Karteikarten I

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Entwicklungspsychologie I (Prof. Dr. Lohaus) - WS 2012/2013
1.1)
Definieren Sie den Begriff Entwicklung und nennen Sie jeweils zwei Beispiele und Gegenbeispiele!
Definition von Entwicklung:
Als Entwicklung werden relativ überdauernde intraindividuelle Veränderungen des Erlebens und Verhaltens über die Zeit
hinweg definiert. Die einzelnen Entwicklungsschritte müssen auseinander hervorgehen.
Beispiele für Entwicklungsveränderungen:
- Entwicklung des visuellen Systems
- Sprachentwicklung beim Kleinkind
Gegenbeispiele für Entwicklungsveränderungen:
- Abrupt eintretende äußere Ereignisse (gehen nicht aus anderen Entwicklungsschritten hervor)
- Befindlichkeitsänderungen (sind nicht überdauernd)
Begriffserklärungen:
Intraindividuell = Unterschiede innerhalb einer Person
Interindividuell = Unterschiede zwischen Personen
1.2)
Nennen Sie die Gegenstandsbereiche, mit denen sich die Entwicklungspsychologie beschäftigt!
Gegenstandsbereich 1:
Intraindividuelle Veränderungen des Erlebens und Verhaltens.
Gegenstandsbereich 2:
Interindividuelle Unterschiede bei den intraindividuellen Veränderungen des Erlebens und Verhaltens.
Gegenstandsbereich 3:
Analyse von intraindividuellen Veränderungen des Erlebens und Verhaltens in Bezug zu der jeweiligen materiellen und
sozialen Umgebung.
Beispiel zu 1: „Veränderung der kognitiven Fähigkeiten von Tim von der ersten bis zur dritten Klasse.“
Beispiel zu 2: „Unterschiede der kognitiven Entwicklung von Tim und Paul von der ersten bis zur dritten Klasse.“
Beispiel zu 3: „Auswirkungen der Umwelt auf die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten von Tim.“
1.3)
Nennen und erläutern Sie die grundlagenorientierten Aufgaben der Entwicklungspsychologie!
Aufgaben der Entwicklungspsychologie können in grundlagenorientiert und anwendungsorientiert aufgeteilt werden.
Grundlagenorientierte Aufgaben
- Beschreibung von Entwicklungsverläufen
- Erklärung von Entwicklungsverläufen (Suche nach Ursachen und Bedingungen)
Beschreibung von Entwicklungsverläufen:
- xt1, xt2, ……, xtn
- Wenn ein Entwicklungsphänomen erstmals bekannt wird, liegt es nahe, es zunächst möglichst genau zu beschreiben
- Beispiel: Beschreibung der motorischen Entwicklungsabfolge bei Greifbewegungen
Erklärung von Entwicklungsveränderungen (Suche nach Ursachen und Bedingungen):
- xtn = f(ytn-1)
- Identifikation der zugrundeliegenden Mechanismen von Veränderungen
- Wichtig: Gesetzmäßigkeiten zwischen vorausgehenden Bedingungen und dem nachfolgenden Entwicklungsergebnis.
- Beispiel: Unter welchen Bedingungen kommt es zu Entwicklungsveränderungen?
1.4)
Nennen und erläutern Sie die anwendungsorientierten Aufgaben der Entwicklungspsychologie!
Anwendungsorientierte Aufgaben
- Bestimmung des aktuellen Entwicklungsstands
- Prognose des zukünftigen Entwicklungsstands
- Suche nach Interventionsmöglichkeiten
Bestimmung des aktuellen Entwicklungsstands:
- Xt(aktuell) und Yt(aktuell)
- Schaffen von Grundlagen, um einen Vergleich der Entwicklung eines Kindes mit der Entwicklung einer Bezugsgruppe zu ermöglichen, um gegebenenfalls Entwicklungsabweichungen festzustellen
Prognose des zukünftigen Entwicklungsstands:
- xt1 ------> ytn
- Schaffen einer Basis, um Prognosen über die weitere Entwicklung ableiten zu können
- Beispiel: Vorhersage des Schulerfolgs anhand der Intelligenz im Vorschulalter
Suche nach Interventionsmöglichkeiten:
- xt1 ------ Intervention ------> xtn
- xt1 ------ Intervention ------> ytn
- Wenn Entwicklungsdefizite oder besondere Spezialbegabungen vorliegen, kann die Notwendigkeit bestehen, besondere Interventionsprogramme zum Einsatz kommen zu lassen.
- Beispiel: Die Suche nach geeigneten Interventionsmöglichkeiten
1.5)
Nennen und erläutern Sie die Zeitstrecken, auf die sich Entwicklung beziehen können!
Nennen Sie außerdem Gründe für den besonderen Stellenwert des Kindes- und Jugendalters in der Entwicklungspsychologie!
Die Entwicklung kann sich auf drei grundlegende Zeitstrecken beziehen:
- Phylogenese
- Anthropogenese
- Ontogenese
Phylogenese:
- Weitester Entwicklungsbegriff
- Die gesamte Evolution wird unter Entwicklungsgesichtspunkten betrachtet (evolutionsbiologische Perspektive)
- Beispiel: Die Reflexausstattung eines Neugeborenen
Anthropogenese:
- Betrachtung der gesamten „Menschwerdung“ unter Entwicklungsgesichtspunkten
- Entwicklung von den frühesten anthropoiden Vorformen bis zum heutigen Menschen
- Fragestellung: Lassen sich Verhaltenseigenarten des heutigen Menschen auf früheres Verhalten zurückführen, das an
andere Lebensverhältnisse angepasst war?
Ontogenese:
- Betrachtung von Entwicklungsveränderungen von der Konzeption bis zum Tod eines Menschen
- Vorherrschender Trend in den Anfängen der Entwicklungspsychologie war die Beschäftigung mit dem Kindes- und
Jugendalter. Heute wird der Fokus auch auf das Erwachsenenalter gelegt
Gründe für die besonderen Stellenwert des Kindes- und Jugendalters in der Entwicklungspsychologie:
- Entwicklungsphänomene können von Anfang an beobachtet werden
- Die Entwicklung geht in diesen Altersabschnitten besonders schnell vonstatten
1.6)
Erläutern Sie die Rollen von Lebensalter und Entwicklungsstand als Kategorisierungsvariablen!
Voraussetzung für sinnvolle Nutzung des Lebensalters als Kategorisierungsvariable:
- Die Varianz zwischen den Altersgruppen muss größer sein als innerhalb der Altersgruppen
Hier ist die Nutzung des Lebensalters als Kategorisierungsvariable nur bei den drei-/vierjährigen sinnvoll!
Häufig entstehen durch Nutzung des Entwicklungsstands als Kategorisierungsvariable homogenere Gruppen!
- Beleg: Angleich des Entwicklungsstandes durch Schulbesuch
Viele Ähnlichkeiten bei Kindern der gleichen Klassenstufe (trotz unterschiedlichen Alters)
Viele Unterschiede bei Kindern unterschiedlicher Klassenstufen (trotz gleichen Alters)
Fazit:
Anscheinend ist Entwicklungsstand eine bessere Kategorisierungsvariable als Lebensalter, da nach Entwicklungsstand
kategorisierte Gruppen homogener sind (im Vergleich zur Kategorisierung nach Lebensalter).
Problem:
Eine zuverlässige Messung des Entwicklungsstands ist schwierig, da hierfür kaum Erhebungsinstrumente verfügbar
sind!
1.7)
Erklären Sie die Bedeutung von Entwicklungsbereichen bei der Messung des Entwicklungsstands!
Der Entwicklungsstand muss nicht in allen Entwicklungsbereichen gleich sein, sondern er kann in unterschiedlichen
Entwicklungsbereichen differieren.
Beispiel:
Pauls Entwicklungsstand in Bereich 3 ist überdurchschnittlich, sein Entwicklungsstand in den Bereichen 1, 2 und 4 entspricht dem Stand einer Bezugsgruppe.
Entwicklungsstand von Paul in den Bereichen 1-4
Klassische Theorien und Entwicklungsbereiche:
Viele klassische Theorien der Entwicklungspsychologie nehmen keine Trennung zwischen Entwicklungsbereichen vor,
sondern betrachten Entwicklung als ein einheitliches, bereichsübergreifendes Phänomen.
Aktuelle Theorien und Entwicklungsbereiche:
Manche aktuellen Theorien nehmen das Vorhandensein verschiedener Entwicklungsmodule an, bei denen sich unterschiedliche Entwicklungsverläufe ergeben können (in Abhängigkeit von Erfahrungen).
1.8)
Unterscheiden Sie die unterschiedlichen Verläufe, die Entwicklung annehmen kann!
Kontinuierliche Entwicklung:
Die Entwicklung verläuft kontinuierlich mit quantitativen Entwicklungszuwächsen (z.B. Entwicklung eines Schwamms)
Diskontinuierliche Entwicklung:
Die Entwicklung verläuft diskontinuierlich mit qualitativ unterschiedlichen Entwicklungsstadien.
Ein Beispiel für diskontinuierliche Entwicklung kann die Sprachentwicklung bei Menschen sein.
Verschiedene Theorien der Entwicklungspsychologie unterscheiden sich hinsichtlich der Annahme quantitativer bzw.
qualitativer Entwicklungsverläufe.
Beispiele für Theorien, die quantitative Entwicklungsverläufe annehmen:
- Lerntheorien
- Informationsverarbeitungstheorien
Beispiele für Theorien, die qualitative Entwicklungsverläufe annehmen:
- Psychoanalyse
- Piagets kognitive Theorie
Möglicherweise sind Entwicklungsverläufe in verschiedenen Entwicklungsbereichen unterschiedlich!
- z.B. quantitativer Verlauf in Entwicklungsbereich A, qualitativer Verlauf in Entwicklungsbereich B
1.9)
Erklären Sie den Stellenwert von Anlage und Umwelt in der Entwicklungspsychologie!
Entwicklungsprozesse können entweder endogen oder durch exogen gesteuert werden.
Endogene Steuerung: Reifung
Exogene Steuerung: Erfahrung und Lernen
In den Anfängen der Entwicklung spielen besonders endogene Faktoren eine große Rolle (da noch wenig Erfahrung und
Lernen vorliegen). Aber auch in späteren Entwicklungsabschnitten sind endogene Faktoren noch bedeutsam.
Beleg für die spätere Bedeutung von endogenen Faktoren:
In Adoptivstudien nahm der Grad der Übereinstimmung des Intelligenzquotienten mit den Adoptiveltern im Laufe der
Entwicklung ab, der Grad der Übereinstimmung mit den biologischen Eltern nahm zu.
Erklärung:
Mit steigendem Lebensalter erhalten Kinder bzw. Jugendliche mehr Freiräume, sich aktiv förderliche Umgebungen zu
suchen, die zu ihren (genetisch determinierten) Präferenzen passen.
Der Stellenwert von Anlage und Umwelt in der Entwicklungspsychologie:
Die Entwicklungspsychologie nimmt in der Regel keine extremen Positionen zur Rolle von Anlage und Umwelt ein (eher
wird eine wechselseitige Beziehung angenommen).
Zentrale Fragestellungen der Entwicklungspsychologie in Bezug auf Anlage und Umwelt:
- Welche Entwicklungsbereiche werden besonders deutlich bzw. weniger deutlich durch endogene Faktoren beeinflusst? Welche Genorte sind dafür verantwortlich?
- Frage nach Modifikationsbreiten und dadurch entstehende Interventionsmöglichkeiten
1.10) Nennen Sie Beispiele für die Bedeutung entwicklungspsychologischer Forschung für die Praxis!
Orientierung über den Lebenslauf:
Durch die Angabe von statistischen Altersnormen können Entwicklungsabweichungen identifiziert werden. Als Konsequenz können möglicherweise Interventionen erfolgen, um die Abweichungen zu korrigieren (Beispiel: Normen zur
Motorikentwicklung).
Ermittlung von Entwicklungs- und Veränderungsbedingungen:
Wenn bekannt ist, welche Faktoren für eine Entwicklung verantwortlich sind, kann man präventiv tätig werden, indem
man Faktoren beeinflusst, die zu ungünstigen Entwicklungsverläufen führen.
Prognose der Stabilität und Veränderung von Personenmerkmalen:
Wenn Angaben zur Stabilität bzw. Veränderbarkeit von Merkmalen vorliegen, kann man Prognosen zur künftigen Entwicklung abgeben.
Begründung von Entwicklungs- und Interventionszielen:
Wenn die entwicklungspsychologische Forschung zeigt, dass man beispielsweise bestimmte Entwicklungsziele früher
erreichen kann oder erst später anstreben sollte, ergeben sich heraus auch Konsequenzen für die Formulierung von
Erziehungszielen.
Planung von Interventionsmaßnahmen:
Mit Interventionen können Fehlentwicklungen verhindert werden. Interventionen sind z.B. Prävention und Korrektur
von Fehlentwicklungen. Die Entwicklungspsychologie kann Aufschlüsse darüber liefern, wo/wann/wie sinnvollerweise
angesetzt wird.
Evaluation von Entwicklungsinterventionen:
Die Effektivität von gewählten Maßnahmen muss bewertet werden. Um künftige Interventionen zu planen, sollte man
wissen, ob die angestrebten Ziele bei früheren Interventionen erreicht werden konnten (vor allem langzeitige Effekte
sind wichtig!).
2.1)
Nennen Sie die wichtigsten Theorien der Entwicklungspsychologie!
Wichtigste Theorien der Entwicklungspsychologie:
- Psychoanalyse
a) Psychoanalytische Konzeption von Sigmund Freud
b) Psychoanalytische Konzeption von Erik Erikson
- Psychobiologische Modelle
a) Ethologische Ansätze
b) Soziobiologische Ansätze
- Lerntheoretische Modelle
a) Klassische Konditionierung
b) Operante Konditionierung
c) Modelllernen
- Anforderungs-Bewältigungs-Theorien
- Kognitive Theorie von Jean Piaget
- Informationsverarbeitungstheorien
- Theorien domänenspezifischer Entwicklung
- Systemorientierte Theorien
2.2)
Unterscheiden Sie bei Freuds psychoanalytischer Konzeption zwischen Es, Ich und Über-Ich!
Freuds psychoanalytische Konzeption - Es, Ich und Über-Ich:
Es:
Das Es ist auf unmittelbare Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet und steht im Laufe der Entwicklung zunächst im Vordergrund.
Ich:
Das Ich versucht Wege zu einer Triebbefriedigung zu finden, die mit den Normen in Einklang stehen. Es erhält im Laufe
der Entwicklung eine zunehmend stärkere Bedeutung.
Über-Ich:
Das Über-Ich repräsentiert die Normen der Umgebung, die der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung im Wege stehen.
Es entwickelt sich später als das Es.
2.3)
Nennen und beschreiben Sie die Entwicklungsphasen in Freuds psychoanalytischer Konzeption!
Freuds psychoanalytische Konzeption - Entwicklungsphasen:
Die Quelle der Triebbefriedigung ändert sich im Laufe der Entwicklung und daraus ergibt sich die Einteilung in verschiedene Entwicklungsphasen. Probleme in der Entwicklung ergeben sich, wenn eine unzureichende oder übermäßige
Bedürfnisbefriedigung erfolgt. Dadurch kommt es zur Fixation (in späteren Entwicklungsphasen erfolgt dann eine übermäßige Befriedigung durch Quellen aus vorherigen Phasen).
Orale Phase (0-1 Jahre):
Quelle der Triebbefriedigung ist Nahrungsaufnahme und daran beteiligte Organe.
Anale Phase (1-3 Jahre):
Quelle der Triebbefriedigung ist Nahrungsausscheidung und daran beteiligte Organe.
Phallische Phase (3-6 Jahre):
Quelle der Triebbefriedigung sind die Genitalien.
Latenzphase (6-11 Jahre):
Quelle der Triebbefriedigung sind alle früheren Zonen, aber es erfolgt eine vorübergehende Abnahme des genitalen
Lustgewinns. Stattdessen kommt es zur Zunahme der intellektuellen Wissbegier als Umlenkung von Es-Energie (Sublimierung als Abwehrmechanismus).
Genitale Phase (ab 11 Jahren):
Wiederbelebung der frühkindlichen Arten des Lustgewinns, starke Zunahme der Bedeutung der genitalen Zonen.
2.4)
Beschreiben Sie die Lösung des Ödipus-/Elektrakomplexes in Freuds psychoanalytischer Konzeption!
Freuds psychoanalytische Konzeption - Lösung des Ödipus-/Elektrakomplexes:
In der phallischen Phase kommt es zu einem bedeutsamen Entwicklungsprozess, dem Ödipus-/Elektrakomplex. Er führt
zur Identifikation mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil und zur Übernahme von dessen Normen und Werten. Damit
verbunden kommt es zur vollen Ausprägung der Über-Ich und Ich.
Ablauf des Ödipus-/Elektrakomplexes (Phallische Phase):
1. Erkennen der genitalen Unterschiede zwischen den Geschlechtern
2. Gefühl, in besonderem Maße zum gegengeschlechtlichen Elternteil hingezogen zu sein
3. Furch vor der Rache des gleichgeschlechtlichen Elternteils (Kastrationsangst)
4. Identifikation mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil um indirekt die eigenen Wünsche zu erfüllen
5. Übernahme der Werte/Normen des gleichgeschlechtlichen Elternteils und volle Ausbildung von Über-Ich und Ich
2.5)
Beschreiben Sie das Grundkonzept der psychoanalytischen Konzeption von Erik Erikson!
Psychoanalytische Konzeption von Erik Erikson - Grundkonzept:
- baut auf der Theorie Freuds auf
- Ich-Entwicklung nimmt hier einen deutlich stärkeren Stellenwert ein
- Ausdehnung auf Altersabschnitte jenseits der Pubertät
- Annahme der Entwicklung als lebenslanger Prozess
Der Mensch durchläuft im Laufe seiner Entwicklung verschiedene psychosoziale Krisen. Durch die Art der Aufgabenlösung entwickelt sich die Persönlichkeit des Individuums.
2.6)
Nennen und beschreiben Sie die Entwicklungsphasen der psychoanalytischen Konzeption von Erikson!
Psychoanalytische Konzeption von Erik Erikson - Entwicklungsphasen:
Die Entwicklungsphasen werden von Erikson aufgeteilt in Altersabschnitt und die damit verbundene psychosoziale Krise.
1. Säuglingsalter (1. Lebensjahr):
Urvertrauen vs. Urmisstrauen
2. Frühes Kindesalter (1-3 Jahre):
Autonomie vs. Selbstzweifel
3. Mittleres Kindesalter (3-5 Jahre):
Initiative vs. Schuldgefühl
4. Spätes Kindesalter (bis Pubertät):
Fleiß vs. Minderwertigkeitsgefühl
5. Adoleszenz (ab Pubertät):
Identitätsfindung vs. Rollendiffusion
6. Frühes Erwachsenenalter (ab 20 Jahren):
Intimität vs. Isolation/Rückzug (Umgang mit Partnerschaft und Sexualität)
7. Mittleres Erwachsenenalter (ab 40 Jahren):
Generativität vs. Stagnation (Fortpflanzung und Fürsorge für Kinder)
8. Höheres Erwachsenenalter (ab 60 Jahren):
Ich-Integrität vs. Verzweiflung (Auseinandersetzung mit dem Tod, Aufbau übergeordneter Wertesysteme)
2.7)
Nennen Sie die Beispiele für psychosoziale Krisen in Bezug auf oral-respiratorische und anal-urethrale Zone!
Psychoanalytische Konzeption von Erik Erikson - Psychosoziale Krisen
Oral-respiratorische Zone:
Wenn regelmäßige und vorhersagbare Befriedigung stattfindet, entsteht Vertrauen in die Umgebung (Urvertrauen),
andernfalls entsteht Urmisstrauen.
Anal-urethrale Zone:
Es erfolgt ein Kampf zwischen Kontrolle durch die Eltern vs. eigene Freiheit und Durchsetzung eigener Wünsche. Es
besteht die Notwendigkeit, hier einen Mittelweg zu finden, nämlich Autonomie. Andernfalls kommt es bei zu starker
Fremdkontrolle zu Selbstzweifel.
2.8)
Nennen Sie die Schwerpunkte der neueren Konzeptionen der Psychoanalyse und geben Sie eine kritische Bewertung der Psychoanalyse ab!
Neuere Konzeptionen der Psychoanalyse:
Auch in neueren Konzeptionen der Psychoanalyse wird Entwicklung nicht mehr in erster Linie unter dem Gesichtspunkt
des Triebwandels gesehen, sondern die Entwicklung des Ichs und der Persönlichkeit stehen im Vordergrund.
- Konzept der Objektbeziehungen (Mahler et al., 1999):
Bedürfnis nach physischem und sozialen Kontakt und seiner Befriedigung steht im Vordergrund. Die „Objekte“ werden eher in ihrer Funktion, die Entwicklung des Ichs und der psychischen Unabhängigkeit zu ermöglichen (und weniger in ihrer Funktion zur Triebbefriedigung). Vor allem in den ersten Lebensjahren.
Kritische Würdigung der Psychoanalyse:
- wenig Stützung durch empirische Forschung
- heuristische Bedeutung für die Entwicklungspsychologe (insbesondere für die Bindungsforschung)
2.9)
Beschreiben Sie die Bedeutung psychobiologischer Modelle für die Entwicklungspsychologie und nennen Sie die
zentralen Gegenstandsbereiche von Humanethologie und Soziobiologie!
Psychobiologische Modelle - Bedeutung für die Entwicklungspsychologie:
- bedeutsam für die Erklärung von frühkindlichem Verhalten
- besonderen Stellenwert nehmen Ethologie und Soziobiologie ein
Zentraler Gegenstand der Humanethologie:
- Suche nach artspezifischen angeborenen Verhaltensmustern
- Frage nach der evolutionären Angepasstheit des Verhaltens
- Suche nach angeborenen Lerndispositionen
Zentraler Gegenstand der Soziobiologie:
- Analyse von Beziehungen zwischen genetischen Interessen (Weitergabe von Genen) und Verhalten
- Zentrale Annahme:
a) Erfolgreiches Handeln im Sinne der Evolution ist das Weitergeben von Genen (Sicherung des Art-Überlebens)
b) ...nicht nur bezogen auf eigene Gene, sondern auch auf die eines Sozialverbands
(erklärt altruistisches Verhalten und geringere Aggressivität innerhalb von Sozialverbänden mit verwandtschaftlichen Beziehungen)
2.10) Nennen Sie die Kriterien zum Nachweis artspezifischer angepasster Verhaltensmuster!
Humanethologie - Kriterien zum Nachweis artspezifischer angepasster Verhaltensmuster:
1.
2.
3.
4.
Weitgehend stereotypes Auftreten (gleichförmiges Auftreten bei allen Vertretern einer Art)
Universelles Auftreten (Auftreten bei allen Individuen einer Art)
Keine vorausgehenden Lernerfahrungen, die das Auftreten erklären könnten
Geringe Beeinflussbarkeit durch Lernerfahrungen
Beispiele für artspezifische angepasste Verhaltensmuster sind
a) Reflexe (z.B. Moro-Reflex)
b) festgelegte Handlungsmuster (Balzverhalten bei Stichlingen)
2.11) Erklären Sie die evolutionäre Angepasstheit des Verhaltens!
Humanethologie - Evolutionäre Angepasstheit des Verhaltens:
Das allgemeine Prinzip besteht darin, dass die am besten angepassten Verhaltensmerkmale sich im Evolutionsprozess
mit erhöhter Wahrscheinlichkeit durchgesetzt haben und bestehen geblieben sind.
Es geht in der Forschung um die Suche nach dem Überlebensvorteil, der sich aus den artspezifischen angeborenen
Verhaltensmustern ergibt bzw. ergeben hat.
2.12) Nennen Sie die Indizien für spezifische Lernleistungen/angeborene Lerndispositionen!
Humanethologie - Indizien für spezifische Lernleistungen/angeborene Lerndispositionen
Nicht nur spezifische Verhaltensweisen können angeboren sein, sondern auch die Fähigkeit zu spezifischem Lernen.
Indizien:
1. Bei niedriger entwickelten Arten existieren weniger Lernformen als bei höher entwickelten Arten.
2. Es existieren sensible Perioden, in denen das Lernen besonders effektiv vonstattengeht.
3. Nicht alle Lerninhalte werden gleichleicht erworben.
Auch Lernen ist ein Produkt der Evolution zur Sicherung des Überlebensvorteils einer Art. Neben den angeborenen
Verhaltensweisen ergibt sich dadurch die Flexibilität, sich verschiedenen Umweltbedingungen anzupassen.
2.13) Nennen Sie die Beispiele für Anwendungsgebiete des ethologischen Ansatzes!
Humanethologie - Beispiele für Anwendungsgebiete:
- Soziale Bindung
- Soziale Hierarchiebildung
- Gesichtsausdruck und Körpersprache
Rückschlüsse auf angeborene Verhaltensbestandteile in diesen Bereichen durch:
a) interkulturelle Vergleiche
b) Vergleiche mit korrespondierenden Verhaltensweisen im Tierreich
2.14) Nennen Sie ein Beispiel für die soziobiologische Denkweise!
Soziobiologische Ansätze - Beispiel:
- Vollgeschwister und Eltern/Kinder haben ca. 50% des Genbestands gemeinsam
- dies soll erhöhtes altruistisches und verringertes aggressives Verhalten innerhalb einer Familie erklären
- Möglicher Beleg:
Erhöhter Anteil von innerfamiliärer Kindstötung, wenn ein Elternteil ein Stiefelternteil ist
2.15) Geben Sie eine kritische Bewertung der psychobiologischen Ansätze ab!
Psychobiologische Ansätze - Kritische Bewertung
Vorteile:
- Nutzen für Hypothesengenerierung
- Nachweis von möglichen Verhaltenstendenzen, um diesen gezielt durch Lernen entgegenzuwirken. Die Möglichkeit
des Lernens wird ja durch eine biologische Prädisposition nicht ausgeschlossen.
- Bedeutung für die Kleinkindforschung (hier dürften vor allem biologische Verhaltensgrundlagen dominierend sein)
Nachteile:
- Gefahr der Überbetonung biologischer Prädispositionen und der Unterbewertung der Lernfähigkeit
- Resultierende Gefahr: Rechtfertigung des Verhaltens als biologisch gegeben
- Probleme der Repräsentativität von Befunden aus dem Tierreich
2.16) Nennen Sie das Charakteristikum lerntheoretischer Modelle und die zentralen Lernformen!
Lerntheoretische Modelle - Charakteristikum:
Im Gegensatz zu den psychobiologischen Konzeptionen wird Entwicklung hier weniger als endogen, sondern vorrangig
als exogen gesteuert gesehen. Dies bedeutet, dass weniger die Anlagen, als vielmehr die Umwelt entscheidend für die
Entwicklung angesehen wird.
Zentrale Lernformen:
- Klassische Konditionierung
- Operante Konditionierung
- Modelllernen
2.17) Beschreiben Sie das Konzept der Klassischen Konditionierung und erklären Sie Generalisierung und Diskrimination!
Klassische Konditionierung:
Das klassische Konditionieren beruht auf einer bereits im Verhaltensrepertoire bestehenden Reiz-ReaktionsVerbindung. Wenn ein zuvor neutraler Reiz (z.B. eine Glocke) wiederholt mit dem ursprünglichen Auslösereiz gekoppelt
wird, löst er im Anschluss nun ebenfalls die Reaktion aus (konditionierte Reaktion).
Beispiel:
1. Darbietung der Brust oder Flasche (US) führt beim Säugling zu Saugreaktion (UR)
2. Wiederholte Kopplung von neutralem Reiz (z.B. Glocke) mit Brust oder Flasche (US)
3. Glocke (CS) führt beim Säugling nun ebenfalls zu Saugreaktion (CR)
Generalisierung = Konditionierte Reaktion wird auch bei ähnlichen Reizen (z.B. anderer Glockenton) gezeigt.
Diskrimination = Es wird gelernt, dass nur spezifische Reize mit dem US in Zusammenhang stehen
2.18) Beschreiben Sie das Konzept der Operanten Konditionierung und unterscheiden Sie die unterschiedlichen
Formen der Verstärkung/Bestrafung!
Operante Konditionierung:
Beim operanten Konditionieren zeigt das Individuum mehr oder weniger zufällig ein Verhalten, das dann durch entsprechende Reaktionen aus der Umwelt verstärkt wird (z.B. durch eine Belohnung). Durch die Verstärkung wird die Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens erhöht. Das Individuum zeigt das Verhalten nun häufiger, um die Verstärkung zu
erhalten.
Formen von Verstärkung und Bestrafung:
Verstärkung erhöht, Bestrafung vermindert die Auftretenswahrscheinlichkeit von Verhalten.
- Positive Verstärkung (Setzen einer positiven Konsequenz)
- Negative Verstärkung (Wegnehmen einer negativen Konsequenz)
- Positive Bestrafung (Setzen einer negativen Konsequenz)
- Negative Bestrafung (Wegnehmen einer positiven Konsequenz)
Weitere Unterscheidungsformen:
- kontinuierliche vs. diskontinuierliche/intermittierende Verstärkung (= regelmäßig vs. unregelmäßig)
- Primäre vs. sekundäre Verstärkung (= unmittelbare Verstärkung vs. Gabe von z.B. Tokens)
- Interne vs. externe Verstärkung (= Selbstverstärkung, z.B. Selbstbelohnung vs. Verstärkung von außen)
- Direkte vs. indirekte Verstärkung (= Person wird selbst verstärkt vs. Person beobachtet die Verstärkung anderer)
2.19) Nennen Sie die Teilprozesse des Beobachtungslernens nach Bandura und beschreiben Sie die Befunde zum
klassischen Experiment zum Beobachtungslernen (Bandura, 1965)!
Beobachtungslernen/Modelllernen - Teilprozesse:
Verhaltensaneignung
1. Aufmerksamkeit (der Beobachter muss seine Aufmerksamkeit auf das Modell und dessen Verhalten richten)
2. Behalten (Der Beobachter muss das Verhalten des Modells im Gedächtnis speichern)
Verhaltensausführung
3. Motorische Reproduktionskompetenz (der Beobachter muss von seinen motorischen Kompetenzen her in der Lage
sein, das beobachtete Verhalten zu reproduzieren)
4. Motivation (der Beobachter muss motiviert sein, das beobachtete Verhalten zu realisieren)
Befunde zum klassischen Experiment zum Beobachtungslernen (Bandura, 1965):
Ein erwachsenes Modell zeigte eine Reihe aggressiver Handlungen an einer Stehauf-Puppe. Es gab in dem Experiment
drei Gruppen von Kindern (Modell wurde verstärkt vs. Modell wurde bestraft vs. keine Konsequenz).
- Verstärkungsgruppe zeigte am meisten Modellverhalten, Bestrafungsgruppe am wenigsten
Im zweiten Teil wurde allen Kindern eine Belohnung in Aussicht gestellt, wenn sie das Modell imitierten. Tatsächlich
hatten fast alle Kinder (unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit) das Verhalten erlernt
Fazit:
- Unterscheidung zwischen Verhaltensaneignung und Verhaltensausführung
- Verhaltensausführung abhängig von Anreizbedingungen und Verstärkungserfahrungen (Geschlechtsunterschiede)
2.20) Beschreiben Sie das Konzept von Anforderungs-Bewältigungs-Theorien und deren ursprüngliche Herangehensweise!
Anforderungs-Bewältigungs-Theorien - Konzept:
Wie Erikson vertritt Havighurst (1972) in allgemeinerer Form den Gedanken, dass Entwicklung auch darin besteht, eine
Reihe von Entwicklungsaufgaben erfolgreich zu bewältigen. Die Bewältigung nachfolgender Aufgaben wird wiederum
erleichtert, wenn frühere Aufgaben erfolgreich bewältigt wurden (durch Aufbau von Bewältigungsmechanismen).
Ursprüngliche Herangehensweise:
1. Liste mit kritischen Lebensweisen
2. Zuordnung von Belastungswerten durch Beurteiler
3. Probanden kreuzen individuell erlebte Belastungen in einem definierten Zeitraum an
4. Summierung der damit verbunden Belastungswerte als Index für individuelle Belastung
Problem: Anforderungen sind nicht mit Belastungen gleichzusetzen!
 Anforderungen werden individuell unterschiedlich bewertet und erst durch Bewertung zur Belastung

2.21) Beschreiben Sie das Anforderungs-Bewältigungs-Modell von Lazarus!
Anforderungs-Bewältigungs-Theorien - Modell von Lazaru
Das Modell von Lazarus umfasst zwei zentrale Bewertungsschritte
1. Die Bewertung der Situation (primäre Bewertung)
2. Die Bewertung des vorhandenen Bewältigungspotenzials (sekundäre Bewertung)
1. Bewertung der Situation (primäre Bewertung):
Stresserleben ist nur bei stressender Bewertung zu erwarten (Herausforderung, Bedrohung, Schaden/Verlust).
a) Positiv
b) Irrelevant
c) stressend
2. Bewertung des Bewältigungspotenzials (sekundäre Bewertung):
Ein breites Bewältigungsrepertoire, das situationsgerecht eingesetzt wird, ist günstig für angemessene Bewältigung.
a) Personale Bewältigungsressourcen
- direkte Bewältigung (problemorientiert)
- indirekte Bewältigung (emotionsorientiert)
b) Soziale Bewältigungsressourcen
3. Neubewertung der Ausgangssituation (tertiäre Bewertung):
Erfolgt aufgrund der positiven oder negativen Versuche, die Situation zu bewältigen. Entwicklung wird aufgefasst als
Konfrontation mit Entwicklungsaufgaben, aus deren Bewältigung sich ein Potenzial zum Umgang mit späteren Entwicklungsaufgaben ergibt.
Durch Mehrfachbeanspruchung können auch alltägliche Probleme zu Überforderungssituationen führen.
3.1)
Beschreiben Sie das Grundkonzept von Jean Piagets kognitiver Theorie und definieren Sie die Begriffe „Denkschema“, „Assimilation“ und „Akkomodation“!
Jean Piagets kognitive Theorie - Grundkonzept:
Während bei Anforderdungs-Bewältigungs-Konzepten der Schwerpunkt auf dem Aufbau eines Bewältigungspotenzials
im Entwicklungsverlauf liegt, beschäftigt sich Piagets Theorie im Wesentlichen mit der kognitiven Entwicklung. Es ist
eine der einflussreichsten Theorien der letzten Jahrzehnte.
Definition von Denkschema:
Denkschemata sind kognitive Denkeinheiten zur Verarbeitung von Informationen.
- dienen der Einordnung eingehender Informationen
- dienen der Verbindung von eingehender und ausgehender Information
- sind hierarchisch organisiert und auf Erfahrungen aufgebaut.
Beispiel: Ball, Greifen etc.
Definition von Assimilation:
Wenn Sachverhalte mithilfe vorhandener Schemata eingeordnet werden, so spricht man von Assimilation.
Beispiel: Gelber Marktkauf-Ball wird wie ein Fußball ins Schema „Ball“ eingeordnet
Definition von Akkomodation:
Wenn dagegen eine Diskrepanz zwischen einem einzuordnenden Sachverhalt und den vorhandenen Schemata wahrgenommen wird, kommt es zur Anpassung der vorhandenen Schemata.
Beispiel: Orange stellt sich als Nicht-Ball heraus, Anpassung des vorhandenen Schemas (nicht alle runden Objekte sind
Bälle)
3.2)
Stellen Sie den Assimilations-Akkomodations-Prozess dar!
Jean Piagets kognitive Theorie - Assimilations-Akkomodations-Prozess:
Der Prozess beginnt üblicherweise mit dem Versuch, zu assimilieren.
1. Disäquilibrium
2. Äquilibrium
3. Adaption
Disäquilibrium:
Kommt es zur Wahrnehmung von Widersprüchen beim Versuch der Assimilation, spricht man von Disäquilibrium.
Äquilibrium:
Durch die Veränderung/Verbesserung von Strukturen (Akkomodation) werden diese Widersprüche aufgehoben und es
hat ein Entwicklungsfortschritt stattgefunden. Das Aufheben von Widersprüchen nennt man Äquilibrium.
Adaptation:
Durch kontinuierliche Verbesserungen kommt es zu
- zunehmender Adaptation an die Umwelt
- zunehmender Organisation der Schemata (Differenzierung, Hierarchiebildung)
Diese Verbesserungen erfolgen anhand von Rückmeldeprozessen, die zur Korrektur von fehlerhaften Einordnungsversuchen in Schemata beintragen (z.B. Richtigstellung eines Sachverhalts durch die Eltern, der Mond ist keine Banane)
3.3)
Unterscheiden Sie zwischen horizontaler und vertikaler Verschiebung von Denkstrukturen und erklären Sie
sachimmanente Entfaltungslogik!
Jean Piagets kognitive Theorie - Horizontale und vertikale Verschiebung von Denkstrukturen
Horizontale Verschiebung:
Eine bestimmte Denkstruktur wird bei unterschiedlichen Inhalten zu unterschiedlichen Zeitpunkten erworben.
Beispiel: Mengenerhaltung bei Knetgummi vs. Mengenerhaltung bei Wasser
Vertikale Verschiebung:
Formal ähnliche Denkstrukturen bei gleichen Inhalten kehren in unterschiedlichen Entwicklungsstufen wieder.
Beispiel: Räumliche Orientierung durch Gehen von A zu B (sensumotorische Phase), später durch Vorstellung
Sachimmanente Entfaltungslogik:
- Erkenntnisbeginn erfolgt nach einer bestimmten Logik
- Vorgabe der Logik durch die zu lösende Aufgabe
- folgt dem Prinzip „vom einfachen zum komplexen“
- Entwicklung des Denkens erfolgt dem gleichen Schema
- Durch die Natur der Dinge kommt es zu vorhersagbaren Stufenabfolgen des Denkens, die universell auftreten
 Stufen können nicht übersprungen werden, da die Abfolge der Entwicklung logisch vorgezeichnet ist
 Stufen können aber unterschiedlich schnell durchlaufen werden
3.4)
Nennen Sie die zentralen Entwicklungsphasen nach Piaget!
Jean Piagets kognitive Theorie - Zentrale Entwicklungsphasen
Nach Piaget erfolgt die Entwicklung des Denkens einem diskontinuierlichen (qualitativen) Entwicklungsverlauf. In jeder
der vier Entwicklungsphasen kommt es zu Veränderungen zentraler Denkstrukturen, die Reorganisationen mit sich
bringen.
1.
2.
3.
4.
Sensumotorische Phase (0-2 Jahre)
Präoperationale Phase (2-6 Jahre)
Konkret-operationale Phase (7-11 Jahre)
Formal-operationale Phase (ab 12 Jahren)
3.5)
Beschreiben Sie die Entwicklungen in der sensumotorischen Entwicklungsphase!
Jean Piagets kognitive Theorie - Sensumotorische Entwicklungsphase
Ausbildung kognitiver Schemata für Motorik:
Zentrale Veränderung in der sensumotorischen Phase ist die Verinnerlichung äußerer Handlungen. Für die Handlungen
werden kognitive Schemata gebildet, die zunehmend unabhängig von der tatsächlichen Handlung werden. Später kann
mit den Schemata operiert werden, ohne dass die Handlung stattfinden muss.
Ausbildung kognitiver Schemata für Sensorik (= Objektpermanenz):
Solange noch kein Schema für einen Gegenstand vorliegt, ist der Gegenstand verschwunden, sobald er aus dem Blickfeld genommen wird. Es liegt noch keine Objektpermanenz vor.
- Fehlender Objektpermanenz (bis 4. Monat):
Es erfolgt kein Suchen, wenn ein Objekt versteckt wurde. Das Kind beginnt sofort mit neuen Handlungen.
- Erste Ansätze von Suchverhalten (4-8. Monat):
Wurde ein Gegenstand nacheinander an verschiedenen Orten versteckt, sucht das Kind nicht systematisch. In der
Regel sucht das Kind das Objekt dort, wo es zuerst versteckt wurde. Dieses Phänomen wird A-Non-B-Suchfehler genannt. Teilverdeckte Objekte werden nach 8-12 Monaten erkannt (könnten ebenfalls versteckt werden).
- Systematisches Suchverhalten (ab 12. Monat)
Am Ende der sensumotorischen Phase sind für Motorik und Sensorik Schemata aufgebaut.
- Handlungsmuster werden mit sprachlichen und gestischen Symbolen verknüpft
- Konsequenz: Denken wird effektiver und flexibler
- Konsequenz: Qualitativer Sprung zur nächsten Entwicklungsphase
3.6)
Nennen Sie die spezifischen Entwicklungsphasen innerhalb der sensumotorischen Entwicklungsphase!
Jean Piagets kognitive Theorie - Spezifische Phasen innerhalb der sensumotorische Entwicklungsphase
1. Reflexhandlungen:
Angeborene Reflexe (z.B. Greifreflex)
2. Einfache Gewohnheiten (primäre Kreisreaktionen):
Modifikation von Reflexen in Richtung einfacher Gewohnheiten (durch Erfahrungen)
3. Aktive Wiederholung von Handlungsfolgen (sekundäre Kreisreaktionen):
Entwicklung einer Vielfalt von Schemata, die interessante Umwelteffekte hervorbringen. Stark nach außen gerichtet, um Effekte zu erzielen (z.B. rhythmisches Bewegen einer Rassel)
4. Koordination sekundärer Kreisreaktionen:
Verknüpfung von sekundären Kreisreaktionen sowie Anwendung auf neue Situationen. Herstellung von MittelZweck-Verbindungen
5. Aktives Experimentieren mit Handlungsabfolgen (tertiäre Kreisreaktionen):
Versuch und Irrtum als Verfahren beim Experimentieren mit Handlungsabfolgen. Als Folge entstehen neue Mittel,
um Ziele zu erreichen
6. Erfinden von neuen Handlungsmustern durch verinnerlichtes Handeln:
Entwicklung der Symbolfunktion und damit Übergang zur symbolischen Art der kognitiven Handlung
3.7)
Beschreiben Sie die Entwicklungen in der präoperationalen Entwicklungsphase!
Jean Piagets kognitive Theorie - Präoperationale Entwicklungsphase:
In der präoperationalen Phase ist das Kind zwar zu sprachlich-symbolischen Operationen in der Lage, es bleibt jedoch
noch eng an die konkret wahrgenommene Umgebung und die eigenen Handlungen gebunden.
Kennzeichen des präoperationalen Denkens:
1. statistisches, wenig prozesshaftes Denken
2. Egozentrismus (mangelnde Fähigkeit der Perspektivübernahme)
3. Zentrierung nur auf einzelne Dimensionen (z.B. bei multipler Seriation, multipler Klassifkation, Klasseninklusion)
4. Probleme beim Verständnis von Ursache-Wirkungs-Ketten
Grundproblem der präoperationalen Entwicklungsphase:
Die Tendenz zur Zentrierung auf nur einzelne Aspekte (z.B. Zentrierung auf nur einen Zustand, Dimension, Perspektive)
3.8)
Beschreiben Sie das Problem des statistischen, wenig prozesshaften Denkens mit Beispielaufgaben!
Präoperationale Entwicklungsphase - Statistisches, wenig prozesshaftes Denken:
Das Denken ist in der präoperationalen Phase vielfach auf den augenblicklichen Zustand gerichtet, während prozesshaftes Denken noch wenig ausgeprägt ist. Dies lässt sich gut an Aufgaben zur Mengenerhaltung demonstrieren.
Beispiele:
In der präoperationalen Phase orientieren sich Kinder bei ihren Antworten also an dem aktuellen Zustand und können
sich nicht vorstellen, dass man z.B. den Verformungsprozess ja rückgängig machen könnte (mangelnde Fähigkeit zum
reversiblen Denken). Zustände werden also nicht ineinander überführt.
Alternativerklärung (Sozialpsychologie): Kinder entscheiden falsch, da sie glauben, dies würde von ihnen verlangt!
Es fällt auch schwer, Ursache-Wirkungs-Ketten zu verstehen, das Verständnis verlangt ebenfalls prozesshaftes Denken.
3.9)
Beschreiben Sie das Problem des Egozentrismus des Denkens mit Beispielaufgaben!
Präoperationale Entwicklungsphase - Egozentrismus des Denkens:
Es fällt dem Kind schwer, die Perspektive einer anderen Person einzunehmen und einen Sachverhalt aus einer fremden
Perspektive zu betrachten. Viele Untersuchungen zur Perspektivübernahmefähigkeit zeigen allerdings, dass eine starke
Abhängigkeit der Aufgabenstellung besteht (Drei-Berge-Versuch ist schon recht anspruchsvoll).
Beispiele:
- Drei-Berge-Versuch (Gebirgslandschaft aus der Sicht einer Puppe beschreiben)
 Das Kind beschreibt die Szenerie typischerweise aus der eigenen Sicht
- Egozentrische Unterhaltungen („Mein Vater ist Polizist...“ <> „Unser Hund ist riesengroß…“)
3.10) Beschreiben Sie das Problem der Zentrierung auf nur eine Dimension mit Beispielaufgaben!
Präoperationale Entwicklungsphase - Zentrierung auf nur eine Dimension:
Kinder der präoperationalen Phase zentrieren häufig auf nur eine Dimension, auch wenn eine Aufgabenlösung eine
Beachtung mehrerer Dimensionen verlangt. In verschiedenen Aufgaben gelingt es Kindern dann nur, eines von mehreren Kriterien zu beachten.
Beispiele:
- Multiple Seriation (Rangfolgen nach mehreren Kriterien erstellen - z.B. nach Höhe und Breite)
- Multiple Klassifikation (Sortieren von Gegenständen nach mehreren Kriterien, z.B. Farbe und Form)
- Klasseninklusion (Erkennen von Teilmengen innerhalb von Klassen, z.B. Teilmenge von Tulpen in der Klasse Blumen)
Viele Kinder der präoperationalen Entwicklungsstufe zentrieren bei der Klasseninklusion auf die größere Teilmenge der
Tulpen und übersehen die Gesamtmenge der Blumen (auf die Frage „Gibt es mehr Tulpen oder mehr Blumen?“).
Der Übergang zum mehrdimensionalen Denken ist ein wichtiger Entwicklungsschritt, der eine weitere Flexibilisierung
des Denkens ermöglicht. Er markiert den Übergang zum konkret-operationalen Denken.
3.11) Beschreiben Sie die Entwicklungen in der konkret-operationalen Entwicklungsphase!
Jean Piagets kognitive Theorie - Konkret-operationale Entwicklungsphase:
In der konkret-operationalen Phase findet eine Ablösung des Denkens von den beobachteten Abläufen statt, aber die
Denkoperationen sind immer noch auf konkrete Handlungen und Wahrnehmungen bezogen und die Abstraktionsfähigkeit ist dementsprechend noch immer gering. Das Denken wird jedoch mehrdimensional.
Kennzeichen des konkret-operationalen Denkens:
1. Fähigkeit zu prozesshaftem Denken
2. Fähigkeit zu logischen und arithmethischen Operationen
3. Fähigkeit zu Operationen in Raum und Zeit
4. Kompetenz zur Planung und Koordination von Handlungsabläufen
5. Perspektivenübernahmefährigkeit
3.12) Beschreiben Sie die Entwicklungen in der formal-operationalen Entwicklungsphase mit Beispielaufgabe!
Jean Piagets kognitive Theorie - Formal-operationale Entwicklungsphase:
In der formal-operationalen Phase fällt es Kindern und Jugendlichen leichter, mit abstrakten Symbolen (z.B. Buchstaben
anstelle von Zahlen) zu operieren. Weiterhin können bei Planungsaufgaben Alternativen hypothetisch durchdacht
werden, von denen dann eine Alternative nach systematischer Abwägung von Vor- und Nachteilen realisiert wird.
Kennzeichen des formal-operationalen Denkens:
1. Fähigkeit zum hypothetischen Durchdenken von Handlungsaltenativen
2. Fähigkeit zum systematischen Denken nach formal-logischen Regeln
3. Zunehmend abstraktes Denken
Beispiel:
Systematisches Denken nach formal-logischen Regeln (Einfluss von Pendellänge und -gewicht auf Pendelfrequenz)
3.13) Geben Sie eine kritische Bewertung der kognitiven Theorie von Jean Piaget ab!
Jean Piagets kognitive Theorie - Kritische Bewertung
Methodisches Vorgehen:
- wenige Fälle, teilweise Einzelfälle oder die eigenen Kinder als Versuchspersonen
- Unsystematische Beobachtung bzw. nicht standardisierte Befragung
- einfache, wenig standardisierte Experimente
- Interpretative Schlussfolgerungen aus den Beobachtungen bzw. den Aussagen der Kinder
Kritische Bewertung:
- Anregung der entwicklungspsychologischen Forschung bis in die Gegenwart
- Ergebnisse sind teilweise stark aufgabenabhängig
- Kompetenzen der Kinder werden eher unterschätzt
3.14) Was sind Implikationen für die Erziehung durch Jean Piagets kognitive Theorie?
Jean Piagets kognitive Theorie - Implikationen für die Erziehung:
Es ist möglich, die Entwicklung des Denkens durch den Aufbau von Diskrepanzen in Grenzen zu beschleunigen. Unter
Berücksichtigung der vorhandenen Auffassungsmöglichkeiten kann eine Akkomodation angeregt werden, wenn die
Diskrepanzen nicht zu groß sind.
Ein Kind, das bereits zählen kann, könnte z.B. in einer Aufgabe zur Mengenerhaltung (präoperationale Phase) dazu
angeregt werden, einmal nachzuzählen. Dies kann zur Revision der ursprünglichen Einschätzung führen.
3.15) Beschreiben Sie die neopiagetianische Theorie von Case (1985)!
Neuere Ansätze zu Jean Piagets kognitiver Theorie - Neopiagetianische Theorie von Case (1985):
In neueren Ansätzen, die auf Piagets Theorie aufgaben, wird versucht, eine Verbindung zu Informationsverarbeitungstheorien herzustellen. Einen zentralen Stellenwert nimmt dabei das Konstrukt der Gedächtniskapazität ein.
Definition von Gedächtniskapazität:
Die maximale Anzahl unabhängiger Schemata, die ein Kind zu einem gegebenen Zeitpunkt aktivieren kann.
So ist nicht der Äquilibrationsprozess, sondern die zunehmende Effizienz bei der Ausnutzung vorhandener Gedächtniskapazität ausschlaggebend für Entwicklung.
Ursachen der zunehmenden Effizienz:
1. Automatisierungsprozesse (z.B. beim Zählen)
2. Erhöhung der Verarbeitungsgeschwindigkeit
3. Neurologische Reifeprozesse (z.B. Myelinisierung)
4. Parallele Informationsverarbeitung
3.16) Nennen Sie die vier Entwicklungsstadien in der neopiagetianischen Theorie von Case (1985)!
Neopiagetianische Theorie von Case (1985) - Vier Entwicklungsstadien
Auf Basis der Annahmen der erhöhten Effizienz zur Nutzung von Gedächtniskapazität postuliert Case ähnlich wie Piaget
vier große Entwicklungsstadien.
1. Sensumotorisches Verarbeitungsstadium:
Die Körperbewegungen werden mit mentalen Repräsentationen verbunden (Bezug zwischen motorischer Handlung
und mentalem Schema)
2. Interrelationales Verarbeitungsstadium:
Die mentalen Repräsentationen enthalten Relationen zwischen Objekten, Personen und Ereignissen
3. Dimensionales Verarbeitungsstadium:
Bedeutsame Dimensionen der Umgebung werden erkannt und extrahiert. Zwischen den Dimensionen werden
systematische Beziehungen hergestellt.
4. Abstraktes Verarbeitungsstadium:
Abstrakte Denksysteme werden erworben, mit deren Hilfe logische Schlussfolgerungen gezogen werden können.
Allgemein zeigt sich eine Ähnlichkeit mit der Stufenabfolge, die von Piaget postuliert wurde. Die Denkschemata, die vor
dem Hintergrund der vorhandenen Gedächtniskapazitäten aktiviert werden können, werden jedoch stärker betont.
4.1)
Nennen Sie den zentralen Gegenstand von Informationsverarbeitungstheorien in der Entwicklungspsychologie!
Zentraler Gegenstand von Informationsverarbeitungstheorien:
Der zentrale Gegenstand ist die Informationsverarbeitung durch das kognitive System des Menschen.
Bezogen auf die Entwicklungspsychologie geht es um die Veränderung der Informationsverarbeitungsfähigkeiten im
Laufe der Entwicklung. Bisher gibt es jedoch noch keine einheitliche Theorie der Informationsverarbeitung.
 Populärstes Modell: Mehrspeicheransatz
4.2)
Beschreiben Sie das Mehrspeichermodell mitsamt seiner Komponenten!
Mehrspeichermodell und seine Komponenten
- Ultrakurzzeitgedächtnis
- Arbeitsspeicher
- Langzeitspeicher
Ultrakurzzeitgedächtnis:
Hier erfolgt eine sehr kurze Speicherung eingehender Informationen in verschiedenen sensorischen Registern. Die
Informationen zerfallen extrem schnell, wenn keine Aufmerksamkeit auf sie gerichtet wurde.
Arbeitsspeicher:
Wenn Aufmerksamkeit auf Informationen gerichtet wurde, werden diese im Arbeitsspeicher weiterverarbeitet.
a) Identifikation von wahrgenommen Informationen (Heranziehen von Vorwissen aus dem Langzeitspeicher)
b) Langfristige Speicherung wahrgenommener Informationen (Weiterleitung von Information an Langzeitspeicher)
Nach Baddeley (2000) besteht der Arbeitsspeicher aus:
1. Visuell-räumlicher Notizblock (für visuell-vorstellungsmäßige Informationen)
2. Phonologische Schleife (für auditive und verbale Informationen)
3. Episodischer Puffer (Integration von Informationen zur Generierung ganzheitlicher Episoden)
Zentrale Exekutive (Kontrollprozesse: Aufmerksamkeitslenkung, Strategieeinsatz, Erfolgskontrolle)
 Gedächtnisstrategien zur optimalen Nutzung des Arbeitsspeichers sind Rehearsal und Chunking.
Langzeitspeicher:
1. episodisches Gedächtnis (deklarativ) enthält autobiographische Erfahrungen und ist zeitlich organisiert
2. semantisches Gedächtnis (deklarativ) enthält „Weltwissen“(sem. Netzwerke/Skripte) und Metagedächtnis
3. prozedurales Gedächtnis (implizit) enthält nicht direkt zugängliches Wissen (automatisierte Fertigkeiten, Meta-G.)
- Organisationsstrategien: Enkodierung wird durch Ordnungs- oder Klassenbildungen erleichtert
- Elaborationsstrategien: Enkodierung wird durch Bedeutungsanreicherung und Assoziationsbildung erleichert
4.3)
Nennen Sie die zentralen Entwicklungsveränderungen bei der Informationsverarbeitung!
Zentrale Entwicklungsveränderungen bei der Informationsverarbeitung:
1.
2.
3.
4.
5.
Einsatz effizienterer Gedächtnisstrategien
Effizientere Nutzung der Kapazität des Arbeitsspeichers
Zunahme der automatisierten Informationsverarbeitung
Zunahme der Verarbeitungsgeschwindigkeit
Zunahme des Inhaltswissens
4.4)
Beschreiben Sie die zentralen Entwicklungsveränderungen bei der Informationsverarbeitung!
Einsatz effizienterer Gedächtnisstrategien:
Jüngere Kinder gehen eher unsystematisch vor und konzentrieren sich z.B. auf die letztgenannten Wörter einer Wortliste. Erst 7-Jährige nutzen zu 50% Strategien wie Rehearsal, 10-jährige nutzen fast alle Rehearsal (Flavell et al., 1966).
a) Produktionsdefizit: Kinder setzen Memorierungsstrategien nicht ein, obwohl sie prinzipiell dazu in der Lage wären
b) Nutzendefizit: Kinder können (noch) nicht von einer Strategie profitieren, selbst wenn sie sie einsetzen würden
 Lösung für Produktionsdefizit:
1) Nutzenerhöhung (z.B. durch geben einer Belohnung für die Verwendung der Strategie)
2) Kostensenkung (z.B. durch den Einsatz geeigneten Materials für die Verwendung der Strategie)
Effizientere Nutzung der Kapazität des Arbeitsspeichers:
- durch verbesserte Fähigkeiten zur Chunking-Bildung
- durch Zunahme der Ausdehnung des semantischen Netzwerks entstehen vielfältigere Verknüpfungsmöglichkeiten
- höhere Effizienz der Kontrollprozesse durch zunehmende Erfahrung
Zunahme der automatisierten Informationsverarbeitung:
- automatisierte Informationsverarbeitung nimmt durch Erfahrung zu (z.B. 10-Finger-Tippen)
- dadurch werden Kapazitäten z.B. für Kontrollprozesse frei
- bei jüngeren Kindern mit wenig Erfahrung erfordern diese Aufgaben jedoch noch viel kognitive Anstrengung
Zunahme der Verarbeitungsgeschwindigkeit:
- lässt sich messen durch Erfassung der Reaktionszeit (z.B. Verstehen von Instruktionen, visuelle Suche, Kopfrechnen)
- ist kulturunabhängig, also eher eine Reifephänomen: a) Myelinisierung, b) effektivere Vernetzung von Nervenzellen
Zunahme des Inhaltswissens:
- Zunahme des Umfangs semantischer Netzwerke erleichtert Erkennung und Einordnen neuer Informationen
- zunehmende Verfügbarkeit von Handlungsskripten erleichtern Erinnerung an Vergangenes und Antizipation
4.5)
Nennen Sie die Grundannahme der Theorien domänenspezifischer Entwicklung mit Forschungsbeispielen!
Theorien domänenspezifischer Entwicklung - Grundannahme:
Diese Theorien nehmen an, dass Entwicklung nicht domänenübergreifend gleichförmig verläuft, sondern dass die Entwicklung in verschiedenen Inhaltsbereichen unterschiedlich erfolgen kann.
Kinder sind typischerweise universelle Novizen, daher entsteht eher der Eindruck einer gleichartigen Entwicklung
(domänenübergreifend). Treten dagegen Spezialisierungen auf, wird deutlich, dass Entwicklung bereichsspezifisch
unterschiedlich verlaufen kann (domänenspezifisch).
Beispiele:
1. Erwachsene Schachnovizen vs. Kinder als Schachexperten ( Kinder behalten Schachpositionen besser)
Erwachsene vs. Kinder beim Merken von Zahlenreihen ( die Erwachsenen erinnern Zahlen besser)
2. Fussballexperten (3. Klasse) vs. Fussballnovizen (7. Klasse) ( sind ebenbürtig trotz intellektuellem Unterschied)
4.6)
Unterscheiden Sie zwischen privilegierten und unprivilegierten Wissensdomänen und auf welche zwei Arten
sich domänenspezifische Entwicklung vollziehen kann!
Unterscheidung zwischen privilegierten und unprivilegierten Wissensdomänen
Privilegierte Wissensdomänen:
Dies sind Wissensbereiche, in denen bereits im Säuglingsalter intuitives Wissen vorliegt, dass kaum durch Erfahrung
erklärbar ist (Physik, Biologie, Psychologie)
Nichtprivilegierte Wissensdomänen:
Dies sind Wissensbereiche, in denen nicht auf Grundlagen aufgebaut werden kann, es ist also Erfahrungserwerb erforderlich.
Zwei Arten der domänenspezifischen Entwicklung:
1. Kontinuierliche Anreicherung: Kinder verfügen über Ausgangswissen, dass lediglich weiter ausdifferenziert wird
2. Abfolge von Umstrukturierungen: Ein vorhandener Interpretationsrahmen muss umstrukturiert werden
- Beispiel: Umstrukturierung der Interpretation der Erde (keine Scheibe, sondern eine Kugel)
4.7)
Nennen Sie Beispiele für intuitives Wissen in der privilegierten Wissensdomäne Physik!
Intuitives Wissen in den privilegierten Wissensdomänen
Objektverständnis von Säuglingen (Solidaritätsprinzip):
1
.
Säugling wird gezeigt, wie ein Ball losgelassen wird und hinter einem Schirm verschwindet (Habituationsphase)
- Physikalisch mögliches Ereignis: Schirm wird hochgezogen, Ball liegt auf dem Tisch
- Physikalisch unmögliches Ereignis: Schirm wird hochgezogen, Ball liegt unter dem Tisch
- Kontrollbedingung: unverdeckte Bälle auf oder unter dem Tisch
 schon 2,5 Monate alte Säuglinge betrachten das physikalisch unmögliche Ereignis länger
2. Habituation eines Säuglings an einen Sichtschirm, der im 180°-Winkel vor und zurückschwingt
Aufstellen einer Schachtel hinter dem Sichtschirm
- Physikalisch mögliches Ereignis: Schirm prallt gegen die Schachtel
- Physikalisch unmögliches Ereignis: Schirm „durchschlägt“ die Schachtel
 schon 4,5 Monate alte Säuglinge betrachten das physikalisch unmögliche Ereignis länger
4.8)
Welche Schlussfolgerungen können aus Experimenten zu intuitivem physikalischen Wissen gezogen werden?
Schlussfolgerungen aus Experimenten zu intuitivem physikalischen Wissen:
Säuglinge kennen schon eine Reihe physikalischer Prinzipien:
- dass Objekte sich als Ganzes bewegen
- dass Objekte sich kontinuierlich fortbewegen (Kontinuität)
- dass Objekte etwas bewirken, wenn sie mit anderen Objekten zusammenstoßen (Solidarität)
4.9)
Nennen Sie Beispiele für intuitives Wissen in der privilegierten Wissensdomäne Psychologie!
Intuitives Wissen in der privilegierten Wissensdomäne Psychologie
Frühe Bestandteile der Theory of Mind:
- Verständnis des emotionalen Zustands anderer
- Verständnis von Wünschen und Intentionen
- Verständnis von (falschen) Überzeugungen
Verständnis des emotionalen Zustands anderer:
- schon mit drei Monaten erwarten Säuglinge Kontingenz zwischen Stimme und Mimik der Mutter
(wird beides zeitlich versetzt präsentiert, reagieren die Säuglinge mit Weinen)
- schon mit einem Jahr nutzen Kinder mimische Signale der Mutter als Hinweisreize für eigenes Verhalten
- schon am Ende des zweiten Lebensjahrs zeigen Kinder Sensitivität für emotionale Zustände anderer (wollen helfen)
Verständnis von Wünschen und Intentionen:
Schulkindern wird eine Geschichte erzählt, in der der Akteur eine bestimmte Absicht verfolgt (z.B. Kaninchen suchen).
Der Akteur weiß, dass das Kaninchen entweder in der Garage oder im Vorgarten sein kann. Er sucht in der Garage und
findet je nach Bedingung
a) das Kaninchen
b) nichts
c) einen Hund (irrelevant)
Schon Dreijährige würden den Akteur im Falle von b) oder c) im Vorgarten suchen lassen (Verständnis von Intentionen)
Verständnis von falschen Überzeugungen:
Comic mit Sally, die eine Kugel in einen Korb legt. In Abwesenheit von Sally nimmt Anne die Kugel aus dem Korb und
legt sie in eine Box. Frage an das Kind: „Wo wird Sally die Kugel suchen?“
- Kinder mit Wissen über falsche Überzeugungen: „Sie wird im Korb suchen“ (Kinder im Alter von 3 Jahren)
- Kinder ohne Wissen über falsche Überzeugungen: „Sie wird in der Box suchen“ (Kinder ab Alter von 4 Jahren)
4.10) Nennen Sie die Bestandteile der systemorientierten Theorie von Bronfenbrenner (1979)!
Systemorientierte Theorie von Bronfenbrenner (1979):
Der Gegenstand systemorientierter Theorien ist die individuelle Entwicklung im Kontext von Systemen (Umwelt). Nach
Bronfenbrenner kann das soziale System aufgegliedert werden in eine Reihe von Teilsystemen.
1.
2.
3.
4.
5.
Mikrosystem
Mesosystem
Exosystem
Makrosystem
Chronosystem
Zeit
Das Chronosystem wird eingeführt, um die Veränderungen der Systemebenen über die Zeit zu berücksichtigen..
4.11) Beschreiben Sie die Systeme der systemorientierten Theorie von Bronfenbrenner (1979)!
Systemorientierte Theorie von Bronfenbrenner (1979)
Mikrosystem:
Dies sind Lebensbereiche, in denen Menschen leicht direkte Interaktionen mit anderen aufnehmen können. Sie beziehen sich auf die unmittelbare Umgebung des Menschen (z.B. Familie, Schule und Arbeitsplatz)
Mesosystem:
Dies sind Lebensbereiche, die Wechselbeziehungen zwischen einzelnen Lebensbereichen umfassen, die für die Person
von Bedeutung sind (z.B. Beziehung zwischen Schule und Elternhaus).
Exosystem:
Dies sind Lebensbereiche, an denen die Person nicht unmittelbar beteiligt ist, die jedoch trotzdem Einfluss auf die
eigenen Lebensbereiche haben (z.B. Freunde der Eltern, die den Eltern Erziehungsratschläge geben).
Makrosystem:
Diese Systeme bilden die höchste Stufe der Hierarchie. Sie umfassen Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten der untergeordneten Systeme einer Subkultur/Kultur. Es handelt sich also um Einflüsse, die auf alle Mitglieder einer Kultur/Subkultur wirken (z.B. gemeinsame kulturelle Werte einer Gesellschaft).
Chronosystem:
Das Chronosystem bringt zum Ausdruck, dass sich nicht nur alle Systemebenen untereinander beeinflussen, sondern
auch über die Zeit hinweg weiterentwickeln.
 Dementsprechend kann neben der Entwicklung des Individuums auch die Entwicklung von z.B. Mikrosystemen im
Vordergrund stehen (z.B. Entwicklung einer Familie).
4.12) Unterscheiden Sie diskontinuierliche und kontinuierliche Familienstufenkonzepte und erklären Sie normative
Familienentwicklung!
Diskontinuierliche und kontinuierliche Familienstufenkonzepte
Auf der Systemebene ist vor allem das Mikrosystem „Familie“ entwicklungspsychologisch von Bedeutung. Ähnlich wie
individuelle Entwicklung kann auch für das System Familie zwischen diskontinuierlichen und kontinuierlichen Entwicklungskonzepten unterschieden werden.
Diskontinuierliche Familienstufenkonzepte:
Annahme chronologisch aufeinander folgender Entwicklungsstufen, die durch mehr oder weniger tiefe Einschnitte
voneinander abgrenzbar sind. Die Entwicklungsstufen können unterschiedlich lang sein.
Kriterien für Abgrenzungen von Familienentwicklungsstufen:
a) Veränderungen der Mitgliederzahl einer Familie
b) Entwicklungsstand des ersten Kindes (z.B. Vorschulkind, Grundschulkind etc.)
c) Ausscheiden der Haupterwerbsperson aus dem Arbeitsleben
Tritt die Stufenfolge innerhalb eines gesellschaftlichen Kontext auf eine Vielzahl von Familien zu, spricht man von einer
normativen Familienentwicklung.
Kontinuierliche Familienstufenkonzepte:
Keine Annahme von abgrenzbaren Entwicklungsstufen, dafür eine Übertragung der Anforderungs-Bewältigungs-Modells
auf das System Familie.
4.13) Beschreiben Sie das Stufenmodell der Familienentwicklung nach Duval!
Stufenmodell der Familienentwicklung nach Duval:
Das Modell stellt nur einen idealtypischen Fall aus einem großen Spektrum möglicher Familienentwicklungsmodelle dar.
Weiterhin lassen sich für einzelne Phasen innerhalb des Modells eigenständige Modelle entwickeln
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Verheiratete Paare (ohne Kinder)
Familien mit Kinder, frühes Stadium (ältestes Kind: Geburt - 30 Monate)
Familien mit Vorschulkindern (ältestes Kind: 2,5-6 Jahre)
Familien mit Schulkindern (ältestes Kind: 6-13 Jahre)
Familien mit Jugendlichen (ältestes Kind: 13-20 Jahre)
Familien im Stadium der Ablösung junger Erwachsener (vom Weggang des ältesten bis zum jüngsten Kind)
Eltern im mittleren Lebensalter (vom „leeren Nest“ bis zum Rückzug aus dem Berufslebeng)
Alternde Familienmitglieder (vom Rückzug aus dem Berufsleben bis zum Tod beider Ehepartner)
4.14) Beschreiben Sie das Phasenmodell zum Übergang in die Elternschaft (Gloger-Tippelt, 1988)!
Phasenmodell zum Übergang in die Elternschaft (Gloger-Tippelt, 1988)
Am Anfang der Schwangerschaft kommt es demnach zu
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Verunsicherungsphase
Anpassungsphase
Konkretisierungsphase (konkretere Vorstellung über das Kind und damit verbundene Konsequenzen)
Antizipations- und Vorbereitungsphase
Geburtsphase
Überwältigung und Erschöpfung
Herausforderung und Umstellung
Gewöhnungsphase (Alltag tritt wieder ein, aber verändert)
4.15) Beschreiben Sie das Anforderungs-Bewältigungs-Modell auf das System Familie bezogen!
Anforderungs-Bewältigungs-Modell für das System Familie
In diesem Modell wird z.B. die Einschulung des Kindes als Entwicklungsaufgabe betrachtet, die sich nicht nur dem Kind,
sondern dem gesamten System Familie stellt. Somit besteht auch die Entwicklung der Familie in dem Bewältigen von
Entwicklungsaufgaben.
Je nachdem, wie gut eine Entwicklungsaufgabe bewältigt wird, ist die weitere Entwicklung eher positiv oder negativ.
Familienstress:
Die Auseinandersetzung mit Entwicklungsaufgaben kann Familienstress erzeugen. Dieser entsteht durch ein tatsächliches/wahrgenommenes Ungleichgewicht zwischen Anforderung und Bewältigungspotenzial.
Familienstressor:
Lebensereignisse, die auf das Familiensystem einwirken und Veränderungen oder Potenzial für Veränderung hervorrufen. Ob im Umgang mit Stressoren Probleme auftreten, ist abhängig von
a) Intrafamiliäre Ressourcen
b) Extrafamiliäre Ressourcen
4.16) Beschreiben Sie nach dem Anforderungs-Bewältigungs-Modell intrafamiliäre und extrafamiliäre Ressourcen
beim Umfang mit Stressoren!
Intrafamiliäre Ressourcen:
Im Bereich des intrafamiliären Bewältigungspotenzials lassen ich folgende Ressourcen unterscheiden
a) persönliche Bewältigungsressourcen der Familienmitglieder
- Kommunikation (mehr Schwierigkeiten durch unangepasstes Kommunikationsverhalten, nicht zuhören können)
- Konfliktlösung (mehr Probleme bei geringer Konfliktlösekompetenz)
- Persönlichkeit (mehr Schwierigkeiten bei unreifen, unangepassten und wenig geschickten Personen)
- Wechselseitiger Austausch (mehr Probleme, wenn nicht gelernt wurde, Gefühle und Gedanken auszutauschen)
b) Ressourcen des Familiensystems
- Grundregeln (erhöhtes Konfliktpotenzial bei unklaren Regeln, Werten und Aufgabenverteilungen)
- Ökonomische Basis (erhöhtes Konfliktpotenzial bei unsicherem Einkommen oder drohendem Arbeitsplatzverlust)
- Rigide Abkapselung/Hoher Kohäsionsgrad (z.B. wenn eine Freiräume für individuelle Entwicklung gegeben sind)
Extrafamiliäre Ressourcen:
Im Bereich der extrafamiliären Unterstützung können folgende Ressourcen unterschieden werden
-
Aktive Unterstützung (z.B. aktive Hilfeleistung durch unterstützende Tätigkeiten)
Instrumentelle Unterstützung (z.B. Hilfe durch Beratung und Therapie)
Materielle Hilfe (z.B. Bereitstellung von Geld, Gütern oder Dienstleistungen)
Soziale Unterstützung (z.B. emotionale Unterstützung, Wertschätzung etc.)
4.17) Fassen Sie die Kriterien zur Unterscheidung zwischen Entwicklungstheorien zusammen!
Kriterien zur Unterscheidung zwischen Entwicklungstheorien:
Es existiert gegenwärtig keine allgemeingültige Theorie der Entwicklung. Unterschiedliche Theorien lassen sich aber
anhand von Kriterien voneinander abgrenzen.
1.
2.
3.
4.
5.
Annahme eines kontinuierlichen vs. diskontinuierlichen Entwicklungsverlaufs
Annahme eines Endniveaus
Annahmen zur Reversibilität und Universalität von Entwicklung
Individuelle Entwicklung vs. Entwicklung im Kontext eines Systems
Unterschiede hinsichtlich des Gegenstandsbereichs
5.1)
Beschreiben Sie das Prinzip der Querschnittmethode und geben Sie ein Beispiel!
Prinzip der Querschnittmethode:
Bei der Querschnittmethode werden Stichproben aus verschiedenen Altersgruppen zu einem bestimmten Zeitpunkt
einmalig untersucht. Typischerweise wird das Lebensalter als UV definiert und die erfassten Merkmale als AV.
Im Anschluss können die Mittelwerte der einzelnen Stichproben berechnet werden und der Entwicklungsverlauf über
das Alter hinweg dargestellt werden.
Beispiel:
Ein Beispiel für eine Querschnittuntersuchung ist die Betrachtung der Entwicklung der intellektuellen Leistungsfähigkeit
über das Alter hinweg. Es wird dazu die intellektuelle Leistungsfähigkeit von mehreren Stichproben unterschiedlichen
Alters untersucht (z.B. von 8-, 10-, 12-, 14- und 16-Jährigen). Alle Stichproben würden im gleichen Jahr (z.B. 2010)
erhoben.
5.2)
Nennen Sie die Vorteile der Querschnittmethode!
Vorteile der Querschnittmethode:
- Zeitspanne zwischen Beginn der Untersuchung und dem Vorliegen der Ergebnis ist recht kurz
- Personalaufwand ist vergleichsweise gering (da nur zu einem Zeitpunkt Datenerhebung stattfindet)
- Repräsentativität der Stichprobe ist vergleichsweise leicht zu erreichen (leichteres Gewinnen von Teilnehmern)
5.3)
Nennen Sie die Nachteile der Querschnittmethode!
Nachteile der Querschnittmethode:
- Altersstichproben sind möglicherweise nicht vergleichbar
- Alters- und Generationsunterschiede sind nicht trennbar bzw. konfundiert
- keine Informationen über intraindividuelle Veränderungen und über Entwicklungsverläufe
- Übertragbarkeit auf andere Erhebungszeitpunkte ist fraglich
Altersstichproben sind möglicherweise nicht vergleichbar:
- ist besonders dann problematisch, wenn selektive Veränderungen auftreten
- wenn z.B. jüngere Altersgruppen alle Schultypen repräsentieren, ältere Altersgruppen aber nur Gymnasiasten, können diese Selektionen Merkmale wie Intelligenz beeinflussen
Alters- und Generationsunterschiede sind nicht trennbar bzw. konfundiert:
- wenn Unterschiede zwischen den Altersstichproben auftreten, können sie sowohl auf Altersunterschiede als auch auf
Generationsunterschiede zurückführbar sein
- wenn z.B. 20- und 40-Jährige im Querschnitt miteinander verglichen werden und Altersunterschiede erkennbar werden, kann dies auch mit unterschiedlichen Entwicklungsbedingungen zusammenhängen (z.B. hinsichtl. Schulbildung)
Keine Informationen über intraindividuelle Veränderungen und über Entwicklungsverläufe:
- eine durchschnittliche Kurve über das Alter hinweg kann sich aus einer Vielzahl individ. Verläufe zusammensetzen
- daher wird eine Analyse von verschiedenen Verlaufstypen unmöglich, denn der typischerweise berechnete Durchschnittsverlauf lässt unterschiedliche Verlaufsmuster nicht erkennen
Übertragbarkeit auf andere Erhebungszeiträume ist fraglich:
- die Ergebnisse gelten zunächst nur für den jeweiligen Erhebungszeitraum
- eine Übertragbarkeit auf andere Zeitpunkte müsste durch Replikationsstudien geklärt werden
5.4)
Wozu kann die Querschnittmethode sinnvoll eingesetzt werden?
Sinnvoller Einsatz der Querschnittmethode:
Die Querschnittmethode ist ungeeignet, um Entwicklungsverläufe festzustellen, da keine intraindividuellen Veränderungen erfasst werden können.
Die Querschnittmethode kann jedoch sinnvoll sein,
1. um erste Anhaltspunkte über Entwicklungsphänomene zu erhalten, ohne gleich eine aufwendige Längsschnittuntersuchungen durchzuführen,
2. wenn die Fragestellung darum geht, Unterschiede zwischen Altersstichproben zu einem bestimmten Zeitpunkt
festzustellen (z.B. Bestimmung von Altersnormen für einen Schultest, der für einige Jahre zum Einsatz kommen soll)
5.5)
Beschreiben Sie das Prinzip der Längsschnittstudie und geben Sie ein Beispiel!
Prinzip der Längsschnittstudie
Bei der Längsschnittmethode wird eine Stichprobe zu verschiedenen Zeitpunkten mit demselben oder einem vergleichbaren Erhebungsinstrument untersucht. Es finden also wiederholte Datenerhebungen statt, wobei auch hier das
Lebensalter als UV und die erhobenen Merkmale als AV gesehen werden.
Unterschiede zwischen den Messzeitpunkten werden auf Altersunterschiede zurückgeführt.
Beispiel:
Eine längsschnittliche Erhebung der intellektuellen Leistungsfähigkeit könnte so aussehen, dass eine Stichprobe von 8Jährigen weiterverfolgt wird mit Wiederholungsmessungen im Alter von 10, 12, 14 und 16 Jahren. Die Ausgangsstichprobe wird also im 2-jährigen Abstand erneut untersucht.
Im Anschluss werden die Mittelwerte für die einzelnen Erhebungszeitpunkte berechnet und dann der Entwicklungsverlauf über das Alter hinweg dargestellt.
5.6)
Nennen Sie die Vorteile der Längsschnittstudie!
Vorteile der Längsschnittstudie:
- Feststellung von Merkmalsstabilität
- Informationen über intraindividuelle Veränderungen und Entwicklungsverläufe
- Möglichkeit zur Bestimmung unterschiedlicher Verlaufstypen
- Vergleichbarkeit der Stichproben gegeben (falls keine systematischen Stichprobenausfälle auftreten)
5.7)
Nennen Sie Nachteile der Längsschnittmethode!
Nachteile der Längsschnittmethode:
- Mögliches Auftreten von Testungseffekten
- Alters- und Testzeiteffekte sind nicht trennbar bzw. konfundiert
- Generalisierbarkeit auf andere Kohorten bzw. Generationen ist fraglich
- Hoher Personal- und Zeitaufwand
- Möglichkeit selektiver Stichprobenausfälle
Mögliches Auftreten von Testungseffekten (Serialeffekte):
- da die Teilnehmer wiederholt befragt werden, kann es zu Übungseffekten kommen (z.B. IQ-Test)
- auch Gewöhnung an die Untersuchungssituation ist möglich (führt zu Angstabbau)
- weiterhin können Sättigungseffekte auftreten (abnehmende Motivation)
Alters- und Testzeiteffekte sind nicht trennbar bzw. konfundiert:
- wird eine Alterskohorte z.B. über 5 Jahre verfolgt, können Veränderungen auch durch Einflüsse entstehen, die neben
dem Alter in diesem Zeitabschnitt auf die Kohorte wirken (z.B. Sorge aufgrund drohender Arbeitslosigkeit)
Generalisierbarkeit auf andere Kohorten bzw. Generationen ist fraglich:
- da nur jeweils eine Kohorte erfasst wird, ist unklar, ob man die Ergebnisse auf spätere Kohorten gleichen Alters übertragen kann
Hoher Personal- und Zeitaufwand:
- hoher Personalaufwand durch mehrere Messzeitpunkte
- Aufwand für das Erhalten der Stichprobe (Probleme z.B. durch Schulwechsel, Ortswechsel, Termine vergessen etc.)
Möglichkeit selektiver Stichprobenausfälle:
- Stichprobenausfälle durch Desinteresse, Umzug, Krankheit oder Tod
- es erklären sich evtl. ohnehin nur bestimmte Personen zur Studie bereit (somit schon Ausgangsstichprobe selektiert)
5.8)
Erklären Sie Ergebnisdifferenzen bei Längs- und Querschnittuntersuchungen (z.B. bei Intelligenz)!
Ergebnisdifferenzen bei Längs- und Querschnittuntersuchungen (z.B. bei Intelligenz):
Ergebnis von Querschnittsuntersuchungen = Intelligenz sinkt mit dem Alter
Ergebnis von Längsschnittuntersuchungen = Intelligenz steigt bis zu bestimmtem Alter und bleibt dann konstant
Erklärung:
Bei der Querschnittmethode sind Alters- und Generationsunterschiede konfundiert. Im Querschnitt werden unterschiedliche Generationen miteinander verglichen, die wiederum unterschiedlichen Sozialisationserfahrungen (und
unterschiedlicher Schulbildung) ausgesetzt waren.
Dadurch, dass die Schulbildung insgesamt zugenommen hat, schneiden jüngere Generationen besser ab. Es wird
dadurch der Anschein erweckt, dass die Intelligenz im Alter absinkt. Im Längsschnitt dagegen wird eine spezifische
Generation weiterverfolgt. Eine Konfundierung mit unterschiedlichen Sozialisationserfahrungen erfolgt hier nicht!
5.9)
Beschreiben Sie das Prinzip des Konvergenzmodells und geben Sie ein Beispiel!
Prinzip des Konvergenzmodells:
Da Längsschnittstudien sehr zeitaufwendig sind, wird eine Alternative angewendet, die aus einer Kombination von
Längs- und Querschnitt besteht. Im Konvergenzmodell werden Teilstichproben so kombiniert, dass ein zusammengesetzter, sich teilweise überlappender Gesamtlängsschnitt entsteht.
Voraussetzungen:
- Stichproben gleichen Alters müssen vergleichbare Messwerte aufweisen (egal ob Erst- oder Wiederholungsmessung)
- falls unterschiedliche Messwerte auftreten, kann dies auf Testungseffekte hindeuten
Beispiel:
Zur Untersuchung der intellektuellen Leistungsfähigkeit könnte man z.B. 8-, 10-, 12- und 14-Jährige über einen Zeitraum
von 2 Jahren wiederholt untersuchen. Am Ende des Untersuchungszeitraums sind die 8-Jährigen dann 10 Jahre alt, die
10-Jährigen dann 12 Jahre bis hin zu den 14-Jährigen, die 16 Jahre alt sind.
Die Idee ist nun, die einzelnen Teillängsschnitte zu einem Gesamtlängsschnitt zu verbinden, der dann das gesamte
Altersspektrum von 8 bis 16 Jahren erfasst..
5.10) Nennen Sie die wichtigsten Datenerhebungsmethoden in der frühen Kindheit!
Datenerhebungsmethoden in der frühen Kindheit:
- Präferenzparadigma
- Habituations-Dishabituations-Paradigma
- Erwartungs-Induktions-Paradigma
- Erwartungs-Enttäuschungs-Paradigma
- Paradigma der verzögerten Nachahmung
5.11) Beschreiben Sie das Präferenzparadigma!
Datenerhebungsmethoden in der frühen Kindheit - Präferenzparadigma:
Beim Präferenzparadigma werden dem Säugling zwei oder mehr Stimuli präsentiert und aus der Reaktion auf seine
Präferenz für einen der Stimuli geschlossen.
Das Präferenzparadigma wird vorwiegend bei visuellem und akustischem Stimulusmaterial eingesetzt, kann jedoch
auch bei Geruchs- oder Geschmacksstimuli Verwendung finden.
Beispiel:
Präferieren Säuglinge Gesichter vor bedeutungslosen Stimuli?
Mögliche Reaktionen des Säuglings:
- Blick- und Körperbewegungen
- Physiologische Messungen (Herzfrequenz)
5.12) Beschreiben Sie das Habituations-Dishabituations-Paradigma!
Datenerhebungsmethoden in der frühen Kindheit - Habituations-Dishabituations-Paradigma:
Mit dem Habituations-Dishabituations-Paradigma kann geprüft werden, ob ein Säugling Reize voneinander differenzieren kann. Zunächst wird eine Reihe gleichartiger Stimuli präsentiert, bis es zur Habituation kommt. Wird nun ein Reiz
präsentiert, den der Säugling als abweichend wahrnimmt, kommt es zu einer Orientierungsreaktion.
Daraus lässt sich schließen, dass der Säugling den neuen Stimulus von den bereits bekannten unterscheidet.
Präsentationsdauer:
- Präsentation der Habituations-Trials, bis der Säugling für definierte Zeit wegschaut (z.B. mehr als 2 Sekunden)
- Präsentation der Dishabituations-Trials, wenn Blickdauer auf 50% des Ausgangswerts gefallen ist
Mögliche Reaktionen des Säuglings:
- Längere Betrachtung des neuen Stimulus
- Physiologische Reaktionen (z.B. Verlangsamung der Herzfrequenz)
5.13) Beschreiben Sie das Erwartungs-Induktions-Paradigma!
Datenerhebungsmethoden in der frühen Kindheit - Erwartungs-Induktions-Paradigma:
Beim Erwartungs-Induktions-Paradigma werden dem Säugling Reizserien gezeigt, und er soll Relationen erkennen, die in
der Reizserie enthalten sind.
Beispiel:
Stimuli werden abwechselnd links und rechts auf einem Bildschirm präsentiert.
Mögliche Reaktionen des Säuglings:
- wenn die Relation erkannt wurde, sollten sich die Reaktionszeiten beim Blickwechsel verkürzen
5.14) Beschreiben Sie das Erwartungs-Enttäuschungs-Paradigma!
Datenerhebungsmethoden in der frühen Kindheit - Erwartungs-Enttäuschungs-Paradigma:
Das Erwartungs-Enttäuschungs-Paradigma beruht auf der Annahme, dass bereits im Säuglingsalter Erwartungen über
eintretende Ereignisse vorliegen können. Die Grundidee besteht darin, dass diese Erwartungen erkennbar werden,
wenn etwas geschieht, das den Erwartungen wiederspricht.
Mögliche Reaktionen des Säuglings:
- Anzeichen von Verunsicherung
- Längeres Betrachten des unerwarteten Ereignisses
- Physiologische Reaktionen (z.B. Orientierungsreaktion)
Beispiele:
- Ein Ball, der über dem Boden springt und dann (durch einen Trick) plötzlich in der Luft stehenbleibt
5.15) Beschreiben Sie das Paradigma der verzögerten Nachahmung!
Datenerhebungsmethoden in der frühen Kindheit - Paradigma der verzögerten Nachahmung:
Kindern wird eine Modellhandlung gezeigt (z.B. an einem Objekt). Nach einem mehr oder weniger großen Zeitabstand
haben sie dann die Gelegenheit, die Handlung nachzuahmen. Wenn dies gelingt, kann gefolgert werden, dass die Kinder
die Modellhandlung gespeichert haben. Es sind also Rückschlüsse auf die Lern- und Gedächtnisleistung möglich.
- Voraussetzung: motorische Reproduktionsfähigkeiten (ab ca. 6 Monaten)
5.15) Beschreiben Sie die Beobachtung im nicht-experimentellen Kontext!
Beobachtung im nicht-experimentellen Kontext:
Auch Verhaltensbeobachtungen im nicht-experimentellen Kontext sind möglich, um Rückschlüsse auf das Erleben und
Verhalten von Kindern zu ziehen. Zur Systematisierung von Beobachtungen werden häufig Kategoriensysteme oder
Schätzurteile (Häufigkeit und Intensität von Verhalten) genutzt.
Man unterscheidet grundsätzlich zwei Arten der Stichprobenziehung:
- Ereignisstichproben
- Zeitstichproben
Ereignisstichproben:
Das Verhalten wird nur beobachtet, wenn ein zuvor festgelegtes Ereignis auftritt (z.B. wenn das Kind sich aggressiv
verhält).
Zeitstichproben:
Das Verhalten wird nur in zuvor festgelegten Zeitintervallen beobachtet (z.B. in drei Zeitintervallen am Schulvormittag).
5.16) Nennen Sie Maßnahmen zur Gestaltung von Interviews im Kindesalter!
Maßnahmen zur Gestaltung von Interviews im Kindesalter:
- Erleichterung der emotionalen Anpassung an die Situation
- Reduktion des wahrgenommenen sozialen Gefälles zum Interviewer
- Förderung des Kommunikationsverhaltens des Kindes
Erleichterung der emotionalen Anpassung an die Situation:
- Vorschalten von Aufwärmphasen zum Eingewöhnen (z.B. eine Spielphase vor der Datenerhebungsphase)
- Einsatz von Ersatzbindungsobjekten gibt mehr Sicherheit (z.B. Lieblingskuscheltier des Kindes)
Reduktion des wahrgenommenen sozialen Gefälles zum Interviewer:
- Sichtbarrieren (z.B. Puppentheater-Kulisse, Spieltelefone)
- Interviews mithilfe von Puppen zur Vermeidung direkter Interaktion mit erwachsenem Interviewer
-  aber: Untersuchungen zeigen keinen signifikanten Einfluss verschiedener Interviewbedingungen auf inhaltliche
Ergebnisse
Förderung des Kommunikationsverhaltens des Kindes:
- Zeichnerische Darstellungen (falls Kommunikationskompetenzen noch unzureichend sind)
- Rollen- und Puppenspieltechniken (erfordern ebenfalls nur geringe Sprachkompetenzen)
5.17) Nennen Sie Besonderheiten, Vorteile und Nachteile von zeichnerischen Verfahren!
Zeichnerische Verfahren:
Kinderzeichnungen wurden in der Vergangenheit in verschiedenen Funktionen eingesetzt.
- Abbildungen oder Gegenstände vorgeben und vom Kind zeichnen lassen (Grad der Übereinstimmung gibt Hinweise
auf Zeichenfähigkeiten)
- Wiedergabe von Realitätsausschnitten aus dem Gedächtnis (gibt Hinweis auf Gedächtnisleistung und Zeichenfähigkeiten), beides ist jedoch konfundiert
Vorteile von zeichnerischen Verfahren:
- Verzicht auf sprachliche Elemente ist möglich
- Spielerische Elemente stehen im Vordergrund
Nachteile von zeichnerischen Verfahren:
- relativ hohe kognitive Anforderungen (z.B. Maßstab, formale und farbliche Gestaltung)
- motorische Anforderungen (z.B. Umgang mit Stift und Papier)
- Beschränkung auf statische Situationen, Dynamik von Geschehen kann nur schwer ausgedrückt werden
5.18) Beschreiben Sie Rollenspieltechniken mit Vor- und Nachteilen!
Rollenspieltechniken:
Rollenspieltechniken:
- können bei Kindern schon früh eingesetzt werden, um sie mit bestimmten Situationen zu konfrontieren
- wichtig ist das Einstimmen in das Rollenspiel (Situation, Interaktionspartner, Abbau von Ängsten etc.)
- wichtig ist ebenfalls die Gestaltung der Rollenspielsituation (Utensilien, Umgebungsgestaltung)
Beispiel für Rollenspiele:
- Kinder sollten im Rollenspiel Emotionen zum Ausdruck bringen (Untersuchung des Emotionsausdrucks)
Mütter sollten später die Emotionen identifizieren
Vorteile von Rollenspielen:
- Handeln anstatt darüber zu reden kommt Kindern entgegen
Nachteile von Rollenspielen:
- Dynamik der Situation ist nicht gut kontrollierbar (dadurch kaum Standardisierung)
- Realitätsgehalt der Daten ist meist unklar (Rollenspiel kann in erhöhtem Maß fiktive Elemente enthalten)
5.19) Beschreiben Sie Puppenspieltechniken mit Vor- und Nachteilen!
Puppenspieltechniken:
Der Unterschied zum Puppeninterview ist, dass der Verbalanteil deutlich geringer ausfällt. Unterschied zum Rollenspiel
ist, dass hier die Handlungssequenzen mit Puppen gespielt werden, es gibt also eine enge Verbindung.
Vorteile von Puppenspieltechniken:
- Einfache Möglichkeit des Rollentauschs (Kind kann einfach die Puppe wechseln)
- Es können auch Figuren einbezogen werden, die lediglich fiktiv sind (z.B. böse Hexe oder gute Fee)
Nachteile von Puppenspieltechniken:
- Ähnliche Probleme wie beim Rollenspiel
- Realitätsentfernung kann noch höher sein als im Rollenspiel
- Beispiel „Zerbrochenen Tasse“ („Wie würde deine Mutter reagieren?“), unterschiedliche Antworten je nach Technik:
a) im Interview sagen, wie die Mutter reagieren würde
b) im Rollenspiel das Verhalten der Mutter darstellen
c) im Puppenspiel die Mutter und ihre Reaktion darstellen
Auf die Frage, ob sich die Mutter im echten Leben auch so verhalten würde, antworteten die meisten Kinder bei
Puppenspiel und Rollenspiel mit „Nein“
 Interview liefert realitätsnächste Antworten!
6.1)
Beschreiben Sie die Grundlage von Zwillingsstudien und die Grundannahmen!
Grundlage von Zwillingsstudien:
Im Humanbereich ist die Zwillingsmethode der gebräuchlichste Ansatz zur Abschätzung von Anlage- und Umweltanteilen. Grundlage dieses Ansatzes ist die Existenz zweiter Typen von Zwillingen: eineiige und zweieiige Zwillinge.
Eineiige Zwillinge:
Hier wird eine Eizelle befruchtet, die sich früh in zwei Individuen mit völlig gleicher Erbinformation teilt. Die genetische
Übereinstimmung zwischen den Geschwistern beträgt dabei 100%.
Zweieiige Zwillinge:
Hie werden zwei Eizellen getrennt voneinander befruchtet. Die durchschnittliche genetische Übereinstimmung liegt bei
50% (wie auch sonst bei Geschwistern).
Grundannahmen:
1. Wenn die Übereinstimmung zwischen eineiigen Zwillingen größer ist als zwischen zweieiigen Zwillingen, dann geht
dies auf die größere Anlage-Übereinstimmung zurück (Voraussetzung: gleiche Umweltvariation bei den EZ und ZZ).
2. Wenn Zwillinge zusammen aufwachsen, ist die Umweltvariation gering. Bei getrennt aufgewachsenen Zwillingen ist
sie dagegen hoch. Wenn die Unterschiede zwischen getrennt und zusammen aufgewachsenen Zwillingen gering
sind, spricht dies für einen verstärkten Einfluss der Anlage.
6.2)
Beschreiben Sie das methodische Vorgehen bei Zwillingsstudien!
Methodisches Vorgehen bei Zwillingsstudien:
Bei Zwillingsstudien werden zunächst bei einer Stichprobe von EZ und ZZ jeweils die Messwerte erhoben. Man kann nun
über die Zwillingspaare hinweg die Korrelationen zwischen den Messwerten der EZ sowie zwischen den Messwerten der
ZZ berechnen. Als Resultat ergeben sich die jeweiligen Intraklassenkorrelationen.
Wenn nun die Intraklassenkorrelation der EZ deutlich höher liegt als die Intraklassenkorrelation der ZZ, spricht dies für
eine erhöhte Erblichkeit des gemessenen Merkmals.
6.3)
Definieren Sie „Erblichkeitsschätzungen“!
Definition von Erblichkeitsschätzungen:
Erblichkeitsschätzungen geben an, welcher Anteil der Variation eines Merkmals auf die genetische Ausstattung entfällt
und welcher Anteil auf die Umweltvariation zurückgeht. Erblichkeit ist ein Varianzverhältnis.
Selbst wenn 100% der Variation eines Merkmals auf die genetische Ausstattung zurückginge, hieße dies nicht, dass die
Umwelt keine Rolle spielt. Erblichkeitsmaße sind so zu interpretieren, dass sie Auskunft geben über den relativen Beitrag der Anlage- und Umweltvariation an der Variation eines Merkmals.
 vgl. Flächen-Analogie (auch wenn nur die Breite variiert, hat auch die Höhe einen Einfluss)
6.4)
Geben Sie zwei Formeln für die Erblichkeitsschätzung an!
Formeln für die Erblichkeitsschätzung:
- h² Index von Holzinger
- h² Index von Jensen
h² Index von Holzinger:
h² Index von Jensen:
Anwendung:
- Holzingers Formel ist geeignet zur Berechnung von Erblichkeitsschätzungen bei EZ und ZZ
- Jensens Formel ist geeignet zur Berechnung von Erblichkeitsschätzungen bei unterschiedlichen Verwandtschaftsgraden
6.5)
Nennen Sie die Grade der genetischen Übereinstimmung bei unterschiedlichen Verwandtschaftsgraden!
Genetische Übereinstimmung bei unterschiedlichen Verwandtschaftsgraden:
- 100% zwischen EZ
- 50% zwischen ZZ
- 50% zwischen Geschwistern
- 50% zwischen biologischen Eltern und Kindern
- 25% zwischen Großeltern und Enkel/in
- 25% zwischen Onkel/Tante und Neffe/Nichte
6.6)
In welchen Bereichen finden sich besonders hohe, in welchen besonders niedrige Erblichkeitskoeffizienten!
Beispiele für Erblichkeitskoeffizienten:
Hohe Erblichkeitskoeffizienten:
Es finden sich hohe Erblichkeitskoeffizienten (h² = .50) im Bereich der Intelligenz
 In diesem Merkmalsbereich hat die Anlage einen erheblichen Anteil an der Merkmalsvariation
Niedrige Erblichkeitskoeffizienten:
- bei Betrachtung intellektueller Teilfertigkeiten
- bei vielen anderen Persönlichkeits- und Verhaltensbereichen (z.B. berufliche Interessen, soziale Einstellungen)
6.7)
Fassen Sie wichtige Erkenntnisse aus Zwillingsstudien zusammen!
Zusammenfassung wichtiger Erkenntnis aus Zwillingsstudien
- Einzelfälle
- Korrelationen der Intelligenz in Abhängigkeit vom Verwandtschaftsgrad
- Höhere Ähnlichkeiten der Intelligenz bei EZ im Entwicklungsverlauf
- Erblichkeitsschätzung für Intelligenz im Vergleich zu anderen Charakteristika
Einzelfälle:
- Diese sind meist wenig aussagekräftig (wenn man beliebige Personen vergleicht, finden sich immer Gemeinsamkeiten)
Korrelation der Intelligenz in Abhängigkeit vom Verwandtschaftsgrad:
- Je höher der Verwandtschaftsgrad, desto höher die Korrelation der Zwillinge/Geschwister (-.02 bis .86)
- Zusammen oder getrennt aufzuwachsen, macht nur einen geringen Unterschied
Höhere Ähnlichkeiten der Intelligenz bei EZ im Entwicklungsverlauf:
- bei EZ sind selbst die Entwicklungsverlaufsmuster der Intelligenz ähnlicher als bei ZZ
Erblichkeitsschätzung für Intelligenz im Vergleich zu anderen Charakteristika:
- Erklärung der Erblichkeit in sozialen Merkmalen durch Drittvariablen (erklärt auch
hohe Erblichkeitskoeffizienten für Scheidung oder Fernsehkonsum)
- hohe Ähnlichkeiten im frühen Sozialverhalten bei EZ im Vergleich zu ZZ (Plomin et al.)
6.7)
Nennen Sie die möglichen Formen von Anlagewirkungen (Anlage-Umwelt-Korrelationen)!
Möglichen Formen von Anlagewirkungen (Anlage-Umwelt-Korrelationen):
1. Aktive Anlagewirkungen
2. Passive Anlagewirkungen
3. Evozierende Anlagewirkungen
Aktive Anlagewirkungen:
Ein Kind mit einer spezifischen genetischen Ausstattung sucht aktiv eine Umgebung, die zu seiner spezifischen Anlage
passt (z.B. zu seinem Temperament).
Passive Anlagewirkungen:
Biologische Eltern schaffen eine Umwelt, die zu ihrer eigenen genetischen Ausstattung passt, das jedoch wegen der
genetischen Überlappung gleichzeitig auch günstig für das Kind ist, ohne dass das Kind von sich aus aktiv dazu beiträgt.
Evozierende Anlagewirkungen:
Das Kind ruft durch sein Verhalten Reaktionen in seiner sozialen Umgebung hervor, die zu seiner Anlage passt.
Wichtig:
- Aktive, passive und evozierende Anlagewirkungen können sich gegenseitig verstärken
- Anlagewirkungen erklären auch den Anstieg der Erblichkeit von Intelligenz mit zunehmendem Alter
 mit zunehmendem Alter überwiegen aktive und evozierende Anlagewirkungen, dadurch kann sich der Genotyp
stärker ausprägen
6.8)
Nennen Sie die Bedenken, die die Interpretierbarkeit der Befunde von Zwillingsstudien einschränken!
Interpretierbarkeit der Befunde von Zwillingsstudien:
- Nichtrepräsentativität
- Annahme gleicher Umweltvariationen bei EZ und ZZ
- Beschränkung der Aussagen auf die vorgefundenen Umweltvariationen
Nichtrepräsentativität:
- dies gilt besonders für die Paarsituation (stellt eine Ausnahmesituation dar)
- noch stärker gilt dies für EZ, die in einer Doppelgängersituation leben (evtl. erhöhtes Streben nach Individualität)
Annahme gleicher Umweltvariationen bei EZ und ZZ:
- es wird davon ausgegangen, dass die Umwelten bei EZ und ZZ gleich sind
- jedoch schon pränatal starke Unterschiede zwischen EZ und ZZ
- auch im späteren Alter unterscheiden sich Umwelten von EZ und ZZ (z.B. ähnliche Kleidung, Haarschnitt bei EZ)
Beschränkung der Aussagen auf die vorgefundenen Umweltvariationen:
- Idealerweise müsste man annehmen das Umwelten zusammenaufgewachsener Zwillinge zu 1.0 korrelieren und bei
getrennt aufgewachsenen Zwillingen zu 0.0 korrelieren  dies ist jedoch nicht der Fall
- häufig wachsen getrennte Zwillinge in ähnlichen Umwelten auf
 führt dazu, dass der Anlage-Einfluss überschätzt wird!!!
6.9)
Beschreiben Sie die Grundlage von Adoptionsstudien und die Grundannahmen!
Grundlage von Adoptionsstudien:
Bei starkem Anlageeinfluss sollte trotz Trennung von den biologischen Eltern eine hohe Ähnlichkeit zu den biologischen
Eltern bestehen. Bei starkem Umwelteinfluss sollte dagegen die Ähnlichkeit zu den Adoptiveltern hoch sein.
- häufig stehen nur Messwerte für Mütter zur Verfügung (Väter sind schwieriger zu erreichen)
- aus den Übereinstimmungsindizes können auch hier Erblichkeitskoeffizienten berechnet werden
6.10) Beschreiben Sie das methodische Vorgehen bei Adoptionsstudien!
Methodisches Vorgehen bei Adoptionsstudien:
Es werden die Übereinstimmungsindizes zu den biologischen Eltern und zu den Adoptiveltern verglichen.
Bei starkem Anlage-Anteil sollte die Korrelation zwischen Kind und biologischen Eltern höher sein als zwischen Kind
und Adoptiveltern.
Ergebnis einer Adoptionsstudie (Horn):
- Korrelation Kind - Adoptivmutter: r = .17
- Korrelation Kind - Adoptivvater: r = .14
- Korrelation Kind - Biologische Mutter: r = .31
- h² (Jensen) - Adoptivmutter = .28
- h² (Jensen) - Adoptivvater = .34
 Die Erblichkeitsschätzungen fallen bei der Adoptionsstudie niedriger aus als bei Zwillingsstudien!!!
6.12) Nennen Sie die Bedenken, die die Interpretierbarkeit der Befunde von Adoptionsstudien einschränken
Interpretierbarkeit von Adoptionsstudien:
- Umwelteinfluss der biologischen Eltern
- Korrelation der Umwelten der biologischen und Adoptivfamilie
Umwelteinfluss der biologischen Eltern:
- dieser kann häufig nicht ganz ausgeschlossen werden
- vollständiger Ausschluss nur bei sehr früher Trennung und wenn kein weiterer Kontakt mehr besteht
Korrelation der Umwelten der biologischen und Adoptivfamilien:
- diese Korrelation sollte idealerweise 0.0 sein
- häufig werden Adoptivkinder jedoch in Milieus vermittelt, die dem der biologischen Eltern ähnlich sind
- zumindest der kulturelle Einfluss ist häufig ähnlich
6.13) Was soll mit der Kombination von Zwillings- und Adoptionsstudien erreicht werden?
Kombination von Zwillings- und Adoptionsstudien:
Mit einer solchen Kombination dürfte es schwierig sein, den absoluten Anteil der Merkmalsvariation zu bestimmen, der
auf Anlage- oder Umweltanteile zurückgeht. Trotzdem können so Merkmale hinsichtlich des relativen Anlageanteils
verglichen werden.
Man kann dementsprechend verschiedene Merkmale danach ordnen, wie hoch die Erblichkeitseinflüsse jeweils sind
(bei konstant gehaltener Umwelt).
Schlussfolgerung:
Daraus ergibt sich, wie schwer oder wie leicht einzelne Merkmale jeweils durch Umwelteinflüsse beinflussbar sind.
6.14) Beschreiben Sie genetische Analysen als Alternative zu Zwillings- und Adoptionsstudien!
Genetische Analysen:
Es werden bei dieser Methode Genorte bestimmt, die an der Ausprägung eines Merkmals beteiligt sind.
1. Bildung von Gruppen mit hoher oder niedriger Ausprägung des Merkmals
2. Vergleich einer großen Anzahl potenzieller Genorte
3. Identifikation von Genorten, bei denen sich die beiden Gruppen unterscheiden
Problem:
Viele Merkmale werden polygen vererbt (Intelligenz ca. 10.000 Gene), daher ist es sehr schwierig, einzelne Genorte mit
starkem Einfluss auf ein Merkmal zu identifizieren. Daher war dieser Ansatz bisher wenig erfolgreich.
6.15) Erklären Sie die Problematik der Modifikationsbreite im Zusammenhang mit Erblichkeitsstudien!
Problematik der Modifikationsbreite im Zusammenhang mit Erblichkeitsstudien:
Das Problem bei Erblichkeitsstudien ist, dass sich daraus nicht ableiten lässt, wie groß die Modifikationsbreite eines
Merkmals ist.
Hilfreicher als der Erblichkeitskoeffizient wäre die Kenntnis der Bandbreite, über die sich ein Merkmal durch Umwelteinflüsse beeinflussen lässt.
Kenntnis über die Modifikationsbreite könnte folgende Fragen beantworten:
- Welche Merkmalsausprägungen sind unter den ungünstigsten und günstigsten Umweltbedingungen zu erwarten?
- Wie könnten optimale Umweltbedingungen für eine bestimmte Merkmalsausprägung aussehen?
Beispiel (Mögliche Reaktionsbreiten bei Intelligenz):

Weitere Kritik an Erblichkeitsstudien:
- es wird häufig eine einseitige Wirkrichtung von Genen auf das Verhalten angenommen
- durch Rückwirkung von Verhalten auf Genaktivierung eher eine Wechselwirkung zwischen V, A und U !!!!
7.1)
Nennen Sie die zentralen Aufgaben der Entwicklungsdiagnostik und die Vor- und Nachteile der Orientierung an
a) Entwicklungsalter und
b) Entwicklungssequenzen!
Zentrale Aufgaben der Entwicklungsdiagnostik:
Die Entwicklungsdiagnostik befasst sich mit der Frage, wie weit ein Kind entwickelt ist.
1. Feststellung des aktuellen Entwicklungsstands
2. Prognose des zukünftigen Entwicklungsstands
Orientierung von Entwicklungstests am Lebensalter:
- der Entwicklungsstand wird danach gemessen, ob das Kind den Entwicklungsstand zeigt, den auch andere Kinder
dieses Alter haben
- orientieren Entwicklungstests ihre Aussagen am Alter des Kindes, liegt zumindest impliziert ein biologisches Reifungskonzept zugrunde (da ja davon ausgegangen werden wird, dass die Entwicklung im Alter voranschreitet)
Nachteile der Orientierung am Lebensalter:
- kaum Aussagemöglichkeit über Ursachen, die zu aufgefundenen Defiziten geführt haben, und damit auch keine
Aussagen über gezielte Fördermöglichkeiten
- Anwendbarkeit ist auf Lebensaltersgruppen beschränkt, bei denen eine Reifungsabhängigkeit vermutet wird (d.h.
vorrangig frühe Lebensabschnitte)
Orientierung von Entwicklungstests an Entwicklungssequenzen:
- der Entwicklungsstand wird danach gemessen, wie weit ein Kind innerhalb einer definierten Entwicklungssequenz
fortgeschritten ist
- Beispiel: Feststellung, dass sich ein Kind in der präoperationalen Entwicklungsstufe befindet
Vorteile der Orientierung an Entwicklungssequenzen:
- Einsetzbarkeit über die gesamte Lebensspanne
- Möglichkeit der genauen Feststellung des aktuellen Entwicklungsstands innerhalb einer Entwicklungssequenz
- Nachteil: Die Entwicklungssequenz muss präzise bestimmt sein (bisher jedoch noch kein guter Forschungsstand)
7.2)
Erläutern Sie beispielhaft die Konstruktion eines lebensaltersorientierten Entwicklungstests!
Konstruktion eines lebensaltersorientierten Entwicklungstests
Beginn der Testkonstruktion:
- Festlegung des zu erfassenden Merkmalsbereichs
- Bestimmung von Items, mit denen die relevanten Merkmale möglichst gut und repräsentativ erfasst werden können
- Idealerweise sollten die Items theoretisch begründet sein (oft wird von empirischen Beobachtungen ausgegangen)
Kriterien für die Itemauswahl:
- Angemessene Itemschwierigkeit (Items sollten gut zwischen unterschiedlicher Entwicklung differenzieren)
- inhaltsvalide Items (Items müssen das zu erfassende Merkmal abbilden)
Ende der Testkonstruktion:
- Überprüfung von Objektivität, Reliabilität und Validität
- Normierung des Tests
7.3)
Unterscheiden Sie die einzelnen Arten der Testobjektivität!
Arten von Testobjektivität:
Mit Objektivität ist gemeint, dass das Testergebnis unabhängig sein muss von Einflüssen des Untersuchers.
Bei der Objektivität unterscheidet man zwischen
- Durchführungsobjektivität
- Auswertungsobjektivität
- Interpretationsobjektivität
Damit ist gemeint, dass das Testergebnis unabhängig davon zustande gekommen sein soll, wer den Test durchgeführt
hat, wer ihn ausgewertet hat und wer ihn interpretiert hat. Andernfalls kommt keine zuverlässige Messung zustande,
da dies bedeuten würde, dass je nach Untersucher ein anderes Ergebnis entsteht.
Maßnahmen zur Sicherstellung von Objektivität:
- Durchführungsinstruktionen an die Testleiter
- Auswertungsschablonen, die die Auswertung objektivieren
- Interpretationshilfen für die Testresultate
Gerade im Kindesalter gibt es häufig Grauzonen, da es oft schwierig ist, die Handlungen eines Kindes zu bewerten. Man
kann fast nie eine vollständige Objektivität erreichen.
7.4)
Unterscheiden Sie die verschiedenen Arten der Reliabilitätsbestimmung!
Arten der Reliabilitätsbestimmung:
Reliabilität bezieht sich auf die Zuverlässigkeit, mit der ein Test das misst, was er misst (unabhängig davon, ob er das
misst, was er messen soll).
Es werden im Wesentlichen vier Formen der Reliabilität unterschieden:
- Retest-Reliablität
- Paralleltest-Reliabilität
- Split-Half-Reliabilität
- Interne Konsistenz
Retest-Reliabilität:
Es wird geprüft, ob der Test bei einer Testwiederholung zu einem vergleichbaren Ergebnis führt.
- Nachteil: bei Entwicklungstests verändert sich meist auch das zu messende Merkmal (Konfundierung)
Paralleltest-Reliabilität:
Es wird geprüft, ob eine Parallelform des Tests zu einem vergleichbaren Ergebnis führt.
- Nachteil: bei Entwicklungstests verändert sich meist auch das zu messende Merkmal (Konfundierung)
Split-Half-Reliabilität:
Es wird geprüft, ob bei einem Test beide Testhälften zu einem vergleichbaren Ergebnis führen.
- Vorteil: da nur ein Test durchgeführt werden muss, erfolgt keine Konfundierung mit Merkmalsveränderungen
Interne Konsistenz:
Es wird geprüft, ob bei einem Test beliebig viele Testhalbierungen zu einem vergleichbaren Ergebnis führen. Dies stellt
eine Sonderform der Split-Half-Reliabilität dar.
- Vorteil: da nur ein Test durchgeführt werden muss, erfolgt keine Konfundierung mit Merkmalsveränderungen
7.5)
Unterscheiden Sie die verschiedenen Arten der Validität!
Arten der Validität:
Bei der Prüfung der Validität wird analysiert, ob der Test in der Tat das misst, was er messen soll.
Dabei werden im Wesentlichen drei Validitätsformen unterschieden:
- Inhaltsvalidität
- Kriteriumsvalidität
- Konstruktvalidität
Inhaltsvalidität:
Es wird vom Augenschein her geprüft, ob der Test das misst, was er messen soll.
Kriteriumsvalidität:
Es wird durch Korrelation mit einem merkmalsrelevanten Außenkriterium überprüft, ob der Test das misst, was er
messen soll. Insbesondere die prognostische Validität ist von Relevanz. Ein Entwicklungstest sollte in der Lage sein,
künftige Entwicklung vorherzusagen.
Beispiele für Kriterien: Lebensalter, Expertenurteile, andere Entwicklungstests, Schulnoten etc.
Konstruktvalidität:
Es wird geprüft, ob die theoretisch postulierten Konstrukte, die erfasst werden sollen, tatsächlich mit dem Test erfasst
werden.
Beispiel: Temperament ist ein Konstrukt, indem viele Temperamentsdimensionen unterschieden werden können. Ein Test
sollte diese unterschiedlichen Temperamentsdimensionen abgrenzen können.
7.6)
Beschreiben Sie das Prinzip der Testnormierung!
Testnormierung:
Nach der Konstruktion erfolgt die Normierung eines Testverfahrens. Dazu werden anhand einer umfangreichen und
repräsentativen Stichprobe Vergleichsnormen erstellt.
Mit dem Vergleich anhand von Normen ist eine Feststellung möglich, wie weit ein Kind im Verhältnis zu seinen Altersgenossen entwickelt ist.
Interpretation der Testwerte:
- Testergebnis weit unterhalb der Altersnorm = Entwicklungsverzögerung
- Testergebnis weit oberhalb der Altersnorm = Entwicklungsbeschleunigung
7.7)
Beschreiben Sie Screeningtests und geben Sie ein Beispiel!
Screeningtests:
Lassen sich nutzen, um einen raschen Überblick zum Entwicklungsstand eines Kindes zu erhalten. Ein Beispiel für einen
gebräuchlichen Screeningtest ist die „Erweiterte Vorsorgeuntersuchung“ (EVU).
Beispiel Erweiterte Vorsorgeuntersuchung EVU:
- Altersbereich 3 - 64 Lebensmonate
- Zeitbedarf 10 - 20 Minuten
- Erfasste Entwicklungsbereiche:
a) Motorische Entwicklung
b) Sprachentwicklung
c) Kognitive Entwicklung
d) Frühe Verhaltensauffälligkeiten (durch Elternbefragungen)
Mögliche Befunde bei der EVU:
- Unauffällige Entwicklung
- Grenzwertiger Befund
- Entwicklungsgefährdung
 bei grenzwertigem Befund oder Entwicklungsgefährdung ist weitere Diagnostik oder Intervention notwendig
7.8)
Beschreiben Sie den Denver-Entwicklungstest als Beispiel für ein Screening-Verfahren!
Denver-Entwicklungstest:
Der Denver-Entwicklungstest ist lebensaltersnormiert, es wird jedoch kein Entwicklungstestwert berechnet. Es wird
jedoch ein Testprofil für vier Merkmalsbereiche erstellt, das den Entwicklungsstand charakterisiert.
-
Sozialer Kontakt (Zurechtkommen mit anderen, angemessene Bedürfnisbefriedigung)
Sprache (Hören, Sprechen, Instruktionsverständnis)
Feinmotorik-Adaptation (visuelle Fähigkeiten, feinmotorische Fähigkeiten, Zeichnen)
Grobmotorik (Fähigkeit zum Drehen, Sitzen, Stehen, Gehen etc.)
Der Test liefert erst ab einem Alter von 12 Monaten zuverlässige Aufgaben.
Ablauf:
- Das Kind soll zunächst drei Aufgaben links von der Alterslinie lösen
- Es folgen Aufgaben, die rechts von der Alterslinie liegen (bis drei Fehler je Bereich gemacht wurden)
- Entwicklungsverzögerung = nicht gelöste Aufgaben links von der Alterslinie
- Entwicklungsabweichung = Verzögerung in zwei oder mehr Bereichen
7.9)
Beschreiben Sie den Wiener Entwicklungstest als Beispiel für einen allgemeinen Entwicklungstest!
Wiener Entwicklungstest:
Der Wiener Entwicklungstest lässt sich nutzen, um den allgemeinen Entwicklungszustand eines Kindes differenzierter zu
erfassen als mit einem Screeningtest. Der Test gilt für einen Altersbereich von 3 - 6 Jahren und erfordert einen Zeitbedarf von 75 - 90 Minuten.
-
Motorik (z.B. „Lernbär“, Schleif binden etc.)
Visuelle Wahrnehmung
Kognitive Entwicklung (z.B. Mosaikmuster nachlegen)
Sprache
Gedächtnis und Lernen (z.B. Schatzkästchen, Zahlen merken)
Sozial-emotionale Entwicklung
Beispielkriterien für Schatzkästchen-Aufgabe:
- Anzahl der erinnerten Gegenstände nach einmaliger Darbietung
- Anzahl der erinnerten Gegenstände nach verzögerter Darbietung
- Anzahl der notwendigen Lernvorgänge, bis alle Gegenstände korrekt erinnert wurden
7.10) Beschreiben Sie den Marburger Sprachverständnistest für Kinder (MSVK) als Beispiel für einen speziellen Entwicklungstest!
Marburger Sprachverständnistest für Kinder (MSVK):
Spezielle Entwicklungstests erlauben eine differenzierte Erfassung des Entwicklungsstands in Teilbereichen der Entwicklung (z.B. Sprache, Motorik). Der Marburger Sprachverständnistest für Kinder prüft auf Sprachverständnis bei 5 - 7Jährigen.
- Semantik (passiver Wortschatz und Wortbedeutung)
- Syntax (Satzverständnis und Instruktionsverständnis)
- Pragmatik (personenbezogene und situationsbezogene Sprachzuordnung)
Alle Untertests sind bildbasiert, daher ist keine Sprachproduktion, nur Sprachverständnis zu Beantwortung erforderlich.
Aufgabenbeispiele:
7.11) Was lässt sich generell zur Interpretation von Testergebnissen von Entwicklungstests für Kinder sagen?
Interpretation von Testergebnissen von Entwicklungstests für Kinder:
- dürfen niemals unkritisch betrachtet werden, sondern es muss immer berücksichtigt werden, unter welchen Bedingungen das Testergebnis zustande gekommen ist
- gerade in der Entwicklungsdiagnostik kann dies ein Problem sein, da der Zustand eines Kindes zum Zeitpunkt der
Testdurchführung sein Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit beeinflussen wird
8.1)
Nennen Sie die Entwicklungsstadien der pränatalen Entwicklungsphase mit Zeitangabe!
Entwicklungsstadien der pränatalen Entwicklungsphase:
1. Zygotenstadium (1. und 2. Lebenswoche)
2. Embryonalstadium (3. bis 8. Lebenswoche)
3. Fötalstadium (9. Lebenswoche bis zur Geburt)
8.2)
Beschreiben Sie die Abläufe in den Entwicklungsstadien der pränatalen Entwicklungsphase!
Abläufe in den Entwicklungsstadien der pränatalen Entwicklungsphase
Zygotenstadium (1. und 2. Lebenswoche):
- Die pränatale Entwicklung beginnt mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle
- Zygotenstadium von Befruchtung bis zur Einnistung der befruchteten Eizelle (Zygote) in die Gebärmutterwand
Embryonalstadium (3. bis 8. Lebenswoche):
- hier findet bereits eine Differenzierung von Organsystemen statt
1.
Entscheidende Entwicklungsmechanismen:
a) Zellteilung (Entstehung einer großen Zellanzahl in relativ kurzem Zeitraum)
b) Zellspezialisierung (aus Stammzellen werden Zellen mit spezifischen Strukturen und Funktionen)
c) Zellmigration (Wanderung der neuen Zellen vom Ausgangspunkt zum jeweiligen Bestimmungsort)
d) Zellsterben (programmierter Zelltod - so wird u.a. die Struktur einer Hand modelliert)
2. Parallele Entstehung des Unterstützungssystems
a) Plazenta (Membran ist halbdurchlässig und ermöglicht Stoffaustausch - Sauerstoff, Nährstoffe etc.)
b) Nabelschnur (Verbindung zwischen Embryo und Mutter durch Blutgefäße)
c) Fruchtblase (Schutz vor abrupten Bewegungen und größeren Temperaturschwankungen)
Fötalstadium (9. Lebenswoche bis zur Geburt)
- zunehmende Binnendifferenzierung der Strukturen und Funktionen des Organismus
- zunehmende Fähigkeit der sensorischen Informationsaufnahme (Sehen, Hören, Geschmack, Geruch, Tastsinn)
- erste Verhaltensweisen erkennbar (z.B. Bewegungen, Schlaf-Wach-Zeiten, erste Lernerfahrungen etc.)
8.3)
Beschreiben Sie die Verhaltensentwicklung im Fötalstadium (3. bis 9. Monat)!
Verhaltensentwicklung im Fötalstadium (3. bis 9. Monat):
3. Monat: Gehirn übernimmt Impulssteuerung zur Koordination der Funktionen der übrigen Organe, erste Reflexe
4. Monat: Kopfdrehen, Zwinkern, Stirnrunzeln, Öffnen/Schließen des Mundes, Bewegung der Extremitäten, individuelle
Verhaltensunterschiede zwischen Föten sind erkennbar
5. Monat: Lebhaftere Körperbewegungen, die nun auch von der Mutter spürbar sind
6. Monat: Schlaf- und Wachzeiten, Präferenzen für bestimmte Schlafhaltungen, bei Frühgeburt Überlebensmöglichkeit
mit entsprechender medizinischer Unterstützung
7. Monat: Augenbewegungen, Greifreflex auslösbar, Schluckauf, unregelmäßige Atembewegungen nachweisbar
8. Monat: Bei Geburt unabhängiges Überleben möglich, aber erhöhte Infektionsanfälligkeit und Temperaturinstabilität
9: Monat: Hoher Aktivitätsanteil, bei Geburt unabhängige Überlebensfähigkeit
8.4)
Definieren Sie „Teratogene“ und nennen Sie wichtige Teratogene und deren Wirkung!
Definition von Teratogenen:
Bei Teratogenen handelt es sich um schädigende Einflussfaktoren, die bereits pränatal die Entwicklung eines Kindes
beeinträchtigen können.
Zu den Teratogenen zählen insbesondere
- Alkohol und Drogen
- Rauchen
- spezifische Medikamente
- Umweltgifte und Strahlenschäden
- Infektionskrankheiten der Mutter
Teratogene Wirkung:
- Embryonalstadium: vor allem strukturelle Veränderungen (z.B. Fehlbildungen der Extremitäten)
- Fötalstadium: vor allem funktionelle Veränderungen (z.B. Intelligenzbeeinträchtigungen, Verhaltensänderungen)
Spezifische teratogene Wirkung:
- Alkohol kann zu Alkoholembryopathie führen (Organschäden, Intelligenzminderung, Organschäden)
- Rauchen kann zu Gewichtsreduktion, verlangsamten Wachstum und erhöhtem Risiko für SID führe
8.5)
Beschreiben Sie die möglichen Auswirkungen von Frühgeburten!
Mögliche Auswirkungen von Frühgeburten:
- Schwangerschaft dauert im Durchschnitt etwa 38 Wochen
- Überlebensfähigkeit schon etwa mit 23 Wochen (bei medizinischer Unterstützung)
- Geburtsgewicht unter 1500g gilt als Risikofaktor
- auch niedriger Sozialstatus gilt als Risikofakor
Frühgeburten:
Durch medizinische Fortschritte können können Kinder zwar immer früher am Leben gehalten werden, jedoch steigt
dadurch das Risiko medizinischer Komplikationen (z.B. Hirnblutungen) vor allem vor der 27. Schwangerschaftswoche.
Frühgeburten mit medizinischen Komplikationen:
Vor allem bei Frühgeburten mit medizinischen Komplikationen kann es zu Spätfolgen kommen
- Intelligenzminderung
- Lernstörungen
- Verhaltensprobleme
8.6)
Erklären Sie, was mit dem Apgar-Index überprüft wird und welche Parameter beurteilt werden!
Erhebung des Apgar-Index:
Der Apgar-Index wurde bereits 1953 von Virginia Apgar eingeführt und dient der Feststellung
a) ob eine unmittelbare Überlebensfähigkeit des Säuglings gegeben ist, oder
b) ob ein sofortiges medizinischen Eingreifen erforderlich ist.
Dabei werden diverse Parameter erhoben, die entweder mit 0, 1 oder 2 Punkten gewertet werden. Die Erhebung des
Apgar-Index erfolgt 1, 5 und 10 Minuten nach der Geburt.
Erhobene Parameter des Apgar-Index:
1.
2.
3.
4.
5.
Herzrate (0 = kein Herzschlag; 1 = unter 100 Schläge/min; 2 = über 100 Schläge/min)
Atmungsaktivität (0 = keine Atmung; 1 = unregelmäßige, flache Atmung; 2 = regelmäßige Atmung, Schreien)
Reflexauslösung (0 = keine Reflexe; 1 = schwache Reflexe; 2 = starke Reflexe)
Muskeltonus (0 = schlaff; 1 = schwache Bewegung der Extremitäten; 2 = starke Bewegung der Extremitäten)
Hautfärbung (0 = Körper und Extremitäten blau, blass; 1 = Körper rosa, Extr. blau; 2 = gesamter Körper rosig)
8.7)
Beschreiben Sie den plötzlichen Säuglingstod (SIDS) und damit zusammenhängende Risikofaktoren!
Plötzlicher Säuglingstod (SIDS):
Deutschland hat mit 3,9 verstorbenen Säuglingen auf 1000 Lebendgeborene eine vergleichsweise niedrige Sterblichkeitsrate. Die Säuglingssterblichkeit liegt am höchsten in den ersten 7 Tagen nach der Geburt.
Im 1. Lebensjahr droht der plötzliche Säuglingstod. Hierbei kommt es (häufig während des Schlafes) zu plötzlichen und
unerklärlichen Todesfällen. Eine plötzliche und anhaltende Atemunterbrechung aufgrund einer Fehlfunktion des Atemzentrums wird als Ursache vermutet.
Risikofaktoren für SIDS:
- ein bereits aufgetretener lebensbedrohlicher Zustand
- ein an SIDS verstorbenes Geschwisterkind
- Frühgeburt (vor der 33. Schwangerschaftswoche)
- niedriges Geburtsgewicht
- Drogenkonsum der Mutter
Weitere Risikofaktoren für SIDS:
- Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft
- Rauchen der Mutter in Gegenwart des Säuglings
- Schlafen in Bauchlage
- Frühes Abstillen
- Überwärmung des Kindes
Konsequenz:
Der Einsatz eines Atmungsmonitors kann das SIDS-Risiko deutlich veringern
- aber oft Fehlalarm
- Absetzen des Atmungsmonitors (emotionale Sicherheit entfällt)
8.8)
Beschreiben Sie die Entwicklung zirkadianer Rhythmen beim Säugling!
Entwicklung zirkadianer Rhythmen beim Säugling:
Bei zirkadianen Rhythmen handelt es sich um endogene bzw. innere Rhythmen des Organismus, die der Anpassung an
die zeitlichen Abläufe in der Umwelt dienen und die typischerweise auf eine Tagesperiodik abgestimmt sind.
- Regulation des Ernährungsbedürfnisses
- Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus
Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus:
Im Neugeborenenalter wechseln Säuglinge während eines 24-Stunden-Zyklus zwischen Schlafen und Wachsein hin und
her, wobei die Schlafzeit während der Nacht etwas größer ist. Insgesamt verbringt der Säugling am Anfang etwa 16
Stunden mit Schlaf, wobei es deutliche individuelle Unterschiede gibt.
Aktivierungszustände im Säuglingsalter:
Tiefer, ruhiger Schlaf:
Geringe Muskelspannung, wenig motorische Aktivität, ruhige und regelmäßige Atmung
Aktiver, unruhiger Schlaf: REM-Phasen, leicht erhöhte Muskelspannung, motorische Aktivität (Extremitäten, Grimassieren, Saugbewegungen), schnelle Augenbewegungen
Schläfrigkeit:
Öffnen und Schließen der Augen, keine klare Blickrichtung, Atmung flach, Übergang zwischen Schlafen und Wachheit
Wache Aufmerksamkeit: Geringe Aktivität, Augen offen und interessiert, entspannte Körperhaltung, regelmäßige
Atmung
Quengeliger Zustand:
Motorische Aktivitäten und Vokalisationen als Hinweise auf Unzufriedenheit und Belastungserleben, unregelmäßige Atmung, Übergang zwischen wacher Aufmerksamkeit und
Schreien
Schreien:
Starke motorische Aktivität, Gesichtsgrimassen, rote Haut, Schreivokalisation
8.9)
Beschreiben Sie die Entwicklung des Schlafes beim Säugling!
Schlafentwicklung beim Säugling:
- Verhältnis von REM-Schlaf und Non-REM-Schlaf verändert sich im Laufe der Entwicklung
- Anfang der Entwicklung: 50% REM-Schlaf an der Gesamtschlafzeit
- ab 3 bis 4 Jahren: 20% REM-Schlaf an der Gesamtschlafzeit
 REM-Schlaf hat eine wichtige Rolle beim Lernen und der Informationsverarbeitung
Weiterhin kommt es zu einer Zunahme des Nachschlafes und einer Abnahme des Tagschlafes.
8.10) Nennen Sie Gründe und Funktionen des Schreiens beim Säugling!
Schreien:
Der er seine Bedürfnisse noch nicht auf andere Weise zum Ausdruck bringen kann, nutzt der Säugling das Schreien zur
Kommunikation seiner Wünsche.
Wichtige Gründe für Quengeln, Weinen und Schreien:
- Schmerzen
- Hunger
- Müdigkeit
- Langeweile
Entwicklungsaufgabe der Eltern ist es, die verschiedenen Signale voneinander zu differenzieren. Es gilt auch für das
Ausmaß des Weinens deutliche individuelle Unterschiede.
Die Weinhäufigkeit nimmt mit steigendem Alter ab. Dabei ist interessant, dass die Weinhäufigkeit über das Alter hinweg
relativ stabil ist: Kinder, die mit 3 Monaten relativ viel weinten, zählten auch mit 1 Jahr eher zu den Kindern mit erhöhter Weinhäufigkeit.
8.11) Beschreiben Sie den Prozess der Synapsenbildung und -eliminierung!
Prozess der Synapsenbildung und -eliminierung:
Die Mehrzahl der Nervenzellen bzw. Neuronen entwickelt sich bereits pränatal durch Zellteilung und anschließende
Migration. Zum Zeitpunkt der Geburt liegen bereits 100 Mrd. Neuronen vor (wie beim Erwachsenen).
Am Anfang liegen deutlich mehr Synapsenverbindungen vor, als tatsächlich benötigt werden. Im Anschluss erfolgt die
erfahrungsabhängige Eliminierung von überschüssigen Synapsenverbindungen. Dies bedeutet, dass wenig aktivierte
Synapsenverbindungen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit wieder beseitigt werden.
Unterschiede zwischen den Hirnregionen:
Die Synapsenbildung und -eliminierung erreicht in unterschiedlichen Hirnregionen zu unterschiedlichen Entwicklungszeiten ihr Maximum.
- Bereich visueller Wahrnehmung: Maximum bereits im Laufe des 1. Lebensjahrs
- Bereich Frontalhirn: Maximum im Vorschulalter
- Weitere Bereiche: Im Laufe der Pubertät
8.12) Unterscheiden Sie erfahrungsabhänge und erfahrungserwartende Plastizität des Gehirns!
Plastizität des Gehirns:
Die Fähigkeit, Synapsen auszubilden und zu eliminieren, bildet eine wesentliche Grundlage für die (lebenslange) Plastizität des Gehirns. Das Gehirn kann damit auf neuere Erfahrungen reagieren und seine Verarbeitungsmöglichkeiten auf
die jeweiligen Umweltbedingungen einstellen.
Erfahrungsabhängige Plastizität:
- Synapsen werden in Abhängigkeit von den jeweiligen Umwelterfahrungen gebildet
- Beispiel: Bei Musikern kommt es zu einer verstärkten kortikalen Repräsentation der Finger
Erfahrungserwartende Plastizität:
- es werden Synapsenverbindungen bereitgestellt, weil das Gehirn in bestimmten Entwicklungsabschnitten spezifische
Erfahrungen benötigt
- Situationen erfahrungserwartenden Plastizität werden auch sensible Phasen genannt
- Beispiel: Bereitstellung von vielen Synapsenverbindungen im visuellen Cortex, dessen Fähigkeit, visuelle Informationen
zu verarbeiten, verschwindet, wenn nicht in den ersten Lebenswochen ein visueller Input erfolgt
- Beispiel: Deutlich erschwerter Spracherwerb, wenn in den ersten Lebensjahren kein Sprachkontakt stattgefunden hat
8.13) Beschreiben Sie die Myelinisierung von Nervenbahnen!
Myelinisierung von Nervenbahnen:
Neben bei der Neurogenese und der Synaptogenese ist die zunehmende Myelinisierung von Nervenbahnen notwendig,
um den Informationsfluss im neuronalen System zu verbessern.
- insbesondere Axone, welche für die Impulsweiterleitung zuständig sind, werden zunehmend myelinisiert
Cephalocaudaler Trend:
Gehirnnahe Neuronen werden früher myelinisiert als peripher lokalisierte Neuronen.
- Bereich Motorik: Heben des Kopfes und Koordination erfolgt bereits sehr früh
- Bereich Motorik: Koordination von Hand- und Fußmuskulatur findet erheblich später statt
Myelinisierung kann sich bis ins Jugend- und Erwachsenenalter fortsetzen. Die wichtigsten Entwicklungen finden jedoch
im Verlauf des Vorschulalters statt.
8.15) Beschreiben Sie den Verlauf des Körperwachstums bis zur Pubertät!
Verlauf des Körperwachstums:
Die Geburtsgröße eines normal ausgetragenen Säuglings beträgt durchschnittlich 48 - 53 cm.
- 1. Lebensjahr: etwa 18 bis 25 cm Wachstum
- 2. Lebensjahr: etwa 10 bis 13 cm Wachstum
- 3. Lebensjahr: etwa 5 bis 6 cm Wachstum
In der Pubertät erfolgt ein neuer Wachstumsschub. Das Größenwachstum ist mit 14 bis 18 Jahren abgeschlossen (bei
Mädchen etwas früher). Aber nicht nur der Körper wächst, es verändern sich auch seine Proportionen.
Veränderung der Relation Kopf - Gesamtkörper:
- pränatal: 50% Kopfanteil
- Geburt: 25% Kopfanteil
- Erwachsenenalter: 12% Kopfanteil
Historischer Trend:
Es zeigt sich jedoch ein historischer Trend. Die Pubertät findet seit 100 Jahren immer früher statt, und es liegt ebenfalls
ein Trend zur Zunahme der erreichten Körpergröße vor (verbesserte Ernährungsbedingungen als mögliche Ursache).
9.1)
Nennen und beschreiben Sie die wichtigsten angeborenen Reflexe von Säuglingen!
Wichtigste angeborene Reflexe von Säuglingen:
An Anfang der Motorikentwicklung stehen die angeborenen Reflexe des Säuglings im Vordergrund, während eine gezielte Steuerung der Motorik noch sehr rudimentär erfolgt. Die Reflexe dienen der ersten Anpassung des Säuglings an seine
Umgebung, können aber auch als Basis für die folgende motorische Entwicklung dienen.
Saugreflex:
Wird ausgelöst, sobald sich die Brust oder die Flasche dem Säugling nähert bzw. seinen Mund berührt.
Rooting-Reflex (Such-Reflex):
Wird ausgelöst durch die Berührung der Wange. Es folgt eine Zuwendungsreaktion in der Erwartung, dass sich dort die
Nahrungsquelle (Brust bzw. Flasche) befindet.
Greifreflex:
Wird ausgelöst durch die Berührung der Handinnenfläche. Es folgt ein Umgreifen des Gegenstandes.
Schreitreflex:
Wird ausgelöst, indem man den Säugling leicht nach vorne gebeugt hält und die Füße eine Fläche berühren lässt. Es
folgen Schreitbewegungen des Säuglings.
Schwimmreflex:
Wird ausgelöst, indem man den Säugling horizontal in Wasser hält. Es folgen Schwimmbewegungen.
Moro-Reflex:
Wird ausgelöst, wenn der Säugling erschrickt. Es folgen rhythmische Bewegungen der Extremitäten (ursprünglich vermutlich zur Anklammerung an die Mutter bei Gefahr).
9.2)
Unterscheiden Sie zwischen Reflexen, die erhalten bleiben und Reflexen, die verschwinden!
Beispiele für Reflexe, die erhalten bleiben:
- Rückziehreflex (bei schmerzhafter Berührung)
- Lidschlussreflex (bei hellen Lichtreizen, Luftstößen etc.)
Beispiele für Reflexe, die verschwinden:
Für verschwindende Reflexe gibt es spezifische Zeitfenster, in denen die Reflexe zurückgebildet sein sollten. Abweichungen gelten als Hinweise auf neurologische Störungen.
- Schreitreflex
- Mororeflex (sollte spätestens nach 6 Monaten verschwunden sein)
9.3)
Nennen Sie die Begründung für das Verschwinden des Schreitreflexes!
Verschwinden des Schreitreflexes:
1. Ursprüngliche Annahme: Der Reflex verschwindet aufgrund kortikaler Reifung
2. Alternativ-Annahme: Der Reflex verschwindet aufgrund starker Gewichtszunahme (beeinträchtigt die Auslösung)
Überprüfung:
- Gewicht an Beinen von Kindern mit vorhandenem Schreitreflex  Verschwinden des Reflexes
- Kinder mit verschwundenem Schreitreflex zeigen diesen wieder, wenn sie bis zur Hüfte in Wasser getaucht werden
Schlussfolgerung:
Der Schreitreflex bleibt prinzipiell erhalten, kann aber aufgrund der Gewichtszunahme nicht mehr ausgelöst werden.
9.4)
Nennen Sie eine mögliche Funktion von Reflexen!
Funktion von Reflexen:
Manchen Reflexen wird eine bahnende Funktion für komplexere motorische Abläufe zugesprochen, die in späteren
Entwicklungsabschnitten folgen (z.B. Greifreflex  gezielte Greifbewegung).
Die ursprüngliche Reflexbewegung wird in überformter Weise in den Bewegungsablauf integriert. Reflexe dürften auch
das Lernen erleichtern, da sie bestimmte Abläufe vorprogrammieren (z.B. Schreitreflex und Gehen, Schwimmreflex und
Schwimmen).
Somit dienen Reflexe als mögliche Erklärung für das Phänomen, dass manche Bewegungsabläufe auch ohne große
Lernerfahrungen schnell erlernbar sind.
9.5)
Beschreiben Sie das allgemeine Prinzip der Motorikentwicklung!
Allgemeines Prinzip der Motorikentwicklung:
Das allgemeine Prinzip der Motorikentwicklung besteht darin, dass
1.
zunächst einzelne Bewegungsabfolgen erlernt werden.
Es folgen
2. eine Koordination der einzelnen Bewegungen und
3. eine Integration der Bewegungen in längere Verhaltensketten.
Im weiteren Verlauf kommt es
4. zu einer zunehmenden Automatisierung der Einzelabfolgen, wobei dies gleichzeitig den Arbeitsspeicher entlastet
und dadurch Kapazität für weitere Informationsverarbeitungsprozesse schafft.
Gegebenenfalls kommt es weiterhin
5. zu einer zunehmenden Verfeinerung durch eine Anpassung der Verhaltensabfolgen an spezifische Umgebungsbedingungen.
9.6)
Geben Sie einen Überblick zu den wichtigsten Stationen der Motorikentwicklung!
Überblick zu den wichtigsten Stationen der Motorikentwicklung:
Eine der wichtigsten motorischen Errungenschaften im Kleinkindalter bezieht sich auf das Laufen. Solange der Säugling
überwiegend liegt, ist sein Wahrnehmungsspektrum sehr eingeschränkt. Dies ändert sich, sobald der Säugling sitzen
kann.
Durch die nun aufrechte Haltung erweitert sich das sensorische Spektrum erheblich. Geradezu ein Quantensprung
ergibt sich, wenn das Kind sich aktiv fortbewegen kann.
Liegen
Heben des Kopfes
Sitzen mit Hilfe
Sitzen ohne Hilfe
Stehen mit Hilfe
Stehen mit Festhalten
Krabbeln
Gehen mit Hilfe
Sich hochziehen
Treppe hochkriechen
Allein stehen
Allein gehen
Treppen steigen
0-2 Monate
1-2 Monate
3-4 Monate
5-7 Monate
6-8 Monate
8-9 Monate
8-10 Monate
10-11 Monate
11-12 Monate
12-13 Monate
12-14 Monate
12-15 Monate
17-18 Monate
9.7)
Wie lässt sich der Trend erklären, dass seit Ende der 90er Jahre viele Kinder später/überhaupt nicht mehr krabbeln)
Gründe für verzögertes/ausbleibendes Krabbeln:
Aufklärungskampagnen zum plötzlichen Säuglingstod (SIDS) könnten dazu beigetragen haben. Eltern werden dazu
angehalten, Kinder häufiger auf den Rücken zu legen und die Bauchlage zu vermeiden.
Folge:
Dies senkt die Wahrscheinlichkeit zu entdecken, dass man sich durch eigenes Rutschen fortbewegen kann.
Es sind jedoch keine Unterschiede in der weiteren motorischen Entwicklung beobachtbar.
9.8)
Warum ist Motorikentwicklung als ein Interaktion von Reifung und Lernen zu charakterisieren?
Motorikentwicklung als Interaktion von Reifung und Lernen:
Auf der einen Seite müssen bestimmte Reifungsgrundlagen vorhanden sein (z.B. Myelinisierung von Nervenbahnen,
Ausbildung des motorischen Cortex).
Auf der anderen Seite sind Lernerfahrungen erforderlich, um eine Abstimmung zwischen Motorik und Umwelterfordernissen zu ermöglichen.
Beispiele:
- Am Beispiel der Hopi-Indianer lässt sich zeigen, dass bereits minimale Umweltstimulation ausreicht, um reifungsbedingte Anlagen zur Entfaltung zu bringen (kein Unterschied zwischen Wickelbrett-Kindern und „Normalen“)
- Training des Laufreflex führt zu früherem Laufenlernen (unterstreicht Wichtigkeit von Reflexen)
- Blinde Kinder haben motorische Entwicklungsverzögerungen (unterstreicht Wichtigkeit der Umwelt)
Fazit:
Eine gewisse Umweltstimulation ist erforderlich, um die motorische Entwicklung (überwiegend reifungsbedingt) zu
unterstützen.
10.1)
Beschreiben Sie, wie sich beim Säugling experimentell das visuelle Auflösungsvermögen bestimmen lässt!
Bestimmung des visuellen Auflösungsvermögens:
Da die Säuglinge ihre Wahrnehmungen nicht verbal zum Ausdruck bringen können, müssen andere Methoden genutzt
werden, um etwas über ihre Wahrnehmungsleistungen zu erfahren.
a) Präferenzparadigma
b) Habituations-Dishabituations-Paradigma
Vorgehen mit der Präferenzmethode:
Dem Säugling werden in bestimmtem räumlichem Abstand zwei Flächen präsentiert. Die eine Fläche enthält ein Streifenmuster, während die zweite Fläche einheitlich grau ist. Ist das Auflösungsvermögen des Säuglings zu niedrig, erscheinen beide Flächen gleichermaßen grau.
Da ein Streifenmuster gegenüber einer gleichmäßigen grauen Fläche präferiert wird, schaut der Säugling länger auf die
Fläche mit dem Streifenmuster, wenn er die Streifen differenzieren kann. Aus dem Blickverhalten kann man also auf
seine Differenzierungsfähigkeit schließen.
Vorgehen mit der Habituations-Dishabituations-Methode:
Dieses Vorgehen funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip. Es werden mehrmals nacheinander zwei graue Flächen
präsentiert, bis der Säugling habituiert ist. Im Anschluss wird eine der grauen Flächen durch ein Streifenmuster ersetzt.
Der Säugling sollte dishabituieren (Reiz länger betrachten), sobald er die Streifen unterscheiden kann.
10.2)
Nennen Sie Erklärungen für die zunehmende Verbesserung des Auflösungsvermögens!
Erklärung für die zunehmende Verbesserung des Auflösungsvermögens:
Die Fovea Centralis ist in den ersten Lebensmonaten noch nicht vollständig entwickelt. Die Zapfen in der Fovea sind bei
Säuglingen noch kurz und dick, während sie bei Erwachsenen lang und schmal sind. Bis zur Reifung der Zapfen lassen
diese nur eine geringe Auflösung zu.
Eine weitere Erklärung ist die niedrige Akkomodationsleistung der Linse im Neugeborenenalter.
10.3)
Nennen Sie Erklärungen für die Präferenz für einfache Schachbrettmuster gegenüber komplexen Mustern!
Erklärung für die Präferenz von einfachen Schachbrettmustern:
Das zunächst noch relativ geringe Auflösungsvermögen bietet eine Erklärung dafür, dass Säuglinge am Anfang ihrer
Entwicklung einfache Schachbrettmuster komplexeren Schachbrettmustern vorziehen.
Da bei einem komplexen Muster das Auflösungsvermögen nicht ausreicht, um die Quadrate des Schachbretts voneinander zu differenzieren, erscheint es als gleichmäßige Fläche. In dem einfachen Muster sind dagegen die Quadrate
voneinander differenzierbar, so dass er dem Säugling interessanter erscheint als eine Fläche mit homogener Farbgebung.
10.4)
Beschreiben Sie die Unterschiede in den Augenbewegungen (Abtastbewegungen) von Säuglingen verschiedenen Altes!
Augenbewegungen von Säuglingen:
Bei Säuglingen erfolgt das Abtastverhalten anfangs noch recht unsystematisch.
Darbietung eines Dreiecks:
Neugeborener Säugling: richtet seine Augen möglichweise nur auf eine Kante
Älterer Säugling: betrachtet alle Kanten
Erklärungen:
a) mangelndes visuelles Auflösungsvermögen
b) kein Plan für eine systematische Mustererkennung (Muster ist nichtssagend, alle Teile gleich -un-wichtig)
10.5) Beschreiben Sie, wie sich beim Säugling experimentell die visuelle Musterergänzung nachweisen lässt!
Visuelle Musterergänzungseffekte:
Mit der Verbesserung des Abtastverhaltens und des visuellen Auflösungsvermögens kommt es zu einer zunehmenden
Integration von Musterelementen zu Gesamtmustern. Es kommt sogar schon zu Musterergänzungseffekten.
Vorgehen mit der Habituations-Dishabituationsmethode:
Zunächst erfolgt eine Habituierung des Säuglings an ein Quadrat. Danach wird entweder ein Muster mit einem virtuellen Quadrat oder ein anderes Muster gezeigt.
Der Säugling schaut nun länger, wenn eines der Muster folgt, auf dem kein virtuelles Quadrat zu erkennen ist. Die
Erklärung für dieses Blickverhalten ist, dass das virtuelle Quadrat dem Säugling vertraut erscheint, da er ja bereits vorher auf ein Quadrat habituiert war. Unvertraut und daher interessanter erscheinen ihm die anderen Muster.
Vorgehen bei bewegten Mustern:
Ein Stab wird hinter einem Quadrat hin- und her bewegt, bis der Säugling habituiert ist. Nach der Habituationsphase
werden vom Säugling zwei Teilstäbe gegenüber einem vollständigen Stab präferiert, da nach der Habituationsphase
offenbar ein vollständiger und nicht zwei Teilstäbe erwartet wurden. Offenbar hatte der Säugling vorher die Teilstäbe in
der Habituationsphase virtuell zu einem Gesamtstab ergänzt.
Komplexere Musterergänzungsleistungen:
Kinder wurden an 33%, 50%, oder 66%-unvollständige Motorradbilder habituiert. Beim Zeigen des vollständigen Bildes
zusammen mit einem anderen Bild wurde das andere Bild präferiert, da schon Musterergänzung stattgefunden hat.
10.6)
Nennen Sie visuelle Präferenzen von Säuglingen!
Visuelle Präferenzen von Säuglingen:
- einfache vor komplexen Mustern
- symmetrische vor unsymmetrischen Mustern
- die äußeren vor den inneren Konturen
- kurvilineare vor geradlinigen Mustern
- bewegte vor unbewegten Mustern
- Präferenz von Gesichtern vor anderen Objekten (nicht durch Symmetrie erklärbar)
Fazit:
Aus den Erkenntnissen zu visuellen Präferenzen von Säuglingen können Anregungen für eine gezielte Spielzeugwahl
abgeleitet werden. =)
10.7) Beschreiben Sie, wie sich beim Säugling experimentell die Größenkonstanz nachweisen lässt!
Nachweis von Größenkonstanz:
Einige grundlegende Bestandteile der Tiefenwahrnehmung sin offenbar bereits kurz nach der Geburt nachweisbar,
während andere sich erst in den folgenden Monaten entwickeln. Zu den bereits sehr früh nachweisbaren Bestandteilen
gehört die Größenkonstanz. Diese stellt einen Korrekturmechanismus dar (z.B. trotz größerem Abbild auf der Retina
erscheint das Objekt nicht größer).
Andere Bestandteile der Tiefenwahrnehmung werden erst später erworben.
Vorgehen mit der Habituations-Dishabituations-Methode:
Ein Säugling wird an ein Objekt habituiert. Danach wird eine vergrößerte Variante des gleichen Objekts in einem Abstand präsentiert, der zu einer gleichgroßen Retina-Abbildung führt.
Wenn der Säugling den neuen Stimulus länger betrachtet, nimmt er ihn als größer (neu) wahr, obwohl er auf der Retina
gleichgroß abgebildet wird. Es muss also eine interne Korrektur (Größenkonstanz) stattgefunden haben.
10.8)
Erklären Sie das Experiment der visuellen Klippe!
Visuelle Klippe als Nachweis des Verständnisses von Tiefencues:
Die visuelle Klippe ist ein Experiment zur Prüfung des Verständnisses von Tiefencues. Ein Kind befindet sich auf einer
ebenen Fläche mit einem Schachbrettmuster. Vor dem Kind befindet sich ein Abgrund, der mit einer Glasplatte abgedeckt ist. Die gleich großen, durch die Entfernung aber kleiner wirkenden Quadrate im Abgrund wirken als Tiefencues.
Es stellt sich nun die Frage, ob das Kind die Tiefe wahrnimmt und sich weigert (trotz Lockens durch die Mutter), die
Glasplatte zu betreten.
 bereits ab einem Alter von 6 Monaten kriechen Kinder nicht mehr auf die Glasplatte.
Problem:
Wenn Kinder aufgrund mangelnder Krabbelfähigkeit nicht auf die Platte krabbeln, werden sie auf die Glasplatte gezogen und die physiologischen Reaktionen gemessen (Hautwiederstand, EKG etc.). Hat das Kind Verständnis für Tiefencues, sinkt die Herzrate (bedeutet erhöhte Aufmerksamkeit). Bei älteren Kindern steigt die Herzrate, was ein Zeichen für Angst ist.
Fazit:
Reaktion auf Tiefe ist beim Menschen nicht angeboren, sondern wird im Zusammenhang mit der Motorikentwicklung
erlernt.
10.9)
Nennen Sie neben der visuellen Klippe eine weitere Möglichkeit, Verständnis von Tiefencues nachzuweisen!
Trapezgitter zum Nachweis des Verständnisses von Tiefencues:
Kinder wollen Objekte greifen, die vor ihnen platziert werden, d.h., sie werden nach ihnen greifen. Bei einem trapezförmigen Gegenstand (monokular bei 45° betrachtet) erscheint das längere Ende näher und das kürzere Ende weiter
entfernt.
Fazit:
Jüngere Kinder zeigen noch keine Tendenz, zum längeren Ende zu greifen. Erst ab einem Alter von ca. 6 Monaten erfolgt
eine systematische Nutzung von Tiefencues. Die meisten Tiefencues sind ab einem Alter von 5 bis 6 Monaten verfügbar. Daher kann es zu widersprüchlichen Ergebnissen (in Bezug auf die visuelle Klippe) kommen.
10.10) Wie lässt sich nachweisen, dass Säuglinge visuell Emotionen wahrnehmen können?
Visuelle Wahrnehmung von Emotionen:
Bereits bei Säuglingen ist eine deutliche Präferenz für Gesicht nachgewiesen worden. Sie können auch unterschiedliche
Gesichtsausdrücke voneinander differenzieren.
Ablauf:
Werden einem 3 Monate alten Säugling Bilder gezeigt, die Gesichter mit unterschiedlichen Emotionen zeigen (Freude,
Ärger, neutraler Gesichtsausdruck), schauen sie länger auf die Gesichter mit dem Ausdruck von Freude, wobei die
Präferenz mit der Höhe der Intensität zunimmt.
Es existiert also schon früh eine Präferenz für positive Emotionen, die anderen Gesichtsausdrücken vorgezogen werden.
10.11) Erklären Sie, wie sich experimentell die Präferenz für die Mutterstimme beim Säugling nachweisen lässt!
Nachweis der Präferenz für die Mutterstimme:
Bereits pränatal sind Kinder in der Lage, auf Geräusche zu reagieren. Wird z.B. ein hochfrequenter Ton nahe am Bauch
einer Schwangeren abgespielt, steigt die Herzschlagfrequenz des Fötus.
Postnatal hat ein Säugling zunächst noch nicht die vollen akustischen Hörfähigkeiten eines Erwachsenen. Das leiseste
Geräusch, auf das ein Säugling reagiert, ist etwa 4-mal lauter als das leiseste Geräusch, das ein Erwachsener identifizieren kann.
Vorgehen mit dem Saug-Paradigma:
Bereits 4 Tage nach der Geburt lässt sich die Präferenz von Säuglingen für die Mutterstimme nachweisen.
1. Bestimmung der Grundsaugfrequenz des Säuglings
2. Anschließend Vorspielen der Mutterstimme, wenn der Säugling die Saugfrequenz erhöht bzw. senkt, andernfalls
Vorspielen einer fremden Frauenstimme
Säuglinge passen ihre Saugfrequenz so an, dass sie die Mutterstimme hören. Dies beruht vermutlich auf vorgeburtlicher
Erfahrung, da die Vaterstimme nie präferiert wird (auch nicht bei gleich viel Kontakt). Ein weiterer Beleg für die vorgeburtliche Erfahrung ist, dass Säuglinge selbst Geschichten mit dem Saug-Paradigma präferieren, die pränatal vorgelesen
wurden.
Weitere Präferenzen:
- Muttersprache
- Hohe Töne
- Rhythmen (wie Herzschlag)
10.12) Beschreiben Sie die intermodale Wahrnehmung und wie sie sich experimentell nachweisen lässt!
Intermodale Wahrnehmung (haptisch-visuell):
Bei der intermodalen bzw. crossmodalen Wahrnehmung handelt es sich um die Integration von Informationen aus
verschiedenen Sinnessystemen zu einem ganzheitlichen Sinneseindruck.
Intermodale Wahrnehmung ist bereits früh nachweisbar. Schon Neugeborene scheinen zur Integration der Information
aus verschiedenen Sinneskanälen in der Lage zu sein. Beispielsweise wenden sie sich einer Lautquelle zu und versuchen, danach zu greifen.
Vorgehen I (Studie zur Verknüpfung visueller und haptischer Informationen):
Säuglinge spielen unter einer Decke mit zwei Ringen, die entweder fest oder variabel miteinander verbunden waren.
 Nach der Habituationsphase zeigen viermonatige Säuglinge eine Präferenz für das unbekannte Ringe-Paar. Dies
weist auf ein Wiedererkennen des Objekts wieder, mit dem sie bereits gespielt hatten.
Vorgehen II (Studie zur Verknüpfung visueller und haptischer Informationen):
Ähnliches zeigt sich beim visuellen Wiedererkennen eines Schnullers, mit dem zuvor nur haptische Erfahrungen gemacht wurden.
Der überwiegende Teil der Kinder betrachtet den Schnuller länger, an dem sie zuvor gesaugt hatten (ohne ihn gesehen
zu haben). Erklärung für die längere Betrachtung: Es hat vermutlich noch keine Habituation stattgefunden.
10.13) Beschreiben Sie ein Experiment zum Nachweis auditiv-visueller intermodaler Wahrnehmung!
Intermodale Wahrnehmung (auditiv-visuell):
Auch bei der Verknüpfung visueller und auditiver Informationen lässt sich die Fähigkeit zur intermodalen Wahrnehmung zeigen.
Studie I (Zug-Video):
Zwei Videos werden parallel gezeigt, auf denen sich entweder
a) ein Zug nähert oder
b) ein Zug entfernt
Nebenbei wurde ein Geräusch entweder lauter oder leiser. Bei Fähigkeit der intermodalen Wahrnehmung sollten
Säuglinge bei lauter werdendem Geräusch eher auf den näherkommenden Zug achten, bei leiser werdendem Geräusch
eher auf den sich entfernenden Zug.
In einer Kontrollbedingung fuhr der Zug von oben nach unten (keine sinnvolle Verknüpfung möglich).
 Während in der Kontrollbedingung zufällig die Videos beachtet wurden, konnten bereits 5-monatige Säuglinge Bild
und Ton korrekt assoziieren (p = .65).
Studie II (Stimmen-Video):
Wird auf einem Videomonitor ein Video der Mutter mit asynchronem Ton für die Stimme abgespielt, zeigen 5monatige Säuglinge deutliche Verunsicherungen.
10.14) Erklären Sie die Interdependenzen zwischen Wahrnehmungs- und Motorikentwicklung!
Interdependenzen zwischen Wahrnehmungs- und Motorikentwicklung:
Wahrnehmungs- und Motorikentwicklung sind wechselseitig aufeinander bezogen und werden wechselseitig gehemmt,
wenn Einschränkungen stattfinden.
Katzen-Experiment:
Katzen wurden in Dunkelheit aufgezogen, dann in zwei Gruppen eingeteilt.
a) Aktive Katzen, die sich bewegen können
b) Passive Katzen, die durch die aktiven Katzen bewegt werden
Für beide Katzen war die Wahrnehmungserfahrung identisch, nur die motorische Erfahrung unterschiedlich. Es zeigten
sich deutliche Effekte der Motorikeinschränkung auf die Wahrnehmungsentwicklung (z.B. passive Katzen mieden die
visuelle Klippe nicht).
Aber:
Bei Tiefenwahrnehmung ist es allerdings nicht notwendig, dass Bewegung selbst produziert ist. Auch wahrgenommene
Bewegung verbessert die Tiefenwahrnehmung. Wenn jedoch keine Stimulation stattfindet, ist die Entwicklung der
Tiefenwahrnehmung gestört.
Fazit:
Motorik trägt dazu bei, Stimulation zu erhöhen. Wenn die Motorik eingeschränkt ist (Hopi-Indianer), aber anderweitig
ausreichend Stimulation geboten ist, kann dies die Motorikeinschränkung kompensieren. Demnach sollte Hopi-Kindern
zumindest durch passives Herumtragen ausreichend Stimulation geboten werden.
11.1)
Nennen Sie Annahmen über die frühe Eltern-Kind-Interaktion und deren Nutzen!
Frühe Eltern-Kind-Interaktion:
Da Säuglinge in den ersten Lebenstagen und -wochen noch nicht auf umfangreiche Lernerfahrungen zurückgreifen
können, sind viele frühkindliche Verhaltensweisen vermutlich evolutionsbiologisch geprägt. Säuglinge setzen verschiedene Signale ein, um ihre Bedürfnisse mitzuteilen.
Gleichzeitig kann davon ausgegangen werden, dass auch das Verhalten der Bezugspersonen evolutionsbiologisch
geprägt ist, um das Überleben des Säuglings zu sichern. Aufgabe der Bezugspersonen ist es, auf die Signale des Säuglings
im Sinne einer Bedürfnisbefriedigung zu reagieren.
Fazit:
Bei Säuglingen und Eltern gibt es aufeinander abgestimmte Verhaltensprogramme, die das Interaktionsverhalten von
Säugling und Eltern beidseitig entscheidend beeinflusst.
11.2)
Unterscheiden Sie zwischen dem Bindungs- und Fürsorgesystem!
Bindungs- und Fürsorgesystem:
In der Bindungstheorie (Bowlby, 1969) wird zwischen einem
a) Bindungssystem (aufseiten des Kindes) und einem
b) Fürsorgesystem (aufseiten der Bezugspersonen) unterschieden.
Bindungssystem:
Das Bindungssystem zielt darauf ab, Nähe und Sicherheit (emotional-psychisch) von der Bezugsperson zu erhalten. Das
Bindungssystem wird vom Säugling aktiviert, wenn er die eigenen Sicherheitsbedürfnisse bedroht sieht, und deaktiviert, wenn Schutz und Sicherheit erreicht wurden. Das Kind setzt verschiedene Verhaltensweisen ein, um diese Ziele zu
erreichen (Weinen, Lächeln, Blickkontakt, frühkindliche Imitation).
Der Säugling greift in seinem Verhalten zunehmend auf frühere Bindungserfahrungen zurück, die in einem inneren
Arbeitsmodell gespeichert sind.
Fürsorgesystem:
Das Fürsorgesystem ist darauf ausgerichtet, durch geeignete Fürsorgeverhaltensweisen (z.B. Aufnehmen, Streicheln,
Wiegen, Singen etc.) die Bedürfnisse des Kindes nach Nähe und Sicherheit zu befriedigen.
Wenn das Fürsorgesystem vom Säugling aktiviert wurde, greift die Bindungsperson auf ein inneres Arbeitsmodell
zurück, indem neben Erfahrungen erfolgreiche Verhaltensweisen gespeichert sind.
11.3)
Nennen und beschreiben Sie Bindungsverhaltensweisen beim Säugling, die zur Aktivierung des elterlichen
Fürsorgesystems eingesetzt werden!
Bindungsverhaltensweisen beim Säugling zur Aktivierung des Fürsorgesystems:
- Weinen
- Lächeln
- Blickkontakt
- frühkindliche Imitation
Weinen:
Eines der wichtigsten Signale im Säuglingsalter. Es löst bei Eltern typische Verhaltensweisen aus (Auf-den-Arm-nehmen,
An-sich-Drücken, Stillen, Schaukeln, Beruhigen). Den meisten Eltern gelingt es, zumindest Schmerz- und Hungerschreie
beim Säugling zu unterscheiden.
 WICHTIG: Ignorieren des Weinens führt entgegen der Lerntheorie NICHT zu einer Verhaltensabnahme!
Lächeln:
Die Lächelreaktion wird als wichtiger Bestandteil des Zustandekommens einer Bindung der Bezugspersonen an das Kind
gesehen und ist schon früh beobachtbar (bereits im 1. Lebensmonat). Allerdings zeigt sich „echtes“ soziales Lächeln erst
mit etwa 6-10 Wochen (erst dann durch soziale Reize auslösbar und auf bestimmte Personen bezogen).
Blickkontakt:
Schon ein neugeborener Säugling bringt die Fähigkeit zur Gesicht-zu-Gesicht-Interaktion mit, indem es seinen Kopf der
menschlichen Stimme zudreht und das Gesicht der Mutter visuell fixiert, auch bevor ihm exaktes Sehen möglich ist.
Eltern interpretieren dies als Kommunikationsversuch des Babys.
Frühkindliche Imitation:
Schon im Alter von wenigen Tagen zeigen Säuglinge Imitationsverhalten. Die Häufigkeit der Imitation nimmt zwischen
dem 3. und 6. Monat aufgrund kortikaler Reorganisation ab, um danach wieder anzusteigen. Dies wird wie Lächeln und
Blickkontakt von den Eltern als Kommunikationsversuch interpretiert.
11.4)
Erklären Sie Sensitivität im Zusammenhang mit elterlichem Fürsorgeverhalten und wie man sie erheben kann!
Sensitivität im Zusammenhang mit elterlichem Fürsorgeverhalten:
Die Sensitivität einer Bezugsperson bezieht sich auf die Fähigkeit, in konsistenter Weise
- die Signale eines Kindes wahrzunehmen,
- sie richtig zu interpretieren,
- prompt darauf zu reagieren.
- und sich angemessen zu verhalten
Die Sensitivität einer Bezugsperson für die Signale eines Kindes gilt als wichtige Grundlage für das Entstehen einer
sicheren Bindung des Kindes an seine Bezugsperson.
Fazit:
Somit tragen sowohl Bindungsverhaltensweisen des Säuglings als auch Sensitivität der Eltern zur Entstehung einer
sicheren Bindung bei.
Erhebung von Sensitivität:
- durch Verhaltensbeobachtung des Eltern-Kind-Verhaltens und
- durch Globaleinschätzung auf 9-stufiger Skala (gar nicht feinfühlig bis sehr feinfühlig)
- Metanalysen zeigen r = .30 für Sensitivität und Qualität der Eltern-Kind-Bindung
11.5)
Nennen Sie die Verhaltensweisen, die Eltern im Rahmen des intuitiven Elternprogramms ausführen!
Verhaltensweisen des intuitiven Elternprogramms:
Es wird angenommen, dass bestimmte elterliche Fürsorgeverhaltensweisen evolutionsbiologisch entstanden sind, um
Kindern in den ersten Lebensmonaten Entwicklungsbedingungen zu gewährleisten, die ihren frühkindlichen Bedürfnissen entsprechen.
Die meisten dieser Verhaltensweisen werden intuitiv und spontan in der Interaktion mit dem Kind eingesetzt und als
intuitives Elternprogramm zusammengefasst:
-
Einhalten eines optimalen Reaktionszeitfensters
verbales und präverbales Verhalten der Eltern
Herstellen und Aufrechterhalten von Blickkontakt
Regulation des Wachheits- und Erregungszustandes
Fazit:
Elterliches Fürsorgeverhalten dient folgenden Zwecken und didaktischen Zielen:
a) Vermittlung von Wärme und Sicherheit
b) Hilfe bei der Erfahrung von Kausalität
c) Hilfe bei der Lautbildung
d) Hilfe bei der Informationsaufnahme
e) Hilfe bei der Verhaltensregulation
-
evolutionsbiologisches Verhalten tritt zunehmend in den Hintergrund
individuelle Erfahrungsbildungen in spezifischen Kontexten tritt zunehmend in den Vordergrund
Bindung von Eltern an das Kind erfolgt früher als Bindung des Kindes an die Eltern!!!
11.6)
Beschreiben Sie die Verhaltensweisen, die Eltern im Rahmen des intuitiven Elternprogramms ausführen!
Verhaltensweisen des intuitiven Elternprogramms:
- Einhalten eines optimalen Reaktionszeitfensters
- Verbales und präverbales Verhalten der Eltern
- Herstellen und Aufrechterhalten von Blickkontakt
- Regulation des Wachheits- und Erregungszustandes
Einhalten eines optimalen Reaktionszeitfensters:
Ereignisse können vom Säugling nur dann als Konsequenzen eigenen Verhaltens wahrgenommen werden, wenn sie
innerhalb einer gewissen zeitlichen Kontingenz auftauchen (ca. 1 Sekunde beim Säugling). Eltern reagieren typischerweise auf Signale vom Säugling innerhalb 200-800ms, was unterhalb des Grenzbereichs liegt, in dem bewusst überlegte
Reaktionen erfolgen. Daher auch der Name intuitives Elternprogramm.
Verbales und präverbales Verhalten der Eltern:
Die Vorbereitung der späteren verbalen Kommunikation zeigt sich besonders deutlich beim „baby talk“ der Eltern. Sie
reagieren auf kindliche Vokalisationen mit hoher Stimme, übertriebene Intonation und einfacher Sprachstruktur. Dies
dient dem Baby als Hilfe bei der Lautbildung und als Hilfe bei der Informationsaufnahme. Simulation von „baby talk“
ist schwierig, daher wieder intuitiv. Das Ganze wird auch intuitive Didaktik genannt.
Herstellen und Aufrechterhalten von Blickkontakt:
Dies schafft gute Voraussetzungen für positive Vokalisationen des Kindes und dialogische Interaktion. Negative Vokalisationen treten wesentlich häufiger auf, wenn kein Blickkontakt besteht. Damit wird also auch die Verhaltensregulation
unterstützt. Besonders häufig: „Augengruß“ (Heben des Kopfes und Hochziehen der Augenbrauen). Eltern berücksichtigen auch intuitiv den optimalen Sichtabstand zum Baby.
Regulation des Wachheits- und Erregungszustandes:
Eltern nutzen verschiedene Prüfroutinen, um den Aktivierungszustand festzustellen (z.B. Berührung des Kinnes). Sie
vermeiden intuitiv Über- oder Unterstimulation und beruhigen durch Streicheln, Singen etc.
11.7)
Beschreiben Sie kulturelle Unterschiede in Körperkontakt und Face-to-Face-Kontakt zwischen Eltern und
Säuglingen!
Kulturelle Unterschiede in Körperkontakt und Face-to-Face-Kontakt zwischen Eltern und Säuglingen;
Eine Studie zeigte bedeutende Unterschiede zwischen independenten Kulturen (Deutschland) und interdependenten
Kulturen (Kamerun).
Independente Kulturen zeigen wesentlich mehr Augenkontakt, aber wesentlich weniger Körperkontakt.
Interdependente Kulturen zeigen wesentlich mehr Körperkontakt, aber wesentlich weniger Augenkontakt.
11.8)
Beschreiben Sie ein Experiment zur Überprüfung der Hypothese, dass bewusstes Reflektieren von Handlungen zur Überlagerung des intuitiven Elternprogramms führt!
Experiment zum intuitiven Elternprogramm:
Um zu überprüfen, ob erhöhte Selbstreflektion über das eigene Verhalten zur einer Überlagerung des intuitiven Elternprogramms führt, wurde ein Untersuchungsplan mit folgenden Variablen aufgestellt:
X: Verhaltenslatenz der Mutter, Blickkontaktrate der Mutter, Feinfühligkeit der Mutter, Reflektionsneigung
Y: Kindliches Schreiverhalten, kindl. Schlaf-Wach-Rhythmus, Krankheitsanfälligkeit
Die Mütter wurden dazu in Interaktionssequenzen mit ihren Kindern gefilmt und die Variablen entsprechend operationalisiert.
Ergebnisse:
- Interaktionsqualität wird beeinträchtigt, wenn das eigene Verhalten stark reflektiert wird
- Je höher die Interaktionsqualität, desto höher kindliches Problemverhalten (entgegen der Hypothese)
Erklärungen:
a) Wenn Probleme beim Kind auftreten, passen Mütter ihr Verhalten der Problemlage an
b) Mütter mit höherer Interaktionsqualität nehmen mehr Probleme beim Kind war
 durch eine zusätzliche 12-wöchige Längsschnittstudie wurde eher Erklärung (b) gestützt!
 Sensibilität ist in diesem Fall eher eine situationsunabhängige Eigenschaft
12.1)
Nennen Sie die kognitiven Voraussetzungen von Kindern für die Bindungsentstehung!
Kognitive Voraussetzungen von Kindern für die Bindungsentstehung:
1. Kognitive Schemata:
Es müssen kognitive Schemata vorhanden sein, um Menschen voneinander unterscheiden zu können (z.B. die Eltern
von Fremden). Erst dann sind spezifische Reaktionen auf die Eltern zu erwarten.
2. Objektpermanenz:
Vor allem der Erwerb von Objektpermanenz ist wichtig, da erst dann erkannt wird, dass Personen selbst dann noch
vorhanden sind, wenn man sie nicht mehr unmittelbar sieht.
12.2)
Beschreiben und erklären Sie das Phänomen des Fremdelns!
Fremdeln:
Mit der Entstehung der Bindung geht vielfach auch das Auftreten des Fremdelns einher. Da das Kind mit dem Aufbau
kognitiver Schemata zwischen vertrauten und fremden Personen unterscheiden kann, empfindet es nach dem Entstehen der Bindung Sicherheit vor allem im Umgang mit vertrauten Personen.
Unsicherheit und Ängste entstehen dagegen vor allem bei der Interaktion mit fremden Personen. Die Fremdelreaktion
tritt umso stärker auf, je unähnlicher und unvertrauter die fremde Person dem Kind ist. Höhepunkt des Fremdelns liegt
bei 24 Monaten.
Erklärungen
Kognitive Erklärung:
Das Kind kann die fremde Person nicht in ein eigenes Schema einordnen,
dies führt zu unangenehmen Gefühlen.
Behavioristische Erklärung:
Das Kind findet keine passende Verhaltensreaktion auf die fremde Person. Die Unterbrechung des normalen Verhaltens
führt zu unangenehmen Gefühlen.
Kontrollverlusterklärung:
Das Verhalten der fremden Person ist nicht vorhersagbar. Der Kontrollverlust führt zu unangenehmen Gefühlen.
12.3)
Beschreiben Sie den psychoanalytischen, lerntheoretischen und ethologischen Erklärungsansatz für die Bindungsentstehung!
Psychoanalytischer, lerntheoretischer und ethologischer Erklärungsansatz für die Bindungsentstehung
Psychoanalytische Erklärung:
Kleinkinder sind im frühen Alter in der oralen Phase. Demnach bindet sich das Kind an Personen, die orale Aktivitäten
ermöglichen. Dies ist meist die Mutter, da sie in der Regel das Füttern übernimmt. Eine besonders sichere Bindung
sollte demnach entstehen, wenn eine Mutter sich ruhig und ausgiebig den Fütterungsaktivitäten hingibt.
Lerntheoretische Erklärung:
Die Mutter füttert das Kind, wechselt Windeln und bietet Wärme. Als Folge wird die Mutter mit angenehmen Gefühlen
assoziiert und wird ein konditionierter Stimulus für angenehme Gefühle. Wenn die Mutter einmal diesen Status erreicht hat, wird das Kind ihre Nähe aufsuchen, um einen angenehmen Zustand und angenehme Gefühle zu erhalten
(ihre bloße Anwesenheit kann später aufgrund von Generalisierung ausreichen).
Ethologische Erklärung:
Alle höheren Individuen haben bestimmte angeborene Verhaltensweisen, die soziales Verhalten fördern (Ergebnis der
Evolution) und damit das Überleben des Einzelnen und der Art zu sichern.
Sowohl auf Seiten des Kindes als auch auf Seiten der Eltern gibt es weitgehend angeborene Tendenzen, auf bestimmte
Signale zu reagieren und dadurch eine Bindung herzustellen.
12.4)
Unterscheiden Sie Bindungsverhalten von Bindung und Bonding und beschreiben Sie das innere Arbeitsmodell
der Bindung!
Unterscheidung zwischen Bindungsverhalten und Bindung:
Bindungsverhalten bezieht sich auf Verhaltensweisen des Kindes, um die Nähe der Bezugspersonen zu sichern, während mit Bindung das emotionale Band zwischen Kind und Bezugsperson gemeint ist. Bindungsverhalten zeigt sich
dementsprechend früher als die Bindung seitens des Kindes. Es entwickeln sich vertraute Interaktionsmuster, die
schließlich in eine spezifische emotionale Beziehung zwischen dem Kind und seiner Bezugsperson münden.
Bonding:
Der Begriff „Bonding“ beschreibt die emotionale Bindung der Eltern an ihr Kind. Die Abgrenzung zu Bindung ist, dass
dies die emotionale Bindung des Kindes an seine Eltern darstellt. Beide Begriffe unterscheiden sich also aufgrund ihrer
Richtung. Dementsprechend kann also Bonding (in diesem Sinne definiert) schon deutlich früher auftreten als Bindung
(denn das Kind ist zunächst nicht auf eine emotionale Bindung aus).
Inneres Arbeitsmodell der Bindung:
Dies ist die kognitive Repräsentation der bisherigen Bindungserfahrungen. Es spielt auch im zukünftigen Leben eine
Rolle, da dadurch auch Erwartungen an soziale Beziehungen geprägt werden.
12.5)
Nennen und beschreiben Sie die Phasen der Bindungsentwicklung nach Bowlby!
Phasen der Bindungsentwicklung nach Bowlby:
1. Vorphase der Bindung (zwischen Geburt und 6 Wochen):
Bindungsverhalten bei jeder Person, Nutzen angeborener Signale, um Bedürfnisbefriedigung zu erreichen
2. Phase der entstehenden Bindung (zwischen 6 Wochen und 6-8 Monaten):
Zunehmend spezifische Reaktionen auf vertraute Personen, Entwicklung spezifischer Erwartungen an das Verhalten
der Bezugspersonen
3. Phase der ausgeprägten Bindung (zwischen 6-8 Monaten und 1,5-2 Jahren):
Entstehen der spezifischen Bindung (Aktive Kontaktaufnahme zur Bezugsperson, Unbehagen/Protest bei Trennung,
Fremdelreaktionen)
4. Phase reziproker Beziehungen (ab 1,5 bis 2 Jahren):
Entstehung eines inneren Arbeitsmodells zur Bindungsrepräsentation, Akzeptieren von Trennungssituationen
12.6)
Beschreiben Sie die antagonistische Beziehung zwischen Bindung und Explorationsverhalten!
Antagonistische Beziehung zwischen Bindung und Explorationsverhalten:
Ein Kind, das Bindungsverhalten zeigt und daher das Fürsorgeverhalten seiner Bezugspersonen auf sich lenken will, kann
nicht gleichzeitig die Umwelt erkunden.
Wenn jedoch kindliche Bedürfnisse nach Sicherheit und Nähe befriedigt sind, liegen gute Voraussetzungen dafür vor,
sich der Exploration der Umgebung widmen zu können.
12.7)
Beschreiben Sie das Prinzip des Fremde-Situations-Test, und welche Bindungsmuster damit differenziert
werden!
Prinzip des Fremde-Situations-Test und Bindungsmuster:
Zur Erhebung der Qualität der Bindung zwischen Kind und Bezugsperson wurde der Fremde-Situations-Test eingeführt.
Der Test wird typischerweise im Kindesalter von 12-18 Monate durchgeführt.
In der klassischen Version besteht der Test aus mehreren Episoden, in denen die Reaktion eines Kindes auf die Trennung von seiner Bezugsperson und die anschließende Wiedervereinigung beobachtet wird. Von besonderem Interesse
sind dabei die Trennungs- und Wiedervereinigungsphasen sowie die Interaktion des Kindes mit der fremden Person.
Es lassen sich dabei 4 charakteristische Bindungsmuster differenzieren:
- sichere Bindung
- unsicher-ambivalente Bindung
- unsicher-vermeidende Bindung
- desorganisiert-desorientierte Bindung
12.8)
Beschreiben Sie die 4 charakteristischen Bindungsmuster im Fremde-Situations-Test!
4 charakteristische Bindungsmuster des Fremde-Situations-Test:
Sichere Bindung:
- Vermissen der Bezugsperson in Trennungssituationen
- Fremde Person kann nicht vollständig trösten
- Freude bei der Wiedervereinigung
 wenn die verlässliche Bezugsperson den Raum verlässt, geht auch ein Stückchen Sicherheit
Unsicher-ambivalente Bindung:
- bei Trennung wütend bis aggressiv
- wütendes oder passives Verhalten, wenn mit der fremden Person alleine gelassen
- bei Wiedervereinigung keine Freude, sondern ambivalentes Verhalten
 Neigung, an die Bezugsperson zu klammern, da ambivalente Erfahrungen mit ihr gemacht wurden
Unsicher-vermeidende Bindung:
- bei Trennung kaum Reaktion (kaum Beunruhigung oder Kummer)
- bei der fremden Person ähnliches Verhalten wie bei der Bezugsperson
- Vermeiden von Nähe und Interaktion bei der Wiedervereinigung
 Es macht keinen Unterschied, ob die Bezugsperson präsent ist, da sie als unzuverlässig erlebt wurde
Desorganisiert-desorientierte Bindung:
- widersprüchliche Verhaltensweisen
- teilweise ungewöhnliche und bizarre Verhaltensweisen
- kaum einem anderen Bindungsmuster zuzuordnen
 möglicherweise liegen Misshandlungserfahrungen etc. vor
12.9)
Machen Sie Angaben zur Häufigkeit, Stabilität und kulturellen Unterschieden von Bindungsmustern!
Häufigkeit, Stabilität und kulturelle Unterschiede von Bindungsmustern:
60-70%: Sichere Bindung
15-20%: Unsicher-vermeidende Bindung
10-15%: Unsicher-ambivalente Bindung
5-10%: Desorganisiert-desorientierte Bindung
- unsichere Bindungen nicht überdramatisieren:
Kinder können auch zusätzlich sichere Bindungen zu andern Personen
entwickeln
Kulturelle Unterschiede:
- Westliche Industrienationen haben einen erhöhten Anteil sicherer Bindungen, sie fördern die Individualität und
Unabhängigkeit von Kindern
- Gesellschaften mit hohem Gemeinschaftsgefühl haben einen erhöhten Anteil unsicher-ambivalenter Bindungen,
 möglicherweise fördert Ambivalenz die emotionale Orientierung an der Bezugsperson
Stabilität:
- Studien zeigen, dass ca. 80% der Kinder ähnliche Bindungsmuster von der frühen Kindheit bis 6. Lebensjahr aufweisen
- Aber: Häufig Stichproben aus Mittelschichtfamilien, bei denen sich erfahrungsgemäß die Familienstrukturen nur
selten ändern…
12.10)
Beschreiben Sie das Q-Sort-Verfahren als Alternative zum Fremde-Situations-Test!
Q-Sort-Verfahren als Alternative zum Fremde-Situations-Test:
Am Fremde-Situations-Test wurde kritisiert, dass er zu einer relativ hohen Belastung bei den Kindern führt (vor allem in
den Trennungssituationen).
Vorgehensweise:
1. Nutzung eines Item-Sets (90 Items), die zuvor von Experten hinsichtlich des Ausmaßes eingeschätzt wurden, wie gut
sie sichere bzw. unsichere Bindung repräsentieren.
2. Verhaltensbeobachtung des Kindes und Einschätzung des Kindes mit dem Item-Set
3. Vergleich mit den Expertenbeurteilungen: Je häufiger Items zur Einschätzung des Kindes verwendet wurden, die
sichere Bindung repräsentieren, desto höher ist der Wert, den das Kind für Bindungssicherheit erhält
Die Einschätzung des Kindes mit dem Item-Set kann sowohl von Bezugsperson als auch durch Beobachter vorgenommen werden.
Wichtig:
Das Q-Sort-Verfahren kann wie der Fremde-Situations-Test auch bei älteren Kindern angewendet werden, dann sind
jedoch eventuell Anpassungen des Verfahrens notwendig!
12.11) Nennen Sie Vor- und Nachteile des Q-Sort-Verfahrens!
Vor- und Nachteile des Q-Sort-Verfahrens
Vorteile:
- Vermeidung der emotionalen Belastung auf Seiten des Kindes
- Ähnliche Ergebnisse wie beim Fremde-Situations-Test
- Möglichkeit, verschiedene Beurteilerperspektiven zu berücksichtigen (Beobachter, Bezugsperson etc.)
Nachteile:
- nur Differenzierung zwischen sicherer und unsicherer Bindung (keine Differenzierung in ambivalent/unsicher)
- keine Beobachtung des Verhaltens in Belastungssituationen
12.12)
Beschreiben Sie das Adult Attachement Interview und welche Bindungsmuster damit differenziert werden!
Adult Attachement Interview:
Das Adult Attachement Interview kann die Bindungsqualität auch retrospektiv erheben. Es werden Erinnerungen von
Erwachsenen an ihre Kindheitsbindungen erhoben (z.B. Erinnerung an Trennungssituationen, an Zurückweisungen etc.).
Es werden folgende Bindungsmuster unterschieden:
- Autonome bzw. sichere Bindung
- Abweisende Bindung
- Verstrickte Bindung
- Ungelöst-desorganisierte Bindung
Die abweisende Bindung entspricht in etwa der unsicher-vermeidenden Bindung.
Die verstrickte Bindung entspricht in etwa der unsicher-ambivalenten Bindung.
Die beiden anderen Bindungen entsprechen den bekannten Bindungsmustern.
12.13) Erklären Sie die Bedeutung früher Bindungserfahrungen!
Bedeutung früher Bindungserfahrungen:
- Bindungsmuster können transgenerational an die zukünftigen eigenen Kinder weitergegeben werden
- Beeinflussung zukünftiger soziale Beziehungen durch frühere Bindungserfahrungen im inneren Arbeitsmodell
- Beeinflussung zukünftiger kognitive Entwicklung durch höhere Explorationsbereitschaft bei sicherer Bindung
8.14)
Beschreiben Sie die Entwicklung der Spezialisierung von Gehirnarealen bzw. die Hirnlateralisation!
Entwicklung der Spezialisierung von Hirnarealen:
Bestimmte Hirnareale spezialisieren sich im Laufe der Entwicklung beispielsweise auf die Verarbeitung bestimmter
sensorischer oder motorischer Informationen (z.B. Wernicke-Areal auf Sprachverständnis, Broca-Areals auf Sprachproduktion).
Gerade am Anfang der Entwicklung ist die Plastizität des Gehirns noch relativ groß, daher können Schädigungen von
Hirnareals in frühen Entwicklungsstadien noch deutlich besser kompensiert werden als in späteren Entwicklungsstadien.
Entwicklung der Hirnlateralisation:
Eine derartige Funktionsteilung findet sich auch bei den beiden Hirnhälften.
a) linke Hirnhälfte: eher für sequenzielle Informationsverarbeitung (z.B. logisches Denken, Sprachverarbeitung)
b) rechte Hirnhälfte: eher für ganzheitliche Informationsverarbeitung (z.B. räumliches Denken, Musikalität).
Der Entwicklungsprozess der Hirnlateralisation ist im Verlauf des Vorschulalters weitgehend abgeschlossen.
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