postMasunaga Shiatsu – Muster erkennen und

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postMasunaga Shiatsu – Muster erkennen und transformieren
Luzern, 18. Dezember 2012 – Es sind Beschwerden und Symptome, die die Leute ins Shiatsu
bringen, und es ist die ganzheitliche Prozessarbeit, die die Leute fürs Shiatsu begeistert.
Diese Prozessarbeit lässt sich weiter professionalisieren. Wie Shiatsu auf höchst
professionelle Weise sogar zur Persönlichkeitsentwicklung beiträgt, das sagt Peter Itin,
Autor von Shiatsu als Therapie, im Interview.
Wie bildet sich Persönlichkeit? Mit welchen Strategien gehen wir durch die Welt? Wie können ShiatsuTherapeutInnen helfen, wenn sich diese Strategien nicht mehr bewähren?
Peter, du scheinst mir ja ein sehr ruhiger, bedächtiger Mensch zu sein. Und doch: Tessin,
Berlin, Luzern, Basel, immer unterwegs, und das mit dem Motorrad: Steckt da nicht eine
gehörige Portion Ruhelosigkeit in dir?
Peter Itin: Vielleicht ist es das Sternzeichen, Zwilling. Ich bin ein fürchterlich neugieriger,
vielseitig interessierter und talentierter Mensch und muss in der Tat ganz bewusst schauen,
wie ich all meine verschiedenen Teile in meinem Leben und in einem Tag gut unter einen
Hut bekomme. Ich nehme aber nicht Rastlosigkeit wahr, sondern sehr viel Lebenskraft, die
sich ausdrücken will.
Dieses bewusste Schauen, was man unter einen Hut bekommt, und dieses In-sich-hineinSchauen, ob sich da Rastlosigkeit oder Lebenskraft ausdrückt, scheint mir etwas mit dem
Thema deiner Nachdiplom-Ausbildung zu tun zu haben, der Persönlichkeitsentwicklung?
Ja, die innere Selbstwahrnehmung wird zu einem zentralen Instrument der ShiatsuTherapeutin. Wir «Westler» sind in den klassischen fünf Wahrnehmungs-Sinnen geschult,
also im Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten. Und auch da sind wir tendenziell zu
fokussiert – das Unterscheidende erkennend, jedoch das ganzheitlich Verbindende
übersehend. Der sechste und siebte Wahrnehmungs-Sinn wird jedoch nicht kultiviert: der
Geist, der in den eigenen Körper eintaucht und die inneren Empfindungen und Gefühle
wahrnimmt, und der Organismus als Ganzes, der mit dem Gegenüber in Resonanz geht und
spürt, was der oder die andere spürt und fühlt. Wenn ich mich «leer mache» und öffne, geht
mein Organismus mit dem tieferen Bedürfnis der KlientIn in Resonanz. Meine Hände
arbeiten dann intuitiv richtig, ohne dass ich in der Behandlung je in ein Zweifeln oder
Nachdenken komme. Diese erweiterte Art von Wahrnehmung braucht Schulung und
Erfahrung gleichermassen.
Muss ich als Shiatsu-Therapeut also zuerst meine eigenen inneren Empfindungen
wahrnehmen? Was bringt das meinen KlientInnen?
Ein Zuerst gibt es nicht, auch keine Reihenfolge – alles geschieht gleichzeitig. Wahrnehmen,
Behandeln und Interpretieren der Reaktionen sind ein ungetrenntes Eins: Aus Infoaufnahme,
Bearbeitung und Evaluation wird eine einzige Einheit. Die Behandlung wird zum «Flow». Ich
behandle nicht Symptome, die Behandlung geht darüber hinaus: Ich gehe mit dem
Wesenskern des Menschen in Resonanz und unterstütze ihn als Ganzes – in seiner
körperlichen, emotionalen und seelischen Situation. Die Wirkung ist damit sehr tiefgehend.
Es kann z.B. sein, dass sich eine bisher unterdrückte Trauer endlich zeigen darf. Diese Woche
berichtete mir eine Klientin, dass sie nach meiner Behandlung weinen musste, und dass
dieses Weinen heilend und befreiend war.
Kannst du deinen Kopf immer einfach so abstellen, dass du diesen Flow erreichst, also
diese Gleichzeitig im Wahrnehmen, Behandeln und Interpretieren?
Nobody is perfect. Indem ich mich bemühe, während der ganzen Behandlung hindurch im
Moment zu sein, also vollkommen präsent und achtsam, nehme ich auch wahr, ob ich
plötzlich ins Tun und Wollen komme oder ob meine Gedanken gar woanders hin
abschweifen. Mein Kopf ist zwar nicht leer, er ist bloss nicht dominant, nicht fortlaufend
planend. Mein Geist registriert aber ununterbrochen, welche Empfindungen, Gefühle,
Gedanken und Bilder in mir hochkommen. So kann es z.B. geschehen, dass ich plötzlich das
Bild von einem kleinen Mädchen erhalte, das über eine Wiese hüpft, und ich verbinde mich
mit spielerischer Lebensfreude und arbeite eher expansiv, schnell und luftig. Oder ich
erhalte das Bild von einem weinenden Baby, das getröstet werden will, und ich arbeite eher
sammelnd und zentrierend, langsam, wärmend, nährend.
Inwiefern erlerne ich diese Fähigkeit, sozusagen im flow Shiatsu zu geben, in deiner
Nachdiplom-Ausbildung postMasunaga Shiatsu?
Ich unterrichte Wissen, Fertigkeiten und innere Ausrichtung, also die Zutaten zum Menü,
und biete zielgerichtete Übungen an. Das Verinnerlichen findet aber in der eigenen Praxis
statt, und dieses Vorgehen hat sich sehr gut bewährt. Professionalität entfaltet sich nämlich
nur als Ergebnis eines Entwicklungsprozesses. Deshalb habe ich das Modell gewählt, dass wir
einmal pro Monat einen Kurstag zusammen sind. Jedesmal werden neue Ingredienzen
angeschaut, die das professionelle Arbeiten mit Shiatsu bereichern. Zwischen den Kurstagen
integrieren die Teilnehmenden diese Ingredienzen in die eigene Praxis, sodass diese Praxis
um eine nächste Dimension erweitert wird. Der eigene Professionalisierungsprozess verläuft
schneller, effizienter und zielorientierter, wenn man eine erfahrene Person hat, die einem
über eine längere Zeitphase gute Leitplanken legt. Da die Gruppen eher klein sind, kann ich
die einzelnen Personen beobachten und auch individuell begleiten und anleiten. Ich selbst
habe diese Art von Erfahrung in meiner eigenen Entwicklung durchlaufen dürfen. Weil ich
diese Form der Fortbildung für mich selbst als so wertvoll erlebt habe, gebe ich sie nun
gerne weiter.
Was ist deine Erfahrung: Merken deine KlientInnen, ob du im flow behandelst?
Was meine KlientInnen merken ist, dass die Arbeit leicht, spielerisch, fliessend und natürlich
erfolgt. Sie merken, dass die Berührung keine oberflächliche und rein physische ist, sondern
sie tief bewegt, die Berührung löst innerlich etwas aus. Manche können dann auch
beschreiben, dass sie während der Behandlung Farben oder Bilder sehen, oder dass sie sich
nach der Behandlung leicht und weit fühlen, als ob etwas von ihnen abgefallen wäre. Oder
dass sie sich sehr ruhig und sehr lebendig gleichzeitig fühlen. Und sie sagen mir, dass sie sich
nicht mehr vorstellen könnten, anders behandelt oder «massiert» zu werden. Also Warnung:
Es besteht Suchtgefahr!
Und deine Klientin, die nach deinem Shiatsu zu diesem befreienden Weinen gekommen
ist. Ist das schon ein erster Schritt in Richtung Persönlichkeitsentwicklung?
Oh ja. Lange Unterdrücktes löst sich und gelangt endlich an die Oberfläche. Dass dies
möglich ist, hängt damit zusammen, dass ich die Person als Ganzes behandle. Ich nehme in
der Behandlung auch Bezug zum «inneren Kind» und seinen Bedürfnissen. Wesentliche
Elemente unserer Persönlichkeit prägen sich bekanntlich in den ersten sieben Lebensjahren.
Wir entwickeln als Kleinkind Strategien, um unser Herz gegen seelische Verletzungen zu
schützen, es gibt eine Vielzahl typischer «Schutz-Stile». Die diesbezüglichen Erkenntnisse der
chinesischen Medizin und der westlichen Körperpsychotherapie ergänzen sich gut. Man
kann mithilfe dieser Erkenntnisse typische Schutz-Stile erkennen, und dies sowohl auf der
Verhaltensebene wie auch in der energetischen Ausprägung, und dann kann man mit den
tiefsten Bedürfnissen in Kontakt treten. Wenn sich Altes, Verhärtetes, Abgespaltenes,
Eingekapseltes, Tabuisiertes im Shiatsu löst, wird Lebensenergie frei. Wenn die KlientIn das
ursächliche Muster erkennt, kann es transformiert werden. Man kann es anschauen und
damit umgehen. Geh an die Orte, die du fürchtest, ist die Devise. Wir können die KlientInnen
liebevoll darin unterstützen und ihnen Mut machen.
Ein wichtiger Teil deiner Nachdiplom-Ausbildung postMasunaga Shiatsu sind
Gesprächstechniken. Das führt zur Frage: Wie weit können Shiatsu-TherapeutInnen ihren
KlientInnen selber durch solche Gesprächstechniken helfen, ihre
Persönlichkeitsentwicklung weiterzuentwickeln?
Wenn ich frage: «Wie geht es Ihnen?», und als Antwort «Es geht» erhalte, dann ist der
Erkenntniswert für beide, KlientIn und TherapeutIn, gegen Null. Es findet kein therapeutisch
relevanter Prozess statt. Nun gibt es verschiedene Gesprächs-Tools, um einen Prozess in
Gang zu bringen, z.B. Skalierungstechniken, offene Fragen, aktives Zuhören und so weiter.
Ich muss aber auch wissen, wohin ich mit dem Gespräch will, was der Sinn und Zweck und
der Nutzeffekt des Gesprächs sein soll. Dazu muss ich eine innere Landkarte haben, auf der
ich navigiere. Die menschlichen Denk- und Kommunikationsstile und Verhaltensweisen
unterliegen zu 90% automatischen, verinnerlichten Mustern. Das therapeutische Gespräch
soll helfen, Muster zu erkennen, welche Gesundheit und Wohlbefinden schädigen, und neue
ressourcierende Wege zu beschreiten. Damit leistet das Gespräch zwischen ShiatsuTherapeutIn und KlientIn gleichzeitig einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung.
Wo liegt Deiner Meinung nach die Grenze zwischen Komplementär- und
Psychotherapie?Und wann ist der Punkt erreicht, an dem KlientInnen weiterverwiesen
werden?
Die Grenzen zwischen Berufen sind immer fliessend und nicht trennscharf. Sie sind auch
abhängig von den persönlichen Erfahrungen und Kompetenzen. Menschen mit krankhaften
Persönlichkeitsstörungen benötigen Psychotherapie. Wir können sie ergänzend dazu in
einem interprofessionellen Verbund mit Shiatsu sehr gut unterstützen. Wir müssen uns
jedoch bewusst sein, dass wir selbst keine PsychotherapeutInnen sind. Diese Grenzen
müssen wir erkennen und respektieren. So habe ich gerade diese Woche einen Klienten an
Ina Hullmann verwiesen, eine mir bekannte Psychologin, die ebenfalls an der
Heilpraktikerschule Luzern unterrichtet, weil ich überzeugt bin, dass er ihre Unterstützung
für die anstehenden nächsten Schritte benötigt.
Eine völlig andere Frage: Du bist stark involviert in den Prozess der Entwicklung der HFP
(Höheren Fachprüfung) im Zusammenhang mit dem neuen Berufsbild der
KomplementärTherapie KT. Inwiefern kann mir eine Teilnahme an der NachdiplomAusbildung postMasunaga Shiatsu hinsichtlich der HFP nützlich sein?
Der eidgenössisch anerkannte Berufsabschluss wird die Zukunft prägen. Er baut auf dem KTKompetenzenprofil auf, das im Berufsbild KT formuliert ist, siehe www.komplementaer.org.
Die dort formulierten Kernkompetenzen und Grundlagen der KT liegen der NachdiplomAusbildung zugrunde. Wer diesen Kurs absolviert, wird im "Verinnerlichen" der KTKompetenzen geschult und ist somit optimal für das zukünftige Gleichwertigkeitsverfahren
zur Erreichung des Branchenzertifikats und der HFP vorbereitet.
Danke, Peter, für das Gespräch.
Peter Itin
Lic. rer. pol., Shiatsu-Therapeut, Autor von Shiatsu als Therapie (2006). Weiterbildungen:
Shiatsu bei Pauline Sasaki und Cliff Andrews, Somatic Experiencing (Trauma-Therapie) bei
Peter Levine, Core Process Psychotherapy bei Maura Sills, Taiqi Quan bei Grossmeister Chen
Xiao Wang, Achtsamkeit bei Thich Nhat Hanh. Peter Itin ist seit 1996 für die Shiatsu
Gesellschaft Schweiz tätig und hatte dabei verschiedene Funktionen inne. Er ist Mitinitiant
und derzeit Co-Projektleiter für den Eidg. Berufsabschluss in KomplementärTherapie.
Das sagt Peter Itin über sich: «In meinem ersten Leben war ich als Mitinhaber einer
renommierten interdisziplinären Beratungs- und Forschungsfirma tätig gewesen. Auf Shiatsu
stiess ich, als mein stressiges Leben immer mehr auch Anzeichen von Burnout zeigte. Shiatsu
wurde mir in dieser Zeit zu einer wertvollen Unterstützung. Gleichzeitig reifte auch die
Entscheidung, mich voll auf Shiatsu einzulassen, also gewissen Dingen den Rücken zu kehren
und Shiatsu als meinen neuen Beruf zu verstehen. Shiatsu hat viele Aspekte, die mich
begeistern und überzeugen. Im Vordergrund steht die Berührung, und diese Berührung ist
jedesmal auch ein Selber-Berührt-Werden, eine Begegnung, die tief und persönlich ist. Mit
zunehmender Berufserfahrung merke ich, wie meine energetische Wahrnehmung immer
differenzierter wird. Doch nicht nur die Behandlung selbst, auch die gezielte
Gesprächsführung ist für eine professionelle Therapie wesentlich. Shiatsu fördert und
fordert mich als ganze Person und ist die Inspirationsquelle meiner persönlichen und
beruflichen Weiterentwicklung.»
» Nachdiplom-Ausbildung postMasunaga Shiatsu mit Peter Itin
» Was ist Shiatsu? Impulsreferat von Peter Itin am Grossen KT-Tag 2010 der
Heilpraktikerschule Luzern (youtube)
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