Handout: Neuropsychologische Grundlagen von

Werbung
Julius – Maximilians - Universität Würzburg
Philosophische Fakultät II
Allgemeine Psychologie II
Seminar: Volition und Selbstkontrolle
Leitung: Lisa Schubert
WS 2012/2013
AUSARBEITUNG
NEUROPSYCHOLOGISCHE GRUNDLAGEN
VON SELBSTKONTROLLE
(Referat am 13.11.2012)
Referentinnen
Lea Heutehaus
Eva Riechelmann
1. Thematische Zusammenfassung
Zu Beginn der Sitzung, die die Klärung der neuropsychologischen Grundlagen von
Selbstkontrolle zum Thema hat, wurden die neuroanatomischen Kenntnisse, die die
Teilnehmer
bereits
aus
anderen
Veranstaltungen
haben,
wiederholt.
Als
Ausgangsbasis für das Referat sollten die Teilnehmer wieder im Gedächtnis haben,
dass sich das menschliche Gehirn in vier Gehirnlappen einteilen lässt, die jeweils mit
spezifischen Funktionen verknüpft sind, nämlich okzipital die Sehfunktion, parietal die
Somatosensorik und der Schmerz, temporal die Hörfunktion und frontal die
Assoziationsfunktion sowie die exekutiven Funktionen.
Im Anschluss an den interaktiven Teil zeigten wir den Teilnehmern ein Video über
Phineas
Gage,
der
Mann,
der
im
19.
Jahrhundert
als
Folge
eines
Frontalhirnschadens eine deutliche Wesensveränderung durchlebt hatte. Unser Ziel
war es,
dass die
Teilnehmer Wesensveränderungen
wie
Respektlosigkeit,
Impulsivität und Unzuverlässigkeit mit mangelnder Selbstkontrolle in Verbindung
bringen und auf Grund des vorhandenen Schadens bei Phineas Gage darauf
schließen können, dass die Selbstkontrolle im frontalen Kortex liegt.
Im nächsten Schritt wurde anhand einer fMRT-Studie von Kühn, Haggard und Brass
(2008) gezeigt, wie das Konstrukt der Selbstkontrolle experimentell nachgewiesen
und gemessen worden ist. Während in früheren Studien schon gezeigt werden
konnte, dass bei der Hemmung von neurologischen Prozessen, die die geformte
Intention in eine Aktion übersetzen, der dorsale frontomediale Cortex (dFMC) aktiv ist
(Brass & Haggard, 2007), zeigte die vorliegende zunächst auf, welche Problematik
bei oben erwähnter Studie aufgetreten ist, nämlich dass Selbstkontrolle ein
innerlicher und
endogener Prozess ist,
der bisher nicht zufriedenstellend
experimentell manipuliert werden konnte, da der Zeitpunkt der Entscheidung der
Versuchsperson zwischen Hemmung und Aktion nicht bestimmt werden konnte. In
einer verbesserten Versuchsanordnung von Kühn et al. (2008) besteht die Aufgabe
der Versuchsperson darin, auf eine Kugel, die per Knopfdruck virtuell auf dem
Bildschirm eine Rampe herunter rollt, mit bestimmten Verhaltensmustern zu
reagieren, wobei drei verschiedene Bedingungen unterschieden werden. Bedingung
eins, die grüne-Kugel-Bedingung dient dabei dem psychologischen Zweck der
Aufmerksamkeitssicherung, sodass die Versuchsperson wachsam bleibt. In der
weißen-Kugel-Bedingung wird die Ausübung von Selbstkontrolle verlangt, indem der
Versuchsperson die Entscheidung frei überlassen ist, den Fall der Kugel intuitiv zu
stoppen oder ebendiese Intuition zu hemmen und die Kugel fallen zu lassen.
Möglichst erst am Ende der Rampe soll sich die Versuchsperson für eine der beiden
Alternativen entscheiden und anschließend ein Urteil darüber abgeben, an welchem
Ort sich die Kugel befunden hat, als sie die Entscheidung gefällt hat und wie sicher
sie sich bei dem Ortsurteil ist. Durch diese beiden Urteile können Trials aus der
Bewertung herausgenommen werden, bei denen die Teilnehmer des Experiments
sich schon sehr früh für eine der beiden Alternativen entschieden und somit keine
Selbstkontrolle angewandt haben. Eine dritte Bedingung dient der Kontrolle darüber,
ob die Versuchspersonen auch in der Lage sind, den Zeitpunkt ihrer Entscheidung
korrekt zu lokalisieren, indem der Ort bestimmt werden muss, an welchem die die
Rampe herunter rollende, rote Kugel für einen kurzen Moment gelb aufleuchtet.
Kontrastiert man die fMRT-Daten der beiden Entscheidungssituationen in der weißen
Bedingung, so zeigt der dFMC in der Bedingung, in welcher die intentionale Aktion
gehemmt, also Selbstkontrolle angewandt worden ist, eine erhöhte Aktivität, woraus
die Autoren folgern, dass in diesem Areal nicht die Entscheidung, zu handeln oder
die Handlung zu hemmen, gefällt werden kann, sondern die willentliche Hemmung
lokalisiert werden muss.
Um die neuronalen Grundlagen der Selbstkontrolle noch anschaulicher zu machen
und einen Praxisbezug herzustellen, wurden den Teilnehmern nun drei auf Studien
basierende Anwendungsbeispiele gezeigt.
Betrachtet man Sucht im Zusammenhang mit Selbstkontrolle, so kann man sehr gut
die
neuronalen
Funktionen
lokalisieren,
denn
wenn
kokainsüchtige
Versuchspersonen dazu aufgefordert werden, ihr Verlangen nach der Droge, das
sogenannte „Craving“ zu unterdrücken, kommt es im präfrontalen Kortex zu einer
erhöhten Aktivität. Im Gegensatz dazu nimmt die Aktivität im Nucleus Accumbens ab.
Dies lässt sich dadurch erklären, dass der Nucleus Accumbens mit einem
Belohnungsverhalten assoziiert ist und bei Süchten eine tragende Rolle spielt. Die
erhöhte präfrontale und Aktivität weißt auf erhöhte Selbstkontrolle hin und liefert
dadurch einen empirischen neuronalen Beweis für den Sitz der Selbstkontrolle im
präfrontalen Kortex.
Das zweite Beispiel machte anschaulich, wie Selbstkontrolle in bestimmten
Situationen unbewusst unterdrückt wird. Bei Versuchspersonen, die Diät gehalten
und sie durch ein hochkalorisches Getränk (Milchshake) gebrochen hatten, war zu
erkennen, dass sie nach der Aufnahme des Milchshake weiter vermehrt
hochkalorisches Essen in Form von Eiscreme zu sich nahmen. Im fMRT war
daraufhin eine verminderte Aktivität des präfrontalen Kortex zu erkennen. Dies ist
darauf zurückzuführen, dass der starke Hinweisreiz in Form des Milchshake die
Selbstkontrolle unterdrückt und somit auch die Aktivität im präfrontalen Kortex
vermindert ist. Bei Versuchspersonen, die vor dem Milchshake normal gegessen
hatten, kam es nicht zu diesem Effekt.
Als drittes Beispiel wurde der Bezug zu Emotionen hergestellt. Dass Stress
Selbstkontrolle vermindert und zu unüberlegtem Verhalten führt, ist ein bekanntes
Phänomen. Bei gesunden Personen und moderatem Stress gibt es eine
funktionierende Verbindung zwischen der Amygdala und dem präfrontalen Kortex.
Die Amygdala gehört zum limbischen System und ist für die negative Einfärbung von
Emotionen wie Angst zuständig. Eine erfolgreiche Verbindung zwischen PFC und
Amygdala sieht so aus, dass die Amygdala durch den lateralen präfrontalen Kortex
reguliert ist (top down) und somit die negativen Emotionen nicht überhand nehmen.
Bei starkem Stress oder psychischen Erkrankungen wie Boderline oder Major
Depressionen ist die Verbindung zwischen Amygdala und präfrontalem Kortex
gestört, die negativen Emotionen nehmen vermehrt zu und schwächen die
Selbstkontrolle ab. Erkennbar ist dies durch verminderte Stoffwechselaktivität
zwischen dem PFC und der Amygdala.
2. Reflexion
Um das neuroanatomische Wissen der Teilnehmer aufzufrischen, haben wir ein Quiz
im Stil von "Wer wird Millionär" veranstaltet. In zwei Teams mussten zehn Fragen mit
jeweils vier Antwortalternativen immer im Wechsel zunächst von der einen und dann
von der anderen Gruppe zuerst beantwortet werden. Da fast alle Fragen in der
Gruppe richtig beantwortet worden sind, könnte man darüber nachdenken, ob bei
einer ähnlichen Methode der Schwierigkeitsgrad der Fragen angehoben wird.
Andererseits sollte das Quiz ja bereits vorhandenes Wissen auffrischen, sodass eine
hohe Antwortrichtigkeit davon zeugt, dass der Wissensstand des Kurses sehr hoch
ist und wir als Referenten auf eine solide Basis in unseren Erklärungen zurückgreifen
und Fachtermini als bekannt voraussetzen können.
Das anschließend gezeigte Video über Phineas Gage sollte erneut das Interesse der
Teilnehmer wecken und durch den Medienwechsel zu erhöhter Abwechslung im
Vortrag führen. Phineas Gage wurde im Verlauf des Studiums schon thematisiert und
somit wollten wir hier den Teilnehmern durch das bekannte Thema die Möglichkeit
zur Mitarbeit geben.
Die für den Kurs neuen Fakten zu neuropsychologischen Grundlagen von
Selbstkontrolle vermittelten wir in einer klassischen, freien Vortragsweise durch uns
Referenten, die visuell durch Schlagwörter, Stichpunkte und Graphiken in Form einer
Power-Point-Präsentation unterstützt worden ist. Die Vortragsweise war offen und die
Beispiele wurden anschaulich erklärt, so dass die Teilnehmer die Möglichkeit hatten
die neuen Kenntnisse nachzuvollziehen. Die Aufforderung, Fragen zu stellen wurde
vermehrt gegeben. Unsere „Take-home-message“ war es, dass die Teilnehmer nach
unserem Vortrag behalten, dass sich die Regulation der Selbstkontrolle im PFC
abspielt und dies im Zusammenhang mit verschiedenen Situationen, wie Sucht und
Emotion, gezeigt worden ist.
Unseren Abschluss bildeten wir durch eine Diskussion über den freien Willen, die wir
durch zwei verschiedene Zeitungstexte über Podiumsdiskussionen zu diesem Thema
einleiteten. Die Texte sollten nur als Anstoß dienen und keineswegs die Meinung der
Teilnehmer beeinflussen. Im Nachhinein hätten wir diese teilweise ein wenig kürzen
können, damit mehr Zeit für die Diskussion vorhanden gewesen wäre. Während der
Diskussion fungierten wir als Moderatoren und griffen wichtige Punkte auf und
wiederholten diese. Aus zeitlichen Gründen mussten wir die Diskussion zum Ende
hin abbrechen, was jedoch nicht am Zeitmanagement, sondern an der regen
Teilnahme lag.
Insgesamt sind wir sowohl mit dem Zeitmanagement also auch mit den eingesetzten
Methoden sehr zufrieden, da die Themenblöcke jeweils eine Dauer hatten, die für die
Zuhörer angenehm war, sodass sie den Inhalten gut folgen und die wichtigsten
Botschaften im Gedächtnis behalten konnten. Besonders hervorzuheben ist die
enorme Diskussionsbereitschaft und -fähigkeit des Kurses, die einen nicht
unwesentlichen Teil zum Gelingen des Referates beigetragen hat. Die Mitarbeit war
während des gesamten Vortrages vorhanden und durch das Interesse und die
Möglichkeit sich selbst einzubringen denken wir, dass die Take-home-message
verstanden wurde und den Teilnehmern auch noch nach gegebener Zeit präsent ist.
LITERATURVERZEICHNIS

Brass, M., Haggard, P. (2007). To do or not to do: The neural signature to selfcontrol. J Neurosci, 27, 9141-9145. doi:10.1523/JNEUROSCI.0924-07.2007

Kühn, S., Haggard, P., & Brass, M. (2008). Intentional inhibition: How the
"veto-area"
exerts
control.
Human
Brain
Mapp,
30,
2834-2843.
doi:10.1002/hbm.20711

Todd F. Heatherton & Dylan D. Wagner (2011). Cognitive neuroscience of
self-regulation
failure.
Trends
Cogn
Sci.
15(3),
132-139.
doi:10.1016/j.tics.2010.12.005

http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/gesundheit/der-freie-wille-ist-eineillusion/357466.html

http://www.sueddeutsche.de/kultur/rechtsprechung-ohne-freien-willen-diegedanken-sind-freiwild-1.416974

http://www.youtube.com/watch?v=MvpIRN9D4D4
Hiermit erklären wir, dass wir die Ausarbeitung eigenständig und nur unter
Benutzung der im Quellenverzeichnis angegeben Literatur verfasst haben.
Würzburg, 19.11.2012
Lea Heutehaus
Eva Riechelmann
Herunterladen