Lesemotivation im DaF-Unterricht G.M.B. Koning Volendam, August

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Lesemotivation im
DaF-Unterricht
G.M.B. Koning
Volendam, August 2014
Lesemotivation im DaF-Unterricht
G.M.B. Koning
Studentnummer: 10142347
20 EC-Punkte
Abgabedatum: 06.08.14
Examendatum: 26.08.14
Erstgutachterin: assoc. prof. dr. C.M.H.H. Dauven-van Knippenberg
Zweitgutachterin: assis. prof. dr. E. Huwiler
Masterarbeit ‘Literature and Culture‘ Letterkunde Duits
Fakultät der Geisteswissenschaften
Inhaltsangabe
Einleitung
3
1. Fertigkeit Lesen
11
1.1 Vorkenntnisse
13
1.2 Lesen in einer Fremdsprache
15
1.3 Lesestrategien
17
1.4 Leseziele und Lesestile
17
2. Lesemotivation & Lesekompetenz
20
2.1 Lesekompetenz
22
2.2 Lesemotivation
23
2.3 Zusammenhang zwischen Lesemotivation und
Lesekompetenz
26
2.4 Ursachen der Lesemotivationsprobleme
28
2.5 Förderung der Lesemotivation
29
3. Literatur im DaF-Unterricht
32
3.1 Was ist Literatur?
32
3.2 Die Position von Literatur im DaF-Unterricht
33
3.3 Wozu Literatur im DaF-Unterricht?
43
4. Literaturunterricht Deutsch in den Niederlanden
51
4.1 Die historische Entwicklung des Literaturunterrichts
in den Niederlanden
51
4.2 Literaturunterricht im heutigen Zeitbild
55
4.3 Probleme des Literaturunterrichts
57
4.4 Empfehlungen und Hinweise zum Lehrplan
59
5. Literaturvermittlung
67
5.1 Auswahlkriterien
67
5.2 Ausgangslage und Vorbereitung
73
5.3 Die Rolle des fremdsprachlichen
literarischen Entwicklungsprozesses
79
5.4 Verfahrensweise der Textarbeit
81
6. Schluss
96
Literaturverzeichnis
100
Erklärung
108
Einleitung
Ich war fünfzehn Jahre alt, und in der vierten Klasse havo
(Realschule), als ich für das Fach Deutsch mein erstes literarisches
Werk lesen musste. Ich war keine passioniertere Leserin und wählte,
wie viele meiner Mitschüler, das dünnste Buch: Kleider machen
Leute von Gottfried Keller. Ich dachte, dass die 71 Seiten mir leicht
fallen würden und weil ich das Fach und die deutsche Sprache toll
fand, wollte ich mein Bestes tun, um dieses Buch zu Ende zu lesen
und zu verstehen. Mit einiger Hilfe gelang es mir schon den roten
Faden der Geschichte herauszufinden, aber am Ende gab es
inhaltlich noch viele Lücken. Dazu fehlte mir vor allem die
erforderliche literarische Kompetenz und ein historischer Kontext.
Nach dieser ersten negativen literarischen Erfahrung blieb vor allem
die folgende Frage haften: Was soll ich denn damit? Vor kurzem
wurde mir deutlich, dass diese Erfahrung als Literaturschock
bezeichnet wird.1 Wahrscheinlich war ich auf literarischem und
intellektuellem Gebiet zu unerfahren und zu unmotiviert, um die
Geschichte richtig zu verstehen. Auch wusste ich nicht, was das
Lesen eines literarischen Werkes mir bringen würde. Wozu sollte ich
das alles lesen, wenn ich den Sinn der Geschichte doch nicht
herauskristallisieren konnte?
Als Deutschlehrerin weiß ich jetzt mehr über die Rolle des Lesens im
Fremdsprachenunterricht. Beim Erlernen einer Fremdsprache gibt es
vier Fertigkeiten, die zu erwerben sind: Lesen, Hören, Schreiben und
Sprechen. Bei der Fertigkeit Lesen denkt man an das Verstehen von
Wörtern und Sätzen, um einem Text Informationen zu entnehmen.
Das Lesen im Fremdsprachenunterricht umfasst jedoch mehr als nur
das Lesen und Verstehen von Zeitungen, Zeitschriften, Infoschildern,
Reiseführern, Briefe, E-Mails, SMS, Gedichte, Kurztexte, Romane,
usw. Lesen ist mehr. Neben dem Spracherwerb ist die Vermittlung
von Landeskunde ein weiteres wichtiges Ziel. Durch das Lesen lernt
1
Jürgen Koppensteiner: Literatur im DaF-Unterricht. Eine Einführung in produktivkreative Techniken. Wien: öbv & hpt Verlag 2001, S.12.
3
man das Zielsprachenland und seine Kultur besser kennen.
Außerdem sollte das Lesen von Literatur auch die allgemeine
literarische
und die persönliche Entwicklung des
Schülers
voranbringen. Der Schüler soll seine literarische Kompetenz
vergrößern und mittels der Literatur seinen Erfahrungshorizont
erweitern. Das Lesen von Literatur im Fremdsprachenunterricht ist
aber auch Teil eines allgemeineren, höheren Zieles, nämlich das
Lesen an sich, egal was und in welcher Sprache (Muttersprache oder
Fremdsprache).
In
unserer
Gesellschaft
und
in
unserem
Bildungswesen wird viel Wert gelegt auf die Lesekompetenz von
Schülern. Die Lesekompetenz ist laut McElvany et al. „eine der
wichtigsten
Voraussetzungen
für
schulischen
und
beruflichen
Erfolg.“2 Die verschiedenen Untersuchungen von PISA (Programme
for International Student Assessment), bei denen unter anderem die
Lesekompetenz von 15-jährigen Schülern aus einigen dutzenden
Ländern alle drei Jahren mit einander verglichen werden, zeigen
diesen hohen Stellenwert.3 Es ist für unsere Gesellschaft also sehr
wichtig, dass unsere Schüler eine große Lesekompetenz haben oder
bekommen.
Deswegen
wird
im
Sekundarunterricht
das
innenschulische und außerschulische Lesen bei Schülern gefördert.
Die Jugend von heute lebt aber in einer Mediengesellschaft, in der
sie in maximal 140 Zeichen mit einander kommunizieren. Wozu
sollten sie zum Spaß (Bücher) lesen, wenn sie sich mit Film, TV,
Internet, Social Media, usw. vergnügen können? Viele, nicht nur
niederländische Schüler sind also nicht zum Lesen motiviert. Aus der
PISA-Untersuchung von 2009 stellte sich heraus, dass 49% der
2
Nele McElvany, Marthe Kortenbruck, Michael Becker: Lesekompetenz und
Lesemotivation. Entwicklung und Mediation des Zusammenhangs durch
Leseverhalten. In: Zeitschrift für pädagogische Psychologie 22 (2008), H. 34, S. 207-219, S. 207.
3 Eckhard Klieme, Cordula Artelt, Johannes Hartig, Nina Jude, Olaf Köller, Manfred
Prenzel, Wolfgang Schneider, Petra Stanat (Hrsg.): PISA 2009. Bilanz nach
einem Jahrzehnt. Münster: Waxmann 2010.
4
niederländischen Schüler nicht zu ihrem Vergnügen lesen.4 Wenn
15-jährige Schüler dann zu ihrem Vergnügen überhaupt irgendetwas
lesen möchten, dann wäre das in den seltensten Fällen etwas
Literarisches. Geschweige denn, dass sie zu ihrem Vergnügen etwas
Literarisches in einer Fremdsprache lesen würden.
Dieser Mangel an Motivation bei den Schülern ist ein großer Teil der
Problematik im muttersprachlichen wie auch im fremdsprachlichen
Literaturunterricht. Eine positive Lesemotivation könnte aber dazu
beitragen, dass man Spaß am Lesen hat, zudem kommt sie der
Lesekompetenz zugute.5 Deswegen ist es sowohl für die Schüler, als
auch für den Lehrer wichtig, dass die Schüler zum Lesen motiviert
sind oder werden. Die Motivationsprobleme bei den Schülern haben
mehrere Ursachen. Die Schüler haben oft andere Interessen, haben
andere konkurrierende Beschäftigungen, schätzen die literarischen
Themen nicht (diese passen oft nicht zu ihrer Erlebniswelt), oder
haben (noch) nicht das erforderliche literarische und/oder sprachliche
Niveau. Der Mangel der Motivation bei den Schülern hat aber auch
seine Auswirkungen auf die Motivation des Lehrers. Bei vielen
Lehrern herrscht die Idee, dass Literaturunterricht nicht realisierbar,
unnötig und zu viel Arbeit sei und zu wenig bringe. Dies erkenne ich
nicht nur in meiner Umgebung, aber wird auch von anderen, wie
Koppensteiner6 und Jazbec,7 bemerkt. Der Unterricht wird immer
mehr schülerorientiert und soll vor allem nicht mehr langweilig sein,
sondern Spaß machen. So möchten niederländische Schüler im
Deutschunterricht am liebsten mehr mit deutscher Musik und/oder
mit deutschen Filmen arbeiten.8 Literarisch gesehen wird immer
weniger von den Schülern erwartet, und sie brauchen immer weniger
4
Erna Gille, Claudia Loijens, José Noijons, Robert Zwitser: Resultaten PISA 2009.
Praktische kennis en vaardigheden van 15-jarigen. Arnhem: CITO 2010,
S. 18f.
5 Eckhard Klieme et al., 2010, S. 75.
6 Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 7.
7 Saša Jazbec: Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht oder wie
man literarische Texte „knackt“. In: Orbis Linguarum 27 (2004), S. 209-215,
S. 209.
8 Duitsland Instituut Amsterdam (Hrsg.): Rapport Belevingsonderzoek Duits 2010.
Amsterdam: DIA 2010, S. 44.
5
literarische Werke zu lesen.9 Dies alles führt dazu, dass die DaFLehrer10
den
Literaturunterricht
bis
auf
das
Obligatorische
beschränken und die obligatorischen Prüfungsanforderungen so
schnell wie möglich versuchen zu erledigen. Auch die Zweiteilung,
die ich in der Praxis im literarischen DaF-Unterricht in der Unterstufe
und der Oberstufe erfahre, bringt Schwierigkeiten mit sich, die die
Lesemotivation der Schüler senkt.
Die
Bedeutung
der
Lesemotivation
der
Schüler
für
ihre
Lesekompetenz und für den Erfolg des Literaturunterrichts ist nicht
unbeachtet geblieben.
So haben unter anderem
Guthrie &
Anderson,11 McElvany et al.,12 Baker & Wigfield,13 Schaffner &
Schiefele14 und Retelsdorf & Möller15 sich mit dem Zusammenhang
zwischen
Lesemotivation
und
Lesekompetenz
in
ihren
Untersuchungen und Beiträgen beschäftigt. Weiter war dieser
Zusammenhang, wie schon erwähnt, ein Schwerpunkt in der
Untersuchung
von
Motivationsprobleme
PISA
bei
(2009).16
Schülern
Eine
(im
Ursache
der
muttersprachlichen
niederländischen Literaturunterricht) ist laut Theo Witte17 die
(fehlende)
Verbindung
zwischen
dem
Schüler
und
dem
9
Die genauen Prüfungsanforderungen der niederländischen Schüler werden
später in dieser Arbeit besprochen.
10 Abkürzung: Deutsch als Fremdsprache.
11 John T. Guthrie und Emily Anderson: Engagement in reading: Processes of
motivated strategic, and knowledgeable, social readers. In: Engaged
reading. Processes, practices, and policy implications. Hg. von John T.
Guthrie und Donna E. Alvermann. New York: Teachers College Press 1999,
S.17-45.
12 Nele McElvany et al., 2008.
13 Linda Baker und Allan Wigfield: Dimensions of children’s motivation for reading
and their relations to reading activity and reading achievement. In: Reading
Research Quarterly 34 (1999), S. 452-477.
14 Ellen Schaffner und Ulrich Schiefele: Auswirkungen habitueller Lesemotivation
auf die situative Textrepräsentation. In: Psychologie in Erziehung und
Unterricht 54 (2006), S.268-286.
15 Jan Retelsdorf und Jens Möller: Entwicklungen von Lesekompetenz.
Schereneffekte in der Sekundarstufe? In: Zeitschrift für
Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie 40 (2008), H. 4,
S. 179-188.
16 Eckhard Klieme et al., 2010.
17 Theo Witte: Op zoek naar een ‘gezond’ curriculum voor het literatuuronderwijs.
In: Hans Goossen (Redaktion). Forum of arena: opvattingen over
literatuuronderwijs. Een stand van zaken in 2007. VON-cahier 2007.
URL: www.voncahier.nl. Zugriff am 14.04.2014.
6
Literaturunterricht und das Fehlen eines gesunden strukturierenden
Lehrplans.
In
seiner
Untersuchung18
plädiert
er
für
mehr
Differenzierung im Literaturunterricht. Die unterschiedlichen Niveaus
der literarischen Kompetenz sollen mehr beachtet werden. Das heißt,
für jedes Niveau eine andere Vorgehensweise, andere Ziele und ein
geeignetes literarisches Werk. Anhand dieser literarischen Niveaus
hat
Theo
Witte
eine
Leseliste
(www.lezenvoordelijst.nl)
mit
niederländischen literarischen Werken entwickelt, die vor allem dem
didaktischen Ziel dient. Später ist die niederländische Leseliste auch
mit
einer
deutschen
(duits.lezenvoordelijst.nl).
Leseliste
ausgebreitet
Vorgehensweise
und
worden
Didaktik
sind
wichtige Aspekte des Literaturunterrichts und der Lesemotivation der
Schüler. Die Weise, in der die Literatur vermittelt wird, ist
entscheidend
für
die
Qualität
und
das
Rendement
des
Literaturunterrichts. Dazu sind von mehreren Personen verschiedene
unterschiedliche didaktische Vorgehensweisen, Techniken und
Ansätze im fremdsprachlichen Literaturunterricht
thematisiert
worden. In dieser Arbeit werden die Einführung in produktiv-kreative
Techniken für die Literatur im DaF-Unterricht von Koppensteiner,19
die
Einsichten
zu
produkt-
und
handlungsorientiertem
Literaturunterricht nach Jazbec20 und den kommunikativen Ansatz im
literarischen DaF-Unterricht nach Kast21 erörtert. Bischof et al.22
haben sich mit der Vermittlung der Landeskunde innerhalb des
Literaturunterrichts beschäftigt und Westhoff23 und Ehlers24 haben
sich mit der Entwicklung der fremdsprachlichen Lesefähigkeit und
ihre Rolle in dem fremdsprachspezifischen literarischen Lesen
18
Theo Witte: Het oog van de meester. Een onderzoek naar de literaire
ontwikkeling van havo- en vwo-leerlingen in de tweede fase van het
voortgezet onderwijs. Stichting Lezen Reeks 12. Delft: Eburon 2008.
19 Jürgen Koppensteiner, 2001.
20 Saša Jazbec, 2004.
21 Bernd Kast: Jugendliteratur im kommunikativen Deutschunterricht. Berlin:
Langenscheidt 1985a.
22 Monika Bischof, Viola Kessling, Rüdiger Krechel: Landeskunde und
Literaturdidaktik. Berlin: Langenscheidt 1999.
23 Gerard Westhoff: Fertigkeit Lesen. Berlin: Langenscheidt 1997.
24 Swantje Ehlers: Lesen als Verstehen. Zum Verstehen fremdsprachlicher
literarischer Texte und zu ihrer Didaktik. Berlin: Langenscheidt 1992a.
7
auseinander gesetzt. Diese genannten Themen und Beiträge werden
die Grundlage dieser Arbeit bilden, in der die Förderung der
Lesemotivation zentral steht. In dieser Arbeit werde ich mich nämlich
mit der folgenden Frage befassen: Wie kann die Lesemotivation der
Schüler im literarischen DaF-Unterricht verbessert werden?
Um diese Frage beantworten zu können, gibt es einige Teilfragen,
die
zuerst
geklärt
werden
müssen.
So
wird,
bevor
von
Lesemotivation und Literaturunterricht gesprochen werden kann, im
ersten Kapitel zuerst nachgegangen, wie das Lesen an sich, und in
der Fremdsprache funktioniert. Im zweiten Kapitel wird die
Lesemotivation erörtert. Besprochen wird, was Lesemotivation
beinhaltet, wie sie funktioniert und warum sie, in Bezug auf die
Lesekompetenz, wichtig ist für den Literaturunterricht. Außerdem
wird dargestellt was die Ursachen von den Motivationsproblemen
sein könnten und wie die Lesemotivation im Literaturunterricht aus
Sicht ihres Funktionierens gefördert werden kann. Kapitel 3 enthält
eine Auseinandersetzung zum Thema Literatur. Erklärt wird, was
Literatur in dieser Arbeit genau beinhaltet, was ihre Position im DaFUnterricht ist und wozu Literatur im DaF-Unterricht vermittelt werden
sollte oder könnte. Im vierten Kapitel wird auseinandergesetzt wie
der Literaturunterricht Deutsch an der weiterführenden Schule in den
Niederlanden in den vergangen Dezennien gestaltet wurde und wie
er heutzutage gestaltet wird. Aus diesem Blickwinkel werden die
Probleme des heutigen Literaturunterrichts und ihre Folgen für die
Lesemotivation nach der Untersuchung von Theo Witte25 dargestellt
und wird ausgearbeitet wie vor allem aus Sicht des Lehrplans die
Lesemotivation in einem entwicklungsorientierten Literaturunterricht
gefördert werden kann. Im fünften Kapitel kommt es dann zur
tatsächlichen Literaturvermittlung und wie sie in ihrer Durchführung
die Lesemotivation zugute kommen kann. Zum Schluss werden im
letzten Kapitel die wichtigsten Punkte der Arbeit zusammengefasst
und die Hauptfrage der Arbeit beantwortet.
25
Theo Witte, 2008.
8
Da die genannten Beiträge die Bausteine dieser Arbeit bilden
werden, ist es deutlich, dass eine literaturorientierte Vorgehensweise
für diese Arbeit verwendet wird. Anhand verschiedener Einfallswinkel
wird
in
dieser
Literaturuntersuchung
eine
Antwort
auf
die
Untersuchungsfrage und eine mögliche Lösung für die genannte
Problemstellung gesucht. Das Ziel dieser Arbeit ist es, Empfehlungen
und/ oder Hinweise für DaF-Lehrer abzugeben, die als Leitfaden für
den deutschen Literaturunterricht benutzt werden können. Diese
Empfehlungen und/ oder Hinweise können den DaF-Lehrern damit
helfen, ihren Literaturunterricht auf eine Weise zu gestalten, so dass
die Lesemotivation der Schüler gefördert wird. Dabei gibt es vor
allem eine Fokussierung auf die Motivationsförderung innerhalb
eines entwicklungsorientierten Literaturunterricht. In dieser Arbeit soll
herausgefunden werden, wie die Schüler in ihrem fremdsprachlichen
literarischen Entwicklung, vom Anfang der Unterstufe bis zum Ende
der Oberstufe
Kompetenz
verschiedene
und vom vergnüglichen Lesen zur literarischen
motiviert
werden
Aspekte
des
könnten.
Deswegen
Literaturunterrichts,
werden
wie
die
Lesekompetenz, die Lesemotivation, die Fremdsprachendidaktik und
die literarische Entwicklung in dieser Arbeit zusammengebracht.
Schüler die Spaß am Lesen haben und zum Lesen motiviert sind,
lesen öfter und lesen auch besser. Wenn sie eine bessere
Lesekompetenz haben, haben sie auch bessere Chancen auf Erfolg
in ihrem weiteren schulischen und beruflichen Leben. Bei den
Lehrern sorgt die Erhöhung der Lesemotivation der Schüler dafür,
dass die Lehrer selbst auch mehr motiviert sind, Literatur in ihrem
Deutschunterricht
zu
vermitteln.
Das
könnte
eine
mögliche
Kettenreaktion auslösen; immer mehr Schüler und Lehrer die Spaß
am Literaturunterricht haben. Eine Win-win-Situation für Schüler und
Lehrer.
Um die Arbeitsweise dieser Arbeit so deutlich wie möglich zu
machen, ist es wichtig den Rahmen dieser Arbeit und seiner Themen
9
fest zu legen. Für diese Arbeit wird der DaF-Literaturunterricht an der
weiterführenden Schule in den Niederlanden als Ausgangspunkt
genommen. Der Literaturunterricht wird vor allem in den Abteilungen
havo26 und vwo27 praktiziert, da er nur in diesen Abteilungen einen
offiziellen Platz in dem Lehrplan hat. Trotzdem werden alle
unterschiedlichen Schultypen an der weiterführenden Schule in den
Niederlanden, vmbo28, havo und vwo, in dieser Arbeit berücksichtigt.
Da hochwertiger Literaturunterricht nicht einfach von einem auf den
anderen Moment zu praktizieren ist und weil dazu also ein
allmählicher Prozess gewünscht ist, werden auch alle Lehrgänge
oder Entwicklungsstadien (Unter- und Oberstufe) miteinbezogen.
Aus diesem Grund wird der Begriff Literatur in dieser Arbeit auch
umfassend sein. Mit diesem Begriff wird nicht nur die hochwertige
Literatur gemeint, wie die Kanonliteratur, sondern er umfasst auch
Jugendliteratur, konkrete Poesie, Kurzgeschichten, Comics, Lieder,
Fabeln, Legenden, Märchen und alles was dazwischen liegt.
In dieser Arbeit ist aus praktischen Gründen die männliche Form
mancher Wörter gewählt. Wenn aber von einem Lehrer, Schüler oder
Leser gesprochen wird, wird damit auch die weibliche Form gemeint.
26
Dieser niederländische Schultyp ist vergleichbar mit der Realschule in
Deutschland.
27 Dieser niederländische Schultyp ist vergleichbar mit dem Gymnasium in
Deutschland.
28 Dieser niederländische Schultyp ist vergleichbar mit der Hauptschule in
Deutschland.
10
1.
Fertigkeit Lesen
Um über die Lesemotivation der Schüler und den literarischen DaFUnterricht selbst sprechen zu können, braucht zuerst die Fertigkeit
die dafür im Fremdspracheunterricht notwendig ist, nämlich die
Fertigkeit Lesen, erörtert zu werden, denn Literatur setzt das Lesen
voraus. Wichtige Aspekte des fremdsprachlichen Lesens wie die
Rolle der Vorkenntnisse, der Gebrauch von Lesestrategien, die
unterschiedlichen Leseziele und Lesestile und ihre spezifischen
fremdsprachlichen
Schwierigkeiten
werden
in
diesem
Kapitel
behandelt. Die Frage nach dem Funktionieren des Lesens ist eine
der Teilfragen dieser Arbeit. Die Antworten auf diese und andere
Teilfragen werden zu der Antwort auf die Hauptfrage führen: Wie
kann die Lesemotivation der Schüler im literarischen DaF-Unterricht
verbessert werden?
Man muss zuerst mit dem fremdsprachlichen Lesen bekannt sein,
ehe man in einer Fremdsprache literarische Texte lesen und
verstehen kann. Lesen spielt eine große Rolle in unserem
Alltagsleben
und
in unserer persönlichen
und
intellektuellen
Entwicklung. Jeder liest und jeder liest jeden Tag, bewusst oder
unbewusst. In der Einleitung wurde die Rolle des Lesens in unserer
Gesellschaft schon erwähnt und sie wird weiterhin noch weiter
besprochen. Beim Fremdsprachenunterricht spielt das Lesen auch
eine
große
Rolle,
denn
obwohl
der
Spracherwerb
vier
Fertigkeitsbereiche zählt, verfolgt der tatsächliche Spracherwerb
größtenteils mittels eines Lehrbuchs, also übers Lesen. Aber was ist
lesen und wie funktioniert das Lesen und vor allem das Verstehen?
Der Leseprozess wurde lange einfach wie folgt erklärt: Zuerst
werden die Buchstaben identifiziert, dann werden diese Buchstaben
zu einem Wort gebildet und von diesem Wort wird eine Bedeutung
abgeleitet. Nach mehreren Wörtern wird einen Satz gebildet und auf
diese Weise wird mit den Bedeutungen der Wörter von selbst die
Bedeutung des Satzes herausgefunden. Diese Erklärung ist aber zu
11
einfach. Lesen ist mehr als das Erkennen von Buchstaben. Der
Leseprozess ist laut Westhoff29 ein komplexer, konstruktiver und
interaktiver Prozess wobei nicht nur Text gelesen wird, aber auch
Text verstanden wird. Westhoff definiert das Lesen wie folgt:
Lesen ist ein interaktiver Prozess, bei dem der Leser bzw. die
Leserin mit den jeweils eigenen Erwartungen, Einstellungen und
Vorerfahrungen auf Signale des Textes reagiert.30
Swantje Ehlers (1992) erkennt das Zusammenspiel zwischen dem
Text einerseits und dem Leser anderseits auch. Dies macht sie in
ihrer Definition von Lesen deutlich:
Lesen ist eine Verstehenstätigkeit, die darauf zielt, sinnvolle
Zusammenhänge zu bilden. Sie wird auf der einen Seite gesteuert
von dem Text und seiner Struktur, auf der anderen Seite van dem
Leser, der sein Vorwissen, seine Erfahrung, seine Neigungen und
sein Interesse an einen Text heranträgt.31
Ehlers spricht in ihrer Erklärung32 von vier Verstehensstufen, die
beim Lesen und Verstehen eines Textes durchlaufen werden:
1. Der Inhalt der einzelnen Äußerungen (Wörter und Sätze) wird
verstanden.
2. Aufgrund
der
Äußerungen
(Nebenbedeutungen)
erkannt
werden
und
in
Konnotationen
einen
situativen
Zusammenhang gebracht.
3. Anhand
der
Situation
werden
eventuelle
Widersprüchlichkeiten und die Pointe (der springende Punkt)
des Textes verstanden.
4. Anhand der gesamten Aspekte wird die Intention des Autors
und des Textes verstanden.
Mit jedem Schritt wird ein neuer Zusammenhang gebildet, dringt man
tiefer in den Text ein und versteht man mehr. Ehlers nennt dabei
noch eine Verstehensstufe, die man erreichen kann, wenn man will:
29
Gerard Westhoff, 1997.
Idem, S. 85.
31 Swantje Ehlers, 1992a, S. 4.
32 Idem, S. 7f.
30
12
5. Der Text verallgemeinern und in den entsprechenden
gesellschaftlichen
Zusammenhang
einordnen.
Die
Gesellschaft des Textes und des Lesers mit einander
vergleichen.
1.1 Vorkenntnisse
In beiden Definitionen von Westhoff und Ehlers werden die
persönlichen
Erwartungen,
Erfahrungen,
Einstellungen,
Vorkenntnisse und Interessen des Lesers als Mitspieler des
Leseprozesses genannt. Beide meinen, dass diese eine sehr
wichtige Rolle im Leseprozess haben. So betont Ehlers in ihrer
Erklärung, dass die Verstehensstufen anhand von Sprachwissen,
Erfahrungen und Vorwissen gemacht werden.33 Anhand dieser kann
der Leser den Text antizipieren, das heißt, „während des Lesens
schon Vorhersagen treffen über künftige Mitteilungen und Ereignisse
in einem Text“.34 Erwartungen, die aus dem Wissen des Lesers
abgeleitet
werden
können,
steuern
den
Lese-
und
Verstehensprozess des Lesers. Diese sind Erwartungen über die
Sprache und ihre Konventionen, über Texte und ihren Aufbau, über
Gattungen, über literarische Stilmittel und Strategien, über die Welt
und bestimmte Zusammenhänge in der Welt.35 Westhoff betont vor
allem den Einsatz dieser Vorkenntnisse. Ein effektiver und häufiger
Einsatz der Vorkenntnisse sollte den guten Leser von dem
schwachen Leser unterscheiden. Es ist für die Schüler also wichtig,
diese Vorkenntnisse zu erwerben und ihrer Aktivierung zu üben.
Westhoff unterscheidet dabei fünf Bereiche von Vorkenntnissen:36
1. Kenntnisse
über
die
Wahrscheinlichkeit
von
Buchstabenkombinationen.
33
Swantje Ehlers, 1992a, S. 7.
Idem, S. 63.
35 Idem, S. 73.
36 Gerard Westhoff, 1997, S. 58-72.
34
13
In jeder Sprache gibt es Buchstabenkombinationen die typisch sind
für diese Sprache. Im Deutschen sind das zum Beispiel str, ch, chst,
rk, lsch, ieh, aa, äu, istisch, ig, ngs, tsel usw.
2. Kenntnisse über den wahrscheinlichen Verlauf von Sätzen.
Hierbei handelt es sich darum, dass man voraussagen kann, welche
Wortart (Verb, Substantive, usw.) folgen wird und wann der Satz
beendet wird.
3. Kenntnisse
über
die
Wahrscheinlichkeit
von
Wortkombinationen.
Wir wissen, dass eine Kombination mit einem Wort wahrscheinlicher
ist, als mit einem anderen Wort, wie zum Beispiel die Wörter Buch
und lesen. Auf diese Weise kann man oft noch den Text lesen und
verstehen, wenn einige Wörter im Text weggelassen sind.
4. Kenntnisse über logische Strukturen.
Auf Satzebene geben Konnektoren wie obwohl, weil, wenn, deshalb,
und, aber, sonst, immerhin, jedoch usw. logische Beziehungen im
Satz an. Bei diesen Wörtern wird ein bestimmtes Signal abgegeben.
Auf Textebene können Zwischentitel, Inhaltsangaben oder Absätze
als Strukturmarkierer fungieren.
5. Kenntnisse über die Beschaffenheit der Welt (Weltwissen).
Dies sind Kenntnisse über die Zusammenhänge in der Welt. Dieses
Wissen erwirbt ein Mensch seit seiner Geburt. Es gibt ein
gemeinsames Weltwissen (z. B. Brot isst man und Milch trinkt man)
und es gibt ein soziokulturell geprägtes Weltwissen. Dieses hängt mit
den
Normen,
zusammen.
Einstellungen
Die
Kenntnisse
und
Werten
über
die
einer
Gesellschaft
Textkonventionen
unterschiedlicher Textsorten gehört auch zu diesem Weltwissen.
Diese können aber auch pro Kultur/ Land unterschiedlich sein.
14
Diese genannte Beschreibung des Lesens gilt für das Lesen in der
Muttersprache aber auch für das Lesen in einer Fremdsprache.
Jedoch gibt es für das Lesen in einer Fremdsprache wichtige
Aspekte, die das Lesen erschweren und die in der Entwicklung der
fremdsprachlichen Lesekompetenz beachtet werden müssen. Im
Folgenden wird dies näher erörtert.
1.2 Lesen in einer Fremdsprache
Es ist für den Schüler einfacher, in seiner Muttersprache zu lesen als
in
einer
Fremdsprache
Fremdsprachenunterricht
zu
ist
lesen.
nämlich
Der
Leseprozess
umfassender
und
im
damit
schwieriger als im muttersprachlichen Leseunterricht.
Erstens spielt also die Sprache eine große Rolle. So gibt es bei dem
Schüler im großen oder im weniger großen Maße, eine Unkenntnis
der Sprache. Ein unzureichender oder geringer Wortschatz ist dabei
das größte Problem. Westhoff erklärt die Schwierigkeiten im
fremdsprachlichen Leseprozess anhand seiner im Abschnitt 1.1
beschriebene Vorkenntnisbereiche.37 Die Kenntnisse in den ersten
drei
Bereichen
(Buchstaben-
und
Wortkombinationen
und
Satzverlauf) sind für die Schüler neu und müssen also neu erworben
werden. Sogar nach jahrelangem Unterricht sind diese Kenntnisse
nicht vollständig. Beim Lesen in der Muttersprache sind diese
Kenntnisse aber schon lange erworben und die Leser können so
viele Kenntnisse aus den ersten drei leichten Vorkenntnisbereichen
einsetzen, dass man eigentlich nur noch wenige Kenntnisse aus den
Vorkenntnisbereichen 4 & 5 (logische Strukturen und Beschaffenheit
der Welt) braucht, um den Text zu verstehen. Die Kenntnisse aus
diesen letzten Bereichen sind weniger sprachspezifisch und können
auch von Anfängern im fremdsprachlichen Leseunterricht eingesetzt
werden. Westhoff meint, dass die fremdsprachlichen Leser lernen
37
Gerard Westhoff, 1997, S. 73-75.
15
müssen, die Defizite in den ersten drei Vorkenntnisbereichen, also
die sprachlichen Probleme im fremdsprachlichen Leseprozess, zu
kompensieren, in dem sie ihre vorhandenen Vorkenntnisse in den
Bereichen 4 und 5 bewusst mobilisieren. Westhoff befürwortet
deswegen ein zweitgleisiges Training: Erstens das Erwerbstraining
der ersten drei Bereiche und zweitens das Anwendungstraining, um
die Nutzung von Kenntnissen aus den Bereichen 4 & 5 mit Hilfe
bestimmter Lesestrategien zu optimieren.
Laut Swantje Ehlers38 ist es für fremdsprachigen Leser das
Hauptlehrziel, Fähigkeiten zu entwickeln, die es ihm ermöglichen,
einen literarischen Text flüssig, leicht, übergreifend und verstehend
zu lesen. Dieses Lernziel unterteilt sie in die folgenden Teilziele:
I.
Entwicklung der Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu
trennen
II.
Entwicklung der Fähigkeit, unbekannte Wörter zu erschließen
III.
Entwicklung der Fähigkeit, eigene Fragen zu stellen und nach
Lösungen zu suchen (Entwicklung von Problem-LösungsStrategien)
IV.
Entwicklung der Fähigkeit, Bedeutungen zu erfassen/ zu
bilden
V.
Entwicklung
der
Va.
Entwicklung
Vb.
Verbesserung
Vc.
Entwicklung
Vd.
Wahrnehmungsschulung für konnotative Bedeutungen und
der
Fähigkeit,
Fähigkeit,
der
der
Sinn
satzübergreifend
Kenntnisse
Fähigkeit,
zu
über
Texte
konstruieren
zu
lesen
Erzählstrukturen
zusammenzufassen
Stilmittel
Ve.
38
Entwicklung der Fähigkeit zu antizipieren
Swantje Ehlers: Literarische Texte lesen lernen. München: Verlag Klett Edition
Deutsch GmbH 1992b, S. 49.
16
1.3 Lesestrategien
Für das Lesen in einer Fremdsprache ist die Nutzung von
Lesestrategien
einsetzen
wichtig,
zu
um
können.
die
Durch
vorhandenen
das
Vorkenntnisse
Training
dieser
Lesestrategieübungen sollten nach Westhoff39 die Schüler ein
Gespür dafür entwickeln, wie sie die informationsreichsten Elemente
im Text herausfinden können. Auch sollten sie lernen, die Funktion
der
Strukturmarkierer
(Verbindungswörter,
Satzzeichen,
Zwischenüberschriften usw.) zu erkennen, ihre Vorkenntnisse zu
mobilisieren und die benutzten Strategien sich anzueignen. Es gibt
viele unterschiedliche Lesestrategieübungen, wie zum Beispiel das
Erstellen von Schlüsselwörtern, Vorkenntnisse über ein bestimmtes
Thema besprechen, das Erraten unbekannter Wörter, einen
zerschnittenen Text in die richtige Reihenfolge ordnen, nach der
Funktion der Verbindungswörter fragen usw. Wenn nachher die
Lesestrategieübungen reflektiert werden, dann können die Schüler
diese Lesestrategien verinnerlichen.40 Nur dann können sie selber
bestimmen, welche Strategie wann genau benutzt werden kann.
Denn welche Strategie wann benutzt werden muss, oder kann, hängt
vom Leseziel und Lesestil ab. Die Schüler sollten dies auch selber
üben müssen, denn Fertigkeiten werden, laut Garner,41 durch
Handeln erworben.
1.4 Leseziele und Lesestile
Wie man liest (Lesestil) und warum man liest (Leseziel), hängen sehr
stark mit einander zusammen, denn ein Vertrag muss genauer
gelesen werden als ein Zeitungsartikel und das Telefonbuch braucht
man nicht ganz durchzulesen, wenn man eine Nummer sucht.
Welchen Lernstil man benutzt, hängt davon ab, was man wissen will
(Leseinteresse) oder was man wissen soll (Aufgabestellung im
39
Gerard Westhoff, 1997, S. 88-100.
Idem, S. 97.
41 Ruth Garner: Metacognition and Reading Comprehension. Norwood: Ablex
1987.
40
17
Lehrbuch). Den Schülern müssen die unterschiedlichen Lesestile
beigebracht werden und sie sollten sich den unterschiedlichen
Lesezielen und Lesestilen bewusst werden, denn „man lernt besser,
wenn man weiß, was man tut“42, so Westhoff. In der folgenden
Tabelle sind die unterschiedlichen Leseziele und Lesestile nach
Westhoff zu sehen.43
Leseziel
Lesestil
Beispiel
genau wissen
detailliertes
das ‚kleingedruckte’ in
(totales) Lesen
einem Vertrag
sich einen Eindruck
globales
durch Überfliegen eines
verschaffen
(kursorisches)
Zeitungsartikels einen
Lesen
Eindruck bekommen, wie
eine Sache gerade steht
eine gewisse,
suchendes
einen Text möglichst
spezifische
(selegierendes,
schnell durchlesen, um z.
Information finden
selektives)
B. eine bestimme Zahl zu
wollen
Lesen
finden
herausfinden, was die sortierendes
die Hauptpunkte
Hauptsache(n) und
(orientierendes)
herausfinden, um eine
die Nebensache(n) in
Lesen
Zusammenfassung
einem Text sind
machen oder entscheiden
zu können, was man
genauer lesen muss und
was man überschlagen
kann
42
43
Gerard Westhoff, 1997, S. 102.
Idem, S. 101f.
18
Diese Lesestile werden oft gleichzeitig oder nach einander
eingesetzt. Eine Kombination von mehreren Lesestilen wird auch
konzentrisches Lesen genannt.44
In diesem ersten Kapitel wurden das Lesen in der Muttersprache,
das Lesen in der Fremdsprache und die zu beachten wichtigen
Aspekte
seiner
Entwicklung,
als
Fundament
für
den
fremdsprachlichen Literaturunterricht dargelegt. Im nächsten Kapitel
wird die Lesekompetenz weiter besprochen. Dann wird auch erklärt,
wie
diese
Aspekte
der
Lesefertigkeit
eine
Rolle
bei
der
Lesemotivation spielen könnten.
44
Gerard Westhoff, 1997, S. 107.
19
2.
Lesemotivation & Lesekompetenz
In
diesem
Kapitel
werden
die
Lesemotivation
und
die
Lesekompetenz unter die Lupe genommen. Zuerst wird besprochen,
wie die Lesemotivation der niederländischen Schüler ist und wie sie
sich mit zunehmendem Alter der Schüler entwickelt. Weiterhin wird
die Relevanz der Lesemotivation für die Lesekompetenz und damit
für den fremdsprachlichen Literaturunterricht erörtert. Um diese
Relevanz zu zeigen, werden, bevor der Zusammenhang zwischen
Lesemotivation und Lesekompetenz behandelt wird, zuerst die
Lesekompetenz und die Lesemotivation an sich weiter erklärt.
Anschließend werden die Ursachen der Motivationsveränderung der
Schüler besprochen und zum Schluss kommt es dann teilweise zur
Beantwortung der Hauptfrage: Wie kann die Lesemotivation der
Schüler im literarischen DaF-Unterricht verbessert werden? Diese
Frage wird in diesem Kapitel nur teilweise beantwortet, weil die
Empfehlungen zur Förderung der Lesemotivation nur im allgemeinen
Sinne besprochen werden. In Kapitel 4 und 5 wird erklärt, wie diese
Empfehlungen
praktisch
in
der
Didaktisierung
bzw.
in
der
Organisation der Lehrpläne auskristallisiert werden könnten.
Die Lesefertigkeit ist ein beliebtes Thema zur Forschung. Die zwei
bekanntesten internationalen Untersuchungen zur Lesekompetenz
der Schüler sind PIRLS (Progress in International Reading Literacy
Study) und PISA (Programme for International Student Assessment).
Die Untersuchung von PIRLS findet alle fünf Jahre statt und bezieht
sich auf Schüler aus der vierten Klasse (Gruppe 6). Die
Untersuchung von PISA findet alle drei Jahre statt und bezieht sich
auf
15-jährige
Schüler.
Außer
der
Lesefertigkeit
ist
die
Lesemotivation auch Thema der Untersuchungen.45 Die PIRLS
Studie aus dem Jahr 201146 und die PISA Studie aus dem Jahr
45
Bei PISA wird den Schwerpunkt der Untersuchung jedes Mal verlegt und
deshalb ist Lesemotivation nicht jedes Mal einer der Hauptthemen.
46 Martina R.M. Meelissen, Andrea Netten, Marjolein Drent, Annemiek Punter,
Mienke Droop, Ludo Verhoeven: PIRLS- en TIMSS-2011. Trends in
20
200947 zeigen, dass die niederländischen Schüler eine relativ
negative Einstellung zum Lesen haben. Auch ist die Lesemotivation
der
niederländischen
Schüler
in
beiden
Altersgruppen
unterdurchschnittlich. Jedoch zeigen diese Untersuchungen auch,
dass die Lesefertigkeit der niederländischen Schüler relativ gut ist
und im Vergleich zu den anderen Ländern überdurchschnittlich ist.
Die niedrige Lesemotivation der niederländischen Schüler in der
Sekundarstufe wird auch in niederländischen Untersuchungen, wie
von Stalpers (2007)48 und Stokmans (2009),49 bestätigt. Außer der
Tatsache, dass die Lesemotivation der niederländischen Schüler in
mehreren Altersgruppen als negativ beurteilt wird, ist auch in der
Untersuchung von CITO PPN 2005 (Heesters et al., 2007)50 bestätigt
worden, dass die Lesemotivation mit zunehmenden Alter, also vom
Anfang bis zum Ende der Grundschulzeit, auch noch weiter abnimmt.
Die Senkung der Lesemotivation ist nicht nur in den Niederlanden
festzustellen, aber auch in zum Beispiel den USA (Baker & Wigfield
199951 und Gottfried et al. 2001).52 Wenn die Schüler nach der
Grundschule in der Sekundarstufe zum ersten Mal Bekanntschaft mit
dem fremdsprachlichen Lesen machen, dann ist ihre Einstellung zum
Lesen im Allgemeinen schon negativ und muss man damit rechnen,
dass diese Einstellung auch einen negativen Einfluss auf die
fremdsprachliche
Lesemotivation
haben
kann.
Die
zugrundeliegenden Ursachen für die Senkung der Lesemotivation in
leerprestaties in Lezen, Rekenen en Natuuronderwijs. Nijmegen: Radboud
Universiteit, Enschede: Universiteit Twente 2012. S. 66.
47 Erna Gille et al., 2010, S.19.
48 Cedric Stalpers: Het verhaal achter de lezer. Een empirisch onderzoek naar de
variabelen die verschillen in leesgedrag verklaren. Stichting Lezen Reeks
9. Delft: Eburon 2007.
49 Mia J.W. Stokmans: De invloed van literatuuronderwijs op de leesattitude. In:
Levende Talen Tijdschrift 10 (2009), H. 2, S. 35-43.
50 Karin Heesters, Saskia van Berkel, Frank van der Schoot, Bas Hemker: Balans
van het leesonderwijs aan het einde van de basisschool 4. PPON-reeks nr.
33. Arnhem: Stichting Cito Instituut voor toetsontwikkeling 2007.
51 Linda Baker und Allan Wigfield, 1999.
52 Adele Eskeles Gottfried, James S. Fleming, Allen W. Gottfried: Continuity of
academic intrinsic motivation from childhood through late adolescence: A
longitudinal study. In: Journal of Educational Psychology 93 (2001), H. 1,
S.3-13.
21
der Muttersprache und in der Fremdsprache werden im Abschnitt 2.3
dargestellt.
Mehrere Studien haben gezeigt, dass eine positive Lesemotivation
einen positiven Einfluss auf die Lesekompetenz hat (Baker &
Wigfield 1999,53 Guthrie et al. 1999,54 Schaffner & Schiefele).55 Und
da die Lesekompetenz „eine der wichtigsten Voraussetzungen für
schulischen und beruflichen Erfolg“56 ist, ist die Relevanz der
Lesemotivation an sich und im fremdsprachlichen Literaturunterricht
nicht abzustreiten. Um erklären zu können wie die Lesemotivation
die Lesekompetenz fördert, wird zuerst, als eine Fortführung auf das
vorige Kapitel, die Lesekompetenz weiter besprochen. Danach wird
die Lesemotivation an sich dargelegt und wird anschließend ihren
Zusammenhang erörtert.
2.1 Lesekompetenz
Im ersten Kapitel wurde schon erwähnt, dass die Lesekompetenz
mehr beinhaltet als das Erkennen und Deuten von Buchstaben,
Wörtern und Sätzen. Im kognitiven Prozess des Lesens spielen
Komponenten wie Vorwissen und Lesestrategien eine wichtige Rolle.
In der PISA Untersuchung aus dem Jahr 2009 wird das Lesen
beschrieben als ein komplexer Vorgang,
„der auf einer Reihe von hierarchisch organisierten Teilprozessen
beruht. Lesen berührt basale Bereiche der visuellen Wahrnehmung,
höhere Prozesse der syntaktischen und semantischen Integration
sowie
Prozesse
der
Konstruktion
und
übergreifenden
57
Repräsentation von Textinhalten.“
53
Linda Baker und Allan Wigfield, 1999.
John T. Guthrie, Allan Wigfield, Jamie L. Metsala, Kathleen E. Cox: Motivational
and cognitive predictors of text comprehension and reading amount. In:
Scientific Studies of Reading 3 (1999), S.231-256.
55 Ellen Schaffner und Ulrich Schiefele, 2006.
56 Nele McElvany et al., 2008, S. 207.
57 Eckhard Klieme et al., 2010, S. 51.
54
22
Klieme et al. stellen, dass die Lesekompetenz einerseits aus dem
kognitiven Aspekt, also das Textverständnis besteht, wobei Texte
rezipiert, interpretiert, reflektiert und bewertet werden. Dieses
Textverständnis besteht wieder aus textbasierter Konstruktion
(technische Dekodierung, Wortschatz, Lesestrategien) und aus
Vorwissens
basierter
Integration
(Inhalte
des
Textes
mit
kontextuellen Kenntnissen verbinden).58 Diese Aspekte wurden im
vorigen Kapitel schon ausführlicher erklärt. Anderseits ist, laut Klieme
et al., die Lesemotivation selbst Teil der Lesekompetenz.
2.2
Lesemotivation
Die
Lesemotivation
wird
in
der
PISA
Untersuchung
auch
Leseengagement genannt.59 Dieses Leseengagement wird durch
das
Leseverhalten
(Lesevielfalt
und
Lesehäufigkeit),
das
Leseinteresse und die Lesefreude gebildet. Auch die Einstellung
gegenüber dem Lesen und die Teilhabe an der Gemeinschaft der
Lesenden (Mitgliedschaft einer Bibliothek oder eines Leseclubs) sind
Indikatoren der Lesemotivation. Außerdem bestimmt das Gefühl
selbstbestimmter Steuerung des Leseprozesses die Lesemotivation.
Lesemotivation wird nach Schiefele und Möller definiert als „das
Ausmaß des Wunsches oder der Absicht in einer bestimmten
Situation einen spezifischen Text zu lesen.“60 Diese Absichten haben
laut Deci & Ryan (1985)61 unterschiedliche Anlässe. Sie unterteilen
die Lesemotivation in intrinsische Motivation und extrinsische
Motivation. Bei der intrinsischen Lesemotivation steht das Interesse
58
Carla Dauven und Charlotte Dignath: Leesmotivatie & leesstrategieën.
Präsentation Masterclass Universiteit van Amsterdam 2012. Nicht
veröffentlicht.
59 Eckhard Klieme et al., 2010, S. 74.
60 Jens Möller und Ulrich Schiefele: Motivationale Grundlagen der Lesekompetenz.
In: Struktur, Entwicklung und Förderung von Lesekompetenz. Vertiefende
Analysen im Rahmen von PISA 2000. Hg. von Ulrich Schiefele, Cordula
Artelt und Petra Stanat. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
2004, S. 101–124, S. 102.
61 Edward L. Deci und Richard M. Ryan: Intrinsic Motivation and Self-determination
in Human Behavior. New York: Plenum Publishing 1985.
23
und der eigene Antrieb zentral.62 Nach Schiefele und Köllerwird sie
als „der Wunsch oder die Absicht definiert, eine bestimmte Handlung
durchzuführen, weil die Handlung selbst interessant, spannend,
herausfordernd usw. erscheint.“ 63 Laut Guthrie und Anderson64 sind
Interesse,
Neugier,
die
eingeschätzte
Wichtigkeit
der
Lesekompetenz, das lesebezogene Selbstkonzept, die sozialen
Aspekte des Lesens und die erlebte Herausforderung beim Lesen
die
sechs
Aspekte
der
intrinsischen
Lesemotivation.
Dieses
lesebezogene Selbstkonzept wird weiter als Teil des adaptierten
Erwartungs-Wert-Modells von Möller und Schiefele (2004)65 näher
erläutert. Bei der extrinsischen Motivation wird der Schüler nicht aus
sich selbst motiviert, sondern wird der Anlass zum Lesen durch
äußere Faktoren ausgelöst. Die Schüler haben laut Schiefele und
Streblow66 dabei den Wunsch oder die Absicht, Handlungen
durzuführen, um damit positive Folgen zu bewirken oder negative
Folgen zu vermeiden. Nach Guthrie und Anderson67 ist die
extrinsische
Lesemotivation
in
die
folgenden
vier
Aspekte
unterzuteilen: Streben nach Anerkennung, die Neigung nur unter
äußerem Druck zu lesen, Aspekte des sozialen Vergleichs und das
Lesen zur Notenverbesserung. In dem vereinfachten ErwartungsWert-Modell der Lesemotivation von Möller & Schiefele (2004),68 das
als Grundlage das erweiterte Erwartungs-Wert-Modell von Eccles et
al.(1983,69 Eccles 1994)70 hat, sind es die soziale Umwelt des Lesers
62
Nele McElvany et al., 2008, S.208.
Ulrich Schiefele und Olaf Köller: Intrinsische und extrinsische Motivation. In:
Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. Hg. von Detlef Rost.
Weinheim: Psychologie Verlags Union 2006, S.303-310, S. 303.
Zitiert nach: Stefanie Meyer: Entwicklung und Evaluation eines Trainings
zur Förderung der Lesekompetenz und Lesemotivation (LekoLemo) für die
Sekundarstufe I. Bielefeld: Universität Bielefeld 2009, S.33.
64 John T. Guthrie und Emily Anderson, 1999.
65
Jens Möller und Ulrich Schiefele, 2004.
66 Ulrich Schiefele und Lillian Streblow: Intrinsische Motivation - Theorien und
Befunde. In: Motivationspsychologie und ihre Anwendung. Hg. von Regina
Vollmeyer und Joachim C. Brunstein. Stuttgart: Kohlhammer 2005, S. 3958.
67 John T. Guthrie und Emily Anderson, 1999.
68 Jens Möller und Ulrich Schiefele, 2004, S. 105.
69 Jacquelynne S. Eccles, Terri F. Adler, Robert Futtermann, Susan B. Goff, Carol
M. Kaczala, Judith L. Meece, Carol Midgley: Expectacies, values, and
63
24
(u.a. das Leseverhalten der Familie) und die subjektive Verarbeitung
der Umwelteinflüsse, die die motivationalen Überzeugungen und
damit die Lesemotivation beeinflussen.71 Diese Überzeugungen
bestehen einerseits aus Wertkomponenten, wozu das Interesse und
die Zielorientierung zählen und wobei die Werte wie Vergnügen,
Wichtigkeit (Relevanz), Wertigkeit (Valenz) und Kosten diese
Überzeugungen bilden. Anderseits bestehen diese Überzeugungen
aus Erwartungskomponenten, wie das lesebezogene Selbstkonzept
und
die
lesebezogene
Selbstkonzept
ist
Selbstwirksamkeit.
die
Das
Selbsteinschätzung
lesebezogene
der
eigenen
Lesekompetenz. Mit der lesebezogenen Selbstwirksamkeit wird die
Erwartung des Leseerfolgs angedeutet. Beiden werden durch
Leseerfahrungen und Rückmeldungen gebildet. Bei einem positiven
Selbstkonzept
und
einer
hohen
Selbstwirksamkeit
sind
die
Voraussetzungen günstig, eine hohe Lesemotivation zu entwickeln.
Da die Aspekte des Interesses und des Selbstkonzepts durch die
Begleitung vom Lehrer geprägt werden können, nehmen sie einen
wichtigen Stellenwert in der Förderung der Lesemotivation ein.72 In
Kapitel 4 wird weiter erklärt, wie man praktisch mit diesen Aspekten
im Literaturunterricht umgehen kann.
Mehrere Studien, von zum Beispiel Baker & Wigfield (1999), 73
Guthrie et al. (1999)74 und Schaffner & Schiefele (2007),75 haben
gezeigt, dass vor allem die Aspekte der intrinsischen Lesemotivation
einen günstigen Effekt auf die Lesekompetenz haben. Umgekehrt ist
aber auch gezeigt worden (Morgan & Fuchs, 2007),76 dass die
academic behaviors. In: Achievement and achievement motives. Hg. von
Janet T. Spence. New York: Freeman 1983, S. 75-146.
70 Jacquelynne S. Eccles: Understanding women’s educational and occupational
choices: Applying the Eccles et al. model of achievement-related choices.
In: Psychology of Women Quarterly 18 (1994), H. 4, S.585-609.
71 Nele McElvany et al., 2008, S.208
72 Stefanie Meyer, 2009, S. 26f.
73 Linda Baker und Allan Wigfield, 1999.
74
John T. Guthrie et al., 1999.
75 Ellen Schaffner und Ulrich Schiefele, 2006.
76 Paul L. Morgan und Douglas Fuchs: Is there a bidirectional relationship between
children’s reading skills and reading motivation? In: Exceptional Children
73 (2007), S.165-183.
25
Lesekompetenz sich positiv auf die Lesemotivation auswirken kann.
Wie
dieser
Zusammenhang
zwischen
Lesemotivation
und
Lesekompetenz genau funktioniert, wird im folgenden Abschnitt
erörtert.
2.3 Zusammenhang
zwischen
Lesemotivation
und
Lesekompetenz
Der Zusammenhang zwischen Lesemotivation und Lesekompetenz
ist kein direkter Zusammenhang. Angenommen wird, dass dieser
Zusammenhang über das Leseverhalten funktioniert. Mit dem
Leseverhalten wird die Lesemenge bzw. Lesehäufigkeit gemeint.
Wenn ein Schüler intrinsisch zum Lesen motiviert ist, wird er mehr
und häufiger lesen. Diese Annahme wurde in der Studie von Guthrie
& Wigfield bestätigt (1997).77 Aus der Studie von Guthrie et al. (1999)
78
zeigt sich, dass dieses positive Leseverhalten die Lesekompetenz
fördert. Angenommen wird, dass dies sich auf vier verschiedene
Ebenen vollzieht.79 Zuerst fördert die vermehrte Übung die
Leseeffektivität. Das Lesen wird flüssiger und basale Leseprozesse
werden automatisiert. Zweitens kann durch das häufige Lesen das
Vorwissen des Lesers erweitert werden und demzufolge das
Textverständnis
gefördert
werden.
lesebezogene
Selbstkonzept
und
Drittens
die
können
das
lesebezogene
Selbstwirksamkeitsüberzeugung sich verstärken, was zu einer
Auswahl von schwierigen Texten führen könnte. Schließlich wird die
wechselseitige Abstimmung von kognitiven und motivationalen Zielen
durch die zunehmende Erfahrung unterstützt. Umgekehrt könnte es
auch so sein, dass ein Schüler, dessen Lesekompetenz groß ist,
mehr und öfter liest, dadurch mehr Spaß daran hat, darum immer
häufiger lesen will und dadurch kompetenter wird. Zu dieser
77
Allan Wigfield und John T. Guthrie: Motivation for reading: An overview. In:
Educational Psychologist 32 (1997), S.57-58.
78 John T. Guthrie et al., 1999.
79 Nele McElvany et al., 2008, S.209f.
26
wechselseitigen Beeinflussung gibt es theoretische als auch
empirische Hinweise aus den Untersuchungen von Cunningham &
Stanovich (1997)80 und von Ennemoser & Schneider (2007).81
Diesen sich selbst verstärkenden Mechanismus hat Stanovich in
seinem Matthäus-Effekt-Modell beim Lesen beschrieben (1986;
2000).82
83
Dieser Effekt beschreibt wie gute Leser motiviert sind
mehr zu lesen und damit immer besser werden und wie schwache
Leser zum Lesen demotiviert werden, dadurch weniger lesen wollen
und damit ihre Lesekompetenz verringern bzw. nicht verbessern.
Gute Leser werden also besser, schwache Leser werden schwächer.
Die Lesemotivation und die Lesekompetenz hängen zusammen und
beeinflussen einander. Doch geht unter anderem aus der Studie von
McElvany et al.84 hervor, dass sie im Laufe der Schulzeit gegenläufig
ab- bzw. zunehmen. Die damit zusammenhangenden Entwicklungen
und die möglichen Gründe dafür werden im folgenden Abschnitt
besprochen.
2.4 Ursachen der Motivationsprobleme
Für den Rückgang der Lesemotivation sind viele Gründe zu nennen.
So zeigen Wigfield und Guthrie (1997),85 dass die Einschätzung der
eigenen Kompetenzen vermindert. Negative Leseerfahrungen oder
Rückmeldungen, wie zum Beispiel schlechte Noten, können, obwohl
die Lesekompetenz mit zunehmenden Alter besser wird, das
Leseselbstkonzept,
die
Selbstwirksamkeit
Leseselbstvertrauen
schaden.
Weiter
geht
und
die
das
soziale
80
Anne E. Cunningham und Keith E. Stanovich: Early reading acquisition and its
relation to reading experience and ability 10 years later. In: Developmental
Psychology 33 (1997), S.934-945.
81 Marco Ennemoser und Wolfgang Schneider: Relations of television viewing and
reading development: Findings from a 4-years longitudinal study. In:
Journal of Educational Psychology 99 (2007), S. 349-368.
82 Keith E. Stanovich: Matthew effects in reading: Some consequences of
individual differences in the acquisition of literacy. In: Reading Research
Quarterly 21 (1986), S. 360-407.
83 Keith E. Stanovich: Progress in understanding reading. Scientific foundations
and new frontiers. New York: Guilford Press 2000.
84 Nele McElvany et al., 2008, S.216.
85 Allan Wigfield und John T. Guthrie, 1997.
27
Lesemotivation und das Streben nach Anerkennung zurück.86 Auch
wird nach Gambrell et al.87 die Nützlichkeit und Wichtigkeit des
Lesens schon früh im Laufe der Grundschulzeit von den Schülern als
niedriger eingeschätzt. Demzufolge sind die Schüler weniger
motiviert zu lesen. Außerdem spielt das Interesse zum Lesen, oder
besser gesagt, das Desinteresse zum Lesen eine sehr große Rolle. 88
Die Schüler schätzen den Inhalt bzw. das Thema der Texte nicht
mehr, weil sie einfach mit zunehmendem Alter andere Interessen
entwickeln. Auch wird das Interesse am Lesen an sich oft durch
andere tollere (Freizeit)Beschäftigungen wie Sport oder andere
außerschulische Aktivitäten ersetzt. Daneben werden für die Schüler
mit zunehmendem Alter außerschulische Kontakte, Freunde, erste
Beziehungen usw. viel wichtiger. Eccles und Midgley (1989)89
meinen, dass die Veränderung im Klassenkontext, hauptsächlich
beim Übergang von Primar- zur Sekundarstufe, für die Abnahme der
Lesemotivation
verantwortlich
ist.
Dies
sollte
nämlich
einen
verstärkten Leistungs- und Wettbewerbsdruck mit sich bringen.
Diese Gründe zählen nicht nur für die Motivation beim Lesen in der
Muttersprache, aber auch in der Fremdsprache. Beim Lesen in der
Fremdsprache kommen aber noch zusätzliche Aspekte hinzu, die die
Lesemotivation weiter verringern könnte.90 So können sprachliche
Schwierigkeiten (z.B. Wortschatz & Grammatik) und fehlendes
historisches und kulturelles kontextuelles Wissen das Lesen
erschweren
und
damit
einen
negativen
Einfluss
auf
die
Lesemotivation haben.
86
Cordula Artelt, Nele McElvany, Ursula Christmann, Tobias Richter, Norbert
Groeben, Juliane Köster, Wolfgang Schneider, Petra Stanat, Christian
Ostermeier, Ulrich Schiefele, Renate Valtin, Klaus Ring: Förderung von
Lesekompetenz. Expertise. Berlin/Bonn: Bundesministerium für Bildung
und Forschung 2007, S.20.
87 Linda B. Gambrell, Barbara Martin Palmer, Rose Marie Codling, Susan Anders
Mazzoni: Assessing motivation to read. In: Reading Teacher 49 (1996), S.
518-533.
88 Nele McElvany et al., 2008, S.209.
89 Jacquelynne S. Eccles und Carol Midgley: Stage-environment fit: Developmentally appropriate classrooms for young adolescents. In: Carol Ames &
Russel Ames (Eds.): Research on motivation in education 3 (1989), S.
139-186. New York: Academic Press.
90 Carla Dauven und Charlotte Dignath, 2012.
28
Nachdem in diesem Abschnitt deutlicher geworden ist, welche
Gründe es für den Mangel an Lesemotivation geben könnten, wird im
folgenden Abschnitt erörtert, auf welche Weise mit diesen und
anderen
Aspekten
im
fremdsprachlichen
Literaturunterricht
umgegangen werden kann, um die Schüler zum Lesen
zu
(re)motivieren.
2.5 Förderung der Lesemotivation
Nicht alle in dem vorigen Abschnitt besprochene Gründe für den
Lesemotivationsverlust oder -Mangel können vom Lehrer beseitigt
werden. So kann man als Lehrer nichts dafür, dass die Schüler sich
im Pubertätsalter lieber mit Social Media beschäftigen, um auf diese
Weise mit Altersgenossen in Kontakt zu kommen. Man kann aber als
Lehrer schon auf eine bestimmte Weise mit den von Möller und
Schiefele (2004)91 auskristallisierten Aspekten der Lesemotivation
umgehen, um die Lesemotivation der Schüler zu fördern.
Der erste Aspekt ist das Interesse am Lesen. Es gibt für Schüler
einen Unterschied zwischen dem was sie für Schule lesen müssen
und dem was sie interessiert.92 Mehrere Studien von u.a. Atwell
(2007),93 Marzano (2004)94 und Smith & Wilhelm (2002)95 haben
gezeigt, dass wenn ein Leserprogramm auf die Interessen des
Schülers abgestimmt ist, dies die Lesefertigkeit und Lesemotivation
bedeutsam zugute kommt. Es wäre darum empfehlenswert zuerst als
Lehrer zu erfinden, was die Interessen des Schülers sind.96 Sammeln
91
Jens Möller und Ulrich Schiefele, 2004, S. 105.
Janice L. Pilgreen: The SSR Handbook. How to Organize and Mange a
Sustained Silent Reading Programme. Portsmouth: Boynton/Cook
Publishers, Inc. 2000.
93 Nancie Atwell: The Reading Zone: How to help kids becoming skilled,
passionate, habitual, critical readers. New York: Scolastic 2007.
94 Robert J. Marzano: Building Backround Knowlegde for Academic Achievement.
Research on What Works in Schools. Association for Supervision and
Curiculum Development. Alexandria: Heinle ELT 2004.
95 Michael W. Smith und Jeffrey D. Wilhelm: Reading don't fix no chevys: The role
of literacy in the lives of young men. Portsmouth, NH: Heinemann 2002.
96
Carla Dauven und Charlotte Dignath, 2012.
92
29
Sie die Interessen des Schülers ein und versuchen Sie dem Schüler
Themen anzubieten die ihn interessieren könnten und versuchen
Sie,
wenn
möglich,
dem
Schüler
so
viel
wie
möglich
Wahlmöglichkeiten zu geben. Hier wäre es, meiner Meinung nach,
auch gut möglich ein scheinbar außerschulisches Interesse wie
Social Media im Literaturunterricht einzubringen. Auf diese Weise
könnte man jemanden, der sich nicht für Literatur interessiert,
motivieren. Wenn man einen Startpunkt gefunden hat, der den
Schüler interessiert, dann kann man leichter daran anknüpfen. Die
Möglichkeit,
diese
und
andere
Medien
im
Literaturunterricht
einzusetzen, wird in Kapitel 5 der Literaturvermittlung weiter
besprochen.
Der zweite Aspekt ist das lesebezogene Selbstkonzept. Dabei sollte
man zuerst herausbekommen müssen, ob der Schüler es sich traut
in der deutschen Sprache zu lesen.97 Wenn dies nicht der Fall ist,
sollte man ausfindig machen, warum dies nicht der Fall ist. Vielleicht
liegt das Problem bei dem fremdsprachlichen Niveau oder vielleicht
bei dem Umfang des Buches. Wenn der Grund bekannt ist, können
gezielte Strategien wie Planungsstrategien oder Lesestrategien
angewandt werden, um die Lesearbeit zu bewältigen und damit die
Lesemotivation zu fördern.
Der dritte Aspekt ist der Aspekt des Wertes. Dabei ist es wichtig,
dass dem Schüler deutlich gemacht wird, was das Lesen ihm bringen
wird, was das Nutzen, die Ziele und die Relevanz des Lesens und
der Herangehensweise und Verarbeitung ist.98 Dies könnte in der
Vorphase der Textarbeit in zum Beispiel einem Klassengespräch
besprochen werden. Die Rolle der Vorphase der Textarbeit wird in
Kapitel 5 der Literaturvermittlung noch ausführlich erörtert.
Der letzte Aspekt ist der Aspekt der Erfolgswartung, auch
Selbstwirksamkeit genannt. Dabei ist es nicht nur wichtig, dass der
97
98
Carla Dauven und Charlotte Dignath, 2012.
Idem.
30
Schüler selbst seinen Erfolg einschätzt, sondern vor allem, dass der
Lehrer den möglichen Erfolg des Schülers einschätzt und sich fragt,
ob das Ziel für den Schüler realistisch und erreichbar ist. 99 Wenn die
Ziele für den Schüler erreichbar sind, dann bekommt er eine positive
Erfolgserwartung. Demzufolge ist die Chance auf ein Erfolgserlebnis,
ein
positives
Selbstkonzept
und
damit
eine
Förderung
der
Lesemotivation größer.
In diesem Kapitel wurde nachgegangen wie die Lesekompetenz und
die Lesemotivation funktionieren und wie sie sich entwickeln. Auch
wurde die Frage nach ihrem Zusammenhang beantwortet. Damit
wurde auch die Relevanz der Lesemotivation deutlich gemacht.
Außerdem wurde die Hauptfrage dieser Arbeit, mit den gegebenen
Empfehlungen zur Lesemotivationsförderung, teilweise beantwortet.
In Kapitel 4 & 5 wird weiter erörtert wie diese Einsichten praktisch in
der
Didaktisierung
durchgeführt
bzw.
werden
in
der
könnten.
Organisation
Bevor
aber
der
die
Lehrpläne
Inhalte
des
Literaturunterrichts besprochen werden, kommt es im nächsten
Kapitel zuerst zum Thema Literatur und Literatur im DaF-Unterricht.
99
Carla Dauven und Charlotte Dignath, 2012.
31
3
Literatur im DaF-Unterricht
In diesem Teil der Arbeit kommt es zu den Themen Literatur und
Literatur im DaF-unterricht. Zuerst wird klar gemacht was Literatur
genau ist und vor allem was ihre Bedeutung im Rahmen dieser
Arbeit ist. Danach wird erörtert, was die Position von Literatur im
DaF-Unterricht war und heutzutage ist. Schließlich werden die
Gründe für und die Ziele von Literatur im DaF-Unterricht behandelt.
Damit
wird
das
Literaturunterrichts
klar
Fundament
gemacht,
eines
in
dem
fremdsprachlichen
Förderung
der
Lesemotivation eine große Rolle spielt.
3.1 Was ist Literatur?
Es gibt viele Versuche den Begriff Literatur zu definieren. Eine
Definition von Bredella (1989) die auch von Koppensteiner angeführt
wird, ist eine umfassende Definition, die in dem fremdsprachlichen
Rahmen dieser Arbeit angewendet werden kann:
„Die umfassendste Definition besagt, dass alles Geschriebene
legitimer Untersuchungsgegenstand der Literaturwissenschaft ist,
angefangen von Kochrezepten, Zaubersprüchen, Gesetzen,
Ordnungsregeln, politische Reden, Briefen, philosophischen und
religiösen Traktaten bis zu Gedichten, Dramen und Romanen.“ 100
Diese
Definition
gilt
vor
allem
in
dem
Fall
wobei
die
Literaturwissenschaft Teil einer allgemeinen Kulturwissenschaft ist,
und wird meistens für die Epochen angewendet, aus denen wenige
Dokumente
überliefert
sind.
Dass
diese
Definition
im
Fremdsprachenunterricht angewendet werden kann, hat damit zu
tun, dass die vielen unterschiedlichen Textsorten für landeskundliche
Ziele benutzt werden, um die Kultur des Zielsprachenlandes kennen
zu lernen. Darum sind in den Lehrwerken neben den literarischen
Texten im engeren Sinne, wie Gedichte, Lieder und Kurzprosa, viele
100
Lothar Bredella: Literaturwissenschaft. In: Handbuch Fremdsprachenunterricht.
Hg. von Karl-Richard Bausch. Tübingen: Francke 1989, S. 46-54, S.46.
32
unterschiedliche und manchmal auch authentische Texte zu finden,
wie Zeitungsartikel, Leserbriefe, Statistiken und Interviews. In dieser
Arbeit spielt die Entwicklung der fremdsprachlichen Lesesozialisation
und des Leseprozesses eine große Rolle. Deswegen wird mit dem
Begriff Literatur in dieser Arbeit also nicht nur Literatur im engeren
Sinne, aber auch Literatur im weitesten Sinne gemeint, wobei alle
Formen von Texten, die dem Alter und der Entwicklungsphase der
Schüler gerecht werden, miteingeschlossen werden. Die literarische,
sprachliche und interkulturelle Kompetenz der Schüler muss sich
nämlich zuerst entwickeln können anhand von Einstiegsliteratur wie
Märchen, Fabeln, Jugendliteratur, Comics, Wortbilder, Bilderbücher,
Lieder usw. Nur dann sind die Schüler bereit und fähig sich mit der
Literatur im engeren Sinne, wie zum Bespiel Kanonliteratur, zu
beschäftigen.
3.2 Die Position von Literatur im DaF-Unterricht
Welche Rolle Literatur im DaF-Unterricht spielt und spielte, hat vor
allem mit den Methoden des fremdsprachlichen Deutschunterrichts
und den literaturtheoretischen Positionen der Literaturwissenschaft
zu tun (Bredella 1989)101 (Neuner & Hunfeld 1997).102 Außerdem
bestimmen diese nicht nur die Position von Literatur im DaFUnterricht, sie prägen auch die Didaktik des fremdsprachlichen
Literaturunterrichts.
Es gibt viele unterschiedliche Methoden die im fremdsprachlichen
Deutschunterricht benutzt werden. Die Methoden unterscheiden sich
nach Neuner & Hunfeld103 in den Lehrzielen (was gelehrt werden
soll) und in den Unterrichtsprinzipien (wie gelehrt werden soll).
Manchmal wird vom Lehrenden nicht nur eine Methode gewählt,
101
Lothar Bredella, 1989, S.47.
Gerhard Neuner und Hans Hunfeld: Methoden des fremdsprachlichen
Deutschunterrichts. Eine Einführung. 5. Auflage. Berlin: Langenscheidt
1997, S. 9.
103 Idem, S. 17.
102
33
sondern gibt es eine Kombination von mehreren Methoden. Dies
hängt von der Zielgruppe und vom Lernbedürfnis ab. Denn bei jeder
Gruppe kann alles anders funktionieren und damit kann jeweils eine
andere Methode die geeignete Methode sein. Dass die Methoden
und die Standpunkte zu Literatur(Unterricht) sich ständig verändern,
hat mit mehreren Faktoren104 zu tun. So gibt es erstens die Faktoren
auf übergreifende gesellschaftliche Ebene. Dies hat mit den
politischen, geographischen und kulturellen Verhältnissen zu tun. Ein
Beispiel dafür ist, dass in den Niederlanden an der weiterführenden
Schule das Fach Deutsch und nicht das Fach Japanisch, als eine
zweite Fremdsprache angeboten wird, weil die deutsche und die
niederländische Sprache sich mehr ähneln, die Länder näher
zueinander liegen und die Sprache damit eher gesprochen wird oder
werden muss. Zweitens gibt es die Faktoren auf allgemeinpädagogische Ebene. Diese sind institutionelle Faktoren des Lernens
in der Schule und haben mit den allgemeinen Vorstellungen zu
Bildung,
Erziehung,
Lehrerrolle,
allgemeinen
Aussagen
zur
Lerntheorie und mit der Stellung des Faches im Fachkanon (Deutsch
als 1./2./3. Fremdsprache) zu tun. Drittens gibt es die Faktoren auf
fachliche Ebene, die mit den Befunden der Fachwissenschaften
(Linguistik, Landeskunde, Literatur- und Textwissenschaft) und mit
der Fachdidaktik (Lernzielbestimmung, Lernstoffauswahl und –
Abstufung und Lehrstoffaufbereitung) zu tun haben. Schließlich gibt
es die Faktoren auf die Ebene des Fachunterrichts. Hierzu zählen
der Lehrer, die Lerngruppe, der Lernstoff, die Lernziele usw. Im
Folgenden werden die wichtigsten Methoden des fremdsprachlichen
Deutschunterrichts und ihre Haltung zu Literatur(Unterricht) nach
Neuner & Hunfeld dargelegt.105 106
104
Gerhard Neuner und Hans Hunfeld, 1997, S. 10-12.
Idem.
106 Gerhard Neuner: Literaturwissenschaft. In: Handbuch Fremdsprachenunterricht.
Hg. von Karl-Richard Bausch. Tübingen: Francke 1989, S. 145-153.
105
34
Die Grammatik-Übersetzungs-Methode (GÜM)107
Diese Methode wurde im 19. Jahrhundert in Europa für den
neusprachlichen Unterricht entwickelt. Der Unterricht der Sprachen
Griechisch und Latein diente dabei als Vorbild. Die Vermittlung der
Grammatikregeln sowie deren praktische Anwendung in einem
Übersetzungstext ist Hauptinhalt dieser Methode. Die Schüler sollten
die grammatischen Strukturen auswendig lernen und kognitivieren.
Bei dieser Methode liegt ein kognitives Lernkonzept zugrunde.
Sprachenlernen bedeutet hier formale Geistesschulung, Erziehung
zu ordnendem Denken. Nur die Fertigkeiten Lesen und Schreiben
spielen hierbei eine Rolle. Literatur (als geformte Sprache) war sehr
wichtig und galt als Zeugnis der geistigen Leistungen einer
Sprachgemeinschaft. Die Lernenden sollten die kulturellen Werte, die
in der Literatur gezeigt werden aufnehmen und verstehen.
Die direkte Methode (DM)108
Die direkte Methode galt als die Ablösung der GrammatikÜbersetzungs-Methode und als die Vorbereitung der audiolingualen
Methode. Wilhelm Viëtors (1882)109 Essay Der Sprachunterricht
muss umkehren
war der Ausgangspunkt für die Entwicklung der
direkten Methode. Die Methode befürwortet, im Gegensatz zur
Grammatik-Übersetzungs-Methode,
einen
aktiven
Fremdsprachenunterricht, in dem die gesprochene Sprache die
wichtigste Rolle spielt. Die Alltagssituationen im Zielsprachenland
stehen zentral. Die Fremdsprache sollte ‚direkt’ gelernt werden. Das
heißt, dass die Muttersprache völlig außer Betracht gelassen wurde.
Ein imitatives, assoziatives und induktives Konzept des Lernens
prägt diese Methode. Die Rolle der Literatur in dieser Methode ist
zwiespältig. Einerseits ergänzen Lieder, Reime, Geschichten,
107
Gerhard Neuner und Hans Hunfeld, 1997, S. 19-32.
Idem, S. 33-44.
109 Wilhelm Viëtor: Der Sprachunterricht muss umkehren! Ein Beitrag zur
Überbürdungsfrage von Quousque Tandem. Heilbronn: Gebr. Henninger
1882.
108
35
Märchen usw. den auf dem Alltag bezogenen Unterricht. Anderseits
wird die höhere Literatur in dieser Methode völlig außer Betracht
gelassen.
Die audiolinguale (ALM) und die audiovisuelle Methode (AVM)110
Die audiolinguale Methode wurde in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts in den USA entwickelt und baute auf die direkte
Methode auf. Das Hören und Sprechen spielen in dieser, auf die
Alltagskommunikation bezogenen Methodik, die wichtigsten Rollen.
Das Ziel ist Sprachkönnen und nicht Sprachwissen. Der Dialog ist die
dominierende Textsorte, die im Unterricht benutzt wurde und galt als
Modell
für
die
landeskundliche
Alltagssprache.
orientierte
Weiterhin
Sachtexte
im
werden
Unterricht
auch
benutzt.
Literarische Texte werden jedoch überwiegend ausgeschlossen. In
Frankreich entwickelte sich dann eine vergleichbare Methode, die
allerdings
nicht
von
der
audiolinguale
beeinflusst
war:
die
audiovisuelle Methode. Bei dieser Methode stehen das Hören und
das Sehen zentral. Diese Methode unterscheidet sich von der
audiolingualen Methode vor allem darin, dass der Einsatz von
akustischem und visuellem Material in diesem Konzept gleichzeitig
stattfindet. Ihre Einstellung zu dem Einsatz von Literatur ist
einheitlich.
Die vermittelnde Methode (VM)111
Als nach dem Zweiten Weltkrieg, am Anfang der 50-er Jahre, die
Leute wieder in die deutschsprachigen Länder kamen, entstand vor
allem bei den Lehrenden der Goethe-Institute das Bedürfnis auf eine
andere Weise die deutsche Sprache zu vermitteln. Die Lernenden
waren vor allem Erwachsenen mit unterschiedlichem Herkunft und
unterschiedlichen Hintergründen, für die die deutsche Sprache nicht
die erste Fremdsprache war. Man wollte eine Methode benutzen, die
110
111
Gerhard Neuner und Hans Hunfeld, 1997, S. 45-69.
Idem, S. 70-82.
36
geeignet war für diese heterogenen Gruppen. Daraus entstand der
Versuch
die
Grammatik-Übersetzungs-Methode
und
die
audiolinguale Methode mit einander zu verbinden. Die benutzten
Texte dienten vor allem der Grammatik, dem Wortschatz und als
Einstieg für die kommunikativen Alltagssituationen.
Die kommunikative Didaktik (KD)112
In den 60-er und 70-er Jahren änderten sich die Zielgruppen und die
Bedürfnisse des Fremdsprachenunterrichts. Die wachsende Mobilität
der Menschen, in Zusammenhang mit Beruf und Freizeit (Tourismus)
und
die
(Telefon,
neuesten Entwicklungen
Rundfunk
und
der Kommunikationsmedien
Fernsehen)
trugen
dazu
bei.
Fremdsprachenunterricht war nicht ausschließlich für die höhere
Bildung, sondern gab es nun auch für Hauptschüler, Erwachsene
und Teilnehmer beruflicher Fortbildungen. Jedoch waren die
vorhandenen und vor allem für das Gymnasium konzipierten
Methoden nicht geeignet für diese unterschiedlichen Zielgruppen. Bei
der Entwicklung dieser neuen kommunikativen Didaktik, mit Piepho
(1974)113 als einer der Vertreter, spielten die pragmatischen
Perspektive und die pädagogischen Perspektive die wichtigsten
Rollen. Aus pragmatischer Sicht sollte der Fremdsprachenunterricht
zum
Sprachkönnen
pädagogischer
Sicht
in
Alltagssituationen
beitragen.
hat
Fremdsprachenunterricht
Aus
auch
ein
erzieherisches Ziel. Das heißt, dass die Schüler ihr Verständnis für
andere Völker, Kulturen und ihre Lebensweisen und Gewohnheiten,
im Fremdsprachenunterricht entwickeln müssen. Die kommunikative
Didaktik ist auf die Erlebniswelt der Schüler angewandt und soll die
Schüler aktivieren. Diese Methodik kennt zwei unterschiedliche
Strömungen. In den 70-er und am Anfang der 80-er Jahre gewann
die pragmatische Perspektive die Oberhand. Die benutzten Texte
waren vor allem authentische Texte aus Alltagssituationen, wie
112
113
Gerhard Neuner und Hans Hunfeld, 1997, S. 83-105.
Hans-Eberhard Piepho: Kommunikative Kompetenz als übergeordnetes
Lernziel im Englischunterricht. Dornburg- Frickhofen: Frankonius 1974.
37
Zeitungsartikel, Prospekte, Nachrichten, Formulare, Speisekarten,
Wetterberichte, Briefe, Rezepte usw. Die ‘höhere‘ Literatur spielte
keine große Rolle. Im Laufe der 80-er Jahre wurde der interkulturelle
Aspekt immer wichtiger. Der interkulturelle Ansatz dieser Methode
war
auch
mehr
lernerorientiert.
Aus
landeskundlicher
und
interkultureller Sicht hatte der Gebrauch von höherer Literatur wieder
einen größeren Stellenwert.
Der interkulturelle Ansatz (IA)114
In der zweiten Hälfte der 80-er Jahre wuchs die Kritik an das
pragmatisch-funktionale Konzept der kommunikativen Didaktik. Vor
allem in zielsprachenfernen Ländern funktionierte das Konzept nicht
optimal. Denn für viele Schüler waren die neu erworbenen
Kommunikationsfähigkeiten sinnlos, weil sie ihre Kenntnisse nicht in
die Praxis anwenden konnten. Deswegen entwickelte sich die
kommunikative Didaktik in eine zielgruppen- bzw. regionalspezifische
Didaktik, wobei die eigenkulturellen Rahmenbedingungen des
Lernens in einem bestimmten Land oder in einer bestimmten Region
mehr berücksichtigt wird. Bei dem interkulturellen Ansatz ist das
funktionale Ziel auch wichtig, aber das umfassende pädagogische
Konzept spielt eine größere Rolle. Hierbei ist es wichtig, dass der
Lernende die Kultur des Zielsprachenlandes gut kennen lernt. Diese
Methodik ist sehr lernerorientiert und die Inhalte des Unterrichts
beziehen sich auf Themen und Interessen aus der Erlebniswelt der
Lernenden. Aus Sicht der Lernenden wird die Sprache und die Kultur
des Zielsprachenlandes mit der eigenen Sprache und Kultur
verglichen, um sie auf diese Weise besser kennen zu lernen. Der
Gebrauch von Texten ist in dieser Didaktik sehr wichtig. Von
Sachtexten bis zu Gebrauchstexten werden dabei im Unterricht
benutzt. Auch für fiktionale Texte gibt es in dieser Methode mehr
Platz. Laut Neuner & Hunfeld „schafft der fremdsprachliche fiktionale
Text beim Leser/Lerner eine Zwischenwelt zwischen seiner eigenen
114
Gerhard Neuner und Hans Hunfeld, 1997, S. 106-127.
38
und der (fremdkulturell geprägten) Welt des Textes.“115 Das
Spektrum der fiktionalen Texte ist breit. So gehören neben der
Kanonliteratur auch Kind- und Jugendliteratur, Kurztexte, Gedichte
und Konkrete Poesie dazu.
Außer dieser genannten Methoden gibt es noch mehr Methoden die
nicht in diesem Überblick aufgenommen sind. So gab es in den 80-er
Jahren
noch
Language
die
alternativen
Learning,
Methoden116
Humanistic
(u.a.
Approach,
Community
Silent
Way,
Suggestopädie und Total Physical Response) und gibt es noch die
Weiterentwicklungen
auf
die
kommunikative
Didaktik
wie
Handlungsorientierter Fremdsprachenunterricht (Timm & Gerhard
2009),117 Lernorientierter Fremdsprachenunterricht (Timm 2009),118
Ganzheitlicher Fremdsprachunterricht (Löffler/Schweitzer 1988)119 120
(Timm 1995)121 und das Lernen durch Lehren (Jean-Pol Martin
1994).122 Um den Überblick zu behalten, wird auf diese übrigen
Methoden nicht eingegangen.
Zusammen mit den unterschiedlichen Methoden bestimmen auch die
unterschiedlichen
literaturwissenschaftlichen
Theorien
den
fremdsprachlichen Literaturunterricht und seine Didaktik. Wie die
unterschiedlichen Methoden ändern die Literaturtheorien sich auch.
115
Gerhard Neuner und Hans Hunfeld, 1997, S. 120.
Idem, S. 127.
117 Gerhard Bach und Johannes-Peter Timm (Hrsg.): Englischunterricht.
Grundlagen und Methoden einer handlungs-orientierten Unterrichtspraxis.
Tübingen: A. Francke 2009.
118 Johannes-Peter Timm: Lernerorientierter Fremdsprachenunterricht: Förderung
systemisch-konstruktiver Lernprozesse. In: Englischunterricht. Grundlagen
und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis. Hg. von
Gerhard Bach und Johannes-Peter Timm. Tübingen: A. Francke 2009, S.
43-60.
119 Renate Löffler und Klaus Schweitzer: Brainlinks. Bausteine für einen
ganzheitlichen Englischunterricht. Weinheim: Beltz 1988.
120 Renate Löffler: Ganzheitliches Lernen. Grundlagen und Arbeitsformen. In:
Englischunterricht. Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten
Unterrichtspraxis. Hg. von Gerhard Bach und Johannes-Peter Timm.
Tübingen: A. Francke 2009, S. 42–68.
121 Johannes-Peter Timm (Hrsg.): Ganzheitlicher Fremdsprachenunterricht.
Weinheim: Deutscher Studien Verlag 1995.
122 Jean-Pol Martin: Vorschlag eines anthropologisch begründeten Curriculums für
den Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Gunter Narr 1994.
116
39
Außerdem
wird
die
Entwicklung
der
Methoden
durch
Literaturtheorien beeinflusst. Im Folgenden werden die
die
zwei
Literaturtheorien, die den meisten Einfluss im gegenwärtigen
Literaturunterricht haben, nämlich die Rezeptionsästhetik und die
interkulturelle
Andere
Germanistik,
wichtige
nach
Literaturtheorien
Koppensteiner123
sind
New
Literaturwissenschaft,125
ideologiekritische
dargestellt.
Criticism,124
strukturalistische
Literaturwissenschaft126 und dekonstruktivistische Literaturwissenschaft.127 Diese werden hier nicht weiter erläutert.
Rezeptionsästhetik128
Die Rezeptionsästhetik hat vor allem in den 80-er Jahren den
größten
Einfluss
auf
die
Literaturdidaktik
gehabt.
Die
Rezeptionstheorie beschränkt sich nicht ausschließlich auf den Text.
Sie stellt sogar die Reaktionen des Lesers im Mittelpunkt. Laut dieser
Theorie kann ein Text nicht an sich existieren, sondern nur in
Zusammenhang mit der Rezeption des Lesers. Jedes Mal wenn ein
Text gelesen wird, entsteht er immer wieder neu. Darum hat ein Text
also zwei Autoren, ein der ihn schreibt und ein der ihn liest. Der
Leser wird gewissermaßen zum Mitautor. „Der Text an sich hat noch
keine Bedeutung, er bietet nur Möglichkeiten zur Deutung an.
Aufgabe des Lesers ist es, diese Möglichkeiten auszuschöpfen. Er
tut dies, indem er sich selbst einbringt“, so Koppensteiner.129 Dieses
sich selbst Einbringen geschieht anhand der Kenntnisse und der
Vorerfahrungen des Lesers und ist für jeder also unterschiedlich. Es
gibt für einen Text also keine einzige richtige Interpretation mehr,
sondern
es
gibt
so
viele
richtige
und
unterschiedliche
Interpretationen wie es die Anzahl unterschiedlicher Leseakte gibt.
Jeder
Leser
gibt
dem
Text
seinen
eigenen
Sinn.
123
Jürgen Koppensteiner, 2001, S.25-31.
Idem, S. 25.
125 Idem, S.25f.
126 Idem, S.26f.
127 Idem, S.27.
128 Idem, S.27-30.
129
Idem, S.28.
124
40
Die wichtigsten Vertreter der Rezeptionsforschung sind unter
anderem Stanley Fisch (1980),130 David Bleich (1978)131 und
Wolfgang
Iser
(1976).132
Laut
Bredella133
unterscheiden
die
einzelnen Positionen innerhalb der Rezeptionsästhetik sich in wie sie
über die Rolle des Textes und in wie fern er den Leser lenkt, denken.
Die
Rezeptionsästhetik
stellt
die
Text-Leser-Beziehung
im
Mittelpunkt. Außerdem passt die Sichtweise der Rezeptionsästhetik
gut zu den allgemein pädagogischen Vorstellungen, wobei der
Unterricht schülerzentriert ist. Der Text wird nicht nur vom Schüler
gelesen und verstanden, sondern er trägt auch dazu bei, dass der
Schüler anhand seiner Reaktion auf den Text sich selbst
kennenlernt.
Aufgabe
Interaktionsprozess
zu
der
Literaturdidaktik
unterstützen
und
ist
zu
es,
diesen
verstärken.
Diese Entwicklung zur objektivistischen Literaturwissenschaft bringt
aber auch die Frage mit sich, ob damit alle unterschiedlichen
Deutungen der Leser auch als legitim gesehen werden müssten. Und
was sei denn überhaupt das Ziel der Interpretation? Ist das
Verständnis des Lesers oder des Textes wichtiger? Diese Fragen
sind in der Literaturwissenschaft und in der Literaturdidaktik
ausführlich diskutiert worden. Die Meinungen in dieser Angelegenheit
sind geteilt. Bredella ist der Meinung, „dass es notwendig scheint, die
konstitutive Rolle des Lesers anzuerkennen und gleichzeitig darauf
hinzuweisen, dass es das vorrangige Ziel der Interpretation ist, den
Text zu verstehen.“134
130
Stanley Fisch: Is There a Text in This Class? London: Harvard University Press
1980.
131 David Bleich: Subjective Criticism. Baltimore: Johns Hopkins University Press
1978.
132 Wolfgang Iser: Der Akt des Lesens. München: Wilhelm Fink Verlag 1976.
133 Lothar Bredella, 1989, S.51.
134
Idem, S.52.
41
Die interkulturelle Germanistik135
Die interkulturelle Germanistik ist laut Dietmar Rösler einer „der
erfolgreichsten Neuansätze innerhalb der Germanistik der achtziger
und neunziger Jahre“136 und hat die Rolle der Literatur im
Fremdsprachenunterricht wesentlich beeinflusst. Sie stellt den
fremdsprachlichen Leser im Mittelpunkt und geht davon aus, dass
ein
deutscher
literarischer
Text
außerhalb
des
deutschen
Sprachraumes ein fremder Text ist, den man aus fremdkultureller
Perspektive auf eine unterschiedliche Weise versteht als einen
literarischen Text aus der eigenen Kultur. Die interkulturelle
Germanistik versucht anhand literarischer Texte die, in diesem Fall,
deutschsprachige Fremdkultur zu verstehen und sie mit der eigenen
Kultur zu vergleichen. Bei den fremdsprachlichen Lesern könnte dies
laut Koppensteiner einerseits zu negativen Gefühlen führen, weil sie
Schwierigkeiten haben die fremde Kultur zu verstehen. Sie müssen
sich den Unterschiede und den auffallenden Sachen im Text bewusst
werden. Wichtig dabei ist, dass die Leser ihre Vorkenntnisse und den
Kontext als Begleitung benutzen. Auf diese Weise könnte eine
mögliche Fehlinterpretation vermieden werden. Anderseits sollte
dieser interkulturelle Ansatz auch positive Gefühlen mit sich führen.
Die Leser sollten neugierig gemacht und herausgefordert werden.
Dieser Ansatz bietet die Leser die Chance die andere fremde Kultur
besser kennen zu lernen. Die Leser können die Leerstellen mit den
Gedanken aus ihrer eigenen Erlebniswelt ergänzen und damit
werden die eigene Kultur und die fremde Kultur mit einander
verbunden. Außerdem kann der interkulturelle Vermittlungsprozess
eine starke Motivation beim Lernen und Kennenlernen der
Fremdkultur zustande bringen, denn eine Fremdsprache lernen
bedeutet auch die fremde Kultur kennen lernen. Weiterhin kann
dieser Ansatz dem Leser helfen sich selbst besser kennen zu lernen,
in dem der Leser sich selbst und seine eigene Situation und seine
135
136
Jürgen Koppensteiner, 2001, S.30f.
Dietmar Rösler: Deutsch als Fremdsprache. Sammlung Metzler 280. Stuttgart:
Metzler 1994, S. 151.
42
eigenen Erfahrungen im Leseakt einbringt.
3.3 Wozu Literatur im DaF-Unterricht?
Die Position von Literatur in DaF-Unterricht hat sich, wie schon
erwähnt, im Laufe der Jahren immer wieder geändert. Grund dafür
waren die Methoden für den Fremdsprachenunterricht, die sich
immer wieder geändert und entwickelt haben. So hat jede Strömung
ihre eigene Sichtweise auf die Rolle der Literatur und damit ihre
eigenen
Argumente
für
und
gegen
ihren
Gebrauch
im
Fremdsprachenunterricht. Im Folgenden werden die Argumente für
und gegen den Gebrauch von Literatur laut Koppensteiner
besprochen. Außerdem werden die damit verbundenen Lernziele von
Literatur im DaF-Unterricht erörtert.
Koppensteiner137 verteilt die Argumente gegen und für den Gebrauch
von Literatur in drei Gruppen: Argumente inhaltlicher Art, Argumente
sprachlicher Art und Argumente methodisch-didaktischer Art. Als
inhaltliche Argumente gegen Literatur nennt Koppensteiner erstens
die geringe Literaturkultur in Deutschland und Österreich. Es gibt nur
einen kleinen Teil der Bevölkerung, die an Literatur interessiert ist.
Dieses Argument könnte man für die Niederlande auch geben, da die
Literaturgesellschaft in den Niederlanden, vor allem bei den
Jugendlichen, auch eher geschlossen ist (PISA 2009).138 Weiterhin
haben die meisten Schüler kein Interesse an Literatur und
assoziieren sie Literatur mit Langweiligkeit. Zuletzt nennt er die eher
negativen Merkmale literarischer Texte die den Gebrauch von
Literatur unangenehm machen würden: literarische Texte sollten
nämlich lebensfremd, zu intellektuell und veraltet sein. Dann zitiert er
noch ein pragmatisches Argument gegen den Gebrauch von Literatur
in DaF-Unterricht von Ulrich Häussermann: „Ein Gedicht hilft nicht
137
138
Jürgen Koppensteiner, 2001, S.12ff.
Eckhard Klieme et al., 2010.
43
beim Lösen einer U-Bahn-Karte.“139 Dieses Zitat steht meiner
Meinung nach exemplarisch für den Gedanken vieler DaF-Dozenten,
die glauben, dass der Umgang mit Literatur nicht in einem
kommunikativen, lernerorientierten Ansatz passen würde. Auch sind
es Argumente auf sprachlicher Ebene anzuführen. So sind laut
Koppensteiner die literarischen Texte im Allgemeinen sprachlich zu
schwierig für die Schüler. Die Schüler sind nicht vorbereitet auf die
literarische Sprache, die doch sehr anders ist als die gelernte
Alltagssprache. Die Literarität des Textes macht es für die Schüler
schwierig nicht nur den Text sprachlich zu verstehen, aber vor allem
das zu erfinden, was der Autor unterlässt.
Außer dieser genannten sprachlich-semantischen und sprachlichästhetischen Faktoren gibt es auch den kultursemantischen Faktor.
Ein Mangel an einer interkulturellen Kompetenz und einem kulturhistorischen Kontext könnten den Literaturunterricht erschweren.
Laut Alois Wierlacher140 liegt bei diesem Faktor die eigentliche
Schwierigkeit des fremdsprachlichen Literaturunterrichts. Bernd Kast
nennt diese Argumente zusammen, eine „Infragestellung der
Sicherheit.“141 Diese Barrieren könnten dafür sorgen, dass die
Motivation für die Schüler, Literatur zu lesen, zerstört wird.
Zum Schluss sind auf der methodischen-didaktischen Ebene auch
noch Argumente gegen den Gebrauch von Literatur im DaFUnterricht zu geben. So sollten Sprach- und Literaturunterricht
einander methodisch ausschließen, denn
Literatur sollte die
139
Ulrich Häussermann: Pro und contra Literatur im Unterricht Deutsch als
Fremdsprache. Literarische Texte in der Unterrichtspraxis I:
Seminarbericht. München: Goethe-Institut 1984, S. 30 – 32, S. 30. Zitiert
nach Koppensteiner 2001, S.13.
140 Alois Wierlacher: Deutsche Literatur als fremdsprachliche Literatur: Zu
Gegenstand, Textauswahl und Fragestellung einer Literaturwissenschaft
des Faches Deutsch als Fremdsprache. In: Fremdsprache Deutsch:
Grundlagen und Verfahren der Germanistik als Fremdsprachenphilologie.
Band. 1. Hg. von Alois Wierlacher. München: Fink 1980, S. 146-165, S.
147.
141 Bernd Kast: Literarische Texte als Sprachlerntexte. In: Literarische Texte im
kommunikativen Fremdsprachenunterricht. Werkstattgespräche New York
1985. Hg. von Manfred Heid. München: Goethe-Institut 1985b, S. 106-121,
S. 109.
44
Kommunikation im DaF-Unterricht in dem Weg stehen. Weiterhin
sollten literarische Texte keine oder zu wenig Übungsmöglichkeiten
geben. Außerdem gibt es für DaF-Lehrer auch oft noch ein
praktisches
Argument,
nämlich
die
Zeit.
So
sollte
die
Literaturvermittlung nicht in ihrem zu umfassenden Lehrplan passen.
Auch sehen sie den Literaturunterricht als Zeitverschwendung, weil
das Lesepensum, für zum Beispiel ein Buch, oft sehr groß ist und
das Rendement dann verhältnismäßig sehr gering ist. Für sowohl
den Lehrer als auch für den Schüler ist es schwierig mit diesen
genannten Barrieren und Problemen ein Erfolgserlebnis zu erzielen.
Dies alles zusammen sollte es für Lehrer und Schüler sehr
anstrengend machen.
Obwohl vielleicht noch mehrere Argumente gegen den Einsatz von
Literatur im DaF-Unterricht auszudenken sind, überwiegen laut
Koppensteiner142 doch die Argumente für den Gebrauch von Literatur
im DaF-Unterricht. Trotzdem, benennt er, kann man die Argumente
gegen den Gebrauch von Literatur nicht einfach zur Seite schieben.
Ich teile diese Meinung und glaube sogar, dass man diese
Argumente gut überdenken und gerade benutzen muss bei der
Entwicklung bzw. Didaktisierung eines literarischen Beitrags. Nur
wenn die möglich negativen Aspekte des fremdsprachlichen
Literaturunterrichts beachtet werden und umgesetzt werden in eine
Optimalisierung des Literaturunterrichts, dann kann Literatur eine
positive und erfolgreiche Ergänzung zum Fremdsprachenunterricht
sein. Literaturunterricht soll meiner Meinung nach nur dann
angeboten
werden,
wenn
es
etwas
Positives
bringt.
Denn
langweiliger und schlecht überdachter Literaturunterricht richtet nur
Schaden an, vor allem an dem Imago der fremdsprachlichen
Literaturunterricht und an der Motivation des Schülers.
Als inhaltliches Argument für den Gebrauch von Literatur im DaF-
142
Jürgen Koppensteiner, 2001, S.14.
45
Unterricht nennt Koppensteiner143 erstens die Möglichkeit, die
Literatur den Schülern bieten kann, sie als eine Art Lebenshilfe zu
benutzen. Die literarischen Texte können, vorausgesetzt, dass sie
richtig ausgesucht sind und zu dem Sprachniveau und der
Erlebniswelt
der
Lernenden
passen,
als
Identifikationshilfe,
Fluchtmöglichkeit oder als mentaler und ethischer Kompass in der
realen Welt dienen. Die Schüler können anhand der Literatur ihre
psychologische
Wahrnehmungsfähigkeit
und
ihren
Horizont
erweitern und ihre Phantasie und ihr Selbstverständnis entwickeln.
Wenn mit Literatur, die gut ausgesucht und deren Vermittlung gut
überdacht ist, diese Spannung geboten wird und wenn die Schüler
sich persönlich engagieren können, dann werden sie sich nicht
langweilen.
Ein weiteres sprachliches Argument ist laut Koppensteiner die Art
des literarischen Schreibens. Es ist, wenn man es zum Beispiel
vergleicht
mit
Zeitungstexten,
populärwissenschaftlichen,
das
Wortschatzbereiche
bessere
halbliterarischen
geschriebene
literarischer
Texte
und
Deutsch.
Die
kommen
in
Sprachlehrbüchern oder Sachtexten nicht vor und sollten laut Bieler
und
Jenkins144
als
eine
positive
Ergänzung
des
gelernten
Wortschatzes gesehen werden.
Zum Schluss nennt Koppensteiner die Argumente methodischdidaktischer Art. Diese Argumente sind meiner Meinung nach die
wichtigsten Argumente für den Gebrauch von Literatur im DaFUnterricht. Viele haben die Idee, dass man mit literarischen Texten
nur Textinterpretationen machen kann, dass
Kommunikation im
Literaturunterricht unmöglich ist. Nichts ist aber weniger wahr. Die
literarischen
Texte
können
sehr
wohl
im
kommunikativen
Fremdspracheunterricht benutzt werden. Laut Koppensteiner „muss
143
144
Jürgen Koppensteiner, 2001, S.14-19.
Karl-Heinz Bieler und Eva-Maria Jenkins: `Didaktische Vorüberlegungen’ zu
Joseph von Eichendorff. Aus dem Leben eines Taugenichts. Bearbeitet
von Karl-Heinz Bieler in Zusammenarbeit mit Eva-Maria Jenkins.
Lehrerheft. München: Klett Edition Deutsch 1991, S. 5 – 8.
46
man nur die Literatur entmystifizieren, Berührungsängste abbauen
und vor allem stets von der Erkenntnis ausgehen, dass kein Text
verfasst worden ist, um nur von Philologen interpretiert zu
werden.“145 Weiterhin sollten die Lehrer die Idee loswerden, dass
man mit Literatur immer schwierige oder anspruchsvolle Sachen
machen
muss.
Literatur bietet
Möglichkeiten für
sprachliche
Reaktionen (positiv als auch negativ), kann als Anreiz zur Übung
unterschiedlicher
Fertigkeiten
dienen
(Grammatik,
Sprechen,
Schreiben, usw.) und ist eine willkommene Abwechslung zu den
künstlichen Übungsreihen der Lehrbücher. Literatur ist für viele
Fremdsprachlerner auch die einzige authentische Begegnung mit der
Landeskunde des Zielsprachenlandes, da sie nicht immer die
Möglichkeit haben das Zielsprachenland zu besuchen. Literatur ist
jedoch immer vorhanden. Literatur kann auf diese Weise die Schüler
für den Fremdsprachenunterricht motivieren, sie schafft eine
authentische Kommunikationssituation, die es in Lernbüchern nicht
gibt. Außerdem ist Literatur im DaF-Unterricht aus pädagogischen
Gründen unentbehrlich, da sie zum Erwerb von Bildung beiträgt.
Manche sind der Meinung, dass Fremdsprachelernen nicht ohne den
Gebrauch von sprach- und kulturspezifischer Literatur möglich ist
(Hunfeld).146
Literatur
sei
ein
notwendiger
Teil
der
Fremdsprachenlehre, sowohl aus sprachlichen als auch aus
landeskundlichen Gründen.
Die Argumente für den Gebrauch von Literatur im DaF-Unterricht
lassen
sich
einfach
fremdsprachlichen
in
die
folgenden
Literaturunterricht
Lernzielen
für
den
zusammenfassen
(Koppensteiner).147 Es handelt sich hier um primäre und sekundäre
Effekte des fremdsprachlichen Literaturunterrichts, die literarische
Texte möglicherweise auslösen können. Bei den Lernzielen geht es
145
Jürgen Koppensteiner, 2001, S.15.
Hans Hunfeld: Nur sprechen lernen, aber nichts zu sagen haben? In: ders.:
Literatur als Sprachlehre. Ansätze eines hermeneutisch orientierten
Fremdsprachenunterrichts. Berlin, München: Langenscheidt 1990a, S. 28 –
41, S. 34.
147 Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 5.
146
47
laut Kast (1985) nicht um ein
„Entweder-oder und ein Erst-dann, sondern es geht um ein Sowohlals-auch; es geht um fremdsprachliche Literatur: um die Fremde
dieser Literatur, um fremdsprachliche Literatur: um die zu lernende
Sprache, und es geht um fremdsprachliche Literatur, die Literatur
dieser Fremde und dieser Sprache.“148
Manchmal werden viele von diesen Lernzielen bei einem Leseakt
erzielt, aber manchmal manche auch nicht, das hängt von der
Situation und vom Text ab. Außerdem gehen die Effekte oft in
einander über und hängen sie stark miteinander zusammen.
Spracherwerb:
Im Literaturunterricht ist es möglich alle Fertigkeiten zu entwickeln.
Natürlich ist das Lesen die Hauptfertigkeit, aber auch das Hören
(mittels Hörtexten), das Sprechen (mittels sprachlicher Arbeitsformen
wie Diskussionen, Referate, usw.) und das Schreiben (mittels
kreativer Schreibaufgaben) können gefördert werden. Vor allem
Ingrid Mummert plädiert für das Freie Schreiben149 als didaktischer
Ansatz, da die Schüler selbstständig ausdrücken können, was sie
möchten. Die Schüler haben Spaß daran, werden motiviert,
bekommen ein Erfolgserlebnis und es fördert die Selbstständigkeit.
Der Wortschatz und die Grammatik sind Teil dieser Fertigkeiten und
werden damit auch entwickelt. Mittels der Literatur erfahren die Leser
auch wie und auf welche Weise im Zielsprachenland kommuniziert
wird. Außerdem kann der Spracherwerb auf einem höheren Niveau
als Vertiefung auch eine Funktion der ästhetischen und stilistischen
Bildung haben.
Landeskunde und interkulturelle Kommunikation:
Zum Fremdsprachlernen gehört auch das Zielsprachenland kennen
lernen. Die Literatur erzählt sehr viel über die Kultur, die Menschen
148
149
Bernd Kast, 1985a, S. 28.
Ingrid Mummert: Freies Schreiben mit Poesie. Literarisches Schreiben im
Deutschunterricht. In: Fremdsprache Deutsch 1, S. 17-22. Ismaning:
Goethe Institut/ Hueber Verlag 1989.
48
und die Gesellschaft des Zielsprachenlandes und ist damit einer der
Hauptziele. Dabei sind nicht nur die faktischen Kenntnisse über das
Zielsprachenland wichtig, sondern vor allem spielt dabei die
interkulturelle Kommunikation eine große Rolle. Die Leser sollen die
Kultur des Zielsprachenlandes vergleichen mit ihrer eigenen Kultur
und damit ihre interkulturelle kommunikative Kompetenz vertiefen.
Literatur und Umgang mit Literatur:
Obwohl dieses Ziel im fremdsprachlichen Literaturunterricht nicht die
Priorität
hat,
sollte
trotzdem
auch
eine
gewisse
fachliche
Literaturkompetenz vermittelt werden. Hierbei wird oft an die
Kenntnisse
aus
dem
muttersprachlichen
Literaturunterricht
angeknüpft. Die Schüler werden je nach Niveau bekannt gemacht mit
den
literarischen
Grundbegriffen
und
mit
(einem
Teil)
der
Literaturgeschichte. Sie lernen wie sie richtig mit literarischen Texten
umgehen können und wie sie teilweise literaturfähig werden können,
damit sie die Literatur in ihren Kontext (Zeit, Ort, Bedeutung)
platzieren können.
Persönliche und kognitive Entwicklung:
Dieses Ziel enthält das, was Kast150 als Attitüdenbildung bezeichnet.
Die Leser werden beeinflusst, verändert und geprägt von dem was
sie lesen. Die Literatur prägt das Weltwissen, das Allgemeinwissen,
die Meinungsbildung, Wertorientierung und die Phantasie. Damit wird
auch ihre Persönlichkeit weiter entwickelt. Literatur könnte damit als
Horizonterweiterung und als Identifikationsangebot dienen. Weiterhin
stimuliert sie Kreativität, Lesegewohnheit und Literaturschätzung.
Die Ziele der Motivation und der Entspannung werden durch
Koppensteiner nicht genannt, aber könnten neben ein willkommener
Nebeneffekt auch als Ziel dienen, vor allem im Anfangsunterricht. Die
Ziele für den muttersprachlichen Literaturunterricht überschneiden
150
Bernd Kast, 1985a, S. 31.
49
sich für einen großen Teil. Wobei dann nicht so sehr Rede ist von
Spracherwerb, sondern eher eine Vertiefung der Muttersprache, der
Kenntnisse der Literaturgeschichte und der Kultur. Literaturunterricht
in
der
Muttersprache
dient
neben
der
Lesefertigkeit,
der
Lesegeschwindigkeit und der ästhetische, stilistische, humanistische
und kulturelle Funktion noch mehr die fachliche literarische
Kompetenzentwicklung.
In diesem Kapitel wurde Antwort gegeben auf die folgenden
Teilfragen: Warum soll Literatur im DaF-Unterricht gemacht werden?
Und was sind ihre Ziele? Die Gründe für und die Ziele von
Literaturvermittlung im DaF-Unterricht sind hiermit klar geworden.
Gezeigt wurde, dass es viele Gründe und Ziele gibt. Im nächsten
Kapitel wird dargelegt, wie der Literaturunterricht Deutsch an der
weiterführenden Schule in den Niederlanden aussieht und wie er sich
entwickelt hat. Auch wird gezeigt, wie diese Vielfalt an Gründen und
Zielen den Literaturunterricht und die Lesemotivation negativ
beeinflussen können.
50
4
Literaturunterricht Deutsch in den Niederlanden
Im zweiten Kapitel wurde erörtert was Lesemotivation ist, wie sie
funktioniert und wie sie aus Sicht ihres Funktionierens, gefördert
werden kann. Ziel dieses Kapitels ist es, zu untersuchen, wie die
Lesemotivation
aus
Sicht
der
Literaturentwicklung
und
des
literarischen Lehrplans gefördert werden kann. Dafür wird zuerst
nach Thijsen (1985)151 auseinandergesetzt wie der Literaturunterricht
und vor allem sein Lehrplan für die weiterführende Schule sich in den
Jahrzehnten entwickelt haben. Im Abschnitt 3.2 wurde schon die
Aspekte die zur Bildung der Didaktik, des Inhalts und der Ziele des
Literaturunterrichts führen, als Einführung auf dieses Kapitel
besprochen. Danach wird besprochen wie der Literaturunterricht an
der weiterführende Schule heutzutage aussieht und werden die
Probleme des Literaturunterrichts nach Theo Witte (2008)152
dargelegt. Schließlich wird darauf folgend untersucht wie an diesen
Problemen aus Sicht der Literaturentwicklung und des Lehrplans
gearbeitet werden kann, damit die Lesemotivation der Schüler
gefördert wird.
4.1 Die historische Entwicklung des Literaturunterrichts in den
Niederlanden
Bis zum Anfang der 60-er Jahre des vorigen Jahrhunderts war im
Literaturunterricht der historisch-biografische Ansatz führend.153
Obwohl die Lehrpläne und Examenanforderungen für die meisten
Schultypen aufforderten im Literaturunterricht das literarische Werk
als
Ausgangspunkt
zu
nehmen,
war
Literaturunterricht
eine
151
Martin Thijsen: Het literatuuronderwijs Duits aan reguliere dagscholen voor
HAVO en VWO. De praktijk in 1980 en voorstellen voor de praktijk.
Nijmegen 1985.
152 Theo Witte, 2008.
153 Joop Dirksen: Leerlingen, literatuur en literatuuronderwijs. In: Hans Goossen
(Redaktion). Forum of arena: opvattingen over literatuuronderwijs. Een
stand van zaken in 2007. VON-cahier 2007. www.voncahier.nl.
Zugriff am 20.06.2014.
51
verdünnte
Version
der
Literaturwissenschaft,
wobei
die
Literaturgeschichte der Schwerpunkt war. Dem Schüler wurde vor
allem
biografische,
literarisch-historische
und
kultur-historische
Faktenkenntnis beigebracht.154 Offizielle Zielsetzungen für den
Literaturunterricht gab es damals nicht, aber aus den Lehrplänen und
Examenanforderungen aus dem Jahr 1960 kann man laut Thijsen
(1985)155 schließen, dass das Hauptziel des Literaturunterrichts die
Kulturvermittlung für die persönliche Entwicklung des Schülers war.
In den Lehrplänen der damaligen Schultypen der Sekundarstufe I
und II, das Gymnasium und die H.B.S. (höhere Bürgerschule) wurde
das Lesen und die Deutung literarischer Werke in Zusammenhang
mit ihrer Entstehungszeit, vorgeschrieben. In dem Lehrplan der
weiterführenden
Mädchenschule
(M.S.v.M)
wurde
nur
eine
Mindestanzahl für die Unterrichtsstunden Deutsch genannt, obwohl
in den Examenanforderungen dieses Schultyps die Kenntnis der
Literaturgeschichte und die Bekanntschaft mit einigen Werken schon
vorgeschrieben wurden. Für das Gymnasium und für die Abteilung B
der höheren Bürgerschule wurde Literatur überhaupt nicht in den
Examenanforderungen aufgenommen.
Im
Laufe
der
60-er
literaturgeschichtlichen
Jahre
stieg
die
Ansatz
unter
dem
Unzufriedenheit
Einfluss
von
zum
dem
textorientierten Ansatz in der Literaturwissenschaft, wobei nicht die
Literaturgeschichte, sondern den Text an sich in den Mittelpunkt
gestellt wird. Dieser literarisch-kritische Ansatz sollte an der
ästhetischen Bildung beitragen, konnte aber in der Praxis den
literaturgeschichtlichen
Ansatz
nicht
übersteigen.156
Auch
die
veränderten Auffassungen zu der Einrichtung des Unterrichtswesens
und
den
Zielsetzungen
des
Literaturunterrichts
erzeugten
Unzufriedenheit.157 Diese Auffassungen wurden in der Diskussion
über
die
einzuführenden
Unterrichtsreformen
geäußert.
154
Martin Thijsen, 1985, S. 9.
Idem, S.6ff.
156 Idem, S.11.
157 Idem, S.10.
155
52
Gesellschaftliche
Entwicklungen
Wechselwirkung
zwischen
in
dieser
Zeit
änderten
Literaturwissenschaft
die
und
Literaturunterricht bzw. Literaturdidaktik. Die Gesellschaft in den
Niederlanden wurde seit den 60-er Jahren mehr offen und die Kultur
wurde mehr demokratischer. Nach Verboord (2004)158 verloren die
kulturelle Autoritäten, wie Literaturwissenschaftler, ihren Status und
ihre Werturteilen drangen weniger durch in die Gesellschaft.
Am 1. August 1968 wurde das Mammoetgesetz eingeführt. Mittels
dieses Gesetzes wurde die ganze weiterführende Schule in den
Niederlanden
neu
eingerichtet.
Die
getrennten
kategorialen
Schultypen wurden in einem Schulensystem untergebracht.159 Die
neue Schultypen mavo,160 havo und vwo wurden vorzugsweise in
eine Gesamtschule zusammengebracht. Diese Bildungsreform sollte
die
Einstiegs- und Schulwechselmöglichkeiten verbessern. Durch
diese Demokratisierung des Schulwesens nahm die sozial-kulturelle
Diversität im Sekundarunterricht zu.161 Der alte Lehrplan, der sich
nachdrücklich an dem höheren sozialen Milieu orientierte, war dann
nicht
mehr
angemessen.162
In
den
neuen
Lehrplan-
und
Examenanforderungen wurde Literatur nur in der Oberstufe der
Schultypen havo und vwo Teil des Deutschunterrichts. In dem
Lehrplan
wurde
für
beide
Schultypen
das
Hören,
Lesen,
Interpretieren und Zusammenfassen von literarischen und anderen
Sprachäußerungen
vorgeschrieben.
Auch
sollte
anhand
der
gelesenen literarischen Werke die Einsichten in und die Kenntnisse
von Literatur beigebracht werden.163 Für das vwo sollte dabei, in
Bezug auf havo, im Literaturunterricht selbst inhaltlich höhere
158
Marc Verboord: Literatuuronderwijs van Mammoetwet naar Tweede Fase.
Trends en effecten empirisch onderzocht. In: Levende Talen Tijdschrift 5
(2004), H. 1, S.19-25, S20f.
159 Dirk Koldijk: Het literatuurboek Duits voor scholen van het VH. en MO., HAVO
en VWO in de periode van 1920 tot 1975 : geschiedenis, ontwikkeling en
canonvorming. Amsterdam: Universiteit van Amsterdam 1990, S.89.
160 mavo: Dieser Schultyp ist vergleichbar mit der Hauptschule in Deutschland.
161 Theo Witte, 2008, S.18f.
162 Marc Verboord, 2004, S. 20.
163 Martin Thijsen, 1985, S.14f.
53
Anforderungen gestellt werden. In den Examenanforderungen wird
angeordnet diese Kenntnisse und Einsichten zu überprüfen. Für
havo sollte 10 Werke und für vwo 13 Werke gelesen werden, von
denen nur ein paar Werke in der Klasse besprochen werden
durften.164 Dazu wird neben dem Lesen von älteren Werken auch
das Lesen von (damals) gegenwärtiger Literatur verpflichtet.165 In der
Unterstufe hatte Literaturunterricht keinen offiziellen Platz. Obwohl
damals schon für Literaturunterricht in der Unterstufe aus mehreren
Gründen, wie eine allmähliche literarische Entwicklung, plädiert
wurde, wurde in der Unterstufe nur das Lesen von einfachen Texten
vorgeschrieben.166
Die
Diskussionen
Literaturunterrichts
über
kamen
die
Ziele
dann
und
nach
der
Einrichtung
Einführung
des
der
Bildungsreform erst richtig in Gang.167 Die Literaturdidaktik gewann
auf Kosten von der Literaturwissenschaft an Gewicht 168 und in den
Auffassungen zum Literaturunterricht stand nicht mehr der Lehrstoff,
sondern der Schüler zentral. Auch sollte der Literaturunterricht mehr
auf die Erwerbung von Einsicht und Kenntnis und nicht auf die
Erwerbung von Faktenkenntnissen gezielt sein. Außerdem wurde
zum ersten Mal von Lesefreude gesprochen und führte die
Veränderung des Examenprogramms zur Diskussion über die
Kanonbildung, da nun auch modernere Werke vorgeschrieben
wurden.169 In den 70-er und 80-er Jahren entwickelten sich die
Auffassungen über und Zielsetzungen von Literaturunterricht immer
mehr in Richtung des Schülers. Diese Entwicklung wurde stark von
der
literaturwissenschaftlichen
Rezeptionsästhetik
beeinflusst,
obwohl damals gerade dafür plädiert wurde, den Literaturunterricht
mehr
von
der
Literaturdidaktik
und
weniger
von
der
164
Martin Thijsen, 1985, S. 75.
Idem, S. 15.
166 Idem, S. 33f.
167 Dirk Koldijk, 1990, S. 89.
168 Marc Verboord, 2004, S. 20.
169 Martin Thijsen, 1985, S.14-17.
165
54
Literaturwissenschaft bestimmen zu lassen.170 Im Literaturunterricht
sollten die Leseerfahrungen des Schülers mehr in den Mittelpunkt
gestellt werden und laut Thijsen sollte der Literaturunterricht,
angesichts des allgemeinen Bildungszieles der weiterführenden
Schule, mehrere Ziele verfolgen.171 Neben den schon existierenden
Zielen, wie die historische und kulturelle Bildung und die literarischeästhetische
und
literarische-kritische
Bildung,
sollte
der
Literaturunterricht, anhand einer eklektischen Herangehensweise,
auch
andere
Ziele
Selbsterkundung,
wie
Lesefreude,
künstlerische
Persönlichkeitsbildung,
Gesellschafts-orientierung,
Spracherwerb
Bildung,
Lebensorientierung,
und
Landeskunde
verfolgen.172 Diese Auffassungen hatten in der Praxis schon einen
Fuß auf die Erde bekommen und wurde dann in den 90-er Jahren
auch in die nächsten Bildungsreformen miteinbezogen.173
4.2 Literaturunterricht im heutigen Zeitbild
Im Jahre 1998 wurde die Bildungsreform ‚Tweede Fase‘ (zweite
Phase) für die Oberstufe der weiterführende Schule eingeführt. Diese
Bildungsreform
sollte
die
Unterschiede
zwischen
Schülern
berücksichtigen und die Selbstständigkeit des Schülers fördern. Auch
sollte die Effektivität des Unterrichts durch einen verbesserten
Anschluss
zwischen
Hochschulwesen
der
vergrößert
weiterführenden
werden.
Schule
Außerdem
und
sollte
dem
die
Professionalität der Lehrer und Schulorganisationen, mittels der
Reform, gefördert werden.174 Die
Schüler sollten aktiv und
selbstentdeckend lernen und den Schwerpunkt des Unterrichts
wurde von der Kenntnis auf die Fertigkeiten verschoben.175 Der
schülerorientierte Ansatz, für den in den geführten Diskussionen
170
Martin Thijsen, 1985, S.31.
Idem, S. 31.
172 Idem, S. 23-30.
173 Joop Dirksen, 2007.
174 Theo Witte, 2008, S.21.
175 Idem, S.21.
171
55
plädiert wurde, wurde in die Bildungsreform und auch in die
Lehrpläne für Literaturunterricht Deutsch, die heutzutage noch immer
gelten, aufgenommen. Literaturunterricht für das Fach Deutsch
wurde, wie vor dem Jahr 1998, in die Abschlussziele der Schultypen
havo und vwo aufgenommen. Die Abschlussziele für Literatur
wurden in drei Kategorien unterteilt: literarische Entwicklung,
literarische Begriffen und Literaturgeschichte.
176
Um die literarische
Entwicklung zu zeigen soll der Schüler auf eine begründete Weise
über seine Leseerfahrungen mit wenigstens drei literarischen
Werken berichten können. Dies gilt für havo als auch für vwo. Für
havo ist dieses Abschlussziel gleich das Einzige. Für vwo kommen
noch die literarischen Begriffen und die Literaturgeschichte hinzu.
Der
vwo-Schüler
soll
literarische
Textsorten
erkennen
und
unterscheiden können und er soll bei der Interpretation von
literarischen Texten literarische Begriffen verwenden können.
Schließlich soll er einen Überblick von den Grundzügen der
Literaturgeschichte geben können und die gelesenen Werke in
diesen historischen Kontext stellen können. Die Abschlussziele
zeigen, dass das Hauptziel des Literaturunterrichts die Erwerbung
der literarischen Kompetenz ist. Da die Pflichtlektüre in dieser
Bildungsreform von 13 bzw. 10 literarische Werke auf nur 3
literarische
Werke
Literaturunterricht
beschränkt
eine
Fremdsprachenunterricht
wurde,
zeigt,
untergeordnete
spielt.
Das
dass
Rolle
allgemeine
Ziel
der
im
des
Fremdsprachenunterrichts ist die Kommunikation. Dies ist auch
nachdrücklich in den Kernzielen für das Fach Deutsch in der
Unterstufe zurück zu finden. Das Thema Literatur wird in diesen
Kernzielen überhaupt nicht erwähnt.177
In dieser Bildungsreform wurde die deutsche Literatur zusammen mit
der niederländischen, englischen und französischen Literatur als ein
176
Daniela Fasoglio und Dick Meijer: Handreiking schoolexamen
moderne vreemde talen havo/vwo. Tweede fase: Duits, Engels, Frans.
Enschede: SLO 2007, S.55.
177 Bas Trimbos: Handreiking nieuwe onderbouw moderne vreemde talen.
Enschede: SLO 2006, S. 15.
56
getrenntes Fach Literatur bewertet. Dabei hatten die Schulen die
Möglichkeit den Literaturunterricht der verschiedenen Sprachen in
einem integrierten Literaturunterricht (GLO) oder als Teil der
jeweiligen
Fremdsprache
Literaturunterricht
konnte
anzubieten.
aber
keinen
Dieser
festen
integrierte
Platz
an
den
weiterführenden Schulen erobern.178 Im Jahre 2007 wurde in einer
der Anpassungen an der Bildungsreform, den Schulen wieder die
Möglichkeit
gegeben,
den
Literaturunterricht
innerhalb
seines
(Fremd)Sprachunterrichts zu benoten.179
Obwohl der Literaturunterricht Deutsch nach dieser Bildungsreform
inhaltlich verändert und vor allem abgespeckt wurde, gibt es noch
viele Schwachstelle bzw. Probleme im Literaturunterricht, woran, vor
allem der Lesemotivation wegen, gearbeitet werden kann.
4.3 Probleme des Literaturunterrichts
Der
neue
Platz
des
Literaturunterrichts
innerhalb
des
fremdsprachlichen Deutschunterrichts und der allgemeine Rückgang
des Lesens180 haben dem Literaturunterricht wenig Gutes gebracht.
Obwohl die neuen erleichterten Anforderungen an die Schüler, und
der schülerorientierte Ansatz eine positive Auswirkung auf den
Literaturunterricht haben sollten, ist die Weise, in der der
Literaturunterricht heutzutage funktioniert, nicht befriedigend. Theo
Witte181 hat für den Literaturunterricht Niederländisch untersucht,
woran dies liegen könnte. Seine Empfehlungen und Lösungen
anhand der Untersuchungsresultaten sind jedoch auch für den
178
Cor Geljon: GLO: the state of the art. Hoe staat het nieuwe vak ervoor? In:
Tsjip/Letteren 13 (2003), H. 2, S.39-42.
179 Bob Huijssoon, Marlies van Tooren und Piet Groenewegen: Zakboek Tweede
Fase: Tweede fase oude regeling en vernieuwde tweede fase. Den Haag:
Tweede Fase Adviespunt 2007, S. 59.
180 Theo Witte 2008, S. 37.
181 Idem.
57
fremdsprachlichen Literaturunterricht gemeint und auf der Website
www.lezenvoordelijst.nl zusammengebracht.
Der Kern der Probleme ist laut Theo Witte182 die fehlende
Abstimmung zwischen dem Schüler und dem Literaturunterricht und
das Fehlen eines strukturierenden Lehrplans. Der Schüler braucht
heutzutage weniger zu lesen und für Literaturunterricht wird auch
immer weniger Zeit eingeräumt. Doch wird von den Schülern (vor
allem von den vwo-Schülern) ein bestimmtes Niveau und eine
bestimmte Vertiefung erwartet, die meistens in kürzer Zeit (2 oder 3
Jahre Oberstufe) erreicht werden müssen. Dies hat zur Folge, dass
das Niveau für die Schüler einfach zu hoch ist und sie beim Lesen
große Schwierigkeiten erfahren. Es gibt also keine gute Abstimmung
zwischen dem Niveau und den Leseerfahrungen der Schüler und
dem Text. In den meisten Fällen fehlt es an einer longitudinalen
Lernlinie in dem Schwierigkeitsgrad der literarischen Werke. Auf
diese Weise können die Schüler ihre erworbenen Kenntnisse und
Fertigkeiten nicht ohne weiteres bei einer neuen Leseaufgabe
benutzen.
Ein
zweites
Defizit
in
Differenzierungsproblem.
Die
der
Abstimmung
Schüler
haben
ist
das
unterschiedliche
fremdsprachliche und literarische Niveaus, Interessen und Attitüden
gegenüber dem Literaturunterricht. Dem Lehrer mangelt es an
Kenntnissen über die unterschiedlichen literarischen Niveaus und
weiß
also
nicht,
wie
mit
diesen
Niveaus
in
einem
entwicklungsorientierten Literaturunterricht umgegangen werden soll.
Auch ist dem Lehrer meistens nicht klar, welche didaktischen
Herangehensweisen
und
Begleitungsstrategien
für
die
unterschiedlichen Interessen und Attitüden geeignet sind.
182
Theo Witte, 2007.
58
Außer der fehlenden Kenntnis der unterschiedlichen literarischen
Niveaus, zeigen auch die vielen unterschiedlichen Auffassungen,
Zielsetzungen und Herangehensweisen innerhalb einer Fachgruppe,
dass es oft an einem strukturierten und entwicklungsorientierten
Lehrplan für den Literaturunterricht mangelt. Diese genannten
Aspekte frustrieren und demotivieren die Schüler und tragen bei an
den Problemen im Literaturunterricht. Theo Witte hat in seiner
Untersuchung
praktische
und
didaktische
Empfehlungen
und
Hinweise gegeben, die zur Bewältigung dieser Probleme beitragen
können.
4.4 Empfehlungen und Hinweise zum Lehrplan
Bevor
Theo Witte
seine
Instrumente,
die
als
Basis
eines
strukturierten Lehrplans dienen, erklärt, stellt er zuerst fünf
Grundsätze zum entwicklungsorientierten Literaturunterricht vor. 183
Erstens müssen unterschiedliche Niveaus oder Phasen definiert
werden, die den Schülern und dem Lehrer eine Orientierungsbasis
geben können. Zweitens sollte das Fundament des Schülers in jeder
Stufe seiner Entwicklung stark genug sein, um erfolgreich einen
Schritt weiter machen zu können. Drittens sollte diese Entwicklung
durch aktive Erkundung stimuliert und durch soziale Interaktion mit
Altersgenossen, Lehrern und anderen Lesern vermittelt werden.
Viertens sollte der Schüler zur Stimulation seiner Entwicklung
konfrontiert werden mit Aktivitäten, die zu kognitiven Konflikten in
seinem Bereich der nahe gelegenen Entwicklung führen. Die
Aktivitäten sollten den Schüler also herausfordern. Wichtig dabei ist
es, dass die Aufgaben und Aktivitäten textabhängig und vielseitig
sind. Auch sollte das Ziel der Aufgabe für Lehrer und Schüler klar
sein. Letztlich ist es sehr wichtig, dass das Lesen und die Erledigung
der Aufgaben dem Schüler Befriedigung bringen. Anstrengung und
183
Theo Witte, 2008, S.292.
59
Resultat sollten also im Gleichgewicht sein. Wenn der Schüler nur
ein Häkchen für seine schwere Arbeit bekommt, dann wirkt das sehr
demotivierend.
Theo
Witte
unterscheidet
in
der
Literaturentwicklung
sechs
Niveaus.184 Zu den Niveaus beschreibt er auch didaktische
Hauptziele. Diese Ziele dienen als Handlungsorientierung für den
Lehrer, um die Entwicklung des Schülers zu stimulieren.185 Die
Niveaus werden hier in einer verkürzten Version wiedergegeben.186
Niveau 1:
Das erste Niveau beschreibt den erlebenden Leser. Dieser Schüler
hat eine sehr beschränkte literarische Kompetenz und noch wenige
Erfahrungen mit dem Lesen von Literatur. Die Texte die gelesen
werden sind sprachlich und literarisch einfach und passen inhaltlich
zur der Erlebniswelt des Lesers. Der Bedarf an Spannung und
Drama
prägen
seine
Literaturauffassung
und
Leseattitüde.
Hauptziele auf diesem Niveau sind das elementare Textverständnis,
die Realisierung von Erfolgserlebnissen und das Durchbrechen der
Hemmschwelle zur Erwachsenenliteratur.
Niveau 2:
Das zweite Niveau beschreibt den erkennenden Leser. Der Schüler
hat eine beschränkte literarische Kompetenz und ein bisschen
Erfahrung mit Literatur, aber nicht mit Erwachsenenliteratur. Er kann
sehr einfache literarische Texte lesen, verstehen und schätzen. Er
kann über seine persönliche Leseerfahrung und über seinen
Geschmack berichten. Die Texte die gelesen werden, passen noch
immer zur Erlebniswelt des Schülers. Auf diesem Niveau ist die
Verstärkung der persönlichen Beteiligung des Schülers an dem Inhalt
des Textes, an dem Lehrstoff und der Aufgaben das Hauptziel.
184
Theo Witte, 2007.
Für eine ausführlichere Beschreibung der Niveaus: Theo Witte 2007 & 2008.
186 Theo Witte: Beknopt overzicht niveaukenmerken – Lezen voor de lijst.
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185
60
Niveau 3:
Das dritte Niveau beschreibt den reflektierenden Leser. Der Schüler
hat eine einigermaßen beschränkte literarische Kompetenz und ist
imstande, einfache literarische Werke zu verstehen, zu interpretieren
und zu schätzen. Er kann anhand eines literarischen Werkes mit
Mitschülern über gesellschaftliche, psychologische und moralische
Fragen diskutieren. Literatur wird als Mittel gesehen, die Welt zu
erkunden und eigene Gedanken über allerhand Fragen zu bilden.
Auf diesem Niveau ist es das Hauptziel die Reflexion und Diskussion
über den Text zu verstärken. Diese Reflexion und Diskussion finden
anhand eigener Analysen des Handlungsablaufs, des Verhaltens und
der Entwicklung der Personen statt.
Niveau 4:
Das vierte Niveau beschreibt den interpretierende Leser. Der
Schüler hat eine einigermaßen erweiterte literarische Kompetenz und
Erfahrung mit dem Lesen einfacherer Erwachsenenliteratur. Die
Bereitschaft sich in komplexen Ereignissen und Emotionen von
Erwachsenen zu vertiefen, kennzeichnet die Leseattitüde dieses
Schülers. Auch blüht das literarisch-ästhetische Verständnis bei
diesem Schüler auf. Das Hauptziel ist, dass der Schüler sich weiter
in die Personen, die Ereignisse und die Erzähltechnik vertieft, die
Struktur analysiert und mit anderen Lesern über die Bedeutung des
Werkes diskutiert. Überdies wird zum Ziel gesetzt, dass der Schüler
über die ästhetische Qualität der Werke reflektiert.
Niveau 5:
Der Leser hat auf diesem Niveau eine erweiterte literarische
Kompetenz
und
wird
auch
als
einen
literarischen
Leser
beschrieben. Der Schüler hat reichliche Erfahrungen mit dem Lesen
literarischer Werke und kann komplexe und alte literarische Werke
verstehen, interpretieren und schätzen und mit anderen Gedanken
über die Leseerfahrung, die Interpretation und den Geschmack
austauschen. Das Interesse an dem Kanon, den literarischen
61
Konventionen,
den
kulturhistorischen
Hintergründen
und
an
manchen klassischen Schriftstellern kennzeichnet die Leseattitüde
dieses Schülers. Auf diesem Niveau ist die Vertiefung in den Text in
Rahmen seines literarisch-historischen Kontextes das Hauptziel. Ein
weiteres Ziel ist die Erweiterung der literarischen Kenntnisse auf dem
Gebiet der Stilistik, der literarischen Konventionen und der
Literaturgeschichte.
Niveau 6:
Dieses Niveau beschreibt den akademischen Leser. Der Schüler
hat eine sehr erweiterte literarische Kompetenz und hat auch
Erfahrungen mit dem Lesen literarischer Werke der Weltliteratur. Er
ist dazu fähig, Literatur in einen größeren Rahmen einzuordnen und
seine Leseerfahrung und Interpretation mit Experten auszutauschen.
Durch die Belesenheit, hoch entwickeltes Allgemeinwissen und die
spezifische, kulturelle und literarische Kenntnis ist der Schüler
imstande sowohl innerhalb als auch außerhalb des Textes
Zusammenhänge herzustellen und Bedeutungen zu erzeugen. Die
Leseattitüde des Schülers ist literarisch-kritisch und wird durch
Vielseitigkeit, Begeisterung und Betroffenheit für wissenschaftliche
Fachliteratur gekennzeichnet. Auf diesem Niveau ist es das Ziel, die
Untersuchungshaltung des Schülers zu fördern. Auf diese Weise
kann er seine literarische Kenntnis auf literaturwissenschaftlichem
Niveau vertiefen und erweitern und in andere Kenntnisbereichen
integrieren.
Diese beschriebenen Kompetenzniveaus bieten dem Schüler eine
Orientierung
in
ihrer
literarischen
Entwicklung
und
könnten
deswegen zu einem positiven Selbstkonzept und einer positiven
Selbstwirksamkeit
beitragen.
Für
den
Lehrer
bietet
dieses
Kompetenzinstrument eine Basiskenntnis und eine Grundlage für
einen gut strukturierenden Lehrplan, die zur Orientierung im
didaktischen Handeln dienen kann. Auf diese Weise kann der Lehrer
dem Schüler das richtige Buch und die richtigen Aufgaben auf dem
62
richtigen Moment geben. Damit kann eine richtige Abstimmung auf
den Schüler und Differenzierung innerhalb des Literaturunterrichts
ermöglicht werden. Differenzieren bleibt laut Theo Witte187 aber eine
schwierige Sache, da die Umstände im heutigen Literaturunterricht
dafür eher ungünstig sind. Die Anzahl der Kontaktstunden im
Literaturunterricht ist gering und als Lehrer hat man nicht immer die
Möglichkeit den Schüler kennen zu lernen und Jahr nach Jahr in
seiner
Entwicklung
zu
begleiten.
Im
fremdsprachlichen
Literaturunterricht sind diese Umstände, meiner Meinung nach, noch
ungünstiger, weil es noch weniger Zeit für Literaturunterricht gibt.
Auch werden die literarischen Werke oft in der Klasse gemeinsam
gelesen,
weil
die
sprachliche
Schwierigkeiten
das
globale
Textverständnis erschweren und diese Schwierigkeiten in der Klasse
einfacher gemeinsam bewältigt werden können. Dies macht jedoch
einen individuellen Lernweg, auf dem der Schüler jeder seine eigene
Werk auf seinem eigenen Niveau wählen kann, problematisch.
Natürlich wäre es dann schon noch möglich Texte auszusuchen die
inhaltlich zu der Erlebniswelt der Schüler passen, damit sie mehr an
dem Text interessiert sind und Beteiligung am Text erfahren können.
Weiter wäre es möglich
Begleitungsstrategien
Begleitungsstrategien
zu
in den Verarbeitungsaufgaben und
differenzieren.
werden
weiter
Die
in
unterschiedlichen
diesem
Abschnitt
besprochen.
Theo Witte stellt,188 dass im Literaturunterricht Deutsch für havo das
Niveau 3 als Abschlussniveau normal ist und, dass das Niveau 4 als
hoch zu bezeichnen ist. Für das Schultyp vwo gelten dafür Niveau 4
bzw. Niveau 5. Oft hat der Schüler wenn er in die Oberstufe kommt,
aber noch zu wenig oder gar keine Schritte in seiner literarischen
Entwicklung gemacht, um dieses Niveau zu erreichen. Es ist also zu
spät, um in erst in der Oberstufe damit anzufangen, an der
literarischen Entwicklung zu arbeiten. In der Unterstufe sollte schon
187
188
Theo Witte, 2008, S. 34.
Theo Witte: Lezen voor de lijst - toelichting.
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63
damit angefangen werden, Niveau 1 und Niveau 2 zu erreichen. Wie
dieser Aufbau inhaltlich und praktisch realisiert werden kann, wird im
nächsten Kapitel beschrieben.
Um
zu
einem
strukturierten
entwicklungsorientierten
Literaturunterricht zu kommen, muss laut Theo Witte189 zuerst
innerhalb der ganzen Fachgruppe (Unterstufe und Oberstufe) einen
breit getragenen Lehrplan entwickelt werden. Wichtig dabei ist, dass
die unterschiedlichen Auffassungen, Ziele, Anforderungen und
Herangehensweisen von den unterschiedlichen Lehrer diskutiert
werden und, dass man zu einem Konsens kommt. Nur wenn
innerhalb der Fachgruppe Übereinstimmung über diese Sachen ist,
dann kann der Schüler im Laufe der Schuljahre, unter Begleitung
unterschiedlicher Lehrer, strukturiert an seiner Literaturentwicklung
arbeiten. Meiner Meinung nach wäre es auch gut, den Lehrplan
außerhalb der Fachgruppe mit Lehrern anderer Fachgruppen wie
Niederländisch,
Französisch,
Englisch,
Kunst
und
vielleicht
Geschichte zu besprechen. Es wäre dann empfehlenswert, zwischen
den unterschiedlichen Fachgruppen auch zur Überstimmung zu
kommen über zum Beispiel die literarischen Begriffen die im
Unterricht benutzt werden sollen, oder über welche literarischen
Epochen und Strömungen (separat oder gemeinsam oder vielleicht
überhaupt nicht) behandelt werden sollen. Theo Witte190 meint, dass
die Schüler oft überfordert werden. Um einen Text in seinen
literarisch-historischen Kontext stellen zu können, braucht ein
Schüler die literarische Kompetenzen die zum Niveau 5 gehören.
Viele Schüler haben dieses Niveau aber nicht. Deswegen meint er,
dass innerhalb der Fachgruppe die Anforderungen an die Schüler
angepasst werden sollen. Die Anforderungen sollten realistisch und
machbar sein. Damit bin ich absolut einverstanden. Als mögliche
Probleme
des
Literaturunterrichts
nennt
Theo
Witte191
den
Zeitmangel und die ungenügende Kenntnis des Lehrers. Theo Witte
189
Theo Witte, 2007.
Idem.
191 Theo Witte, 2008, S. 40.
190
64
meint dazu, dass Qualität wichtiger ist als Quantität. Es ist zum
Beispiel besser, eine literarische Epoche gut und ausgebreitet zu
behandeln, als mehrere Epochen zu minimal zu behandeln. Der
Lehrer kann seinen Enthusiasmus und seine Kenntnis auch besser in
einer Gattung, Epoche oder Strömung vermitteln, die ihm liegt und
gefällt. Auch haltet Theo Witte die selbstständige und abgesonderte
Verarbeitung, die oft wegen Zeitnot gewählt wird, als eine schlechte
Arbeitsform für den Literaturunterricht. Im Literaturunterricht ist
Interaktion und Begleitung unentbehrlich für die Entwicklung.
In Bezug auf diese Begleitung hat Theo Witte192 anhand drei Aspekte
fünf Schülertypen beschrieben. Die drei Aspekte sind Motivation,
Kompetenz und Selbstständigkeit. Diese drei Aspekte können
anhand persons- und aufgabenorientierter Begleitungsstrategien
stimuliert werden. Der erste Typ beschreibt den schwierigen Schüler.
Seine Motivation, Kompetenz und Selbstständigkeit sind schlecht. Er
meidet den Lehrer und distanziert sich vom Literaturunterricht.
Stimulierende
Begleitungsstrategien
für
diesen
Schüler
sind
dirigieren und kontrollieren. Diese Strategien sollten dazu beitragen,
dass der Schüler seine Aufgabe erledigt, aufmerksam bleibt und
Erfolg hat. Der zweite Typ ist der Arbeitstier. Dieser Schüler ist
ziemlich motiviert, hat eine ungenügende Kompetenz und seine
Selbstständigkeit ist mittelmäßig. Koordinieren und ermuntern hilft
diesem Schüler. Dieser Schüler braucht gezielte Hinweise und
Anerkennung für seinen Einsatz. Der dritte Typ ist der kluge
Faulpelz. Dieser Schüler ist literarisch kompetent, eher unmotiviert
und seine Selbstständigkeit ist mittelmäßig. Begleitungsstrategien für
diesen
Schüler
sind
zusammenarbeiten,
herausfordern
und
kontrollieren. Seine Kompetenz muss anerkannt werden und er
braucht Kontrolle. Er soll jedoch nicht in eine Zwangsjacke gesteckt
werden. Der vierte Typ ist der Durchschnittschüler. Dieser Schüler ist
kompetent, motiviert und ziemlich selbstständig. Er strebt aber nicht
nach einem hohen Niveau und vermeidet Risiken. Diesen Schüler
192
Idem, S. 413ff.
65
soll man herausfordern und ermutigen. Interaktion mit dem Lehrer ist
sehr wichtig bei diesem Schüler. Der letzte Typ ist der ideale
Schüler.
Dieser
Schüler
ist
sehr
motiviert,
kompetent
und
selbstständig und strebt nach einem hohen Niveau. Inspirierend und
delegieren sind die Begleitungsstrategien für diesen Typ. Dieser
Schüler braucht auch herausgefordert zu werden, damit er nicht zum
klugen
Faulpelz
wird.
Diese
Strategien
können
bei
der
Differenzierung in der Begleitung helfen und dazu beitragen die
Lesemotivation aller Typen Schüler zu fördern.
In diesem Kapitel wurde nachgegangen wie der Literaturunterricht
sich in den vergangen Dezennien entwickelt hat. Vor allem die
Auffassungen und Anforderungen des Literaturunterricht haben sich
ziemlich geändert. Weiter wurde nach Theo Witte erörtert was die
Probleme des heutigen Literaturunterrichts sind und wie diese
Probleme vor allem in Bezug auf dem Lehrplan bewältigt werden
könnten, damit auch die Lesemotivation der Schüler gefördert wird.
Im nächsten Kapitel kommt es dann weiter zur Didaktik und zum
tatsächlichen Inhalt des Literaturunterricht: Von Auswahlkriterien
über Vorüberlegungen bis hin zur tatsächlichen Textarbeit.
66
5
Literaturvermittlung
In diesem Teil geht es um die Gestaltung des Literaturunterrichts und
auf welche Weise diese dazu beitragen könnte, die Lesemotivation
der Schüler zu verbessern. Die Einsichten zu den unterschiedlichen
Aspekten
des
Entwicklung,
Literaturunterrichts
(Lesekompetenz,
Fremdsprachendidaktik,
literarische
Literaturdidaktik,
Lesemotivation) werden dabei miteinbezogen. Dabei geht es vor
allem um den Prozess der Literaturvermittlung, um Sachen die man
bei der Literaturvermittlung, auch schon im Voraus, beachten muss.
Es wird in diesem Teil nicht beabsichtigt Fertigdidaktisierungen zu
geben. Eher wird beabsichtigt Hinweise für den ganzen Prozess der
Literaturvermittlung zu geben, also welche Gedanken man schon im
Voraus machen muss in Bezug auf Lernziel, Zielgruppe, Niveau,
Material, Didaktisierung, usw., um die Lesemotivation fördern zu
können.
5.1
Auswahlkriterien
Bevor man sich mit den inhaltlichen didaktischen Ansätzen für
Literaturvermittlung beschäftigen kann, muss zuerst die Frage nach,
sowie Hunfeld das formuliert, „der Qual der Wahl“,193 gestellt werden.
Bei diesem ersten Schritt, liegt meines Erachtens eine große
Möglichkeit, die Lesemotivation der Schüler zu fördern. Podergajs194
unterschreibt die Bedeutung der Textauswahl und erörtert dies in
ihrem Beitrag Vor dem WIE kommt das WAS. Eine Fallgrube bei der
Textauswahl ist der eigene Geschmack, der die Textauswahl nicht
bestimmen sollte. Laut Koppensteiner „besteht für Lehrende eine Art
193
Hans Hunfeld: Kriterien literarischer Wertung aus der Perspektive des
Didaktikers. In: Ders. Literatur als Sprachlehre: Ansätze eines
hermeneutisch orientierten Fremdsprachenunterrichts. Berlin:
Langenscheidt 1990b, S. 92-103, S. 103. Zitiert nach Koppensteiner, 2001,
S. 41.
194 Klavdija Hrenko Podergajs: Vor dem WIE kommt das WAS. Einige
Textauswahlkriterien im DaF-Literaturunterricht. In: Schaurein 17 (2004),
H. 1, S. 13-15.
67
Zwang,
Kriterien
nicht
aus
privater,
aus
persönlicher
Voreingenommenheit aufzustellen, sondern sie immer in einen
pädagogischen Kontext zu stellen.“195 Die Bedingungen dieses
pädagogischen Kontextes sind nicht statisch, und damit haben die
Kriterien zum Textauswahl sich auch geändert. Früher war das
Produkt, der Text noch der Mittelpunkt, wobei das Künstliche und
das Literarische hoch im Kurs standen. Heutzutage wird die Didaktik
des Literaturunterrichts aus der Rezeptionsästhetik abgeleitet und
damit wurde der Mittelpunkt vom Produkt auf den Leser verlagert.
Dies hatte zur Folge, dass die Auswahlkriterien sich änderten und
sich mehr auf den Leser ausrichteten. Die folgenden Kriterien von
Koppensteiner,196 die auf der Didaktik der Rezeptionsästhetik
aufbauen, sind nicht bei allen Texten anzuwenden und brauchen
auch nicht alle immer eingehalten zu werden. Laut Koppensteiner
müssen diese Kriterien auch nicht als Katalog von schlechten oder
guten Texten gesehen werden, sie müssen jedoch schon bei der
Textauswahl berücksichtigt werden. In dieser Arbeit dienen diese
Kriterien auch dasselbe Ziel.
Inhaltliche und sprachliche Angemessenheit, Altersgemäßheit
Im Fremdsprachenunterricht spielt heutzutage das pädagogische Ziel
eine große Rolle und deswegen ist der Fremdsprachenunterricht
auch sehr schülerorientiert. Demzufolge spielt der Schüler bei der
Textauswahl eine große Rolle. Natürlich wird der Lehrer bei der
Textauswahl durch sein „berufsmäßiges Interesse“197 beeinflusst,
aber er sollte seine Wahl nicht nur durch seinen persönlichen
Geschmack bestimmen lassen. Es ist nämlich sehr gut möglich, dass
der Geschmack des (oft jugendlichen) Schülers nicht mit dem
Geschmack
Textauswahl
des
(oft
braucht
älteren)
also
auf
Lehrers
übereinstimmt.
mehrere
Bereiche
Die
eine
Angemessenheit in Bezug auf den Schüler. So ist das intellektuelle
195
Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 41.
Idem, S. 41ff.
197 Idem, S. 42.
196
68
und das sprachliche Niveau des Lesers zu beachten. Der Text soll
intellektuell und sprachlich nicht zu schwierig sein, aber auch nicht zu
einfach. Da soll nach einer Balance gesucht werden müssen. Der
Text muss den Leser ständig herausfordern. Man muss dabei die
Vorkenntnisse, das Weltwissen, die Vorbildung und die sprachliche
Kompetenz des Schülers befolgen, um die Entwicklung des Schülers
fördern zu können. Dass dieser Schwerpunkt eine wichtige Rolle
spielt bei der Förderung
der Lesemotivation wurde im vorigen
Kapitel schon erklärt. Weiter soll der Text dem Alter und der
Erfahrungshorizont des Schülers entsprechen. Schüler sind mehr
motiviert einen Text zu lesen über ein Thema wo sie Affinität zu
haben und das passt zu ihrer Erlebniswelt. Aufbau ist dabei ein
Schlüsselwort. Die Entwicklung der Textauswahl, in Bezug auf die
inhaltlichen und sprachlichen Schwierigkeit, muss simultan ablaufen
an die sprachliche, intellektuelle und emotionale Entwicklung der
Schüler. Vor allem im Anfangsunterricht müssen die Schüler positive
Erfahrungen mit Literatur sammeln, damit sie Lust bekommen mehr
zu lesen und sich auf literarischem Gebiet weiter zu entwickeln. Ein
Fehlstart kann die Lust zum weiteren Literaturunterricht verderben.
Aktualität
Mit Aktualität wird nicht gemeint, dass die ausgewählten Texte immer
neue Texte sein müssen. Vielmehr wird damit gemeint, dass die
Themen der Texte geeignet sein müssten, um in die Gegenwart, in
die Aktualität übertragen zu werden, damit die Schüler sich an der
Geschichte beteiligen können. Koppensteiner nennt dazu die
folgenden Themen: „persönliche Erlebnisse, Gefühle, Erfahrungen;
aktuelle
Probleme
in
ihrer
Gesellschaft;
zeitlose,
allgemein
menschliche Themen, mit denen sie persönlich etwas zu tun
haben“.198
198
Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 43.
69
Positive Konnotationen vs. Provokation
Koppensteiner beleuchtet diesen Diskussionspunkt aus zwei Seiten
und stellt dazu verschiedene Argumente dar. Soll ein Text positive
Konnotationen
haben
oder
Koppensteiner
erörtert
soll
er
einerseits
den
die
Leser
provozieren?
Meinung
von
Ingrid
Mummert.199 Sie betont die Relevanz der positiven Konnotationen als
Hilfe zu einem positiven Bild über das Zielsprachenland. Die Schüler
brauchen zu einer positiven Einstellung zum Zielsprachenland, zur
Fremdsprache und zum Literaturunterricht motiviert zu werden.
Provozierende Texte würden ihrer Meinung nach ein verzerrtes Bild
vom Zielsprachenland geben. Anderseits gibt er die Meinung von
Helmut Hofmann wieder. Hofmann meint, dass man Texte benutzen
muss
„in
denen
Konfliktfelder
aufgesucht
werden
und
gesellschaftliche, kulturelle und andere Probleme thematisiert
werden“,200 damit die Leser zur Äußerung provoziert werden. Auf
diese
Weise
können
provozierende
Texte
sicherlich
als
Diskussionstrigger in der Klasse dienen und ein (fremdsprachliches)
Gespräch über einen fremdsprachlichen Text und vielleicht über
gesellschaftliche
Koppensteiner
Probleme
meint,
dass
im
Zielsprachenland,
für
beide
auslösen.
Einstellungen
im
Literaturunterricht Platz ist. Gegen affirmative Texte hat er nichts
einzuwenden, und zu provozierenden Texten, sagt er, dass es
jedenfalls erlaubt sein muss, sie auszuwählen. Er macht aber dazu
schon eine Randbemerkung. Man kann bei provozierenden Texten
den sogenannten Irritationsfaktor als Auslöser zu didaktischen
Zwecken nutzen, aber man muss dafür aufpassen dabei keine Tabus
und Gefühle zu verletzen. Dies könnte dazu führen, dass die Schüler
sich ärgern und sich nicht mehr zum Äußern trauen. Laut
Ingrid Mummert: Literatur macht Spaß – auch in der Fremdsprache.
Überlegungen zu einem kommunikativen Umgang mit fremdsprachiger
Literatur. In: Literarische Texte in der Unterrichtspraxis I. Seminarbericht.
München: Goethe-Institut 1984, S. 33-46, S. 42.
200 Helmut Hofmann: Zur Integration von literarischen Texten in einem
kommunikativen Sprachunterricht. In: Authentische Texte im
Deutschunterricht: Einführung und Unterrichtsmodelle. Hg.von Christoph
Edelhoff. München: Hueber 1985, S. 150-158, S. 151.
Zitiert nach: Koppensteiner, 2001, S. 44.
199
70
Koppensteiner sei „Enthaltsamkeit bei kritischen und provozierenden
Texten jedoch insgesamt nicht empfohlen, aber auch nicht exklusive
Problemlastigkeit“.201 Als Lehrer sollte man dann einen Mittelweg
finden müssen. In Bezug auf die Lesemotivation scheint es mir
vernünftig, vor allem im Anfangsunterricht die Schüler so viel wie
möglich für den fremdsprachlichen Literaturunterricht zu motivieren.
Texte mit positiven Konnotationen könnten eher positivere Gefühle
gegenüber dem fremdsprachlichen Literaturunterricht erwecken und
den würde ich dementsprechend den Vorzug geben. Wenn die
Schüler sich mehr sprachlich, intellektuell und emotionell entwickelt
haben, gibt es meines Erachtens auch Platz für mehr provozierende
Texte, wobei dann den Irritationsfaktor didaktisch ausgenutzt wird.
Kontrastierung verschiedenartiger Texte
Der Gebrauch von verschiedenartigen Texten zum selben Thema,
sollte, so stellt Koppensteiner,202 Diskussionen anregen. So können
unterschiedliche Themen wie zum Beispiel Natur, Lebensläufe, Krieg
und Frieden, Liebe, usw. mittels verschiedener Texte behandelt
werden. Meines Erachtens ist auch hier den Aufbau der inhaltlichen
Schwierigkeit der verschiedenen Textsorten zu beachten. Man
könnte zum Beispiel im ersten Lehrjahr Deutsch anfangen mit
Kinder-/ Jugendgedichte, konkrete Poesie, Lieder, Märchen und
Fabel, um dann nachher Jugendliteratur zu lesen. Es gibt auf diese
Weise nicht nur eine Entwicklung in Bezug auf inhaltliche und
sprachliche Schwierigkeit aber auch auf das intellektuelle Niveau der
verschiedenen
Textsorte.
Die
inhaltliche
und
sprachliche
Schwierigkeit des Textes wird so an die Schüler angepasst und die
Schüler lernen verschiedene Textsorte kennen.
201
202
Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 45.
Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 45.
71
Vergrößerung des Wahrnehmungsfeldes
Die Ziele des Literaturunterrichts und der Erfahrungshorizont müssen
stets erweitert und vergrößert werden. Die literarische Texte sollten
an das Niveau, die Vorbildung, den Erfahrungshorizont und die
Altersstufe der Schüler angepasst werden. Es darf für die Schüler auf
verschiedenen Gebieten nicht zu leicht und nicht zu schwierig sein;
thematisch, sprachlich, inhaltlich, intellektuell und emotional. Der
Text sollte dem Schüler noch immer etwas bringen können und sollte
damit als Erweiterung der Lebens- und Leseerfahrung dienen.
Berücksichtigung
charakteristischer
Merkmale
der
Varianten
deutscher Sprachkultur
Koppensteiner203 plädiert in seiner Arbeit dafür, dass die ganze
gemeinsame deutsche Sprachkultur im DaF-Unterricht berücksichtigt
wird. Das heißt, dass die österreichische und schweizerische
Literatur auch im DaF-Unterricht miteinbezogen werden müssen, da
Österreich und die Schweiz auch zum deutschen Sprachraum und
zur deutschen Sprachkultur gehören. Meiner Meinung nach, sollte
hierbei auch die literarische Entwicklung des Schüler beachtet
werden. Ein breiterer historischer und kultureller Kontext könnte den
Schüler überfordern.
Interkulturelle Perspektive
Die interkulturelle Kommunikation als Teil des Literaturunterrichts,
wird von Koppensteiner nur kurz besprochen. Dieser Aspekt ist aber
sehr
wichtig
für
das
Verstehen
des
Fremden
im
Fremdsprachunterricht, aber auch für die Lesemotivation. Deswegen
darf sie, meiner Meinung nach, vor allem auf einem höheren
Entwicklungsniveau, eine größere Rolle zugeteilt werden. Literatur ist
ein wichtiger Teil der interkulturellen Kommunikation. Da nicht jeder
Fremdsprachlerner das Zielsprachenland besucht bzw. besuchen
kann oder will, ist Literatur für sie die einzige authentische Weise, mit
203
Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 46.
72
der Zielsprachenkultur in Kontakt zu kommen und das Land, die
Leute und die Kultur kennen zu lernen. Literarische Texte verbinden
die Fremdsprachlerner also mit der Kultur des Zielsprachenlandes.
Wie die Schüler dieses Land und diese Kultur kennen lernen, hängt
demzufolge mit den Texten, die vom Lehrer gewählt werden und von
der Weise, in der mit den Texten und ihre Inhalte umgegangen wird,
zusammen.
Der
Lehrer
soll
sich
seines
Anteils
im
Vorstellungsprozess der Schüler bewusst werden. Die Textauswahl
des Lehrers und die Weise, in der er mit dem Text und zum Beispiel
mit dem Irritationsfaktor umgeht, ist sehr bestimmend für das Bild,
das die Schüler von der deutschen Kultur bekommen werden. Die
Schwierigkeit in Bezug auf die Wahl zwischen positiven und
negativen Konnotationen, wurde schon im Abschnitt Positive
Konnotationen vs. Provokation erörtert. Auch hier spielt meines
Erachtens wieder der allmähliche Prozess eine wichtige Rolle, wobei
am Anfang der interkulturelle Aspekt vor allem den Kulturvergleich
dienen soll und zur Förderung der Lesemotivation Provozierung
möglichst vermieden werden soll. Weiterhin gibt es für den
Irritationsfaktor mehr Platz, obwohl Provozierungen immer von einem
ausführlichen (historischen) Kontext begleitet werden müssen, damit
mögliche Vorurteile und Fehlinterpretationen vermieden werden
können.
Freude an der Lektüre
Freude beim Lesen sollte laut Koppensteiner204 selbstverständlich
sein, ist aber leider nicht immer der Fall. Die Texte sollten dem
Schüler Unterhaltsamkeit, Spannung und Selbstbegegnung bieten.
Weiterhin meint Koppensteiner, dass es für die Leser Vergnügen
bringt, auf eine poetisierende Weise mit Sprache umzugehen. Er
nennt dieses Poetisieren „ein Grundbedürfnis des Menschen.“205
Dass die Freude an der Lektüre wichtig ist für die Lesemotivation der
Schüler, steht natürlich außer Frage. Darum ist dieses Kriterium mir
204
205
Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 46.
Idem.
73
wichtig. Man kann dieses Kriterium einhalten, indem man die
anderen vorher genannten Kriterien versucht einzuhalten. Meiner
Meinung
nach,
sollten
die
Schüler
den
(vor
allem
nicht
obligatorischen) Literaturunterricht immer als angenehm erfahren.
Wenn die Schüler den Literaturunterricht nicht als angenehm
erfahren, könnte das außer der Abnahme der Lesemotivation auch
weitere negative Folgen mit sich bringen, wie Imageschäden für das
Schulfach
Deutsch,
die
Sprache,
die
Kultur
und
die
Zielsprachenländer selbst.
5.2 Ausgangslage und Vorbereitung
Im Folgenden werden die Aspekte behandelt, die man sich als
Lehrer vor dem Literaturunterricht gut überlegen und beachten muss,
um ihn so gut wie möglich vorbereiten zu können und die Schüler so
gut wie möglich in ihrem Lern- und Leseprozess begleiten zu
können.
Dies
wird
demzufolge
auch
der
Lesemotivation
zugutekommen. Aber bevor diese Aspekte weiter erörtert werden,
wird zuerst das Fundament dieser Literaturdidaktik, nämlich die
Rezeptionsästhetik, und dann vor allem ihre didaktischen Folgen für
den Literaturunterricht, noch mal beleuchtet.
Die Diskussion die von Koppensteiner206 schon erwähnt wurde,
nämlich nach der Frage der Interpretationsfreiheit, wird hier nicht
tiefer
behandelt.
Eher
wird
hier
beschrieben
wie
die
Rezeptionsästhetik den Literaturunterricht prägt und wie man als
Lehrer damit umgehen könnte bzw. umgehen sollte. Die Text-LeserBeziehung steht in der Rezeptionsästhetik im Mittelpunkt207 und der
Leser wird damit zum Mitspieler. Laut Ehlers208 bildet der Leser
Zusammenhänge, um einen Text zu verstehen. Bei der Bildung
dieser Zusammenhänge benutzt der Leser nicht nur den Inhalt des
206
Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 33ff.
Lothar Bredella, 1989, S. 51f.
208 Swantje Ehlers, 1992a, S. 13.
207
74
Textes aber auch die Perspektive und Absicht des Textes.
Außerdem wird der Gedanken über den Sinn des Textes immer
durch subjektiv- emotionale Faktoren des Lesers beeinflusst. Dabei
ist es wichtig, nicht nur zu wissen was ein Leser versteht, sondern
auch wie und wie weit der Leser den Text versteht. Der Leser gibt
einem Text Sinn, aus seiner eigenen Perspektive, aus eigenen
Erfahrungen, eigenem Weltwissen, eigener Vorkenntnisse und aus
einem bestimmten kulturellen Raum. Man muss dabei als Lehrer
aufpassen, dass der Leser nicht nur seine eigene Welt in den Text
hinein
projiziert,
denn
Vorurteile
könnten
einfach
zu
Missverständnissen führen. Diese Deutungen sollten dann anhand
des Textes nochmal geprüft werden, in dem den Text nochmals gut
gelesen wird. Um eventuelle Fehldeutungen zu vermeiden, ist es als
Lehrer
empfehlenswert
die
folgenden
Fragestrukturen
nach
Ehlers,209 als Vorbereitung auf den Literaturunterricht zu benutzen.
Diese Fragestrukturen sind Teil ihres Prüfkatalogs als Vorbereitung
auf den Literaturunterricht.
1.
Welche Sinn- und Verstehensebenen enthält der Text? Benutzen Sie
dabei die Fragen zur Texterschließung:
a) Wer spricht?
b) Worüber wird gesprochen?
c) Was wird darüber gesagt?
d) Wie wird es gesagt?
e) Welche Perspektive hat der Autor/Erzähler gegenüber dem,
wovon er spricht?
f) Welche Perspektive legt der Text dem Leser nahe – z.B.
Identifikationen, Sympathien?
g) Welche Perspektive hat möglicherweise der reale Leser
(z.B. Ihre Lernergruppe?)
2.
Was
können
Schwierigkeiten
Ihre
Schüler
spontan
fassen?
Was
–
Sprache,
Inhalte,
Konnotationen
bereiten?
könnte
(Wertungen)?
209
Swantje Ehlers, 1992a, S. 14ff.
75
3.
Erfordert der Text ein Vorwissen, über das Ihre Schüler nicht
verfügen?
4.
Welche Textinhalte bieten Ihren Schülern wohl einen subjektiven
Einstieg?
a) Worauf könnten sie emotional reagieren?
b) Was könnte sie interessieren?
c) Was könnte ihre Aufmerksamkeit erregen?
5.
Gibt
es
innerhalb
des
Textes
Anknüpfungspunkte
an
die
Erfahrungswelt Ihrer Schüler? – Bestehen Übereinstimmungen,
Ähnlichkeiten und/oder Differenzen zwischen den beiden Welten?
Zu diesen Fragen hat Ehlers noch einige Bemerkungen. Zur ersten
Frage stellt sie, dass ein Globalverständnis des Textes oft ein erstes
Ziel im Unterricht ist. Die Frage nach der Perspektive oder der
Absicht des Autors kommt oft, abhängig von der Zielgruppe und von
weiteren Lernzielen, erst nach verfeinerter Lektüre. Manchmal
bleiben auch Zusammenhänge offen und können Fragen zum Text
nicht gleich beantwortet werden. Dies sollte den Leser neugierig
machen und Spannung erzeugen. Die offenen Fragen sprechen den
Leser an und der Leser kommt in den Dialog mit dem Text. Laut
Ehlers sollte der Lehrer diese „motivierende und Interesse weckende
Kraft
solcher
Fragen“
benutzen,
„um
seine
Schüler
aktiv
miteinzubeziehen und den Unterricht lebendig zu gestalten“.210
Zu der zweiten und dritten Frage empfiehlt Ehlers noch einige
lerntheoretischen Einsichten zu beachten, die sehr wichtig sind im
Literaturunterricht
und
in
seiner
Vorbereitung.
Fang bei der Textarbeit an mit dem was für die Schüler leicht,
einfach und konkret ist. Von dem Punkt aus könnte man die
Textarbeit schwieriger, komplexer oder abstrakter machen, so dass
die Verstehensgrundlage erweitert wird. Allerdings muss man, bevor
man sie erweitern kann, genau wissen, was diese für die Schüler
beinhaltet, also was der Startpunkt der Schüler ist. Manchmal muss
210
Swantje Ehlers, 1992a, S. 16.
76
diese
Wissensgrundlage
auch
geschaffen
werden,
in
dem
Vorinformationen (schwierige Wörter, historischer und kultureller
Kontext) gegeben werden und Vorkenntnisse aktiviert werden.
Zu der vierten Frage betont Ehlers211 die Wichtigkeit des Beitrags der
subjektiven Erfahrungen der Schüler. Der Unterricht sollte so
gestaltet werden, dass die Schüler ihre eigenen Erfahrungen
einbringen und ausdrücken können. Dies sorgt nicht nur dafür, dass
die Schüler den fremdsprachlichen Text eigen machen können,
sondern dies sorgt auch dafür, dass die Schüler mehr motiviert und
interessiert
sind.
Sie
sind
laut
Ehlers
„dadurch
nicht
nur
aufnahmebereiter, sondern sie können das Neue und das Fremde
auch leichter verarbeiten, indem sie es mit ihrem persönlichen
Erfahrungsbereich
verbinden.“212
Außerdem
fördert
dieses
gefühlsmäßige Verstehen eine intuitive Aneignung und Belebung
eines Textes. Ehlers erweitert diesen Prüfkatalog mit noch einigen
Fragen die im Voraus gestellt werden müssen:213
6.
Welche Lehr- und Lernziele werden angestrebt?
7.
Welche Verstehenstiefe bzw. welcher Grad der Auseinandersetzung
mit dem Text soll erreicht werden?
Dazu könnten zu diesen Fragen die folgenden Fragen gestellt
werden: Wieviel sollen Ihre Schüler verstehen? Wie tief sollen sie in
den Text eindringen? Wieviel möchten Ihre Schüler verstehen?
Müssen die Schüler den Text in seinen historischen und kulturellen
Kontext stellen können? Müssen die Schüler die Merkmale der
literarischen Gattung oder Strömung erkennen können? Sollten sich
Ihre Schüler den Text mehr persönlich-emotional aneignen, oder
sollten sie vor allem lernen, ihre Erfahrungen, Eindrücke und
Meinungen am Text zu belegen? Wie lange möchten Sie sich mit
dem Text beschäftigen?
211
Swantje Ehlers, 1992a, S. 17.
Idem.
213 Idem, S. 22ff.
212
77
Ehlers214 deutet dabei darauf hin, dass die Schüler nicht unbedingt
immer alles von einem Text verstehen müssen. Eine zu lange und
genaue Bearbeitung könnte sogar die Freude am Lesen verderben.
8.
9.
Wie lassen sich Schüler motivieren/aktivieren
-
dass sie einen Text für sich aktualisieren können,
-
dass sie einen Einstieg finden,
-
dass sie in einen eigenen Dialog mit dem Text treten können,
-
dass sie Fragen haben an den Text,
-
dass sie Antworten finden auf offene Fragen des Textes,
-
dass sie wissen, wie sie Verstehensprobleme lösen können?
Lernervoraussetzungen: Welches Literaturverständnis haben Ihre
Schüler? Welche Verstehens- und Deutungskonventionen verwenden
sie?
Um die Schüler zu motivieren und zu aktivieren gibt es mehrere
Möglichkeiten. So könnte man die Schüler einerseits von der
Leserseite aus motivieren und aktivieren, einen Einstieg in einen
Text zu finden und sich einen Text eigen zu machen, in dem an die
Erfahrungswelt
der
Schüler
angeknüpft
wird
und
subjektiv-
emotionale Reaktionen, Interessen und Neigungen hervorgerufen
werden. Anderseits gibt es auch die Möglichkeit die Schüler aus der
Seite des Textes zu motivieren und zu aktivieren. Das Thematisieren
von den wichtigen Ereignissen, Geschehnissen oder Höhepunkten
im Text ist ein Beispiel dafür. Diese bilden dann Aufmerksamkeitsund Verstehenszentren für den Leser. Von dort aus können dann
auch andere Bereiche des Textes behandelt werden. Weiterhin
können Lücken oder Mehrdeutigkeiten im Text als Anknüpfungspunkt
im Unterricht dienen, um die Schüler dazu zu bringen, aktiv und
selbstständig
ein Gespräch über den Text zu führen, um eine
Textstelle zu deuten oder, um offene Fragen zum Text zu stellen.
Aber
auch
hier
sollte
man
die
Lernervoraussetzungen
berücksichtigen, und sollte man sich zuerst fragen in wie weit die
214
Swantje Ehlers, 1992a, S. 22f.
78
Schüler fähig sind, sich mit Inkohärenzen und offene Fragen im Text
zu beschäftigen. Wenn der Schüler die Sinnzusammenhänge im Text
selbst entdecken kann, dann fördert das die Kreativität, die
Eigenständigkeit und die Motivation des Schülers. Laut Ehlers „ist
der Weg noch wichtiger als das Ziel.“215 Dies stimmt nach Ehlers
überein mit dem Begriff des entdeckenden Lernens von J. Bruner
(1973).216
5.3 Die
Rolle
des
fremdsprachlichen
literarischen
Entwicklungsprozesses
Im zweiten Kapitel wurde die Wichtigkeit eines strukturierenden
longitudinalen Lernlinie für den Erfolg den Literaturunterricht und für
die Förderung der Lesemotivation erörtert. Im vorigen Abschnitt
wurden bei den Vorüberlegungen und bei der Ausgangslage die
didaktischen Punkte in Betracht gezogen, die einen guten Aufbau im
fremdsprachlichen literarischen Entwicklungsprozess fördern können
und einer longitudinalen Lernlinie im Literaturunterricht Inhalt geben
können. Ebenfalls wurde erörtert, wie nach Koppensteiner217 einen
Literaturschock vermieden werden kann und wie eine richtige
Entsprechung zum sprachlichen und literarischen Niveau der
Schüler, eine wichtige Rolle bei den Auswahlkriterien spielt. 218 Auch
dies hat alles mit dem Aufbauen und dem Lenken des Lernprozesses
zu tun. Sowie Ehlers219 nannte, ist es wichtig vom Leichten zum
Schwierigen zu arbeiten. Daher wäre es empfehlenswert, schon am
Anfang des Fremdsprachenunterrichts, in der Unterstufe, mit den
einfacheren Gattungen von Literatur anzufangen. Auf diese Weise
haben die Schüler, wenn sie in der Oberstufe sind, schon
Erfahrungen gemacht mit unterschiedlichen Gattungen von Literatur
215
Swantje Ehlers, 1992a, S. 25.
Jerome Seymour Bruner: Der Akt der Entdeckung. In: Entdeckendes Lernen.
Hg. von Heinz Neber. Weinheim/ Basel: Beltz 1973, S. 15-27.
217 Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 12.
218 Idem, S. 41ff.
219 Swantje Ehlers, 1992a, S. 8.
216
79
und haben sie sich auch auf literarischem Gebiet schon entwickelt.
So könnten Wortbilder und konkrete Poesie laut Bischof (u.a.)220 ein
guter Einstieg in den Literaturunterricht sein. Sie sind nämlich in der
Regel sprachlich unkompliziert und sind sehr geeignet für ein
kreatives,
landeskundliches,
interkulturelles,
lerner-
und
handlungsorientiertes Vorgehen. Auch Kast221 plädiert für den
Anfangsunterricht, in der Unterstufe, für den Gebrauch einfacherer
Literatur wie Comics, Kurzprosatexte, Lieder, Märchen, Fabeln,
Gedichte und Jugendliteratur. Ein solcher Einstieg sollte laut Kast
„die Jugendlichen auf den Geschmack bringen.“222 Wenn die Schüler
vom Anfang an Anerkennung und Spaß beim Lesen erleben, dann
werden sie motiviert weiter zu lesen. Deswegen ist es auch so
wichtig, dass die Schüler vom Anfang an, das Lesen als etwas
Positives und Angenehmes erfahren.
Diese
erwähnten
Personen
und
Einsichten
zielen
auf
stammen
von
unterschiedliche
unterschiedlichen
Facetten
des
fremdsprachlichen Literaturunterrichts. Sie zeigen, dass die Rolle
des
allmählichen
fremdsprachlichen
literarischen
Entwicklungsprozesses für die Motivation der Schüler und damit
auch
für
den
allgemeinen
Erfolg
des
fremdsprachlichen
Literaturunterricht sehr groß ist. Dieser Entwicklungsprozess der
Schüler muss vom Lehrer genau gesteuert und gelenkt werden. Dies
ist vor allem wichtig, wenn in der Oberstufe ein bestimmtes Niveau
gefordert wird. Die Schüler müssen an die Hand genommen werden,
um das Ziel zu erreichen. Man sollte sich als Lehrer ständig fragen:
Wo stehen die Schüler jetzt, wo müssen sie hin und wie kommen sie
dorthin? Man kann als Lehrer in der Oberstufe nicht auf einmal
erwarten, dass die Schüler auf ein bestimmtes Niveau (sprachlich
und literarisch) arbeiten können, sie müssen zuerst auf dieses
Niveau gebracht werden.
220
Monika Bischof et al., 1999, S. 35ff.
Bernd Kast, 1985a, S. 40, S. 77.
222 Idem, S. 40.
221
80
Meines Erachtens werden der fremdsprachliche Literaturunterricht in
der Unterstufe und der fremdsprachliche Literaturunterricht in der
Oberstufe als zwei unterschiedliche Domänen gesehen, die ihre
eigenen
Ziele
und
ihre
eigenen
damit
verbundenen
Vorgehensweisen haben. In der Unterstufe ist der Literaturunterricht
noch
unverbindlich
und
dient
er
oft
zur
Abwechslung
im
(Lese)Unterricht, zur Motivation und zum Vergnügen. In der
Oberstufe werden dann auf einmal (auf jeden Fall für die Schultypen
havo und vwo) Anforderungen an den Literaturunterricht gestellt und
werden seine Ziele verlegt auf die Förderung der literarischen
Fertigkeiten, der interkulturellen Kommunikation, der intellektuellen
Bildung und der ästhetischen Wahrnehmung. Diese Unterschiede in
den Zielen gehören auch zu den Unterschieden auf sprachlichem
und literarischem Niveau, und sind damit gerecht, aber meiner
Meinung nach, sollte die Trennlinie zwischen dem Literaturunterricht
in der Unterstufe und dem Literaturunterricht in der Oberstufe nicht
so stark sein. Viel besser wäre es, wenn sie gut auf einander
anschließen, damit eine abrupte Übergang für die Schüler vermieden
wird. Dies kann erreicht werden, in dem in allen Aspekten des
Literaturunterrichts
(Ziele,
Textauswahl,
Inhalt,
Didaktik
und
Verarbeitung) eine longitudinale Lernlinie realisiert wird. Im folgenden
Abschnitt kommt es zum praktischen Inhalt des Literaturunterrichts.
Besprochen
wird
wie
die
Gestaltung,
die
Ansätze
und
Verfahrensweise der Textarbeit aussehen könnten und auf welche
Weise diese zur Förderung der Lesemotivation beitragen könnten.
5.4 Verfahrensweise der Textarbeit
In
diesem
Abschnitt
ist
es
nicht
beabsichtigt
universale
Fertigdidaktisierungen für den Literaturunterricht zu geben. Dazu gibt
es zu viele und unterschiedliche Ziele, Unterrichtsprinzipien,
Schwerpunkte, Entwicklungsstadien der Schüler, usw. die alle
beabsichtigt werden müssen. So gibt es mehrere Prinzipien bzw.
81
Ansätze, nach denen man arbeiten könnte, die jeder sehr
bestimmend für den inhaltlichen Literaturunterricht sind. Ziel dieses
Abschnitts ist es vielmehr, mehrere allgemeine Herangehensweisen
zur Textarbeit zu besprechen. Diese könnten als Muster für die
weitere Adaption an die Situation der Schüler dienen. Einige Ansätze
werden hier schon weiter erklärt, weil sie eine große Rolle im
fremdsprachlichen Literaturunterricht spielen. Auch wird erklärt wie
man im Literaturunterricht am besten mit den unterschiedlichen
Ansätzen umgehen kann, um die Lesemotivation der Schüler zu
fördern.
Im
handlungs-
und
produktionsorientierten
Literaturunterricht
arbeiten die Schüler, nach Spinner223 und Haas et al.224
225
mit all
ihren Sinnen durch praktisch, aktiv und selbsttätig Handeln an dem
Text. Die Schüler sind mit lesen, schreiben, umschreiben, spielen,
darstellen, und mit umsetzen in anderen Medien beschäftigt. Laut
Saša Jazbec226 fördert diese Vorgehensweise die Motivation der
Schüler sehr, denn wenn sie sich persönlich an dem Text beteiligen
können, dann können sie auch engagierter mitmachen. Vor allem für
schwächere Schüler oder für Schüler im Anfangsunterricht ist diese
Vorgehensweise sehr geeignet, weil sie, obwohl sie sicherlich mit
dem Inhalt des Textes beschäftigt sind, sie nicht durch analytische,
sprachliche oder kulturelle Defizite vereitelt werden. Hermann Korte
weist dabei jedoch auf eine Lücke dieser Vorgehensweise hin:
Nämlich, dass sie zur „Ausblendung der historischen Dimension“227
223
Kasper Heinrich Spinner: Handlungs- und produktionsorientierter
Literaturunterricht. In: Grundzüge der Literaturdidaktik. Hg. von KlausMichael Bogdal und Hermann Korte. München: dtv 2002, S. 247-257.
224 Gerhard Haas, Wolfgang Menzel, Kaspar Heinrich Spinner: Handlungs- und
produktionsorientierter Literaturunterricht. In: Praxis Deutsch (1994),
H.123, S. 17-25.
225 Gerhard Haas: Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht.
Theorie und Praxis eines „anderen“ Literaturunterrichts für die Primar- und
Sekundarstufe. Seelze: Kallmeyer 1997.
226 Saša Jazbec 2004, S.210f.
227 Hermann Korte: Lyrik im Unterricht. In: Grundzüge der Literaturdidaktik. Hg. von
Klaus-Michael Bogdal und Hermann Korte. München: Deutscher
Taschenbuch Verlag 2002, S. 203-217, S.205. Zitiert nach Saša Jazbec
2004, S.212.
82
führen könnte. Für Schüler mit einem höheren literarischen Niveau
wäre eine weitere Auseinandersetzung mit dem historischen und
kulturellen Kontext dann natürlich zu empfehlen.
Der kommunikative Ansatz des Fremdsprachenunterrichts möchte
die
Schüler
dazu
bringen
im
Zielsprachenland
angemessen
kommunizieren und handeln zu können. Dabei ist es auch wichtig,
die Zielsprachkultur kennenzulernen und zu verstehen. Ziel des
interkulturellen
Ansatzes
innerhalb
der
kommunikativen
fremdsprachlichen Literaturdidaktik ist es darum auch, die Schüler
die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Kulturen
und Ländern mittels eines Vergleichs herauszufinden. Auch wird
ihnen bewusst gemacht, wie sie sich selbst sehen, wie sie die
Zielsprachkultur sehen, welche Vorannahmen und Bilder sie von den
beiden Kulturen/Ländern haben und wie diese ihre Sichtweise
beeinflussen.
Es
Kulturen/Ländern
kontrastive
sollte
einen
geben.
Dialog
Bischof
Vorgehen.228
nennt
Innerhalb
zwischen
diesen
der
den
beiden
Ansatz
das
interkulturellen
Literaturdidaktik gibt es neue unterschiedliche Richtungen mit ihren
eigenen Schwerpunkten. Diese werden in dieser Arbeit aber nicht
weiter erklärt.
Diese Ansätze für den Literaturunterricht stammen aus der
Fremdsprachendidaktik und werden meiner Erfahrung nach meistens
in
der
Unterstufe
benutzt.
Vor
allem
der
handlungs-
und
produktorientierte Ansatz ist dort sehr beliebt. In der Oberstufe
werden die Ansätze stark von den literaturwissenschaftlichen
Theorien beeinflusst. Ein Grund dafür könnte der Unterschied in
Ausbildung von den Lehrern in der Unterstufe und der Oberstufe
sein. Tanja Janssen hat im Jahre 1998229 untersucht welche
unterschiedlichen Ansätze in der Oberstufe im niederländischen
228
229
Monika Bischof et al., 1999, S. 33.
Tanja Janssen: Literatuuronderwijs bij benadering. Een empirisch onderzoek
naar de vormgeving en de opbrengsten van het literatuuronderwijs.
Amsterdam: Thesis Publishers 1998.
83
Literaturunterricht benutzt werden. Obwohl die Ergebnisse dieser
Untersuchung keine klaren Aussagen über den Literaturunterricht
Deutsch geben können, geben sie schon einen allgemeinen Einblick
in wie in den Niederlanden in der Oberstufe Literaturunterricht
praktiziert wird. Auch wurden diese genannten Ansätze in älteren
Untersuchungen von Thijssen230 und Koldijk231 als benutzte Ansätze
im Literaturunterricht Deutsch erwähnt. Janssen unterscheidet vier
Ansätze die zur vier unterschiedlichen Bildungen dienen: (1)
Kulturelle
Bildung,
(2)
literarisch-ästhetische
Bildung,
(3)
gesellschaftliche Bildung und (4) persönliche Entwicklung. Janssen
stellt,
dass
diese
Ansätze
sich
stufenweise
von
einander
unterscheiden und, dass die Lehrer im Literaturunterricht oft ein
eklektisch Verfahren anwenden. Auch hat Janssen gefolgert, dass
der kulturbildende Lehrer sich am meisten profiliert. Marc Verboord
(2003)232 hat in seiner Untersuchung diese vier Ansätze auf zwei
Grundformen zurückgeführt, nämlich ein lernstofforientierter Ansatz
(Type 1 & 2) und ein schülerorientierter Ansatz (Type 3 & 4). Aus
mehreren
Untersuchungen
hat
sich
herausgestellt
(Verboord
2004,233 Witte et al. 2008),234 dass der schülerorientierter Ansatz die
Lesemotivation der Schüler positiv beeinflusst.
Jede Unterrichtssituation ist anders, mit ihren eigenen Zielen und
Prinzipien, ihrem eigenen sprachlichen und literarischen Niveau und
ihrer eigenen Zielgruppe. Auch bestimmt jeder Lehrer (hoffentlich in
Übereinstimmung mit der Fachgruppe) seine eigene Ziele, die ihm
am wichtigsten scheinen. Diese Unterschiede bestimmen jedes Mal
den geeigneten Ansatz und Herangehensweise. Wie im vorigen
Kapitel erörtert wurde, spielen vor allem die Entwicklungsstadien der
230
Martin Thijssen, 1985.
Dirk Koldijk, 1990.
232 Marc Verboord: Moet de meester dalen of de leerling klimmen. De invloed van
het literatuuronderwijs op het lezen van boeken tussen 1975 en 2000.
Dissertatie Universiteit Utrecht 2003.
233 Marc Verboord, 2004.
234 Theo Witte, Gert Rijlaarsdam und Dick Schram: Literatuuronderwijs en de
ontwikkeling van leesmotivatie in de Tweede Fase. In: Levende Talen
Tijdschrift 9 (2008), H. 2, S. 19-30.
231
84
Schüler dabei eine sehr wichtige Rolle. So wäre es empfehlenswert
im Anfangsunterricht den Schwerpunkt noch nicht auf zum Beispiel
den ästhetischen Wert des Werkes zu legen, sondern eher auf den
Schüler selbst. Was gefällt dem Schüler (nicht) am Text? Wie findet
der Schüler das Lesen? Welche Gefühle ruft der Text ab?
Dies
alles, um den Schüler einzuführen, ihn mit dem Lesen bekannt zu
machen, ihn mit positiven Erfahrungen auf den Geschmack zu
bringen und zum Weiterlesen zu verlocken. Meiner Meinung nach,
würde eine Betonung auf einen handlungs- und produktorientierten
Ansatz dann gut passen. Weiterhin könnte den Schwerpunkt mehr
auf den Text selbst verlegt werden. Erst wenn die Schüler sich
sprachlich und literarisch weit genug entwickelt haben, dann kann
der Text und sein historischer und kultureller Kontext eine größere
Rolle spielen. Dann können nicht nur die Texte an sich, sondern
auch die Aufgaben zum Text schwieriger werden. In einem weiteren
Stadium der literarischen Kompetenzentwicklung könnte dann auch
ein
interkultureller
oder
literarisch-ästhetischer
Ansatz
des
Literaturunterrichts mehr betont werden. Zusammenfassend würde
ich dafür plädieren, die verschiedenen Ansätze im Literaturunterricht
eklektisch
anzuwenden
und
dabei
anhand
der
Niveaubeschreibungen (Witte) den Schwerpunkt des Unterrichts
jeweils im Einklang mit der literarischen Entwicklung zu verschieben.
Außerdem sollte in allen Phasen der literarischen Entwicklung
versucht werden, inhaltlich den Schülern nahezukommen und an die
Erlebniswelt der Schüler anzuknüpfen, um ihre Beteiligung und damit
ihre Lesemotivation zu fördern.
Wie Bernd Kast235 beschreibt, läuft leider für viele Schüler den
Literaturunterricht noch immer wie folgt ab: Die Schüler bekommen
vom Lehrer einen Text, der von den Schülern selbst Zuhause, oder
in kleinen Teilen von den Schülern selbst oder vom Lehrer in der
Klasse wird vorgelesen. Nach dem Lesen wird der Text mühsam
235
Bernd Kast, 1985a, S. 49.
85
analysiert und semantisiert und folgt vielleicht eine Erklärung
unbekannter Wörter. Eine solche Arbeitsweise könnte vom Schüler
als unangenehm und enttäuschend erfahren werden und wirkt
dementsprechend
demotivierend
auf
sie.
Die
folgenden
Herangehensweisen zur Textarbeit, die von unterschiedlichen
Personen dargestellt werden, sollten, wie Koppensteiner236 das
formuliert, „helfen, junge, an Literatur scheinbar nicht oder nur
marginal interessierte Deutsch Lernende stärker zum Lesen zu
motivieren, sie ‚neugierig‘ zu machen und ihnen, bei Steuerung des
Leseprozesses, ein positives ‚Leseerlebnis‘, einen ‚Lesespaß‘ zu
ermöglichen.“ Da die Rezeptionsästhetik Grundlage dieser Ideen ist,
spielt die Interaktion zwischen dem Text und dem Leser eine
wichtige Rolle.
Swantje Ehlers237 unterscheidet in ihrer Verfahrensweise fünf
unterschiedliche Phasen:
1. Phase: Schaffen eines Vorverständnisses
2. Phase: Einstieg in die Textarbeit
3. Phase: Erfassen des konkreten Geschehens
4. Phase: Vertiefung des Textverständnisses durch Erschließen von
Motiv- und Handlungszusammenhängen
5. Phase: Abschluss
Die erste Phase hat als Ziel vor der Lektüre eine Wissens- und
Verstehensgrundlage zu schaffen, um das Textverständnis zu
erleichtern. Dabei werden die Vorkenntnisse der Schüler aktiviert,
eventuelle Hintergrundinformationen gegeben und den historischen
oder kulturellen Kontext verdeutlicht. Wie man genau in dieser Phase
vorangeht hängt natürlich auch stark davon ab, wie später mit dem
Text gearbeitet wird und was die Ziele für die Schüler sind. Das gilt
auch für den genauen Ansatz der zweiten Phase. Hier könnte man
236
237
Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 55.
Swantje Ehlers, 1992a, S. 37-41.
86
einen verstandesmäßigen Einstieg wählen, wobei hauptsächlich
nach
dem
Inhalt
gefragt
wird.
Oder
man
könnte
einen
gefühlsmäßigen und mehr subjektiveren Einstieg wählen, wobei von
dem ersten Eindruck, den ersten Reaktionen, den Interessen und
Fragen der Schüler ausgegangen wird. In der dritten Phase wird
anhand von Fakten- oder Inhaltsfragen nachgegangen ob die
Schüler verstanden haben, was der Text direkt mitteilt. In der vierten
Phase wird das Textverständnis weiter vertieft und die Geschehnisse
und Situationen der Geschichte ausgedeutet. Dies geschieht anhand
von Interpretationsfragen, die höheren Anforderungen an den
Schüler stellen als die Faktenfragen. Ziel der letzten Phase ist aus
den vielen verschiedenen Gesichtspunkten wieder eine Ganzheit zu
bilden, damit der Schüler eine Orientierung haben und das Gefühl
bekommen, so Ehlers, „etwas in der Hand zu haben.“238 Dies könnte
erreicht werden, indem man zum Ausgangspunkt zurückkehrt.
Bernd Kast239 verteilt die Textarbeit in drei Phasen: Vorbereitungsund Motivationsphase, Präsentationsphase und die Phase der
Textarbeit (Semantisierung). In der Vorbereitungsphase werden die
Schüler mittels ‚advance organizers‘ darauf vorbereitet einen
fremdsprachlichen Text lesen und vor allem verstehen zu können.
Kast definiert ein ‚advance organizer‘ folgendermaßen:
„Ein ‚advance organizer‘ versucht den Lernprozess dadurch zu
verbessern, dass er der Präsentationsphase eine Phase
vorschaltet, in der es darum geht, im Voraus, ‚in advance‘, die
Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die den Lernenden ins
Straucheln und zu Fall bringen können, die Verstehen verhindern
und Lernen erschweren.“240
Kast unterscheidet dabei ‚advance organizers‘ in Bezug auf den
Inhalt, auf die Situation, auf die Sprache und auf die Textsorte. Für
den inhaltlichen Aspekt wird im Voraus den Schülern den politischen,
kulturellen,
gesellschaftlichen,
historischen,
autobiographischen,
238
Swantje Ehlers, 1992a, S. 40.
Bernd Kast, 1985a, S. 41-60, S71-77.
240 Idem, S. 49.
239
87
geographischen und/ oder soziologischen Kontext des Textes
nähergebracht. Um die Schüler auf die Situation vorzubereiten, wird
eine Erwartungshaltung bei dem Schüler aufgebaut. Dabei werden
auch die emotionale Einstellung des Schülers zum Text und die
Thematik bzw. den Rahmen des Textes vorab angesprochen.
Schwierigkeiten mit der Sprache können für die Schüler schon vorab
vorweggenommen werden, in dem sprachliche Schwierigkeiten, die
das Verständnis des Textes erschweren können, beseitigt werden.
Eine Vorbereitung auf die Textsorte und ihre Merkmale erleichtert
das Textverständnis, weil die Schüler dann wissen, was sie vom Text
erwarten können. Diese ‚advance organizers‘ können außer
mündlich (mittels Klassengespräche) oder schriftlich (in Textform)
auch sehr gut von audio-visuellem Material, wie Film, Video, Fotos,
Hörfragmenten, Lieder usw. begleitet werden (dies macht es für die
Schüler nur attraktiver) und können auch von den Schülern selbst
vorbereitet und präsentiert werden. So könnten unterschiedliche
Gruppen für die unterschiedlichen Aspekte der ‘advance organizers’
sorgen. ‚Advance organizers‘ in Textform die zur Vorentlastung
unterschiedlicher Aspekte dienen könnten, werden Zubringertexte
genannt. Laut Kast wird dabei von einem Text gesprochen, der das
Vokabular, die relevanten Strukturen und den notwendigen Kontext
dosiert.241
Die Vorbereitungsphase und die Motivationsphase sind laut Kast
schwierig zu trennen und brauchen auch nicht unbedingt getrennt zu
werden. Sie können sehr wohl mit einander verbunden werden oder
simultan
verlaufen.
Die
Motivationsphase
sollte
die
Schüler
motivieren, neugierig machen, Interesse und Spannung wecken.
Außer den ‚advance organizers‘ könnte die Motivationsphase anhand
folgender Ideen gestaltet werden: Buch durchblättern, Umschlag
oder Abbildungen im Buch ansehen, Titel und Klappentext
(vor)lesen,
241
Klassengespräch
mit
Fragen,
Assoziationen,
Bernd Kast, 1985a, S. 52.
88
Erwartungen, Vorkenntnisse oder das Einlesen des ersten Kapitels
oder erster Seiten (selbstständig oder vom Lehrer vorgelesen).
Die Präsentationsphase beinhaltet das Lesen des Textes. Laut Kast
gibt es für die Schüler zwei Möglichkeiten: frei lesen, das heißt ohne
Aufträge, Fragen und Hinweise des Lehrers oder lesen anhand von
Leitfragen, die das Globalverständnis des Textes lenken können. Ob
die Leitfragen benutzt werden, ist die Wahl des Lehrers. Ein Vorteil
von Leitfragen ist, dass sie als Orientierungshilfe für die Schüler
dienen können. Vor allem für unerfahrene Leser ist das angenehm.
Ein Nachteil von den Leitfragen könnte sein, dass viele und
schwierige Leitfragen stören würden und den Lesefluss hemmen
würden.
Bei einer ausschließlich häuslichen Lektüre könnten
Zwischenbesprechungen als Kontrolle, Fragenmoment, Evaluation
der Leseerfahrungen oder als extra extrinsische Motivation zum
(weiter)lesen dienen.
Die letzte Phase ist die Phase der Textarbeit, also die Behandlung
des Buches. Diese Phase besteht laut Kast wieder aus zwei
verschiedenen Phasen. Zuerst gibt es die ‚offene Phase‘, in der ein
lernerorientiertes Gespräch über den Text stattfindet. Das heißt, dass
die Schüler den Inhalt des Gesprächs selber bestimmen können und
ihre unterschiedlichen Perspektiven einbringen können. Der Lehrer
stellt dabei offene Fragen, um das Gespräch in Gang zu bringen.
Nach dieser Phase folgt die Erarbeitungsphase, deren Inhalt stark
abhängt von der vorigen Phase, und in der, wichtige noch nicht
auskristallisierte Aspekte der Textinterpretation weiter behandelt
werden.
Dies
könnte
zum
Beispiel
anhand
von
Unterrichtsgesprächen, Gemeinsamem Erlesen wichtiger Textteile
oder anhand von Gruppenarbeit unter bestimmter Aufgabenstellung
geschehen. Kast betont, dass der Nachdruck der Textarbeit auf die
(re-)produktiven
Fertigkeiten
und
auf
die
Kommunikationsmöglichkeiten gelegt werden sollte und empfiehlt
dazu ein produktives und kreatives Umgehen mit Literatur. Einige
89
Beispiele die er gibt sind: einen Klappentext schreiben/verändern,
eine
Buchbesprechung
verändern,
Brief
Werbeplakat
Bilder/Collagen
mit
oder
schreiben
Fragen
wichtigen
evaluieren,
den
Verfasser
an
Umschlagbild
zu
oder
für
oder
das
Textteile
schreiben,
Buch
entwerfen,
spannenden
Textstellen
anfertigen, Teile nachspielen (Rollenspiele) oder als Hörspiel
bearbeiten, eine fehlerhafte Rezension verbessern oder wenn
möglich, das Buch mit dem Film vergleichen. Weiterhin betont Kast,
dass es wichtig ist, dass die Motivation der Schüler während der
ganzen Textarbeit erhalten bleibt. Eine zu lange oder zu detaillierte
Buchbesprechung
wobei
die
Schülerbedürfnisse
zu
wenig
berücksichtigt werden, könnte einen anfänglich positiven Eindruck
der Schüler aufheben.
Jürgen Koppensteiner242 bezieht sich großenteils auf die Phasen von
Bernd Kast (Vorbereitungs- und Motivationsphase, Präsentation und
Textarbeit), stellt aber die zweite Teilphase der Textarbeit, die
Erarbeitungsphase, als separate Phase und nennt sie die Phase der
Erweiterung. Zur Vorentlastung nennt er, außer den von Kast schon
erwähnten ‚advance organizers‘, noch weitere Techniken wie den
Assoziogramm, wobei die Assoziationen der Schüler gesammelt
werden und den Gebrauch von Wortkarten oder Wortlisten, die die
lexikalische Vorentlastung dienen und auch einen Austausch von
Ideen und Assoziationen fördern. Koppensteiner betont die wichtige
Rolle dieser Phase für das Lesevergnügen und den Leseerfolg:
„Kreativität, Phantasie und Abwechslung sind in dieser ‚Vorphase
des Lesens‘ gefragt, wenn Lernende zu aktiven, engagierten Lesern
geformt werden sollen.“243 Zu der Präsentationsphase erwähnt
Koppensteiner, dass die Weise, in der den Text präsentiert wird,
abgewechselt werden soll. Zum Beispiel, dass den Text selbst
gelesen, vorgelesen oder angehört wird. Für die dritte Phase, die
242
243
Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 55-72.
Idem, S. 60.
90
Textarbeit, gibt Koppensteiner viele praktische, didaktische und
produktive Arbeitsformen und Übungen, die er wie folgt untergliedert:
Übungen
zum
Textverständnis,
Übungen
zum
Erzählen,
Meinungsäußerungen und Lesererwartungen. Die letzte Phase der
Erweiterung sieht Koppensteiner also als eine separate Phase, in der
die Schüler sich vor allem auf eine produktive und kreative Weise mit
dem Inhalt des Textes beschäftigen. Viele Ideen, um dies zu
gestalten, hat er von Kast übernommen und beinhalten vor allem
kreative Schreib-, Sprech- und Spielaufgaben zum Inhalt des Textes,
zum Beispiel: Zeitung(Artikel) schreiben, neues Ende schreiben,
Brief an Hauptperson oder Schriftsteller schreiben, neue Dialoge
schreiben, Geschichte aus anderer Perspektive erzählen, usw.
In diesen beschriebenen Verfahrensweisen von Ehlers, Kast und
Koppensteiner
stimmen
die
Hauptlinien
und
die
Ziele
der
unterschiedlichen Phasen sehr stark überein. Vor allem bei Kast und
Koppensteiner (Koppensteiner hat sich auch auf Kast bezogen) ist
das der Fall. Jedoch gibt es in der didaktischen Durchführung dieser
ähnlichen Phasen einen großen Unterschied zwischen Ehlers
einerseits und Kast/Koppensteiner anderseits. Bei der didaktischen
Durchführung von Kast und Koppensteiner liegt der Nachdruck auf
ein kreatives und produktives Verfahren. Dies ist bei Ehlers nicht der
Fall. Die Durchführung der Phasen bei Ehlers wirkt sehr statisch,
minimalistisch und sachlich auf mich. Vor allem in der dritten Phase,
in der den Inhalt des Textes anhand von Fakten- und Inhaltsfragen
gecheckt wird, fehlt mir eine attraktive Durchführung, um die Schüler
zu motivieren. Ich bevorzuge daher eher eine kreative, intermediale
oder produkt- und handlungsorientierte Durchführung der Phasen, so
wie die von Kast und Koppensteiner beschrieben wurden. Ihre
Verfahrensweise ist attraktiver für die Schüler, motiviert sie mehr,
bietet eine gute Begleitung, hat dieselbe Ziele und kann immer auf
das Niveau der Schüler angepasst werden. In diesen Ideen, die aus
der Fremdsprachendidaktik stammen, fehlt mir aber der sehr
wichtige Aspekt der literarischen Kompetenzentwicklung. Diese
91
Entwicklung sollte, meiner Meinung nach, viel mehr bei der
Textarbeit beachtet werden, da ein Mangel an Literaturkompetenz in
einem weiteren Stadium verhängnisvoll für die Lesemotivation ist.
Wie schon im vorigen Kapitel erwähnt wurde, ist es wichtig, dass die
textspezifischen Aufgaben niveauspezifische Ziele erfolgen und
damit im Zeichen des literarischen Kompetenzerwerb stehen.244
Man kann hieraus schließen, dass es für die Förderung der
Lesemotivation nicht nur wichtig ist, was man mit dem Inhalt des
Textes macht, sondern auch und vor allem, wie man das macht. Ein
Schlüsselwort zu einer motivationsfördernden Didaktik ist Variation.
Koppensteiner245
betont
dies
in
seiner
Beschreibung
seiner
Verfahrensweise und Theo Witte246 nennt den Mangel an Variation
in der Textverarbeitung, als ein der Motivationsprobleme bei
niederländischen Schülern im niederländischen Literaturunterricht.
Variationen in der Verarbeitung des Textes, es sei in den Aufgaben
oder in den Arbeitsformen, machen den Literaturunterricht für die
Schüler angenehmer. Auf diese Weise werden die Schüler ständig
aufs Neue angeregt und damit bleibt der Literaturunterricht für sie
spannend
und
unterhaltsam.
Eine
andere
Weise,
um
die
Lesemotivation der Schüler zu fördern, ist der Einsatz von Social
Media. Social Media wie Twitter, Facebook, YouTube und Instagram
knüpfen sehr gut an die Erlebniswelt der Schüler an und bieten
zahlreiche Möglichkeiten die (moderne) Interaktion bei der Textarbeit
zu fördern. 247
Meiner
Meinung
fremdsprachlichen
attraktiven,
nach
sind
alle
Literaturunterrichts
produkt-,
handlungs-
erwähnten
mittels
und
einer
Ziele
des
kreativen,
schülerorientierten
Didaktisierung zu verfolgen, die die Schüler auch noch Vergnügen im
244
Theo Witte, 2008, S. 518.
Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 56.
246 Theo Witte, 2008, S. 38.
247 Masja Mesie: Literatuur en social media. Inspiratiedag literatuuronderwijs APS
5. Juni 2014. Nicht veröffentlicht.
245
92
Literaturunterricht bringen könnte. Die wichtigsten Rollen zur
Förderung der Lesemotivation, spielen, meines Erachtens, die Phase
der Vorbereitung und Erarbeitung. Also nicht die Textarbeit an sich,
sondern was man im Voraus als Vorbereitung und nachher als
Erarbeitung macht, könnte die Schüler motivieren. Deshalb sollte,
nach meiner Auffassung, die advance organizers eine große Rolle
zugewiesen werden. Sie versetzen die Schüler in der Lage einen
Text zu verstehen, „und zwar auf eine relativ attraktive, den Spaß am
Lesen fördernde Weise. Das ist gerade für ungeduldige, leicht
demotivierbare jugendliche Leser eine wichtige Voraussetzung dafür,
den ohnehin noch mühevollen Weg zum Ziel nicht vorzeitig
aufzugeben“,248 so Kast. Viele Schüler geben schon aus Angst vor
einem Misserfolg vorzeitig auf. Meiner Ansicht nach, ist das ein der
Hauptgründe der Demotivation der Schüler. Darum möchte ich noch
einen advance organizer in Bezug auf die Situation hinzufügen, die
dieses Problem möglicherweise verringern könnte. Bei einem
advance organizer in Bezug auf die Situation sollte bei den Schülern
nicht nur eine Erwartungshaltung in Bezug auf den Inhalt aufgebaut
werden, sondern auch eine in Bezug auf die Vorgehensweise, die
erforderlichen Fertigkeiten, die Ziele der Textarbeit und auf die
allgemeine literarische Entwicklungsziele. Der Schüler soll bei dem
Entwicklungsprozess
miteinbezogen
werden
und
sich
seines
Niveaus und seiner Entwicklung bewusst werden.249 In der Vorphase
sollte also nicht nur behandelt werden, was die Schüler vom Text
erwarten können, sondern auch wird aus der Seite des Lehrers
behandelt, was von den Schülern erwartet wird, was sie vom
Unterricht erwarten können und was der Text und die Textarbeit ihm
bringen
werden.
Diese
ausführliche
Orientierung
auf
die
Leseaufgabe könnte in Verbindung mit der abschließenden Phase
der Erarbeitung, das Selbstkonzept und die Selbstwirksamkeit
fördern. Im Abschnitt 2.2 wurde schon erwähnt wie diese zwei
Aspekte als Teil der intrinsischen Lesemotivation die Lesemotivation
248
249
Bernd Kast, 1985a, S. 60.
Theo Witte, 2008, S.518.
93
fördern können. Auch können auf diese Weise in der Vorphase die
Valenz
und
Relevanz
der
Leseaufgabe
von
dem
Schüler
eingeschätzt werden. Wie im Abschnitt 2.2 besprochen wurde,
können diese Aspekte die extrinsische Motivation fördern.
Außer einer guten Vorphase ist die Rolle der Abschlussphase auch
sehr
bedeutend
Lesemotivation.
für
Um
die
eine
Leseerfahrung
positive
und
damit
Leseerfahrung,
für
die
die
zum
Weiterlesen verlockt, zustande bringen zu können, ist es, meiner
Meinung nach, wichtig, dass die Textarbeit und die ganze Erfahrung
des Lesers gut abgeschlossen werden. Auf diese Weise kommt der
Text und die Textarbeit wieder zurück zu den Schülern und können
sie sich den Inhalt des Textes zu eigen machen. Die Schüler sollten
ihre Lesererfahrungen teilen und in der Klasse sollten die
Verfahrensweise und das Erreichen der Ziele evaluiert werden, damit
die Schüler noch mal klar wird, was sie alles gemacht und gelernt
haben. Von diesem Punkt ab, können die Schüler bewusst einen
Schritt in ihrer Entwicklung machen und haben sie den Unterricht mit
einem
positiven
Gefühl
abgeschlossen.
Die
motivierende
Leistungsrückmeldungen haben einen positiven Einfluss auf das
Selbstkonzept und die Selbstwirksamkeit und damit auf die
Lesemotivation.250
Es wird wahrscheinlich mehr Zeit beanspruchen, dieses ideale
Unterrichtsverfahren auf diese Weise durchzuführen und vor allem
dieses als Lehrer sehr gut vor zu bereiten, als wenn man nicht die
genannten Aspekte der Textarbeit beachtet und ein statisches oder
einfaches Unterrichtsverfahren durchführt. Dieser Nachteil wiegt,
meiner Meinung nach, den letztendlichen Vorteil der positiven
Leseerfahrung und der erhöhten Lesemotivation nicht auf.
250
Stefanie Meyer, 2009, S.134.
94
In diesem Kapitel stand die Literaturvermittlung zentral und wurde
der Frage nachgegangen, auf welche Weise die Literaturvermittlung
eine
Förderung
der
Lesemotivation
zustande
bringen
kann.
Verschiedene Aspekte der Literaturvermittlung wie die Textauswahl,
die
Ausgangslage,
die
Vorbereitung,
der
literarische
Entwicklungsprozess und die Verfahrensweise der Textarbeit spielen
dabei eine sehr große Rolle. In diesem Kapitel wurde erörtert wie die
unterschiedlichen Einsichten aus unterschiedlichen Blickwinkeln in
ihrer bestimmten zusammengefügten Durchführung die allgemeine
Lesemotivation
im
entwicklungsorientierten
fremdsprachlichen
Literaturunterricht fördern können.
95
6
Schluss
In dieser Arbeit wurde eine Antwort auf die folgende Frage gesucht:
Wie kann die Lesemotivation der Schüler im literarischen DaFUnterricht verbessert werden? Das Ziel dieser Arbeit ist es,
Empfehlungen und Hinweise zur Förderung der Lesemotivation im
literarischen DaF-Unterricht zu geben, die Lehrer als Leitfaden in
ihrem Unterrichtsverfahren benutzen können. Diese Empfehlungen
und Hinweise brauchen nicht alle strikt befolgt zu werden. Die
Absicht ist es vielmehr, sie wenn möglich in dem gesamten Prozess
der
Literaturvermittlung
zu
berücksichtigen.
Damit
kann
die
Lesemotivation der Schüler in einem entwicklungsorientierten
Literaturunterricht, vom vergnüglichen Lesen in der Unterstufe bis
zur literarischen Kompetenz in der Oberstufe, gefördert werden. Auf
diese Weise kann der Literaturunterricht optimal benutzt werden und
dem Schüler möglichst viel bringen.
Die Hauptfrage dieser Arbeit wurde beantwortet, in dem die
verschiedenen Einsichten unterschiedlicher Aspekte des literarischen
DaF-Unterrichts gesammelt und mit einander verbunden wurden. Mit
dieser
Verbindung
wurde
Fremdsprachendidaktik
und
versucht,
eine
Brücke
Literaturwissenschaft,
zwischen
Ziele
und
Anforderungen, Unterstufe und Oberstufe und zwischen Vergnügen
und Entwicklung zu schlagen, um damit die Lesemotivation der
Schüler zu fördern.
Im ersten Kapitel wurde die Fertigkeit Lesen erörtert. Wir haben
gesehen, dass Lesen nicht nur das Dekodieren der Buchstaben
erfordert, sondern neben den kognitiven Fertigkeiten auch von den
Vorkenntnissen abhängig ist. Weiter wurde erklärt auf welche Weise
diese Aspekte das fremdsprachliche Lesen erschweren.
96
Im zweiten Kapitel wurde deutlich gemacht wie die Lesemotivation in
Zusammenhang mit der Lesekompetenz funktioniert. Über die
Lesehäufigkeit beeinflusst die Lesemotivation die Lesekompetenz
auf eine positive Weise. Außerdem wird der motivationale Aspekt
neben dem kognitiven Aspekt als Teil der Lesekompetenz gesehen.
Dies betont nochmals den Wert der Lesemotivation für den
fremdsprachlichen Literaturunterricht. Obwohl die Lesekompetenz
der Schüler im Laufe der Jahre steigert, nimmt die Lesemotivation
jedoch ab. Außerschulische Aktivitäten, Veränderung der Interessen,
ein negatives Selbstkonzept und eine negative Selbstwirksamkeit
könnten die Senkung der Lesemotivation verursachen. Manche
dieser Faktoren können auf eine bestimmte Weise optimiert werden.
So
kann
man
als
Lehrer
bei
mehreren
Aspekten
der
Literaturvermittlung (z.B. bei der Textauswahl und Verarbeitung) an
die Interessen und an die Erlebniswelt der Schüler versuchen
anzuknüpfen. Auch kann im Literaturunterricht explizit an dem
Selbstkonzept und der Selbstwirksamkeit gearbeitet werden. Dies
wurde in Kapitel 5 weiter ausgeleuchtet.
In Kapitel 3 wurde die umfassende Bedeutung des Literaturbegriffs
für diese Arbeit besprochen. Auch wurde beschrieben wie die
Entwicklungen
in
fremdsprachlichen
Methoden
und
in
literaturwissenschaftlichen Theorien die Position von Literatur im
DaF-Unterricht und ihren Inhalt
bis heutzutage geprägt haben.
Weiterhin hat es sich in diesem Kapitel gezeigt, dass mit Literatur
viele Ziele verfolgt werden können. In den darauf folgenden Kapiteln
wurde erörtert wie mit dieser Vielfalt an Zielen, Auffassungen und
Ansätzen
in
Bezug
entwicklungsorientierten
auf
Lehrplan,
einen
in
dem
strukturierenden
die
Lesemotivation
gefördert wird, umgegangen werden kann.
Dann wurde im vierten Kapitel dargelegt wie der (fremdsprachlichen)
Literaturunterricht
an
der
weiterführenden
Schule
in
den
Niederlanden durch gesellschaftliche, soziale und pädagogische
97
Entwicklungen im Laufe der Dezennien eingeschränkt und mehr
schülerorientierter wurde. Auch wurde nach der Untersuchung von
Theo Witte gezeigt, dass das Fehlen eines strukturierenden und
entwicklungsorientierten Lehrplans und der Mangel an Kenntnis bei
den Lehrern, die Probleme im Literaturunterricht verursachen. Mittels
seiner
literarischen
unterschiedliche
Niveaubeschreibungen
Schülerprofile,
vom
werden
erlebenden
bis
sechs
zum
akademischen Leser, dargestellt. Diese Beschreibungen bieten den
Lehrer
eine
Basiskenntnis
strukturierenden
Lehrplan.
und
Für
eine
die
Grundlage
Entwicklung
für
einen
eines
breit
getragenen Lehrplans für die Unterstufe und Oberstufe, sollte zuerst
in der ganzen Fachgruppe Übereinstimmung erreicht werden über
die Anforderungen, Ziele und Ansätze des Literaturunterrichts. Mit
einem strukturierenden Lehrplan kann eine durchlaufende Lernlinie
verfolgt
werden.
Anhand
dieser
Lernlinie
können
den
Unterrichtsinhalt, die Textauswahl, die Didaktik, die Textarbeit, die
Erarbeitung und die persönliche Begleitung jedes Mal auf den
jeweiligen Schüler angepasst werden und die Lesemotivation über
die ganze literarische Entwicklung gefördert werden.
In Kapitel 4 wurde zur Förderung der Lesemotivation zuerst
Empfehlungen zum Fundament des Literaturunterrichts gegeben. In
dem letzten Kapitel wurde mehr detailliert beschrieben, wie die
Lesemotivation praktisch bei der Literaturvermittlung gefördert
werden kann. Die Einsichten aus den vorigen Kapiteln zur
Lesekompetenz, Lesemotivation und zum entwicklungsorientierten
Literaturunterricht, werden in diesem Kapitel zusammengebracht in
den Empfehlungen und Hinweisen zur tatsächlichen Textarbeit.
Gezeigt wurde, wie in allen Phasen der Literaturvermittlung, von den
Vorüberlegungen über die Vorbereitungsphase und die Textarbeit bis
hin
zur
Abschlussphase,
unterschiedliche
Aspekte
des
Literaturunterrichts an das sprachliche und literarische Niveau, das
Interesse und an die Erlebniswelt der Schüler angeknüpft werden
sollten.
Ein
abwechslungsreiches,
kreatives,
produktives
und
98
attraktives Verfahren im Literaturunterricht formt die Schüler zu
aktiven und engagierten Lesern. Auch sollte der Schwierigkeitsgrad
der Texte, der Texterarbeitung, der Ziele, der Anforderungen und der
Ansätze aufgebaut werden, damit literarische Entwicklung ermöglicht
wird. Diese Entwicklung spielt nämlich eine große Rolle bei der
Lesemotivation. Deswegen ist es auch wichtig, dass die Schüler sich
ihres Niveaus, ihrer Entwicklung und der Relevanz der Leseaufgabe
bewusst werden und, dass sie aktiv bei ihrem literarischen
Entwicklungsprozess
miteinbezogen
werden.
Ein
positives
Selbstkonzept und eine positive Selbstwirksamkeit können die
Lesemotivation auch fördern. An diesen Aspekten kann in der
Vorbereitungs- und Abschlussphase konkret gearbeitet werden, in
dem die Schüler im Voraus eine Erwartungshorizont aufbauen und
nachher reflektieren, evaluieren und positives Feedback erhalten.
Ob die Befolgung dieser Empfehlungen und Hinweise tatsächlich
ihren gewünschten Effekt hat, soll sich in der Praxis oder in einer
empirischen Untersuchung erweisen müssen.
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Erklärung
Ich versichere, dass ich die vorliegende Abschlussarbeit selbständig
verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und
Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen der Arbeit, die dem Wortlaut
oder dem Sinn nach anderen Werken und Texten entnommen sind,
habe ich in jedem Fall unter Angabe der Quellen als Entlehnung
deutlich gemacht.
Volendam, den 6. August 2014
Unterschrift:
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