betreuungsdokumentationen aus dem betreuten Übergangswohnen
spiegeln die breite Anforderungs- und Bedarfspalette der WLH gut wieder. Im Einzelnen geht
es in diesen Betreuungen um:

Schuldenregulierung

Amtshilfe und Stabilisierung der sozialen Sicherheit

psychosoziale Stabilisierung und Persönlichkeitsbildung

Hilfestellung bei der Bewältigung einer Abhängigkeitserkrankung und beim Aufbau
eines abstinenten sozialen Umfelds
109
Gemeinsamer Nenner der laufenden Wohnbetreuungen ist – wie nicht anders zu erwarten –
die Suche nach einer leistbaren Wohnung.
Fallbeispiel aus dem Übergangswohnen, männlich (Nr. 94)
Angaben zur Person:
Männlich; 41-50J.; geschieden;
Österreich; nicht erwerbstätig;
Sozialhilfe; Übergangswohnen
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: Alk.Probleme;
Entwöhnungsbehandlung
WL: Haftstrafe, Entlassung in die WL
höchster Bildungsabschluss: Lehre
nicht abgeschlossen
Status: ambulante Wohnbetreuung im Übergangswohnen
Einkommen: € 464
Bedarf: Beratung, Schuldenregulierung; leistbare Wohnung
und Aufbau eines abstinenten Kontaktumfelds
Fixausgaben: € 51 für Schuldenraten
Fallbeispiel aus dem betreuten Übergangswohnen, weiblich (Nr. 104)
Angaben zur Person:
Weiblich, <20 J.; Österreich, ledig,
arbeitslos, AL/NH-Bezug, Schulden,
Übergangswohnen
höchster Bildungsabschluss: Lehre
Einkommen: € 770
Fixausgaben: € 300
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: prekäres
Einkommen; sehr unselbständig
WL: Trennung vom LG -> in die Wohnungslosigkeit
Status der Betreuung: betreutes Übergangswohnen
Bedarf: Beratung und soziale Sicherheit, Amtsbegleitung,
Arbeits- und Wohnvermittlung; Schuldenregelung
Fallbeispiel aus dem ambulant betreuten Übergangswohnen, männlich (Nr. 107)
Angaben zur Person:
Männlich, 21-30 J., Österreich, ledig,
erwerbstätig / Sozialhilfe,
Übergangswohnen
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: hatte noch nie
eigene Wohnung / nach dem Tod der Eltern ->
Dienstzimmer oder bei Freunden;
WL: psychisch instabil / Depression
höchster Bildungsabschluss: Poly
Einkommen: € 1.100
Fixausgaben: € 300
Betreuungsstatus: ambulant betreutes Übergangswohnen
Bedarf: Beratung, Schuldenregulierung, psychosoziale
Stabilisierung, leistbare Wohnung
Fallbeispiel aus dem betreuten Übergangswohnen, weiblich (Nr. 102)
Angaben zur Person:
Weiblich, 41-50J.; Österreich, ledig,
arbeitslos / AL/NH, Übergangswohnen
höchster Bildungsabschluss: Lehre
Einkommen: € 700
Fixausgaben: € 300
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: keine
eigenständige Wohnversorgung; Alk.Problem / psych.
instabil
WL: späte Trennung von den Eltern
Betreuungsstatus: betreutes Wohnen
Bedarf: Beratung, soziale Sicherheit, leistbare Wohnung,
Behandlung der Alk.Abhängigkeit
110
(LANGZEIT-)BETREUUNG IM STATIONÄREN KONTEXT DER WLH
Unter dem Titel der Langzeit-Wohnbetreuung finden sich vor allem Personen, die infolge
einer über viele Jahre hinweg verfestigten prekären Lebensform nur eingeschränkt in der
Lage sind, selbständig zu wohnen, und einer kontinuierlichen Betreuung bedürfen. In den
Betreuungsdokumentationen wird gut belegt, dass eine Ablösung dieser Personen aus dem
Betreuungssetting eine Gefährdung des aktuellen Lebensstandards bedeuten würde. Letztlich
stellt sich in diesen Fällen auf Sicht die Frage, welche Form einer Dauer- und
Basisversorgung gewählt wird bzw. ob und inwieweit eine Alternative zum betreuten
Dauerwohnen in Form einer Integration in ein Seniorenheim praktisch umgesetzt werden
kann.
Fallbeispiel aus dem betreuten Wohnen, weiblich (Nr. 41)
Angaben zur Person:
weiblich / >50J.; geschieden /
Österreich / Nicht erwerbstätig; IVRente / Ambulante Wohnbetreuung /
Langzeitwohnen
höchster Bildungsabschluss: Matura
Einkommen: € 780
Fixausgaben: € 335
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: nach zweiter
Scheidung – sozialer Abstieg; Alkoholabhängigkeit;
aktuell aus gesundheitlichen Gründen nicht erwerbsfähig
und IV-Pension
WL-Status: seit 2009 wohnungslos
Betreuungsstatus: Langzeitwohnen
Bedarf: Beratung in gesundheitlichen Angelegenheit und
begleitende Wohnbetreuung
Fallbeispiel aus dem betreuten Wohnen, männlich (Nr. 42)
Angaben zur Person:
männlich / >50J.; ledig / Österreich;
seit 2004 in Sbg / Nicht erwerbstätig;
Pensionsvorschuss / Wohnbetreuung
höchster Bildungsabschluss:
Hauptschule
Einkommen: € 460
Fixausgaben: € 227
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
Alkoholabhängigkeit führt zu Verlust von Arbeit und
Wohnung; er kommt Delogierung zuvor und zieht weg
aus damaligem Wohnort; aktuell aus gesundheitlichen
Gründen nicht erwerbsfähig und Pensionsvorschuss
WL-Status: seit 2004 in Salzburg – obdachlos, NOST,
betreutes Wohnen
Betreuungsstatus: Langzeit-Wohnbetreuung
Bedarf: Wegen Angst vor Veränderungen (z.B. gescheiterter
Bezug einer Gemeindewohnung) derzeit keine Alternative
zu begleitender Wohnbetreuung
111
Fallbeispiel aus dem betreuten Wohnen, männlich (Nr. 43)
Angaben zur Person:
männlich / > 50J.; geschieden /
Österreich / nicht erwerbstätig; Rente
und Pflegegeld / Wohnbetreuung
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise:
Alkoholabhängigkeit; seit Unfall chronisch krank /
behindert (Epilepsie etc.) und nicht erwerbsfähig
WL-Status: sozialer Abstieg in Folge von
Abhängigkeitserkrankung und Verfestigung prekärer
Wohn- und Lebensverhältnisse
höchster Bildungsabschluss: Lehre
Einkommen: € 1.200
Fixausgaben: € 290
Status der Betreuung: wohnt seit etwa 10 Jahren in
betreuter Wohngemeinschaft
Bedarf: Perspektive Seniorenheim / Pflegeheim
Fallbeispiel aus dem betreuten Wohnen, männlich (Nr. 44)
Angaben zur Person:
männlich / 41-50J.; ledig,
Unterhaltspflicht für Kinder /
Österreich / Arbeitslos;
Pensionsvorschuss / Schulden /
Wohnbetreuung
höchster Bildungsabschluss: kein pos.
Schulabschluss (Sonderschule); Lehre
ohne Abschluss
Einkommen: € 700
Fixausgaben: € 200
Ursachen für aktuelle Wohnversorgungskrise: verschimmelte
Wohnung – Rechtsstreit – verweigerte Mietzahlung und
Delogierung in die WL (2007); wegen gesundheitlichen
Problemen nicht erwerbsfähig – Pensionsanträge bisher
jedoch abgelehnt
WL: seit der Delogierung wohnungslos
Status: Kl. wohnt in (betr.) Wohngemeinschaft – seit ca. 3
Jahren – eigene Wohnung bedeutet für Klient Gefahr,
wieder WL zu werden
Bedarf: Beratung, Schuldenregulierung, betreutes Wohnen
112
III. Wirkungsanalyse der Wohnungslosenhilfe in Salzburg
und Maßnahmenempfehlungen
Detailgliederung
1.
Datengrundlage für die Weiterentwicklung der WLH
114
1.1
Rahmenbedingungen der jährlichen Erhebung / Ressourcen- und
Kompetenzausstattung
114
1.2
Reichweite der Erhebung
115
1.3
Methodische Aspekte der WL-Erhebung
116
1.4
Aussagekraft der vorliegenden Datenlage
117
2.
Prävention von Wohnungslosigkeit
118
3.
Bewältigung von Wohnungslosigkeit
120
4.
Beendigung von Wohnungslosigkeit / Rehabitation
121
113
1. Datengrundlage zur Analyse der Wohnungslosigkeit
Die Datenlage zur Wohnungslosigkeit ist in Österreich nach wie vor eher bescheiden. Die
jährlichen Wohnungslosenerhebungen in Salzburg, die vom Forum Wohnungslosenhilfe seit
nunmehr über einen Zeitraum von mehr als fünfzehn Jahren durchgeführt und bereitgestellt
werden, stellen diesbezüglich eine bemerkenswerte Ausnahme dar.
Die detaillierte Analyse dieser Datengrundlage weist jedoch einige Einschränkungen der
Aussagekraft dieser Datenreihe aus, die durch entsprechende Nachbesserungen behoben
werden könnten.
1.1
Rahmenbedingungen der jährlichen Erhebungen,
Ressourcen- und Kompetenzausstattung
Die jährlichen Wohnungslosenerhebungen beruhen auf einer informellen Vereinbarung, die
im Rahmen des Forums Wohnungslosenhilfe zwischen den einzelnen Trägern der
Wohnungslosenhilfe getroffen wurde und nunmehr bereits über einen langen Zeitraum hält.
Dementsprechend bescheiden sind denn auch die Ressourcen zur Deckung der anfallenden
zeitlichen / personellen Aufwände. Gravierender fällt jedoch ins Gewicht, dass diese
Erhebung letztlich keinerlei Kompetenz im Sinne einer verbindlichen Mitwirkung der
MitarbeiterInnen der unterschiedlichen Einrichtungen des Hilfesystems zukommt.
Unter anderem deshalb kommt es regelmäßig zu Schwankungen in der Teilnahme einzelner
Einrichtungen, ib. abhängig von Fluktuationen in den jeweiligen Teams, die sich in der Folge
auch auf die Ergebnisse auswirken. Kleinere Veränderungen und Abweichungen der
Detailergebnisse können somit ‚hausgemacht‘ sein und stellen mithin auch die Interpretation
der einzelnen Jahresergebnisse auf die Probe.
Auch Entwicklungen über längere Zeiträume hinweg leiden unter ähnlichen Einschränkungen
der Aussagekraft, zumal sich im Verlauf der Jahre auch die Zusammensetzung der
teilnehmenden Einrichtungen verändert und / oder weiterentwickelt.
114
Formelle Anerkennung und gezielte Vereinbarung als Grundlage
Auf Perspektive wäre es wichtig, diese empirische Grundlage für die Planung und Steuerung
der Hilfemaßnahmen zur Bekämpfung und Bewältigung von Wohnungslosigkeit durch eine
verbindliche Vereinbarung zwischen dem Land Salzburg als planungsverantwortlicher Instanz
und den einzelnen Trägern, die in ihrer laufenden Praxis mit mehr / minder problematischen
Entwicklungen der Wohnversorgung ihrer KlientInnen befasst sind, auf eine adäquate
Grundlage zu stellen, die Teilnahme an den jährlichen Erhebungen zu gewährleisten und so
für eine Verbesserung von Aussagekraft und Verlässlichkeit der Datengrundlage zu sorgen.
1.2
Reichweite der Erhebung
Aktuell ist die Reichweite auf den engeren Bereich des Ballungsraums Salzburg-Stadt
eingeschränkt. Dies ist wesentlich auf die Tatsache zurückzuführen, dass die jährliche
Erhebung auf den bestehenden Strukturen für Zusammenarbeit und Vernetzung beruht.
Analoge Strukturen, die auch die Einrichtungen in den ländlichen Bezirken Salzburgs mit
einbinden, sind aktuell nicht in der Dichte und Verbindlichkeit gegeben, die es für eine
landesweite Datenerhebung benötigen würde.
Diese Einschränkung führt in letzter Konsequenz dazu, dass die Beobachtungen aus der
Praxis, wonach insbesondere im Bereich der Wohnungslosigkeit von einem erheblichen
Problemtransfer aus den ländlichen Regionen in die Anonymität der Stadt ausgegangen
werden muss, letztlich durch das Instrument der Wohnungslosenerhebung nur sehr
unzureichend abgebildet werden können.
Gezielte Ausweitung der Reichweite
Eine zentrale Voraussetzung dafür, dass auch die Wohnungsnot und die (zumeist wohl
verdeckte) Wohnungslosigkeit in den Bezirken dokumentiert und deren Bewältigungsverläufe
transparent gemacht werden können, ist die verbindliche Mitwirkung von bezirklichen
Behörden (Sozial- und Jugendämter) sowie von Gemeinden. Um diese sicherstellen zu
können, benötigt es ebenfalls die voranstehend bereits andiskutierte Neuregelung der
Rahmenbedingen und Kompetenzausstattung der WL-Erhebung.
115
1.3
Methodische Aspekte der Wohnungslosenerhebung
Die jährlichen Wohnungslosenerhebungen berufen auf einem relativ einfach gehaltenen
Formblatt zur Dokumentation der zentralen Daten und Angaben über jene Personen, die den
Einrichtungen als wohnungssuchend, wohnungslos bzw. mehr / minder prekär wohnversorgt
bekannt sind. Um Doppelnennungen jener Personen, die im Erhebungszeitraum von
mehreren Einrichtungen genannt werden, abgleichen zu können, werden zudem auch
personenbezogenen Kerndaten, und zwar Geburtsdatum und Anfangsbuchstaben des
Namens, erhoben. Zum Schutz der erfassten Personen werden die gesammelten Daten strikt
anonymisiert ausgewertet und nach Abschluss dieser Datenaufbereitung vernichtet.
Es ist damit aber auch ausgeschlossen, die Verläufe der je individuellen Bewältigungsversuche von Wohnungsnot/Wohnungslosigkeit über längere Zeiträume hinweg zu verfolgen
und entsprechende Statusentwicklungen transparent zu machen.
Die Wohnungslosenerhebung leidet damit unter dem wesentlichen Mangel von Querschnittsanalysen, in denen mehr / minder automatisch Personen überrepräsentiert sind, die eine
längere Verweildauer in der Wohnungslosigkeit aufweisen. Demgegenüber sind Personen,
denen es in relativ kurzer Zeit gelingt, ihre Wohnversorgungskrise zu bewältigen, tendenziell
unterrepräsentiert. Das Bild vom Klientel der Wohnungslosenhilfe wird solcherart aus
methodischen Gründen verfälscht und von individuellen Problemkonstellationen wie
Mehrfachbelastung und sehr eingeschränkten Problemlösungskapazitäten dominiert.
Einstieg in Längsschnittanalyse
Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte darin liegen, alternative und in datenschutzrechtlicher Hinsicht adäquatere Formen der Anonymisierung von personenbezogenen
Angaben für die Wohnungslosenerhebung zu realisieren. Beispielsweise könnte diese in der
Form bewerkstelligt werden, dass eine dritte Instanz (z.B. das statistische Amt des Landes
Salzburg) zwischengeschaltet wird, die ihrerseits die personenbezogenen Kerndaten
codieren. Identische Personen, die von unterschiedlichen Stellen genannt werden, erhalten
somit natürlich einen identischen Code. Auf dieser Grundlage werden dann von den
teilnehmenden Einrichtungen die entsprechenden Angaben (Geschlecht, Alter, Wohn- und
Familienstatus etc.) dokumentiert und für die Auswertung der Erhebung zur Verfügung
gestellt.
116
Mit wenig Mehraufwand wäre damit die Grundlage dafür sichergestellt, mittelfristig das enge
Terrain einer Querschnittanalyse zu verlassen, die methodisch generierten Unschärfen in der
Abbildung des Klientels der WLH zu überwinden und Möglichkeiten einer Längsschnittanalyse
über Verlaufsspezifika (wie z.B. Statusänderungen im Verlauf der Jahre etc.) zu erschließen.
1.4
Aussagekraft der vorliegenden Datenreihe
Unter anderem aufgrund der knappen Ressourcen für die Wohnungslosenerhebung und die
Freiwilligkeit der Teilnahme beschränken sich die jährlichen Erhebungen auf ein Minimum an
quantitativen Angaben. Damit kann zwar ein ungefähres Bild der laufend anstehenden
Problembelastung der WLH-Einrichtungen erstellt werden. In ihrer Aussagekraft sind diese
Erhebungen jedoch deutlich eingeschränkt auf den quantitativen Kontext von einigen
wenigen Differenzierungen. Damit ist jedoch auch der mögliche Nutzen für die Agenden
einer wissensgeleiteten Wohnungslosenhilfeplanung und einer bedarfsorientierten
Angebotsentwicklung naturgemäß relativ gering.
Aufbauend gestaltete qualitative Ergänzung der Erhebung
Um gewährleisten zu können, das die vorgelegten Datenreihen der Wohnungslosenerhebung
auch in der Lage sind, spezifische Fragestellungen etwa nach der Wirkung und z.B. der
Nachhaltigkeit der Effekte einzelner Maßnahmen beantworten zu können, wäre es wichtig, in
regelmäßigen Abständen (beispielsweise alle drei Jahre) die im Rahmen der quantitativen
Erhebung gefundenen Feststellungen mit qualitativen Methoden vertiefend zu bearbeiten
und zu analysieren.
117
2. Prävention von Wohnungslosigkeit
Die Analyse der Betreuungsdokumentationen belegt eindrücklich, dass die Hilfen durch die
WLH und angrenzender Hilfeangebote, konsequente Ausnahme bildet hier die
Delogierungsprävention, tendenziell reaktiv gestaltet sind und erst zu einem relativ späten
Zeitpunkt in der Problementwicklung einsetzen, in einer Phase also, in der sich die
spezifischen Problemlagen durch die Kumulation von unterschiedlichen psycho- und
ökosozialen Belastungen bereits zugespitzt haben.
Die unterschiedlichen Aspekte der präventiven Aufgabenstellungen der WLH
zusammengenommen, lässt sich im Spiegel der Betreuungsdokumentationen ein hoher
Bedarf nach einem systematischen Ausbau der Präventivangebote im Rahmen der WLH,
insbesondere an den Schnittstellen zu benachbarten Hilfesystemen (Gesundheit und
Psychiatrie, Suchthilfe etc.) feststellen.
Besonders vordringlich erscheint die Gewährleistung von zielgruppenspezifisch gestalteten
präventiven Angeboten in der Betreuung von jungen Erwachsenen, zumal es bei
problematischer Ablöse aus familiären oder familienergänzenden Zusammenhängen häufig
auch um die Abklärung der beruflichen Perspektiven, z.B. durch die Zusammenarbeit mit
dem Arbeitsmarktservice, geht. Dafür werden erfahrungsgemäß Kontinuität in der
begleitenden Hilfestellung und eine verbindliche Bezugsbetreuung mit einem langen Atem für
die Begleitung während einer relativ intensiven Phase der persönlichen Nachreifung benötigt.
Entsprechende Vorsorgen für diese Zielgruppe sind in der aktuellen Verfasstheit der WLH nur
sehr unzureichend gegeben.
Eine weitere Problemfeststellung betrifft die Bereiche der psychosozialen / psychiatrischen
Versorgung sowie der Suchthilfe. Die WLH ist hier insbesondere mit der Tatsache
konfrontiert, dass KlientInnen dieser Hilfeschienen im Zweifelsfall in die Wohnungslosigkeit
entlassen werden. Präventive Angebote an der Schnittstelle zu diesen Hilfebereichen lassen
sich – aus der Sicht der WLH – als zu wenig flexibel im Umgang mit KlientInnen
charakterisieren, die aufgrund einer Mischproblematik mit den Regelangeboten nicht zurecht
kommen.
118
Ausbau der präventiven Angebote in der WLH
In der Praxis der Delogierungsprävention hat es sich ausgesprochen bewährt, dass in
Kooperation und Abstimmung mit den Gemeinnützigen Wohnbauträgern das Zeitfenster
zwischen Einmahnung von Mietschulden und Androhung eines gerichtlichen Delogierungsverfahrens bis zum Vollzug der Räumungsexekution kontinuierlich ausgedehnt werden
konnte. Damit bietet sich die Möglichkeit, gemeinsam mit den betroffenen Haushalten so
unterschiedliche Angebote zu realisieren wie Finanz- und Haushaltsplanung, Start einer
Schuldenregulierung, Abklärung von beruflichen Perspektiven etc.
Eine analoge Verbesserung der Interventions- und Hilfemöglichkeiten für MieterInnen am
privaten Wohnungsmarkt steht jedoch noch gänzlich aus. Insbesondere die enge Vernetzung
mit weiteren spezialisierten Unterstützungsangeboten und die Vorbereitung einer weichen
Übergabe in eine entsprechende Nachbetreuung leiden unter dem Zwang zur raschen
Abklärung und helfender Intervention.
Die dokumentierte Wohnungslosigkeit von jungen Erwachsenen, häufig im Kontext einer
problematisch verlaufenen Ablöse aus familiären oder familienergänzenden Maßnahmen
durch die Jugendwohlfahrt, stellt den präventiven Angeboten zur Verhinderung von
Wohnprekariat und / oder Wohnungslosigkeit ein bedenkliches Zeugnis aus. Für diese
Zielgruppe ist zudem ein ausgeprägter Mangel an geeigneten präventiven Vorsorgen in der
WLH zu konstatieren. Das Setting erweist sich in vielen Fällen als zu eindimensional und zu
wenig flexibel, um auf die besonderen Bedürfnisse dieser jungen Menschen adäquat
eingehen zu können. Nur zu oft stoßen diese, sofern sie den Schritt in die WLH überhaupt
bewältigen, auf relativ starre Reglements und Grenzen. Konflikte und Betreuungsabbrüche
zeichnen, in Ermangelung adäquater Vorsorgen, den Weg dieser Personen durch das
Hilfesystem.
Die in den Betreuungsverläufen dokumentierte Wohnungslosigkeit bzw. prekäre und
unsichere Wohnversorgung von psychisch kranken oder suchtkranken Menschen nach ihrer
Entlassung aus einem stationären Aufenthalt verweist auf den grundsätzlichen Bedarf nach
entsprechenden präventiven Angeboten an der Schnittstelle zu diesen Einrichtungen. Als
erster Schritt zur Bearbeitung der damit verbundenen Belastungen (auch für die WLHEinrichtungen) wäre hier die Entwicklung und Implementierung eines verbindlichen und
bereichsübergreifend gestalteten Schnittstellenmanagements zu nennen, das gleichermaßen
119
eine reguläre Entlassungsvorbereitung durch die stationären Einrichtungen als auch eine
planmäßige Übernahme und Hinausbegleitung durch die extramuralen Einrichtungen der
psychosozialen Versorgung und / oder der WLH gewährleisten kann.
3. Bewältigung von Wohnungslosigkeit
In den von den MitarbeiterInnen der beteiligten Sozialeinrichtungen zusammengestellten und
anonymisierten Betreuungsdokumentationen finden sich pointierte kritische Einschätzungen
der verfügbaren Kapazitäten und Ressourcen sowie Verweise auf Mängel in der aktuellen
Ausstattung des Hilfesystems in Salzburg. So manche dieser Bedarfsfeststellungen laufen
darauf hinaus, dass die MitarbeiterInnen der WLH in Ermangelung geeigneter Einrichtungen
und Vorsorgen letztlich dazu gezwungen sind, sich in der Betreuungsarbeit mit kleinen
Erleichterungen und Überlebenshilfe zu begnügen und letztlich den Mangel zu verwalten.
Für die Bewältigung von Wohnungslosigkeit fehlen … … …
Kritische Anmerkungen der SozialarbeiterInnen betreffen vor allem folgende Lücken im
Hilfesystem:

Versorgungssicherheit trotz Abstinenzverweigerung – es gibt keine den Konsum
von Alkohol oder Drogen akzeptierenden Angebote des Betreuten Wohnens

psychisch kranke Wohnungslose, die aufgrund fehlender Krankheitseinsicht eine
psychosoziale / psychiatrische Behandlung oder Therapie ablehnen, können
mangels geeigneter Angebote nur schwer in ein adäquates
Wohnbetreuungssetting vermittelt werden

insbesondere fehlen in Salzburg niedrigschwellige Angebote, z.B. für junge Frauen
und Männer mit psychiatrischen Krankheitsbildern, die verbindliche
Betreuungsauflagen (Krankheitseinsicht, Behandlungsbereitschaft und
regelmäßige Medikation) ablehnen (vgl. dazu das Modell des Weglaufhauses in
Berlin)

weiters fehlt in Salzburg eine niedrigschwellige Anlaufstelle für wohnungslose
Drogenabhängige (vgl. dazu das Modell der Mentlvilla in Innsbruck, das
akzeptierenden Drogenhilfe im Verbund mit einer Notschlafstelle, einen
120
Kontaktladen und ein Arbeitsprojekt für drogenkonsumierende junge Erwachsene
anbietet)

Standardverbesserung für die nachgehende und aufsuchende Beratung und
Betreuung von wohnungslosen Personen, die sich dauerhaft in den Salzburger
(Billig-)Pensionen im betreuungsfreien Raum eingerichtet haben; aktuell sind für
diesen Aufgabenbereich 30 Wochenstunden für insgesamt 180 belegte Betten
vorgesehen, davon werden ca. 80 Fälle über die Sozialhilfe finanziert; mit diesem
Stundenkontingent kann weder eine Bezugsbetreuung gewährleistet noch eine
perspektivische Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen in diesen
Herbergen angeleitet und umgesetzt werden

betreute Dauerwohnplätze – analog zu SeniorInnenheimplätzen – als adäquater
Ersatz für Pensionszimmerunterbringung / Angebot von Basisversorgung plus
psychosozialer Begleitung und ohne zeitliche Einschränkung

Angebote für psychisch kranke / stark traumatisierte AsylwerberInnen –
Grundversorgung mit psychosozialer Begleitung

Männerspezifische Angebote zur Aufarbeitung der individuellen Hintergründe für
gewaltförmige Beziehungskrisen – Arbeit mit den Tätern in Kombination mit
niederschwelligen Nächtigungsangeboten (z.B. Notwohnungen im
Beratungskontext)

Anschlussfähigkeit der niederschwelligen Zugangseinrichtungen / Notschlafstellen
in höherschwellige Betreuungsangebote, ib. betreutes Wohnen, die ohne starren
Filter von Abstinenz, Krankheitseinsicht und Compliance eine sinnvolle Fluktuation
in den Noteinrichtungen gewährleisten
4. Beendigung von Wohnungslosigkeit / Rehabitation
Als zentrales Ergebnis der detaillierten Aufbereitung der quantitativen Grundlage der
Wohnungslosenerhebung (für diese Studie wurden die Ergebnisse der Wohnungslosenerhebung aus dem Oktober 2009 herangezogen) und der eingehenden Analyse von
Betreuungsdokumentationen aus dem Umfeld der WLH erscheint das augenfällige
Missverhältnis in Bezug auf die Wohnsituation der KlientInnen. Der großen Mehrheit der
betreuten KlientInnen, die in ausgesprochen prekären bis miserablen Wohn- und
Lebensverhältnissen überleben, stehen lediglich einige wenige Personen gegenüber, die in
regulären höherschwelligen Angebotsschienen betreut werden.
121
Offensichtlich wird auch, dass ein großer Teil der KlientInnen der WLH bereits über den
Zeitraum von mehreren Jahren in sehr prekären Verhältnissen leben.
Es liegt solcherart auf der Hand, dass der Transfer aus belastenden Phasen der
Wohnungslosigkeit in eine aufbauend gestaltete und begleitete Wohnintegration, ib. in
Richtung leistbarer Wohnungen, nur sehr schwer gelingt. Gerade in Hinblick auf verfügbare
und leistbare Wohnungen zur gezielten Ablöse aus der Hilfestruktur in eigenständige Wohnund Lebensformen ist solcherart ein eklatanter Handlungsbedarf festzustellen.
Eine Wohnung ist nicht alles, aber ohne Wohnung ist alles nichts
Es ist ein bereits vielfach angesprochenes Dilemma der WLH, dass sie in der aktuellen
Situation in Salzburg nur sehr schwer in der Lage sind, für ihre KlientInnen innerhalb fachlich
gerechtfertigter Betreuungsperspektiven eine geeignete und leistbare
Nachfolgewohnversorgung zu realisieren. Für die Zukunft der Salzburger Wohnungslosenhilfe
erscheint es vor diesem Hintergrund als unverzichtbar,

die Ressourcen für die ambulante Wohnbetreuung auszubauen und

Kontingente für die Ablöse in eigenen Wohnraum zu erschließen
Sonst läuft die WLH Gefahr, dass sie ihre KlientInnen in der Achterbahn der
Wohnungslosenhilfe verwahrt bzw. dass ihnen die KlientInnen auf der Flucht vor der
Betreuung in die verdeckte Wohnungslosigkeit verloren gehen.
Insbesondere bin ich der Meinung, dass die bisher praktizierte Betreuungsform als Mittel zur
„Wiederherstellung von Wohnfähigkeit“ obsolet wenn nicht gar kontraproduktiv ist, zumal
damit die Erlangung persönlicher Kompetenzen, sich wieder eigenständig um das eigene
Leben und Wohnen zu kümmern, tendenziell verzögert bzw. konterkariert wird. Ich halte
dafür, dass die WLH gut beraten wäre, auf die gewohnte Aufnahmefilter (Abstinenz,
Krankheitseinsicht, Betreuungs-Compliance etc.) zu verzichten – zugunsten jeweils
gemeinsam mit den KlientInnen ausgehandelten und umgesetzten Rahmenbedingungen, wie
sie ihr Leben mit mehr / minder intensiver Unterstützung leben möchten.
In diesem Sinne empfehle ich den zügigen Ausbau von Gemeinwesenarbeit – in enger
Abstimmung mit der WLH – zur begleiteten Wohnintegration ihrer KlientInnen während der
Ablösephase sowie die Implementierung von HOUSING FIRST – PLUS. Dieser innovative
Ansatz zur Beendigung von Wohnungslosigkeit aber auch von akuter Obdachlosigkeit hat
122
sich anderen Ländern (Niederlande und Finnland, die bis vor wenigen Jahren durchaus
vergleichbare Rahmenbedingungen und Arbeitsansätze in der WLH gepflegt haben wie
Salzburg) bereits bewährt.
123
IV. Anhang
Detailgliederung
Anmerkungen und Materialien zur quantitativen Datenbasis (Teil I.)
125
Monitoring von Wohnungslosigkeit in Österreich
125
Monitoring von Wohnungslosigkeit im EU-Vergleich
128
Zur Methode der Salzburger Wohnungslosenerhebung
129
Anmerkungen zur Reichweite der Wohnungslosenerhebung
132
Definition von Wohnungslosigkeit und prekärer Wohnversorgung:
ETHOS – Typologie zu Wohnungslosigkeit und Wohnprekariat
135
Tabellenband zur Analyse der quantitativen Datengrundlage
137
Überblick über Angebote und Ressourcen der WLH in Salzburg
144
Materialien / Tabellenband zur Analyse der Betreuungsdokumentationen
145
Wohnungslosenhilfe in Österreich – ein Überblick
153
Literatur und verwendete Materialien
164
124
Anmerkungen zur quantitativen Datengrundlage
Monitoring von Wohnungslosigkeit in Österreich
Innerhalb Österreichs sind große Unterschiede zwischen den Bundesländern und den
Landeshauptstädten bezüglich des Monitorings von Wohnungslosigkeit zu verzeichnen. In
der nachstehenden Übersicht wird der Stand des Monitorings in den Bundesländern in
Stichworten gegenübergestellt.
Burgenland: kein systematisch aufbereitetes Wissen über Wohnungslosigkeit; keine
quantitativen Grundlagen für eine wissensgeleitete Entwicklung der Hilfeangebote
Wien: seit Jahren ist in Wien ein elaboriertes Doku-System und ein jährlicher WLH-Bericht
die Norm; die Dokumentationsgrundlage ist formalisiert und wird regelmäßig elektronisch
von den Partnereinrichtungen des Fonds Soziales Wien (FSW) übermittelt; nicht erfasst
sind wenige Einrichtungen, die im privaten Rahmen (z.B. ausschließlich mit
Spendenmitteln) betrieben werden. Die vorhandene Datengrundlage deckt mithin einen
Großteil der engeren Wohnungslosenhilfe ab. Große Problembereiche wie die verdeckte
Wohnungslosigkeit sowie die Obdachlosigkeit (sleeping rough) können jedoch im
Rahmen dieser Monitoringvorsorge nicht systematisch erfasst werden.
Niederösterreich: Monitoring und Dokumentation der Angebote der WLH sind im
Niederösterreichischen Sozialhilferaumordnungsprogramm geregelt, betreffen jedoch nur
den engeren Bereich der WLH. Eine weitergehende Datenerhebung sowie eine
systematische Aufbereitung der Daten zum Ausmaß der Wohnungslosigkeit und eine
differenzierte Analyse der Zusammensetzung der von Wohnungslosigkeit bedrohten oder
betroffenen Personen / Haushalte wurde im Rahmen einer Bedarfserhebung im Jahr
2009 erstmalig durchgeführt. Dieser Bericht ist jedoch bis dato nicht öffentlich
zugänglich.
Steiermark: Die Dokumentation obliegt den Einrichtungen; dafür sind keine abgestimmten
Standards vorgegeben, entsprechend unzureichend sind die Wissensgrundlagen für eine
planmäßige Entwicklung der WLH; bezeichnend für die Haltung der Sozialpolitik und
-verwaltung des Landes Steiermark erscheint dabei auch die Tatsache, dass im Rahmen
der im Jahr 2005 erstellten Strukturanalyse zur Situation der WLH in Graz (Ohmacht
2005) zum einen die Bezirke außerhalb von Graz ebenso ausgeklammert wurden, wie
zum anderen auch auf eine systematische Erhebung quantitativer Grundlagen zur
Wohnungslosigkeit dezidiert verzichtet wurde.
125
Kärnten: Die Vorsorgen für Dokumentation und Monitoring im Rahmen der WLH sind in
Kärnten nicht standardisiert; es sind für dieses Bundesland somit keine systematisch
aufbereiteten Planungsgrundlagen zu Wohnungslosigkeit und WLH verfügbar.
Oberösterreich: im Rahmen einer systematischen WLH-Planung wurden in den vergangenen
Jahren auch differenzierte Standards der Dokumentation von Angeboten der WLH
eingeführt; damit sind die Grundlagen und Vorsorgen für wissensgeleitete Planung seit
wenigen Jahren auf einem hohen Niveau gewährleistet, wenn auch eingeschränkten auf
den engeren Bereich der WLH.
Salzburg: Die jährliche Erhebung von quantitativen Aspekten der Wohnungslosigkeit wird seit
nunmehr mehr als 10 Jahren ausschließlich in der Regie der WLH-Einrichtungen
ausgeführt und beschränkt sich, unter anderem aufgrund der fehlenden Kooperation der
Sozialverwaltung des Landes, (noch) auf die Wohnungslosigkeit in der Stadt Salzburg;
qualitative Aspekte und / oder eine systematische Vertiefung blieben bislang
ausgeklammert.
Tirol: In einzelnen Einrichtungen der WLH ist ein hoher Dokumentationsstandard etabliert,
jeweils beschränkt auf den engeren Bereich der einzelnen Einrichtungen; allerdings
verzichtet die Sozialplanung des Landes nach wie vor auf eine einrichtungsübergreifende
Abstimmung der Dokumentationsstandards. Vor wenigen Jahren wurde von
MitarbeiterInnen einer WLH-Einrichtung eine einrichtungsübergreifende Erhebung der
quantitativen Aspekte von Wohnungslosigkeit im Raum Innsbruck initiiert. Da viele WLHEinrichtungen wegen der Sorge vor einer missbräuchlichen Verwendung der erhobenen
Daten sowie ungenügender Abklärung von Kategorien und Standards ihre Mitwirkung
verweigern, bilden die vorliegenden Daten zur Wohnungslosigkeit im Raum Innsbruck
nur einen Teilbereich der Problematik ab und stellen somit keine ausreichende Grundlage
für eine wissensgeleitete Planung dar.
Vorarlberg: Eine Studie für den Zeitraum 2007 – 2008 hat sowohl quantitative als auch
qualitative Aspekte von Wohnungslosigkeit und der Wirkung von Wohnungslosenhilfe
systematisch ausgeleuchtet und Grundlagen für eine wissensgeleitete Planung und
Entwicklung gewährleistet.
Im Unterschied zu anderen EU-Mitgliedsstaaten hat die Erhebung des Ausmaßes sowie die
differenzierte Analyse der Entwicklung von Wohnungslosigkeit in Österreich keinerlei
Tradition. Tatsächlich liegen für Österreich bis dato lediglich zwei Studien vor, die aufbauend
und im 10Jahresabstand eine erste Annäherung zum Problemumfang sowie zur
Zusammensetzung des Personenkreises der Betroffenen erlauben (Eitel/Schoibl 1998 und
126
Schoibl 2009). Beide Studien kommen letztlich zum übereinstimmenden Ergebnis, dass die
Grundlagen für die Datensammlung in den Ländern sehr uneinheitlich ausfallen bzw. gar
nicht gegeben sind. Damit ergibt sich die große Schwierigkeit, dass die gesammelten Daten
zum einen wesentliche Lücken aufweisen und zum anderen nicht vergleichbar sind. In
beiden Anläufen zur Erhebung des Ausmaßes der Wohnungslosigkeit war es mithin nicht
möglich, repräsentative, verlässliche und valide Daten zu generieren und für die
differenzierte Analyse bereit zu stellen.
In Hinblick auf die fehlenden bzw. unzureichenden Vorsorgen in den Bundesländern ist es
evident, dass in Österreich somit keine validen bzw. vollständigen Daten zur
Wohnungslosigkeit gewährleistet sind. Dieser grundsätzliche Mangel wird auch durch
österreichweite Datenerfassungen bislang nicht ausgeglichen.
a) Auch die bisher durchgeführten Haushaltserhebungen durch Statistik Austria blieben,
mangels differenzierter Erfassung unterschiedlicher prekärer Wohnverhältnisse, eher
dem Bereich der statistischen Annäherung verhaftet. Die Stichtagserhebung im Jahr
200122 erfasste auch unterschiedliche Formen von Anstaltenhaushalten und damit
unter anderem auch Personen, die in stationären Einrichtungen der WLH betreut
werden. Weitere prekäre Wohnformen, etwa ambulant betreute Haushalte in
Übergangswohnungen von WLH-Trägern oder Übergangswohnen in unbetreuten
Pensionen und Herbergen, konnten in diesen Erhebungen bis dato jedoch noch nicht
erfasst werden. Eine Anpassung des methodischen Settings ist für die nächste
Großerhebung im Jahr 2011 in Vorbereitung.
b) Mittlerweile werden zwar vom Bundesrechenzentrum, im Auftrag des BM:Justiz,
jährlich Datenreihen über laufende Delogierungsverfahren, Exekutionsverfahren
sowie ausgeführte Zwangsräumungen aufgelegt, die auch regional differenziert
aufbereitet werden. Leider wird in diesem Zusammenhang jedoch auf eine
Dokumentation der Art der Wohnversorgung nach einer vollzogenen Zwangsräumen
verzichtet, so dass aktuell keine Information darüber möglich ist, ob und inwieweit es
in Folge von Delogierungsverfahren zu Wohnungslosigkeit kommt.
c) Vom Bundesministerium für Inneres wird im jährlichen Sicherheitsbericht detailliert
aufgeführt, wie viele Personen sich in Haftanstalten aufhalten und wie viele im
Verlauf eines Jahres aus der Haft entlassen werden. Bis dato wurde jedoch nicht
erhoben und dokumentiert, wie es bei diesen Personen mit der Wohnversorgung
nach verbüßter Haftstrafe steht. Aktuell sind Vorbereitungen eingeleitet, diesen
22
Statistik Austria, Haushaltserhebung, Wien 2005
127
Mangel zu beheben und den – in vielen Fällen kritischen – Verlauf der Haftentlassung
differenziert zu dokumentieren.
d) Das zahlenmäßig ausgesprochen umfangreiche Feld der stationären Behandlung in
psychiatrischen Kliniken wird in Österreich bis dato nur sehr rudimentär erfasst und
nur unzureichend differenziert dokumentiert. Die letzten Psychiatrieberichte nehmen
auf die Frage der Wohnversorgung der psychiatrischen PatientInnen keinen Bezug
und geben auch keinerlei Auskunft darüber, wie es mit der Wohnversorgung der
entlassenen PatientInnen bestellt ist.
Für Österreich sind damit letztlich keine vollständigen validen und empirisch
abgesicherten Aussagen über die quantitativen Aspekte der Wohnungslosigkeit möglich.
Daran haben auch die letzten Erhebungen, die von der Bundesarbeitsgemeinschaft
Wohnungslosenhilfe (BAWO) in den Jahren 1989 und 2007 durchgeführt wurden, nichts
Substanzielles ändern können.
Monitoring von Wohnungslosigkeit im EU-Vergleich
Österreich steht mit diesem Befund nicht alleine da. So kommt eine Vergleichsstudie zum
Monitoring von Wohnungslosigkeit in den EU-Mitgliedsstaaten (MPHASIS 2008) zur
Feststellung, dass nur in wenigen Mitgliedsstaaten auf nationaler oder regionaler Ebene
regelmäßige und (zumindest annähernd) vollständige Erhebungen des Problemumfangs
und / oder seiner Entwicklung im mehrjährigen Vergleich durchgeführt werden.
Tatsächlich können Länder mit mehrjährigen Zeitreihen und Analysen zur
Wohnungslosigkeit an einer Hand abgezählt werden. Das betrifft etwa Finnland, wo seit
etwa 15 Jahren jährliche Erhebungen vorgenommen und die regional / kommunal
aufbereiteten Datensätze landesweit zusammengeführt und differenziert ausgewertet
werden. Seit einigen Jahren werden auch in den Ländern des UK sowie in Irland
umfassende und differenzierte Erhebungen vorgenommen. Daneben können noch
Dänemark und Schweden auf eine Tradition systematischer Dokumentation und
Beforschung verweisen.
128
Stellenwert der WL-Erhebungsreihe im internationalen Vergleich
Vor diesem Hintergrund steht die Salzburger Erhebung des Forums Wohnungslosenhilfe
sehr gut da, als beispielhaft für die Bundesländer und Landeshauptstädte in Österreich,
und findet sich mithin im internationalen Vergleich an hervorragender Position.
Zur Methode der Wohnungslosenerhebung in Salzburg
Die Erhebungsreihen, die in den vergangenen Jahren in Salzburg (seit 1994), Linz
(gelegentlich) und Innsbruck (seit 2006) fokussieren im Kern auf die Erhebung jener
wohnungslosen Personen, die den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe namentlich
bekannt sind. Darüber hinausgehend wird im Rahmen der Vorbereitung dieser Erhebungen
intensiv versucht, auch WLH-nahe Beratungseinrichtungen und Soziale Dienste
einzubeziehen, um so sicherstellen zu können, dass möglichst weite Bereiche der
Dunkelziffer, der Personen in verdeckter Wohnungslosigkeit also, ausgeleuchtet werden
können. Beispielsweise ist es inzwischen Standard in den Erhebungen des Forums WLH in
Salzburg, dass sich die sozialen Dienste von Landeskrankenanstalten, psychiatrischen
Einrichtungen sowie der Haftanstalten ebenso an der Erhebung beteiligen. An den
regelmäßigen Erhebungen nehmen auch die ambulanten Beratungsangebote der Suchthilfe,
Schuldnerberatung, Sachwalterschaft, Frauenhilfe etc. sowie die (teil)stationären
Betreuungsangebote der extramuralen Versorgung sowie der Suchthilfe teil. Aktuell konnten
nun auch die Beratungsangebote der AusländerInnen-, Flüchtlingsberatung sowie der
Integrationshilfe einbezogen werden.
Weiters werden auch kirchliche Einrichtungen (Klöster, Pfarren etc.), die sich mit der
Ausgabe von Essen, Kleidung etc. caritativ um die Linderung der Problemlagen
wohnungsloser Menschen bemühen, sowie Einrichtungen der Tagesstruktur in die Erhebung
einbezogen. Nach Möglichkeit werden auch von niederschwelligen Kontakt- und
Hilfeangeboten, die in der Regel keine Aufzeichnungen personenbezogener Daten
vornehmen, die Fragebögen zur Statuserhebung bezüglich Wohnungslosigkeit abgefragt (bei
strikter Wahrung der Freiwilligkeit).
Eine Besonderheit der Versorgungslage wohnungsloser Menschen in der Landeshauptstadt
Salzburg liegt darin, dass viele alleinstehende Wohnungslose vorübergehend auch in
sogenannten Billigpensionen (z.T. Mehrbettzimmer, ohne Betreuungsvorsorgen etc.) leben.
Diese Personen werden im Rahmen eines nachgehenden Beratungsansatzes kontaktiert und
129
– so sie das aktiv wünschen – bei der Suche nach einer adäquateren Wohnversorgung /
Wohnintegration unterstützt. Dieser Beratungsdienst nimmt ebenfalls an den regelmäßigen
Erhebungen teil.
Durch den breiten Ansatz der Salzburger Wohnungslosenerhebung ist gewährleistet, dass
auch institutionen- und betreuungsferne Personen, die ein Leben auf der Straße / auf den
Stadtbergen / im Wohnprekariat (bei Bekannten etc.) dem eher engen Betreuungssetting in
den (Übergangs)Einrichtungen des Sozialsektors vorziehen, erfasst werden können.
Sicherlich muss jedoch berücksichtigt werden, dass es damit (noch) nicht hundertprozentig
gewährleistet ist, dass damit auch alle Personen erfasst werden können, die von
Wohnungslosigkeit bedroht oder bereits akut betroffen sind. Insbesondere Personen, die
temporär bei Bekannten unterschlüpfen, bis sie sich aus eigenem Vermögen wieder einen
eigenständigen Wohnsitz sichern können, bleiben dann unberücksichtigt, wenn sie für die
Wohnungssuche und die Bewältigung der akuten Wohnversorgungskrise keine Unterstützung
durch das vorhandene System der sozialen Dienste und / oder der WLH in Anspruch
nehmen.
Dass viele Personen, die in mehr / minder gesundheitsgefährdendem Substandard oder
Überbelag leben, sich aber nicht an soziale Einrichtungen und Beratungsstellen wenden,
wurde z.B. im Rahmen der Erhebung vom letzten Jahr darin deutlich, dass vom
Wohnungsamt der Stadt Salzburg eine große Anzahl an Personen / Haushalten gemeldet
wurden, die nach den Kategorien des Forums (Überbelag, Substandard) als prekär bis
ungenügend wohnversorgt sind.
In diesem Sinne ist trotz aller Bemühungen um eine möglichst breite Erfassung des
betroffenen Personenkreises davon auszugehen, dass neben der erfassten
Wohnungslosigkeit auch weiterhin ein großes Dunkelfeld verdeckter Wohnungslosigkeit
besteht, das durch Erhebungen wie diese nicht oder nur unzureichend abgebildet werden
kann.
Eine tatsächliche Totalerhebung würde in jedem Fall einen völlig anderen und um vieles
aufwändigeren Erhebungsansatz, z.B. im Rahmen einer Haushaltserhebung, voraussetzen.
ABGLEICHUNG VON DOPPELNENNUNGEN
Im Vorfeld der Erhebung wird in tel. Kontakt mit den eingeladenen Einrichtungen das
Prozedere der Erhebung (Zeitraum, Abgabetermine, offene Fragen bzgl. der verwendeten
Begriffe, differenzierte Definition der Wohnungslosigkeit) abgeklärt. Dieses sieht vor, dass
von allen wohnungslosen Personen, die in Kontakt mit den Einrichtungen stehen und
130
namentlich bekannt sind, ein Eintrag auf dem schriftlichen Erhebungsbogen vorgenommen
wird, in dem auch der erste Buchstabe des Familiennamens sowie das Geburtsdatum
anzugeben sind.
Diese personenbezogenen Daten dienen ausschließlich der Abklärung von Doppelnennungen
und werden nach Abschluss der Datenaufbereitung, die selbst strikt anonymisiert
durchgeführt wird, gelöscht und dem Reißwolf anvertraut.
Der Gesamtüberblick hinsichtlich Gesamtzahl der wohnungslosen Personen und deren
aufenthaltsrechtlichem Status ist damit um Doppelnennungen bereinigt.
VORSCHLAG FÜR EINE DATENSCHUTZKONFORME ABGLEICHUNG VON DOPPELNENNUNGEN
Diese Vorgangsweise ist in datenschutzrechtlicher Hinsicht nicht wirklich zufriedenstellend,
auch wenn die ausführenden MitarbeiterInnen von WLH-Einrichtungen sich um
größtmögliche Anonymität bemühen und eine missbräuchliche Verwendung der
personenbezogenen Daten tatsächlich ausgeschlossen werden kann. Diese ‚Unsauberkeit‘ ist
umso bedauerlicher, als eine datenschutzrechtlich unbedenkliche Vorgangsweise technisch
jederzeit möglich wäre, jedoch ohne Extrafinanzierung tatsächlich nicht realisierbar ist.
An sich wäre es lediglich nötig, ein externes edv-gestütztes System zur Vergabe von
anonymen Personenkennzahlen zwischenzuschalten. Danach erhalten die mitwirkenden
Einrichtungen für die von ihnen erfassten KlientInnen jeweils eine Kennziffer, die dann auf
den individuellen Erhebungsbögen vermerkt wird.
Die Eingabe von detaillierten Angaben bezüglich des aktuellen sozioökonomischen sowie
aufenthaltsrechtlichen Status könnte dann ohne weitere personenbezogene Details erfolgen.
Die edv-gestützte Auswertung hätte auf dieser Grundlage die Möglichkeit, Doppelnennungen
abzugleichen, ohne dass es weiterer Maßnahmen zur Verhinderung einer missbräuchlichen
Verwendung von personenbezogenen Datenblättern bedürfte.
ANMERKUNGEN
ZUR
REICHWEITE
WOHNUNGSLOSENERHEBUNG
IN
DER
SALZBURG
In der Geschichte der Wohnungslosenerhebung in Salzburg ist es Schritt für Schritt
gelungen, die Reichweite der Erhebung wesentlich auszubauen. So konnten, nachdem in den
ersten Jahren vorwiegend Einrichtungen der WLH sowie ausgewählte kooperierende
Angebote aus benachbarten Hilfebereichen erfasst waren, auch Einrichtungen der
AusländerInnenberatung und der Jugendhilfe einbezogen werden. Mit fortschreitendem
131
Ausbau der sozialen Dienste im Kontext der Justizanstalt sowie der stationären medizinischen
und psychiatrischen Einrichtungen war es zudem auch möglich, Daten und Fakten zur
Wohnversorgung jener Personen in die Wohnungslosenerhebung aufzunehmen, die im Zuge
ihrer bevorstehenden Entlassung vor großen Wohnversorgungsproblemen stehen. Als
vorläufig letzten Schritt in der Verbesserung der Reichweite kann aktuell auf die Mitwirkung
des Wohnungsamtes der Stadt Salzburg verwiesen werden, sodass in der bislang jüngsten
Erhebung im Oktober 2009 auch die Daten der Dringlichkeits- und Wohnungsnotfälle in der
Stadt Salzburg abgeglichen und als Ergänzung der Wohnungslosenerhebung vergleichend
herangezogen werden konnten. Im Rahmen der jährlichen Wohnungslosenerhebung ist es
somit möglich, folgende Teilbereiche der Wohnungslosigkeit weitestgehend vollständig
abzudecken:

WLH (alle ambulanten und stationären Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe in
der Stadt Salzburg)

Wohnprekariat und Delogierungsgefährdung (Fachstelle für Gefährdetenhilfe)

Schnittstelle: Pfarren und Klöster

Schnittstelle: Hilfeangebote für Frauen (Scheidung, häusliche Gewalt etc.)

Schnittstelle: Entlassung aus stationären Einrichtungen (sozialer Dienst in
Spitälern und der CDK)

Schnittstelle: Entlassung aus der Haft (sozialer Dienst im LGH,
Haftentlassenenhilfe, Verein Neustart)

Schnittstelle: Behindertenhilfe, Sachwalterschaft und Suchthilfe

Schnittstelle: extramurale psychosoziale Dienste

Schnittstelle: Jugendwohlfahrt

Schnittstelle: AusländerInnenberatung und Integrationshilfe

Schnittstelle: Wohnungswirtschaft (Mitwirkung des Wohnungsamtes Salzburg, ib.
bezüglich Überbelag und prekärer Wohnverhältnisse)

Wohnprekariat: Unterkunft in Billigpensionen

Straßenobdachlosigkeit.
Einschränkungen der Reichweite
In der Wohnungslosenerhebung des Forums werden volljährige Personen und jugendliche
Personen mit österreichischer und EU-Staatsbürgerschaft sowie MigrantInnen und
AsylwerberInnen aus Drittstaaten erfasst, die einen unmittelbaren und eigenständigen
Bedarf nach einer gezielten Versorgung mit Wohnraum aufweisen. Das trifft etwa für
mitziehende Kinder von wohnungslosen Familien sowie für Personen, die in
132
Langzeitbetreuung durch Einrichtungen der WLH sowie der extramuralen psychosozialen
Dienste in Wohnheimen untergebracht sind, nicht zu. Diese Personengruppen werden
deshalb in den jährlichen Berichten über die Wohnungslosenerhebung zahlenmäßig
angeführt, jedoch nicht in die Detailuntersuchung aufgenommen.
Das trifft – aus anderen Gründen – auch für Wohnungssuchende zu, denen vom
Wohnungsamt der Stadt Salzburg eine hohe Dringlichkeit zuerkannt wird, die in der jüngsten
Erhebung ebenfalls en bloc vorgestellt werden konnte. Aufgrund unterschiedlicher
Aufbereitung der Haushaltsdaten war es aktuell nicht möglich, diese Haushalte in die
Detailauswertung aufzunehmen.
Mitziehende Minderjährige

87 Burschen und Mädchen (erstmalig systematisch erhoben)
Diese Kinder und Jugendlichen sind von der Wohnungslosigkeit ihrer Familien unmittelbar
betroffen, allerdings steht bei diesen Personen kein Handlungsbedarf im Sinne einer
eigenständigen Wohnversorgung an. Unabhängig davon ist allerdings festzustellen, dass
diese mitziehenden Minderjährigen durch die Wohnungslosigkeit ihrer Familien mit
ausgesprochen belastenden bis existenziell gefährdenden Aufwachsbedingungen konfrontiert
sind. In jedem Fall ist der Handlungsbedarf bei diesen Familien besonders herauszustreichen.
Personen in Langzeitbetreuung in Heimen und Wohngemeinschaften23:

In betreuten Einrichtungen der extramuralen psychosozialen Versorgung der Träger PRO
MENTE und LAUBE waren im Oktober 2009 insgesamt 117 Personen, davon 49 Frauen,
unbefristet wohnversorgt.

Im Langzeitwohnen der SAG wurden im Oktober 2009 insgesamt 29 Personen, davon 3
Frauen, unbefristet wohnversorgt.
Bei diesen Personen steht aufgrund ihres individuellen Betreuungsbedarfs aktuell kein Bedarf
nach einer eigenständigen Wohnversorgung an. Die heimförmige Betreuung deckt zudem –
wenn auch jenseits des regulären Wohnungsmarktes – deren weitergehende Bedürfnisse
nach begleitender Stützung sowie nach Integration in eine Gemeinschaft und Tagesstruktur
ab.
23
Dabei handelt es sich um heimförmige betreute Unterkünfte, bei denen nicht Wohnungslosigkeit
sondern der Bedarf nach einer geschützten therapeutischen Gemeinschaft im Vordergrund
steht.
133
Eine Vermittlung in eine eigenständige Wohn- und Lebensform würde sie tendenziell
überfordern und wäre mithin kontraproduktiv.
Dringlichkeitsfälle des Wohnungsamtes der Stadt Salzburg:
Vom Wohnungsamt der Stadt Salzburg wurden für die Wohnungslosenerhebung im
vergangenen Jahr erstmalig Datensätze beigetragen, die sich jedoch in ihrer Aufbereitung
grundsätzlich von jenen Beiträgen der unterschiedlichen Sozialeinrichtungen unterscheiden.
Für die Auswertung der Wohnungslosenerhebung 10/2009 wurde dann zwar die Gesamtzahl
jener Haushalte herausgefiltert, die den in dieser Erhebung verwendeten Kategorien (ib.
handelt es sich dabei um Überbelag) entsprechen, in der Ergebnisdarstellung jedoch
gesondert ausgewiesen. Die Daten des Wohnungsamtes umfassen:

1.478 Datensätze über wohnungssuchende Haushalte

333 Haushalte davon entsprechen den Kriterien für Wohnungsnot (Überbelag und
inadäquate, gesundheitsschädigende Wohnverhältnisse)

90% davon leben in gesundheitsgefährdendem Überbelag.

In den Haushalten mit dringendem Wohnversorgungsbedarf leben insgesamt 598
minderjährige Personen; im Ø kommen also 1,8 Minderjährige auf jeden Haushalt

bei einer Ø Größe dieser Haushalte von 2,3 Personen ergibt sich damit ein Gesamt
von 766 Personen in prekärer Wohnversorgung.
Verdeckte Wohnungslosigkeit in den Landbezirken
Bis dato ist es dem Forum Wohnungslosenhilfe nicht gelungen, behördliche Einrichtungen
wie die bezirklichen Sozialämter bzw. die Wohnungsämter der Bezirksstädte und der
Gemeinden außerhalb der Stadt Salzburg an der Erhebung zu beteiligen.
Ergänzende Angaben zur prekären Wohnversorgung (Substandard, Überbelag und
unzureichende rechtliche Absicherung des Wohnverhältnisses) sowie zur verdeckten
Wohnungslosigkeit in den ländlichen Regionen stehen somit nach wie vor nicht zur
Verfügung und können damit in die Datengrundlagen der jährlichen
Wohnungslosenerhebung nicht aufgenommen werden. Somit kann die Wohnungslosigkeit im
Ballungsraum Salzburg-Stadt auch nicht in Bezug zur entsprechenden Problematik im
gesamten Bundesland gesetzt werden. Insbesondere die Frage eines vermutlich gegebenen
Problemtransfers aus den ländlichen Regionen in den Ballungsraum muss somit weitgehend
unbeantwortet bleiben.
134
Internationale Definition von Wohnungslosigkeit und
prekärer Wohnversorgung – ETHOS-Typologie
Die Wohnungslosenerhebung verwendet für die Sammlung von Daten zur Wohnungslosigkeit
in Salzburg einen weiten Begriff von Wohnungslosigkeit und orientiert sich dabei an den
Ergebnissen einer internationalen Diskussion über Vor- und Nachteile einer differenzierten
Begrifflichkeit, die den Bogen von akuter Wohnungslosigkeit bis hin zu prekären / nicht
adäquaten Formen der Wohnversorgung spannt. Diese Diskussion wurde vom Europäischen
Dachverband der Wohnungslosenhilfe (siehe dazu unter: www.feantsa.org) initiiert und vom
European Observatory on Homelessness (der wissenschaftlichen Abteilung der FEANTSA,
siehe ebendort) ausgeführt.
Von der FEANTSA wurde in den letzten Jahren eine Europäische Typologie von
Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekärer Wohnversorgung (ETHOS) vorgeschlagen,
die grundsätzlich vier Formen von Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit unterscheidet:
Obdachlosigkeit
Wohnungslosigkeit
ungesicherte Wohnversorgung
ungenügende Wohnversorgung
Die übersetzte Version von ETHOS wird hier im nachstehend wiedergegeben.
135
Europäische Typologie von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und
unzureichender Wohnversorgung: ETHOS 2006
Begriffsbezeichnung
OBDACHLOS
Kategorie
1
2
WOHNUNGSLOS
3
4
5
6
7
UNGESICHERTE
WOHNSITUATION
8
9
10
INADÄQUATE
WOHNSITUATION
11
Menschen leben auf der
Straße
Menschen übernachten in
Notunterkünften
Menschen leben in Unterbringungseinrichtungen für
Wohnungslose
Frauen und minderjährige
Kinder leben in
Frauenhäusern
Menschen leben in Unterbringungseinrichtungen für
ImmigrantInnen
Menschen nach der
Entlassung aus
Einrichtungen
Menschen erhalten
Unterstützung (in Bezug auf
Wohnungslosigkeit)
Menschen leben in
ungesicherten
Wohnverhältnissen
Menschen droht der
Wohnungsverlust
Menschen sind durch
häusliche Gewalt bedroht
Menschen leben
(vorübergehend) in nicht
dem Minimalstandard
entsprechenden Räumen
12
Menschen leben in desolaten Wohnverhältnissen
13
Menschen leben in extrem
überbelegten Wohnungen
Situationsbeschreibung
1.1
2.1
Übernachtung im Freien (kein Zugang zu
24-h Unterbringung) / kein Wohnsitz
Nächtigerquartier
3.1
Haus für wohnungslose Menschen
3.2
4.1
Zeitlich begrenzte Unterbringung
Unterbringung in Frauenhäusern
5.1
Vorübergehende Unterbringung in
Aufnahmezentren für AsylwerberInnen
5.2
6.1
Unterkünfte für ArbeitsimmigrantInnen
Gefängnisse
6.2
7.1
Spitäler / Pflegeheime
Wohnbetreuung für wohnungslose
Menschen
7.2
Betreutes Wohnen
7.3
Übergangsunterbringung mit Betreuung
7.4
8.1
Unterbringung mit Betreuung
Übergangsweise bei
Verwandten/Freunden
8.2
Kein legales (Unter-)Mietverhältnis
8.3
Illegale Besetzung von Gebäuden
8.4
9.1
Illegale Besetzung von Land
Delogierungsverfahren läuft
(Mietverhältnis)
9.2
Verfahren auf Wohnungsrückgabe läuft
(Wohnungsbesitz)
Polizeibekannte Vorfälle häuslicher
Gewalt
Mobilheim / Wohnwagen
10.1
11.1
11.2
Gebäude entspricht nicht dem lokalen
Minimalstandard
11.3
12.1
Vorübergehende Wohnbehelfe
Für Wohnzwecke ungeeignet (nach
nationaler Gesetzgebung; besetzte
Häuser)
Höchste nationale Norm von
Wohnungsüberbelag
13.1
136
TABELLENBAND ZUR QUANTITATIVEN DATENGRUNDLAGE
TAB. 1: WOHNUNGSNOT
UND
WOHNUNGSLOSIGKEIT
InländerInnen
IM
BALLUNGSRAUM SALZBURG
AsylwerberInnen
EU-BürgerInnen MigrantInnen
unbegl.
Minderjährige
gesamt
Obdachlos
39
8
5
3
2
57
Entlassung aus stationärem
Aufenthalt
54
5
13
6
2
80
unbetreute Pensionen
68
9
10
0
2
89
(Übergangs)Einrichtungen der
WLH
77
15
20
7
33
152
267
10
60
7
12
304
766
4
40
7
6
823
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
2900
Freunde / Bekannte
Überbelag / Substandard
delogierungsgefährdet25
24
TAB. 2: VON WOHNUNGSLOSIGKEIT
BETROFFENE MINDERJÄHRIGE
Kategorie
Gesamt
PERSONEN
in Prozent
unbegleitete Minderjährige (Erhebung Forum)
53
7%
mitziehende Minderjährige (Erhebung Forum)
87
12%
Minderjährige in Haushalten mit prekärer
Wohnversorgung (Erhebung Wohnungsamt)
598
81%
Gesamt
738
100%
24
25
inkl. Daten des Wohnungsamtes Salzburg (Jahresstatistik)
Daten des Justizministeriums für das Jahr 2009 (Jahresstatistik)
TAB. 3: WOHNUNGSLOSE ERWACHSENE /
Status
GEGLIEDERT NACH
gesamt
InländerInnen
EU-AusländerInnen
Dritt-Staat-Angehörige
AsylwerberInnen
gesamt (Erhebung Forum)
STAATSBÜRGERSCHAFT
in Prozent
557
73%
41
5%
132
17%
29
4%
759
100%
TAB. 4: GESCHLECHTSVERTEILUNG (INKL. DOPPELNENNUNGEN)
Kategorie
Frauen
Männer
Gesamt
Frauenanteil
Dritt-Staat-Angehörige
67
81
148
45,3%
unbegleitete Minderjährige
22
31
53
41,5%
141
416
557
25,3%
10
41
51
19,6%
7
23
30
23,3%
InländerInnen
Eu-AusländerInnen
AsylwerberInnen
Gesamt
247
592
839
29,4%
138
TAB. 5: FRAUEN
IN
WOHNUNGSNOT
Inländerinnen
Obdachlos
EU-Bürgerinnen
Migrantinnen
Asylwerberinnen
unbegl. Minderjährige
Gesamt
5
0
1
0
2
8
Entlassung aus
stationärem Aufenthalt
12
0
2
1
0
15
unbetreute Pensionen
14
2
5
0
1
22
4
2
0
0
5
11
(Übergangs)Einrichtungen der WLH
15
2
16
1
9
43
Freunde / Bekannte
70
1
17
1
5
94
Überbelag / Substandard / Untermiete
25
3
26
4
3
61
145
10
67
7
25
254
Notschlafstellen
gesamt
Anmerkung: Die Angaben zur Delogierungsgefährdung erlauben keine geschlechts- respektive statusspezifische Differenzierung und werden nicht berücksichtigt.
139
TAB. 6: MÄNNER
IN
WOHNUNGSNOT
Inländer
EU-Bürger
Migranten
Asylwerber
unbegl. Minderjährige
Gesamt
Obdachlos
34
8
4
3
0
49
Entlassung aus
stationärem Aufenthalt
42
5
11
1
2
61
unbetreute Pensionen
54
7
5
0
1
67
Notschlafstellen
60
4
2
6
13
85
(Übergangs)Einrichtungen der WLH
62
7
2
0
6
77
197
9
43
6
7
262
20
1
14
3
3
41
469
41
81
19
32
642
Freunde / Bekannte
Überbelag / Substandard / Untermiete
gesamt
Anmerkung: Die Angaben zur Delogierungsgefährdung erlauben keine geschlechts- respektive statusspezifische Differenzierung und werden nicht berücksichtigt.
TAB. 7: ALTERSVERTEILUNG
18
19-24
25-29
30-39
40-49
50-59
60 plus
weibl.
7%
22%
14%
15%
26%
12%
4%
männl.
2%
20%
11%
18%
24%
16%
8%
140
TAB. 8: ALTERSVERTEILUNG
18 - 29
weiblich
männlich
NACH
GESCHLECHT,
30 - 39
43
33
IN
PROZENT
40 - 49
50 59
15
18
TAB. 9: WOHNUNGSLOSE INLÄNDERINNEN
26
24
VOR EINER
60 plus
12
16
4
8
HAFTENTLASSUNG
Haftentlassung
2004
40
haftentlassene InländerInnen
TAB. 10: WOHNUNGSLOSE INLÄNDERINNEN
Wohnungslose Kur-/Psychiatrieentlassene
TAB. 11:
STATIONÄRE
wohnbetreute KientInnen
WOHNBETREUUNG
2005
35
VOR EINER
2004
24
VON
2004
77
2006
20
ENTLASSUNG
2005
20
2007
25
AUS
KUR-
2008
22
ODER
2009
23
PSYCHIATRIEAUFENTHALT
2006
14
2007
19
2008
17
2009
31
2006
81
2007
70
2008
74
2009
77
INLÄNDERINNEN
2005
82
141
TAB. 12: INLÄNDERINNEN
IN UNBETREUTEN
2004
80
InländerInnen in unbetreuten Pensionen
TAB. 13: INLÄNDERINNEN,
TEMPORÄR BEI
InländerInnen, temporär bei Bekannten
TAB. 14:
ERWACHSENE
INLÄNDERINNEN,
erwachsene InländerInnen, nächteweise
in Notschlafstellen
TAB. 15: OBDACHLOSIGKEIT
Obdachlosigkeit von erwachsenen
InländerInnen
PENSIONEN
2005
80
2006
85
2007
80
2008
65
2009
68
2007
195
2008
233
2009
267
BEKANNTEN / VERWANDTEN
2004
175
2005
208
NÄCHTEWEISE IN
2006
200
NOTSCHLAFSTELLEN
2004
2005
2006
2007
2008
2009
65
60
52
52
49
43
VON ERWACHSENEN
INLÄNDERINNEN
2004
2005
2006
2007
2008
2009
46
40
46
43
46
39
142
TAB. 16: BEI BEZIRKSGERICHTEN
EINGEBRACHTE
RÄUMUNGSEXEKUTIONSANTRÄGE: 2001 – 2009
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Salzburg
Flachgau
Pongau
Tennengau
Pinzgau
Tamsweg
428
30
24
48
65
13
392
23
35
52
71
14
375
61
72
57
66
17
420
65
70
66
56
8
373
53
90
72
85
11
394
65
76
69
75
11
372
57
73
73
60
8
400
56
52
83
66
11
394
49
71
70
65
7
Bundesland Salzburg
608
587
648
685
684
690
643
668
656
TAB. 17:
VOLLZOGENE
RÄUMUNGEN: 2004
BIS
2009
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Salzburg
173
133
162
117
138
115
Flachgau
25
34
34
19
23
19
Tennengau
13
34
26
21
20
20
Pongau
17
38
29
21
14
21
Pinzgau
24
37
34
19
25
19
Lungau
3
2
1
3
1
2
255
278
286
200
221
196
Bundesland Salzburg
143
WLH-EINRICHTUNGEN
IM
BUNDESLAND SALZBURG
Anzahl der
Anzahl der
Einrichtungen
Wohnplätze
1) Stationäres Übergangswohnen (Soziale Arbeit GmbH); Sbg-Stadt
1
13
2) Ambulantes Übergangswohnen (Soziale Arbeit GmbH); Sbg-Stadt
1
31
1
29
stationäre Wohnungslosenhilfe
betreute Übergangswohnheime:
betreute Wohngemeinschaften
1) Langzeitwohnen (Soziale Arbeit GmbH); Sbg-Stadt
Anzahl der
Anzahl der
Einrichtungen
Wohnplätze
1) Bahnhofssozialdienst (Caritas); Sbg-Stadt
1
keine
2) Wohnintegration (Caritas); Sbg-Stadt
1
keine
3) AIS (Soziale Arbeit GmbH); Sbg-Stadt
1
keine
4) Frauentreffpunkt; Sbg-Stadt
1
keine
1) Notschlafstelle der Caritas; Sbg-Stadt
1
15
2) Torwirt (Soziale Arbeit GmbH); Sbg-Stadt
1
10
3) Jugendnotschlafstelle (Caritas); Sbg-Stadt
1
4) Winternotschlafstelle der Stadt Salzburg (Abtlg. 3)
1
k.A.
1) Saftladen (Neustart); Hauptzielgruppe: Haftentlassene; Sbg-Stadt
1
Keine
2) Tageszentrum für wohnungslose Jugendliche (Caritas); Sbg-Stadt
1
keine
ambulante Wohnungslosenhilfe
Beratungsstellen:
NächtigerInnenangebote – Notschlafstellen:
6 Betten
Tagesstrukturangebote:
Delogierungsprävention
Anzahl der Einrichtungen
Wohnplätze
1 Fachstelle in Sbg-Stadt,
Gefährdetenhilfe / SAG; Sbg-Stadt
Sprechstunden / Zweigstellen in den
Bezirken
keine
Tabellenband: Betreuungsdokumentationen
WOHER KOMMEN DIE ANONYMISIERTEN BETREUUNGSDOKUMENTATIONEN?
Frauen
Männer
Gesamt
SAG/FGH
7
5
12
SAG/IAS
10
17
27
SAG / Übergangswohnen
5
5
10
SAG/betreutes Langzeitwohnen
2
3
5
Caritas / BASO
11
16
27
Caritas / Clearingstelle
0
3
3
Caritas / SOALP
0
10
10
Frauentreffpunkt
7
0
7
Vertretungsnetz Sachwalterschaft
2
0
2
Verein Neustart
0
5
5
44
64
108
Gesamt
Insgesamt sind 107 auswertbare Fragebögen eingelangt. Davon entfielen 44 (40%) auf
weibliche Klientinnen; 63 auf wohnungslose Männer (60%). Frauen sind in dieser Stichprobe
in Relation zu den Ergebnissen der WL-Erhebung vom Oktober 2009 gut repräsentiert.
GESCHLECHTSVERTEILUNG
Frauen
44
41%
Männer
63
59%
gesamt
107
100%
145
ALTERSVERTEILUNG
<21
21-30
31-40
41-50
>50
Frauen
5
11
6
12
10
Männer
1
14
11
22
12
gesamt
6
25
17
34
22
Die eingelangten Betreuungsdokumentationen sind in Hinblick auf das Alter der KlientInnen
nahezu gleichmäßig verteilt und ermöglichen damit eine ausgewogene Auswertung. Einziger
Nachteil: Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen (<21 Jahre) sind so gut wie gar nicht
vertreten, das lässt sich aber – denke ich – durch die Altersgruppe der 21-30Jährigen relativ
gut abdecken.
FAMILIENSTATUS
Ledig
Geschieden /
verwitwet
Verheiratet / in
Lebensgemeinschaft
Frauen
18
14
12
Männer
37
17
8
gesamt
55
31
20
Während die weiblichen KientInnen gleichmäßig über die verschiedenen Statusformen
verteilt sind, zeigt sich bei den Männern ein sehr eindeutiges Bild. Danach sind die ledigen
Männer klar in der Überzahl, gefolgt von geschiedenen respektive verwitweten. Aufrechte
Ehen / Lebensgemeinschaften bilden bei den Männern in Wohnungsnot tendenziell die
Ausnahme.
VÖLKERRECHTLICHER STATUS
Österreich
EU-Land
Dritt-Staat
Frauen
37
2
5
Männer
51
1
10
gesamt
88
3
15
Im Vergleich zu den Ergebnissen der WL-Erhebung 10/09 fällt auf, dass in dieser Stichprobe
die InländerInnen deutlich überrepräsentiert und die EU-AusländerInnen klar
146
unterrepräsentiert sind. Insbesondere die Gruppe der EU-AusländerInnen wird in unserer
Stichprobe so gut wie gar nicht abgebildet.
ERWERBSBETEILIGUNG
Vollzeit
Teilzeit
nicht erwerbstätig
Frauen
4
2
38
Männer
13
2
46
gesamt
17
4
84
Die Stichprobe wird deutlich von Personen ohne aufrechte Erwerbsbeteiligung (80%)
dominiert. Nur einige wenige gehen einer Teilzeit-Beschäftigung nach. Immerhin jede/r
Sechste steht in einer aufrechten Vollzeitbeschäftigung (16%). Bei den männlichen Klienten
liegt der Anteil der Vollbeschäftigten bei 21% und damit deutlich über dem Wert bei den
Klientinnen (9%).
LEBENSGRUNDLAGE (INKL. MEHRFACHANGABEN)
Lohn /
Gehalt
Pension
Arbeitslose /
Notstandshilfe
Sozialhilfe
Karenz /
Krankengeld
mittellos
Frauen
7
11
7
17
6
0
Männer
15
16
13
12
15
5
Gesamt
22
27
20
29
21
5
Entsprechend dem relativ niedrigen Anteil von Erwerbstätigen findet sich in dieser Stichprobe
ein ausgesprochen hoher Anteil von TransfergeldbezieherInnen, wobei insbesondere dem
Bezug von (Invaliditäts-)Pensionen eine große Rolle zukommt. Deutlich abgeschlagen, aber
immer noch in ausreichender Anzahl auswertbar, liegt der Bezug von Erwerbseinkommen im
unteren Bereich dieser Verteilung.
Einige wenige Männer verfügen über gar kein reguläres Einkommen. Das betrifft z.B.
Asylwerber, bei denen die Entscheidung über eine Aufnahme in die Bundesbetreuung und
entsprechende Grundversorgung noch aussteht, sowie Asylwerber, bei denen der Asylantrag
abgelehnt wurde und die Grundversorgung damit ausgelaufen ist, für die jedoch noch keine
Folgeregelung getroffen werden konnte.
147
AKTUELLER WOHNSTATUS (INKL. MEHRFACHANGABEN)
Miete
NOST
Pension
BEWO
Bekannte
obdachlos
stationär
Frauen
15
0
5
2
14
2
1
Männer
9
8
12
9
13
6
2
gesamt
24
8
17
11
27
8
3
Die meisten Nennungen entfallen auf die Wohnform „temporär bei Bekannten & verdeckt
wohnungslos“. Gut abgedeckt ist auch die Gruppe der Personen, die in einem aufrechten
Mietverhältnis leben, wie immer unzureichend (Überbelag, Überteuerung und Gefährdung)
diese im Detail auch gestaltet sind.
Für die Wohnformen ‚Pensionszimmer‘ sowie ‚betreute Wohnformen‘ (teilstationär sowie
ambulant) ist ein deutliches Übergewicht der männlichen Klienten anzumerken. Bedauerlich
erscheint in diesem Zusammenhang, dass die weiblichen NutzerInnen von betreuten
Wohnformen tatsächlich nur als Ausnahmen aufscheinen.
Für das Fehlen einer regulären Unterkunft (obdachlos, Nächtigung in NOST) sind jeweils nur
wenige Nennungen vertreten, wobei ib. weibliche KlientInnen in diesen Statusgruppen nur
als Ausnahmefälle respektive gar nicht abgebildet werden.
Die Kategorie einer stationären Unterbringung (Haft bzw. CDK) wird kaum abgebildet und
kann in der Auswertung der Betreuungsdokumentationen auch nur in der Form von
Einzelfallschilderungen dargestellt werden.
148
Problemkonstellationen im zielgruppenspezifischen Überblick
Junge Frauen (<30 Jahre alt) = 15 Personen, 9 mitziehende Minderjährige; Ø = 3 Problembereiche
Nr.
Ablöse von
Familie / JW
Trennung
von LG
prek.
Einkommen
psych.
Probleme
häusl.
Gewalt
Delinquenz
/ Haft
Mietschulden
Delogierung
Schulden
aufenthaltsrechtl. Probl.
Alk/Drogen
6
6
15
4
2
1
2
6
2
2
45
Prekäres Einkommen: 100%; Trennung von LG: 40%; Ablöse von Familie oder Jugendwohlfahrt: 40%; Schulden: 40%; psychische Probleme: 27%. Im
Durchschnitt liegen bei den jungen Frauen in Wohnungsnot drei Problemnennungen vor. Insgesamt sind neun mitziehende Minderjährige von der WL ihrer
Mütter betroffen.
Ältere Frauen (>30 Jahre alt)
Nr.
Trennung
von LG
prek.
Einkommen
psych.
Probleme
häusl.
Gewalt
Delinquenz /
Haft
Mietschulden
Delogierung
Schulden
aufenthaltsrechtl. Probl.
Alk/Drogen
20
28
20
4
1
12
11
2
7
105
Auf 29 Frauen entfallen insgesamt 105 Problemnennungen, im Ø = 3,6 Problembereiche. Von der Wohnversorgungskrise dieser Frauen sind insgesamt 20
mitziehende minderjährige Kinder betroffen.
Nahezu durchgängig finden sich bei den Frauen in Wohnungsnot eine prekäre Erwerbsbeteiligung und ein entsprechend unzureichendes Einkommen. In mehr als
2/3 der dokumentierten Fälle (69%) liegt eine Trennung vom LG oder Todesfall / Inhaftierung der aktuellen Notlage zugrunde. Eine bedeutende Rolle in der
kritischen Lebensgeschichte der dokumentierten Fälle spielen zudem Mietschulden (41%) und Delogierung/Delogierungsverfahren sowie Überschuldung (38%).
Bei jeder Vierten sind Probleme mit einer Abhängigkeitserkrankung / überwiegend Alkoholismus (24%) dokumentiert.
Häusliche Gewalt und deren psychische / sozioökonomische Folgen sind bei jeder siebten wohnungslosen Frau (14%) als ursächlicher / auslösender Faktor für
den Einstieg in die Wohnungslosigkeit dokumentiert.
Junge Männer (<30 Jahre alt); 16 Personen mit Ø 3,75 Problemnennungen
Nr.
Ablöse von
Familie
Ablöse
von JW
Trennung
von LG
prek.
Einkommen
psych.
Problem
häusl.
Gewalt
Delinquenz
/ Haft
Mietschulden
Delogierung
Schulden
aufenthaltsrechtl. Probl.
Alk/Drogen
9
2
1
15
5
1
5
1
11
3
7
60
Die Liste wird, so wie bei den jungen Frauen, von der Kategorie des prekären Einkommens dominiert (93%). Viele sind mit Schulden und hohen Rückzahlungsverpflichtungen belastet (69%); bei mehr als der Hälfte der jungen Männer (56%) liegt eine problematische Ablöse aus der Familie als zentrale Problemnennung
vor. Eine Abhängigkeitserkrankung liegt bei 44% der jungen Männer vor (teils Alkohol, teils Drogen, teils Polytoxikomanie). Bei annähernd jedem dritten jungen
Mann (31%) ist weiters eine psychische Erkrankung oder Delinquenz/Haftstrafe als Hintergrund der Wohnungslosigkeit festzustellen.
Männer über 30 Jahre
Nr.
Trennung
von LG
prek.
Einkommen
psych.
Probleme
häusl.
Gewalt
Delinquenz /
Haft
Mietschulden
Delogierung
Schulden
aufenthaltsrechtl. Probl.
Alk/Drogen
24
41
12
5
10
8
22
8
32
161
In 47 Betreuungsdokumentationen werden insgesamt 161 Problembereiche verzeichnet; im Durchschnitt entfallen auf einen Mann im Alter von >30 Jahren 3,4
Nennungen. In den meisten Fällen liegen prekäre Erwerbstätigkeit oder eingeschränkte Arbeitsfähigkeit sowie ein entsprechend niedriges Einkommen
(Transferleistungen nach dem AlVG und / oder der Sozialhilfe) der aktuellen Problemlage zugrunde. Viele der wohnungslosen Männer leiden an
Abhängigkeitserkrankungen (68%; überwiegend handelt es sich dabei um Alkoholismus).
150
Häufige Nennungen entfallen auf die Trennung von einer LG. Das war für etwa jeden Zweiten der unmittelbare Anlass für Wohnungslosigkeit (51%). Zum Teil
wurde diese Trennung von der LG durch häusliche Gewalt und einer nachfolgenden Wegweisung ausgelöst (11% der wohnungslosen Männer >30 J.).
Viele der älteren Männer sind mit erheblichen Schulden (47%) konfrontiert. In der Kombination mit Mietschulden kam es bei etwa jedem sechsten Mann zu einer
Delogierung bzw. einem freiwilligen Auszug aus der nicht mehr leistbaren Wohnung (17%) und dem Eintritt in die Wohnungslosigkeit.
Qualifikation-Erwerbsbeteiligung-Einkommen im zielgruppenspezifischen Überblick
Junge Frauen (<30 Jahre); 15 Personen; überwiegend Pflichtschulabschluss, einige wenige haben eine Lehre absolviert; Einkommen kaum einmal
über € 1000
Qualifikation
Höhe des Einkommens
k.A. / kein
Abschluss
SPZ
HS
PTS
Lehre
andere
kein
Einkommen
unter 500€
500-1000€
über
1.000€
4
0
3
4
3
1
3
5
5
2
Junge Männer (<30 Jahre); 16 Personen; überwiegend nur Pflichtschulabschluss; Einkommen nur ausnahmsweise über € 1000
Qualifikation
Höhe des Einkommens
k.A. / kein
Abschluss
SPZ
HS
PTS
Lehre
andere
kein
Einkommen
unter 500€
500-1000€
über
1.000€
1
0
5
8
1
1
3
3
9
1
151
Ältere Frauen (>30 Jahre)
Qualifikation
Höhe des Einkommens
k.A. / kein
Abschluss
SPZ
HS
PTS
Lehre
andere
kein
Einkommen
unter 500€
500-1000€
über
1.000€
4
0
6
8
7
4
1
10
13
5
29 Frauen, älter als 30 Jahre, überwiegend nur Pflichtschulabschluss (28%) oder Lehrausbildung (24%); einige wenige Frauen haben eine weitergehende
Qualifikation (14%: HASCH). Das Einkommen der älteren Frauen bewegt sich mit wenigen Ausnahmen zwischen dem Sozialhilfeniveau von knapp € 500 und €
1.000. Herkömmliche Mietpreise sind unter diesen Vorzeichen nicht erschwinglich.
Ältere Männer (älter als 30 Jahre)
Qualifikation
Höhe des Einkommens
k.A. / kein
Abschluss
SPZ
HS
PTS
Lehre
andere
kein
Einkommen
unter 500€
500-1000€
über
1.000€
6
3
14
7
16
2
2
8
24
13
47 Männer, überwiegend mit Pflichtschulabschluss als höchste Qualifikation (45%); jeder Dritte (34%) hat weiters eine Lehrausbildung abgeschlossen. Das
Einkommen der männlichen Klienten liegt in den meisten Fällen deutlich unter der € 1000 Marke (51%); weitere 17% müssen mit einem monatlichen
Einkommen in der Höhe des Sozialhilferichtsatzes für Alleinstehende auskommen. Lediglich 28% tragen mit einem Einkommen von über € 1000 zum
Haushaltsbudget bei.
152
Wohnungslosenhilfe in Österreich
Einrichtungen der WLH gibt es mittlerweile in beinahe allen Bundesländern Österreichs, in
der Regel konzentriert auf die Landeshauptstädte. Nach wie vor gilt jedoch, dass diese
Angebote keineswegs flächen- oder gar bedarfsdeckend angelegt sind. Diesbezüglich ist ein
großer Nachholbedarf, in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht, festzustellen.
WLH in Österreich
Bei der WLH in Österreich handelt es sich unter vielen Aspekten um ein Versorgungsnetz
zweiter Klasse, d.h. die durchschnittlichen Lebensbedingungen (Wohnqualität, soziale
Sicherheit, Zugang zu Recht, Gesundheit, Erwerbstätigkeit etc.) werden in diesem Segment
z.T. gravierend unterschritten. Hartnäckig und nachhaltig verhindern (bisher) Grundmuster,
Haltungen und Menschenbilder aus der Geschichte des Umgangs mit der Randgruppe
wohnungsloser Menschen die Gewährleistung von Normalität und führen dazu, dass die
Rahmenbedingungen der WLH dem Grundmuster der systematischen Unterschichtung
unserer Gesellschaft weitgehend verhaftet bleiben. Die Geschichte der WLH lässt sich als
nunmehr etwa 30 jährige Arbeit an Widerständen charakterisieren, die der Implementierung
von Standards und der Realisierung eines würdevollen Umgangs mit Personen am Rande der
Gesellschaft entgegenstanden bzw. aktuell immer noch entgegenstehen. In der
nachstehenden Übersicht werden in Stichworten die aktuellen Angebote und Hilfestrukturen
in den Bundesländern gegenüber gestellt.

Burgenland: WLH ist kein etablierter eigenständiger Hilfebereich. Ob und (sofern
überhaupt) welche Hilfen Menschen in existenzieller Wohnungsnot /
Wohnungslosigkeit erhalten, hängt damit ausschließlich von ihren Zugängen zur
behördlich organisierten Sozialhilfe ab. Praxiserfahrungen der Wiener
Wohnungslosenhilfe legen den Verdacht nahe, dass die kolportierte Strategie der
Ausstellung einer Fahrkarte nach Wien keine böswillige Unterstellung darstellt,
sondern den ‚bewährten‘ Problemtransfers in den städtischen Raum durchaus
adäquat abbildet.

Kärnten: In diesem Bundesland gibt es nur wenige modellhafte Angebote mit einem
durchgängig professionellen Anspruch und entsprechender Ressourcenausstattung.
Das weitere Hilfesystem in Kärnten ist tendenziell auf den Zentralraum (Klagenfurt,
Villach) konzentriert und nur wenig ausdifferenziert. Kärnten ist inzwischen eines der
letzten Bundesländer, in dem es noch keine systematische Delogierungsprävention
gibt und das nach wie vor überwiegend auf (Substan-dard-) Herbergen zur Lösung
der individuellen Wohnungsnot / Wohnungslosigkeit setzt.

Niederösterreich: Hier gibt es kein landesweit einheitliches System; während die WLH
in einigen wenigen Städten (St. Pölten, Krems etc.) / Regionen (aktuell Hollabrunn)
gut ausdifferenziert ist, beschränkt sich das WLH-Angebot in anderen Regionen (z.B.
Waldviertel) auf wenige professionelle Vorsorgen. Neu ist z.B. die Einführung einer
flächendeckenden Delogierungsprävention, die im Auftrag der niederösterreichischen
Landesregierung von privaten WLH-Trägern gewährleistet wird.

Oberösterreich: Die WLH in Oberösterreich ist, nachdem es bis vor wenigen Jahren
noch ein ausgeprägtes Stadt-Land-Gefälle gab, inzwischen flächendeckend ausgebaut
und sehr ausdifferenziert. Die Angebotskonzentration auf die Landeshauptstadt Linz
wurde zuletzt durch den Ausbau der bezirklichen Angebote tendenziell abgebaut.
Inzwischen gibt es auch in Oberösterreich ein flächendeckendes Angebot der
Delogierungsprävention, jeweils realisiert von privaten WLH-Einrichtungen. Zudem
wird aktuell ein Reservoir an preisgünstigen Wohnungen für die Vermittlung an
KlientInnen der WLH aufgebaut.

Salzburg: Die WLH ist ausschließlich im Bereich der Stadt Salzburg angesiedelt und
hier ausgesprochen gut ausdifferenziert. Tatsächlich gibt es mit Ausnahme der
Delogierungsprävention keine professionellen Angebote der WLH in den Bezirken, die
auch in den Bezirken Sprechstunden und z.T. auch aufsuchende Beratung anbietet.
Hilfesuchende in existenzieller Wohnungsnot aus den ländlichen Gemeinden sind
mithin darauf angewiesen, für die Lösung und / oder Bearbeitung ihrer Probleme in
den Ballungsraum auszupendeln. Gemäß den Praxisberichten der städtischen WLHEinrichtungen nimmt der Problemtransfer aus dem ländlichen Raum (ib.
Innergebirgsbezirke von Salzburg sowie oberes Innviertel) einen Großteil des
Problemanfalls in der WLH ein.

Steiermark: Ein ausdifferenziertes WLH-System gibt es lediglich in Graz. Daneben
finden sich nur vereinzelte Einrichtungen in den steirischen Bezirken, die auch für
wohnungslose KlientInnen ein bedürfnisorientiertes Angebot gewährleisten können.
In diesem Sinne ist die steirische WLH durch ein deutliches Stadt-Land-Gefälle
gekennzeichnet. Auch in der Steiermark ist seit Kurzem ein flächendeckendes
Angebot der Delogierungsprävention, in der Trägerschaft der Caritas und in enger
Kooperation mit den Pfarren, installiert.

Tirol: Gleichermaßen findet sich in Tirol ein ausdifferenziertes und professionell
ausgestattetes Hilfesystem, konzentriert auf die Landeshauptstadt Innsbruck,
154
daneben prägen aber weiterhin Großheime mit niedrigem Betreuungsstandard die
behördlich dominierte Hilfestruktur in der Stadt Innsbruck. In den ländlichen Bezirken
gibt es dagegen nur wenige Angebote (Schwaz, Hall); das Stadt-Land-Gefälle ist
somit sehr hoch. Innerhalb der österreichischen Vorsorgen für
Delogierungsprävention nimmt die Innsbrucker Einrichtung eine Sonderposition ein.
Es gibt sie zwar, aber diese ist zu kennzeichnen durch eingeschränkte Zuständigkeit
auf die Innsbrucker Stadtwohnungen, geringe (Personal-)Ressourcen und niedriges
fachliches Niveau. In Punkto systematischer und landesweiter Vorsorgen für
Delogierungsprävention liegt das Bundesland Tirol mithin am unteren Ende im
österreichischen Ländervergleich (gemeinsam mit den Bundesländern Burgenland und
Kärnten, in denen es keine strukturellen Vorsorgen für Delogierungsprävention gibt).

Vorarlberg: Die WLH in Vorarlberg hat eine lange Tradition der Professionalisierung
und kleinräumigen Differenzierung. Damit ist die Versorgung wohnungsloser
KlientInnen zumindest in zwei Bezirken (Raum Bregenz und Feldkirch) gut abgedeckt.
Parallel zu dieser kontinuierlichen Professionalisierung haben sich in Vorarlberg aber
traditionelle Strukturen überwiegend ehrenamtlich geführter und caritativ
ausgerichteter Substandardeinrichtungen erhalten, die insgesamt gesehen dazu
führen, dass die WLH in diesem Bundesland durch einen deutlichen Überhang
stationärer Versorgungsplätze gekennzeichnet ist. Weiters sind für Vorarlberg noch
erhebliche bezirkliche Schwächen (z.B. Bregenzerwald, Walsertal) festzustellen,
Regionen mit einem eklatanten Mangel an fachspezifischen Hilfestrukturen und –
vorsorgen. Erst seit wenigen Jahren ist in Vorarlberg ein landesweites Angebot der
Delogierungsprävention, unter verantwortlicher Einbeziehung der regionalen
Beratungsstellen sowie der WLH-Träger, in systematischer Koordination durch einen
landesweit aktiven Träger von sozialen Diensten, realisiert.

Wien verfügt über ein sehr differenziertes System der WLH, das aus vielfältigen
Angeboten der (Delogierungs-)Prävention, Sozial- und arbeitsmarktspezifischen
Beratung, der ambulanten, mobilen und stationären Betreuung etc. besteht.
Zielgruppenspezifische Angebote für betreutes Übergangs- sowie Langzeit-Wohnen
(Einrichtungen für Frauen, SeniorInnen, Wohnungslose mit psychiatrischen
Krankheitsbildern) und eigenständige Strukturen für die gezielte Ablöse in
erschwingliche Wohnungen / Rehabitation (in Zusammenarbeit mit der Sozialen
Schiene von Wiener Wohnen / preisgünstige Gemeindewohnungen für eigenständige
Miete) runden dieses Angebot der WLH ab.
155
Delogierungsprävention in Österreich
In Österreich ist das Grundrecht auf Wohnen nicht in der Verfassung verankert und
dementsprechend auch nicht als individuell durchsetzbares Recht konstituiert. Auf der
Grundlage ambitionierter Zielvorgaben in den Raumordnungs- und
Wohnbauförderungsgesetzen war es in den vergangenen Jahrzehnten zwar möglich, ein
elaboriertes System des sozialen Wohnbaus zu etablieren, das sich durch hohe Wohnqualität
auszeichnet. In Hinblick auf Aufgaben des Schutzes von MieterInnen respektive
WohnungseignerInnen vor dem Verlust des Wohnraums erweist sich diese Rechtslage jedoch
als unzureichend, zumal die entsprechenden Rechtsbestimmungen lediglich Normen und
Aspekte der entsprechenden Verfahren zum Schutz vor Willkür, Wucher etc. sicherstellen, in
letzter Konsequenz jedoch den Verlust von Wohnraum nicht definitiv verhindern können.
Weitergehende kritische Aspekte der Wohnungssicherheit, im Zusammenhang mit der
Trennung von Ehen / Lebensgemeinschaften, der Ablöse von jungen Erwachsenen aus der
Familie etc., sozioökonomische Krisen von Haushalten etc., werden im Wohnrecht überhaupt
nicht berücksichtigt und sind zur Gänze Rechtsbereichen überlassen, in denen aber
keineswegs durchgängig Rechtssicherheit und schon gar kein Wohnrecht geschaffen bzw.
gewährleistet wird.
Entsprechend der Österreichischen Rechts-Realität ist der Weg in die Wohnungslosigkeit auf
rechtlicher Ebene nur unzureichend blockiert, tatsächlich der Entstehung von
Wohnungslosigkeit (im unmittelbaren Zusammenhang mit Armut, Sockelarbeitslosigkeit
sowie der Erosion der Institutionen Ehe und Familie) Tür und Tor geöffnet. Die durchgängige
Zunahme von Wohnungslosigkeit in den vergangenen Jahrzehnten (seit etwa 1980) trotz
gleichzeitigem Ausbau der Wohnungslosenhilfe spricht hier eine deutliche Sprache.
Mit zeitlicher Verzögerung hat die WLH vor etwa 15 Jahren begonnen, die Einrichtung von
Fachstellen zur Delogierungsprävention und Wohnraumsicherung zu forcieren. Inzwischen
gibt es in einzelnen Bundesländern Österreichs modellhafte Ansätze für eine systematische
Prävention von Wohnraumverlust durch Delogierung. Ein flächendeckender Ausbau
(insbesondere auch in den ländlichen Regionen, in denen immerhin mehr als die Hälfte der
ÖsterreicherInnen lebt) steht aber ebenso aus, wie eine systematische Ergänzung dieses
sehr spezifischen Hilfeangebots – jenseits von Wohnungsverlust durch Delogierung – für die
Ablöse von Jugendlichen / jungen Erwachsenen aus dem familiären Haushalt; Trennung von
Lebensgemeinschaften / Ehen; Gewalt im sozialen Nahraum; Vereinzelung von älteren
Personen durch Krankheit oder Tod der PartnerInnen etc.) derzeit noch nicht durchgängig
vorgesehen ist. Die nachstehende Übersicht stellt in Stichworten den aktuellen Stand des
156
Ausbaus von Angeboten der Wohnungssicherung und Delogierungsprävention in den
Bundesländern vor.

Burgenland: keine strukturellen Vorsorgen für Delogierungsprävention

Wien: FAWOS, Träger Volkshilfe, mittlerweile flächendeckend aber noch ohne
Zuständigkeit für den Gemeindewohnungsmarkt – die zuständige MA gibt vor, sich
selbst um die Prävention von Wohnungsverlust zu kümmern, was erfahrungsgemäß
aber nur teilweise stimmt.

Niederösterreich: Auf der Grundlage einer Bedarfserhebung im ländlichem Raum
(Bezirk Hollabrunn), in der der Bedarf nach professionellen Angeboten der
Delogierungsprävention im ländlichen Raum nachgewiesen und belegt werden
konnte, wurde mittlerweile von der NÖ Landesregierung der flächendeckende Aufund Ausbau von professionellen Hilfestrukturen initiiert. Delogierungsprävention wird
seit dem Jahr 2009 von privaten WLH-Trägern flächendeckend gewährleistet.

Steiermark: Grundlage für den Beschluss der steirischen Landesregierung zur
Einrichtung von flächendeckenden Vorsorgen für die Delogierungsprävention ist eine
von der BAWO im Jahr 2004 durchgeführte Studie zu Wohnungslosigkeit und WLH in
der Landeshauptstadt Graz, in der der Nachweis erbracht wurde, dass der
Wohnungsverlust durch Delogierung und die unzureichenden Vorsorgen für die
Prävention wesentlichen Anteil am Entstehen der Wohnungslosigkeit haben.
Inzwischen wird, in Trägerschaft der steirischen Caritas, ein flächendeckendes
Angebot der Delogierungsprävention realisiert, das in den ländlichen Bezirken
wesentlich auf einer engen Zusammenarbeit mit den Pfarren beruht.

Oberösterreich: Eine der zentralen Umsetzungsmaßnahmen seit Einführung der
landesweiten WLH-Planung war der Beschluss, in OÖ eine flächendeckende Vorsorge
für eine systematische Delogierungsprävention zu schaffen. Für diesen Zweck wurden
bestehende private WLH-Träger mit der Umsetzung für die ihnen zugewiesenen
Bezirke beauftragt. Die Aufbau- und Umsetzungsphase konnte im Jahr 2008
abgeschlossen werden.

Salzburg: Auf Initiative des privaten WLH-Trägers (SAG) konnte in den frühen 90er
Jahren eine systematische Bedarfsanalyse und Machbarkeitsstudie, finanziert aus
Mitteln der Wohnbauforschung, durchgeführt werden. Diese Studie und die damit
belegten Aussagen bezüglich Machbarkeit und Effekten gelungener Prävention waren
letztlich der Startschuss für den Beginn der professionellen Delogierungsprävention in
Österreich. In Salzburg ist mittlerweile eine flächendeckende Vorsorge gewährleistet,
157
allerdings deutlich behindert durch das Faktum unzureichender Rahmenbedingungen
bezüglich Zugang zu entsprechenden Sozialhilfemitteln (um allfällige Mietschulden
abdecken zu können), Zugang zu Ersatzwohnraum (um den Betroffenen bei der
Suche nach Alternativen zu unterstützen), Gewährleistung einer nachgehenden und
aufsuchenden Betreuung für Personen, die von sich aus den Gang in eine formelle
Beratungs- / Unterstützungseinrichtung vermeiden.

Kärnten: In diesem Bundesland ist bis dato keine systematische und professionelle
Delogierungsprävention gewährleistet.

Tirol: Im Bundesland Tirol beschränken sich die Vorsorgen für die
Delogierungsprävention auf das Kontingent der Stadtwohnungen in Innsbruck.
Weitere Angebote zur Delogierungsprävention werden im Rahmen der
Beratungsangebote der privaten WLH-Träger mehr / minder systematisch
gewährleistet. Demgemäß gibt es in diesem Bundesland noch keine flächendeckende
Gewährleistung.

Vorarlberg: Das Vorarlberger Modell der Delogierungsprävention beruht auf der
Koordination durch das IfS (privater Träger von sozialen Diensten) und wird, in enger
Kooperation mit den Beratungs- und Betreuungseinrichtungen im ganzen
Bundesland, dezentralisiert und flächendeckend gewährleistet. Für aufsuchende bzw.
nachgehende Ergänzungsangebote einer begleitenden Betreuung sind allerdings nur
eher eingeschränkte personelle Ressourcen vorgesehen.
Unterstützungsangebote zur Bewältigung von Wohnungslosigkeit
Die rechtlichen / administrativen Vorsorgen für die Finanzierung von Angeboten der WLH
sind in den Bundesländern Österreichs jeweils im Rahmen der Sozialhilfe; sprich der sozialen
Dienste zu finden. Auffällig dabei ist, dass sich diese Regelungen der Länder deutlich
voneinander unterscheiden. Gemeinsam ist diesen Regelungen ein eingeschränkter
Rechtsanspruch, wonach Menschen mit besonderen Bedürfnissen (also auch wohnungslose
Personen) zwar einen Rechtsanspruch auf Hilfe haben. Wie diese Hilfe dann aber letztlich
aussieht, darüber können diese Personen weder mitreden, geschweige denn entscheiden.
Darauf gibt es dezidiert keinen Rechtsanspruch.
158
Zudem ist es im Rahmen der Sozialhilfe keineswegs selbstverständlich, dass Hilfesuchenden
eine mittel- bis längerfristige Absicherung ihres Lebensunterhalts sowie der
Wohnungsaufwände gewährt wird. Stattdessen bestimmen häufige Vorsprechtermine,
Auflagen wie der wiederholte Nachweis der Arbeitssuche, bargeldlose und entmündigende
Unterstützungsformen etc. den Alltag vieler wohnungsloser Menschen. Nach wie haben viele
wohnungslose Menschen, die auf eine Unterstützung durch die Sozialhilfe angewiesen sind,
keine Sozial- und Krankenversicherung und sind somit (unabhängig davon, ob sie die
Zugangsschwellen zum Gesundheitssystem bewältigen oder nicht) auf Extra-Dienste der
Gesundheitsversorgung (z.B. Luisebus in Wien, Marienambulanz in Graz etc.) angewiesen.
Vor diesem Hintergrund muss wohl nicht extra erklärt werden, warum es in den
Rechtsgrundlagen der WLH-Einrichtungen in der Regel keine Vorsorgen im Sinne von
KlientInnenrechten, anwaltliche Vertretung und / oder Partizipation gibt. Dementsprechend
prekär ist nahezu durchgängig auch die Rechtsstellung der WLH-MitarbeiterInnen im
Rahmen des Sozialhilfevollzugs. Tendenziell werden die WLH-BeraterInnen dabei selbst zu
BittstellerInnen.

Burgenland: keine WLH

Wien: in den letzten Jahres verstärkter Ausbau von Einrichtungen der Sozialberatung
für wohnungslose Menschen, damit tendenziell Abbau des Überhangs an stationären
Vorsorgen; Zugang zu Überlebenshilfen wesentlich über Tageszentren, z.T. mit
Notübernachtungsmöglichkeit (Gruft) bzw. mit angeschlossenen Nächtigerstrukturen
(P7)

Niederösterreich: wenig ausgebaute Vorsorgen für Beratung, Notunterbringung /
Notschlafstellen; Überlebenshilfen wie Tageszentren; deutlicher Überhang von
teilstationären Angeboten des betreuten Wohnens in gemeinschaftlichen
Wohnformen (Wohnhäuser / Wohnen und Arbeiten)

Steiermark: wenig ausgebaute Vorsorgen für Sozialberatung; deutlicher Überhang
von (wenig betreutem) Notunterkünften (Herbergen, Asylen, Container-Dorf); keine
Tageszentren und / oder niederschwelligen Überlebenshilfen

Oberösterreich: Seit Einführung der WLH-Planung kann eine systematische
Neuverteilung der WLH-Schwerpunkte beobachtet werden – weg von der eher
unspezifischen Notversorgung – hin zu zielgruppenspezifisch gestalteten
differenzierten Betreuungs- und Rehabilitätsangeboten – flächendeckende Vorsorgen
für Prävention und Rehabitation runden diese planmäßige und wissensgeleitete
Entwicklung ab
159

Salzburg: differenzierte WLH – aber nur im Zentralraum um die Landeshauptstadt –
im Mittelpunkt dieser WLH-Vorsorgen stehen die Beratungsangebote von SAG
(integrierte Sozialberatung) und Caritas (Bahnhofsozialdienst), die im Wesentlichen
auch eine Verteilungsfunktion bezüglich der Zugänge zum betreuten Wohnen sowie
weiteren spezifischen WLH-Angeboten inne haben. Notschlafstellen für Junge und für
Erwachsene runden ein Programm ab, das allerdings ohne tagesstrukturierende
Angebote auskommen muss. Ein weiteres zentrales Problem stellen in Salzburg die
vielen unbetreuten (Billig-)Pensionen dar, in den viele Wohnungslose mehr / minder
dauerhaft untergebracht sind.

Kärnten: wenig differenziertes WLH-Angebot, deutlicher Überhang von (Substandard-)Herbergen ohne ausreichende Vorsorgen für fachliche Beratung / Betreuung

Tirol: großes Stadt-Land-Gefälle; differenzierte Angebote nahezu ausschließlich im
Raum Innsbruck; neben differenzierten Angeboten von privaten WLH-Trägern wird
die Innsbrucker WLH wesentlich von städtischen Großeinrichtungen / Herbergen mit
wenig Fachpersonal dominiert. Streetwork und Teestuben vervollständigen dieses
Bild, wonach – insgesamt gesehen – die Notversorgung im Rahmen der Innsbrucker
WLH überrepräsentiert erscheint; dementsprechend schwach sind die Vorsorgen für
Prävention und Rehabitation ausgebaut und / oder ausgestattet

Vorarlberg: differenzierte Vorsorgen – von Prävention bis Rehabitation, mit gut
ausgebauten / ausgestatteten Beratungsangeboten im Kernbereich des WLHAngebots; Ausnahme von dieser exzeptionellen WLH-Struktur ist der Bezirk Dornbirn,
wo anstelle eines fachlich ausgerichteten differenzierten Angebotes eine
(Substandard-)Herberge ohne fachliches Personal das Angebot für wohnungslose
Menschen dominiert. Überlebenshilfe ohne Prävention, Rehabilitation und / oder
Rehabitation bedeutet Verfestigung von Wohnungslosigkeit und sozialem Ausschluss.
Eine konzeptive Weiterentwicklung der Dornbirner Mangelstruktur wurde in den
letzten Jahren eingeleitet. So konnte mittlerweile eine Beratungsstelle für
Wohnungslose die Arbeit aufnehmen. Delogierungsprävention wird im Rahmen eines
landesweiten Angebotes realisiert. Angebote ambulant betreuten Wohnens werden
aktuell ausgebaut.
Im Rahmen der inzwischen realisierten Novellierung der Sozialhilfe in die Bedarfsorientierte
Mindestsicherung muss leider davon ausgegangen werden, dass gegenüber der alten
Sozialhilfe insofern eine Verschlechterung eintreten wird (trotz lauthals verkündetem
160
Verschlechterungsverbot!), als nun der Rechtsanspruch auf Wohnungssicherung endgültig
Geschichte sein könnte.
Wege aus der Wohnungslosigkeit / Rehabitation
Die Geschichte der WLH in Österreich ist wesentlich durch eine ständige Diskussion über
adäquaten und erschwinglichen Wohnraum gekennzeichnet. Dementsprechend war es auch
einer der inhaltlichen Höhepunkte, als in der Diskussion des BAWO-Grundsatzprogramms
(etwa 1990) heftiger Widerspruch gegen die Forderung erhoben wurde, das Ziel der
Wohnversorgung von wohnungslosen Menschen an den gültigen Normalvorstellungen von
gutem Wohnen – analog zu den entsprechenden Kriterien in der Wohnbauförderung –
auszurichten. Stattdessen wurde für eine systematische Unterschreitung dieser Normen
argumentiert, nach dem Motto: die Übernahme der in der Wohnbauförderung für die
Wohnversorgung der ÖsterreicherInnen empfohlenen Normgröße adäquaten Wohnraums in
die WLH „halten wir nicht aus“. Hinter dieser Position, die auch von MitarbeiterInnen der
WLH vehement vertreten wurde, steckte die Sorge, damit der Bogen der zumutbaren
Wohnqualität für Menschen am Rande der Gesellschaft zu überziehen und die Akzeptanz für
die WLH zu verlieren. Zu Recht wurde in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass ja
diese Normempfehlung für einen großen Teil der ÖsterreicherInnen, bspw. Im Kontext des
Wiener Gemeindebaus, nicht gewährleistet werden könne. Daraus wurde jedoch in dieser
Diskussion nicht die Schlussfolgerung gezogen, auch diese Wohnverhältnisse als nicht der
Norm entsprechend zu klassifizieren, sondern wie selbstverständlich argumentiert:
Wohnungslose Menschen haben sich mit weniger als der empfohlenen Norm zu begnügen,
die WLH hätte hier mitzuspielen.
Grundhaltungen wie diese behindern nach wie vor das Bemühen der WLH, ihren KlientInnen
den Zugang zu adäquatem und erschwinglichem Wohnraum zu ermöglichen. Während es
z.B. in wohnrechtlicher Sicht nicht von Bedeutung ist, ob und inwieweit Familien für die
Erziehung ihrer Kinder einer professionellen Unterstützung durch die Jugendwohlfahrt
bedürfen, wird gegen die Aufnahme von wohnungslosen Menschen in geförderten
Mietwohnungen mit dem Verweis auf ihre fragliche Wohnfähigkeit argumentiert. Die
Tatsache, dass viele wohnungslose Menschen einer individuellen Betreuung und Assistenz
bedürfen, wird hier gewissermaßen gegen die Aufnahme derselben in die Wohnversorgung
durch den sozialen Wohnbau (angestrebtes Modell der Mainstream-Wohnversorgung)
verwendet; wohnungslosen Menschen damit der Zugang zu adäquaten und erschwinglichen
Wohnungen verwehrt. Die WLH wird ihrerseits mehrfach in die Pflicht genommen:
161

Wohnfähigkeit zu fördern

Wohnfähigkeit zu attestieren

Wohnungslose Menschen, die der längerfristigen Unterstützung zur Förderung
respektive Herstellung ihrer Wohnfähigkeit bedürfen, aus dem Zugang zum
Gemeinde- respektive Sozialwohnbau zu selektieren und

‚wohnunfähige‘ Personen in einem Segment von betreutem Wohnraum zu versorgen,
das in der Regel eine deutlich schlechtere Qualität aufweist und zudem höhere
Kosten verursacht.

Die WLH eröffnet damit ein Wohnversorgungssystem jenseits des Mainstreams des
(sozialen) Wohnungsmarktes: die ‚Achterbahn‘ der Wohnungslosenhilfe (Andreas
Strunk, 1994).
Ausgesprochen schwer ist es der WLH in Österreich in den vergangenen Jahrzehnten
gefallen, die Rahmenbedingungen und vor allem die Wohnstandards in den Einrichtungen
der WLH selbst auf die Bedürfnisse wohnungsloser Menschen (Frauen, Jugendliche und
junge Erwachsene etc.) abzustimmen und die KlientInnen der WLH zumindest im eigenen
Hilfebereich aus der Stigmatisierungsschere zu befreien. Nach wie vor aber stellt der Zugang
zu adäquatem und erschwinglichem Wohnraum für wohnungslose Menschen r ein zentrales
Problem dar. Erste Modelle partnerschaftlicher Lösungsansätze, Kooperation von WLH und
gemeinnützigen Wohnbauträgern, in einzelnen Bundesländern Österreichs (Wien,
Niederösterreich, Oberösterreich, Vorarlberg) weisen hier einen vielversprechenden Weg.
Tatsächlich sind diese innovativen Ansätze bisher aber lediglich als modellhafte Pilotprojekte
realisiert und keineswegs flächendeckend ausgebaut.
Unter vielfältigen Gesichtspunkten wird solcherart deutlich, dass die WLH auch in Zukunft
wesentlich damit beschäftigt sein wird, ihren KlientInnen bedürfnisadäquate Hilfen zur
Verhinderung, Bekämpfung und Beseitigung von Wohnungslosigkeit bereit zu stellen.
Grundsätzlich geht es dabei wohl auch darum, diese Menschen bei der Bewahrung respektive
bei der Wiederherstellung ihrer Würde zu unterstützen.

Burgenland: keine systematischen Vorsorgen

Wien: Wiener Wohnen / Wieder Wohnen – systematisches Angebot, ehedem
wohnungslose Personen mit sozialarbeiterischer Zurichtung und (kurzer) begleitender
(Nach-)Betreuung in preisgünstigen Gemeindewohnraum (zumeist mit sehr einfachen
Wohnstandards) unterzubringen
162

Niederösterreich: Einzelne modellhafte Initiative, die in enger Zusammenarbeit und
finanziert aus der Wohnbauförderung adäquaten und preisgünstigen Wohnraum für
ehedem wohnungslose Personen schaffen, bereitstellen und (nach)betreuen; Angebot
ist nicht flächendeckend / nicht bedarfsdeckend

Steiermark: kooperative Vorsorgen für Betreuung; Vermittlung in preisgünstigen
Wohnraum denkbar schwer; Kooperation mit gemeinnützigen Wohnbauträgern sowie
der Wohnbauförderung des Landes in Vorbereitung

Oberösterreich: lange Tradition in kooperativen Betreuungsvorsorgen sowie in der
Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Wohnbauträgern; aktuell
Sonderwohnungsprogramm gestartet; Ziel: Übergangswohnraum von 100
Wohnungen für die Abdeckung von Warte- und Übergangszeiten

Salzburg: Initiativen zur Verbesserung der Zugänge zu preisgünstigen Wohnungen
und zur Verbesserung der Kooperation mit den gemeinnützigen Wohnbauträgern sind
eingeleitet und vielversprechend

Kärnten: keine systematischen Vorsorgen für Rehabitation

Tirol: lange Tradition in kooperativen Betreuungsvorsorgen; Zugänge zu
preisgünstigen Wohnungen nicht sichergestellt und dementsprechend schwierig zu
gewährleisten

Vorarlberg: aktuell Aufbau eines kooperativen Modells zur Schaffung und
Bereitstellung von kostengünstigem Wohnraum – in Kooperation mit Gemeinden und
Wohnbauträgern, koordiniert durch privaten Träger von sozialen Diensten; Vergabe
der Wohnungen in Kooperation mit privaten WLH-Trägern
163
Verwendete Literatur und Materialien
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BAWO Hrsg., Wohnungslosigkeit und Wohnungslosenhilfe in Österreich, Wien 2009
BM ASK, Armutsgefährdung in Österreich, EU-SILC 2008, Wien 2009
Bundesministerium für Inneres, Sicherheitsbericht 2006, Wien 2008
Bundesministerium für Gesundheit, Psychiatriebericht 2001 und 2004
Bundesrechenzentrum, Zahlen und Daten zu Räumungsklagen und Exekutionen, Wien 2009
Bernhard Eisl, Armutsgefährdung nach der Haft, Salzburg 2001
BAWO Hrsg., Grundlagenerhebung zur Wohnungslosensituation in Österreich,
Wohnungslosigkeit und Wohnungslosenhilfe unter besonderer Berücksichtigung der
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Volker Busch-Geertsema, Paradigmenwandel in der Europäischen Wohnungslosen-Politik, der
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FEANTSA, ETHOS 2006, Brüssel 2006
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2006 & 2007
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Heinz Schoibl, Knappes Gut Wohnen; strukturelle Gewalt im neoliberalen Staat – am Beispiel
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165
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