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Dr. Helmut Gross
12.03.2014
Nachschrift zum Vortrag von Jan Techau über „Europäische Außenpolitik und die Zukunft
der EU“ am 07.03.2014 im Rathaus Vechta
Der Vortrag fand als 10. Rathausgespräch in Zusammenarbeit von Stadt Vechta und dem
Kreisverband Vechta der überparteilichen Europa-Union Deutschland statt. Jan Techau ist
Direktor der Brüsseler Dependance der Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden. Diese
Stiftung ist regierungsunabhängig, wurde von dem Stahlmagnaten Andrew Carnegie 1910
gegründet, hat ihren Sitz in Washington und unterhält Dependancen mit sachkundigen
Ortskräften in wichtigen Hauptstädten der Welt.
Der Referent erwies sich als kenntnisreicher und scharfsichtiger Analytiker von gegenwärtigen Konfliktzonen, nicht nur in Europa und seiner Umgebung, sondern auch bei einigen
Ausgriffen nach Afrika, den Nahen Osten und nach Fernost. Aktuell sind für Europa jetzt aber
die Turbulenzen in der Ukraine wichtig, weshalb er den Schwerpunkt seiner Ausführungen
auf sie legte - mit klaren Aussagen, nicht diplomatisch verbrämt.
Russland interveniert nun in der Ukraine in gleicher Weise, wie es 2008 in Südossetien interveniert hat. Damals wurde Georgien eine Lektion erteilt, jetzt trifft es die Ukraine. Inhalt
der Lektionen ist: Nach der Verselbständigung der drei baltischen Länder und der Umwendung der zur Sowjetzeit sogenannten Satellitenstaaten Polen, Tschechoslowakei, Ungarn,
Rumänien und Bulgarien zu Westeuropa duldet Russland keine weitere Abkehr von ihm an
seinen Grenzen. Dabei sieht Präsident Putin nicht, dass alle Bewohner der Halbinsel Krim
und des Donezk-Beckens, gleich welcher Ethnie sie angehören, seit 1991 ukrainische Staatsbürger sind. Sondern er sieht die dortige Mehrheit der Russischstämmigen als Russen und
hetzt sie gegen die Zentralregierung in Kiew auf. Mit militärischer und paramilitärischer
Einschüchterung und unter Bruch des Völkerrechts werden so Unruhe und Aufstand geschürt und wird die Rückgliederung der Krim an Russland betrieben.
Sowohl Deutschland als einzelnes Land wie die ganze EU und die übrige westliche Welt,
insbesondere die USA, müssen darauf reagieren – aber nicht so stark, dass daraus unkontrollierbare Eskalationen entstehen. Der Westen steht für freiheitliche Lebensweise und für
wirtschaftlichen Erfolg. Russland dagegen ist wirtschaftlich marode. Es hat keine konkurrenzfähige Industrieproduktion, sondern lebt wirtschaftlich vor allem durch den Export von Energie (Erdöl und Erdgas) und anderen Rohstoffen, z.B. von Holz. Die USA wollen und kön-nen
nicht mehr uneingeschränkt Weltpolizist spielen, denn sie sind wirtschaftlich und durch
innenpolitischen Zwist geschwächt.
Autokratien sind, kurzfristig gesehen, durch politische Willkürakte politisch schlagkräftiger
als Demokratien, denn sie können den Volkswillen manipulieren, und sie tun dies auch.
Langfristig ist der Westen aber stärker, denn die unterschiedlichen Lebensverhältnisse hier
Und dort (offene versus manipulierte Verhältnisse, Rechtsgleichheit und breite wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten bei sozialpolitischer Absicherung versus Oligarchenherrschaft, Korruption und Vetternwirtschaft) wirken sich aus. Die politische und wirtschaftliche
Unterstützung der Ukraine durch westliche Staaten und die EU geschieht nicht zu ihrer Manipulation, sondern dazu, dass ihre Bürger in freier Abstimmung entscheiden können, in welche Richtung ihr Land in Zukunft gehen soll.
Neben Fragen der EU-Außenpolitik sprach der Referent auch über solche der EU. Ihre
Parlamentswahl sollte in allen 28 Mitgliedsstaaten am gleichen Tag stattfinden, mit europäischen, nicht nationalen Parteien. Ihre Innenpolitik sollte einheitlich sein und sollte die
Bürger stärker mitnehmen. Wichtig ist, dass bei ihnen die großen politischen Linien und nicht
nur die kleinen und kleinsten Detailregelungen ankommen. Diese, die von den Bürgern zunehmend als Bevormundungen empfunden werden, sollten nach dem Prinzip der Subsidiarität dezentral erfolgen. Die Einzelstaaten bestehen ja weiter und behalten ihre Aufgaben.
Und den Regionen, auch grenzüberschreitenden Euregios, wachsen sinnvolle neue Entwicklungsaufgaben zu.
Heimische Politiker und nationale Medien verdeutlichen die europäischen Ziele zu wenig
und tragen damit zur Vorstellung vom „Bürokratie-Monstrum Brüssel“ bei. Dadurch wird
Missempfinden in der Bevölkerung ausgelöst, und das hat Europamüdigkeit sowie das Entstehen anti-europäischer Stimmungen sowie national ausgerichteter Parteien in vielen Mitgliedsstaaten bewirkt, auch in Deutschland. Bei uns bleibt nun abzuwarten, wie sich das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass für Europawahlen nach der 5 %-Klausel nun auch
die 3 %-Klausel unzulässig ist, auf das Wahlergebnis am 25.5. auswirken wird.
Insgesamt rät Jan Techau unserem Land zu weniger moralischem und juristischem und zu
mehr nüchtern abwägendem politischem Denken und Handeln. Dazu gehören nicht zuletzt
geopolitische und geostrategische Analysen, um die großen internationalen Konfliktfelder
nach Herkunft, Entwicklung, Andauern und Lösungsmöglichkeiten besser einschätzen zu
können. Die EU hat eine wichtige außenpolitische Rolle in der Welt, noch immer weniger
durch politische Macht, weil die Einzelstaaten auf ihrer nationalen Zuständigkeit dafür
beharren, sondern durch ihre Gesellschaftsverhältnisse, ihre Freizügigkeit und Rechtssicherheit und vor allem durch ihre Wirtschaftskraft.
China steht in der Krise um die Ukraine auf Seiten des Westens, nicht der von Russland wie
etwa bei Syrien. Grund ist, dass es viele wichtige Rüstungsgüter aus der Ukraine bezieht.
Deutschlands Handelsvolumen mit Russland beträgt nur 4 %, das ist nicht viel. Aber ein russisches Zudrehen des Gashahns könnte sich bei uns doch bemerkbar machen.
Die amerikanischen Krimiautoren Tom Clancy und Mark Greany haben in ihrem Thriller
„Command Authority“ von 2013 neben anderen von Russland veranlassten Krisen in der Gegenwart auch den Versuch einer Abspaltung der Halbinsel Krim von der Ukraine beschrieben- ähnlich wie er jetzt Wirklichkeit geworden ist. Ich füge die Rezension aus dem Feuilleton
der FAZ vom 7.3. hinzu, die Techau erwähnte und die mir mein Kollege Kürschner freundlicherweise herausgesucht hat.
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