Mystische Reise auf den Spuren der Inka vom Machu Picchu bis zum Titicacasee Jedes Land hat seinen eigenen Geruch. Peru riecht nach Eukalyptus. Einzelne Bäume, aber auch ganze Wälder prägen mit ihren leuchtend blaugrünen Blättern die vorbeiziehende Landschaft. Am späten Vormittag sind die letzten unserer Gruppe in Cusco gelandet, und nun fährt der Bus mit einer angenehmen Geschwindigkeit - Augen und Gehirn können in Muße sehen, staunen und verarbeiten - durch das Hochland von Peru. Bis zur Ankunft in Pisaq werden noch mehrere Stunden vergehen. Es regnet leicht, in Peru ist Sommer und hat die Regenzeit begonnen, und mein Körper muss sich noch an die Höhe (3.400 m) anpassen. Ich falle in einen leichten Schlaf. Der Ruf der Anden Obwohl Kryon schon sehr früh in seinen Channelings über die Weisheit der Indigenen sprach und über den Rat der Ältesten aller indigener Völker des Planeten, der aufgrund der anstehenden Zeitenwende zusammengekommen sei, konnte ich diese Informationen nicht einordnen. 2010 kam ich in Kontakt mit Munay-Ki (ein aus 9 Schritten bestehender Ritus der Quechua). Ich bekam eine Ahnung von der Präsenz und Weisheit der Linie der Medizinmänner und -frauen. Später begegnete ich Alberto Villoldo, und dank seiner Anleitungen sowie Büchern weiterer Autoren festigte sich mein Zugang zur indigenen Spiritualität. Ich konnte nachvollziehen, wovon Kryon sprach. Im Oktober 2010 - ich hatte zum Kontinent Südamerika keinen Bezug - hing ich aus irgendeinem Impuls heraus das Foto eines Anden- gipfels über meinen Schreibtisch und erinnere mich noch gut an meine spielerische Frage- stellung: "Ob sich das manifestiert?!" Im wohl irgendwann Frühjahr/Sommer 2011 erwähnte Michelle Karen1 in einem News- letter, dass sie zum 21.12.2012 nach Peru plant. Am 1 eine Reise Amerikanische Astrologin: www.michellekaren.com; "Michelle Karen" <[email protected]> 1 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 15.8.2011 [im Nachhinein errechnete Quersumme: 9, d.h. Vollendung] traf ich die Entscheidung, daran teilzunehmen. Danach war innerhalb von zwei Wochen mein Terminkalender für den Rest des Jahres und das Jahr 2012 mit Aufträgen voll: Flugticket und Reisekosten waren gesichert. Was ist das für eine Gruppe, die sich zu dieser 12-tägigen mystischen Reise an die heiligen Stätten der Inka zusammengefunden hat? Statistisch sind es 22 [numerologisch eine Meisterzahl] Personen aus 9 Ländern2, 16 Frauen und 6 Männer zwischen 17 und 75 Jahren, später am Titicacasee kommen noch zwei Mitreisende hinzu. Die wenigsten kannten sich vorher - d.h.: in diesem Leben… Spirituell sind es ausnahmslos alte Seelen, die zum Pachakuti3 "zu Hause" sein möchten. Verschiedene Botschaften/Channelings, die einige Gruppenmitglieder daheim oder auch unterwegs an verschiedenen Orten erhielten, sagten unabhängig voneinander alle dasselbe: Diese Reise würde für alle weitreichende Auswirkungen zeigen. Die Zusammensetzung der Gruppe sei kein Zufall, auch nicht das Zusammentreffen an unserer ehemaligen gemeinsamen Wirkungsstätte. "Wenn ihr nach diesem Abenteuer wieder alle bei euch zu Hause seid, werdet ihr eine sehr große Einweihung abgeschlossen haben, die vor langer Zeit begann." (Botschaft aus einem Channeling) 12.12.2012 Unsere gemeinsame mystische Reise beginnt also am 12.12.12 mittags im Meditationsraum des Hotels in Cusco, der großräumig, hell und zu einem Innenhof mit üppigen blühenden Pflanzen geöffnet ist. In unsere Meditation mischen sich einige Böller von draußen. Die Reiseleitung stellt sich vor. Michelle Karen hatte sich bereits am Vorabend im Hotel mit den schon vorher Angereisten getroffen. Den Rest, der wie ich erst im Verlauf des Vormittags ankam, hatte sie mit Jose, unserem jungen Reiseführer für das Heilige Tal, persönlich am Flughafen abgeholt. Zwischen beiden sitzt in der farbenfrohen Landestracht gelassen, mit einem wachen Blick, ein Q'ero und direkter Nachkomme der Inka - Don Pasqual, ein Schamane4. Michelle Karen hat zu seiner Familie eine persönliche Beziehung, und schnell nehmen wir es für selbstverständlich, was es gar nicht ist, dass er und seine Frau Santuzza uns all die Tage begleiten und an wichtigen heiligen Plätzen eine Zeremonie durchführen. Sein Alter lässt sich nicht schätzen. Er spricht gut verständlich Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Kanada, Litauen, Luxemburg, Russland, USA Pachakuti: "Zeitenwende/Zeit der Umkehr zur Essenz, zur inneren Sonne". Nach Auffassung der Inka endet nun ein großer Zyklus der Dunkelheit, und es beginnt ein neuer kosmischer Zyklus mit Lichtjahren. 4 Der Begriff 'Schamane' kommt aus dem Englischen. Die Inka-"Priester" heißen in den beiden heute noch gesprochenen Dialekten 'paq'o' (Quechua, gesprochen in der Gegend von Cusco) bzw. 'yatiri' (Aymara, gesprochen in der Region von Puno, vor dem Quechua in der Vor-Inkazeit entstanden). 2 3 2 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Spanisch; schade, dass ich nur das notdürftige Touristen-Überlebens-Spanisch beherrsche. Ich hätte gern so viele Fragen gestellt. Eine wurde beantwortet: Wie wird man Schamane? Die Tradition kennt zwei Wege: Die klassische Form ist die Weitergabe des geheimen Wissens über Generationen in der Familie. Don Pasqual wurde über den zweiten Weg geleitet. Ein Blitz traf ihn, er hat überlebt und erhielt innerhalb von ungefähr zwei Jahren den geballten 'kosmischen Download' zum Paq'o. Da sind wir also, angekommen am 12.12.12. Was hat es mit diesem Datum auf sich? Astronomische geben keinen Hinweis auf eine besondere weltweite Ausrichtung auf dieses Datum Kalenderjahres also 'Menschenwerk'. Was faszinierte die Menschen so, dass sie sich weltweit verbanden, um dieses Datum zu feiern? Natürlich ist da die Freude an 'schönen' Zahlen 2012 war als Berechnungen Konstellation. Die Höhepunkt des [dreimal die Zwölf], verbunden mit dem erleichterten Gefühl, dass das Jahr im Monat Dezember nun bald (mehr oder weniger gut) abgeschlossen ist. Durch Kryon habe ich gelernt, dass die Numerologie uns Einsicht in tiefere Schichten eines Ereignisses gewähren kann. Da ist zunächst die Zwölf, die im Universum gültige Berechnungseinheit. Die Zwölf bedeutet Ganzheit, wenn sie erreicht ist, beginnt ein neuer Zyklus, numerologisch dargestellt durch die Quersumme 3 [1+2]. Die Drei steht für einen Katalysator. - Wir haben also ein von Menschen gemachtes Ereignis, das mit seiner Energie etwas auslösen, bewirken wird. Diese Drei wird auch noch dreimal! wiederholt - in manchen Veranstaltungen sogar fünfmal [12 Uhr 12] - Die Fünf steht für Veränderungen… Die reine Quersumme des Datums ist 9 [3+3+3]. Die Neun steht für Vollendung. - Das Jahr 2012 ist (fast) rund, und der Zeitzyklus nach dem Mayakalender auch, doch dazu kommen wir später. Wenn wieder die Uhrzeit hinzugerechnet wird, ergibt sich, je nach Ansatz entweder 5*12 = 60 [6+0] oder 5*3=15=6. Die Sechs ist eine heilige, eine göttliche Zahl. Die spirituellen Gruppen auf dem gesamten Planeten haben also alle in derselben Energie gefeiert - Abschluss, Freude über Erreichtes, Vorfreude auf bevorstehendes Neues, aber auch die Ungewissheit vor dem unbekannten nächsten Schritt - und damit eine Welle erzeugt, deren Ausmaß im Universum wir uns wahrscheinlich noch gar nicht vorstellen können. Und auch wir verbanden uns energetisch mit dem erzeugten globalen Kraftfeld und stimmten uns ein auf den Reiz der gemeinsamen 'mystischen Reise' - äußerlich in dieses fremde, vertraute Land Peru, und innerlich in unser eigenes Sein. "Dies ist für euch alle ein Riesenschritt ins Quantum." (gechannelte Botschaft) Entsprechend lautete die Agenda: "Wir schlagen vor, dass ihr es zulasst, wie sich die Dinge in jedem Augenblick entfalten - alle Planungen und Tagesordnungen würden nur die Spontaneität, wie sich die Dinge entfalten wollen, behindern." Wie schon gesagt, es war eine Gruppe alter Seelen, alle konnten sich mit dieser Grundhaltung identifizieren, und ich habe noch nie eine 3 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 derart ausgeglichene, harmonische Gruppe erlebt. Alle waren pünktlich, niemand jammerte oder kritisierte, Selbstdarstellung und Dramen waren offensichtlich in anderen Lebenszeiten hinreichend ausgekostet worden, und nun brachten alle ihre gelassenen, heiteren und fürsorglichen Eigenschaften ein. "Der Himmel bescherte mir die liebevollste, spirituellste und fröhlichste Gruppe. Wir lachten und weinten, reflektierten tief über unser Leben, veränderten uns profund und kamen als andere Menschen mit einem offeneren Herzen, einer größeren Bewusstheit darüber, wer wir sind, und einem größeren Licht zurück, um es mit der Welt zu teilen." (Michelle Karen, 15.1.13) Höhenkrankheit Den meisten von uns war jedoch zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht nach höheren Dimensionen zumute. Lima und sein Flughafen liegen auf Meeresniveau5. Michelle Karen hat allen geraten, erstens in Lima einen achtstündigen Stopp einzulegen, und wirklich im Hotel zu schlafen, und zweitens sofort auf dem Flughafen Sorojchi-Pills6 zu kaufen und mit der Einnahme zu beginnen. Ich konnte den ersten Rat nicht befolgen7 und bin in Lima sofort umgestiegen auf den Inlandsflug nach Cusco, um zwei Stunden später auf 3.400 m Höhe zu landen. Mir ging es nicht besser als Mario8: "Die ersten Meter habe ich mich noch völlig normal gefühlt, doch dann wurde mein Gepäck zentnerschwer, meine Arme und Beine waren weich wie Spaghetti, und mein Kopf wurde benommen." Doch auch die vorher Angereisten mussten sich noch an die Höhe anpassen. Vor dem ersten Mittagessen standen also die meisten zuerst einmal Schlange vor der Sauerstoffflasche. In allen Hotels dieser Region stehen kostenlos Sauerstoff-Atemmasken bereit, und die Wohltat einer 10-15-minütigen Extraportion Sauerstoff ist nicht zu beschreiben. An diesem Tag begann meine Liebe zum heißen Mate de Coca-Tee. Auch das ist ein selbstverständlicher Service in allen Hotels. Starker Coca-Tee hilft gegen die Höhenkrankheit und steht überall, ebenfalls kostenlos, bereit. Es gibt ihn in Teebeuteln, aber am besten schmeckt er frisch aufgebrüht mit einer guten Handvoll Cocablättern (pro Tasse). Peruanische Küche Das Mittagessen war die erste Überraschung: Wie auch an den folgenden Tagen hatten wir eine lange Tafel für uns. Die Fülle der frischen und appetitlichen Gerichte war unbeschreiblich. Es gab mindestens: (1) köstliche Suppen: Hühnersuppe, Gemüsesuppe mit/ohne Quinoa; sie wurde unser Peru wurde früher in drei Regionen eingeteilt: im Westen die trockene Wüste am Pazifischen Ozean, im Osten der Dschungel am Amazonas - Machu Picchu liegt am Eingang des Dschungels - und in der Mitte die Anden mit der weiten Hochebene. Die offiziellen Führer sprechen heute von acht geografischen Regionen. 6 Diese Tabletten (Acetylsalicylsäure/Salophen/Koffein) gibt es erst seit einigen Jahren auf dem Markt. Nach Aussagen vieler vor Ort haben sie die Auswirkungen der Höhenkrankheit sehr gemindert. 7 Hätte ich Michelle Karens Rat befolgt und meinen Flug für den 10.12. gebucht, dann wäre ich voll in den Streik der Flughafenangestellten geraten und hätte wahrscheinlich sämtliche Anschlussflüge versäumt. Es war wirklich eine 'mystische' Reise… 8 Aus Datenschutzgründen habe ich alle Namen der Teilnehmenden geändert. 5 4 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Favorit, und wir haben sie fast immer vorbestellt. (2) frische Salate mit aromatischen, geschälten Tomaten, köstlichen Schlangengurken, drei/vier verschiedenen Blattsalaten, frischen Möhren, frischen Erbsen, gekochten frischen Strauchbohnen, peruanischem weißen Mais, Paprika, Melonen, dazu immer in einer extra Schüssel frische Avocados. (3) warme Gemüse: Erbsen, grüne Bohnen, dicke (Sau-) Bohnen, Maiskolben, Broccoli, grüner Spargel, Blumenkohl, Paprika, Süßkartoffeln. (4) Beilagen: Spaghetti mit Pilzen, Risotto, drei/vier Kartoffelgerichte9. (4) Fisch (gebratene Forellen) und Fleisch (Hühnchen). (5) Dessert: Eis, Pudding, Obst. Wohlgemerkt: Ich spreche hier von der Auswahl einer einzigen Mahlzeit (entweder in Schüsseln auf dem Tisch oder als Buffet), und das erhielten wir in fast allen Hotels. Diese Fülle an frischem Obst und Gemüse gab es auch auf den Märkten zu kaufen. Auf die größte Spezialität der peruanischen Küche haben wir allerdings verzichtet und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir im Zweifel alle Vegetarier sind. Das Lieblingsessen und die größte Spezialität der Peruaner sind - Meerschweinchen. Wie bei uns Hummer oder Karpfen kann man sie auch in besonders edlen Lokalen selbst vor der Zubereitung auswählen. Übrigens war das Frühstück ähnlich großzügig (warme Speisen: Spiegel-/Rühr-/gekochte Eier, Würstchen, Schinken, mehrere Kartoffelgerichte, dazu Brot, Obst, Joghurt, alles in mehreren Sorten, sowie Gebäck, köstliche Marmeladen, Honig, Aufschnitt, gut schmeckenden peruanischen Käse (2 Sorten), Cornflakes, Puff-Mais und -Amaranth usw.). "Die Andenbewohner essen gerne gut." sagt Jorge Luis Delgado, der Inhaber der uns betreuenden Reiseagentur und Autor eines sehr kenntnisreichen spirituellen Reiseführers10. Dass die anstrengende und auch kräftezehrende Tour so gut bewältigt wurde, lag bestimmt auch an der gesunden Ernährung.11 Der Tempel von Pisaq Unser Gepäck vom Flughafen hatten wir im Bus gelassen, und inzwischen war auch das Gepäck der am Vortag Angereisten im Bus verstaut. Gleich nach dem Mittagessen - einige ergriffen noch schnell die Gelegenheit zu einer weiteren Dosis Sauerstoff - und den ersten Tassen Mate de Coca-Tee fuhren wir mit dem Bus in unser nächstes Hotel nach Pisaq. Ich war müde, hatte Kopfschmerzen, und als es anfing zu regnen, schlief ich ein. Irgendwo unterwegs hielt der Bus an, und auf einer Lama-Farm (mit angeschlossenem großem Verkaufsraum) erfahren wir, dass 'Lamas' zur Gattung der Kamele gehören und die vier in Südamerika/Peru auftretenden Arten auch die Namensgeber für die aus ihrer Wolle hergestellten Unterwegs fuhren wir durch eine Region, die bekannt ist für ihre 270 Kartoffelsorten. Jorge Luis Delgado. Andean Awakening. An Inca Guide to Mystical Peru. 2006. 11 Ich kann gar nicht beschreiben, wie enttäuscht ich auf dem Rückflug über das einfache kontinentale Frühstück im 4-Sterne-Hotel in Lima war. 9 10 5 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Textilien sind. Alpaka ist wohl die bekannteste Qualität, noch feiner und edler sind Gewebe vom Vikunja. Die Bevölkerung findet auf den Märkten auch noch ein reichhaltiges Angebot an Ponchos aus Schafswolle. Wie überall auf der Welt liegen auch in Peru die meisten Städte im Tal - relativ gesehen. Pisaq hat nur noch eine Höhe von 2970 m, und es war immer wieder spannend, wie sich der Bus von der Hochebene in Serpentinen hinunterarbeitete und eine Stadt mit einer jeden Biegung näher kam. Wir erreichten Pisaq erst gegen 18 Uhr, die Marktstände waren schon abgebaut, doch der Eigentümer des Inti Wayra12 Shaman's Store hatte auf uns gewartet und noch geöffnet. Es gab dort alles, womit sich ein Indigener mit Mutter Vater Sonne (Inti/Tayta Inti) und den drei Welten verbinden möchte: kann Kondorfedern, oder Erde (Pachamama), Steine, Adler-/ Flöten, Trommeln, Rasseln - und das in einer solchen Fülle, dass es mit einem Besuch überhaupt erfassen ist. Dort erfuhr ich zum ersten Bergkristalle nicht zu Mal von in allen 'lemurischen Kristallen': Formen und Größen, die an einer Seite ein typisches Wellenmuster haben, vergleichbar einem Barcode. Der Überlieferung nach soll das in ihnen gespeicherte Wissen abgerufen werden können, wenn man darüber meditiert. Die drei Welten der Inka-Vorfahren begegneten uns ständig: Uku Pacha ist die Unterwelt, ihr Symbol ist die Schlange, die für Klugheit, Geschmeidigkeit und Flexibilität steht. Eine Schlange ist immer jung, und wie sie sollen auch wir regelmäßig unsere alte Haut abstreifen, wenn sie uns zu eng wird, erst recht, wenn sie aus Angst, Schmerz, Kummer und Scham besteht. Kay Pacha ist unsere reale Welt. Sie wird verkörpert durch den Puma, den Krieger und Herrscher über Leben und Tod. Er ist immer wachsam, dabei völlig entspannt und doch stets sprungbereit. Ein Puma ist immer allein unterwegs. Die Einheimischen sagen: "Einen Puma sieht man nicht. Doch man sieht immer, wo er gewesen ist."13 Dies sind die Eigenschaften eines spirituellen Menschen in der Welt. Hanan Pacha ist die obere Welt, die Welt des Lichts, des Göttlichen. Dieser Welt entstammen die großen Meister und Lehrer der Legenden der Menschheit. In ihr sind die Apukunas (die Geister/Hüter der Berge) beheimatet. Ihr Symbol ist der Kondor, der Bote des Kosmos, der die Wirklichkeit der Lichtwesen mit unserer Wirklichkeit verbindet. Urteilsfrei erkennt er die Vollkommenheit der Schöpfung, egal ob er sein Auge in die weiteste Ferne oder auf das kleinste Naheliegende richtet. Die Unterkunft erfolgt in einer wunderschönen Hotelanlage. Ich gehe früh schlafen. Am anderen Morgen steht die 'erste, kleine Tour' auf dem Plan. 12 13 Inti (Sonne), Wayra (Wind) Andean Awakening. S. 58. 6 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Erste Zeremonie Unsere Reiseleiter sagen uns, dass die erste Tour heute nur zwei/drei Stunden dauert und leicht ist. Wir fahren eine lange Strecke mit dem Bus, dann erprobe ich meine neue und überhaupt meine erste Trekking-Ausrüstung.14 Der Rucksack lässt sich leicht tragen und handhaben. Die Schuhe sind, obwohl neu, gut eingelaufen, und ich werde weder darin müde, noch habe ich Blasen bekommen. Die Allzweckjacke ist angenehm zu tragen und wind- und regenfest. Das Innenfutter habe ich zum Glück zu Hause gelassen. Das Regencape ist wirklich wasserdicht und wird oft gebraucht. Als Oliver, einer der ganz 'jungen Hüpfer', einmal über meine Stöcke spottet, verrate ich ihm, dass ich jeden Abend vor dem Einschlafen dem Erfinder der Stöcke für seine geniale Erfindung danke, die mir manchen Auf- und Abstieg erleichtert. Oliver habe ich dafür beneidet, dass er die ganze Tour mit Vibram Five Fingers (also wie barfuß mit festen Sohlen) lief. Wir gehen eine Strecke leicht aufwärts, der Kopf ist zwar freier als gestern, aber das Gehen fällt ein wenig schwer. In dem weitläufigen Gelände sind noch weitere Gruppen unterwegs, auf einem kleinen Plateau (hier gibt es trennen wir uns. Die anderen besteigen einen ca. 80 m hohen Berg, wir folgen zur anderen Seite einem kleinen noch leicht bergauf. Ich bin erleichtert. Hier sah ich Kolibri. gehen als erstes hörte einen ich die sogar Toiletten) Gruppen Flusstal Im Erklärungen nur Vorbeider anderen Reiseleiter und stellte für mich fest, dass mich die offizielle Version der Geschichte Perus und der Inka überhaupt nicht interessiert, und ich bin froh, dass wir in dem geschützten Flusstal bleiben. Diesem kleinen Bach werden wir in einigen Tagen in Aguas Calientes wieder begegnen, wenn er als reißender Fluss Urubamba sich unterhalb des Machu Picchu seinen Weg zum Amazonas kleinen ebenen Fläche richtet Don Pasqual mit Santuzza vor einem schützenden erste Zeremonie aus. In der andinen Welt war die Mutter Natur seit jeher heilig. Sie barg das Leben und stand für die Präsenz des Schöpfers der Welt. Mensch - Gott und Kosmos bilden eine Einheit. Um diese Einheit aufrecht und im Felsen seine sucht. Auf einer Gleichgewicht zu erhalten, führen die Indigenen gewisse Rituale und Zeremonien regelmäßig aus. 14 Zum Glück war ich so ungeduldig, dass ich bereits im Sommer einige freie Tage dazu benutzte, die Basisausrüstung einzukaufen: In Peru war Sommer, in unseren Outdoorgeschäften hätte ich im November aber nur warme Winterkleidung gefunden. In Cusco findet sich übrigens ein komplettes Warenangebot zur Ausstattung für Trekkingtouren. 7 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Jose, unser Reiseführer, erklärt uns, dass wir uns am Eingang zum Heiligen Tal befinden und benennt uns die umliegenden Apus (Berge). Michelle Karen ermahnt uns eindringlich, dass wir ab nun immer daran denken, beim Betreten einer neuen Landschaft, sei es Fluss, Wasser, Berg, Tempel, die Hüter um Einlass zu bitten. An einem der nächsten Tage, als der Bus sich auf dem aufgeweichten Lehmweg tief festgefahren hatte, erhielten wir die Ansage, dass wir nicht um Durchlass gebeten hätten. Während wir das nachholten, packten die Reifen, und der Fahrer kam problemlos weiter. Ein Despacho ist eine Opfergabe an Pacha. Pacha hat in der Inka-Kosmologie eine Fülle an Bedeutungen. Der Begriff steht für Zeit und Raum, für das Unfassbare, die drei Welten, das Geheimnisvolle, den Kosmos und das Göttliche. Pachamama ist die Bezeichnung für Mutter Erde. Taripay Pacha ist die Zeit, um zu uns selbst zu finden. Für die Inka bedeutet Leben Freude, Fülle, Balance, Harmonie und ayni (Prinzip der Gegenseitigkeit)15. Ein Despacho ist Ausdruck dieses Lebens, und so ist es völlig normal, zwischen der langen, farbenprächtigen Zeremonie aufzustehen, umherzugehen oder miteinander zu reden. Wir hatten uns auf das erste Despacho vorbereitet, das Pachamama und die Apus begrüßen und um Schutz und Segen bitten sollte, nicht nur für die Reise, sondern auch für alle unsere Dinge daheim, die von Don Pasqual sehr spezifisch aufgezählt wurden (Haus/Wohnung, Beruf, Auto, Geld, Familie, Kollegen usw.). Zuerst ließ Don Pasqual aus einem großen Beutel an jede/n ein Cocablatt verteilen. Das ist ein Geschenk und wird deshalb mit beiden Händen entgegengenommen. Mit einem kräftigen Ausatmen wird auf dieses Blatt alle hucha gepustet, schwere Energien, die das lichtvolle Leben blockieren. Anschließend wird es Pachamama übergeben, die alle Energien umwandelt. Die Inka betrachten diese Wirklichkeit/Kay Pacha als Erfahrungsebene, damit wir unser gesamtes Sein mit seinen schweren Energien (Kummer, Sorgen, Angst, Scham), mit unseren Gaben und mit der Essenz, aus der wir unseren Ursprung haben, erkennen. Alle Menschen sind "Kinder der Sonne". "Wir sind hier, um unsere Erfahrungen in dieser Schöpfung zu machen, nicht, um uns selbst zu kritisieren und zu verurteilen."16 Anschließend wählte jede/r aus dem Beutel mit den Coca-Blättern drei unbeschädigte, schöne Blätter aus und legte sie zu einem Fächer, dem kintui, zusammen. Die Blätter werden meist zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand gehalten: Die rechte Hand aktiviert Energie, die linke Hand empfängt sie. Zeige- und Mittelfinger, die nach oben zeigen, stehen für Feuer und Luft. Gleichzeitig werden der Ring- und der kleine Finger Erde und Wasser, in die Handfläche nach unten Aus der Tatsache, dass sie sich jeden Tag gesegnet und beschirmt fühlen, erwächst für sie im Gegenzug die Verpflichtung zum fürsorglichen Umgang mit allen Menschen und mit der Natur. 16 Paq'o Don Antonio in: Andean Awakening. S. 58. 15 8 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 abgeknickt. Der Daumen, Äther, liegt darüber. Zu Beginn rief Don Pasqual die Energien von Pacha, Pachamama, Mama Cocha (Wasser), Inti, den Apus und wahrscheinlich noch vielem mehr an. Die Teilnehmenden mussten sich, d.h. ihre Herkunft, nach Inka-Art vorstellen, also nach den Bergen und Flüssen ihrer Heimat. Ich "bin" also Apu Grimme und Apu Asten17 und Mamakocha Rur. Auf diese Weise verbanden sich die Apus im Heiligen Tal mit den Apus daheim. Die Kintui erhielten noch rote und weiße Blütenblätter (Symbole für Pachamama und Tayta Inti. Die eigenen Wünsche wurden in sie hineingehaucht, oft werden sie auch in die Luft und der Sonne entgegengehalten, und gegen Ende der Zeremonie legt sie jede/r auf den Opferplatz. Der Himmel zog sich zu, es begann zu regnen, und ich beobachtete Santuzza, dass wir fast gleichzeitig unsere Hand in die vier Himmelrichtungen erhoben. Vielleicht haben wir auch dasselbe gedacht. Der Regen hörte bis zum Ende der Zeremonie auf. Obwohl die Sonne nicht ganz durch die Wolken kam, hatten abends einige einen kräftigen Sonnenbrand im Gesicht. In den folgenden Tagen gewöhnten wir uns schnell an das sich ständig, oft innerhalb von einer halben Stunde verändernde Wetter und wurden dafür mit grandiosen Wolkenbildern belohnt. Ein Despacho in allen seinen Einzelheiten zu beschreiben, ist beinahe unmöglich. Unzählige Zutaten, getrocknete Früchte, Süßigkeiten, Miniatursymbole aus dem Alltag, Konfetti, bunte Bänder, frische Blütenblätter, Öllampen in Gestalt eines Lamas für das Lamafett (das Lama wird geachtet als Symbol der Liebe und des Dienens), es ist erstaunlich, was ein Schamane alles vorab für die Zermonie besorgt hat und aus seinem Beutel zaubert. Die Grundstruktur ist immer dieselbe, aber jede/r hat eine ganz eigene Handschrift. Während der Zeremonie wird normalerweise nicht fotografiert, doch als das Kunstwerk fertig war, machte selbst Don Pasqual ein Foto mit seinem Handy. Danach wird das Opfer sorgfältig in das neungeteilte Papier eingepackt, mit kunstvoll gewebten Bändern verschnürt und abschließend verbrannt. Während der Zeremonie kamen einige Einheimische hinzu, die später noch mit Don Pasqual sprachen. Ein Paq'o wird nicht dadurch Paq'o, dass er es von sich behauptet, sondern dadurch, dass ihn die anderen als solchen erkennen und anerkennen. Häufig haben die Paq'os auch noch weiterreichende Aufgaben in ihren Gemeinwesen, die jedoch reihum von allen Verheirateten wahrgenommen werden. In vielen Gemeinschaften dürfen nur Verheiratete wählen, und nur Verheirateten, die auch Verantwortung für ihre Familie haben, wird die jährlich wechselnde Aufgabe des Ortsvorstehers übertragen. 17 Berge im Hochsauerland 9 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Unser Rückweg zum Bus verlief dann doch noch über den gegenüberliegenden Berg, auf dem sich Überreste einer der ersten Tempelanlagen der Inka befinden, vor allem ein System von Wasserkanälen und Aquädukten - die Inka waren Baumeister unvorstellbarer Bewässerungssysteme - und wohl ihr bedeutendstes Observatorium, wobei dieser Begriff falsch ist, denn die Inka schauten nicht nach oben, sondern bildeten die Gesetze der Gestirne in ihren Bauwerken ab.18 Diese Anlage wurde von den Eroberern genauso zerstört wie die nur noch im Ansatz erkennbare Bewässerungsanlage. Das Wahrzeichen Pisaqs, das chacana (Andenkreuz), ist hier aus einem ganzen Stein gehauen. Dieses Kreuz besteht aus vier gleich langen, dreigestuften Seiten: die vier Enden/Himmelsrichtungen der Welt und die drei Welten. In der Mitte ist ein Loch: Hinter Vater Sonne, wissen die Inka, gibt es die "Sonne hinter den Sonnen"19, alles kommt aus dem Licht, und jeder Ausdruck auf der Erde ist ein einzigartiger Strahl derselben Sonne.20 Die Aussicht über die weiten Täler und die berühmten Terrassenfelder Perus ist unbeschreiblich. Jose zeigt mir einen Adler in der Luft. Es hatte stärker angefangen zu regnen. Jose schob es darauf zurück, dass Oliver während des Laufens seine am Vorabend erworbene neue Flöte spielte: Wer wie Oliver und Don Pasqual im Februar geboren sei, sei ein Regenmacher und könne mit seinem Flötenspiel den Regen herbeirufen. Doch Oliver war nicht der einzige Spieler. Immer wieder tauchten während unseres zweieinhalb stündigen Fußmarsches an Wegkreuzungen Einheimische auf, die uns Flötenspiel ein Stück begleiteten. Manchmal mit dem Hinweis auf die gepresste DVD, die sie neben weiteren Flöten zum Verkauf aus ihrer Tasche zogen, manch- mit soeben ihrem frisch mal hatten sie auch wohl einfach Mitleid mit den gegen ihre Atemnot ankämpfenden Touristen. Höhenluft Nach einem köstlichen Mittagessen hatten wir am Nachmittag unseres ersten Tages alle einen Eindruck bekommen, was uns in den folgenden Tagen erwarten sollte - Steigungen und immer wieder Der Urubamba z.B. ist ein Heiliger Fluss, weil er als Abbild der Milchstraße betrachtet wird, und deshalb haben alle Orte entlang des Flusses im Heiligen Tal ihre Entsprechung in einer bestimmten Konstellation der Milchstraße. 19 Andean Awakening, S. 2. 20 Nach einer anderen Deutung symbolisiert das Loch in der Mitte Cusco, das als frühere Hauptstadt als "Nabel der Welt" galt. 18 10 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 in Fels gehauene Stufen, endlos, unregelmäßig, oft sehr steil, es ist später egal, ob es hinauf oder hinunter geht. In Reiseprospekten für Trekkingtouren in diese Region steht als Grundvoraussetzung: sehr gute Kondition, Schwindelfreiheit und Trittsicherheit. Die Wege sind sehr gut gepflegt. Wahrscheinlich liegt die Schwierigkeit der Anpassung weniger an der Bodenbeschaffenheit als wirklich an der ungewohnten Höhenlage: Es macht einen Unterschied, ob ich mich einmal kurz auf die Silvrettahütte (2.300m) begebe und dann wieder absteige, oder ob ich die nächsten Tage in dieser Höhe (und höher) leben und mich auch noch körperlich anstrengen werde. Tipon Am nächsten Tag ging es (mit dem Bus) auf Höhen von 3.500 m. Unsere erste Station ist Tipon, ein bedeutender Wassertempel der Inka, der vom peruanischen Kulturinstitut wieder aufgebaut wurde (mit öffentlich zugänglicher Toilettenanlage!). Er erstreckt sich bis auf 3.800 m Höhe, doch wir blieben in der parkähnlich angelegten, weiträumigen Anlage ohne - für peruanische Verhältnisse - große Steigungen. Zuvor zeigte uns Michelle Karen, wie wir in den seit Inkazeiten angelegten Becken im Eingangsbereich die Reinigung unserer Chakren vornehmen. Die Vegetation war sehr vielseitig, wie auf den gesunden Wiesen meiner Kindheit. Erstaunlicherweise wuchsen auch überwiegend dieselben Pflanzen. Bei einem dicken Polster aus weißem Klee erzählte ich Jorge, dass wir als Kinder die weißen Blütenköpfe gegessen hätten. Er bestätigte lachend, und ergänzte, dass sie Stunden damit verbracht hätten, ein vierblättriges Kleeblatt zu finden, weil das Glück bringe. Woher hatten wir dieselben Spiele? Weit im Gelände, mitten auf einer Wiese, saß ein peruanisches Pärchen und genoss wie wir die anmutige Landschaft, die Stille und das Rauschen der viele Wasserfälle. Für die Inka ist das Wasser sowohl männlich als auch weiblich, und an diesem Ort sind beide Aspekte vereint. Die vertikalen Wasserfälle stellen den männlicher Aspekt und die vielen horizontalen Terrassen und Wasserläufe den weiblichen Aspekt dar. Das rote Wasser (Blut) im menschlichen Körper erhält das Leben, das weiße Wasser (Muttermilch) im menschlichen Körper erhält das Neugeborene. Wasser ist die Grundlage des Lebens. Es ist eine dichtere Form des Lichts und gehört zu den lebendigen Geschenken, die die Sonne auf Kay Pacha (die reale Welt) ausstrahlt. Hier gab Michelle Karen die erste Einweihung in den Seher11 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Ritus weiter. Es war interessant, wie sich in solchen dichten Energien die Gruppe immer wieder zerstreute. Lange weilte jede/r für sich. In der Nähe des Ausgangs trafen wir wieder zusammen und fragten uns, warum wir die auffallenden "Elfenkreise" (auffallend runde dunklere Kreise im Gras, in manchen Gegenden bei uns auch "Hexenkreise" genannt…) nicht selbst gesehen hatten und Michelle Karen uns darauf aufmerksam machen musste. Dafür wurden im Bus die Orb-Bilder auf den Handys ausgetauscht und verglichen. Moray Die Fahrt ging weiter nach Moray (3.500 m). Unterwegs zeigte uns Jose eine staatlich geförderte Genossenschaft, in der die Bewohner der umliegenden Dörfer ihre Webereien zusammentragen und nach einer Einführung in grundlegende Webe- und Färbetechniken gemeinsam an die Touristen verkaufen (und eine öffentliche Toilette anbieten). Es war interessant, doch nach einiger Zeit langweilig, und ich wartete draußen und hatte Gelegenheit, das Zusammenleben der Tiere auf der Dorfstraße zu beobachten (Menschen waren nicht zu sehen). In Peru gibt es mindestens so viele Hunde wie Menschen. Überall laufen sie herum. Auf jedem Feld, das von Einheimischen bearbeitet wurde, war ein Hund ganz nah dabei. Ich habe nie erlebt, dass ein Hund verjagt oder geschlagen wurde, und ich habe auch nie erlebt, dass sich Hunde gegenseitig angegriffen und weggebissen hätten. Ich hatte nicht schnell genug den Fotoapparat zur Hand, als wir durch eine Stadt fuhren und vor einer Metzgerei mit einer offenen Auslage mit frischem Fleisch auf dem Bürgersteig davor friedlich wartend zwei Hunde saßen. Die Tiere leben offensichtlich als selbstverständlicher Teil mit der Familie, und das wirkt sich auch auf das Zusammenleben der Tiere aus. Ich sah auf der Dorfstraße Hühner picken, und die Hunde störten sich gar nicht daran. Ebenso ließen die Hunde den Katzen ihr Revier, wenigstens soweit ich es beobachten konnte. Es scheint, als habe das sanfte Wesen der Peruaner auf die Tiere abgefärbt. Das Zusammenleben der Inka wird von drei Gesetzen geprägt. Als 'Kinder der Sonne' leben sie in der Liebe, die Vater Sonne für Mutter Erde und Vater Sonne empfinden. Sie sind eins im umgekehrt Mutter Erde für Bewusstsein, der Freude und der Fülle des göttlichen Pacha. "Wenn dein Herz erfüllt ist mit der Freude und der Liebe des Kosmos, dann ist dort kein Raum mehr für sorgenvolle Energien. (…) Sprich die Wahrheit und handle in 12 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Liebe, dann nährst du den göttlichen Funken in dir."21 Dies ist das erste Gesetz, munay (Liebe). Daraus folgt das zweite Gesetz, llancay (Arbeit, Dienen, kreativer Ausdruck des eigenen Lebens). Für den, der ständig in der Liebe lebt, wird Arbeit letztlich zum Dienst am Göttlichen, um so in dieser Wirklichkeit die Fürsorge des Göttlichen für alle Schöpfung nachzuahmen. "Arbeit ist eine Gelegenheit, deine einzigartige Gabe mit jedem und allem zu teilen."22 Dieses Bewusstsein von Llancay, das die Fülle der kosmischen Liebe in dieser Welt der Erfahrung manifestiert und ko-kreiert, führt zum dritten Lebensgesetz, yachay (Weisheit, die aus dem wahren inneren spirituellen Selbst kommt). Nur wer bereit ist, sich mit seinen inneren Energien auseinanderzusetzen, bekommt Zugang zu seinem authentischen Selbst. Die Polarität zwischen der männlichen und weiblichen Energie muss im eigenen Inneren aufgelöst sein. Dazu verhelfen die beiden ersten Gesetze der Liebe und des Dienens. Sie öffnen das Herz und lassen tief im Bewusstsein erkennen, dass alle und alles eins sind. "Weisheit kommt aus dem Herzen und nicht aus dem verstandesmäßigen Denken."23 Wer erkennt, dass sein inneres spirituelles Selbst direkt mit Pacha verbunden ist, wird eins mit der Weisheit des Kosmos. Ich fand es beeindruckend, wie einfach dieses tägliche Gewahrsein gestützt wird. "Nimm dir jeden Morgen und Abend Zeit, deine geschäftigen Gedanken zu beruhigen. Denke an deine Sorgen und schweren Energien und übergib sie zur Umwandlung und Heilung an Pachamama oder an ein anderes geistiges Wesen deiner Tradition. Mache dir all die Segnungen bewusst, die du vom Göttlichen und von anderen erhältst, und danke dafür.(…) Begrüße jeden Morgen Inti mit weit geöffneten Armen und danke für den neuen Tag. Öffne deine Arme weit und nimm das Licht und die Liebe auf. Lege deine rechte Hand auf dein Herz und sage 'mit Liebe'. Dann nimm deine linke Hand und lege sie mit den Worten 'ohne Angst' auf deinen Solarplexus. (…) Nimm dir für jeden Tag eine bestimmte Absicht. vor. Die kleinen Dinge, die du täglich tust, haben die größte lebensverändernde Wirkung. (…) Eine wissende Heiterkeit wird tief in deinem Herzen aufbrechen …"24 Wir waren die letzte Gruppe, die in Moray ankam, und, wie so oft waren wir die einzigen auf dem Gelände. Archäologen sagen, dass die Inka auf diesem Gelände landwirtschaftliche Studien durchführten und so die besten Pflanzen für das Klima züchteten, z.B. eine besondere Art von Mais, der ansonsten in diesem Klima niemals hätte wachsen können und der bis heute als wichtige Nahrungspflanze angebaut wird. Ich hatte diese Anlage schon einmal als Panoramabild gesehen, interessanterweise mit dem Hinweis, dass sie in ihrer Form einer Gebärmutter Andean Awakening. S. 150. Andean Awakening. S. 151. 23 Andean Awakening. S. 152. 24 Andean Awakening. S. 164. 21 22 13 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 ähnlich sei. Die Größe der realen Anlage hat uns aber schlicht überwältigt. Sieben oval angelegte Terrassen öffnen sich nach Südosten zu einem kreisrunden Zentrum mit weiteren sieben25 Terrassen. Eine große kosmische Spirale: Jede Terrasse ist 4 m breit und führt über 2 m hohe Mauern wie ein Trichter in das runde, tief legende Zentrum. In die Mauern sind in großen Abständen herausstehende Trittsteine eingelassen, so dass es möglich ist, von einer Ebene auf die nächste zu kommen. Michelle Karen empfahl, den Abstieg symbolisch wie einen Abstieg Schicht für Schicht in das eigene Selbst zu betrachten. Die Dämmerung brach herein, und wir verbrachten eine lange Zeit auf dem Gelände. Schweigsam kehrten alle zum Bus zurück, und während der Rückfahrt wurde der Fahrer gebeten, die Musik auszuschalten. Ollantaytambo Unser neues Hotel war in Urubamba, einer Stadt, die genauso wie der Fluss und die gesamte Provinz heißt. Am anderen Morgen, auf dem Weg nach Ollantaytambo, machten wir einen Abstecher weit ins Land hinein nach Killarumioc. Es muss kräftig geregnet haben, und auch unterwegs gab es immer wieder Schauer. Hier hatte sich der Bus beim Wenden festgefahren. Wir mussten noch weit über schmale Pfade und Wiesen laufen, bis wir in einer felsigen Region zum Mondtempel kamen, wo Don Pasqual und Santuzza, wieder in der Nähe eines Baches und vor einem schützenden Felsen die nächste Zeremonie vorbereitet hatten. Bisher hatten wir mit dem Wetter immer Glück gehabt. Es war zwar meist bewölkt, doch überwiegend trocken, und wenn es regnete, dann niemals stark und immer nur für kurze Zeit. Es wird sogar als gutes Zeichen angesehen, wenn es am Ende eines Depachos zu regnen beginnt. Dieses Mal jedoch wurden die Wolken immer dichter und der Regen immer heftiger, und als ein Gewitter näher kam, beschleunigte Don Pasqual die Zeremonie, und mit ihm packten wir am Ende schnell alles zusammen und eilten tropfnass zum Bus. Obwohl es regnete, hatten sich auch wieder einige Einheimische aus der weiten Umgebung eingefunden, um ihre Handarbeiten zu verkaufen. In dieser Gegend ist das oft die einzige Einnahme, und auch die fällt aus, wenn in den Wintermonaten gar keine Touristen kommen. Es wird nicht gebettelt, und an manchen Orten bieten die Menschen sehr einfallsreiche Leistungen an: Ein ganz junges Schaf im Arm, das die Touristen aus westlichen Großstädten streicheln dürfen, alte und junge Lamas, die mit, so habe 25 Die heilige Zahl 7 (sieben Chakren / sieben Regenbogenfarben) setzt sich zusammen aus 3 (Göttlichkeit / Pacha / die drei Welten) und 4 (Erde / Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft / vier Himmelsrichtungen). Sie findet sich immer wieder in den Inka-Anlagen. 14 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 ich es genannt, aufgelegter Camouflage (schwarz gefärbte, verlängerte Wimpern, Ohrringe aus bunter Wolle und bunte Bänder im Haar und um den Hals) zum Fotografieren hinreißend aussehen, - es gibt unendlich viele Möglichkeiten, Dienstleistungen anzubieten und zu verkaufen. Auch Kinder verkaufen ihre handgefertigten Arbeiten. Bettelnde Kinder gibt es nicht. Michelle Karen hatte uns darauf vorbereitet, dass wir in einigen Gegenden den Kindern kleine nützliche Geschenke mitbringen, Malbücher, Buntstifte, Bleistifte, Spitzer, Radiergummi, warum nicht auch Süßigkeiten, Murmeln oder Sticker. Wir hatten viel zu viel mitgebracht, und ich hatte es nicht immer dabei, wenn ich es gebraucht hätte. Es bleibt abzuwarten, wie die Touristen in den nächsten Jahren hier, wie früher in anderen Ländern, ebenfalls für Veränderungen sorgen. Zweimal kam es vor, dass ein Kind, als ich kein Geschenk dabei hatte, sagte, es nähme auch Geld. Am späten Nachmittag, es war schon lange wieder trocken, kamen wir in Ollantaytambo (Höhe: 2.790 m) an, der einzig erhaltenen Inkasiedlung, aus deren Anlage die Archäologen das Leben in der Inkazeit rekonstruieren. Über der Stadt und den noch ursprünglich erhaltenen Terrassen erhebt sich die Tempelanlage mit ihren verschiedenen Tempeln. Hier konnten wir auch zum ersten Mal die Baukunst, die beeindruckenden Mauerfugen, die gemauerte Sonnenuhr und die in den umliegenden Bergen errichteten weiteren Bauwerke, vor allem das in den Berg gehauene Antlitz des ersten Inka, bewundern. Wir waren spät, und die Aufseher bliesen schon zum Aufbruch, wortwörtlich auf ihrem Blech- blasinstrument. Wir hatten trotzdem Zeit, die verschiedenen Tempel zu betreten - in einer Tempelanlage der Inkazeit sind immer mehrere Tempel vereint - und uns in die Energie hineinzufühlen. Jose wies uns auf eingelassene Nischen in den Mauern hin, die auffällige Töne und Obertöne erzeugen konnten. Einem anderen Felsen, er hat keinen Namen, wird 15 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 zugeschrieben, ein multidimensionales Tor zu sein. Alle, die sich dagegen lehnten, bestätigten dies. Wer sich im Tempel des Windes, der seinem Namen alle Ehre macht, hoch über einem steilen Abgrund niederlässt, erlebt ein unbeschreibliches Gefühl der Losgelöstheit von Zeit und Raum. Unterwegs ließ Jose den Bus in einem Dorf anhalten, das für seine gebackenen Brote berühmt ist. Er kaufte einen großen Fladen und ließ ihn zum Probieren durch den Bus weiterreichen. Es war köstlich, ein leichter Teig mit viel Maismehl weichen, Geschmack. Wieder fuhren vollen Duft und unser einem wir angefüllt mit Eindrücken zurück Dieses allerdings beschwingt. Entweder war es die Vorfreude auf die Reise zum Machu Picchu am nächsten Tag, oder der Wind hatte fortgeblasen, oder wir hatten uns inzwischen unmerklich auf Mal in und sämtliche Hotel. Schwere andere Dimensionen eingelassen. Wie wir feststellten, hatten wir alle Schwierigkeiten, die Wochentage noch richtig zuzuordnen, auch hatte niemand mehr Lust gehabt, die eigenen E-Mails zu checken. Viele hatten besondere Träume. Machu Picchu Auch in diesem Hotel mussten wir morgens wieder auschecken. Schade, dass wir so wenig Gelegenheit hatten, die paradiesischen Hotelanlagen richtig zu genießen. Wenn wir allerdings zwei Übernachtungen hatten, hat die eine oder andere tatsächlich zwischendurch einen Tag ausgesetzt und ist zum Ausruhen im Hotel geblieben. Unser nächstes Ziel, Aguas Calientes am Fuß des Machu Picchu, ist nur über die einspurige Bahnlinie erreichbar, die von zwei Gesellschaften befahren wird. Eine Straßenverbindung gibt es nicht. Weil auf den Zügen nur leichtes "Kabinen"gepäck zugelassen ist, ließen wir unsere großen Koffer zurück und leichtem fuhren mit erst zum weiter, Tagesgepäck Bahnhof und dann mit Inca Rail ca. zwei Stunden bis Agua Calientes, offiziell auch Machu das Picchu-Dorf reservierte die heißt. Die Züge haben nur Plätze. Beim Einsteigen musste Fahrkarte vorgezeigt mit Ausweisdokumenten werden. Wenn die Sonne scheint, wird es sofort sehr heiß, und wir konnten schnell Pullover ausziehen. Es unsere war eine angenehme Fahrt. An einer Haltestelle sahen wir auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses eine Ausgangsstation für den Inka Trail: Gepäckträger, weithin erkennbar an den gelben 16 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Packsäcken auf ihrem Rücken, dazwischen einige Esel und dahinter die Wandergruppe begannen gerade den Aufstieg auf dem Bergpfad. Wir genossen die Aussicht durch das enge Urubambatal und die Muße für Unterhaltungen. Unser "Gruppenmerkmal" wurde zunehmend ansteckendes Gelächter, wo immer mehrere zusammen waren. Urubamba bedeutet "Lichtfelder". Für die Inka sind Bambas die vereinten Felder, die die Verbindung mit dem Heiligen Raum herstellen und die Obere Welt einschließlich der Milchstraße widerspiegeln. In Aguas Calientes (nur noch 2.000 m hoch gelegen) empfing uns ein wilder, donnernder Urubamba-Fluss. Unser Tagesgepäck wurde am Bahnhof vom Hotel abgeholt, und wir gingen sofort zum Essen und bekamen einen Eindruck von der Lage des Ortes, der in einer schmalen Schlucht liegt und sich nach allen Seiten die Hänge hinauf ausbreitet. Der Weg zum Restaurant wurde - für mich - ein steiler, langer Aufstieg. Das Hotel lag zum Glück unten, direkt am Fluss. Ganz in der Nähe fuhren die Busse zum Machu Picchu ab, und nach einem schnellen Einchecken konnten wir unsere Nerven testen, wenn sich zwei Busse auf den schmalen Serpentinen, die sich den Berg hinauf schlängeln, begegneten. Die Information, dass es tatsächlich relativ häufig zu Unfällen kommt, war auch nicht gerade beruhigend. Erst recht nicht, weil es erneut zu regnen begonnen hatte. Wieder einmal waren wir die einzige Gruppe, die sich auf dem Gelände aufhielt. Der Regen hatte wirklich seine guten Seiten. Die Behörden haben die Zahl der Besucher inzwischen auf täglich 2.000 beschränkt, und am anderen Tag hatten wir Gelegenheit, den Alltag auf Machu Picchu bei normaler Besucherzahl zu erleben. Zur Kontrolle müssen beim Einlass wieder Ausweispapiere gezeigt werden, und alle Besucher tragen sich in ein Buch ein und beim Ausgang wieder aus. An diesem Nachmittag also waren wir allein in der der Überlieferung nach von Lichtwesen bewohnten, erst Anfang des letzten Jahrhunderts entdeckten, "Kristallstadt". Der Name leitet sich aus einem Missverständnis ab. Der nordamerikanische Geschichtsprofessor Hiram Bingham suchte - und fand 1911 - Vilcabamba, die sagenumwobene Hauptstadt der Inka. Doch auf seine Frage nach dem Namen 17 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 der Ruinen antworteten die Einheimischen inkagemäß mit dem Namen des Apu, in diesem Falle des 'alten Berges', Machu Picchu26. Der junge Berg, Huayna Picchu, ist gleich nebenan. Von dieser Seite des Tals aus erkennt man noch nicht, welch abenteuerlichen und lohnenswerten Aufstieg er uns am anderen Tag ermöglichte. Zwischen Machu Picchu und Huayna/Wayna Picchu erhebt sich der Putu Cusi (immer blühend). Das ist ein seltsamer Name für einen Berg, doch noch bezeichnender ist sein zweiter Name, man nennt ihn nämlich auch den "Immer glücklich-Berg". Die Bedeutung dieses Namens kann auf zwei Arten erfahren werden. Eine Variante, ihn zu erleben führt über einen steilen Aufstieg von etwa einer Stunde über Stufen und steile Leitern, die andere Art, ihn zu erspüren, kann vom Machu Picchu aus erfolgen. Wer sich ihm einmal, die Kristallstadt im Rücken, mit weit zum Machu Picchu und zum Huayna/Wayna Picchu hin ausgestreckten Armen und weit geöffnetem Herzen, zuwendet, fühlt seine belebende Energie. Wir boten bestimmt ein farbenfrohes Bild mit unseren bunten Regencapes in der riesigen Anlage. Nach der Überlieferung reinigt Regen, also nahmen wir dieses Geschenk gern an. Aufziehende Nebelschwaden hüllten die Bergspitzen in mystische Schleier. Wir glitten wieder in eine Zwischenzeit, und die Aufseher hatten ihre Not, uns zum Feierabend zum Ausgang zu befördern. Einen fragte ich mit meinem gebrochenen Spanisch mitfühlend, ob sie jeden Abend auf diese Weise ihre Herden zum Ausgang treiben müssen, und ich hörte, wie er seinen Kollegen zurief, endlich hätte mal jemand Mitleid mit ihnen. Von da an war der Bann gebrochen, und sie machten uns weniger Druck und unterhielten sich selbst untereinander. Erstaunlich, von wie vielen Seiten plötzlich zum Feierabend Aufseher auftauchten und den Weg zu ihrem eigenen Ausgang nahmen. Die größte Sorge wegen der körperlichen Belastung hatte ich mir vor Machu Picchu gemacht, doch die Stadt liegt nur auf 2.300 m Höhe und war nach den vorherigen Ausflügen nicht anstrengender als eine normale Tagestour. Ich war noch so fit, dass ich nach der Rückkehr ins Hotel beschloss, mit den anderen die warmen Quellen zu besuchen, die dem Ort den Namen gaben. Irgendwie hatten wir keine klare Uhrzeit verabredet, also machte ich mich - war ich die erste, war ich die letzte? - allein auf den Weg. Nach Auskunft der Einheimischen musste man nur der Hauptstraße bis zum Ende folgen. Das war eine folgenschwere Entscheidung, denn die Hauptstraße führte irgendwann an unserem Restaurant vorbei, wo wir mittags gegessen hatten, dann war es noch einmal so weit bis zum Stadtrand, und dann führte der Weg weiter durch eine wunderschöne Schlucht, und irgendwann sah man oben die Lichter des Thermalbades, insgesamt eine Strecke von schätzungsweise drei, gefühlten sieben, Kilometern steil bergauf, die ich freiwillig nicht mehr gegangen wäre. Manchmal ist es einfach gut, unwissend in sein Glück zu laufen. Das heiße Wasser, die frische Luft und die imposante Natur waren ein Erlebnis. Nach und nach waren wir fast wieder vollzählig. Die 26 Machu Picchu: mit zwei c geschrieben und so auch deutlich gesprochen. 18 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Wasserbecken befanden sich alle im Freien, Das Bad war gut besucht, um diese Uhrzeit fast nur noch von Einheimischen. In der Dunkelheit malten wir uns aus, wie schön es wohl sein würde, wenn der Regen aufhört und die Sterne zu sehen sind. Unsere Knochen und Gelenke wurden wieder richtig weich, und als wir feststellten, dass sich die Schulter- und Nackenmuskulatur am besten wie in einer Polonaise hintereinander massieren lässt, waren junge Einheimische fröhlich mit dabei. Aus meinem Hotelfenster sah ich direkt auf den Urubamba. Als ich morgens wach wurde, bemerkte ich ein unangenehmes dumpfes Gefühl in meinen Ohren, die sich offensichtlich nach dem Schwimmen zugesetzt hatten. Als sich dieser Pfropf unter der Dusche löste, war ich überrascht über den ohrenbetäubenden Lärm des Wassers. Mit dem schützenden Pfropf habe ich fest und tief durchgeschlafen. Wer sich mit der Energie einzelner Kraftplätze und Tempel auf dem Machu Picchu verbinden will, braucht seine eigene Zeit. Deshalb gab es für den folgenden Tag mehrere Optionen. Wer sich ausruhen wollte, blieb im Hotel. Wer noch einmal in Ruhe Machu Picchu allein erleben wollte, machte sich (mindestens zu zweit) selbst auf den Weg. Wer zum Sonnenaufgang auf dem Wayna Picchu (2.630 m) meditieren wollte, traf sich um 5.30 Uhr am Bus. Bis wir auf dem Gipfel ankamen, war allerdings die Sonne schon aufgegangen, weil der Durchlass zum Wayna Picchu erst um 7 Uhr geöffnet wird. Hier wurde erneut jeder namentlich erfasst. Jose hatte am Tag vorher gesagt, dass der Aufstieg anstrengend und teilweise sehr steil sei. Das war für mich eine Gelegenheit, Cristina, seine Verlobte27 kennenzulernen, die sich ebenfalls darauf vorbereitet, Reiseführerin zu werden. Um die Gruppe nicht zu behindern, falls ich (ein wenig älter als die meisten) mehr Zeit brauchte oder aufgeben müsste, habe ich Cristina für diesen Tag als Führerin gemietet, und sie und ich sowie Valerie aus Frankreich brachen zügig auf. Ich vereinbarte mit Cristina, dass ich während des Laufens wenig reden und nach Möglichkeit auch nicht stehen bleiben würde. So schafften wir schon gut die Hälfte, bevor die anderen uns überholten. Der Weg ist steil und schmal, so dass wir anderen oder andere uns an passenden Ausweichstellen Gelegenheit zum Überholen gaben. Schließlich war unsere Gruppe nicht die einzige im Gelände, und es gab einen regen Aufstieg und später Abstieg. Immer wieder öffneten sich 27 Die beiden wollen im August heiraten. Erst zu Hause habe ich gelesen, dass in den Bergdörfern bis heute junge Leute zur Probe heiraten. Wenn die Ehe innerhalb der ersten drei Jahre auseinandergeht, dann können beide neue Partner wählen. Kinder werden von den Eltern der Frau wie eigene Kinder aufgezogen. Vielleicht finde ich noch einmal Gelegenheit, sie nach diesem Brauch zu fragen. Nach Ablauf der Probezeit gibt es das endgültige Eheversprechen, und diese Ehen sind erfahrungsgemäß haltbar. (Andean Awakening, S. 71f.) 19 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 wunderschöne Aussichtspunkte, einmal sahen wir von oben auf einen Regenbogen quer über dem Tal. Eine Fülle von farbenprächtigen Blüten begleitete uns entlang des Weges. Insgesamt dauert der Aufstieg etwas über eine Stunde, und die schwierigen Wegstrecken sind alle gut durch Stahlseile gesichert. Doch die in die Felsen gehauenen Stufen haben oft sehr, sehr große Abstände, und es geht einfach steil bergauf… Nach dem gemeinsamen Mittagessen mussten wir pünktlich am Bahnhof sein. Vom Hotel aus war unser Tagesgepäck bereits dorthin gebracht worden. Kim-Lee, einer Kanadierin ging es nicht gut, sie war morgens schon im Hotel geblieben. In Ollantaytambo wartete bereits unser Bus mit dem vertrauten Fahrer Samuel auf uns. Unsere zurückgelassenen Koffer hatte er auch dabei, und wir fuhren weiter in unser Hotel in Cusco. Kim-Lee ging es nicht besser, und das Hotel wurde verständigt, dass ein Arzt kommt und sich um sie kümmert. Am anderen Morgen erzählte uns Michelle Karen, dass sie die Nacht bei Kim-Lee im Krankenhaus verbracht habe. Der Arzt und die Schwester, die im Hotel warteten, haben sie sofort eingewiesen, und die Untersuchungen hätten ergeben, dass es sich um eine so schwere Form der Höhenkrankheit handle, dass sich Kim-Lee erst stabilisieren müsse, bevor sie mit einem Sonderflugzeug mit ärztlicher Begleitung nach Lima transportiert werden könne. Michelle Karen wurde von den Ärzten beruhigt, dass ein so schweres Krankheitsbild sehr selten vorkomme. Antwort auf ihre Rückfrage, was "selten" sei: Nur etwa alle zwei Wochen ein Fall… Kim-Lee war erst drei Tage später transportfähig, und bei unserem Rückflug aus Lima, war sie dort immer noch im Krankenhaus, wir bekamen aber eine E-Mail, dass sie am folgenden Tag von einer Krankenschwester aus Kanada abgeholt worden und sicher zu Hause angekommen sei. Unterwegs werden wir noch in einen leichten Unfall verwickelt, bei dem zum Glück nichts passiert ist. Beim Aussteigen ließ der Fahrer alle anderen Türen verschlossen, so dass niemand dazukommen konnte. Nach peruanischem Gesetz werden in einer solchen Situation im Zweifel alle am Ort des Geschehens Angetroffenen verhaftet und wirklich ins Gefängnis gebracht. Mir ist es beim Einkaufen passiert, dass ich einen Aufsteller vor einem Geschäft umgestoßen habe. Instinktiv, wie wir es aus unserer Kultur kennen, habe ich mich umgedreht und mich entschuldigt. Ich wollte ihn aufstellen, doch als ich in die leicht erstaunten, dann schnell auf unbeteiligt umgeschalteten Gesichter sah, fiel mir die Unfallepisode wieder ein, und ich habe davon Abstand genommen, mich zu 'kümmern' oder beteiligt zu erscheinen. 20 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Sacsaywaman Beim Aufbruch morgens warten wieder Don Pasqual und Santozza auf uns. Wie sehr ich mich an die stille Gegenwart dieser beiden gewöhnt habe. Santuzza trägt wieder den typischen Hut mit den bunten Bändern und Bommeln, die alle in ihrer Farbe und Form eine symbolische Bedeutung haben. An den Mustern und der Form lässt sich sofort erkennen, aus welcher Gegend jemand kommt, aber auch, dass Santuzza zum Beispiel verheiratet ist: Einer der Bommel ist rosa, und auch in dem Hutband ist ein rosafarbenes Muster eingewebt. Heute Vormittag brechen wir nach Sacsaywaman auf. Schnell befindet sich der Bus über die serpentinenförmige Straße wieder oberhalb von Cusco auf einer Höhe von ca. 3.800 m. Wir fahren bald von der Hauptstraße ab und folgen einer Landstraße, bis wir wieder bei einer großen Tempelanlage sind, die sich beiderseits der Straße weit hinzieht. Noch ein paar Kurven weiter steigen wir aus. In der Nähe ist ein Dorf, das vermutlich erst in den letzten Jahren erbaut wurde. Einige Männer stehen um den Bus herum. Wir gehen zu Fuß weiter. Don Pasquale hat wieder einen Ort für ein Despacho ausgewählt. Wir laufen bestimmt zwanzig Minuten über Wege, Wiesen und Bäche, bis wir wieder in einer Tempelanlage ankommen. Eine lange, an beiden Seiten von Felsen gesäumte Allee führt zu der inzwischen bekannten typischen Felsformation, in deren Inneren ein für die Zeremonie geeigneter, geschützter Kultplatz ist. Wir haben so viel hinter uns gelassen, dass wir nun unsere Intention für das Neue auf die Kintui und in das Opfer geben. Natürlich beginnt es am Ende wieder zu regnen. Dieses Mal beenden Don Paqual und Santuzza die Zeremonie an einer gegenüberliegenden Felsformation mit einer besonderen energetischen Reinigung. Ich habe das Gefühl, in mir verschiebt und bewegt sich sehr viel - zum Leichteren hin. Auf dem Rückweg befrage ich Jose wegen der Unterbrechung, als er aufstand, weil draußen etwas zu hören war, und er mit Personen (Männern) sprach, die ich nicht sehen konnte. Er sagt, es werde in dieser Gegend von den Offiziellen nicht gern gesehen, wenn noch solche alten Rituale durchgeführt werden. Wir fahren zurück, doch nicht sehr weit und biegen auf einen großen Parkplatz ein. Hier wurde der Kenko-Felsen, eine große Tempelanlage restauriert, und wir gehen zwischen bizarren Felsen, bis wir in eine Grotte kommen. Hier, sagen die offiziellen Führer, wurden die Opfertiere geschlachtet. Doch wir haben das 21 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Gefühl, dass hier noch mehr gewesen sein muss, denn die Energie fühlt sich neutral, wie auf dem Nullpunkt an. Wir erhalten ein Channeling, dass dies ein Ort der Geburt und des Neubeginns sei, und bekommen noch weitere Aussagen über unsere Aufgaben. Was für ein Tag. Wir fahren weiter Richtung Cusco zurück und biegen dann rechts ab auf den großen Parkplatz von Sacsaywaman, auf dem nur wenige Autos parken. Außer dass der Name in den letzten Tagen immer wieder fiel, hatte ich vorher noch nichts darüber gehört. Eigentlich bin ich nur ausgestiegen, weil ich mir die Füße vertreten wollte, während die ersten wieder die öffentliche Toilettenanlage stürmten. Inzwischen ans Laufen gewöhnt und weil die Sonne herausgekommen war, ging ich auch die sanfte Anhöhe hinauf, für peruanische Verhältnisse ein kurzes Stück, in unserer Größenordnung aber schon wieder eine Strecke mit der Länge von ca. drei Fußballfeldern. Dann zeigte sich "das größte und stolzeste Werk, das die Inka bauten, um ihre Majestät und Macht zu demonstrieren. Seine Größe ist unvorstellbar für alle, die es nicht gesehen haben." (Inca Garcilaso de la Vega (1539 – 1616), zitiert nach B. Volberg28). Jede Inkastadt wurde in der Form eines Tieres angelegt. Pisaq hat die Gestalt eines Kondors, und der Überlieferung nach erbaute Pachacuteq (9. Inkaherrscher im 15. Jh.) Cusco in der Form eines Puma. Astronomen legten die Maßstäbe fest, und die heutige Plaza de Armas entspricht dem damaligen Sitz des Herzens des Pumas. Der Kopf des Pumas entsprach dem Hügel, auf dem Sacsaywaman angelegt wurde. So entstand der Name Sacsa Uma (gesprenkelter Kopf)29 Die massiven Ausmaße der Mauern sind atemberaubend. Die riesigen Steinblöcke greifen so ineinander, dass es 28 29 www.caiman.de. Dies ist eine Deutung. Es gibt noch viele weitere. 22 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 nicht möglich ist, ein Blatt Papier zwischen die Fugen zu schieben. Aufgrund der unregelmäßigen Abmessungen sind alle Fugen versetzt. Alle Inka-Wände sind durch "Unterlegscheiben" nach innen geneigt, und fast alle Kanten sind gerundet. Die riesigen Blöcke, die jetzt noch stehen, waren zu schwer zum Transport, alle übrigen Steine haben die Eroberer abgetragen und zum Aufbau ihrer eigenen Kirchen benutzt. Sämtliche Kirchen wurden durch Erdbeben zum Einsturz gebracht, wie eine Führerin im Coricancha Tempel in Cusco genüssliche berichtete, doch die Inka-Bauwerke, sofern sie nicht von den Eroberern zerstört wurden, stehen immer noch. Sacsaywaman war Verwaltungszentrum, Heiligtum, Tempel, Observatorium, Lager für Nahrungsmittel und wichtiger Ort für Zeremonien, die die Menschen aus allen vier Teilen des Reiches zusammenbrachten. Heute finden auf dem weiträumigen Gelände jedes Jahr am 24. Juni die Inti Raymi (Sonnenwend-)Feiern statt. Zur Inkazeit wurde am Tag der Wintersonnenwende die große Sonnenscheibe im Sonnentempel auf dem Marktplatz von Cusco ausgestellt. Die Sonne spendet Wärme, Licht, Energie und Leben, und der Inka (Herrscher) und alle Abgesandten brachten ihr Opfer und Geschenke dar. In der ganzen Stadt wurden die alten Feuer ausgelöscht und mit einem großen Spiegel ein neues Feuer aus den Sonnenstrahlen entzündet, das mit Fackeln aus Lamahaar durch die ganze Stadt getragen wurde. Nachmittags und am anderen Tag war frei. Michelle Karen hatte sich bereit erklärt, uns zu einigen Geschäften zu führen, in denen wir günstige Preise bekommen (Großhandel für Vikunja-Textilien) oder die wir sonst gar nicht sehen würden (Poncho-Museum). Da Cusco an einem Hang liegt und unser Hotel ziemlich "unten" war, führten zunächst alle Straßen bergauf. Ich musste oft daran denken, was ich zufällig im Internet gelesen hatte: "Cuzco bietet den Vorteil, dass man als Tourist beim häufigen, durch Atemnot bedingten, Stehenbleiben vortäuschen kann, alle zwei Minuten die Aussicht genießen zu müssen – während die Einheimischen stumm lächelnd vorbeischreiten und genau wissen, dass die Gringos nur Pause machen, um nicht in Ohnmacht zu fallen." (B. Volberg) Doch am zweiten Tag konnte ich schon richtig flott einkaufen. 23 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Während unserer zwei freien Tage stand Don Pasqual für private Zeremonien zur Verfügung. Ich wollte gern seine Arbeit kennenlernen und verabredete eine Sitzung. Vorher hatte ich überlegt, welchen energetischen Knoten ich am besten mit ihm aufarbeiten könnte, wenn wir keine Möglichkeit der Kommunikation haben. Also entschied ich mich, ihn einfach zu bitten, Hucha, alten Müll in Form von angesammelten Blockaden und schweren Energien zu bereinigen. Beim Aufräumen muss man nicht viel reden, es geht viel leichter mit Singen, und tatsächlich, als er und Santozza so ziemlich alles geklärt hatten, begann er ganz dicht in mein Energiefeld hinein zu singen, so sanft, so liebevoll, so klar und so heiter. "Der Zweck des Lebens ist es, das Leben selbst zu feiern." sagt Jorge L. Delgado.30 Am anderen Tag wollte Jose der Gruppe noch eine Führung durch die verbliebenen Reste des Coricancha Tempels (wichtigster Sonnentempel der Inkazeit) schenken und uns zeigen, an welchem Ort im heutigen Dominikanerkloster die Goldene Scheibe aufgehängt war, doch dann kam ein Anruf, dass Kim-Lee nach Lima geflogen würde, und er begleitete Michelle Karen und einige andere zum Krankenhaus. Wir machten uns allein auf den Weg und erhielten eine sehr fundierte, auf der offiziellen peruanischen Sonnenuhr der Inka im Coricancha-Tempel, Cusco Geschichte beruhende Führung. Im Bereich des Inkatempels war das Fotografieren unbeschränkt erlaubt, in allen übrigen Bereichen der Klosteranlage verboten. Selenit-Schwerter An diesen freien Tagen hatten wir endlich Gelegenheit, dass uns Tom Ledder, der "Meister der Selenit-Schwerter", eine Einführung über seine Schwerter und ihre Anwendung gab. Bei seinen Forschungen hatte er herausgefunden, dass das Selenit ein Kristall mit göttlicher Intelligenz ist, der das, was auf ihn gelegt wird, um ein Vielfaches verstärkt. Von Erzengel Michael und anderen wurde er angeleitet, diese Schwerter zu entwickeln, die flüssiges Licht in die physikalischen Energiekörper bringen und diese heilen und transformieren können. Im praktischen Versuch erprobten wir, wie mit 30 Andean Awakening, S. 167. 24 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Hilfe dieser Schwerter ein Lichtkörper aufzubauen ist. Tom Ledder hatte für alle eine Anzahl Schwerter mitgebracht. Wenn wir am 21.12. das Datum des Zeitenwechsels vor dem Aramu Tor feiern, dann sollen diese Schwerter helfen, das Lichtportal zu vergrößern. Ein weiterer Schwerpunkt von Toms Arbeit ist, 'Cup Cakes'31, die mit Informationen der Heiligen Geometrie gefüllt sind, an Kraftplätzen der Erde auszusetzen, so dass sie sich global im Gitternetz der Erde vernetzen und ein neues Energiemuster gestalten helfen. Diese Arbeit führte er an vielen Orten unserer Reise allein durch, doch weltweit ist er durch viele Helfer verbunden und führt ein genaues Verzeichnis über die ausgelegten 'Cup Cakes'.32 Wiracocha Tempel Die Ruhe in Cusco hat gut getan. Ich hatte das Gefühl, nun gut an das Klima angepasst zu sein und freute mich auf den zweiten Teil der Reise zum Titicacasee. Irgendetwas in mir verband wohl mit "See" angenehme Urlaubserinnerungen. Es sollte die anstrengendste Route werden. Unser Ziel, ein Besuch der Sonneninsel auf bolivianischer Seite, musste kurz vor Reisebeginn umgestellt werden, denn der bolivianische Präsident hatte kurzfristig alle Freunde und Präsidenten der umliegenden Länder zur Feier des 21.12. auf die Sonneninsel eingeladen, und plötzlich wollten die Hotels die Vorbestellung nur noch mit dreifachem Preisaufschlag anerkennen. Mit dem Besuch auf der peruanischen Insel Amantani und einer Übernachtung bei den dortigen Einwohnern war ein guter Ersatz gefunden worden. Unser neuer Reiseführer war Abuel aus Puno, das völlige Gegenteil zum agilen, lebhaften Jose, doch ebenso angenehm und sachkundig. Ich schätze ihn auf fünfzig Jahre. Neben Aymara und Quechua spricht er auch Englisch und Französisch fließend. Ohne viel Worte strahlte er eine innere Autorität und Ruhe aus. Ich vermute, er weiß noch viel, viel mehr. Warum habe ich eigentlich nicht viel mehr gefragt? Um 7.30 Uhr brachen wir mit einem fabrikneuen Hochdecker-Bus nach Puno auf. Für die lange Reise - wir kamen erst im Dunklen an - war es gut, dass fast alle einen Doppelsitz für sich allein hatten. Die beiden Fahrer hatten vorn ihre eigene abgetrennte Kabine. Sie waren dennoch ständig mit uns verbunden: Vorn unter der Decke hing ein Display mit der Geschwindigkeitsanzeige, und sobald die zulässigen 90 km/h erreicht bzw. überschritten wurden, blinkte die Anzeige und ertönte ein Signalton. In Chimboya (4.335 m) hielten wir kurz an, um die Schneespitzen der umliegenden Berge zu fotografieren. Wieder war es erstaunlich, wie schnell 31 32 So genannt, weil er die Gipsformen wirklich in Cup Cake-Förmchen gießt und dann mit seinem Informationen bestückt. Wer sich für die Arbeit von Tom interessiert: http://www.seleniteswordmaker.com; oder: http://www.seleniteswords.com. 25 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 von mehreren Seiten Einheimische auftauchten, um ihre selbstgewebten und genähten Tücher, Mützen, Ponchos zu verkaufen. Später folgten wir wieder dem Urubamba und machten nach einigen Stunden Halt am Wiracocha Tempel. Michelle Karen hatte angekündigt, hier selbst ein Despacho durchzuführen. Der Eingangsbereich war professionell auf höchstem touristischem Stand (Toiletten, Marktstände mit ausgewählten landestypischen Produkten, Bücher, Reiseführer, Restauration) doch Abuel lenkte uns zielstrebig daran vorbei in die sich weit ausdehnende Anlage. Er zeigte uns die Wasseranlage, die zu Inkazeiten zur Reinigung vor Betreten des Tempels vorgesehen war, öffnete seinen Beutel mit Cocablättern für uns und schlug vor, ab einer bestimmten Stelle barfuß weiterzugehen, denn wir würden uns nun in den Tempelbereich begeben. Er selbst ging so, als hätte er nie Schuhe gekannt, ich brauchte zwischendurch die schützenden Sohlen. Wir hatten strahlend blauen Himmel, und ich war für die Wolken und den Regen am Machu Picchu dankbar. Ich weiß nicht, wie ich die Tour unter der heißen Sonne und den viel höheren Temperaturen verkraftet hätte. Die Zeremonie, die Michelle Karen für diesen Platz vorgesehen hatte, war ein Trennungs-Ritual endgültig von allem, was die Menschheit in den vergangenen 26.000 Jahren geplagt hatte. Eigenes (Personen, Dinge, Gewohnheiten, Eigenschaften) durfte eingebracht werden - ausdrücklich mit dem Hinweis, sehr sorgfältig auszuwählen, weil der Effekt sehr wirksam und nicht mehr umkehrbar sei, was einem später vielleicht leidtun könne. Dieses besondere Ritual verläuft in allem entgegengesetzt: alle Bewegungen links herum, alles sehr schnell, es wird nicht gesprochen, dunkle Farben, statt Süßigkeiten Pfeffer und Salz usw. Lange blieben wir anschließend noch in dem herrlichen Wetter auf dem Gelände. Die gesamte Ausgrabungsfläche heißt eigentlich Raqchi, sie wird aber nach den erhaltenen Ruinen des größten Inkatempels (Dachlänge 92 m, Höhe 20 m) benannt. Wiracocha ist in der Inka-Mythologie der Schöpfergott, der das Universum, Sonne, Mond, Sterne, die Zeit (durch die Bewegung der Sonne über 26 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 den Himmel) und die Zivilisation erschaffen hat. Dargestellt wird er oft mit dem Strahlenkranz der Sonne als Krone, einem Donnerkeil in der Hand (er ist auch der Gott der Stürme) und Tränen, die ihm - als Regen - aus den Augen fließen. Ketzerische Autoren behaupten, bei dem Areal handle es sich letztlich um ein hochmodernes Verwaltungs-, Lager- und Logistikzentrum der Inka. Weil aber in den 70er Jahren nur Forschungsgelder für "kleine Machupicchus" geflossen seien, habe man die Ausgrabungen einem Tempel zugeordnet. "Selbstverständlich stand dort im Tempel in der unteren Eingangshalle auch die lebensgroße Statue von dem Schöpfergott Viracocha. Auf einem bayerischen Finanzamt hängt ja auch ein Kreuz an jeder Wand. Das macht es dann dem Bürger scheinbar leichter seine Steuern zu entrichten. Früher in Peru wie auch heute in Bayern."33 Am späten Nachmittag erreichten wir Puno, das pulsierende Wirtschaftszentrum Perus, und gerieten voll in die Rush Hour. Vertraut mit dem Verkehr in Delhi und Mumbai dachte ich, mich könnte keine Verkehrssituation mehr überraschen, doch bei dieser Fahrt bekam ich tatsächlich zum ersten Mal Angst. Es muss entweder lange heftig geregnet oder an mehreren Stellen Rohrbrüche gegeben haben, denn ganze Straßenzüge standen unter Wasser, was auf den unbefestigten Fahrbahnen zu Riesenschlaglöchern führte, die der überdimensionierte Bus im Zickzack und heftig schwankend zu umfahren versuchte. Man wusste nie, wie tief ein Rad bei dem nächsten Wasserloch einsinken würde. Dazwischen-davor-daneben - von überall her der Verkehr, Fahrräder, leichte Zweitakter, große und kleine PKWs, LKWs, Busse… ein unbeschreibliches Chaos, fast wie übereinandergeschichtet. Alle nur darauf bedacht, den nächsten freien Millimeter zu beanspruchen. Bei einem Abbiegemanöver setzte der Bus auf der Straße, in die er einbiegen wollte, auf. Ohne dass sich im gesamten Verkehrsfluss etwas verändert hätte, gelang es ihm, durch Zurück- und Vorsetzen frei zu kommen und die Fahrt fortzusetzen. Nun habe ich verstanden, warum zwei Fahrer dabei waren. In dieser Stadt gibt es aber auch noch einen anderen Brauch. Abuel erzählte, dass jedes Jahr Anfang Mai ein Miniaturen-Markt stattfindet, auf dem es alles, ausnahmslos alles, was Menschen in ihrem Umfeld erschaffen, als Miniatur zu kaufen gibt: Autos, Tiere, Häuser, Büros, Geldscheine, Hochzeitskleider, sogar Universitätsdiplome und Doktorarbeiten. Die Menschen kaufen auf dem Markt eine Miniatur von dem, was sie sich im folgenden Jahr wünschen, und gleich neben dem Markt stehen Paq'os, Yatiris und katholische Priester bereit, um diese Miniaturen zu segnen. Viele gehen vorsichtshalber zu beiden. Es war schon dunkel, als wir schließlich in der Hotelanlage (in einem Vorort, direkt am Titicacasee) ankamen. Mein Zimmer lag im vierten Stock ohne Aufzug. Dreimal verlor ich den Hotelangestellten mit meinem Gepäck in den weiträumigen, 33 J. E. Krösel / www.KROESEL.com. 27 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 verwinkelten Fluren aus den Augen. Stufe um Stufe und nach einer gefühlten Viertelstunde war ich endlich oben und wurde mit einer fantastischen Aussicht über den See belohnt. Ich muss wohl eine Weile eingeschlafen sein. Als ich wach wurde, sah ich wie unten im Park Michelle Karen mit einigen anderen unser Despachopaket verbrannte. Da dies nach einer Zeremonie Vorschrift ist, gibt es überall im Land dafür problemlos Feuerstellen. Es war ein riesiges Feuer und brannte noch lange. Nur die Aussicht, danach wieder in den 4. Stock hoch zu müssen, hielt mich davon ab, nach unten zu gehen. Aramu Muru Tor Heute ist unser 10. Reisetag, der 21.12.12. [Numerologisch sind das, je nachdem, wie man rechnet, entweder 9 Tage (Vollendung) oder auch 10 Tage nach dem 12.12.: Die Zehn steht für Neuanfang…] Wir brechen wieder früh um 6.30 Uhr auf. Unser großes Gepäck bleibt im Hotel. Ich bin noch einmal zurückgegangen (freiwillig in den vierten Stock!) und habe kurzfristig umgepackt und alles für die Übernachtung Benötigte mit in meinen Rucksack getan. Dieser Eingebung war ich später sehr dankbar. Ich habe ziemliche Kopfschmerzen, das Klima bzw. die Höhenlage macht mir sehr zu schaffen. Deshalb erlebe ich die folgenden Tage wie in einem leichten Nebel. Dabei sollte ich mich doch eigentlich freuen: Die Menschheit - wir - haben es geschafft! Der 21.12. ist das kalendarische Datum - die Energien haben sich schon längst verlagert - vom Ende einer alten zum Beginn einer neuen Zeitepoche. Innerhalb eines Zeitraumes von 25.625 Jahren dreht sich die (schiefe) Erdachse einmal um die Senkrechte auf ihrer Bahnebene herum und beginnt einen neuen Zeitzyklus34. Dabei erscheint es in einem Zeitfenster von 36 Jahren fast so, als lägen aus Sicht des Planeten Erde alle übrigen Planeten einschließlich der Sonne unseres Sonnensystems auf einer Achse, die weit in das Zentrum des Universums hineinreicht. Diese Fein-Angleichung an die gerade Ausrichtung auf der Achse dauerte 18 Jahre, jetzt haben wir die exakte Mittellage erreicht, und es dauert weitere 18 Jahre, dass sich diese Angleichung wieder langsam auflöst. Zur Mitte des letzten Jahrhunderts ließen die Wahrscheinlichkeiten noch erwarten, dass sich die Menschheit (erneut) auslöschen würde, doch seit der Harmonischen Konvergenz 1987 wuchsen das Bewusstsein und die energetische Schwingungsrate auf dem Planeten beständig, so dass die Menschheit erstmals bewusst in einen Aufstiegsprozess geht, ohne den physischen Körper abzulegen. Pachakuti ist eingetreten, die Zeit der großen Bewusstseinsveränderung für die Menschheit, die Zeit der veränderten Paradigmen und einer neuen Sicht der Wirklichkeit, die Zeit der geöffneten Herzen und des Friedens auf der gesamten Erde. Es ist die Zeit zu erwachen und uns zu erinnern, wer wir wirklich sind. Glaubt man den Aussagen, dann wird die Manifestierung dieses Ereignisses ein langsamer Prozess über wahrscheinlich zwei Generationen sein, bis die alte Energie von den heranwachsenden jungen Menschen in der neuen Energie abgelöst wird. 34 Für diesen Zyklus gibt es viele Namen: Weltenjahr, Platonisches Jahr, Yuga usw. 28 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Die Veränderungen werden so unmerklich sein, dass wir nur rückblickend feststellen können, dass wir nicht mehr dieselben sind. Nach ca. 26.000 Jahren haben wir einen Zyklus beendet, und ich hatte geplant, das ausgiebig zu feiern. Bereits auf der Zugfahrt zum Machu Pichhu überlegten wir scherzhaft, ob wir nicht einen Regisseur finden, der unser Zusammentreffen jetzt mit Episoden aus den letzten 26.000 Jahren unseres Lebens verfilmt… Und nun stehen wir einfach nach unserem kleinen, durch starken Wind behinderten (unterstützten?) Despacho und dem Bewusstsein, dass die Erde soeben in eine andere Energie eingetreten ist mit unseren Lichtschwertern im Halbkreis vor dem Aramu Muru Tor, einem Tor in einer surrealen Landschaft aus roten Sandsteinfelsen, teils gerundet (bearbeitet), teils wild zerklüftet in wilden Formationen und tönen, während wir nach und nach das kleine Tor und die konkav in die Wand eingelassenen Säulen zu beiden Seiten betreten. Der Himmel war tiefblau mit grandiosen Wolkenformationen, und mit dem Tor im Rücken hat man einen großartigen Ausblick über den weiten Titicacasee. Viele Reiseführer erwähnen diesen Ort bis heute nicht. Es scheint, dass er in spirituellen Kreisen als Pforte in eine andere Dimension verbreiteter ist. Das Tor und den Namen hat Jorge L. Delgado vor ca. 20 Jahren bekannt gemacht, nachdem er dort eine sein Leben verändernde Vision hatte und später auch andere dorthin führte. Aramu Muru verbindet uns wieder mit der im früheren Coricancha Tempel in Cusco aufbewahrten Golden Sonnenscheibe. Diese erinnerte in Lemurien die Menschen an ihre wahre Herkunft von der Großen Zentralen Sonne (Hatun Inti). Der Legende nach brachte der große Meister Aramu Muru nach dem Untergang Lemuriens diese Scheibe nach Cusco, und die Inkas nutzten sie, um direkte Informationen von ihrem Sonnengott (Viracocha), dem universellen Geist im Zentrum der Galaxis, zu empfangen. Kurz vor dem Eintreffen der Eroberer im 15. Jahrhundert brachte Aramu Muru die Goldene Scheibe in der unterirdischen Kristallstadt im Titicacasee in Sicherheit und verließ den Planeten durch das Tor von Aramu Muru. Der Legende nach wird die Goldene Scheibe mit dem Pachakuti, der Zeitenwende, wieder aus dem See aufsteigen. Wir waren nicht die erste Gruppe, doch unsere Vorgänger waren soeben fertig und zogen sich vom unmittelbaren Vorplatz zurück. Bis dicht hintereinander die nächsten Busse mit weiteren Gruppen kamen, hatten wir viel Zeit und Muße, die Energien der Tür und der beiden Säulen aufzunehmen. So verbrachten wir den ganzen Vormittag überwiegend schweigend in diesem Energiefeld. Einige erkletterten die umliegenden Felsen oder genossen die Sonne auf dem flachen Hang oberhalb des Tores, andere blieben einfach in der Nähe davor - richtig entfernen mochte sich niemand. Im Bus tauschten wir unsere sehr 29 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 persönlichen Erfahrungen aus. Ja, es ist ein interdimensionales Tor. Ja, es gibt die Kristallstadt im Wasser.35 Ja, die Goldene Scheibe ist aus dem Wasser aufgestiegen und goldene Tropfen aus flüssigem Licht haben die Epiphyse aktiviert, bevor sie ins Herz sanken. Und ja, wir haben später auch ein UFO über dem See gesehen.36 Abuel bemerkte im Bus, dass ich Kopfschmerzen hatte, und er gab mir eine sehr wirksame Druckakupunktur am Handgelenk. Außerdem sollte ich noch zwei Cocablätter lutschen, die er mir anschließend auf die Schläfen klebte. Sie sollten dort bleiben, bis sie sich selbst lösen. Ich weiß nicht, wann und wo er die kleinen würzigen Zweige gepflückt hat, die er mir zum Riechen gab. Dieses Kraut wächst wild und ist allgemein als ein gutes Mittel gegen die Höhenkrankheit bekannt. Seine Behandlung hat mir gut geholfen. Ich erfuhr von ihm, dass die Einheimischen bewusst mit vielen Dingen leben. So ist jeder Wochentag einer Farbe zugeordnet, und man trägt nach Möglichkeit etwas in dieser Farbe bei sich. Als Allheilmittel gilt der erste Morgenurin. Er behandelt damit seine Ohrprobleme. Bei schweren Erkrankungen, deren Ursache unbekannt ist, wird ein Meerschweinchen (einer besonderen Rasse) auf den Körper gebunden und am anderen Tag seziert: Im Körper des Tieres befindet sich ein genaues Abbild des kranken Körpers, und die erkrankten Stellen können lokalisiert werden. Anschließend wird das Meerschweinchen mit einem besonderen Ritual bestattet, bei dem ihm für seinen Dienst gedankt wird. Wäre ich nur wacher gewesen, ich hätte bestimmt viel mehr behalten. Die Weiterfahrt wurde noch einmal bei Bebedero del Inca, auch einem alten Kultplatz, unterbrochen. Abuel wies uns darauf hin, die langgestreckten Felshügel hinter dem kleinen nach Osten gerichteten Türmchen (ein Kultplatz der Inka zur Begrüßung der Sonne) zu betrachten Sie sind aus demselben Sandstein wie Aramu Muru und gehören auch eigentlich noch zum Hinterland dieser Felswüste. Unverkennbar hatten sie die Gestalt einer Schlange. An der Straßenseite führen einige Stufen auf ihren Rücken, und es war einfach verlockend, auf ihm bis zum Ende zu laufen. - In der Weite der peruanischen Hochebene verzerren sich leicht die Maßstäbe: Der Rücken der Schlange war ca. 3 - 7 m hoch und 70-80 m lang. - Wieder hatte ich das Gefühl eines starken Kraftplatzes. Später las ich bei Jorge L. Delgado, dass an diesem Ort die Felsen auch noch den Rücken eines Puma vollkommen mit der 35 36 Der alte Name des Titicacasees lautet Winjaymarca, d.h. 'Die ewige Stadt'. Die Einheimischen berichten ganz selbstverständlich von UFOs, die immer wieder gesehen werden. Im See befindet sich eine Basis mit der Funktion einer Versorgungsstation. 30 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Schlange verschmelzen lassen und ein paar Meter weiter in einer Felswand ein alter Kondor, der traditionelle kosmische Bote, zu finden ist.37 Alle drei Welten der Inka hatten ihre Zugänge in unmittelbarer Nachbarschaft, und das heute noch direkt neben der Autobahn. Titicacasee Über eine Stunde lang fuhr der Bus bereits am See entlang, bevor wir in einem kleinen Hafen auf ein noch kleineres Boot umstiegen, das uns nach Amantani bringen sollte. Diese Insel (15 qkm, vergleichbar mit der Größe von Juist) liegt noch hinter Taquile, einer ebenfalls sehr bekannten Insel, und die Fahrt dauerte fast dreieinhalb Stunden. Der Titicacasee ist der zweitgrößte Binnensee Südamerikas, das jedoch auf einer Höhe von 3.800 m. Er hat eine Fläche von 8.372 qkm (Bodensee: 536 qkm) und wird auch für die Handelsschifffahrt benutzt. An seiner tiefsten Stelle ist er 284 m tief (Bodensee: 254 m). Auf dem See befinden sich 32 Inseln, Amantani und Taquile wetteifern um die Unterbringung von Touristen. Auf beiden Inseln gibt es keine Hotels, und wir schliefen für eine Nacht in den privaten Unterkünften der Einheimischen. Müde und hungrig legten wir schließlich auf der Insel an. Das gemeinsame Mittagessen wartete schon - das Dorf liegt jedoch an einem Hügel, und es gilt wieder einmal, 100 Höhenmeter zu überwinden. Als Claire gar nicht mehr weiterkommt, verschwindet ein Dorfbewohner kurz und kommt mit einer Schubkarre mit Decken zurück. So schafft sie die letzte Etappe. Das Mittagessen war einfach, Suppe und Hauptgericht. Ich weiß nicht mehr, was es gab, aber es schmeckte und tat unseren ausgehungerten Mägen gut. Michelle Karens Vorschlag für ein anschließendes Despacho kam gut an aber bitte nicht in den Tempeln auf einem der beiden Berge, die ca. 200 m über der Wasserfläche liegen. Wegen des starken Windes führten wir es schließlich im Innenhof eines der Häuser durch und weil dieses Mal in der Zeremonie alle 'großen' Wünsche für die neue Zeit übergeben wurden, sollte das Opferpaket nicht verbrannt, sondern am anderen 37 Andean Awakening. S. 12f. 31 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Tag im Titicacacsee übergeben/versenkt werden. Abends verabredeten wir noch eine Feuerzeremonie. Es war der erste Abend auf der ganzen Reise, bei der ich wenigstens ein paar Sterne gesehen habe, als der Himmel ein wenig aufriss und plötzlich die Wolken einen auffallenden zusätzlichen schmalen Ring mit einem großen Durchmesser um den großen, regenbogenfarbenen Halo des Mondes bildeten. Für die Nacht wurden wir auf mehrere Familien aufgeteilt. Alle Dorfbewohner sprechen Quechua, viele aber auch Spanisch. Doch auch wenn ich besser Spanisch gekonnt hätte, wäre ich zu müde gewesen, mich mit ihnen zu unterhalten. Die Betten waren einfach, wie früher in unseren Jugendherbergen. Abends war es bitter kalt geworden, der Titicacasee ist dafür bekannt, und irgendwann fror ich in meinem Sommerschlafsack und kroch schließlich unter eine der dicken Lamahaardecken. Ich hatte den ganzen Tag keine Hunde gesehen und auch keine bellen hören und entschied mich deshalb irgendwann, doch das Toilettenhäuschen im Garten aufzusuchen. Es blieb wirklich still im Dorf, und die Schüssel unter dem Bett wurde nicht gebraucht. Das Frühstück am anderen Morgen war einfach und gut. Wir nahmen es im Innenhof ein. Als Sicht- und Windschutz und zum Schutz gegen freilaufende Tiere hat jedes Haus den Vorplatz durch einen Zaun abgegrenzt. Deshalb sieht man von außen nicht die aus kleinen, runden, schwarzen und weißen Kiesel kunstvoll wie ein Teppich gemusterten Pflaster. Die Familie einschließlich der Großmutter bot noch die eigenen Strickereien und Webereien an. Als Gastgeschenke unsererseits sind bei den einheimischen Familien vor allem jene Dinge willkommen, die sie nicht selbst anbauen oder herstellen können. Konserven sind dazu auch noch haltbar. Dann trafen wir uns alle wieder auf dem Weg zum Bootssteg. Der starke Wind des Vortages entwickelte sich auf dem Wasser zu einem kleinen Sturm, und das kleine Boot schaukelte so heftig in den hohen Wellen, dass alle, die dabei sein wollten, wie im Heck das Opferpaket dem Wasser übergeben wurde, Schwimmwesten tragen mussten. Es war vorgesehen, dass wir auf der Rückfahrt mit einer anderen Gruppe auf einer anderen Insel zusammentreffen sollten. Doch der See hatte anderes mit uns vor. Der starke Wind zwang das Boot, in der Nähe von Llachon auf der Halbinsel Capachica anzulegen. Und plötzlich landeten wir an einem einsamen Strand wie aus einem Reiseprospekt, sanfte Hügel, sattgrüne Pinien, tiefblauer Himmel und weißer Sand. Der Wind war immer noch sehr kalt, doch zu meiner Überraschung hatte sich der Sand 32 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 schon so aufgewärmt, dass es sogar durch die Kleidung angenehm spürbar war. Michelle Karen führte uns in einer schnell improvisierten Meditation durch das Tor von Aramu Muru in die Kristallstadt und wieder wohlbehalten an den Strand zurück. Wir hatten ähnliche Erfahrungen und tauschten uns über die, zum Teil berührenden, Erlebnisse aus. "Es wird für alle gut sein, ihr Herz zu öffnen und jegliche Einschränkung abzulegen, die verhindert, sich voll auf den mystischen Charakter dieser Reise einzulassen. Darüber hinaus wird es hilfreich sein, den Drang abzulegen, die Erfahrungen zu "vergleichen", weil das unweigerlich zurück in die Polarität und das lineare Denken der dritten Dimension führen würde." (zu Beginn der Reise gechannelte Botschaft). Wieder war es Zeit, den Eindrücken nachzusinnen und die vielen Erlebnisse ungestört zu verarbeiten, und wieder zerstreuten wir uns meist einzeln über den großen Strand. Fünf gingen zum Schwimmen ins Wasser.38 Alle brauchten ihre Zeit. Bestimmt zwei Stunden haben wir so verbracht und wussten noch nicht, dass Pachamama, Mamakocha und die Freunde aus der Kristallstadt das Zusammensein mit uns noch weiter hinauszögern und uns mit einer besonderen Energie beschenken wollten. Der geplante Besuch der berühmten schwimmenden Schilfinseln würde aus zeitlichen Gründen ausfallen, und wir gingen alle an Bord mit der Freude auf das bevorstehende Mittagessen. Doch gerade, als das Boot richtig Fahrt aufgenommen hatte, fiel der Motor aus. Der Bootsführer hatte ein Ankerseil der auf dem Wasser treibenden Forellenfarmen übersehen und es gekappt. Dieses Tau hatte sich so fest um die Schraube gewickelt, dass nichts mehr ging. Mario, ein Mann wie ein Baum, stieg sogar mit einem Messer ins eisige Wasser und tauchte erfolglos unter das Boot. Die Schiffsschraube hatte sich verbogen. Also floaten wir. Es begann heftig zu regnen, und der aufkommende Sturm ließ das kleine Boot in dem starken Wellengang ganz schön tanzen. Einigen bekam das leider gar nicht. Das angekündigte Schnellboot brauchte fast drei Stunden, bis es unsere Stelle erreichte. Kryon beschreibt in einem Channeling diese Situation so: " Zu allererst befinden wir uns auf dem Wasser. Doch in dieser besonderen Situation … bewegen (wir) uns nicht fort. Die vergangenen Durchgaben auf diesen Schiffen sind für meinen Partner einfacher gewesen, weil er und die anderen sich fortbewegten [das Schiff war unterwegs]. Das heißt, es gab überhaupt nichts, was [vollkommen vom Land getrennt] in irgendeiner Form erdete. Doch hier und jetzt gibt es sozusagen einen inneren Widerspruch, denn obwohl ihr auf dem Wasser treibt ..., seid ihr tatsächlich geerdet, indem ihr euch in der "statischen" [sich nicht fortbewegenden] Präsenz des Kristallgitters aufhaltet. Das ist eine Kombination, die eine einmalige Energie hervorruft, denn das Wasser ist reflektierend, und folglich verhält sich die Energie tatsächlich ähnlich. 38 An dieser Stelle war gar nicht vorstellbar, dass der Titicacasee zum "bedrohten See des Jahres 2012" erklärt worden ist und dass Umweltschutzorganisationen das Einleiten von ungefiltertem Klärschlamm aus den Städten und Dörfern und von ungereinigten giftigen Abwässern aus illegalen Minen anprangern. S.a.: http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2012-08. 33 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 "Heute ist es eine die Vergangenheit reflektierende Energie, sie reflektiert die Geschichte, und sie reflektiert euch und die Rolle, die ihr möglicherweise an diesem Ort gespielt habt, an dem ihr euch augenblicklich befindet..."39 Ich selbst habe die Situation wie durch einen Filter erlebt; meinem Körper ging es überhaupt nicht gut, und ich hatte nur das Bedürfnis zu schlafen zu. Doch manchmal wirken Energien ja auch auf anderen Ebenen… Schließlich tauchte das Schnellboot am Horizont auf. Der Inhaber der Reiseagentur war mitgekommen, um sich selbst ein Bild zu machen, doch zu seinem Erstaunen fand er uns völlig unaufgeregt vor. Alle halfen sich umsichtig beim Umsteigen und Versorgen des Gepäcks, und mit dem havarierten Boot am Schleppseil konnte die Weiterreise fortgesetzt werden. Bei der Alternative, entweder unterwegs das ausgefallene Mittagessen provisorisch und mit neuer Wartezeit nachzuholen oder unsere Bestellung jetzt an unser Hotel zu geben, so dass alles bei unserer Ankunft fertig sei, wählten wir die zweite Lösung - natürlich als ersten Gang eine heiße Quinoa-Suppe. Für das für diesen letzten Tag unserer Reise geplante festliche Abschiedsdinner, das sich quasi anschloss, hatten wir nur noch wenig Appetit. Wir waren nach dem langen Tag noch so mit unserem "Ankommen" beschäftigt, dass der Gedanke an Abschied gar nicht aufkam. Meine medial begabte Heilpraktikerin hatte mir geraten, um den 21.12. herum alles zu tun, damit das Blut möglichst dünnflüssig sei und die ungeheure einströmende Energie gut verteilt werden könne, und plötzlich erinnerte ich mich, dass ja auch Alkohol das Blut verdünnt. So habe ich leider erst an diesem Abend Pisco Sour entdeckt, das peruanische/südamerikanische Nationalgetränk, ein köstlicher leichter Aperitif aus klarem Traubenschnaps mit Limetten und gestanztem Eis. Bei meiner nächsten Reise werde ich bestimmt schon am ersten Tag prophylaktisch mit dieser Blutverdünnung beginnen! 39 http://www.ila-concept.de/Kryon_Der_Schoepfungszeitplan.pdf 34 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Am anderen Morgen trennten sich unsere Wege wieder. Einige waren schon sehr früh mit dem Taxi zum Flughafen gefahren, andere blieben noch im Hotel (Das werde ich beim nächsten Mal auch tun.), und alle übrigen fuhren um 8.30 Uhr mit dem Bus zum Flughafen nach Juliaca, von wo sie am späten Vormittag mit verschiedenen Gesellschaften zurück nach Lima flogen. Es war der 23. Dezember, die Flughafenmitarbeiter/innen trugen Nikolausmützen, und auf der kleinen Startbahn war der Weihnachtsmann persönlich im Einsatz. In der Wartehalle tanzten spontan einige aus unserer Gruppe und andere Fluggäste zur Musik einer peruanischen Musikgruppe. Nach der Landung in Lima bin ich noch einmal einigen bei der Gepäckausgabe begegnet, später zufällig noch einmal im Hotel, und dann erfuhren alle Freunde auf Facebook, dass wir wieder gut daheim angekommen waren40. "Tupananchiscama - bis ich dich wiedersehe", sagen die Menschen in den Anden. Was werden wir wohl erlebt haben, wenn wir uns in 26.000 Jahren wiedersehen? Karla Engemann www.klang-weg.de [email protected] 40 Dank Facebook war es mir möglich, einige Fotos zu übernehmen, die einfach besser waren. Ich danke Michelle, Henri, Lee, Salinna und Tatjana für ihre Erlaubnis. 35 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012