Evidence Based Practice und Systematisierung in der Diagnostik

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SOMT
MAS
Implementierungsprojekt
J. Weitz, B. Boendermaker,
J. Witt, F. Clasemann,
W. Derks, Reto Grichtig
EVIDENCE BASED PRACTICE
UND SYSTEMATISIERUNG IN
DER DIAGNOSTIK BEI
SCHULTERBESCHWERDEN
EVIDENCE BASED PRACTICE UND SYSTEMATISIERUNG IN DER DIAGNOSTIK BEI
SCHULTERBESCHWERDEN
Einleitung
Das Ziel der Implementierung eines Core Sets für Schulterbeschwerden ist die
prozess- und planmässige Durchführung einer Untersuchung auf der Grundlage von
Evidence Based Practice (EBP) und dem International Classification and Function
Modell (ICF).
Dessen Anwendung bedeutet der Zusammenschluss von individueller klinischer
Expertise und einer auf systematischer Forschung basierenden externen Evidenzen.
Die Qualität des therapeutischen Handelns wird verbessert durch transparentere
klinische Entscheidungsprozesse, sowohl für die Klinimetrie als auch für die Wahl der
adäquaten, auf einer exakten Diagnose basierenden Intervention. Diese Prozesse
bekommen eine strukturierte Stelle im therapeutischen Handeln und in der
Organisation einer Praxis (Sackett et al.)
In unserem Core Set spielt das Rehabilitation Problem Solving (RPS) Formular eine
zentrale Rolle. Das RPS Formular basiert auf dem ICF Modell und beschreibt
einerseits Körperfunktionen und Strukturen, sowie Aktivitäten und Partizipation des
Patienten, anderseits aber auch persönliche- und Umweltfaktoren. Dieses Formular
wird gebraucht, um spezifische und relevante Problemen zu identifizieren und
verursachende oder die Pathologie unterhaltende Faktoren zu identifizieren (Steiner
et al., 2002). Auf diesen Eckpfeilern kann eine adäquate Therapieplanung erstellt
werden. Mittels RPS Formular kann zusätzlich die intra- und interprofessionelle
Kommunikation stimuliert werden, sowie der Austausch zwischen dem Therapeuten,
Arzt und Patienten verbessert werden. Das RPS Formular bietet erstmals eine
Möglichkeit fachintern und interdisziplinar zu kommunizieren und dokumentieren.
Anamnese und Inspektion formen zusammen die Grundlage für eine
Arbeitshypothese. Diese
Hypothese sollte durch den Einsatz von korrekten
klinischen Tests bestätigt werden.
Es existiert eine Fülle von klinischen Tests für die Untersuchung von Patienten mit
Schulterbeschwerden.
Obwohl ihr Einsatz bekannte Gütekriterien wie Validität, Sensitivität und Spezifität
voraussetzen müsste, verfügen einige Tests über ungenügende methodologische
und klinische Eigenschaften.
Vier wichtige Gütekriterien für die Qualität eines klinischen Tests sind seine
umfassende Beschreibung der Durchführung,
Reliabilität,
Validität und die
wissenschaftliche Untersuchung in einer repräsentativen Population (Offringa et al.,
2003, Koel, 2005). Das Ziel klinischer Tests kann formuliert werden bezüglich des
Erkennens eines anatomischen Substrats, um Pathologien auszuschliessen oder für
die Beschwerden verantwortlich Mechanismen zu finden.
In der Praxis wird mittels eines Screening-Tests (hohe Sensitivität / niedrige
Spezifität), das Vorliegen einer bestimmten Pathologie nachgewiesen. Danach wird
mit einem validierenden Test (hohe Sensitivität / hohe Spezifität) die Hypothese
bestätigt. Bei einem positiven Resultat, kann mit einem Mechanismustest, die
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SCHULTERBESCHWERDEN
Entstehungsweise der Beschwerden bestimmt werden. Ist das Resultat negativ,
muss die Hypothese revidiert werden. Diese hypothetisch-deduktive Methode erhöht
die Möglichkeit eine richtigen klinische Diagnose auf 75% (Koel G.,2008).
Die praxistaugliche Vorgehensweise innerhalb dieses Core Sets gibt einen
standardisierten Rahmen für die Untersuchung und Behandlung von Patienten mit
Schulterbeschwerden vor. Fragebögen wie Quick Dash, Fabqu, und Hads, ergänzen
die Klinische Arbeit und geben uns weitere relevante Informationen.
Wir hoffen mit unserer Core Set „Schulterbeschwerden“ einen wichtigen und
anwendbaren Schritt in die Richtung Apply Evidence to Patients gemacht zu haben.
Vorgehen:
Anamnese
Hypothese Diagnostik
Resultat Negativ
Screender Test
Neue Hypothese
Hoch Sensitiv (Ausschluss)
Valider Test hoch Sensitiv und Spezifisch
Bestätigung Hypothese
Spezifischer Test,
Differentialdiagnostik Einschluss anderer Pathologien
Provokationststest /Reduktionstest Ansatz Therapie
Mechanismusteste weitere Therapie Ansätze
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SCHULTERBESCHWERDEN
CORE SET:
Analyse
Selbstanalyse
Innerhalb der Gruppe gab es anfangs heftige Diskussionen über Sinn und Zweck von
Messinstrumenten und Verhaltensänderung im Rahmen einer Implementierung.
Nach längeren Diskussionen, Themenwahl, Erstellung des Core Sets, Literatursuche,
und Einarbeitung in die Materie wurde immer deutlicher wie wichtig und leider stark
vernachlässigt EBM in unseren Praxen ist.
Zu dieser Zeit wurde der Fragebogen Selbstanalyse von den vier
Gruppenteilnehmern durchgeführt und es war erstaunlich, dass im Durchschnitt ein
Wert bei Johannes von 4.2, Bart 4.3, Frank 4.0, Waldemar 4.1 und Jan 4.1 (Ich bin
einverstanden) mit den Messinstrumenten erreicht wurde.
Eine genaue Auswertung ist in der Tabelle 1 zu sehen.
Interessant ist, dass bei der Frage 23 („Die Anwendung von validen Schultertests ist
zum festen Bestandteil des Praxisalltages in unserer Praxis geworden.“) wir nur
einen Wert von durchschnittlich 2,8 erreicht haben.
Bei der Frage 22 („Ich habe Routine in der Anwendung von validen Schultertests.“)
welche ebenfalls die Stufe der Konsolidierung betrifft, konnten wir einen Wert von 3,6
erreichen.
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In der Stufe der Akzeptierung sind bei Frage 13 (“Ich bin der Meinung das mir
Schultertests mir nicht zu viel Zeit kosten.“), bei Frage 14 (“Patienten finden dass die
Verwendung von validen Schultertests ihnen nicht zu viel Zeit kostet.“), und bei Frage
15 (“Die Verwendung von validen Schultertests erlaubt mir die Wünsche meiner
Patienten mit einflechten zu können.“), geringere Werte zu registrieren 3,4 – 3,6.
Insgesamt können folgende durchschnittliche Werte verzeichnet werden:
Stufe Orientierung
Stufe Erkenntnis
Stufe Akzeptierung
Stufe Änderung
Stufe Konsolidierung
= 4,73
= 4,4
= 4,2
= 3,65
= 3,46
Anbei der Fragebogen zur Selbstanalyse:
Die Fragen sind jeweils zu bewerten mit:
1- Ich bin gar nicht einverstanden
2- Ich bin nicht einverstanden
3- Ich zweifele
4- Ich bin einverstanden
5- Ich bin völlig einverstanden
Stufe Orientierung
1- Ich bin interessiert an der Anwendung von validen Schultertests.
2- Ich weiss wo ich validen Schultertests finden kann.
3- Ich habe valide Schultertests zu meiner Verfügung.
Stufe Erkenntnis
4- Ich bin imstande valide Schultertests bei meinen Patienten an zu wenden.
5- Ich bin imstande valide Schultertests richtig zu interpretieren.
6- Die Verwendung von validen Schultertests erlaubt mir meine eigene Abwägungen
zu machen.
7- Ich bin der Meinung dass die Verwendung von validen Schultertests beiträgt zur
physiotherapeutischen Diagnose.
8- Ich bin der Meinung dass ein valider Schultertest zur Evaluierung einer
Behandlung beitragen kann.
9- Ich weiss wie ich valide Schultertests in dem physiotherapeutischen
methodischen Handeln anwenden kann.
Stufe Akzeptierung
10- Ich bin der Meinung dass die Verwendung von validen Schultertests beiträgt zur
Qualität der physiotherapeutischen Hilfeleistung.
11- Ich finde es wichtig Patientendaten fest zu legen anhand von validen Schultertests.
12- Ich bin der Meinung dass die Verwendung von valide Schultertests notwendig ist
beim physiotherapeutischen methodischen Handeln.
13- Ich bin der Meinung dass die Verwendung von valide Schultertests mir nicht zu
viel Zeit kostet.
14- Patienten finden dass die Verwendung von validen Schultertests ihn nicht zu viel
Zeit kostet.
15- Die Verwendung von validen Schultertests erlaubt mir die Wünsche meiner
Patienten mit einflechten zu können.
16- Ich stehe die Verwendung von validen Schultertests positiv gegenüber.
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Stufe Änderung
17- Ich verwende alltäglich valide Schultertests in meine Praxis.
18- Ich habe erfahren dass die Verwendung von validen Schultertests ein Mehrwert
hat für meine Praxis.
19- In meiner Praxis stehen genügend valide Schultertests zur Verfügung.
20- Patienten helfen mit bei der Anwendung von validen Schultertests.
Stufe Konsolidierung
21- Die Verwendung von validen Schultertests ist zu einem festen Teil meines
physiotherapeutischen methodischen Handelns geworden.
22- Ich habe Routine in die Anwendung von validen Schultertests.
23- Die Anwendung von validen Schultertests ist zum festen Bestandteil des Praxisalltages in
unserer Praxis geworden.
Tabelle 1
Fragen-Nr.
Johannes
Bart
Frank
Jan
Waldemar
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
Durchschnitt
vertikal
5
4
4
4
4
3
5
5
4
5
5
5
4
4
4
5
4
4
4
3
4
4
4
97/
4.2
5
5
5
5
4
4
5
5
5
5
5
5
3
3
4
5
4
4
5
4
4
3
3
100/
4.3
5
5
5
5
4
4
5
5
4
5
3
5
5
5
3
5
3
5
3
1
4
4
1
94/
4.0
5
5
5
4
4
4
5
5
5
5
5
5
2
3
3
5
3
4
4
4
4
3
3
95/
4.1
5
4
4
4
4
3
4
5
4
5
4
5
3
3
3
5
3
5
3
3
4
4
3
95/
4.1
Durchschnitt
horizontal
25/ 5
23/ 4.6
23/ 4.6
22/ 4.4
20/ 4
18/ 3.6
24/ 5
25/ 5
22/ 4.4
25/ 5
22/ 4.4
25/ 5
18/ 3.6
18/ 3.6
17/ 3.4
25/ 5
17/ 3.4
22/ 4.4
19/ 3,8
15/ 3
20/ 4
18/ 3.6
14/ 2.8
---- =Stufe Orientierung
---- = Stufe Erkenntnis
---- = Stufe Akzeptierung
---- = Stufe Änderung
---- = Stufe Konsolidierung
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Kontextanalyse
Praxis
Eine Kontextanalyse
durchgeführt:
wird
in
der
Regel
in
drei
Betrachtungsdimensionen
1. zeitlich: Was geschah vor dem Projekt? Wie sah unser Arbeiten vor dem
Projekt aus? Was soll nach der Beendigung des Projekts passieren? Wie sieht
unser Arbeiten nach dem Projekt aus?
2. sachlich: Welche sachlichen Einflussfaktoren, Rahmenbedingungen und
Trends sind für das Projekt von Bedeutung?
3. sozial: Welche Personen und/oder Personengruppen haben ein Interesse an
dem Projekt? Wer beeinflusst das Projekt oder wird von dem Projekt tangiert?
Da alle 9 Gruppenteilnehmer ausser zwei Therapeuten in unterschiedlichen Praxen
arbeiten, wurde die Kontextanalyse in den 3 Filialen von Physiotherapie 4Balance
vorgenommen.
In den Praxen arbeiten 9 Therapeuten und es wurde bisher ein mehr oder weniger
einheitliches System, was Schulterbeschwerden anging, genutzt. (Stenvers). Leider
ist dieses System wenig wissenschaftlich unterbaut und orientiert sich mehr an
biomechanischen Schultermechanismen (Mechanismus Tests), als an klarem
wissenschaftlichem Vorgehen. Eine ICF Einteilung ist nicht vorhanden und die
Dokumentation wurde jedem mehr oder weniger selbst überlassen. Jede
Systematisierung fehlt, da jeder aus seinem Manualtherapeutischen Konzept noch
gewisse Teile und Teste hinzufügte.
Es fehlt an einheitlicher Kommunikation und standardisierten Messparametern, wie
Fragebögen, klar dokumentierte Verlaufsparametern (Tests) und einer Struktur, um
die Schultererkrankungen zu klassifizieren und zu dokumentieren.
Oft wurde mehr über beitragende Faktoren und Mechanismen diskutiert, als über das
Krankheitsbild an sich. Diese oder ähnliche Situationen wurden in den Praxen der
anderen Projektteilnehmer genauso empfunden und bestätigt.
Umfeld (Physiotherapie in der CH- D)
Die Physiotherapie und Manuelle Therapie bei Schulterbeschwerden ist ausser in
wenigen Fachgruppen in der Deutschschweiz im Bereich Wissenschaft und EBM
noch nicht sehr fortgeschritten. Auch fehlen bisher Standards in Systematik von
Untersuchung und Dokumentation. Für die Dokumentation fehlt im
deutschsprachigen Raum jegliche Grundlage und Vereinheitlichung, es wurde bisher
nur in den NL gewisse Leitlinien für die Physiotherapeutische Dokumentation
definiert.
Seit 2006 wurde das Bologna System (Bachelor/ Master FH) eingeführt und langsam
ändert sich in der neuen Physiotherapeutengeneration die Denkweise.
Häufig wurde EBM eher aus anderen Ländern und von zugewanderten Therapeuten
importiert.
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Bisher traten eher einzelne hypothetische Konzepte/ Modelle in den Vordergrund und
weniger, was ist untersucht und ist aussagekräftig. Häufig waren das „try and error –
Prinzip“ und die „Sammelmethode“ die übliche Methode und jeder Therapeut
arbeitete eher isoliert.
Die Entwicklungsarbeit an einheitlichen Strukturen im Bereich Untersuchung und
Dokumentation könnten den ganzen Fachbereich Physiotherapie/Manuelle Therapie
in der Schweiz voran bringen. Dies würde den Stand der Physiotherapie, wie auch
anderer Berufsgruppen im Gesundheitswesen, bei der
Verhandlung mit
Kostenträgern und Interessensgruppen stärken.
Für Schulterbeschwerden gibt es leider in der Schweiz keine Richtlinien, vielleicht
könnte dieses Projekt ein erster Ansatz sein, um auf diesem Gebiet eine
Weiterentwicklung anzuregen.
Diskrepanz
Die Diskrepanz zwischen der von uns vorgestellten Implementierung des „Core Sets
Schulterbeschwerden“ und der normalen Arbeit in der Praxis ist relativ gross.
Es ist schwierig, einzelnen Therapeuten das gewohnte Behandlungskonzept
hinterfragen zu lassen und sie für neue gut unterbaute innovative Ideen zu gewinnen.
Verhaltensänderungen gehen langsam vor sich und sollten individuell angepasst
werden, damit keine Verunsicherung entsteht.
Eine Diskrepanz besteht nicht nur in dieser Hinsicht. Der Fragebogen hat uns
gezeigt, dass sich zwischen dem wissenschaftlichen Denken und dem
wissenschaftlichen Handeln eine Distanz befindet, die nicht in kürzester Zeit
überwunden werden kann. Kontinuierliches gegenseitiges anhalten zur
Weiterentwicklung, sowie eine respektvolle Kommunikation sind elementar für eine
Weiterentwicklung mit dem Ziel EBM.
Es fehlt auch hier an gesundheitspolitischen Reizen, die eine solche Veränderung
kontrolliert voran treiben könnten. Im Moment ist es Tatsache, dass ein
Physiotherapeut, der 20 Jahre keine Weiterbildungen besucht hat, den
Versicherungsträger die gleichen Kosten in Rechnung stellen kann wie ein
engagierter, reflektierter Physiotherapeut, der sein Gehalt in Weiterbildungen
investiert und seine Freizeit dem Studium widmet.
Eine weitere Diskrepanz ist, dass es im Praxisalltag immer wieder zu zeitlichen
Engpässen kommt. Um den Vorstellungen der Patienten gerecht zu werden und
trotzdem Fragebögen und Tests in vollem Umfang einzubeziehen, braucht es sehr
viel Routine und einen optimierten Praxisablauf, um wirtschaftlich zu bleiben. Dies
kann man nicht einfach umstellen oder anpassen.
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Strategie
Wahl der Implementierungsstrategie
Die Implementierung sollte am Anfang in den Praxen der einzelnen Projektteilnehmer
eingeführt werden. Hierzu sollten interne Fortbildungen stattfinden, um den
fachlichen Hintergrund bei den Angestellten zu gewährleisten. Grundlage sollte in der
Umsetzung der Strategie die Einfachheit, und ein auf jeden Therapeuten
zugeschnittenes Handling sein, damit dieser in einem vernünftigen zeitlichen
Rahmen das Core Set anwenden kann. Voraussetzungen dafür sind regelmässige
interne Weiterbildungen und individuelle Schulungen durch einen Coach über zwei
Monate. Nach erfolgreicher Einführung in den eigenen Praxen sollte das
Hauptaugenmerk auf das Umfeld einer jeden Praxis gelegt werden. Kommunikation
mit den zuweisenden Ärzten könnte über schriftliche/ elektronische Information und
weitergehend persönliche Präsentationstermine entstehen. Weiterbildungen in
Spitälern und Rehakliniken wären ebenso möglich, wie die Implementierung bei den
Regionalverbänden in den Weiterbildungskalender aufzunehmen. Bei grossem
Anklang könnte auch ein Nationaler Physiotherapie Kongress gewählt werden, um
noch ein grösseres Publikum zu erreichen.
Publiziert wird das Projekt erst auf den Internetseiten der entsprechenden Praxen,
später könnte auch eine Publikation in „Physioscience“ oder „Manuelle Therapie“
angestrebt werden (nach Präsentation und Auswertung im Frühjahr 2010).
Visionen, die aus solchen Projekten entstehen können, wären auch die Entwicklung
einer Dokumentationssoftware bei Schulterbeschwerden oder für den
Bewegungsapparat auf der Basis von EBM und ICF.
Kontext Strategie
Zeitlich sollte im Vergleich zu dem vorherigen Vorgehen in der Praxis ein Zeitgewinn
entstehen, der es möglich macht z. B. eine bessere Kommunikation und
praxisinterne Systematik zu fördern. Zwei Monate interne Schulung, ein Mal
wöchentlich eine Stunde, hat sich in unseren Praxen bewährt.
Sachlich wird die Qualität um ein Vielfaches verbessert, da nun Instrumente zum
Tragen kommen, die mit den Mitteln der EBM arbeiten und auf der Basis von ICF
aufgebaut sind, Verläufe werden messbar, Diagnosen exakt.
Sozial Die Therapeuten und Praxen entwickeln sich zu Experten in dem Bereich
Schulterbeschwerden und sind im Vergleich zu früher, fachkompetenter im Handling
mit Patienten, zuweisenden Ärzten und Kostenträgern, da eine bessere Diagnostik
von Schulterbeschwerden möglich ist.
Diskrepanz Strategie
Das Implementierungsthema soll einfach zu integrieren sein. Es sollten keine
grossen zusätzlichen Kosten oder mehr Zeitaufwand entstehen. Das Core Set sollte
aus bekannten und unterbauten Messinstrumenten bestehen. Wie schon in der
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Implementierungs Strategie erwähnt, steht erstmals die individuelle Schulung der
Therapeuten an erster Stelle, um die Diskrepanz von Wollen und Tun zu überwinden.
Jeder Projektleiter sollte genug Zeit einplanen bis die Diskrepanz in der Praxis
beseitigt ist. Häufiges Nutzen des Core Set führt zu Sicherheit und Routine.
Vorbereitende Massnahmen
Als das Thema für die Implementierung fest stand, wurde nach einem passenden
Core Set gesucht. Hier fand eine Literaturrecherche statt. Die Ergebnisse wurden
wiederholt im Internetchat diskutiert.
Um das Implementierungsprojekt in jeder Praxis durchführen zu können, bedarf es
gewisse Materialien: Kopien, Drucker, PC, Internetzugang, RPS-Formular als
Vordruck, DASH-Fragebogen, FABQ-Fragebogen.
Um die nötigen Schultertests einheitlich durchführen zu können, bedarf es einer
praktischen und theoretischen Abstimmung. Es wurde ein Lerngruppentreffen
veranstaltet. Hier wurden alle nötigen Tests durchgesprochen und praktisch geübt.
Zusätzlich hat sich die Gruppe auf die Literatur (Orthopedic – Physical Examination
Tests, Chad E. Cook, Eric J. Hegedus) als einheitliches Nachschlagewerk geeinigt.
Jeder Projektteilnehmer musste in seiner Praxis Patienten vorbestellen, die in die
Zielgruppe der Implementierung fielen, zwecks Fragebogen ausfüllen beim 1. und 8.
Termin.
Anwendung von Indikatoren
Das Core Set gibt für die drei grossen Gruppen bei Schulterbeschwerden,
Impingement,
Instabilität
(einfach
und
mehrfach)
und
bei
Rotatorenmanschettenläsionen eine genaue Testreihe vor. Bei anderen seltenen
Krankheitsbildern wie Frozen Shoulder, neurogene Beschwerden etc. gibt das Core
Set einen Raster vor, in dem der Untersucher seine Tests klassifizieren und einfügen
kann.
Der Patient muss vor der 1. Behandlung den Quick-Dash Fragebogen ausfüllen. Die
Anamnese wird mit Hilfe des RPS-Formulars dokumentiert. Die Informationen sind
nach den Richtlinien der ICD gegliedert. Die Schmerzeinschätzung des Patienten ist
in Form einer NRS-Zahl dokumentiert. Ebenso wird das Ergebnis des Quick-Dash Fragebogen protokolliert. Anhand der Informationen aus der Anamnese und einer
Inspektion wird eine hypothetische Diagnose aufgestellt. Die körperliche
Untersuchung ist, wie bereits beschrieben, gegliedert und sollte zur Bestätigung der
Hypothese führen. Wenn notwendig wird ein entsprechender Fragebogen noch
hinzugefügt, um personenbedingte Faktoren oder Yellow Flags auszuschliessen
(FABQ, HADS).
Die Anwendung des Core Sets wir bei der ersten, vierten und letzten Behandlung
durchgeführt, um auch Verlaufsparameter zu liefern. Die Dauer wird auf 4-5 Minuten,
je nach Hypothese, geschätzt.
Implementierungsprojekt | J. Weitz, B. Boendermaker, J. Witt, F. Clasemann, W. Derks, R. Grichtig
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1. Screenender Test mit hoher Sensitivität und niedriger Spezifität. (z.B. Hawkins
Kennedy Test)
2. Validierender Test mit hoher Sensitivität und hoher Spezifität. (z.B. IRRST –
Test)
3. Excludierender Test. (z.B. Sulcus – Sign)
4. Wird durch die Untersuchung 1.), 2.) und 3.) die Hypothese bestätigt, wird mit
der Untersuchung fortgefahren (siehe 5.), ansonsten muss eine neue
Hypothese gestellt werden, dient als Differential Diagnostik
5. Reduzierender oder Provozierender Test. (z.B. LAG – Test) dient als Hinweis
zum Behandlungsansatz.
6. Mechanismustest,
um
Aussagen
über
Funktionsstörungen
oder
Funktionsdefizite zu machen (z.B. Testserie nach Stenvers) dient als
Behandlungsansatz.
7. Diagnose wird gestellt, bzw. Hypothese wird bestätigt.
Genaue klinimetrische Werte zu dem Vorgehen und den Tests sind in der Literatur
aufgeführt.
Indikatoren Anwendung bei 8 Patienten (Probelauf Juni 2009)
1.
Therapie
einheit
4.
Therapie
einheit
9.
Therapie
einheit
n
Hypothese
aus der
Anamnese
Positive
Funktions-teste
Diagnose
NRS
Quick
Dash
NRS
bei
Quick
Dash
NRS
Quick
Dash
n1
IP
HK, IRRST
IP
5
35
5
30
4
25
IP
HK, IRRST
IP
7
50
6
40
5
30
n3
IP
IRRST
IP
5
45
4
30
5
40
n4
IP
HK, IRRST
IP
4
20
2
14.5
1
6
n2
Implementierungsprojekt | J. Weitz, B. Boendermaker, J. Witt, F. Clasemann, W. Derks, R. Grichtig
11
EVIDENCE BASED PRACTICE UND SYSTEMATISIERUNG IN DER DIAGNOSTIK BEI
SCHULTERBESCHWERDEN
n5
n6
n7
n8
IP
HK, LAG
IP
8
60
Fabq
50
8
70
FBQ
50
7
60
FBQ
50
IP
HK, AP, RL, RL
INST
2
43
2
39
2
35
INST
AP, RL, RL, SLS
INST
7
80
Hads
5
7
75
Hads
5
6
71.5
Hads
5
IP INST
HK IRRST
IP, INST
6
27.5
5
15
4
9.5
Zeitplan
November 2008
Gruppenfindung
Implementierungsthema wurde ausgewählt
Kommunikationswege (Skype) und -termine wurden festgelegt
Literaturrecherche zur Auswahl des Core Sets
erste Erprobungsphase des vorhandenen Core Sets
Januar 2009
Konkrete Formulierung der Implementierung (Anregung dafür aus dem Artikel von
G.Koel, „Klinische test bij schouderaandoeningen: zin, onzin en timing“),
Fragebögen und Messinstrumenten bezüglich Zeitaufwand und Praktikabilität
hinterfragen
Start der zweiten Erprobungsphase mit neuem Design bei 10 Patienten.
März 2009
Lerngruppentreffen zum praktischen und theoretischen Abgleich des Core Sets
Ab dem 1.März 2009: Start der Implementierungsarbeit in seiner endgültigen
Version.
Einführung in den 3 Praxen von 4 Balance, Physiotherapie Meilen, und
Physiotherapie Thalwil mit der oben genannten Strategie.
September 2009
Erste Korrektur der Schreibarbeiten bezügl. Implementierungsplan (Einleitung,
Analyse, Strategie)
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SCHULTERBESCHWERDEN
Es wurde in den 5 Praxen bisher 50 Patenten mit dem Core Set behandelt und die
Resonanz war äusserst positiv.
Dezember 2009
Schriftliche Dokumentation der Implementierung abschliessen,
ggf.Endkontrolle
Präsentation der Implementierung vorbereiten
Publikation eigene Homepage und Präsentation bei Ärzten
März 2009
Präsentation Implementierung vor Kollegen
Nachfolgend gegebenenfalls Publikationen und Kongresse
Literatur
Koel, G. Dictaat cursus Schouder basis. Enschede: Saxion Hogeschool; 2005
Koel, G. Nederlands Tijdschrift voor Fysiotherapie, 2008;118(6)
Orthopedic – Physical Examination Tests, Chad E. Cook, Eric J. Hegedus
RPS Formular Da Standardisierung und Systematisierung in der Rehabilitation immer wichtiger
werden, wurde das RPS Formular verwendet, da es auf der ICF aufbaut.
Steiner WA, Ryser L, Huber E, Uebelhart A, Aeschlimann A, Stucki G. Use of the ICF Model as a
Clinical Problem-Solving Tool in Physical Therapy and Rehabilitation Medicine. Physical Therapy .
November 2002.
NRS Die Schmerzintensität wird mit der NRS wiedergegeben, da sie die beste Reabilität besitzt und
einsetzbar ist für Verlauf und Prognose
Ferraz, et al. Rel with rheumatoid iability of Pain scales in the Assesment of literat and iliterate
patients arthritis. J Rheumatol. 1990, S. 17(8):1022-4. Manuelletherapie. 2007, Bd. 11, S. 17-23.
Oesch Peter, Roger Hilfiker, Sonja Keller, Jan Kool, Stefan Schädler, Amir Tai-Akabi, Martin Verra,
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Quick DASH wurde verwendet um den Verlauf und die Beschwerden im Alltag zu evaluieren.
Beaton, D. E., J. N. Katz, et al. (2001). "Measuring the whole or the parts? Validity, reliability, and
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Christina Gummesson Michael M. Ward and Isam Atroshi 2006
The shortened disabilities of the arm, shoulder and hand
questionnaire (QuickDASH): validity and reliability based on
responses within the full-length DAS
Der FABQ D Fragebogen wurde eingesetzt, um Bewegungsangst und weitere persönliche Faktoren
(YF) zu klassifizieren
Staerkle R, Mannion AF, Elfering A et al. Fear Avoidance Beliefs Questionnaire – Deutsche Version
(FABQ-D). Eur Spine J. 2004, S. 13:332-40.
HADS: Hospitaly Anxiety Depression Scale, Einsatz bei Persönlichen Faktoren (YF) und Psychischen
Dispositionen. Authors: Johnston, M.: Wright, S.; Weinman J.
Implementierungsprojekt | J. Weitz, B. Boendermaker, J. Witt, F. Clasemann, W. Derks, R. Grichtig
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EVIDENCE BASED PRACTICE UND SYSTEMATISIERUNG IN DER DIAGNOSTIK BEI
SCHULTERBESCHWERDEN
Hawkins- Kennedy Test (98 Sensitiv) (Spezifizität 25) Quadas 8Screender Test für Impingment
Diagnostic Accuracy of Clinical Tests for the Different Degrees of Subacromial Impingement... Park
et al. J Bone Joint Surg Am.2005; 87: 1446-1455
Mac Donald, P.B., Clark, P., Sutherland, K. An analysis of the diagnostic accuracy of the Hawkins
and Neer subacromiale impingement signs. J. Shoulder Elbow Surg. 924 (2000) 299
IRRST Validierender Test mit einer 88 Sensitivität und 96 Spezifizität Quadas 8
Zaslav KR. Internal rotation resistance strength test: a newdiagnostic test to differentiate intraarticular
pathology from outlet (Neer) impingement syndrome in the shoulder. J Shoulder Elbow Surg 2001;
10: 23–27.
LAG Test Spezifität 96 Sensivität 97 Quadas 8
ItoiE, Kido T, Sano A, et al. Which is more useful, the “full can test” or the “empty can test,” in
detecting the torn supraspinatus tendon? Am J Sports Med 1999; 27: 65–68
SAT Test: Scapula Assistance Test
Kibler,W.B.and J. McMullin. Scapula dyskinesis and relation to shoulder pain.J Am Acad Orthop
Surg,2003. 11(2):p.142-151.
Sulcus Sign Test
(93% Specificity; Quadas Score 10)
Nakagawa S, Yoneda M, Haysahida K, Obata M, Fukushima S, Miyazaki Y. Forced shoulder
abduction and elbow flexion test: a new simple clinical test to detect superior labral injury in the
throwing shoulder. Arthroscopy. 2005; 21:1290-1295
Apprehension / Relocation Test/ Release Test
(54% Sensitivity 44% Specificity; Quadas Score 9)
Speer KB, Hannafin JA, Altcheck DW, Warren RF. An evaluation of the shoulder relocation test. Am
J Sports Med. 1994; 22:177-183
ULTT Upper Limb Tension Tests (Sensitiv für Radiculopathie)
David S. Buttler Mobilisation des Nervensystems
1998 Springer Berlin New York
ULTT 1-3 (Butler 1991)
ULTT 2a (N.medianus) Intratester-Reliabilität ICC=0.7; p < 0.05 (Tal-Akabi &
Rushton 200)
ULTT1 (N.Medianus-"onset of pain" Intratester ICC = 0.98 , Intertester r =
0.86-0.96 (Coppieters 2001)
ULTT1 wird zuverlässig zur Ausschliessung einer zervikalen Radikulopathie
beschrieben von (Wainner et al. 2003)
Validität ULTT wird nicht beschrieben.
Responsivität ULTT wird nicht beschrieben.
Literatur Coppieters M. Occurance of "onset of pain" and "submaximal pain"
throughout the range of motion during neurodynamic tests. Leuven: Katholieke
Universiteit; 2001. 24-36 p.
Quelle: Assessmaents in der muskuloskelettalen Rehabilitation
Stenver Mechanismustests
De schouder, een keten van botstukken. [Der Schulter: eine Bewegungskette Ned
Tijdschr für Physiotherapie; 1982; 92 1 P 2-3
Implementierungsprojekt | J. Weitz, B. Boendermaker, J. Witt, F. Clasemann, W. Derks, R. Grichtig
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