Text und Begründung - beim Kanton Aargau

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GROSSER RAT
WORTPROTOKOLL
52. Sitzung vom 24. März 2015 von 10.00 Uhr bis 12.30 Uhr (Art. 0791-0819)
Vorsitzender:
Dr. Markus Dieth, Wettingen
Protokollführung:
Rahel Ommerli-Peyer, Ratssekretärin
Präsenz:
Anwesend 131 Mitglieder
Abwesend mit Entschuldigung 9 Mitglieder
Entschuldigt abwesend: Adrian Ackermann, Kaisten; Marco Beng,
Berikon; Jürg Caflisch, Baden; Walter Deppeler, Tegerfelden; Esther
Gebhard-Schöni, Möriken-Wildegg; Thomas Inniger, Hägglingen;
Martin Keller, Obersiggenthal; Marlène Koller, Untersiggenthal; Milly
Stöckli, Muri
Die Protokolle der 39. bis 47. Sitzung wurden vom Büro genehmigt.
Behandelte Traktanden
Seite
0791 Mitteilungen
2223
0792 Markus Lang, GLP, Brugg-Umiken (Anstelle von Adriaan Kerkhoven, Brugg); Inpflichtnahme
als Mitglied des Grossen Rats
2224
0793 Neueingänge
2224
0794 Motion Pascal Furer, SVP, Staufen, vom 24. März 2015 betreffend Übertrittsverfahren an der
Volksschule; Einreichung und schriftliche Begründung
2224
0795 Motion Marlise Spörri, SVP, Wohlen (Sprecherin), und René Bodmer, SVP, Arni, vom
März 2015 betreffend Änderung des Sozialhilfe- und Präventionsgesetzes (SPG) ;
Einreichung und schriftliche Begründung
2225
24.
0796 Postulat der SP-Fraktion (Sprecherin Viviane Hösli, Zofingen) vom 24. März 2015 betreffend
Weiterbildungsoffensive während Kurzarbeitsperiode im Kanton Aargau, insbesondere für
Arbeitnehmende, welche stark gefährdet sind, arbeitslos zu werden; Einreichung und
schriftliche Begründung
2226
0797 Postulat Viviane Hösli, SP, Zofingen, und Irène Kälin, Grüne, Lenzburg, vom 24. März 2015
betreffend Auswirkungen des Entscheides der Schweizerischen Nationalbank (SNB) auf die
Aargauer Volkswirtschaft den Mindestumwandlungskurs aufzugeben; Einreichung und
schriftliche Begründung
2226
0798 Interpellation der SP-Fraktion (Sprecher Dieter Egli, Windisch) vom 24. März 2015 betreffend
finanzielle Effekte von Änderungen des Steuergesetzes in den bisherigen Jahren und in den
kommenden Planjahren; Einreichung und schriftliche Begründung
2227
2220
0799 Interpellation der SP-Fraktion (Sprecherin Viviane Hösli, Zofingen) vom 24. März 2015
betreffend Lohndruck im Kanton Aargau aufgrund des Entscheides der Schweizerischen
Nationalbank (SNB) zum Umwandlungskurs; Einreichung und schriftliche Begründung
2228
0800 Interpellation Roland Agustoni, GLP, Rheinfelden, Roland Basler, BDP, Oftringen, Esther
Gebhard-Schöni, EVP, Möriken-Wildegg, Marco Hardmeier, SP, Aarau, Sander Mallien, GLP,
Baden, Herbert H. Scholl, FDP, Zofingen (Sprecher), und Andreas Senn, CVP, Würenlingen,
vom 24. März 2015 betreffend behindertengerechtes Bauen; Einreichung und schriftliche
Begründung
2229
0801 Interpellation Regula Bachmann-Steiner, CVP, Magden, vom 24. März 2015 betreffend
Sicherstellung der Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben bei Grossanlässen; Einreichung und
schriftliche Begründung
2230
0802 Interpellation Regula Bachmann-Steiner, CVP, Magden, vom 24. März 2015 betreffend
Gewässerrevitalisierungen; Einreichung und schriftliche Begründung
2231
0803 Interpellation René Bodmer, SVP, Arni, vom 24. März 2015 betreffend Probleme an Aargauer
Schulen, welche durch nicht integrationswillige und/oder integrationsfähige Knaben und
Jugendliche aus dem Balkan hervorgerufen werden; Einreichung und schriftliche Begründung
2232
0804 Interpellation Thomas Burgherr, SVP, Wiliberg, vom 24. März 2015 betreffend Entwicklung der
Arbeitsverhältnisse der kantonalen Staatsangestellten; Einreichung und schriftliche
Begründung
2233
0805 Interpellation Viviane Hösli, SP, Zofingen, vom 24. März 2015 betreffend Vereinbarung über
die Anstellungsbedingungen der Bankangestellten (VAB) für Angestellte der Aargauischen
Kantonalbank (AKB) ; Einreichung und schriftliche Begründung
2234
0806 Interpellation Maja Riniker, FDP, Suhr, vom 24. März 2015 betreffend Zusatzaufwand durch die
Erstellung von Statistiken an den Familiengerichten im Zusammenhang mit dem Kindes- und
Erwachsenenschutzrecht (KESR) ; Einreichung und schriftliche Begründung
2235
0807 Interpellation Stefan Haller, BDP, Dottikon, vom 9. Dezember 2014 betreffend Ausschluss der
Schweiz aus dem Market Coupling; Beantwortung; Erledigung
2236
0808 Zur Traktandenliste
2238
0809 Dieter Felber, Aarau, Fachrichter am Handelsgericht; Inpflichtnahme
2238
0810 Einbürgerungen 2015; 1. Serie; Kenntnisnahme
2238
0811 Interpellation Sabina Freiermuth-Salz, FDP, Zofingen, und Herbert H. Scholl, FDP, Zofingen
(Sprecher), vom 25. November 2014 betreffend geplantes Asylzentrum im alten
Pflegezentrum des Spitals Zofingen; Beantwortung und Erledigung
2239
0812 Interpellation Dr. Martina Sigg, FDP, Schinznach, Clemens Hochreuter, SVP, Aarau, Theres
Lepori, CVP, Berikon, und Lilian Studer, EVP, Wettingen, vom 2. Dezember 2014 betreffend
Situation der Palliative Care im Aargau; Beantwortung und Erledigung
2243
0813 Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (KESR); Einführungsgesetz zum Schweizerischen
Zivilgesetzbuch und Partnerschaftsgesetz (EG ZGB); Änderung; Einführungsgesetz zur
Schweizerischen Zivilprozessordnung; (EG ZPO); Änderung; Bericht und Entwurf zur 1.
Beratung; Eintreten, Detailberatung und Gesamtabstimmung
2249
0814 Postulat der BDP-Fraktion (Sprecherin Maya Bally Frehner, Hendschiken), vom 4. November
2014 betreffend Kostenverteiler bei fürsorgerischen Massnahmen; Überweisung an den
Regierungsrat
2253
0815 Motion Matthias Jauslin, FDP, Wohlen (Sprecher), Richard Plüss, SVP, Lupfig, und Andreas
Senn, CVP, Würenlingen, vom 25. November 2014 betreffend Änderung des Initiativrechts in
§ 64 der Aargauischen Kantonsverfassung; Ablehnung
2259
0816 Interpellation Theres Lepori, CVP, Berikon, vom 25. November 2014 betreffend finanzielle
Auswirkungen auf die Staatsrechnung (Steuerzahler) des Kantons Aargau nach
Ausschreitungen und Krawallen im Zusammenhang mit Fussballspielen; Beantwortung und
Erledigung
2265
2221
0817 Motion der GLP- und SP-Fraktionen (Sprecherin Barbara Portmann-Müller, Lenzburg) vom 25.
November 2014 betreffend Veröffentlichung von Regierungsratsbeschlüssen; Rückzug
2269
0818 Kantonsschule Wettingen; Ergänzung der Sportinfrastruktur; Verpflichtungskredit;
Beschlussfassung
2273
0819 Interpellation Beatrice Beck-Matti, SP, Schafisheim, Elisabeth Burgener, SP, Gipf-Oberfrick
(Sprecherin), Dr. Jürg Knuchel, SP, Aarau, Dr. Martina Sigg, FDP, Schinznach, und Lilian
Studer, EVP, Wettingen, vom 2. Dezember 2014 betreffend ambulante Angebote im
Behindertenbereich; Beantwortung und Erledigung
2282
2222
0791 Mitteilungen
Vorsitzender: Ich begrüsse Sie zur 52. Sitzung der Legislaturperiode 2013/2016.
Vielleicht haben Sie beim Betreten des Grossratsgebäudes die St. Galler-Fahne am Ratsgebäude
entdeckt. Dies darum, weil wir heute Nachmittag die Ratsleitung des Kantons St. Gallen als Gäste
begrüssen dürfen.
Ich habe Sie über den Hinschied von zwei ehemaligen Ratskollegen in Kenntnis zu setzen:
Herr Ueli Kohler, Baden, ist am 3. März 2015 verstorben. Viele von Ihnen haben Ueli Kohler noch
persönlich gekannt. Er gehörte dem Grossen Rat von 1997 bis 2009 als Mitglied der SVP-Fraktion
an. Er wirkte unter anderem in der Justizkommission, der Begnadigungskommission und der Geschäftsprüfungskommission mit.
Am 5. März 2015 verstarb Dr. Urs Schwarz, Zofingen. Er gehörte dem Grossen Rat von 1965 bis
1972 an und war Mitglied der FDP-Fraktion. Er war Präsident der Spezialkommission zur "Änderung
des Gesetzes über die direkten Staats- und Gemeindesteuern" und unter anderem Mitglied der
Kommission zur Prüfung des Geschäftsberichts der Kantonalbank.
Den Trauerfamilien haben wir unser Beileid bekundet. Den Verstorbenen werden wir ein ehrendes
Andenken bewahren.
Ich darf heute zu einem besonderen Ereignis gratulieren. Unser Ratskollege Clemens Hochreuter ist
am 18. März zum zweiten Mal Vater geworden. Wir gratulieren herzlich zur Geburt von David Noël
und wünschen der jungen Familie alles Gute. Im Namen der Ratsleitung habe ich ein kleines Präsent
auf seinem Platz deponieren lassen. Ich wünsche Ihnen viel Freude.
Regierungsrätliche Vernehmlassung an Bundesbehörden:
1. Parlamentarische Initiative. Klarstellung der langjährigen Praxis beim Meldeverfahren bei der
Verrechnungssteuer; Vernehmlassung zuhanden der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom
5. März 2015
2. Parlamentarische Initiative; Aufhebung der zolltariflichen Begünstigung der Importe von gewürztem Fleisch; Vernehmlassung zuhanden der Oberzolldirektion vom 5. März 2015
3. Revision der Verordnung des EFD über die Behandlung von Erlassgesuchen für die direkte Bundessteuer (Steuererlassverordnung); Vernehmlassung zuhanden der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 5. März 2015
4. Verordnungsanpassung aufgrund von Neuerungen im Zusammenhang mit dem Dublin/EurodacBesitzstand; Vernehmlassung zuhanden des Staatssekretariats für Migration vom 5. März 2015
5. Nationale Strategie Antibiotikaresistenzen (STAR); Vernehmlassung zuhanden des Bundesamts
für Gesundheit vom 5. März 2015
6. Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht); Vernehmlassung zuhanden des Bundesamts für
Justiz vom 10. März 2015
7. Verordnungen zu einer Änderung des Strassentransportunternehmens- und des Verkehrsstrafrechts; Vernehmlassung zuhanden des Bundesamts für Verkehr vom 12. März 2015
8. Änderung der Jagdverordnung (JSV); Vernehmlassung zuhanden des Bundesamts für Umwelt
vom 12. März 2015
9. Strategie Stromnetze; Vernehmlassung zuhanden des Bundesamts für Energie vom 12. März
2015
10. Änderung der Verordnung zum Konsumkreditgesetz (Anpassung des Höchstzinssatzes); Vernehmlassung zuhanden des Bundesamts für Justiz vom 19. März 2015
11. Parlamentarische Initiative. Aufhebung von Artikel 293 StGB; Vernehmlassung zuhanden des
Bundesamts für Justiz vom 19. März 2015
24. März 2015
Art.-Nr. 0791
2223
12. Totalrevision der Verordnung über Gebühren und Entschädigungen im Enteignungsverfahren;
Vernehmlassung zuhanden des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
vom 19. März 2015
Die Staatskanzlei stellt auf Verlangen die Vernehmlassungen samt den Unterlagen des Bundes zur
Verfügung. Die Vernehmlassungen können auch im Internet (www.ag.ch) abgerufen werden.
0792 Markus Lang, GLP, Brugg-Umiken (Anstelle von Adriaan Kerkhoven, Brugg); Inpflichtnahme als Mitglied des Grossen Rats
Vom Grossen Rat wird gemäss § 5 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) folgendes neues Ratsmitglied in Pflicht genommen:
-
Markus Lang, GLP, Brugg-Umiken (anstelle von Adriaan Kerkhoven, Brugg)
0793 Neueingänge
Massnahmen zur Sicherstellung genügender Asylunterkünfte; Gesetz über die öffentliche Sozialhilfe
und die soziale Prävention (Sozialhilfe- und Präventionsgesetz, SPG); Änderung; Bericht und Entwurf zur 2. Beratung (Zuweisung: Kommission für Gesundheit und Sozialwesen)
0794 Motion Pascal Furer, SVP, Staufen, vom 24. März 2015 betreffend Übertrittsverfahren an
der Volksschule; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Pascal Furer, SVP, Staufen, und 19 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende Motion
eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird aufgefordert, bei der geplanten Revision der Übertrittsverfahren an der
Volksschule auf folgende Punkte zu verzichten:
•
•
•
•
Abschaffung Übertrittsprüfungen
Umverteilung von Schülern von Bezirksschule an Sekundarschule und von Sekundarschule
an Realschule
Abschaffung der Repetitionsmöglichkeit
Abschaffung Bezirksschulabschlussprüfung
Begründung:
Übertrittsprüfung: Die Übertrittsprüfung ist ein kostengünstiges Korrektiv für Falschzuteilungen durch
Lehrpersonen. Immerhin wird jährlich rund 50 Kindern aufgrund der Prüfung der Eintritt in einen höheren Leistungszug ermöglicht. Die Möglichkeit der Prüfung als Korrektiv erleichtert der zuweisenden
Lehrperson zudem die schwierigen Gespräche mit Eltern. Prüfungsresultate stossen auf bessere
Akzeptanz als die blosse Empfehlung der Lehrperson. Die Abschaffung der Übertrittsprüfung würde
zwangsläufig zu wesentlich mehr Rekursen führen, welche das geringe Einsparpotenzial von 68'000
Franken im Handumdrehen mehr als nur wettmachen würden.
Umverteilung: Gemäss Anhörungsbericht sollen die Anforderungen für die Bezirks- und Sekundarschule mit dem einzigen Zweck erhöht werden, damit mehr Kinder die Realschule besuchen müssen. Der Anteil Bezirks- und Sekundarschüler ist in den letzten bald 40 Jahren (1977–2013) ganz
leicht angestiegen (von 39.37 auf 41.22 bzw. von 36.19 auf 37.02), derjenige der Realschule hingegen von 24.44 auf 21.76 leicht gesunken. Die neue Umverteilungsaktion soll "hin zu ausgewogene24. März 2015
Art.-Nr. 0792-0794
2224
ren Anteilen aller drei Leistungstypen" führen. Dieser Ansatz ist vollkommen falsch und führt zu weniger Leistung, da weniger Kinder die Bildungsziele der höheren Typen erreichen können und müssen. Wenn schon, müssten die Bildungsziele der entsprechenden Stufen erhöht werden, was aber
offenbar nicht vorgesehen – und auch nicht notwendig – ist. Die Realschule ist heute eine Art "Restschule". Dieser Tatsache ist der Grosse Rat mit der Mehrzuteilung von Ressourcen begegnet. So ist
die Durchschnittsklassengrösse in der Real mit 14 Kindern wesentlich kleiner als in der Bezirksschule mit 21. Die Umverteilung von Schülern führt somit bei Beibehaltung der Klassengrössen zu grossen Mehrkosten (ca. 10 Millionen Franken!) bei gleichzeitig vielen frustrierten Schülern, die in zu
tiefen Leistungszügen weniger lernen und weniger Chancen für weitergehende Ausbildungen haben.
Repetitionsmöglichkeit Oberstufe: Eine Einschränkung der Repetitionsmöglichkeit kann sinnvoll sein.
Hingegen soll eine Repetition auf Empfehlung der Lehrperson künftig noch möglich sein. Selbstverständlich ist für uns, dass bei einer Beschwerde der Eltern gegen einen aufgrund Nichterreichens der
Promotion erforderlichen Typenwechsel die aufschiebende Wirkung nicht entzogen werden kann,
wie es der Entwurf vorsieht. Durch den erzwungenen Wechsel hätte das Kind im Falle einer Beschwerdegutheissung keine Chance mehr in der Herkunftsklasse.
Bezirksschulabschlussprüfung: Eine aktuelle Studie der Pädagogischen Hochschule Graubünden
zeigt, dass viele Schüler im letzten Schuljahr ein Motivationsproblem haben. Gemäss 20min.ch sagt
zu diesem Thema Simone Strub vom Bildungsdepartement des Kantons Aargau: "Es ist uns bekannt, dass manche Schülerinnen und Schüler nach der Vertragsunterzeichnung nicht mehr sehr
motiviert sind, für die Schule zu arbeiten". Die Studie schlägt deshalb die Einführung einer Abschlussprüfung vor, wie sie der Kanton Aargau in der Bezirksschule bereits kennt. Dass man in dieser Zeit ausgerechnet die Prüfung im Aargau abschaffen will anstelle zu prüfen, diese auch in den
anderen Leistungszügen einzuführen, muss überdacht werden.
0795 Motion Marlise Spörri, SVP, Wohlen (Sprecherin), und René Bodmer, SVP, Arni, vom
24. März 2015 betreffend Änderung des Sozialhilfe- und Präventionsgesetzes (SPG) ; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Marlise Spörri, SVP, Wohlen, René Bodmer, SVP, Arni, und 34 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende Motion eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird beauftragt, dem Grossen Rat eine Änderung des Sozialhilfe- und Präventionsgesetzes (§ 10 Abs. 1) vorzulegen, mit folgendem Inhalt: "Art und Höhe der materiellen Hilfe regelt der Grosse Rat in einem Dekret."
Begründung:
Die Sozialhilfekosten steigen jährlich und massiv, weshalb die meisten Gemeinden zunehmend Mühe bekunden, ihren Finanzhaushalt ausgeglichen zu gestalten. Rechtschaffene und arbeitsame
Menschen, die nicht von der Sozialhilfe abhängig sind, verlieren das Verständnis für die zunehmenden staatlichen Ausgaben im Bereich der materiellen Hilfe. Schwelleneffekte tragen erschwerend
dazu bei, dass es Personen gibt, welche den Bezug von materieller Hilfe einer geregelten Arbeit
vorziehen. Deshalb ist im Bereich der materiellen Hilfe stärker auf die Ausgaben zu achten und einer
ausufernden Tendenz konsequent entgegen zu treten.
Der Regierungsrat hat in Wahrnehmung der in § 10 Abs. 1 SPG an ihn delegierten Kompetenz die
SKOS-Richtlinien vom 18.9.1997 (mit Änderungen bis 1.7.2004) für anwendbar erklärt. Die Gemeinden müssen sich nach diesen Ansätzen richten. Leider hat es der Regierungsrat verpasst, die Reduktion der SKOS-Richtlinien nachzuvollziehen und die später beschlossenen, tieferen Ansätze der
SKOS (Stand 2005) für anwendbar zu erklären. Weil es sich bei der Festlegung dieser Ansätze um
einen weitgehenden Eingriff in die Finanzen der Gemeinden (und auch des Kantons) sowie einer
24. März 2015
Art.-Nr. 0795
2225
Vielzahl von Einwohnern handelt, soll der Grosse Rat in Zukunft diese Ansätze festlegen. Auf diese
Weise würden die Ansätze demokratisch breiter abgestützt, öffentlich diskutiert und somit besser
legitimiert.
Ob und allenfalls inwieweit die Ansätze interkantonal zu harmonisieren sind, kann der Grosse Rat
beim Erlass des Dekrets entscheiden.
0796 Postulat der SP-Fraktion (Sprecherin Viviane Hösli, Zofingen) vom 24. März 2015 betreffend Weiterbildungsoffensive während Kurzarbeitsperiode im Kanton Aargau, insbesondere
für Arbeitnehmende, welche stark gefährdet sind, arbeitslos zu werden; Einreichung und
schriftliche Begründung
Von der SP-Fraktion wird folgendes Postulat eingereicht:
Text:
Wir fordern den Regierungsrat auf, gemeinsam mit Vertretern aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden nach Lösungen zu suchen, wie eine ähnliche Weiterbildungsoffensive wie 2009 für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die stark gefährdet sind, arbeitslos zu werden, erfolgsversprechend umgesetzt werden kann.
Begründung:
Bereits im zweiten Monat nach Aufhebung des Mindestkurses haben sich die Gesuche um Kurzarbeit im Kanton Aargau verdoppelt und die bei der Amtsstelle Arbeitslosenversicherung eingehenden
Anfragen deuten darauf hin, dass die Anzahl Neuanmeldungen weiter zunehmen wird.
In vergangenen Jahren hat der Kanton Aargau im Rahmen von Konjunkturmassnahmen Finanzhilfen
für Weiterbildungen von betroffenen Arbeitnehmenden gewährt. Die Präventivmassnahmen sollten
dabei insbesondere diejenigen Personen erfassen, welche ohne entsprechende Umschulung oder
Weiterbildung stark gefährdet sind arbeitslos zu werden. Dieses Ziel konnte gemäss Aussage des
Regierungsrats (Antwort auf Motion 11.125 vom Juni 2011) nicht erreicht werden, da insbesondere
Kader- und Fachpersonal die Weiterbildungen in Anspruch genommen hat. Der starke Anstieg von
Arbeitslosigkeit im Alterssegment "50 plus" betrifft aber nicht nur gutausgebildete Fachkräfte, sondern auch niedrigqualifizierte Angestellte. Der überproportionale Anstieg von Sozialhilfefällen im selben Alterssegment lässt darauf schliessen, dass es den Betroffenen nur selten gelingt nach einem
Stellenverlust wieder eine Stelle zu finden. Mit der frühzeitigen Vermittlung von Basiswissen (beispielsweise Deutschkenntnisse mündlich und schriftlich, Grundlagen Informatik etc.) könnte (Langzeit-) Arbeitslosigkeit und anschliessende Sozialhilfe verhindert werden.
0797 Postulat Viviane Hösli, SP, Zofingen, und Irène Kälin, Grüne, Lenzburg, vom 24. März
2015 betreffend Auswirkungen des Entscheides der Schweizerischen Nationalbank (SNB) auf
die Aargauer Volkswirtschaft den Mindestumwandlungskurs aufzugeben; Einreichung und
schriftliche Begründung
Von Viviane Hösli, SP, Zofingen, Irène Kälin, Grüne, Lenzburg, und 21 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgendes Postulat eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird eingeladen, in einem Bericht darzulegen, welche Auswirkungen der Entscheid der SNB, den Mindestumwandlungskurs von 1.20 Franken zum Euro nicht mehr zu stützen,
auf die Volkswirtschaft des Kantons Aargau und die kantonalen Finanzen hat.
24. März 2015
Art.-Nr. 0796-0797
2226
Im Bericht ist aufzuzeigen, welche Branchen im Kanton Aargau vom Entscheid der SNB besonders
betroffen sind. Sodann ist aufzuzeigen, mit welchen Mehrausgaben und Mindereinnahmen für den
Staatshaushalt zu rechnen ist. Der Regierungsrat hat im Bericht darzulegen, welche Massnahmen er
im Rahmen seiner Kompetenzen gedenkt einzuleiten, um die allfälligen negativen Auswirkungen
(Arbeitsplatzabbau in der Exportindustrie, Erhöhung der Arbeitslosenquote, erhöhte Gefahr einer
Immobilienblase etc.) zu minimieren. Ebenso ist aufzuzeigen, welche Auswirkungen der Entscheid
auf das Beschaffungswesen des Kantons Aargau hat und welche Massnahmen die Regierung möglicherweise zu ergreifen gedenkt, um allfällige Nachteile der einheimischen Wirtschaft gegenüber
ausländischen Mitbewerbenden auszugleichen.
Begründung:
Der Entscheid der SNB hat weitreichende Auswirkungen auf die Volkswirtschaft der Schweiz und
insbesondere auf den Kanton Aargau. Bekanntlich ist der Kanton Aargau einer der wichtigsten Wirtschaftsstandorte der Schweiz, insbesondere für die Exportwirtschaft. Auch wenn die Auswirkungen
heute nicht voll absehbar sind, hat der Regierungsrat dazulegen, welche möglichen Szenarien eintreten können. Es besteht ein Interesse zu wissen, wie der Regierungsrat die Lage einschätzt, welche
Risiken er sieht und welche Handlungsspielräume er nutzen will, um die Gefahren für die Aargauische Volkswirtschaft mit all ihren Unternehmungen zu minimieren.
0798 Interpellation der SP-Fraktion (Sprecher Dieter Egli, Windisch) vom 24. März 2015 betreffend finanzielle Effekte von Änderungen des Steuergesetzes in den bisherigen Jahren und in
den kommenden Planjahren; Einreichung und schriftliche Begründung
Von der SP-Fraktion wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Die Ablehnung des Gesetzes zur Umsetzung der Leistungsanalyse sowie verschiedene regierungsrätliche Stellungnahmen angesichts der wegfallenden SNB-Gewinne sowie der schwierigen Wirtschaftsaussichten haben gezeigt, dass die aargauische Finanzpolitik in eine Sackgasse geraten ist.
Der Plan, die unweigerlichen Einnahmenausfälle durch massiven Abbau von staatlichen Leistungen
zu kompensieren, erwies sich als falsch: die Bevölkerung hat demonstriert, dass sie zu solchen Abbaupaketen nicht bereit ist. Der Regierungsrat hat angekündigt, zur Verbesserung der finanziellen
Lage nicht nur die Ausgaben-, sondern auch die Einnahmenseite zu betrachten.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der in den letzten beiden Steuergesetzrevisionen umgesetzten Steuersenkungen bitten wir den Regierungsrat um Beantwortung folgender Frage:
Wie gross wären die finanziellen Effekte der nachfolgenden Änderungen resp. Rückgängigmachungen von Änderungen des Steuergesetzes bei einer statischen Betrachtung (Berechnungsbasis: jeweilige jährliche Steuerstatistik ohne angenommene Zu- oder Abwanderungen von juristischen oder
natürlichen Personen), jeweils für die Jahre 2010–2014 sowie für die Planjahre 2015–2018 (gemäss
Annahmen im AFP)?
1. Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen gem. § 43
zu 10.75 % resp. 11.8 % für die weiteren Fr. 160'000.– nach den ersten Fr. 160'000.–.
zu 11.25 % resp. 12 % für die Einkommensteile über Fr. 320'000.–.
2. Besteuerung von Beteiligungen natürlicher Personen an Kapitalgesellschaften und Genossenschaften gem.§ 45a Abs. 1
24. März 2015
Art.-Nr. 0798
2227
a) zu 100 %
b) zu 50 %
c) zu 70%
des Satzes des gesamten steuerbaren Einkommens.
3. Besteuerung des Vermögens natürlicher Personen gem. § 55
a) zu 1.9 ‰ für die Vermögensteile zwischen Fr. 500'000.– und Fr. 600'000.–
zu 2.0 ‰ für die Vermögensteile zwischen Fr. 600'000.– und Fr. 800'000.–
zu 2.1 ‰ für die Vermögensteile zwischen Fr. 800'000.– und Fr. 1'000'000.–
zu 2.2 ‰ für die Vermögensteile zwischen Fr. 1'000'000.– und Fr. 1'200'000.–
zu 2.3 ‰ für Vermögensteile über Fr. 1'200'000.–.
b) zu 2.2 ‰ für die Vermögensteile zwischen Fr. 500'000.– und Fr. 600'000.–
zu 2.3 ‰ für die Vermögensteile zwischen Fr. 600'000.– und Fr. 800'000.–
zu 2.4 ‰ für die Vermögensteile zwischen Fr. 800'000.– und Fr. 1 '000'000.–
zu 2.5 ‰ für die Vermögensteile zwischen Fr. 1'000'000.– und Fr. 1'200'000.–
zu 2.6 ‰ für Vermögensteile über Fr. 1'200'000.–.
4. Besteuerung des Reingewinns gem. § 75 Abs. 1
a) zu 6 % auf den ersten Fr. 150'000.– des steuerbaren Reingewinns
zu 9 % auf dem übrigen Reingewinn.
b) zu 7 % auf den fünf Prozent des Eigenkapitals nicht übersteigenden Teil des Reingewinns,
mindestens aber auf den ersten Fr. 100'000.– des steuerbaren Reingewinns
zu 11% auf dem übrigen Reingewinn.
5. Ermässigung der Gewinnsteuer aus Beteiligungen von juristischen Personen gem. § 76 erst ab
einer Beteiligung von mindestens 20 % am Grund- oder Stammkapital und einem Verkehrswert
von mindestens Fr. 2'000'000.–.
6. Besteuerung von Kapitalgewinnen aus Beteiligungen von juristischen Personen gem. § 77 Abs. 2
erst ab einer veräusserten Beteiligung von mindestens 20 % des Stammkapitals.
7. Besteuerung des Kapitals gem. § 86 Abs. 1 zu 2.5 ‰ des steuerbaren Eigenkapitals.
8. Streichung der Anrechnung der Kapitalsteuer an die Gewinnsteuer gem. § 86 Abs. 4.
9. Einführung einer Mindeststeuer auf dem Buchwert der im Kanton gelegenen Grundstücke von
Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, sofern diese als Mindeststeuer höher ist als die geschuldete ordentliche Gewinn- und Kapitalsteuer (gem. ex § 89 Abs. 1).
0799 Interpellation der SP-Fraktion (Sprecherin Viviane Hösli, Zofingen) vom 24. März 2015
betreffend Lohndruck im Kanton Aargau aufgrund des Entscheides der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zum Umwandlungskurs; Einreichung und schriftliche Begründung
Von der SP-Fraktion wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Nach dem Entscheid der Nationalbank den Mindestumwandlungskurs von Fr. 1.20 zum Euro fallen
zu lassen, sind die Löhne, in bestimmten Branchen im Kanton Aargau, unter Druck geraten. Einzelne
Firmen sprechen von Arbeitszeiterhöhung oder planen Lohnkürzungen. Damit wird das Unternehmerrisiko einseitig auf die Arbeitnehmenden im Kanton abgewälzt. Die Gefahr besteht, dass Firmen
Löhne (insbesondere an Grenzgänger) in Euro auszahlen wollen, was klar widerrechtlich ist.
24. März 2015
Art.-Nr. 0799
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Vor diesem Hintergrund bitten wir den Regierungsrat um seine Einschätzung der Situation und bitten
ihn folgende Fragen zu beantworten:
1. Wie schätzt der Regierungsrat die Situation bezüglich Arbeitszeiterhöhungen und Lohnkürzungen im Kanton Aargau ein? Welche Tendenz kann dabei wahrgenommen werden und welche
Entwicklungen erwartet er diesbezüglich?
2. Wird aufgrund von Lohnkürzungen mit sinkenden Steuereinnahmen und steigenden Ausgaben
(beispielsweise Neuanspruch auf Prämienverbilligung und/oder Sozialhilfe) für den Kanton und
die Gemeinden gerechnet?
3. Gibt es im Kanton Aargau Betriebe, welche ihre Löhne in Euro auszahlen oder an den Franken/Eurokurs binden? Falls ja, was gedenkt der Regierungsrat dagegen zu unternehmen?
4. Sind aufgrund der neuen Ausgangslage mehr Kontrolltätigkeiten im Rahmen der flankierenden
Massnahmen geplant? Werden hierfür mehr Personalressourcen benötigt?
5. Sind für die Kontrollen der Tripartiten Kommission allenfalls neue Fokusbranchen festzulegen um
der veränderten Ausgangslage gerecht zu werden?
0800 Interpellation Roland Agustoni, GLP, Rheinfelden, Roland Basler, BDP, Oftringen, Esther
Gebhard-Schöni, EVP, Möriken-Wildegg, Marco Hardmeier, SP, Aarau, Sander Mallien, GLP,
Baden, Herbert H. Scholl, FDP, Zofingen (Sprecher), und Andreas Senn, CVP, Würenlingen,
vom 24. März 2015 betreffend behindertengerechtes Bauen; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Roland Agustoni, GLP, Rheinfelden, Roland Basler, BDP, Oftringen, Esther Gebhard-Schöni,
EVP, Möriken-Wildegg, Marco Hardmeier, SP, Aarau, Sander Mallien, GLP, Baden, Herbert H.
Scholl, FDP, Zofingen, und Andreas Senn, CVP, Würenlingen, wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
In der KABO (Konferenz der Aargauischen Behindertenorganisationen) und der Procap Fachstelle
für Hindernisfreies Bauen AG/SO gibt es immer wieder Reklamationen zu Bauten, die nicht nach den
geltenden Vorschriften hindernisfrei, resp. mangelhaft ausgeführt und von den Bauverwaltungen so
abgenommen wurden. Das Hauptproblem im Vollzug ist, dass die Fachstelle als Spezialistin in der
Anwendung und Umsetzung des hindernisfreien Bauens lediglich beratende Funktion hat und es im
Ermessen und der Verantwortung der baubewilligenden Behörden liegt, ob und wie die Fachstelle
beigezogen werden soll. Daraus resultieren Fehler in der Planung und in der Ausführung. Eine Instandstellung von gebauten Mängeln scheitert dann oftmals an der Verhältnismässigkeit oder formaljuristischen Gründen.
Das Behindertengleichstellungsgesetz ist ein Rahmengesetz des Bundes. Die Umsetzung ist an die
Kantone delegiert. Der Kanton Aargau hat diese Umsetzungen in § 53 BauG und den §§ 37 und 38
BauV geregelt. Amtsstellen, in der Regel die kommunalen Bauverwaltungen, sind dabei angehalten,
die kantonalen Vorgaben umzusetzen. Andere Kantone, wie Bern und Luzern, haben eine griffigere
Umsetzung entwickelt, indem sie die Fachstelle für hindernisfreies Bauen obligatorisch in die Baubewilligungsprozesse integrieren.
Hindernisfreies Bauen ist längst nicht mehr lediglich ein Anliegen einer Minderheit. Als grösste Gruppe der Nutzniessenden sind die Senioren dazuzuzählen, insbesondere jene im Lebensabschnitt über
75 Jahren. Vor diesem Hintergrund muss der Kanton ein grosses Interesse an der konsequenten
Umsetzung des hindernisfreien Bauens haben, damit Seniorinnen und Senioren möglichst lange
selbständig zuhause in der gewohnten Umgebung leben können und so direkt unsere Pflegeeinrichtungen und indirekt unsere Kassen entlasten.
24. März 2015
Art.-Nr. 0800
2229
Wir bitten den Regierungsrat, folgende Fragen zu beantworten:
1. An wen haben sich betroffene Personen zu wenden, wenn sie einen Mangel feststellen, welcher
im Widerspruch zum Behindertengleichstellungsgesetz oder hindernisfreien Bauen steht?
2. Ist der Regierungsrat bereit, eine Anpassung der Bauverordnung für eine griffigere Umsetzung
des hindernisfreien Bauens vorzunehmen, die analog Bern oder Luzern den obligatorischen Bezug der Procap Fachstelle AG/SO im Baubewilligungsverfahren verankert?
3. Ist der Kanton bereit, sich mit seinen Bauten und Anlagen an einem Pilotversuch mit der Procap
Fachstelle Hindernisfreies Bauen AG/SO zu beteiligen, um in der Praxis das Optimum zwischen
Aufwand und Wirkung auszuloten?
0801 Interpellation Regula Bachmann-Steiner, CVP, Magden, vom 24. März 2015 betreffend
Sicherstellung der Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben bei Grossanlässen; Einreichung
und schriftliche Begründung
Von Regula Bachmann-Steiner, CVP, Magden, und 12 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird
folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Das Museum Aargau plante einen Grossanlass mit der Company of St. George auf Schloss Hallwyl
vom 22. bis 25. Mai 2015. Diese mehrtägige historische Darstellung zum Auftakt des Saisonthemas
"Feuer im Dach" beim Schloss Hallwyl hätte ein Belagerungslager mit Kanonenschüssen sowie eine
Veranstaltung mit insgesamt 4500 bis 6500 Besucher bei einer Dauer, inklusive Auf- und Abbau,
vom 18. bis 28. Mai 2015. Auf Intervention seitens von Naturschutzverbänden wurde das Baugesuch
zurückgezogen.
Der geplante Anlass widerspricht in mehrfacher Weise dem Hallwilerseeschutzdekret und wäre nicht
bewilligungsfähig gewesen. Grossveranstaltungen sind nur zwischen 1. Juli bis 31. Oktober möglich;
Kanonenschüsse sind nicht erlaubt; Installationen sind für maximal 700 Personen zulässig sowie
Veranstaltungen nur in Spezialzone Schloss Hallwyl erlaubt, jedoch nicht in Schutz- und Sperrzone.
Am Schloss Hallwyl brütet die grösste Dohlen-Kolonie der Schweiz. Die Turmdohle (Corvus monedula) ist eine geschützte Vogelart und wird gemäss roter Liste als verletzlich eingestuft. Das Schloss
Hallwyl und der Kanton Aargau haben eine grosse Verantwortung für diese Dohlen-Kolonie. Durch
diesen Grossanlass mit Kanonenschüssen während der Brutsaison wäre das Brutgeschäft nachweislich gestört worden. Gemäss Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere
und Vögel ist eine solche Störung verboten und strafbar.
Wenn die Veranstalter das Dekret zum Schutz der Hallwilerseelandschaft im Voraus gelesen hätten,
wären sie nicht auf die Idee gekommen, einen solchen Anlass zu planen und hätten Aufwand und
Kosten vermeiden können.
Fragen
1. Warum plant eine kantonale Stelle (Museum Aargau) einen Grossanlass, welcher die gesetzlichen Vorgaben nicht einhält?
2. Warum sind den kantonalen Stellen die gesetzlichen Grundlagen nicht bekannt?
3. In welcher Form werden üblicherweise die Naturschutz-Fachämter des Kantons in die Planung
von Grossanlässen einbezogen?
4. In welcher Form ist das beim Anlass auf Schloss Hallwyl geschehen? Bzw. weshalb sind die
Fachpersonen nicht einbezogen worden?
5. Wie stellt der Kanton sicher, dass in Zukunft solche Leerläufe nicht geschehen?
24. März 2015
Art.-Nr. 0801
2230
0802 Interpellation Regula Bachmann-Steiner, CVP, Magden, vom 24. März 2015 betreffend
Gewässerrevitalisierungen; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Regula Bachmann-Steiner, CVP, Magden, und 36 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird
folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Der Wasserkanton Aargau verfügt über ein Gewässernetz von rund 2900 km Länge. Die Hälfte davon ist eingedolt oder stark beeinträchtigt. Auch die Funktion der Gewässer als Wanderkorridore ist
durch die 3600 Wanderhindernisse stark eingeschränkt. Mit der im Zuge des Sparprogramms vorgenommenen Reduktion der Gewässerrevitalisierung wurde der Nettoaufwand des Kantons reduziert.
Statt etwa 5 Mio. Franken pro Jahr stehen 2,5 Mio. Franken (Kürzung des zweckgebundenen Anteils
der Wasserzinsen von 10% auf 5 %) zur Verfügung. Die geplante Revitalisierung hätte nur zu 60 %
umgesetzt werden" können. Die Bundesvorgaben für die Gewässerrevitalisierung wären nicht erfüllt
worden. In der strategischen Revitalisierungsplanung wurde von einer Zweckbindung von 5 % und
jährlichen Einnahmen von 2.5 Mio. Franken ausgegangen. Jedoch vorbehältlich der Annahme der
Leistungsanalyse in der Volksabstimmung.
Mit der Ablehnung des Sparpakets vom 8. März 2015 durch den Souverän stehen nun wieder 10 %
der Wasserzinsen für Renaturierungen, Vernetzungen und die Aufwertungen der Gewässer zur Verfügung. Es ist möglich das geplante Programm umzusetzen und dieses sogar zu erweitern. Dies ist
insbesondere auch deshalb sinnvoll, weil in der ersten Umsetzungsphase bis 2035 jene Gewässer
profitiert hätten, bei denen das Kosten/Nutzen-Verhältnis besonders günstig ist. Die Renaturierung
reduziert die Hochwassergefährdung, verbessert die Wasserqualität und fördert die Biodiversität. Im
weiterhin stark wachsenden Aargau bilden naturnahe Gewässer einen wichtigen Ausgleich und dienen den Menschen als wertvolle Erholungsräume.
Ich bitte den Regierungsrat, die folgenden Fragen zu beantworten:
1. Wie hoch sind die Einnahmen durch den Wasserzins aktuell und wie sind die Prognosen für die
nächsten Jahre?
2. Wie viel davon muss in den nächsten Jahren aufgrund der Zweckbindung im Wassernutzungsgesetz (WnG) für die Renaturierung, Vernetzung und ökologische Aufwertung der Gewässer
verwendet werden?
3. Wie beabsichtigt der Regierungsrat die strategische Revitalisierungsplanung und den AFP aufgrund des Abstimmungsergebnisses vom 8. März 2015 anzupassen?
4. Plant der Regierungsrat die strategische Revitalisierungsplanung so anzupassen, dass der Vorgabe im Wassernutzungsgesetz (WnG) entsprochen und 10 % der Wasserzinse für Renaturierung, Vernetzung und ökologische Aufwertung der Gewässer verwendet wird?
5. Welche Beträge (Netto und Brutto) müssen in den AFP aufgenommen werden, damit die Ziele
der strategischen Revitalisierungsplanung bis 2035 zu 100 % umgesetzt werden?
6. Wofür wurde bisher das Geld aus der Zweckbindung der Wasserzinsen eingesetzt, dass nicht für
die strategische Revitalisierungsplanung verwendet wird?
7. Beabsichtigt der Regierungsrat Gelder aus der Zweckbindung der Wasserzinsen, welche nicht
zur Umsetzung der Bundesvorgaben zur strategischen Revitalisierungsplanung benötigt werden,
für andere ökologische Aufwertungen einzusetzen?
24. März 2015
Art.-Nr. 0802
2231
0803 Interpellation René Bodmer, SVP, Arni, vom 24. März 2015 betreffend Probleme an Aargauer Schulen, welche durch nicht integrationswillige und/oder integrationsfähige Knaben
und Jugendliche aus dem Balkan hervorgerufen werden; Einreichung und schriftliche Begründung
Von René Bodmer, SVP, Arni, und 33 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Die Medienmitteilungen über immer neue Vorfälle wiederholen sich in erschreckender Geschwindigkeit, wonach nicht integrationswillige und/oder nicht integrationsfähige Knaben und Jugendliche,
welche vornehmlich aus dem Balkan stammen, an Schweizer Schulen ihr patriarchisches, frauenverachtendes Weltbild durchsetzen. Dieses Rollenverständnis erfahren sie meist selber in ihrem
Elternhaus, dort wo Mütter und Schwestern systematisch unterdrückt werden und die Integration der
weiblichen Familienmitglieder als unerwünscht verhindert wird.
So kommt es denn immer häufiger zu verbalen und auch zu handgreiflichen Übergriffen gegen die
sexuelle Integrität von Mitschülerinnen. Diese können bei den jungen Frauen in der Pubertät zu
nachhaltigen Störungen führen. Selbst weibliche Lehrpersonen sind nicht von den verbalen Attacken
gefeit und können sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht ausreichend wehren.
Die Berichterstattungen der Medien zeigen in eindrücklicher Manier auf, dass die gutgemeinten Bemühungen und die Auflockerung der Schweizer Bräuche und Gepflogenheiten zugunsten einer besseren Integration als gescheitert zu betrachten sind. Die bewusste Unterwanderung und Missachtung
von Schweizer Normen, Regeln und Gesetzen scheint zumindest in gewissen Gemeinden und Schulen bisher stillschweigend geduldet worden zu sein. Dies fördert eine Gettobildung und die Schaffung
eigener Rechtsräume, welche nach den Massstäben der Herkunftsländer organisiert sind.
Aufgrund dieser alarmierenden Meldungen von Schweizer Schulen, wird der Regierungsrat gebeten,
folgende Fragen zu beantworten:
1. Besteht an den Aargauer Schulen ein Meldewesen, an das sich Lehrpersonen wenden können,
in deren Klassen/Schulen solche Vorfälle vorkommen?
2. Wie viele Fälle von verbalen und handgreiflichen Attacken gegen Mitschülerinnen, Mitschüler
und/oder weiblichen Lehrpersonen sind dem Regierungsrat über die letzten fünf Jahre hinweg
bekannt geworden, welche durch Knaben und Jugendliche mit Migrationshintergrund begangen
wurden, aus welchen Ländern stammen diese ursprünglich und wie viele von ihnen sind mittlerweile eingebürgerte Schweizer?
3. Welche konkreten Schritte und Massnahmen wurden gegen den/die Täter ergriffen?
4. Wie wurden die Opfer der jeweiligen Attacken betreut und mit welchen konkreten Massnahmen
hat man diese im schulischen Alltag unterstützt?
5. Gemäss Aussagen des Basler Bildungsdirektors beschäftigte man alleine für den Elternabend an
einer der städtischen Schulen 12 Dolmetscher. Wie viele Dolmetscher-Stunden wurden in den
letzten fünf Jahren an Aargauer Schulen für Elternabende, Eltern-Einzelgespräche, Kriseninterventionen, bei heiltherapeutischen Lektionen usw. aufgewendet und wie verläuft die Entwicklung
der dafür aufgewendeten Kosten in genannter Periode? Auflistung bitte nach Jahren.
6. Mit welchen konkreten Massnahmen begegnet der Regierungsrat den innerfamiliären Druckausübungen und der Verhinderung der Integration von weiblichen Familienangehörigen um somit
der Integrationspflicht Nachdruck zu verschaffen?
7. Mit welchen Massnahmen will der Regierungsrat die gleichberechtigte Behandlung zwischen
Schweizer Kindern und den Kindern mit Migrationshintergrund (Ausländer und eingebürgerte) sicherstellen, wo doch auffällige Schweizer Kinder meist sofort mit intensiven und teuren Verfahren schulpsychologisch abgeklärt und einer Massnahme zugeführt werden, sich Familien mit einem Migrationshintergrund solchen Abklärungen und Massnahmen aber anscheinend, mit Verweis auf ihre Herkunft und die dort geltenden Sitten, oftmals leicht entziehen können?
24. März 2015
Art.-Nr. 0803
2232
8. Wie gedenkt der Regierungsrat die Gettobildung und die Schaffung von rechtsfreien Räumen zu
verhindern, in denen nicht Schweizer Recht zur Anwendung gelangt, sondern jenes aus den ursprünglichen Herkunftsländern? Dies insbesondere vor dem Hintergrund der Scharia-Diskussion,
sowie von versprochenen Ehen zum Zeitpunkt zu dem die Kinder noch minderjährig sind.
9. Ist der Regierungsrat gewillt Familien von auffälligen ausländischen Kindern, welche Mitschülerinnen, Mitschüler und Lehrpersonen drangsalieren und verbal als auch handgreiflich attackieren
mit einer Einbürgerungssperre auf unbestimmte Zeit zu belegen?
10. Wie beurteilt der Regierungsrat die Forderung vieler Schweizer Bürgerinnen und Bürger, nachdem Personen, welche sich in der Schweiz nachweislich nicht integrieren wollen, das Land zu
verlassen haben und zurück in ihre Herkunftsländer zu schaffen sind? Welche konkreten gesetzlichen Möglichkeiten stehen nach Meinung des Regierungsrates für die Verfügung und den Vollzug der Rückschaffung zur Verfügung?
0804 Interpellation Thomas Burgherr, SVP, Wiliberg, vom 24. März 2015 betreffend Entwicklung der Arbeitsverhältnisse der kantonalen Staatsangestellten; Einreichung und schriftliche
Begründung
Von Thomas Burgherr, SVP, Wiliberg, und 37 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende
Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Der Regierungsrat wird gebeten in Bezug auf die Staatsangestellten im Kanton Aargau folgende
Fragen zu beantworten:
1. Wie hat sich die Anzahl Angestellte des Kantons und der Gemeinden in den letzten 8 Jahren
entwickelt, aufgeteilt nach Departementen und Politikbereichen?
2. Wie viele Gemeindeangestellte mussten infolge kantonaler Vorgaben und wie viele Kantonsangestellte infolge bundesrechtlicher Vorgaben eingestellt werden?
3. Wie entwickelten sich die Kosten für das Staatspersonal in den letzten 8 Jahren? Wie hat sich
der Durchschnittslohn verändert, wie hoch war dieser im Jahre 2014?
4. Wie haben sich die Löhne auf den Kaderpositionen verändert?
5. In welchem Verhältnis stehen diese Entwicklungen zum BIP des Kantons Aargau und zu den
entsprechenden Löhnen in der Privatwirtschaft?
6. Wie viele Akademiker stehen auf der kantonalen Lohnliste? Wies sieht die diesbezügliche Entwicklung der letzten 8 Jahren aus?
7. In welchem Verhältnis stehen die Sozial- und Zusatzleistungen (beispielsweise PK- Leistungen,
Ferien- und Freizeitregelungen, Elternurlaub, Homeoffice-Regelungen, Leistungsprämie für ausserordentliches Engagement etc.) des Staatspersonals zur Privatwirtschaft?
8. Wie viele Prozente der neu geschaffenen Stellen im Kanton Aargau (insgesamt) in den letzten 8
Jahren entfallen auf Staatsstellen und staatsnahe Institutionen?
9. Wie viele neue Staatsstellen sind geplant oder absehbar in den nächsten 3 Jahren?
10. Wie viele Ausländer arbeiten für den Kanton Aargau, die Gemeinden des Kantons und staatsnahe Institutionen? Wie viele davon sind Grenzgänger?
11. Wie viele Schweizer Bewerber gab es für diese Stellen?
12. Welche Massnahmen, respektive gesetzlichen Anpassungen müssten vollzogen werden, um
beim Staatspersonal im Kanton Aargau einen Inländervorrang gemäss Bundesverfassung Art.
121a Abs. 3 durchzusetzen?
Einerseits ist es stossend, dass die Verwaltung und der Staat, und mit ihnen die Bürokratie und die
Staatsausgaben ständig wachsen, andererseits die Anzahl Ausländer bei den Staatsstellen ebenfalls
augenfällig zunimmt. Vielen Bürgern ist es nicht mehr wohl, dass beispielsweise in an sich bürgerna-
24. März 2015
Art.-Nr. 0804
2233
hen Jobs wie in der Bildung oder im Gesundheitswesen immer mehr EU-Bürger arbeiten, welche
sich nicht auf Schweizerdeutsch unterhalten können und die hiesigen Gepflogenheiten nicht kennen.
Im Kanton Aargau haben 55,2 % der Stimmbevölkerung und 9 von 11 Bezirken am 9. Februar 2014
für eine Reduktion der masslosen Zuwanderung durch Kontingente und Inländervorrang gestimmt.
Die eigenständige Steuerung der Zuwanderung durch Kontingente und Inländervorrang ist durch die
Mehrheit von Volk und Ständen legitimiert inzwischen Teil unserer Bundesverfassung. Daher ist es
nur logisch, dass der Kanton Aargau diesem Prinzip gerecht wird und Inländer gegenüber Ausländern bevorzugt, zumal diese Stellen durch Steuern von Inländern entrichtet finanziert werden.
0805 Interpellation Viviane Hösli, SP, Zofingen, vom 24. März 2015 betreffend Vereinbarung
über die Anstellungsbedingungen der Bankangestellten (VAB) für Angestellte der Aargauischen Kantonalbank (AKB) ; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Viviane Hösli, SP, Zofingen, und 20 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
62 % aller Bankangestellten der Schweiz sind dem Gesamtarbeitsvertrag der Bankenbranche unterstellt. Die wichtigsten Banken im Kanton Aargau sind dabei und stehen somit für eine starke Sozialpartnerschaft ein. Die Aargauische Kantonalbank (AKB) erzielte 2014 wieder ein Rekordergebnis,
was nicht zuletzt auch der Verdienst der rund 700 Angestellten der Bank ist. Vor diesem Hintergrund
ist es sehr erstaunlich festzustellen, dass die AKB zwar dem Arbeitgeberverband der Schweizer
Banken (AGV) angeschlossen ist, dabei aber die Anstellungsbedingungen der Bankangestellten
(VAB) nicht unterzeichnet hat.
Es stellen sich in diesem Zusammenhang folgende Fragen:
• Warum hat die Aargauische Kantonalbank die Vereinbarung über die Anstellungsbedingungen
der Bankangestellten (VAB) des AGV (Arbeitgeberverband der Schweizer Banken) nicht unterzeichnet?
• Werden die Anstellungsbedingungen gemäss VAB in der AKB eingehalten? Wenn ja, warum wird
die VAB nicht unterzeichnet? Wenn nein, welche Teilaspekte werden nicht eingehalten? Konkret
sind dabei unter anderem folgende Teilaspekte von Interesse:
o
o
o
o
o
o
Wird die Arbeitszeiterfassung gemäss Vorgaben des SECO und/oder des VAB durchgeführt?
Auf 2015 wurde der Mindestlohn in der VAB auf Fr. 52'000.–, resp. auf Fr. 56'000.– für Angestellte mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis, erhöht. Wird dieser Mindestlohn in der
AKB eingehalten? Wenn nein, wie viele Angestellte der Bank unterschreiten diesen Mindestlohn?
Wird die Familienzulage von Fr. 3000.– pro Familie und Jahr an die Mitarbeitenden der AKB
entrichtet?
Werden mit allen Mitarbeitenden, resp. der Personalkommission regelmässig Lohnverhandlungen durchgeführt?
Gibt es interne Studien zur Lohngleichheit in der AKB? Wenn ja, erhält die Personalkommission Einblick in die Ergebnisse?
Gibt es für den Fall von Restrukturierungen oder Filialschliessungen eine Pflicht zu Verhandlungen mit den Sozialpartnern über die zu treffenden Massnahmen?
• Hat sich der Regierungsrat in der Vergangenheit einmal mit der Geschäftsleitung über die Unterzeichnung des VAB ausgetauscht? Welche Gründe wurden von der Geschäftsleitung für die
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Art.-Nr. 0805
2234
Nichtunterzeichnung aufgeführt? Hat der Regierungsrat darüber hinaus Massnahmen für diese Sozialpartnerschaft getroffen?
0806 Interpellation Maja Riniker, FDP, Suhr, vom 24. März 2015 betreffend Zusatzaufwand
durch die Erstellung von Statistiken an den Familiengerichten im Zusammenhang mit dem
Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (KESR) ; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Maja Riniker, FDP, Suhr, und 19 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Seit dem 1. Januar 2013 ist das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (KESR) in Kraft. Da die
Familiengerichte seit der Aufnahme der Tätigkeit überlastet waren, wurden vom Grossen Rat seit
dem 1. Januar 2013 Zusatzkredite, zumindest teilweise (16.9.14, Botschaft 14.156) für Personalaufstockungen, gesprochen. Die notwendigen Personalaufstockungen wurden damit begründet, dass es
sich beim KESR um eine bundesgesetzliche Regelung handle und der Kanton Aargau auf die damit
verbundene Geschäftslast keinen Einfluss nehmen kann.
Der Regierungsrat anerkennt ebenfalls in der Botschaft 14.156 folgenden Umstand: 'Die Beseitigung
der Kapazitätsengpässe bei den Familiengerichten hat aus Sicht des Regierungsrats hohe Priorität'.
Am 24. März 2015 wird die Botschaft 14.221 behandelt. Der Regierungsrat schlägt vor, dass das
entsprechende Einführungsgesetz soweit angepasst wird, dass der Katalog der Einzelzuständigkeiten ausgebaut werden kann. Weiter kann in der Botschaft 14.221 gelesen werden: 'Nicht Gegenstand dieser Vorlage sind weitere Massnahmen zur Beseitigung der Kapazitätsengpässe bei den
Familiengerichten, die im Anhörungsverfahren von verschiedenen Seiten gefordert wurden. Diese
werden in einem separaten Projekt erarbeitet. Sollte sich daraus der Bedarf an Gesetzesänderungen
ergeben, würde dieser Gegenstand einer späteren Änderung des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch und Partnerschaftsgesetz (EG ZGB) sein'.
Nun ist es aber offenbar so, dass die Familiengerichte im Kanton Aargau auf das Jahr 2015 neu
dazu verpflichtet werden, im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht eine umfangreiche Statistik zu
führen. Es muss dafür Personal für das Führen von diesen Statistiken eingesetzt werden. Pro Fall
muss schriftlich ein einseitiger Bericht ausgefüllt werden, welcher umfassende Angaben für die
Kammer für Kindes- und Erwachsenenschutz liefern soll. Gestützt auf die geschätzten 18'127 Fälle
für das Jahr 2014 (Botschaft 14.156, S. 9), und unter Annahme, dass das Ausfüllen pro Fall einige
Minuten Arbeit verursacht, gibt dies einen erheblichen Mehraufwand für die Gerichte pro Jahr.
Mit der Verpflichtung zur Führung einer Statistik kommt auf die ohnehin schon überlasteten Familiengerichte eine Zusatzbelastung zu, ohne dass für die betroffenen Personen ein Mehrwert entsteht.
Im Gegenteil, die betroffenen Personen werden länger auf Entscheide der Familiengerichte warten
müssen, weil die Familiengerichte Statistiken ausfüllen müssen.
1.
2.
3.
4.
5.
Ist es richtig, dass ein Kreisschreiben existiert, welches die Familiengerichte zur Führung einer
umfangreichen Statistik verpflichtet?
Wie lautet diese Verpflichtung?
Mit welchem Ziel werden diese Statistiken erhoben?
Führt das Führen von dieser Statistik zu Zusatzaufwand? Wenn ja, in welchem Umfang?
Hätten im 2014 schon alle Fälle auf Papier ausgefüllt werden müssen, resultierten bei 18'127
Fällen rund 15 Bundesordner Volumen. Wie viel Aufwand braucht es auf der Seite der Datenerfassung ins 'Juris'?
24. März 2015
Art.-Nr. 0806
2235
6.
Wenn die Daten im 'Juris' erfasst sind, finden elektronische Transfers dieser Datensätze statt.
Wie werden diese Übermittlungen vollzogen und wie ist der Datenschutz gewährleistet?
7. Teilt der Regierungsrat die Meinung der Interpellantin, dass die Familiengerichte nicht mit Zusatzaufwänden, welche gesetzlich nicht vorgeschriebenen sind, belastet werden sollen?
8. Erachtet der Regierungsrat den zusätzlichen Mehraufwand nicht auch als unverhältnismässige
Massnahme?
9. Verstärkt die Führung von solchen Statistiken zusätzlich die Kapazitätsengpässe? Dies speziell
auch vor dem Hintergrund der regierungsrätlichen Aussage in der Botschaft 14.221, 'dass Kapazitätsengpässe beseitigt werden müssen'.
10. Sieht der Regierungsrat weitere Möglichkeiten und ist er bereit, die Familiengerichte von gesetzlich nicht vorgeschriebenen administrativen Plichten, wie beispielsweise das Führen von Statistiken, zu befreien?
0807 Interpellation Stefan Haller, BDP, Dottikon, vom 9. Dezember 2014 betreffend Ausschluss
der Schweiz aus dem Market Coupling; Beantwortung; Erledigung
(vgl. Art. 0710)
Mit Datum vom 25. Februar 2015 hat der Regierungsrat die Interpellation beantwortet.
Vorbemerkungen
Ein sinngemässer politischer Vorstoss wurde von Nationalrat Bernhard Guhl am 11. Dezember 2014
im Nationalrat eingereicht (14.4175 – Interpellation "Fehlendes bilaterales Stromabkommen mit der
EU. Ausschluss beim Market Coupling. Wie weiter?"). Das Geschäft wurde im Nationalrat noch nicht
behandelt.
Die Schweiz gilt als Stromdrehscheibe Europas und ist gut in das europäische Verbundnetz integriert. An rund 60 Übergabestellen wird Strom grenzüberschreitend gehandelt und transportiert. Aufgaben und Kompetenzen für den Stromhandel liegen beim Bund und werden durch die nationale
Netzgesellschaft Swissgrid unter der Aufsicht der Eidgenössischen Elektrizitätskommission umgesetzt.
In den vergangenen zwei Jahren hat die EU den europäischen Strombinnenmarkt entscheidend vorangetrieben. Ab 2016 werden alle wichtigen EU-Länder in einem Markt integriert und nach einheitlichen Regelungen gekoppelt sein. Von einem einfacheren Marktzugang, Effizienzgewinnen beim
grenzüberschreitenden Handel und durch eine Zunahme des Wettbewerbs würden Verbraucher,
Produzenten und Stromhändler profitieren können. Die Agentur der Europäischen Regulierungsbehörden (ACER) schätzt die möglichen Effizienzgewinne der Schweiz auf rund 150 Millionen Euro pro
Jahr. Die Nichtteilnahme am Market Coupling bedeutet weder einen Ausschluss der Schweiz vom
europäischen Strommarkt noch wird die Versorgungssicherheit beeinträchtigt. Die erwarteten Vorteile durch die optimierte Nutzung des grenzüberschreitenden Stromhandels können allerdings ohne
Koppelung nicht realisiert werden und es entstehen durch die entgangenen Gewinne Opportunitätskosten.
Das Market Coupling ist Teil des bilateralen Stromabkommens, welches seit 2007 mit der EU verhandelt wird und die vollständige Integration des Schweizer Strommarkts in den europäischen
Strombinnenmarkt verfolgt. Technisch und betriebswirtschaftlich ist die Schweiz bereit für die Marktintegration. Allerdings hat die EU-Kommission die Gespräche über einen grenzüberschreitenden
Stromhandel zwischenzeitlich ausgesetzt. Mit einem Schreiben hat die Generaldirektion Energie der
Europäischen Kommission im November 2014 erklärt, dass die Teilnahme der Schweiz am Market
Coupling auf Anfang 2015 nicht möglich sei und die Kommission eine umfassende Lösung im Rah-
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Art.-Nr. 0807
2236
men eines Stromabkommens anstrebe. Wann ein bilaterales Abkommen abgeschlossen werden
kann, ist derzeit nicht klar.
Zur Frage 1: "Wie beurteilt der Regierungsrat die Bedeutung einer Teilnahme der Schweiz am Market Coupling?"
Die vorläufige Nichtteilnahme am Market Coupling bedeutet keinen Ausschluss der Schweiz vom
europäischen Markt oder eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit. Allerdings können
Schweizer Unternehmen nicht an der Preiskopplung auf Basis gemeinsamer Auktionen in den verschiedenen Preiszonen teilnehmen. Stattdessen findet in der Schweiz eine getrennte Auktion statt
und grenzüberschreitende Energielieferungen erfolgen auf explizit erworbenen Transportrechten.
Gesamtwirtschaftlich ist die Integration der Schweiz in den europäischen Strombinnenmarkt jedoch
von Interesse und eine Marktintegration kann volkswirtschaftlichen Mehrwert generieren.
Die Bedeutung der Elektrizität als Schlüsselenergie wird in der Zukunft noch steigen. Mit ihrer zentralen Lage und den guten Speichermöglichkeiten ist die Schweiz an einem diskriminierungsfreien
Marktzugang interessiert. Der Kanton Aargau unterstützt deshalb die Absichten des Bundes, den
grenzüberschreitenden Stromhandel mit der EU effizient zu gestalten und vertraglich zu regeln.
Zur Frage 2: "Welche wirtschaftlichen Nachteile aus der Nicht-Teilnahme drohen dem AEW und den
Energieversorgungsunternehmen im Aargau?"
Für Energieversorgungsunternehmen, die im internationalen Stromhandel tätig sind (zum Beispiel
Axpo), kann die Nichtteilnahme am Market Coupling nachteilig sein, weil die Zuteilung von Übertragungskapazitäten an der Schweizer Grenze anders verläuft als in den umliegenden Ländern. Ohne
Market Coupling kann das Effizienzpotenzial zur optimalen Ausnutzung der grenzüberschreitenden
Transportkapazitäten nicht ausgenützt werden. Dies kann zu höheren Kosten für den grenzüberschreitenden Stromtransport führen. Nach Angaben der AEW Energie AG und dem Verband Aargauer Stromversorger (VAS) entstehen kurzfristig keine neuen wirtschaftlichen Nachteile. Allerdings
können Sie nicht von den durch ACER prognostizierten Effizienzgewinnen profitieren. Die längerfristigen Folgen sind schwer abschätzbar.
Zur Frage 3: "Welche wirtschaftlichen Nachteile aus der Nicht-Teilnahme drohen den Stromkunden
am Market Coupling?"
Mit dem Market Coupling sollen die Märkte für Energie und Grenzkapazitäten im Strommarkt zusammengeschlossen werden. Der grenzüberschreitende Stromhandel wird damit vereinfacht und die
Grenzkapazitäten können effizienter genutzt werden. Stromkunden können beim Market Coupling
durch intensiveren Wettbewerb von tendenziell günstigeren Angeboten profitieren. Solange die
Schweiz am Market Coupling nicht teilnimmt, können die Stromkunden nicht von einer Weitergabe
eines Teils der Effizienzgewinne gemäss ACER rechnen. Die längerfristigen Auswirkungen auf die
Stromkonsumenten sind schwer abschätzbar.
Zur Frage 4: "Welche Alternative zu einem bilateralen Stromhandelsabkommen mit der EU gäbe es,
um dennoch am Market-Coupling teilnehmen zu können?"
24. März 2015
Art.-Nr. 0807
2237
Die Schweiz gilt als Stromdrehscheibe Europas und ist gut in das europäische Verbundnetz integriert. Mehr als 10 % des in Europa gehandelten Stroms wird mit Deutschland, Frankreich, Österreich und Italien grenzüberschreitend gehandelt und transportiert. Das Market Coupling ist dabei
eher eine technische Angelegenheit und als solches nichts Neues. Allenfalls besteht die Möglichkeit,
ein rein technisches Mini-Stromabkommen mit dem Hauptinhalt Market Coupling zu vereinbaren.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 2'284.–.
Mit Datum vom 9. März 2015 hat sich Stefan Haller, BDP, Dottikon, gemäss § 84 Abs. 2 GO schriftlich von der Antwort des Regierungsrats befriedigt erklärt. Das Geschäft ist somit erledigt.
0808 Zur Traktandenliste
Vorsitzender: Leider musste sich Ratsmitglied Martin Keller infolge einer Grippe für die heutige Sitzung kurzfristig entschuldigen. Aus diesem Grund soll Traktandum Nr. 18 von der Traktandenliste
abgesetzt werden. Sind Sie damit einverstanden?
Im Sinne eines vorbehaltenen Entschlusses beantragt Ihnen das Ratspräsidium, dass die Traktanden 13, 14 und 15 – sofern sie nicht vor dem Mittag behandelt werden können – hinter das Traktandum 16 gesetzt werden. Dies, damit wir heute Nachmittag mit dem Traktandum 16 Kantonaler
Richtplan beginnen können.
Ich weise Sie darauf hin, dass Anträge und Wortmeldungen zum Richtplan beim Vizepräsidenten 2
anzumelden sind.
Die abgeänderte Traktandenliste wird stillschweigend genehmigt.
0809 Dieter Felber, Aarau, Fachrichter am Handelsgericht; Inpflichtnahme
Dieter Felber, Aarau, wurde durch den Grossen Rat an der Sitzung vom 3. März 2015 als Fachrichter
am Handelsgericht (Handelsgericht/Obergericht) für die restliche Amtsdauer bis 31. Dezember 2018
gewählt.
Als Fachrichter am Handelsgericht (Handelsgericht/Obergericht) wird in Pflicht genommen:
-
Dieter Felber, Aarau
0810 Einbürgerungen 2015; 1. Serie; Kenntnisnahme
Gemäss schriftlicher Mitteilung hat die Einbürgerungskommission (EBK) an ihrer Sitzung vom
6. März 2015 gestützt auf § 27 Abs. 1 des Gesetzes über das Kantons- und Gemeindebürgerrecht
(KBüG) die Einbürgerung von 508 ausländischen Staatsangehörigen und die Sistierung von 1 Gesuch (1 Person und 1 Kind) beschlossen.
Keine Wortmeldungen.
Kenntnisnahme
24. März 2015
Art.-Nr. 0808-0810
2238
0811 Interpellation Sabina Freiermuth-Salz, FDP, Zofingen, und Herbert H. Scholl, FDP, Zofingen (Sprecher), vom 25. November 2014 betreffend geplantes Asylzentrum im alten Pflegezentrum des Spitals Zofingen; Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 0680)
Mit Datum vom 14. Januar 2015 hat der Regierungsrat die Interpellation beantwortet.
Zur Frage 1: "Wie setzen sich die 170 Asylbewerbenden nach Herkunftsländern, Alter und Familien
zusammen?"
Am 10. Dezember 2014 bezogen 60 Menschen, darunter 18 schulpflichtige und 3 kindergartenpflichtige Kinder, die Unterkunft. Sie stammen aus Syrien, Jordanien, Armenien und Eritrea. Alle Bewohnerinnen und Bewohner sind Angehörige einer Kernfamilie oder eines Familienverbands.
Es ist vorgesehen weiterhin möglichst Familien aus verschiedenen Herkunftsländern in der Unterkunft unterzubringen. Da nicht vorauszusehen ist, ob in den nächsten Wochen und Monaten mehrheitlich Familien oder Einzelpersonen Asylgesuche stellen werden, ist zwischen der Stadt Zofingen
und dem Kantonalen Sozialdienst vereinbart, dass auch Einzelpersonen untergebracht werden können.
Zur Frage 2: "Wie und von welchen Personen werden die Asylbewerbenden betreut?"
Der Tagesdienst wird von Montag bis Freitag durch Betreuungspersonen des Kantonalen Sozialdiensts vor Ort sichergestellt (08.00 Uhr bis 17.00 Uhr). Die Betreuung in der Nacht (17.00 Uhr bis
04.00 Uhr, inklusive Wochenenden) wird durch den mobilen internen Nachtdienst des Kantonalen
Sozialdiensts wahrgenommen. Die Betreuung leistet die materielle und immaterielle Hilfe (Auszahlung Essens- und Taschengeld, Beratung und Vermittlung aller Art), stellt die medizinische Grundversorgung (mit Ärzten und Spitälern) sicher und überwacht die Termine bei Amtsstellen und Ärzten.
Die Betreuung setzt die Hausordnung durch, ist verantwortlich für die Instandhaltung der Liegenschaft, pflegt die Beziehung zur Gemeindebehörde, zur angrenzenden Nachbarschaft und anderen
Partnern. Sie vermittelt den Asylsuchenden die wichtigsten Gepflogenheiten (Kultur, Pünktlichkeit,
Sauberkeit etc.). Durch eine Kontroll- und Weckrunde durch die Betreuung in den Schlafräumen und
das Einbinden in die Haushaltsarbeiten sowie die Pflege der Umgebung wird den Klienten eine Tagesstruktur vermittelt. Die Asylsuchenden sind zudem für ihre Ernährung verantwortlich, das heisst
sie kaufen ein und kochen selbstständig. Weiter vermittelt die Betreuung passende Beschäftigungsmöglichkeiten: Sie organisiert den Besuch von Deutsch-Kursen des Kantonalen Sozialdiensts sowie
den Besuch von Beschäftigungsprogrammen externer Anbieter. Bei Bedarf stehen geschützte Arbeitsplätze für psychisch oder körperlich beeinträchtigte Personen zur Verfügung. Personen mit einer
vorläufigen Aufnahme stehen zudem verschiedenste Integrationsmassnahmen offen (mit verpflichtendem Charakter), zudem werden sie zur Arbeitssuche angehalten.
Zur Frage 3: "Mit welchen Massnahmen wird die Sicherheit der Patientinnen und Patienten des Spitals, der Anwohnerinnen und Anwohner sowie der Bevölkerung gewährleistet?"
Neben der Betreuung hat der Kantonale Sozialdienst einen externen Sicherheitsdienstleister beauftragt, welcher von Montag bis Freitag von 16.00 Uhr bis 09.00 Uhr sowie Samstag und Sonntag 24
Stunden durchgehend im Einsatz ist. Damit stehen rund um die Uhr Betreuungs- und Aufsichtspersonen zur Verfügung. Zusätzlich ist eine Hotline eingerichtet, welche Meldungen und Bedürfnisse
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der erwähnten Gruppen rund um die Uhr entgegennimmt. Im Übrigen besteht eine enge Zusammenarbeit mit der zuständigen Regionalpolizei sowie der Kantonspolizei.
Zur Frage 4: "Wie wird der Schulbesuch der Kinder personell und räumlich organisiert?"
Die im ehemaligen Pflegezentrum untergebrachten schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen haben
vor dem Einzug in diese Unterkunft den Einschulungsvorbereitungskurs beziehungsweise den Vorbereitungskindergarten des Kantonalen Sozialdiensts absolviert. Die Stadt Zofingen hat entschieden,
für diese Schülerinnen und Schüler zwei stufengetrennte Integrationsklassen im Gemeinde- beziehungsweise Bezirksschulhaus zu führen. So ist gewährleistet, dass die Kinder Asylsuchender längstens weitere zwölf Monate auf den Übertritt in die Regelklassen vorbereitet werden, aber nicht vom
Betrieb der Volksschule ausgeschlossen sind, was der sozialen Integration nur zuträglich sein wird.
Kindergartenpflichtige werden direkt in die Kindergartenklassen integriert.
Der Kantonale Sozialdienst steht mit den Schulbehörden und der Schulleitung in stetem Austausch.
Dadurch wird in administrativer und pädagogischer Hinsicht ein reibungsloser Schulbetrieb sichergestellt.
Zur Frage 5: "Ist rechtlich verbindlich vereinbart, dass die Unterbringung der 170 Asylsuchenden im
Spitalareal Zofingen Ende 2016 beendet wird?"
Der Kantonale Sozialdienst hat mit der Spital Zofingen AG einen Mietvertrag mit Mietbeginn ab
1. November 2014, befristet auf ein Jahr mit Option auf Verlängerung abgeschlossen. Eine Verlängerung ist maximal bis zur definitiven Umnutzung möglich. Das Spital Zofingen als Vermieterin hat konkrete Pläne mit dem Gebäude und möchte dieses für den Spitalbetrieb nutzen. Es wird alles daran
setzen, dass das Bauvorhaben rasch umgesetzt werden kann.
Zur Frage 6: "Wie hoch ist der Mietzins samt Nebenkosten, den der Kanton der Spital Zofingen AG
bezahlt?"
Mit der Vermieterin wurde vereinbart, dass der vereinbarte Mietzins in Abwägung der öffentlichen
und privaten Interessen nicht kommuniziert wird.
Zur Frage 7: "Welche Kosten fallen für sämtliche Massnahmen an, die durch die Unterbringung dieser Asylsuchenden in Zofingen erforderlich sind, und wer bezahlt sie?"
Der Kanton übernimmt – wie bei allen anderen kantonalen Unterkünften – die Kosten für die Unterbringung und Betreuung der im alten Pflegezentrum Zofingen untergebrachten Asylsuchenden.
Ebenso kommt der Kanton für die Kosten des externen Sicherheitsdienstleisters auf.
Die Lohnkosten für die Lehrkräfte der Integrationskosten werden durch das Departement Bildung,
Kultur und Sport getragen.
Zur Frage 8: "Mit welchen finanziellen Folgen hat die Stadt Zofingen aus der künftigen Sozialhilfe zu
rechnen?"
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Der Betrieb von kantonalen Unterkünften führt nicht zu Sozialhilfehilfekosten für die Standortgemeinde, da der Kanton diese Unterkünfte betreibt und finanziert. Davon zu unterscheiden ist die Situation
rund um anerkannte oder vorläufig aufgenommene Flüchtlinge, welche über die freie Wohnsitzwahl
verfügen und somit nach einem positiven Entscheid in eine Gemeinde ihrer Wahl ziehen können. Der
Betrieb einer kantonalen Unterkunft hat jedoch nicht direkt zur Folge, dass Flüchtlinge in diese
Standortgemeinde zuziehen. Als Beispiel kann die kantonale Unterkunft in Rekingen genannt werden, wo während des nun bereits 5-jährigen Betriebs noch keine einzige Person mit Flüchtlingsstatus
in die Gemeinde zugezogen ist. Umgekehrt nahmen beispielsweise in der Gemeinde Suhr bereits
vor Einrichtung der kantonalen Unterkunft viele Flüchtlinge Wohnsitz.
Sind Flüchtlinge, welche in eine Gemeinde zugezogen sind, von der Sozialhilfe abhängig, so übernimmt der Kanton die Kosten der Sozialhilfe während einer gewissen Frist. Für Flüchtlinge mit einer
Aufenthaltsbewilligung (B-Bewilligung) dauert der Kostenersatz des Kantons fünf Jahre ab Einreichung Asylgesuch, für Flüchtlinge mit einer vorläufigen Aufnahme (F-Bewilligung mit Flüchtlingsanerkennung) sieben Jahre ab Einreise in die Schweiz. Für Personen mit einer vorläufigen Aufnahme
(F-Bewilligung ohne Flüchtlingsanerkennung) läuft der Kostenersatz des Kantons unbefristet.
Zur Frage 9: "Wie konkret kann aus Sicht des Regierungsrats erreicht werden, dass die finanziellen
Lasten künftig gerechter auf die Gemeinden im Kanton verteilt werden, zum Beispiel
a)
b)
c)
in der laufenden Revision des Sozialhilfe- und Präventionsgesetzes?
im Finanz- und Lastenausgleich?
mit anderen Modellen des Sozialhilfeausgleichs unter den Gemeinden?"
Die Revision des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe und die soziale Prävention (Sozialhilfeund Präventionsgesetz, SPG) sieht Massnahmen zur Sicherstellung genügender Asylunterkünfte
vor. Der Grosse Rat hat in erster Lesung die Erarbeitung eines Standortkonzepts für die Bereitstellung von regional ausgewogen verteilten Asylunterkünfte unterstützt. Verschiedene Prüfaufträge
wurden erteilt, unter anderem für ein Entschädigungsmodell, das für Gemeinden, die eine Grossunterkunft beherbergen, einen finanziellen Anreiz schafft. Hingegen soll die Möglichkeit für Gemeinden,
anstelle einer Aufnahme von Asylsuchenden eine Ersatzabgabe zu leisten, abgeschafft werden.
Damit soll die Verbundaufgabe der Unterbringung von Asylsuchenden künftig solidarischer ausgestaltet werden. Die Finanzierung des Asylbereichs erfolgt grundsätzlich durch den Kanton (siehe
Beantwortung zu den Fragen 7 und 8). Lediglich Flüchtlinge, die länger als fünf beziehungsweise
sieben Jahre von der Sozialhilfe abhängig sind, fallen den Gemeinden auch kostenmässig an. Sie
tragen die entsprechenden Kosten, wobei sich der Kanton gemäss § 47 ff. SPG an den Nettoaufwendungen der Gemeinden mit 28 % beteiligt. Die Beitragssätze für die einzelnen Gemeinden sind
abgestuft und basieren auf einer komplexen Berechnung. Diese berücksichtigt die Fallzahlen sowie
die Nettokosten – jeweils im Verhältnis zum kantonalen Durchschnitt – und ist so ausgestaltet, dass
der Beitragsanspruch einer Gemeinde mit zunehmender Fallzahl und zunehmenden Kosten stark
progressiv verläuft. Dies bewirkt einen entsprechenden Lastenausgleich.
Am 12. Dezember 2014 wurde der Anhörungsbericht zur Neuordnung der Aufgabenteilung und des
Finanzausgleichs veröffentlicht. In diesem Rahmen sind wesentliche Änderungen bei den Finanzflüssen im Zusammenhang mit der Sozialhilfe vorgesehen:
•
•
Die Gemeinden sollen künftig allein für die Finanzierung der Sozialhilfe verantwortlich sein.
Der bisherige Kantonsbeitrag entfällt. Die Mehrbelastung der Gemeinden wird aber im Rahmen der ganzen Aufgabenverschiebungsbilanz saldoneutral ausgeglichen.
Gleichzeitig wird im Rahmen des Finanzausgleichs ein Soziallastenausgleich eingeführt:
Gemeinden mit einer überdurchschnittlichen Belastung im Sozialbereich (gemessen an der
Sozialhilfequote) erhalten Beiträge, Gemeinden mit einer unterdurchschnittlichen Belastung
leisten Abgaben.
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•
Weiter sollen die Risiken, die mit kostenintensiven Einzelfällen verbunden sind, reduziert
werden: Kosten von über Fr. 40'000.– pro einzelnem Fall und Jahr sollen von allen Gemeinden zusammen finanziert werden, und zwar im Verhältnis zu ihrer Einwohnerzahl.
Mit der vollständigen Übertragung der Finanzierungsverantwortung an die Gemeinden wird der
Grundsatz der fiskalischen Äquivalenz umgesetzt. Gleichzeitig geht aber auch der Aspekt der Solidarität und des Ausgleichs der Lasten nicht verloren. Im Gegenteil: statt indirekt über abgestufte Kantonsbeiträge erfolgt ein Ausgleich der Lasten direkt über einen expliziten Lastenausgleich, was einfacher und transparenter ist. Die Solidarität unter den Gemeinden wird dadurch gestärkt – ohne dass
die einzelnen Gemeinden das Interesse daran verlieren, die Kosten der Sozialhilfe im Griff zu behalten. Wegen der horizontalen Finanzierung des Soziallastenausgleichs wird es hingegen für einzelne
Gemeinden sehr viel uninteressanter als heute, zu versuchen, sich gegenseitig Lasten zuzuschieben. Gemeinden, die im Sozialbereich stark unterdurchschnittlich belastet sind, werden substanzielle
Abgaben in den Soziallastenausgleich leisten müssen. Das dritte Element schliesslich, die gemeinsame Finanzierung jener Kosten, die in einem Einzelfall Fr. 40'000.– übersteigen, begrenzt das Risiko der Gemeinden und verhindert, dass insbesondere kleine Gemeinden wegen eines oder ganz
weniger Sozialhilfefälle massive Belastungen ihres Haushalts verkraften müssen.
Zur Frage 10: "Wie setzt sich der Regierungsrat auf Bundesebene für eine vermehrte Beteiligung der
Eidgenossenschaft an den finanziellen Kosten der Unterbringung, Betreuung und Schulung der
Asylbewerbenden ein?"
Die Aufgaben im Asyl- und Flüchtlingsbereich sind Verbundaufgaben, die von Bund, Kantonen und
Gemeinden gemeinsam wahrgenommen werden. Verschiedene Verschärfungen des Asylgesetzes in
den letzten Jahren haben dem wachsenden Zustrom von asylsuchenden Personen Rechnung getragen. Aktuell erfolgt eine Neustrukturierung des Asylbereichs. Bund und Kantone haben in einer gemeinsamen Erklärung einstimmig die Eckwerte für die Gesamtplanung vereinbart. Ziel der Neustrukturierung ist insbesondere eine weitere Beschleunigung der Asylverfahren. Vorgesehen ist zudem
ein Kompensationsmodell für Kantone, die besondere Aufgaben und Verpflichtungen übernehmen.
Bund, Kantone, Gemeinde und Städte haben sich dafür ausgesprochen, die Umsetzung der Neustrukturierung weiterhin gemeinsam anzugehen. Auch der Kanton Aargau engagiert sich dementsprechend auf Bundesebene für die Neuorganisation im Asylbereich und die Straffung der Asylverfahren. Parallel dazu wird die Gesetzgebung vorbereitet für eine weitere Revision des Asylgesetzes.
Gesamthaft kann festgehalten werden, dass sowohl Bund als auch Kanton grosse Anstrengungen
unternehmen, um die Auswirkungen des Asylbereichs in begrenztem Rahmen zu halten. Die vorgenannten Beispiele sind nur einige wenige der verschiedenen Bemühungen auf allen Ebenen. Weitere
Gesetzesrevisionen sind in Planung, parlamentarische Vorstösse auf Bundesebene werden zu weiteren Aktivitäten führen.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'723.50.–.
Herbert H. Scholl, FDP, Zofingen: Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass die Interpellanten mit der
Antwort nicht zufrieden, sondern enttäuscht sind. Ich mache einige wenige Hinweise in der kurzen
mir zur Verfügung stehenden Zeit.
In der Frage 4 geht es um den Schulbesuch der Kinder. Hier wird darauf hingewiesen, dass Räumlichkeiten im Gemeinde- beziehungsweise Bezirksschulhaus in Zofingen zur Verfügung gestellt werden sollen. In der Zwischenzeit haben wir erfahren, dass es auch um Räumlichkeiten in der Kantonsschule geht. Wir legen Wert darauf, dass der Kantonsschulbetrieb – und überhaupt der Standort
der Kantonsschule – durch dieses Asylzentrum nicht beeinträchtigt werden darf und bitten den Regierungsrat, und selbstverständlich auch den Stadtrat von Zofingen, hier zum Rechten zu sehen.
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In der Frage 5 haben wir gefragt, ob es sicher sei, dass dieses Asylzentrum bis Ende 2016 wieder
aufgehoben wird, wie es an der Orientierungsversammlung in Zofingen versprochen worden ist. Es
wird aber in der Antwort nur gesagt: "Das Spital Zofingen wird alles daran setzen, dass das Bauvorhaben rasch umgesetzt werden kann." Nun lesen wir am 21. Februar 2015 im Zofinger Tagblatt in
einem Interview mit dem CEO des Spitals Zofingen, Dr. Christian Reize, dass erst bis Ende dieses
Jahres das weitere Vorgehen festgelegt werden soll. Ich zitiere Dr. Christian Reize wörtlich: "Wir sind
aktuell an der weiteren Nutzungsplanung. Hierbei wägen wir Kosten und Nutzen der verschiedenen
Varianten gegeneinander ab. Ziel ist es, dieses Jahr definitiv über die weitere Entwicklung zu beschliessen."
Wir alle wissen, dass Spitalvorhaben für die Umsetzung mindestens drei Jahre, wenn nicht wesentliche Beschwerden eintreffen, benötigen. Damit wird die Frist bereits jetzt um zwei weitere Jahre – bis
zum Ende des Jahres 2018 – verlängert. Der Regierungsrat nimmt dazu nicht Stellung, was wir bemängeln.
Wir haben nach dem Mietzins gefragt. Der Mietzins wird nicht bekannt gegeben in Abwägung der
öffentlichen und privaten Interessen. Meine Damen und Herren, der Kanton Aargau ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, das Spital Zofingen ist eine Aktiengesellschaft, dessen Aktien 100,0
Prozent im Eigentum der Kantonsspital Aarau AG sind und diese steht zu 100,0 Prozent im Eigentum des Kantons Aargau. Es sind also alles öffentliche Interessen. Wo hier private Interessen im
Spiel sein sollen – und erst noch in überwiegender Anzahl – ist nicht ersichtlich. Es schafft weiter
Ungewissheit, was hier alles vereinbart worden ist.
Zur Frage 8, welche finanziellen Folgen auf die Stadt Zofingen zukommen, haben wir nur allgemeine
Ausführungen erhalten. Es wird nichts konkretisiert. Es werden einige Grundsätze, die bereits bekannt sind, zusammengefasst, aber keine konkreten Angaben gemacht.
Der Regierungsrat hat eine Chance verpasst, hier Vertrauen zu schaffen. Sabina Freiermuth und ich
wollten ihm die Gelegenheit geben, hier mehr Klarheit zu schaffen. Die Chance ist verpasst. Das
Misstrauen bleibt. Wir sind nicht zufrieden.
Vorsitzender: Namens der Interpellantin und des Interpellanten erklärt sich Herbert H. Scholl von der
Antwort nicht befriedigt. Das Geschäft ist erledigt.
0812 Interpellation Dr. Martina Sigg, FDP, Schinznach, Clemens Hochreuter, SVP, Aarau, Theres Lepori, CVP, Berikon, und Lilian Studer, EVP, Wettingen, vom 2. Dezember 2014 betreffend Situation der Palliative Care im Aargau; Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 0694)
Mit Datum vom 18. Februar 2015 hat der Regierungsrat die Interpellation beantwortet.
Vorbemerkungen
Das Departement Gesundheit und Soziales hat im Juni 2012 beschlossen, ein kantonales Palliative
Care-Konzept auszuarbeiten. Zu diesem Zweck wurde eine Arbeitsgruppe unter der Leitung der Abteilung Gesundheitsversorgung ins Leben gerufen. In der Arbeitsgruppe sind folgende Institutionen
vertreten: Aargauischer Ärzteverband, Aargauer Hospizverein, Akutspitäler, Alters- und Pflegeheime,
BENEVOL Aargau, Krebsliga Aargau, Onko-Spitex Aargau, palliative Aargau, Reformierte Landeskirche Aargau und Spitex Verband Aargau.
Im Rahmen der Projektarbeit wurden zuerst Vertreter anderer Kantone eingeladen, die über die Umsetzung von Palliative Care in ihren jeweiligen Kantonen berichtet haben. Im Verlauf des letzten
Jahrs wurde ein Konzept mit Handlungsempfehlungen ausgearbeitet. Dieses soll noch im Frühling
dem Regierungsrat vorgelegt werden, um die Ausgabenkompetenz für die im Aufgaben- und Finanzplan (AFP) 2015–2018 eingestellten Mittel zu erhalten. Das Projekt ist in diesem Sinn abgeschlossen
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und die inhaltlich ausgezeichnete und sehr engagierte Mitarbeit der Projektgruppenmitglieder verdankt.
Die im AFP 2015–2018 eingestellten Beträge reichen jedoch nicht aus, um das ursprünglich vorgesehene Pilotprojekt für die somatische Versorgung (mobiler Palliativ-Dienst) aufzuziehen. Die damit
verbundenen Kosten betragen, (konservativ geschätzt aufgrund der Ausgaben anderer Kantone für
ähnliche Projekte) zwischen 3–3,5 Millionen Franken. Die Handlungsempfehlungen wurden vor diesem Hintergrund den vorhandenen Mitteln angepasst, und fokussieren einerseits auf die kantonale
Unterstützung von Fort- und Weiterbildung von Fachpersonen und Freiwilligen, andererseits auf die
Etablierung einer Anlaufstelle Palliative Care. Letztere soll Öffentlichkeitsarbeit betreiben, bei Anfragen aus der Bevölkerung beraten beziehungsweise vermitteln, Aus- und Fortbildungen mit multiprofessionellem Fokus (Fallvorstellungen, Konferenzen, Tagungen) organisieren und die Koordination
der Bildungsgutschriften übernehmen.
Nach der Stabilisierung des kantonalen Finanzhaushalts soll ein umfassenderes Palliative CareProjekt initiiert werden, das die in der Nationalen Strategie Palliative Care festgehaltenen Versorgungsstandards umsetzt. Die bis jetzt geschaffenen Grundlagenarbeiten werden den Projektstart
dann erheblich erleichtern.
Zur Frage 1: "Folgende Beträge sind im AFP budgetiert: 2014 Fr. 250'000.–, 2015 Fr. 350'000.–,
2016 Fr. 450'000.– und 2017 Fr. 550'000.–. Was genau wird mit diesen Geldern finanziert? Falls ein
Teil dieser Gelder eingesetzt wird, um die Ausbildung zu fördern: welche Ausbildungen werden gefördert? Wer profitiert davon: die Freiwilligenarbeit oder professionelle Organisationen?"
Aus konzeptionellen Gründen wurde das im 2014 budgetierte Geld noch nicht verwendet, da zuerst
die Grundlagen erarbeitet werden mussten, um mögliche Handlungsempfehlungen bezüglich ihrer
Wirkung auf die Versorgungssituation beurteilen und priorisieren zu können. Insgesamt resultierte
eine Projektverschiebung von einem Jahr. Demzufolge sind für die Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Arbeitsgruppe im AFP 2015–2018 in den nächsten vier Jahren die folgenden Beträge
budgetiert:
Jahr
AFP 2015–2018
2015
2016
2017
2018
Fr. 350'000.–
Fr. 450'000.–
Fr. 550'000.–
Fr. 550'000.–
Mit diesen Geldern beteiligt sich der Kanton einerseits an der Finanzierung einer Anlaufstelle für
Palliative Care für die Bevölkerung, andererseits an den Weiterbildungen für Fachpersonen an Aargauer Institutionen (Spitäler, Alterspflegeheime, Spitexorganisationen) und Ausbildungen für Freiwillige. Dadurch wird der Kenntnisstand zu Palliative Care nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch
in den Institutionen erhöht. Schlussendlich profitiert davon die ganze Bevölkerung, weil die Versorgung am Lebensende verbessert wird.
Zur Frage 2: "Palliative Care ist bereits integrativer Bestandteil in ambulanten Strukturen (Spitex), in
Spitälern, in Pflegeheimen, im Hospiz in Brugg und anderen mehr. Welche Organisationen haben
bereits einen Leistungsauftrag des DGS für Palliative Care? Gibt es Leistungen, die nur mit einem
Leistungsauftrag des DGS angeboten werden können?"
Ein spezifischer Leistungsauftrag für Palliative Care ist bisher nur an Institutionen der Akutversorgung ergangen. Gemäss Art. 4 Abs. 4 der Pflegeverordnung (PflV) kann der Regierungsrat in der
Pflegeheimkonzeption jedoch auch geeigneten stationären Leistungserbringern einen speziellen
Leistungsauftrag unter anderem für spezialisierte Palliative Care erteilen. Ein entsprechendes Ge24. März 2015
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such wurde, jedoch bis jetzt seitens der Pflegeheime nie gestellt. Im Bereich der ambulanten Pflege
(Spitex) sind die Gemeinden und nicht der Kanton für die Erteilung eines Leistungsauftrags zuständig. Grundsätzlich können und werden Leistungen im Rahmen der Palliative Care auch ohne Leistungsauftrag des Departements Gesundheit und Soziales angeboten. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) übernimmt nach Art. 25 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Diese Leistungen umfassen die Untersuchungen, Behandlungen und
Pflegemassnahmen, die ambulant, bei Hausbesuchen, stationär oder in einem Pflegeheim von Ärztinnen oder Ärzten, Chiropraktorinnen oder Chiropraktoren oder Personen, die auf Anordnung oder
im Auftrag einer Ärztin oder eines Arztes Leistungen erbringen, durchgeführt werden. Nur im Rahmen von Spitalaufenthalten, beziehungsweise Pflegeheimplätzen (kantonale Spitalliste beziehungsweise kantonale Pflegeheimliste), hat ein kantonaler Leistungsauftrag Einfluss auf die Finanzierbarkeit der Leistungen.
Gemäss den Anforderungen für die Aufnahme auf die Aargauer Spitalliste müssen alle Spitäler über
eine Basisversorgung bezüglich Palliative Care verfügen. Dabei erfolgt die stationäre palliative
Grundversorgung durch spitalinterne Teams, bestehend aus Ärztinnen und Ärzten, sowie Pflegenden
mit entsprechender Ausbildung, und umfasst nebst Symptomtherapie auch Physiotherapie, rehabilitative und präventive Massnahmen sowie psychologische, psychosoziale und spirituelle Betreuung.
Für sterbende Patienten und ihre Angehörigen stehen in den Spitälern Einzelzimmer zur Verfügung.
Spitäler mit dem Leistungsauftrag "Palliative Care Kompetenzzentrum" müssen erhöhte Anforderungen erfüllen, insbesondere müssen sie die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG), der schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) und palliative.ch
erarbeiteten Versorgungsstrukturen für spezialisierte Palliative Care in der Schweiz erfüllen. Diese
Anforderungen werden im Anhang 5 der Aargauer Spitalliste 2015 Akutsomatik "Detaillierte Anforderungen pro akutsomatische Leistungsgruppe" festgehalten. Auf der Spitalliste 2015 haben sieben
Aargauer Spitäler den Leistungsauftrag "Palliative Care Kompetenzzentrum", namentlich das Kantonsspital Aarau, das Kantonsspital Baden, die Hirslanden Klinik Aarau, die Klinik Barmelweid, das
Gesundheitszentrum Fricktal, das Spital Zofingen und das Asana Spital Menziken. Davon bieten
zwei (Spital Zofingen und Hirslanden Klinik Aarau) auch ein Palliativambulatorium an.
Zur Frage 3: "Wie werden diese Leistungen nach Leistungserbringer finanziert? Welche Leistungen
werden genau vergütet? Welche Leistungen sind nicht gedeckt, was müssen die Patienten selber
finanzieren je nach Leistungserbringer?"
Das KVG geht von der Verantwortung der Ärztin oder des Arztes für die Behandlung aus. Gemäss
Botschaft zur Revision der Krankenversicherung soll die Grundversorgung für die Patientinnen und
Patienten in erster Linie unter der Obhut und Führung der Ärztin oder des Arztes erbracht werden.
Diese sollen sozusagen in einer Scharnierfunktion im Zusammenwirken mit den anderen Leistungserbringern den Leistungsbedarf und die Bedarfsdeckung in zweckmässiger und optimaler Form zusammenführen. Für die anderen Leistungserbringer gilt demgegenüber, dass sie nur auf ärztliche
Anordnung hin für die soziale Krankenversicherung tätig werden können.
Im Gegensatz zu den Leistungen der Ärztinnen und Ärzte werden für Arzneimittel, Analysen, Mittel
und Gegenstände, präventivmedizinische Leistungen, Leistungen bei Mutterschaft sowie für Leistungen von nichtärztlichen Leistungserbringern Listen geführt, welche die von der OKP vergüteten Leistungen in abschliessender Weise nennen.
Nach Art. 56 Abs. 1 und 2 KVG muss sich der Leistungserbringer in seinen Leistungen auf das Mass
beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist.
Für darüber hinaus gehende Leistungen kann die Vergütung verweigert werden. Auch können die
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Versicherer Leistungen, die nicht im Leistungskatalog der obligatorischen Krankenpflegeversicherung OKP vorgesehen sind, nicht vergüten.
Palliative Care ist zwar ein Versorgungskonzept, aber kein Begriff der OKP. Ärztliche Leistungen
sowie therapeutische und pflegerische Leistungen (falls von einer Ärztin oder einem Arzt verordnet),
werden von der OKP vergütet. Jedoch sind oftmals Betreuungsleistungen wie auch die psychologische, soziale und spirituelle Unterstützung der Patientinnen und Patienten von einer fehlenden Finanzierung betroffen, da diese Leistungen nicht zum Leistungsbereich der OKP gehören. So bestehen im Allgemeinen Finanzierungslücken bei folgenden, nicht in den Leistungsrahmen des KVG
passenden Tätigkeiten: Vorausschauende Planung, Koordination, Aus-, Weiter- und Fortbildung,
Netzwerktätigkeiten, Reisezeit, etc.
Im Rahmen der Nationalen Strategie Palliative Care wurden auf nationaler Ebene die folgenden Finanzierungsprobleme ausgemacht:







Die Koordination der Leistungserbringung zwischen allen Angeboten (insbesondere Übergang
zwischen stationären Einrichtungen und dem ambulanten Bereich) wird ungenügend bis gar
nicht abgegolten.
Ein wichtiger Grund ist, dass Hausärztinnen und Hausärzte nicht und die Spitex nur einmal im
Rahmen einer Bedarfsabklärung an einem Gespräch zur Entlassungsplanung im Spital teilnehmen können, da sie solche Leistungen nicht in Rechnung stellen können. (Es können nicht am
gleichen Tag ambulante und stationäre Leistungen verrechnet werden.)
Rundtischgespräche sind für alle beteiligten Dienstleistungserbringer ungenügend finanziell sichergestellt. Durch die Unmöglichkeit, am gleichen Tag ambulante und stationäre Leistungen zu
verrechnen, ist beispielsweise ein Austrittsgespräch zwischen einer stationären Institution und
der Spitex/Langzeitinstitution folglich nur für eine Seite finanziert.
Spitexorganisationen: Psychosoziale Unterstützung für Patienten und Angehörige sowie die Umsetzung von besonderen Massnahmen wie Präsenzzeiten, Nachtwachen und Trauerbesuche
sind keine KVG-Leistungen und deshalb nicht ausreichend finanziert. Zudem ist der Mechanismus zur Finanzierung von Hilfsmitteln für die Pflege zu Hause (Hilflosenentschädigung, Ergänzungsleistungen) sehr schwerfällig und kann dazu führen, dass die Betroffenen sich für einen
Spitalaufenthalt entscheiden.
In der stationären Langzeitpflege (Pflegeheime und Hospize) betreffen die meisten finanziellen
Probleme die ungenügende Finanzierung des Zeitaufwands in palliativen Situationen. (Erforderliche Pflegeleistungen überschreiten den maximalen Beitrag pro Tag, Neu-Einstufung einer Pflegesituation in Krisensituationen und zusätzlicher Zeitbedarf im Todesfall.)
Hausärztinnen und Hausärzte: Im TARMED-Katalog sind kommunikative und nicht-apparative
Leistungen in der Regel unterdotiert. Zudem bestehen Limitationen bezüglich Anzahl Hausbesuche und anderer Leistungen, die pro Quartal verrechnet werden können, und die in Palliativsituationen oft überschritten werden.
Die Finanzierung der mobilen Palliativ-Dienste ist ungesichert. Nur wenn sie Leistungen der
Grundversorgung in direktem Patientenkontakt (erste Linie) komplementär zur Grundversorgung
übernehmen, ist die Dienstleistung durch die Kostenträger (Krankenkassenbeiträge, Patientenbeteiligung und Restkostenfinanzierung) finanziert. Kommen sie in einem Pflegeheim zum Einsatz (zweite Linie), ist ihre Finanzierung nicht geregelt. (Ausser in Kantonen, in denen der Kanton die Finanzierung übernimmt, wie beispielsweise Waadt, Thurgau, Tessin, Basel-Stadt.)
Die Finanzierung der Begleitdienste durch Freiwillige (zum Beispiel Spesen, Supervision, Einsatzkoordination) sowie der Aus- und Weiterbildung von Freiwilligen ist nicht gesichert.
Zur Frage 4: "Gibt es eine Zeitbeschränkung der Leistungsfinanzierung in der letzten Lebensphase?
Kann der Patient wirklich frei entscheiden, wie und wo er seine letzte Lebensphase verbringen will?"
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Sowohl für den stationären wie auch für den ambulanten Langezeitpflegebereich sind hinsichtlich
Palliative Care die in Art. 7 der Verordnung über die Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (KLV) geregelten Pflegeleistungen von besonderer Bedeutung. Grundsätzlich gibt es
keine Zeitbeschränkung hinsichtlich der Leistungsfinanzierung in der letzten Lebensphase. Im Rahmen der Neuregelung der Pflegefinanzierung wurde zudem Art. 8a Abs. 3 KLV angepasst. Seit dem
1. Januar 2011 ist die Begrenzung von 60 Stunden pro Quartal nicht mehr absolut formuliert, sondern wird als Möglichkeit festgehalten. Die ärztlichen Aufträge oder Anordnungen können von der
Vertrauensärztin oder vom Vertrauensarzt (Art. 57 KVG) überprüft werden, wenn voraussichtlich
mehr als 60 Stunden pro Quartal benötigt werden.
Jedoch kann die Frage der Kostenübernahme von nicht KLV-pflichtigen Leistungen ein Hindernis
bezüglich der freien Wahl der Behandlungsform in der letzten Lebensphase darstellen. Gerade im
ambulanten Bereich sind wichtige begleitende Massnahmen wie psychosoziale Unterstützung für
Patienten und Angehörige, Nachtwachen, Finanzierung von Hilfsmitteln für die Pflege zu Hause (zum
Beispiel Pflegebett) und Trauerbesuche bei Verwandten und Angehörigen keine KVG-Leistungen
und deshalb nicht ausreichend finanziert. All das kann dazu führen, dass die Betroffenen sich gegen
ihren Wunsch für einen Spitalaufenthalt entscheiden, weil hier diese Finanzierungsfragen gelöst sind.
Zur Frage 5: "Verschiedene Anbieter bieten Ausbildungen an für Freiwillige und Professionelle. Gibt
es Schnittstellen? Werden die Ausbildungsgänge koordiniert?"
Das im Rahmen der Nationalen Strategie Palliative Care erarbeitete nationale Bildungskonzept "Palliative Care und Bildung" hat sich zum Ziel gesetzt, gesamtschweizerische Empfehlungen zu den von
den Stakeholdern getragenen (gemeinsamen) Bildungszielen in allen für die Palliative Care massgeblichen Ausbildungen auf den Stufen Sekundar II bis Tertiär und Weiterbildung zu schaffen. Dazu
gehören auch in der Aus- und Weiterbildung zu entwickelnde Querschnittskompetenzen zwischen
den verschiedenen Berufsgruppen (interprofessionelle Module) 1. Dieses strategische Grundlagenpapier berücksichtigt dabei die bestehenden Strukturen der schweizerischen Bildungssystematik, die
bestehenden Bildungsgefässe von Sekundarstufe II bis Tertiärstufe sowie die unterschiedlichen
Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Vorgaben in den Rechtsgrundlagen. Begleitend dazu hat
der Verein palliative Schweiz eine Arbeitsgruppe Swiss Educ initiiert, die einerseits Rahmenbedingungen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung in Palliative Care entwickelt, andererseits die Koordination
und Abstimmung der verschiedenen Ausbildungsgänge im Bereich Palliative Care anstrebt.
Zur Frage 6: "Inwiefern soll Palliative Care in die GgPI 2025 einfliessen? Wie werden die einzelnen
Leistungserbringer berücksichtigt (inklusive Hospiz Aargau)?"
Für die Gesundheitspolitische Gesamtplanung 2025 (GGpl 2025) werden derzeit ebenfalls Strategien
zum Thema Palliative Care entwickelt, zu denen im Rahmen der Anhörung im Sommer 2015 Stellung bezogen werden kann. In die departementale Strategieentwicklung werden zu jedem Thema (so
auch zu Palliative Care) externe Fachexperten in sogenannte Begleitgruppen eingeladen, welche zu
ihren Fachgebieten befragt werden und somit Informationen zu aktuellen Branchenentwicklungen
beitragen können.
1
Abrufbar unter:
http://www.bag.admin.ch/themen/gesundheitspolitik/13764/13772/13790/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCKfXt6gWym162epYbg2c_JjK
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Zur Frage 7: "Die Arbeitsgruppe "Kantonales Palliative Konzept" ist momentan damit beschäftigt, das
kantonale Konzept zu erarbeiten. Da keine finanziellen Mittel vorhanden sind, um es umzusetzen,
nimmt uns wunder, was mit diesem Konzept vorgesehen ist: wie und an wen wird es kommuniziert
werden, und wie soll es weiter eingesetzt werden?"
Es stimmt nicht, dass keine finanziellen Mittel vorhanden sind, um die Handlungsempfehlungen der
Arbeitsgruppe "Kantonales Palliative Konzept" zu finanzieren. Es handelt sich um die bei der Beantwortung zur Frage 1 aufgeführten Mittel.
Der Kanton Aargau hat aufgrund der angespannten Finanzlage vor rund einem Jahr begonnen, im
Rahmen einer Leistungsanalyse Entlastungsmassnahmen zu treffen, um den finanziellen Handlungsspielraum des Kantons Aargau zu erhalten. In den Bereichen Bildung, Gesundheit, Soziales,
Sicherheit und Rechtsprechung ist die Aufwandentwicklung, vor allem bedingt durch externe Faktoren, nach wie vor hoch. Der Regierungsrat hält deshalb in der Botschaft zur 2. Beratung der Leistungsanalyse vollumfänglich an den angestrebten Entlastungszielen fest. Es geht darum, strukturelle
Defizite zu verhindern und den Verfassungs- und Gesetzesauftrag eines ausgeglichenen Staatshaushalts zu erfüllen.
Im Rahmen der Entlastungsmassnahmen mussten auch die für die Umsetzung des Kantonalen Palliative Care-Konzepts eingeplanten Mittel reduziert werden. Für das Projekt ist deshalb eine zweistufige Vorgehensweise geplant. In einem ersten Schritt sollen die bisherigen Arbeiten abgeschlossen
werden, sodass die bereits eingestellten Mittel für erste Massnahmen eingesetzt werden können. In
einem zweiten Schritt sind in der GGpl 2025 strategische Festlegungen zum Bereich Palliative Care
vorgesehen. Dadurch wird dem Thema Palliative Care deutlich mehr Gewicht als in den vorhergegangenen Planungswerken eingeräumt. Die Arbeitsgruppe hat sich im Sinne einer Priorisierung auf
zwei Handlungsempfehlungen geeinigt, die mit den reduzierten Mitteln umgesetzt werden können.
Die weiteren erarbeiteten Handlungsempfehlungen, für die im jetzigen Umfeld keine Finanzierung
auf kantonaler Ebene vorhanden ist, werden im Anhang beschrieben. Diese sollen im Rahmen der
Umsetzung der GGpl 2025 wieder aufgegriffen werden.
Die vordringlichste Handlungsempfehlung der Arbeitsgruppe ist der Aufbau von mobilen PalliativDiensten für den Kanton Aargau, die als Zweit-Linien-Angebot die Fachpersonen anleitend und beratend sowohl im ambulanten Bereich (Spitexorganisationen), als auch in der stationären Langzeitpflege (Alters- und Pflegeheime, Behindertenwohnheime) unterstützen. Um eine flächendeckende Versorgung mit Palliative Care zu gewährleisten, muss für den Kanton Aargau mit mindestens sechs
Teams, beziehungsweise Kosten von rund 3 Millionen Franken gerechnet werden. Aufgrund der angespannten finanziellen Lage der öffentlichen Hand ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Etablierung
solcher Dienste nicht machbar. Die Erwartungen müssen dementsprechend angepasst, und auf vorhandene Möglichkeiten konzentriert werden. Diese beinhalten insbesondere die subjektbezogene
Finanzierung von Weiterbildung in der Grundversorgung und der Freiwilligenarbeit, sowie die Etablierung einer Anlaufstelle für die Bevölkerung.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'517.–.
Dr. Martina Sigg, FDP, Schinznach: Um es gleich vorwegzunehmen: Wir sind mit der Antwort teilweise zufrieden. Wir danken dem Regierungsrat für das teilweise Beantworten unserer Fragen. Daraus
können wir entnehmen, dass das eingestellte Geld für eine Anlaufstelle Palliative Care eingesetzt
werden soll und dass in die Koordination der Ausbildungen investiert werden soll. Wir schätzen auch,
dass für Palliative Care in der Gesundheitspolitischen Gesamtplanung (GGpl) Strategien entwickelt
werden – noch mehr hätten wir es allerdings geschätzt, wenn in der Antwort des Regierungsrats
mehr Fleisch am Knochen gewesen wäre.
Leider hat die Beantwortung das aufgezeigt, was wir befürchtet haben: Der Kanton übernimmt in
dieser Frage keine Führungsaufgabe. Gerne nutze ich diese Gelegenheit, um dies in einem etwas
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grösseren Zusammenhang auszuführen: Es ist zu erwarten, dass es mit der Palliative Care genauso
gehen wird, wie mit vielen medizinischen Angeboten: Die Leistungserbringer erkennen ein Bedürfnis.
Sie schaffen ein Angebot. Mit der Zeit wird dieses Angebot ausgeweitet. Die Patienten lernen dieses
Angebot schätzen. Sie werden von den Leistungserbringern gezielt darauf aufmerksam gemacht,
das heisst, die Leistungserbringer steuern die Bedürfnisse der Patienten. Und schon haben wir ein
bestens funktionierendes Angebot, das gute Ausnützungsziffern hat. Der nächste Schritt ist logisch:
Der Kanton soll die Strukturen für dieses Angebot schaffen, soll die Spitalliste so anpassen und soll
Gelder sprechen. Und so dreht sich die Kostenspirale im Gesundheitswesen immer weiter. Wir
schaffen durch immer mehr Angebote immer mehr Bedürfnisse, die immer teurer zu befriedigen sind.
Dies ist zu erwarten, wenn den Spitälern freie Hand gegeben wird, wie sie die Palliative Care ausgestalten.
Auf der anderen Seite gibt es das Hospiz in Brugg, das ausgezeichnete und gut funktionierende
Strukturen privat geschaffen hat. Leider wird in der Beantwortung der Interpellation in keiner Weise
darauf eingegangen, obwohl wir konkret danach gefragt haben.
Und noch jemand kommt in der Beantwortung dieser Interpellation zu kurz: Es ist der Patient oder
die Patientin. Ist es wirklich so, dass die Gestaltung des letzten Lebensabschnittes vor allem von
pekuniären Fragen abhängig ist? Kann ich als Patientin, oder meine Angehörigen, nicht bis zuletzt
selbstverantwortlich entscheiden? Darf ich nicht erwarten, dass Palliative Care zur Grundversorgung
gehört? Wo ist eigentlich die Grenze zwischen dem Wohl des Patienten und dem Geschäft?
Wir fordern den Regierungsrat auf, hier Verantwortung zu übernehmen und eine Führungsfunktion
wahrzunehmen. Gespannt warten wir auf den diesbezüglichen Entwurf in der GGpl. Wir werden uns
dort einbringen. Wir sind teilweise zufrieden.
Vorsitzender: Namens der Interpellanten erklärt sich Dr. Martina Sigg von der Antwort teilweise befriedigt. Das Geschäft ist erledigt.
0813 Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (KESR); Einführungsgesetz zum Schweizerischen
Zivilgesetzbuch und Partnerschaftsgesetz (EG ZGB); Änderung; Einführungsgesetz zur
Schweizerischen Zivilprozessordnung; (EG ZPO); Änderung; Bericht und Entwurf zur 1. Beratung; Eintreten, Detailberatung und Gesamtabstimmung
(Vorlage-Nr.14.221-1 des Regierungsrats vom 19. November 2014)
Franz Hollinger, CVP, Brugg, Präsident der Kommission für Justiz (JUS): Mit der Botschaft 14.221
schlägt der Regierungsrat einerseits eine Änderung des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen
Zivilgesetzbuch und Partnerschaftsgesetz (EG ZGB) und andererseits eine Änderung des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (EG ZPO) vor.
Die Änderung des EG ZGB steht im Zusammenhang mit dem revidierten Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (KESR) des Bundes, welches am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist. Der Kanton Aargau hat sich zur Umsetzung des neuen Bundesrechts bekanntlich für die Gerichtslösung entschieden. Die Aufgaben der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden werden demzufolge durch die
Familiengerichte wahrgenommen, welche als solche aus drei Personen bestehen, nämlich der Bezirksgerichtspräsidentin oder dem Bezirksgerichtspräsidenten und zwei Fachrichterinnen oder Fachrichtern. Das ZGB gibt den Kantonen allerdings die Kompetenz, für bestimmte Geschäfte die Einzelzuständigkeit der Präsidentin oder des Präsidenten vorzusehen, wovon der Kanton Aargau bereits
Gebrauch gemacht hat. Gestützt auf die seit Anfang 2013 gemachten Erfahrungen sollen diese Einzelzuständigkeiten nunmehr ausgebaut werden, wodurch eine entsprechende Optimierung erreicht
werden kann. Dies rechtfertigt sich überall dort, wo das interdisziplinäre Fachwissen des Dreiergremiums nicht unbedingt notwendig ist. Gerade aus diesem Grund wird diese Vorlage aber keine grosse Entlastung der Familiengerichte zur Folge haben. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil es sich
hier in grossen Teilen um einen gesetzgeberischen Nachvollzug der bereits gelebten Wirklichkeit
handelt. Die geplanten Massnahmen führen deshalb zu einer Vereinfachung und eventuell zu einer
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Verkürzung der Verfahrensdauer, aber nicht zu einer spürbaren Entlastung der Personalsituation.
Das ist jedoch kein Grund, diese Revision nicht umzusetzen, umso mehr, als in einem nächsten
Schritt weitere Massnahmen angepackt werden sollen, um die Effizienz der Familiengerichte zu steigern und die Ressourcensituation in den Griff zu bekommen. Diese Thematik wird uns daher heute
nicht zum letzten Mal beschäftigen.
Weitere Änderungen betreffen das EG ZPO. Mit der ersten soll eine Erweiterung der Zuständigkeit
des Instruktionsrichters im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes vorgenommen werden.
Auch dies dient der Entlastung des Gerichts und der Vereinfachung der Verfahren. Mit der zweiten
Änderung wird eine einheitliche Zuständigkeit beim Bezirksgericht geschaffen, wenn in der gleichen
Streitsache für einen Teil der Beklagten das Handelsgericht und für den anderen Teil das Bezirksgericht zuständig wäre. Mit der dritten Änderung wird eine bundesrechtswidrige Bestimmung im Zusammenhang mit der vorläufigen Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten gestrichen.
Die Kommission für Justiz (JUS) hat die Botschaft des Regierungsrats vom 19. November 2014 an
ihrer Sitzung vom 23. Januar 2015 beraten. Sie ist einstimmig auf das Geschäft eingetreten und hat
den drei Anträgen auf den Seiten 14 und 15 ebenfalls mit 13 gegen 0 Stimmen zugestimmt.
Eintreten
Vorsitzender: Stillschweigend treten die Fraktionen der Grünen, GLP, BDP und SP auf die Vorlage
ein.
Annerose Morach, SVP, Obersiggenthal: Wie der Kommissionspräsident bereits ausgeführt hat,
werden mit den beiden Änderungen in den Einführungsgesetzen EG ZGB und EG ZPO die langen
Verfahren gestrafft und vereinfacht. Damit diese Straffung erreicht werden kann, sollen die Einzelrichter an den Familiengerichten mehr Kompetenzen erhalten und unbestrittene und rein formelle
Entscheide alleine treffen können. Sie müssen somit nicht mehr jedes Mal das interne fachliche
Gremium zur Beratung beiziehen.
Die SVP begrüsst jede Vereinfachung in den Verfahren, die zu einem effizienteren Abbau der immer
noch sehr hohen Fallzahlen führen. Mit dieser Einzelmassnahme sind aber die Problemstellungen
zwischen den Familiengerichten und den Gemeinden noch nicht umfassend behoben.
Dass diese Verfahrensabläufe und die Kommunikation mit den Gemeinden dringend verbessert werden müssen, kam bereits deutlich an der Debatte im letzten September zur Sprache, als die Justizleitung 18 neue Stellen beantragt hatte.
Bei eben dieser Beratung mit diesen Einführungsgesetzen hat das Parlament dem Regierungsrat
den Auftrag erteilt, es sei aufzuzeigen, wie die Verfahrensabläufe an den Familiengerichten noch
mehr vereinfacht und die Stellungnahmen der Gemeinden bei geplanten Massnahmen mit Kostenfolgen besser einbezogen werden können. Anlässlich der Beratung dieser Vorlage 14.221 hat der
Regierungsrat das Projekt "Optimierungsmassnahmen im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht"
vorgestellt, welches nun den Start zur Umsetzung dieses Auftrags bedeutet.
Dazu wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt mit je vier Vertretern aus Gemeinden und Kanton. Diese
soll bis Ende Jahr die Probleme an den Schnittstellen zwischen den Familiengerichten und den Gemeinden analysieren. Dazu treffen sich an einer grösseren Veranstaltung im Juni 2015 rund 25 Vertreter von Gemeinden und Familiengerichten, um eine grössere Auslegeordnung über die Schwachstellen dieses Systems zu machen.
Die Optimierung des komplizierten und teuren Systems wird im Aargau nun an die Hand genommen.
Zudem hat der Regierungsrat in der Beantwortung meiner Interpellation vom November 2014 ausgeführt, dass man auch auf Bundesebene daran ist, im Rahmen einer Evaluation zu prüfen, wie sich
die Qualität und Kosten der behördlichen Leistungen und neueröffneten Verfahren seit dem Inkrafttreten 2013 entwickelt haben und ob die Ziele dieses neuen Gesetzes überhaupt erreicht worden
sind. Es ist zu hoffen, dass der Bundesrat dann auch Handlungsbedarf sieht.
Viele kleine Schritte tragen hoffentlich dazu bei, dass das Image der stark in der Kritik stehenden
Behörden verbessert wird und – vor allem hier im Aargau – die Kommunikation und die Zusammen-
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arbeit mit den Gemeinden auf einen besseren Stand kommt. Die SVP ist einverstanden und stimmt
den Anträgen zu
Dr. Johannes Jenny, FDP, Baden: Das KESR ist ein weites Feld. Umstritten sind vor allem die
Schnittstellen. Heute geht es tatsächlich über weite Strecken bloss darum, die legaloide (in Übereinstimmung mit den Gesetzen) Rechtspraxis abzuschaffen beziehungsweise das Recht an die tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. Es ist eine Feinjustierung. Die FDP stimmt in nahezu stalinistischer Manier einstimmig zu.
Lilian Studer, EVP, Wettingen: Aufgrund der Beantwortung der Interpellation erkennt man den Willen
des Regierungsrats, Optimierungen an den Familiengerichten herbeizuführen. Diesen Willen hätten
wir bei der Beratung der Stellenbegehren der Justizleitung auch gerne gesehen. Allerdings ist dieses
Anliegen, wie in der Vorlage erwähnt, noch nicht ganz vom Tisch. Diesbezüglich werden wir im Laufe
des Jahres mehr erfahren. In Bezug auf die Möglichkeit der Einzelzuständigkeiten haben wir in der
Vorlage keine negativen Punkte festgestellt. Die EVP begrüsst diesen ersten Schritt zur Optimierung
der Familiengerichte und tritt auf die Vorlage ein.
Trudi Huonder-Aschwanden, CVP, Egliswil: Das eidgenössische Kindes- und Erwachsenenschutzrecht ist erst seit 1. Januar 2013 in Kraft. Bei jedem Gesetz gibt es laufend Optimierungspotenzial.
Diese Vorlage hat zum Inhalt, dass die KESR-Behörde künftig effizienter arbeiten kann. So sollen bei
einfachen Geschäften die Zuständigkeiten der Einzelrichter ausgedehnt werden. Dabei geht es also
um jene Massnahmen, die aufgrund ihres Inhalts nicht zwingend ein fächerübergreifendes Gremium
erfordern. Um die hohe Arbeitsbelastung zu verringern, sollen nun Abläufe vereinfacht werden. Zusätzlich wird parallel eine Erfahrungsgruppe geschaffen, die gleichberechtigt aus Gemeinden und
Kanton zusammengesetzt ist. Damit soll überprüft werden können, wo die Zusammenarbeit der beteiligten Stellen gestärkt und die Verfahrensabläufe verbessert werden können. Durch diese Vorlage
können folglich einige Optimierungen erzielt werden. Sie ist mit der letzten Vorlage 14.156 nicht zu
vergleichen. Die Situation an den Familiengerichten ist weiterhin angespannt. Die Fallbelastung ist
nach wie vor sehr hoch. Die Gerichte sind überlastet. Der Kanton Aargau ist mit sehr knapp berechneten Ressourcen gestartet. Eine Aufstockung wurde mit der letzten Vorlage vorläufig "auf Eis gelegt". Wie lange wir uns auf diesem dünnen Eis halten können, wird die Zukunft zeigen. Die CVP tritt
auf die Botschaft ein und stimmt allen Anträgen zu.
Andreas Glarner, SVP, Oberwil-Lieli: Ganz spontan und in Kürze: "Meister, die Arbeit ist fertig. Kann
ich wieder von vorne beginnen?" Dies ist ein Aufruf an alle hoch dekorierten Juristen in diesem Saal
und in dieser Kommission, die das alles gegen den Widerstand der SVP beschlossen haben. Wir
haben gewarnt: Das gibt einen Moloch. Das gibt einen Tiger, den man nicht mehr zähmen kann.
Jetzt haben wir ihn. Ich appelliere an alle, die eine juristische Ausbildung haben – ich habe einen
anderen Beruf erlernt – sich jetzt hier einzusetzen, damit es endlich vernünftig und gut kommt.
Schauen Sie mal, was wir Gemeindebehörden mit diesem Moloch täglich zu tun haben. Das ist jenseits von Gut und Böse. Deshalb bin ich nach vorne gekommen. Wenn man jetzt in sämtlichen Referaten wieder hört, wie ach doch so überlastet diese Behörde sei, dann schauen Sie mal, welch unsinnige Geschäfte diese Behörde von morgens bis abends an sich reisst. Wir haben Fälle, das würden Sie nicht glauben, was die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) unternehmen. Ich
kenne es aus erster Hand aus Baden und aus Bremgarten. Das reicht mir, um beurteilen zu können,
dass es für den Unsinn, der angerichtet wird, wahrscheinlich eher zu viel Personal hat.
Dr. Urs Hofmann, Landammann, SP: Ich danke Ihnen für die positive Aufnahme dieser Vorlage. Wie
es von verschiedenen Votantinnen und Votanten dargelegt wurde, ist das erst ein erster Schritt. Der
Grosse Rat hat den Regierungsrat, die Gerichte und die Gemeinden beauftragt, weitergehende Verbesserungs- und Rationalisierungsmassnahmen zu prüfen. Wie wir Ihnen in der Beantwortung der
Interpellation Morach dargelegt haben, wurde eine entsprechende Organisation auf die Beine gestellt. Darin ist einerseits unser Departement vertreten, andererseits die Gerichte, die Gemeindeam-
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männervereinigung, der Verband Aargauer Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber, der
Verband Aargauer Gemeindesozialdienste und die Vereinigung Aargauischer Berufsbeiständinnen
und Berufsbeistände.
Der Regierungsrat erwartet, dass die Arbeiten dieser Arbeitsgruppe zu erheblichen Vereinfachungen
– einerseits bei der Kommunikation, andererseits aber auch bei den Abläufen bei den Familiengerichten – führen werden. Der Regierungsrat erwartet auch, dass das Obergericht seine Führungsfunktion in diesem Bereich wahrnimmt, den einzelnen Bezirksgerichten sowie Familiengerichten klare Vorgaben macht und alles daran setzt, die Abläufe möglichst zu vereinfachen, um einen formalistischen Zusatzaufwand zu vermeiden. Wir sind zuversichtlich, dass wir Ihnen bis Ende dieses Jahres
Verbesserungsvorschläge unterbreiten können.
Noch einige Bemerkungen zu den Ausführungen von Grossrat Glarner: Herr Glarner weiss, dass der
Kanton Aargau mit den Familiengerichten eine bundesrechtliche Vorgabe umgesetzt hat – eine Vorgabe, dass fachspezifische Gremien die vormundschaftlichen Massnahmen aussprechen und die
politischen Behörden der Gemeinderäte ablösen. Diese Vorlage wurde im Bundesparlament grossmehrheitlich – auch mit den Stimmen fast aller SVP-Nationalrätinnen und -Nationalräte, Ständerätinnen und Ständeräte – beschlossen, was auch deshalb nicht erstaunte, weil die Vorlage vom damaligen SVP-Bundesrat Christoph Blocher den eidgenössischen Räten unterbreitet wurde. Dass wir im
Kanton Aargau das Gerichtssystem gewählt haben, hat sich auch im Quervergleich mit anderen Kantonen mit Sicherheit nicht als Nachteil erwiesen. Alle vergleichbaren Kantone beschäftigen in diesem
Bereich erheblich mehr Personal als der Kanton Aargau. Wir haben die Möglichkeit, von gewissen
Synergien zu profitieren. Die Kantone, die neue Behörden aus dem Boden gestampft haben, leiden
noch viel mehr unter der heutigen Situation. Sie mussten Nachtragskredite bewilligen, zusätzliches
Personal einstellen und haben die genau gleichen Diskussionen, was den Formalismus betrifft. Das
ändert aber nichts daran, dass wir im Kanton Aargau Verbesserungen anstreben. Ich habe es bereits
erwähnt: Ich bin überzeugt, dass Verbesserungen auch möglich sein werden. Sie werden darüber
Ende Jahr, anfangs des nächsten Jahres umfassend informiert.
Ich danke Ihnen für Ihr Eintreten und für die Beschlussfassung entsprechend den Anträgen des Regierungsrats.
Vorsitzender: Eintreten ist unbestritten.
Detailberatung
Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch und Partnerschaftsgesetz (EG ZGB)
Titel, I., § 60b Abs. 1–4, § 60c Marginalie, § 60c Abs. 3, § 67l Abs. 5, § 67m Abs. 4
Zustimmung
II. Einführungsgesetz zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (EG ZPO)
§ 16 Abs. 1, III., IV
Zustimmung
Einführungsgesetz zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (EG ZPO)
Titel, I., § 12 Abs. 2, § 13 Abs. 1, II., III., IV
Zustimmung
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Anträge gemäss Botschaft
Gesamtabstimmungen
Antrag 1 gemäss Botschaft wird mit 119 gegen 0 Stimmen gutgeheissen.
Antrag 2 gemäss Botschaft wird mit 120 gegen 0 Stimmen gutgeheissen.
Antrag 3 gemäss Botschaft wird mit 124 gegen 0 Stimmen gutgeheissen.
Beschluss
1. Der Entwurf der Änderung des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch und
Partnerschaftsgesetz (EG ZGB) im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts wird in
1. Beratung zum Beschluss erhoben.
2. Der Entwurf der Änderung des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Zivilprozessordnung
(EG ZPO) wird in 1. Beratung zum Beschluss erhoben.
3. Die Frist zwischen der 1. und 2. Beratung wird gemäss § 33 Abs. 4 des Gesetzes über die Organisation des Grossen Rates und über den Verkehr zwischen dem Grossen Rat, dem Regierungsrat
und der Justizleitung (Geschäftsverkehrsgesetz, GVG) auf zwei Monate verkürzt.
0814 Postulat der BDP-Fraktion (Sprecherin Maya Bally Frehner, Hendschiken), vom 4. November 2014 betreffend Kostenverteiler bei fürsorgerischen Massnahmen; Überweisung an
den Regierungsrat
(vgl. Art. 0618)
Mit Datum vom 11. März 2015 erklärt sich der Regierungsrat bereit, das Postulat mit folgender Erklärung entgegenzunehmen:
1. Grundsatz der Subsidiarität
Mit den nachfolgenden Ausführungen wird zunächst dargestellt, dass sowohl im Kindes- als auch im
Erwachsenenschutz der Grundsatz der Subsidiarität gilt. Das Einschreiten der Familiengerichte als
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) ist subsidiär, letztes Mittel und nur dort am Platz,
wo die freiwillige Betreuung durch die Familie und durch private oder öffentliche Dienste nicht ausreichen oder von vornherein nicht zum Ziel führen. Die Familiengerichte als KESB treffen gesetzliche
Maßnahmen somit erst dann, wenn die Angebote und Möglichkeiten der privaten Unterstützung und
öffentlichen Dienste ausgeschöpft sind. Daraus wird deutlich, dass die Gemeinden nur in einem Teilbereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes aufgrund von Entscheiden der Familiengerichte als
KESB zahlungspflichtig werden, im anderen Teilbereich tun sie dies im Rahmen der freiwilligen Betreuung aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes und somit ohne familiengerichtliches Einschreiten.
Die nachfolgenden Ausführungen umfassen nicht nur die Finanzierung von fürsorgerischen Unterbringungen gemäß Art. 426 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB). Eine fürsorgerische
Unterbringung wird in Art. 426 Abs. 1 ZGB wie folgt umschrieben:
"Eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer
verwahrlost ist, darf in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann."
Die nachfolgenden Ausführungen umfassen somit die Finanzierung von Maßnahmen im Kindes- und
Erwachsenenschutz.
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2. Kindesschutz
2.1 Massnahmen im Einverständnis der Eltern – ohne Entscheide der Familiengerichte
2.1.1 Ausgangslage
Ist das Wohl des Kindes gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie
dazu ausserstande, trifft die Kindesschutzbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des
Kindes (Art. 307 Abs. 1 ZGB). Diese Gesetzesbestimmung macht deutlich, dass die behördliche
Anordnung einer Kindesschutzmassnahme durch das Familiengericht erst dann veranlasst werden
muss, wenn es den Eltern selbst nicht gelingt, Abhilfe für ihr in seiner Entwicklung gefährdetes Kind
zu schaffen.
Bei einer Kindswohlgefährdung sind häufig zuerst kommunale Stellen (Sozialdienste der Gemeinden,
Schulsozialdienste, Schulpflegen, etc.) oder Jugend- und Familienberatungsstellen involviert. Vielfach gelingt es den Gemeinden in der Folge, im Einverständnis mit den Eltern einvernehmliche Lösungen zu finden wie beispielsweise eine sozialpädagogische Familienbegleitung oder eine Unterbringung eines Jugendlichen in einer stationären Einrichtung. Liegt das Einverständnis der Eltern vor
und kann der Kindeswohlgefährdung mit der getroffenen Lösung wirksam begegnet werden, erübrigt
sich eine Gefährdungsmeldung an das Familiengericht beziehungsweise eine Anordnung einer Kindesschutzmassnahme durch das Familiengericht.
2.1.2 Finanzierung
Die Grundsätze für die Gestaltung bedarfsgerechter Angebote an Einrichtungen für Menschen mit
besonderen Betreuungsbedürfnissen sowie die Kostenverteilung und die Finanzierung sind im Kanton Aargau im Gesetz über die Einrichtungen für Menschen mit besonderen Betreuungsbedürfnissen
(Betreuungsgesetz) vom 2. Mai 2006 geregelt. Um Kindswohlgefährdungen entgegenwirken zu können, bestehen Wohneinrichtungen mit einer Anerkennung gemäss Betreuungsgesetz für Kinder und
Jugendliche, die aufgrund familiärer oder sozialer Probleme einer stationären Betreuung bedürfen.
Für Zuweisungen während der Volksschule ist die Schulpflege zuständig, wenn das Einverständnis
der Eltern vorliegt (Übersicht Zuständigkeiten in: www.ag.ch/shw > Kinder & Jugendliche > Sonderschulen & Wohneinrichtungen > Merkblatt des Departements Bildung, Kultur und Sport vom 1. April
2014 betreffend Zuweisungsabläufe für Schulung und Wohnen für Kinder, Jugendliche und junge
Erwachsene in besonderen Betreuungseinrichtungen).
Die Finanzierung einer solchen stationären Betreuung eines Kindes oder Jugendlichen ist im Betreuungsgesetz wie folgt geregelt: Die Gemeinden zahlen eine Monatspauschale von Fr. 1'240.–, die
Eltern einen Beitrag von Fr. 25.– pro Übernachtung (§§ 53 Abs. 1 und 54 Verordnung über die Einrichtungen für Menschen mit besonderen Betreuungsbedürfnissen [Betreuungsverordnung] vom
8. November 2006). Die sogenannten Restkosten tragen zu 60 % der Kanton und zu 40 % die Gemeinden nach Massgabe ihrer Einwohnerzahl (§ 24 Abs. 3 Betreuungsgesetz).
Können die Eltern die Kosten anderer möglicher Lösungsmöglichkeiten, wie beispielsweise eine sozialpädagogische Familienbegleitung, nicht selbst tragen, wenden sie sich an die kommunale Sozialhilfebehörde, welche das Gesuch um materielle Unterstützung nach dem Gesetz über die öffentliche
Sozialhilfe und die soziale Prävention (Sozialhilfe- und Präventionsgesetz, SPG) vom 6. März 2001
prüft.
2.2 Von den Familiengerichten angeordnete Kindesschutzmassnahmen
2.2.1 Ausgangslage
Erst wenn es nicht möglich ist, dass die Eltern selbst für Abhilfe sorgen oder sie dazu ausserstande
sind, ordnen die Familiengerichte als Kindesschutzbehörden Massnahmen an. In der Regel stützen
sich die Familiengerichte dabei auf Sozialberichte, welche die Gemeinden im Auftrag der Familiengerichte über die gemeldete Kindeswohlgefährdung erstellen. Sozialberichte schildern, analysieren und
bewerten die Gefährdungssituation und zeigen den Handlungsbedarf im konkreten Einzelfall auf.
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Zudem erhalten die Gemeinden im Kanton Aargau Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn sie durch
eine geplante Massnahme des Familiengerichts in ihren Interessen, insbesondere finanzieller Natur,
wesentlich berührt werden (§ 64 Abs. 1 Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch
und Partnerschaftsgesetz [EG ZGB] vom 27. März 1911).
Gemäss § 67 Abs. 5 EG ZGB sind die Gemeinden im Kindesschutz vorschusspflichtig. Diese Bevorschussung ist bei den durch das Familiengericht verbindlich angeordneten Massnahmen unabdingbar, weil Massnahmen auch gegen den Willen der Betroffenen angeordnet werden müssen. Im Anschluss klärt die Gemeinde mit den Eltern deren finanzielle Beteiligung ab. Die Kostenbeteiligung der
Eltern im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht ist im ZGB vorgesehen.
In der nachfolgenden Tabelle werden die Hauptbereiche sowie die Kostenverteilung und Kostentragung aufgezeigt.
2.2.2 Finanzierung
Behördliche Massnahme der
Kindesschutzbehörde
Aufhebung des Aufenthaltsbestimmungsrechts
(Art. 310 ZGB) – verbunden
mit einer Fremdplatzierung
des Minderjährigen
Kostenverteilung und -tragung
a) Unterbringung in einer stationä-
• Gemeindepauschale: Fr. 1'240.– pro
ren Kinder- und Jugendeinrich-
Kalendermonat (§ 53 Abs. 1 Betreu-
tung mit Anerkennung gemäss
Betreuungsgesetz
ungsverordnung)
• Elternbeträge: Fr. 25.– pro Übernachtung (§ 54 Betreuungsverordnung)
• Restkosten: 60 % trägt der Kanton;
40 % tragen die Gemeinden nach
Massgabe ihrer Einwohnerzahl (§ 24
Abs. 3 Betreuungsgesetz)
b) Unterbringung in einer Pflegefamilie
• Eltern im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht (Art. 276 Abs. 1 ZGB), falls
möglich
• Wohnsitzgemeinde gemäss Sozialhilfe- und Präventionsgesetz
c) Unterbringung in einer stationä-
• analog oben Buchstabe b
ren Kinder- und Jugendeinrichtung mit Betriebsbewilligung
gemäss Betreuungsgesetz
"Mildere" Massnahmen
gemäss Art. 307 ZGB
Anordnung einer sozialpädagogische Familienbegleitung, eines
begleitetes Besuchsrechts, etc.
• analog oben Buchstabe b
2.3 Fazit
Der Hauptteil der kostenintensiven Betreuung von Kindern und Jugendlichen erfolgt in stationären
Einrichtungen, die über eine Anerkennung gemäss Betreuungsgesetz verfügen. Bei der Kostenverteilung und Kostentragung wird dabei nicht zwischen Unterbringungen von Kindern und Jugendlichen
unterschieden, die im Einverständnis der Eltern durch die Schulpflege oder den Gemeinderat erfolgen und jenen, die das Familiengericht als Kindesschutzschutzmassnahme anordnet: Die Gemeindepauschale von Fr. 1'240.– pro Kalendermonat sowie die Elternbeiträge von Fr. 25.– pro Übernachtung sind gleich, ebenso wie die Verteilung der Restkosten. 60 % trägt der Kanton, 40 % tragen die
Gemeinden nach Massgabe ihrer Einwohnerzahl. An diesem Prinzip ist nach Auffassung des Regie-
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rungsrats festzuhalten. Es spiegelt zudem den Grundsatz der Subsidiarität wider (vgl. Ausführungen
in Ziffer 1).
Im ersten Abschnitt der Begründung des Postulats ist folgende Textpassage enthalten:
"Kindes- und erwachsenenschutzrechtliche Massnahmen werden heute durch eine spezielle Behörde ausgesprochen, im Kanton Aargau durch das Familiengericht. Die Finanzierung erfolgt jedoch
nach wie vor durch die Gemeinden."
Die vorangehenden Ausführungen zeigen auf, dass diese Aussage im Zusammenhang mit der kostenintensiven Betreuung von Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen gemäss Betreuungsgesetz nicht zutrifft. Der Kanton beteiligt sich im Rahmen von 60 % an den Restkosten. Im Übrigen weist der Regierungsrat daraufhin, dass die Kostenbeteiligung des Kantons im Rahmen von
60 % an den Restkosten auch unter altem Vormundschaftsrecht erfolgte, als ausschliesslich die
Gemeinden stationäre Betreuungen von Kindern und Jugendlichen anordneten.
Bei Unterbringungen in Pflegefamilien oder in Einrichtungen, die gemäss Betreuungsgesetz nicht
anerkannt sind sowie bei "milderen" Massnahmen gemäss Art 307 ZGB sind die Gemeinden finanziell stärker belastet, sofern die Eltern die nötigen finanziellen Mittel nicht aufbringen können. Die
Finanzierung richtet sich in diesen Fällen nach dem SPG. Finanzielle Leistungen wie Kinderzusatzrenten und Kinderzulagen werden bei der Prüfung des Anspruchs auf Sozialhilfe zwar angerechnet.
Vor allem Unterbringungen in Pflegefamilien oder in nach Betreuungsgesetz nicht anerkannten Einrichtungen können Gemeinden trotzdem finanziell stark belasten. In Ziffer 4.2 unterbreitet der Regierungsrat dazu einen Lösungsvorschlag.
3. Erwachsenenschutz
3.1 Ausgangslage
Auch im Erwachsenenschutz gilt das Subsidiaritätsprinzip (Art. 389 ZGB). Die Erwachsenenschutzbehörde ordnet eine Massnahme erst an, wenn die Unterstützung der hilfsbedürftigen Person durch
die Familie, andere nahestehende Personen oder private oder öffentliche Dienste nicht ausreicht
oder von vornherein als ungenügend erscheint, wenn bei Urteilsunfähigkeit der hilfsbedürftigen Person keine oder keine ausreichende eigene Vorsorge getroffen worden ist und wenn die Massnahmen
von Gesetzes wegen nicht genügen. Im neuen Erwachsenenschutzrecht wird die Familiensolidarität
durch die Vertretung von Gesetzes wegen durch den Ehegatten und die eingetragene Partnerin oder
den eingetragenen Partner gestärkt (Art. 374 ff. ZGB). "Das Erwachsenenschutzrecht ist somit das
letzte Glied in der Versorgungskette." (vgl. CHRISTOPH HÄFELI, Zwei Jahre Kindes- und Erwachsenenschutzrecht – Erfolgs- und Risikofaktoren bei der Umsetzung, in: AJP 12/2014).
Selbst in jenen Fällen, in welchen das Familiengericht der hilfsbedürftigen Person eine Beiständin
oder einen Beistand bestellt, welche beziehungsweise welcher eine für diese Person geeignete Unterkunft suchen muss (beispielsweise in einem Pflegeheim), hat die Beiständin oder der Beistand
allenfalls gemeinsam mit dem kommunalen Sozialdienst die Finanzierung zu klären, sollten die Rente aus Alters-, Hinterlassenen und Invalidenversicherung, die eigenen finanziellen Mittel, etc. nicht
ausreichen. Die Klärung der Kostenfrage würde auch dann eintreten, wenn nicht eine Beiständin
oder ein Beistand, sondern ein Familienangehöriger sich um die Finanzierungsfragen einer Heimunterbringung für die hilfsbedürftige Person kümmern müsste.
3.2 Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung gemäss Art. 426 ff. ZGB
Vor dem Inkrafttreten des geltenden Kindes- und Erwachsenenschutzrechts am 1. Januar 2013 war
die Zuständigkeit zur Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung beziehungsweise einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung, wie die Bezeichnung unter altem Bundesrecht lautete, kantonalrechtlich wie folgt geregelt: Das (kantonale) Bezirksamt war zuständig für die Anordnung einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung von Mündigen und Entmündigten; bei psychisch Kranken konnte auch die
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Amtsärztin oder der Amtsarzt eine fürsorgerische Freiheitsentziehung anordnen. Weder unter altem
noch unter neuem Recht waren demgegenüber die Gemeinden für die Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung beziehungsweise einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung einer erwachsenen
Person zuständig (bei Unmündigen: Vormundschaftsbehörde).
An der gesetzlichen Regelung, wer die Kosten einer fürsorgerischen Unterbringung beziehungsweise
einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung einer erwachsenen Person zu tragen hat, nahm der Aargauer Gesetzgeber mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts im Grundsatz keine Änderung vor:
Die Kosten für die fürsorgerische Unterbringung gehen primär zulasten der betroffenen Person
(vgl. § 67r EG ZGB). Subsidiär trägt gemäß der Gesetzgebung über die öffentliche Sozialhilfe und
die soziale Prävention die Wohnsitzgemeinde die Kosten.
Konkret lässt sich die Kostentragung wie folgt zusammenfassen:
Behördliche Massnahme der
Erwachsenenschutzbehörde
Unterbringung wo?
Anordnung einer Fürsorgerischen Unterbringung in einer
geeigneten Einrichtung
(Art. 426 Abs. 1 ZGB) durch die
Familiengerichte als Erwachsenenschutzbehörden oder den
Amtsarzt/die Amtsärztin
a) Unterbringung in der Psychiatri-
Kostentragung
• Betroffene Person beziehungs-
schen Klinik Königsfelden oder in
weise obligatorische Kranken-
einer andern krankenkassen-
pflegeversicherung
pflichtigen Institution gemäss
Spitalliste
b) Unterbringung in einer stationä-
• Betroffene Person mit Behinde-
ren Einrichtung mit Anerkennung
rung: Individueller Beitrag nach
gemäss Betreuungsgesetz
Massgabe ihrer finanziellen
Leistungskraft (IV-Rente, Ergänzungsleitungen) und allfällige Hilflosenentschädigungen.
Sozialhilfebedürftigkeit ausgeschlossen (§ 29 Betreuungsgesetz)
• Wenn keine Behinderung:
Fr. 102.–/Tag; Bevorschussung
durch Gemeinde; wenn Finanzierung durch betroffene Person
nicht möglich: SPG (§ 30 Betreuungsgesetz)
• Restkosten: 60 % Kanton,
40 % Gemeinden nach Massgabe ihrer Einwohnerzahl (§ 24
Abs. 3 Betreuungsgesetz)
c) Unterbringung einer anderen
• Betroffene Person beziehungs-
Institution/Anstalt oder in einer
weise Wohnsitzgemeinde ge-
stationären Einrichtung mit einer
mäss Sozialhilfe- und Präventi-
Betriebsbewilligung gemäss Be-
onsgesetz
treuungsgesetz
3.3 Fazit
Fürsorgerische Unterbringungen von erwachsenen Personen werden von der Amtsärztin beziehungsweise vom Amtsarzt oder vom Familiengericht als Erwachsenenschutzbehörde angeordnet.
Werden fürsorgerische Unterbringungen in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden oder in einer
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andern krankenkassenpflichtigen Institution gemäss Spitalliste vollzogen, übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten des dortigen Aufenthalts und der Behandlung. Diese
Unterbringungen belasten die Gemeinden finanziell nicht. Erfolgt die Unterbringung in einer gemäss
Betreuungsgesetz anerkannten Einrichtung, richtet sich die Finanzierung nach Betreuungsgesetz
(vgl. Tabelle Buchstabe b).
Die Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung belastet eine Gemeinde finanziell dann stark,
wenn sie ausnahmsweise gemäss SPG finanziert werden muss. Dazu unterbreitet der Regierungsrat
einen Lösungsvorschlag unter Ziffer 4.2.
4. Lösungsvorschlag
4.1 Keine Änderung, wenn Unterbringung in gemäss Betreuungsgesetz anerkannter Einrichtung
Kosten entstehen einer Gemeinde, wenn das Familiengericht die Unterbringung eines Jugendlichen
oder einer hilfsbedürftigen Person in einer gemäss Betreuungsgesetz anerkannten Einrichtung anordnet. Wie aufgezeigt, erfolgt die Finanzierung in diesen Fällen nicht nach dem SPG, sondern nach
den Regelungen des Betreuungsgesetzes.
Bei diesen Fällen ist eine übermässige Belastung einer Gemeinde durch einen teuren Einzelfall zum
vornherein ausgeschlossen. Einerseits tragen Kanton (60 %) und Gemeinden (40 %) bereits heute
gemeinsam die Restkosten. Zweitens wird der Anteil der Gemeinden an den Restkosten von allen
Gemeinden zusammen nach Massgabe ihrer Einwohnerzahl finanziert. Wegen der gemeinsamen
Finanzierung des Restkostenanteils durch alle Gemeinden gibt es darüber hinaus kein finanzielles
Risiko infolge kostenintensiver Einzelfälle.
Diese Finanzierungsregelung soll im Kontext der Optimierung der Aufgabenteilung Kanton – Gemeinden und Neuordnung des Finanzausgleichs zwischen den Gemeinden nicht geändert werden.
Weiterhin zahlen Kanton und Gemeinden die Restkosten gemeinsam und wird der Gemeindeanteil
nach Massgabe der Einwohnerzahl unter allen Gemeinden verteilt. Die in der Anhörungsvorlage
vorgesehene leichte Flexibilisierung des Kostenteilers (Gemeindeanteil neu zwischen 35 % und
45 % statt fix bei 40 %) hat nichts mit der Aufgabenfinanzierung an sich zu tun, sondern soll lediglich
künftig den Ausgleich kleinerer Lastenverschiebungen zwischen Kanton und Gemeinden ermöglichen.
4.2 Teilpooling für kostenintensive Einzelfälle
Die Problematik finanzieller Risiken aus teuren Einzelfällen, welche vor allem für kleine Gemeinden
gravierend sein können, besteht bei der Sozialhilfe generell, nicht nur dann, wenn finanzielle Verpflichtungen aufgrund eines Entscheids des Familiengerichts entstehen. Hohe Sozialhilfekosten können auch bei langen Therapieaufenthalten suchtmittelabhängiger Personen anfallen oder wenn eine
mehrköpfige Familie umfassend unterstützt werden muss.
Aus Sicht des Regierungsrats sind die durch das Postulat aufgeworfenen Probleme unter dem Gesichtspunkt der kostenintensiven Einzelfälle anzugehen, nicht isoliert unter dem Gesichtspunkt der
Kosten für jenen Teilbereich der fürsorgerische Unterbringungen oder der kindes- und erwachsenenschutzrechtliche Massnahmen, bei welchen die Gemeinden basierend auf dem SPG finanziell stark
belastet werden. Dies trifft dann zu, wenn die Familiengerichte Unterbringungen von Minderjährigen
in Pflegefamilien oder in Einrichtungen ohne Anerkennung gemäss Betreuungsgesetz anordnen.
Ebenso trifft es zu, wenn die Familiengerichte fürsorgerische Unterbringungen von Erwachsenen
ausnahmsweise in Einrichtungen/Anstalten anordnen, die nicht auf der Spitalliste stehen oder gemäss Betreuungsgesetz nicht anerkannt sind.
Der Regierungsrat schlägt in der Vorlage zur Optimierung der Aufgabenteilung Kanton – Gemeinden
und Neuordnung des Finanzausgleichs zwischen den Gemeinden, zu welcher am 12. Dezember
2014 das Anhörungsverfahren gestartet wurde, daher folgende Lösung vor:
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Wenn die Kosten eines einzelnen Sozialhilfefalls pro Jahr die Grenze von Fr. 40'000.– übersteigen,
so wird jener Kostenanteil, welcher über dieser Grenze liegt von allen Gemeinden zusammen finanziert. Die Gemeinden leisten dabei in Relation zu ihrer Einwohnerzahl Beiträge an die gemeinsam zu
finanzierenden Kosten. Das Kostenrisiko pro Fall wird somit für jede Gemeinde auf jährlich
Fr. 40'000.– begrenzt.
Diese Risikobegrenzung ist wichtig, weil der vorgesehene Lastenausgleich solchen Einzelfällen nicht
Rechnung trägt.
5. Würdigung
Der Regierungsrat ist daher bereit, das Postulat im Sinne des unter Ziffer 4 aufgezeigten Lösungsvorschlags entgegenzunehmen. Auf weitergehende Änderungen soll verzichtet werden. Der Regierungsrat wird dem Grossen Rat gestützt auf die Ergebnisse des Anhörungsverfahrens "Optimierung
der Aufgabenteilung Kanton – Gemeinden und Neuordnung des Finanzausgleichs zwischen den
Gemeinden" im Rahmen der diesbezüglichen Botschaft (1. Lesung) Bericht erstatten und einen Antrag stellen.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 2'815.–.
Vorsitzender: Die Überweisung wird nicht bestritten. Das Postulat wird stillschweigend an den Regierungsrat überwiesen.
0815 Motion Matthias Jauslin, FDP, Wohlen (Sprecher), Richard Plüss, SVP, Lupfig, und Andreas Senn, CVP, Würenlingen, vom 25. November 2014 betreffend Änderung des Initiativrechts in § 64 der Aargauischen Kantonsverfassung; Ablehnung
(vgl. Art. 0679)
Mit Datum vom 18. Februar 2015 beantragt der Regierungsrat, die Motion mit folgender Begründung
abzulehnen:
Mit der Motion wird verlangt, dass die Verfassung des Kantons Aargau (Kantonsverfassung) so revidiert werden soll, dass für das Zustandekommen einer Volksinitiative mindestens die doppelte Unterschriftenzahl (somit 6'000) erforderlich ist. Konkret soll das notwendige Quorum in Prozenten der
Stimmberechtigten festgehalten werden. Damit soll der steigenden Zahl der Stimmberechtigten
Rechnung getragen werden.
Mit Datum vom 16. November 2010 hatte Richard Plüss, SVP, eine Motion eingereicht, welche,
nebst einem inhaltlichen Anliegen, grundsätzlich das gleiche Begehren beinhaltete: eine Erhöhung
der Unterschriftenzahl, beispielsweise auf 10'000.
Der Regierungsrat lehnte diese Motion mit Entscheid vom 23. Februar 2011 ab. Er verweist im Wesentlichen auf die dannzumalige Argumentation, welche nach wie vor Gültigkeit hat.
Unter anderem wies der Regierungsrat damals darauf hin, dass zwischen 1980 und 2010 im Schnitt
1,5 Initiativen pro Jahr eingereicht worden waren, was bescheiden sei. Die Motionäre halten dazu
fest, dass sich dieser Durchschnitt in den vergangenen vier Jahren erhöht habe, indem zehn Initiativen eingereicht worden seien. Das ergibt einen Schnitt von 2,5 Initiativen pro Jahr. Relativ gesehen
handelt es sich zwar um eine Steigerung von rund 60 %; die Gesamtzahl bewegt sich aber auf nach
wie vor tiefem Niveau, sodass nach Ansicht des Regierungsrats weiterhin keine Veranlassung besteht, mit der Erhöhung der notwendigen Unterschriftenzahlen korrigierend einzugreifen.
Es ist gerade Sinn und Zweck der Volksinitiative, einen Entscheidungsprozess nach den Absichten
einer kleinen Zahl von Stimmberechtigten anzustossen. Eine Minderheit soll mit einem Vorschlag an
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die Gesamtheit der Stimmberechtigten gelangen können, welche dann den endgültigen Entscheid
fällt. Der Regierungsrat geht mit den Motionären einig, dass es problematisch wäre, wenn die Volksinitiative im Übermass benutzt würde, sodass die Behörden und das Volk vorwiegend mit Volksinitiativen statt mit behördlich initiierten Geschäften beansprucht wären. Mit der genannten Zahl eingereichter Initiativen liegt diese Situation augenscheinlich nicht vor.
Und dies, obwohl der Kanton Aargau im interkantonalen Vergleich die zweittiefste Hürde für die Lancierung einer Initiative kennt. Einzig der Kanton Zürich verlangt ein noch tieferes Quorum.
Im Weiteren ist festzustellen, dass trotz deutlicher Zunahme der Stimmberechtigten eine erhebliche
Anzahl eingereichter Initiativen nicht zustande gekommen sind. Im Zeitraum von 1980–2010 waren
es 4 von 29, somit 8 %. In den Jahren 2011–2014 waren es sogar 5 von 15, was 33 % entspricht.
Dies zeigt, dass es trotz zunehmender Vielfalt von elektronischen Kommunikationsmitteln offensichtlich nicht einfacher geworden ist, die notwendige Anzahl Unterschriften zu erreichen. Das Verhältnis
Stimmberechtigte zur Anzahl notwendiger Unterschriften ist denn auch nicht relevant für den Aufwand, der für das Sammeln von Unterschriften betrieben werden muss. Die Tatsache, dass die Zahl
der Stimmberechtigten gestiegen ist, ändert nichts daran, dass jede einzelne Unterschrift mit den
entsprechenden organisatorischen Massnahmen und dem notwendigen zeitlichen und personellen
Einsatz beigebracht werden muss. Eine Erhöhung der notwendigen Unterschriftenzahl würde somit
einen entsprechend erhöhten Sammelaufwand bedeuten. Hinzu kommt, dass vor Einführung der
brieflichen Stimmabgabe ein Initiativkomitee an einem Abstimmungstag direkt vor den Abstimmungslokalen Werbung für ihr Anliegen machen und entsprechende Unterschriften sammeln konnte. Aufgrund der Möglichkeit der brieflichen Stimmabgabe, welche von deutlich über 90 % der Stimmberechtigten genutzt wird, ist es viel schwieriger geworden, an den Urnen an die politisch aktiven Personen zu gelangen, die in der gleichen politischen Gemeinde wohnen. Zudem hat eine Entpolitisierung der Gesellschaft stattgefunden, was dazu führt, dass sich weniger stimmberechtigte Personen
an der politischen Meinungskundgabe beteiligen.
Nach Ansicht des Regierungsrats besteht nach wie vor kein Missstand, welchem mit einer Erhöhung
der notwendigen Unterschriftenzahl begegnet werden müsste. Im Gegenteil begrüsst er es, wenn die
Bevölkerung aktiv am politischen Diskurs und an der Entscheidungsfindung teilnimmt. Dies ist Ausdruck einer lebendigen direkten Demokratie, einem Qualitätsmerkmal unseres schweizerischen Politsystems. Die heutigen Möglichkeiten und demokratischen Rechte der Minderheit sollen daher nicht
durch eine Erhöhung der Unterschriftenzahl beschnitten werden.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'045.–.
Matthias Jauslin, FDP, Wohlen: Der Regierungsrat lehnt die Erhöhung der Unterschriftenzahl für
Initiativen und die Anbindung an einen Prozentsatz aus zwei trügerischen Gründen ab:
1. Er möchte das demokratische Recht nicht beschneiden.
2. Es bestehe zurzeit gar kein Missstand, der eine Erhöhung der Unterschriftenzahl notwendig machen würde.
Meine lieben Ratskolleginnen und Ratskollegen: Fragen Sie zu Nebenwirkungen nicht den Regierungsrat oder die Staatskanzlei, sondern beachten Sie bitte die Packungsbeilage.
Der Regierungsrat begrüsst zwar, wenn die Bevölkerung aktiv am politischen Diskurs teilnimmt. Er
unterstreicht sogar die direkte Demokratie als Qualitätsmerkmal unseres schweizerischen Politsystems. Genau dieses phänomenale Politsystem wird mit der aktuellen Situation rund um das Initiativrecht komplett verwässert und untergraben. Diese Nebenwirkung ist nicht belanglos. Das Stimmvolk
hat es satt, ständig wegen Minderheitsanträgen an die Urne gerufen zu werden. Es spielt für den
Stimmbürger dabei keine Rolle, ob das auf kantonaler oder eidgenössischer Ebene passiert. Aber
offensichtlich ist das Instrument der Volksinitiative zu einem reinen Wahlkampfinstrument mutiert und
verliert damit an Glaubwürdigkeit – und zwar auf allen Stufen. Wer da noch von Qualitätsmerkmal
spricht, hat wohl den Bezug zur Basis verloren.
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Es ist auch uns Motionären klar, dass wir mit diesem Vorstoss das Initiativrecht auf Stufe Bund nicht
direkt beeinflussen. Es fragt sich nun aber, ob wir als Kanton einfach zurücklehnen wollen und den
Grundsatz "lieber agieren statt reagieren“ ausblenden. Aus Sicht der Motionäre Plüss, Senn und
Jauslin wäre das der falsche Weg. Und wer sich ernsthaft Gedanken über die Fakten macht, wird
uns folgen.
Im Kanton Aargau genügen 3'000 Unterschriften, um rund 412'000 Stimmberechtigte an die Urne zu
holen. Die Unterschriftenzahl 3'000 stammt aus der Zeit von 1980 und ist nie dem Bevölkerungswachstum angepasst worden. Damals zählte der Kanton Aargau 271'000 Stimmberechtigte. Somit
waren 1,1 Prozent Unterschriften notwendig. Aktuell leben im Kanton Aargau 411‘810 Stimmberechtigte. Seit der Einreichung unseres Vorstosses verzeichnen wir übrigens bereits wieder ein Plus von
1'054 Stimmberechtigten! Die Unterschriftenzahl für eine Initiative ist damit auf mickrige 0,728 Prozent gefallen. Mit einer solch tiefen Hürde sind die Wirkung und die Aussagekraft des wertvollen
demokratischen Instruments abgeschwächt worden. Ja, man darf schon gar nicht mehr von einer
Volksinitiative sprechen. Viel besser würde die Bezeichnung Individualinitiative oder eventuell Randgruppeninitiative passen.
Die regierungsrätliche Aussage, dass das demokratische Recht bei einer Erhöhung eingeschränkt
würde, ist an den Haaren herbeigezogen und liegt völlig schief. So braucht man gemäss Gemeindegesetz auf Stufe Gemeinde mindestens 10,0 Prozent der Stimmberechtigten für einen Vorstoss.
Trotzdem fühlt sich niemand hier im Saal – so nehme ich wenigstens an – in seinen demokratischen
Rechten beschnitten. Auf Bundesebene sind heute 1,9 Prozent Unterschriften für eine Volksinitiative
gefordert. Bei der Einführung dieses Volksrechts 1891 waren es sogar 7,6 Prozent, also viermal so
viel. Auch da spricht niemand von Einschränkung der Volksrechte. Im Gegenteil, es wird ernsthaft
darüber diskutiert, die Anzahl zu erhöhen. Dass heute im Aargau nur gerade noch 0,728 Prozent der
Stimmberechtigten reichen, um eine Volksabstimmung zu erzwingen, ist eine falsche Entwicklung.
Nicht wirklich nachvollziehbar ist auch die Tatsache, dass für ein fakultatives Referendum, ebenfalls
mit 3'000 Unterschriften, die Frist auf 90 Tage festgelegt ist; für eine Initiative steht aber ein ganzes
Jahr zur Verfügung. Im Klartext: Die Hürde für eine Initiative ist sogar tiefer als die Hürde für ein Referendum.
Der Regierungsrat verweist auf die Tatsache, dass eine erhebliche Anzahl eingereichter Initiativen
nicht zustande gekommen ist. Nur, das kann ja nicht ein Grund sein, die Unterschriftenzahl nicht
anzupassen. Denn dieser Sachverhalt zeigt schlicht und einfach, dass Anliegen aufgenommen wurden, die nicht einmal von Kleinstgruppierungen unterstützt werden.
Dass eine Erhöhung der notwendigen Unterschriftenzahl einen grösseren Sammelaufwand bedeutet,
hat der Regierungsrat schon richtig erkannt. Anderseits sollten wir uns mal – unabhängig von der
Unterschriftenzahl – überlegen, warum diese bürokratische Stimmrechtsbescheinigung bei den jeweiligen Wohnortgemeinden nicht schon längst vereinfacht wurde. Instrumente würden ja genügend
zur Verfügung stehen.
Wir geben dem Regierungsrat auch recht, dass eine Entpolitisierung der Gesellschaft stattgefunden
hat. Aber genau das wird noch weiter gefördert, wenn Mikrogemeinschaften die politische Agenda
bestimmen können. Ziel im Vorfeld einer Initiative müsste ja genau das Gegenteil sein, nämlich möglichst viele Stimmen für ein Anliegen zu gewinnen, um diese Idee dem gesamten Stimmvolk glaubhaft zu unterbreiten.
Wir als Motionäre schlagen im Minimum eine Verdoppelung der Unterschriftenzahl für Initiativen vor
und möchten diese Unterschriftenzahl mittels Quorum in Prozenten der Stimmberechtigten in der
Verfassung verankern. Dies wäre eine praktische und nachhaltige Lösung, die auch in Zukunft das
Bevölkerungswachstum mitberücksichtigen würde. Genauso, wie es in allen Gemeinden des Kantons Aargau bestens funktioniert.
Es würde uns Motionäre natürlich freuen, wenn wir diesen Vorstoss hier und heute mit Hilfe einiger
progressiver Grossrätinnen und Grossräte überweisen könnten. Sollte dies nicht gelingen, werden
wir wohl den Weg über die Volksinitiative nehmen müssen. Doch wir Motionäre zweifeln nicht daran,
dass die Hürde von 3'000 Unterschriften auch für dieses Anliegen genommen wird.
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Irène Kälin, Grüne, Lenzburg: Es liegt in der Natur der Volksinitiative, dass sie das Instrument ist, um
ein Anliegen nach den Absichten einer kleinen Zahl von Bürgerinnen und Bürgern anzustossen. Eine
Minderheit soll mit einem Vorschlag an die Gesamtheit der Stimmberechtigten gelangen können –
dies ist der Sinn und Zweck einer Volksinitiative.
Damit ist die Volksinitiative eine grundlegende Stütze der direkten Demokratie, damit konkrete, politische Partizipation niederschwellig möglich ist – nicht nur für die Mächtigen und Grossen in unserer
Gesellschaft, sondern für alle.
Wir wollen keine Mauer um das Grossratsgebäude bauen, sondern wir wollen, dass unsere Politik
die Menschen, für welche wir hier stehen, erreicht, aber auch dass alle Aargauerinnen und Aargauer,
unabhängig ihrer Parteizugehörigkeit und ihrer Verbandelung mit einzelnen Politikerinnen und Politikern, ihre politischen Forderungen formulieren und unseren Kanton mitgestalten können. 3'000 Unterschriften mögen für eine etablierte Partei tatsächlich wenig sein, aber für Einzelinitianten sind
3'000 Unterschriften eine grosse Hürde und sie werden es sich zweimal überlegen, ob ihr politisches
Anliegen dieser Herausforderung würdig ist. Da dem so ist, werden wir nicht von einer Unzahl an
Initiativen überflutet. Es liegt also in keiner Hinsicht ein Missstand vor, welchem mit einer Erhöhung
der notwendigen Unterschriftenzahl begegnet werden müsste.
Von einer Flut von kantonalen Initiativen kann nicht die Rede sein. Vielleicht ist die moderate Zunahme an Volksinitiativen auch darauf zurückzuführen, dass wir hin und wieder an den Bürgerinnen
und Bürgern vorbeipolitisieren.
Die Grünen begrüssen es, wenn die Bevölkerung aktiv am politischen Diskurs und an der Entscheidungsfindung teilnimmt. Die Volksinitiative ist eine dieser Möglichkeiten, aktiv unsere Gesellschaft
mitzugestalten. Die Qualität eines gesellschaftlichen Zusammenhalts und Zusammenlebens hängt
massgebend damit zusammen, dass auch Minderheiten mit ihren Anliegen wahrgenommen werden
oder sich eine Wahrnehmung schaffen können. Eine Volksinitiative ist für uns Ausdruck einer lebendigen direkten Demokratie und damit ein Qualitätsmerkmal unserer einzigartigen Politik und unserer
gesellschaftlichen Ordnung.
Wer eine Demokratie mit höheren Hürden für die Volksbeteiligung fordert, hat die grundlegenden
direkten, demokratischen Ordnungen unseres Staats schlicht nicht verstanden.
Marie-Louise Nussbaumer, SP, Obersiggenthal: Die SP-Fraktion lehnt diesen Vorstoss ebenfalls
einstimmig ab. Wir schliessen uns in der Argumentation meiner Vorrednerin in weiten Teilen an.
Auch wir sehen absolut nicht, dass die Zahl der eingereichten Volksinitiativen in nächster Zeit ansteigen soll. Und auf kantonaler Ebene hatten wir auch keine "Initiativenflut", die uns in den letzten Jahren beschäftigt hätte. Allen interessierten und engagierten Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die ihr
Anliegen auf die politische Bühne bringen wollen, möchten wir persönlich keine Steine in den Weg
legen. Unseres Erachtens ist ein Grossrat oder eine Grossrätin, wenn er oder sie diesem Vorstoss
zustimmt, sicher nicht ein progressiver Grossrat oder eine progressive Grossrätin, sondern eher ein
Demokratieverhinderer oder eine Demokratieverhinderin.
Wenn wir die Liste der vergangenen oder hängigen Initiativen ansehen: Die Mikrogruppen, die uns
da ununterbrochen beschäftigen, sehen wir nicht. Mich persönlich stört es auch, dass heute davon
gesprochen wird, dass das Volk es leid sei, an die Urne zu gehen. Welchen Schluss ziehen Sie daraus? Wie oft will denn das Volk überhaupt noch an die Urne gehen? Ist drei- bis viermal im Jahr wirklich zu viel? Wenn dem so ist: Will es vielleicht nur noch alle vier Jahre gehen? Und alles andere
können wir lassen?
Bitte machen Sie es doch all jenen, die sich engagieren und beteiligen wollen – es sind weiss Gott
immer weniger – nicht noch mehr Mühe.
Regina Lehmann-Wälchli, SVP, Reitnau: Die SVP stimmt in dieser Sache mit dem Regierungsrat
überein und lehnt die vorliegende Motion entschieden ab.
In der aktuellen Fassung des § 64 Kantonsverfassung sehen wir keinen Missstand. Der Schnitt von
2,5 Initiativen pro Jahr ist eine bescheidene Zahl. Wir sehen keinen Handlungsbedarf. Wer für seine
Partei schon Unterschriften gesammelt hat, weiss, dass dies trotz Bevölkerungswachstum nach wie
vor Knochenarbeit ist – heute vielleicht noch mehr als im Jahre 1980.
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Entscheidend für die klare Ablehnung der SVP ist jedoch: Wir wollen die lebendige direkte Demokratie nicht schmälern.
Ich frage Sie direkt: Wo ist unsere Motivation dazu, diese Hürde zu erhöhen? Es muss im Kanton
Aargau weiterhin möglich sein, dass eine kleinere Anzahl von Stimmberechtigten ein für sie wichtiges Anliegen dem Stimmvolk zum Entscheid unterbreiten kann. Seien Sie versichert: Unser Stimmvolk ist mündig und wird bei Initiativen die richtige Entscheidung fällen. Lehnen Sie die Motion ab.
Barbara Portmann-Müller, GLP, Lenzburg: Ich mache es kurz: Die Grünliberalen haben durchaus
Verständnis für das Anliegen. 3'000 Unterschriften sind faktisch wenig. Dennoch lehnen wir – wie die
Vorredner – die Motion ab. Für uns besteht zu wenig Handlungsbedarf. Es ist doch schön, lebt unsere Demokratie und haben unsere Aargauer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ein- bis zweimal im
Jahr die Chance, über eine Initiative abzustimmen.
Roland Basler, BDP, Oftringen: Die BDP wird sich in der Abstimmung frühlingshaft bunt verhalten
und den roten sowie den grünen Knopf drücken.
Wie es sich für eine bürgerliche Mittepartei gehört, sind wir etwas gespalten und können uns für beide Seiten begeistern. Natürlich sind beide Argumente nicht von der Hand zu weisen. Aber wie Sie
wissen, sprechen wir überall von kontinuierlichem Verbesserungsprozess, von rollender Planung und
von Automatismus. Würden wir jetzt dieses Initiativrecht ändern und an ein Quorum binden – zum
Beispiel 2,0 Prozent – dann wäre das genau in diesem Sinne. Das würde sich dann automatisch der
Lage anpassen, wie viele Abstimmungsberechtigte wir dann haben. Übrigens wird ja das auf Gemeindeebene auch so gehandhabt. In diesem Fall sind uns die Gemeinden einmal einen Schritt voraus.
Eine Nebenwirkung wäre – das hat Matthias Jauslin bereits gesagt – dass man die Initiative gegenüber dem Referendum wieder stärker gewichten würde, wie es unserer Meinung nach eigentlich
richtig wäre.
Ist es eine Beschneidung des Minderheitsrechts? Ich muss Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen,
nicht erklären, dass die grösste Hürde, eine Initiative durchzusetzen, nicht das Sammeln der Unterschriften ist. Die grösste Hürde ist der Abstimmungskampf. Da müssen dann die Ressourcen mobilisiert und die Kräfte gebündelt werden.
In diesem Sinne haben wir bei der BDP Stimmfreigabe beschlossen und werden uns sowohl dafür
als auch dagegen entscheiden.
Dr. Roland Frauchiger, EVP, Thalheim: Bei uns in der EVP ist der Frühling noch nicht angekommen.
Wir sehen bei dieser Vorlage etwas rot. Die Argumente sind eigentlich alle gesagt. Ich denke, wenn
wir das Volk an die Urne rufen, ist es nicht wegen kantonalen Initiativen. Der Terminkalender ist quasi vom Bund vorgegeben. Wir haben dann einfach zusätzlich unsere Wahlzettel, die beigepackt werden.
Ein Aspekt, der noch nicht angesprochen wurde, ist das Auszählen der Zettel im Wahlbüro: Bei uns
ist der grösste Aufwand das Auspacken der Umschläge; dies erfolgt nämlich zweimal: Zuerst die
grossen und dann die kleinen Couverts. Das Sortieren und Zählen der Zettel geht immer recht
schnell. In dem Sinne lehnt die EVP-Fraktion diese Motion ab.
Franz Hollinger, CVP, Brugg: Im Namen einer klaren Mehrheit der CVP-Fraktion beantrage ich, die
Motion abzulehnen. Neben den vom Regierungsrat aufgeführten Gründen waren für uns folgende
Umstände entscheidend: Die in der Motion genannten Prozentzahlen dürften zutreffen. Wichtig ist
jedoch, dass das Sammeln von Unterschriften gegenüber früher massgebend erschwert ist. Dies vor
allem, weil die Möglichkeit des Sammelns vor Abstimmungslokalen nicht mehr besteht; es wird praktisch nur noch brieflich abgestimmt. Das Einreichen von Initiativen soll sodann nicht nur grossen
Verbänden möglich sein, sondern auch ad-hoc zusammengesetzten Gruppierungen. In diesem Sinne soll die Initiative tatsächlich auch eine Randgruppeninitiative sein, wie das der Motionär nennt.
Wenn wir uns aber mit einer Erhöhung der Unterschriftenzahl von derartigen Gruppierungen abschotten wollen, so ist das der falsche Weg.
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Titus Meier, FDP, Brugg: Ich wollte eigentlich hier vorne nichts sagen, aber nach den bisherigen
Voten hat es mich doch gejuckt, nach vorne zu kommen.
Der Regierungsrat hat richtig gehandelt, indem er die Motion zur Ablehnung empfiehlt. Als Vertreter
der Exekutive kann er nicht anders handeln. Er muss sie ablehnen. Denn es ist nicht sein Auftrag.
Wir aber sind die Legislative. Wir sind die Vertreterinnen und Vertreter der Stimmbürgerinnen und
Stimmbürger. Wir können über diese Frage anders urteilen. Wir müssen das Rad ein bisschen zurückdrehen und uns fragen: Warum wurde die Initiative überhaupt eingeführt? Es ist nicht ein Mittel
der ersten Stunde, sondern ein Mittel, das in einer späteren Phase zu unserer Demokratie dazugekommen ist – in einer Zeit, als wir nicht ein Proporzwahlverfahren hatten und nicht verhältnismässig
gewählt wurde. Das heisst, im Grossen Rat konnten nicht 5,0 Prozent der Bevölkerung vertreten
sein, sondern es herrschte das Majorzverfahren. Somit konnte eine grosse etablierte Partei den
Wahlkreis für sich gewinnen. Es wurde gesagt, in diesem Umfeld brauche es ein Mittel, damit auch
die Minderheit sich Gehör verschaffen kann. In der Zwischenzeit haben wir aber seit knapp 100 Jahren das Proporzwahlverfahren. Wir haben mit dem doppelten Pukelsheim eine zusätzlich gesenkte
Hürde gegenüber anderen Kantonen. Wir haben diese Notwendigkeit, die seinerzeit herrschte, als
man die Initiative eingeführt hat, nicht mehr. Wir haben aber immer mehr die Tendenz, dass Initiativen nicht lanciert werden, um ein Thema, das den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern unter den
Nägeln brennt, auf das politische Tapet zu bringen, sondern dass sie in den Parteien als Wahlkampfvehikel ausgedacht worden sind. Das ist ja das Thema der Initiative: Es geht um immer stärkere Wahlkampfmittel und weniger um ein Anliegen, das die Bevölkerung effektiv umtreibt, und welches auf eine andere Art und Weise nicht in das politische Parlament hineingebracht werden kann.
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir Grossrätinnen und Grossräte die Vertreterinnen und Vertreter
der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind. Die Stimmbürger haben die Möglichkeit, ihre Anliegen
an uns heranzutragen. Wir können sie in die parlamentarische Diskussion einbringen, können über
Vorstösse versuchen, diese Themen aufs Tapet zu bringen. Es gibt die Möglichkeit auch für Minderheiten, sich Gehör zu verschaffen; nämlich über Grossrätinnen und Grossräte.
Wir wollen die Initiative nicht abschaffen, sie ist ein wichtiges demokratisches Mittel, aber das muss
es auch bleiben. Die Initiative soll nicht zu einem Wahlkampfvehikel verkommen, wo die Parteien
sagen: "Wir brauchen noch einen Wahlkampfschlager. Wir möchten ein bisschen mehr in den Zeitungen erwähnt werden; wir brauchen eine Initiative." Sie soll ein wichtiges Mittel bleiben.
Aus diesem Grund ist es richtig, die Unterschriftenzahl anzupassen, um diese Gewichtung, diese
Bedeutung diesem demokratischen Mittel weiterhin zu lassen. Stimmen Sie diesem Vorstoss zu.
Lilian Studer, EVP, Wettingen: Zu Titus Meier: Wann hat es im Kanton Aargau das letzte Mal eine
Initiative aufgrund eines Wahlkampfes gegeben? Auf Bundesebene war dies der Fall, aber nicht auf
Kantonsebene. Sie wissen darüber bestimmt etwas mehr Bescheid. Ich wüsste jetzt von keiner. Ich
komme zum Schluss, dass wir den Vorstoss aus diesen Gründen nicht überweisen sollten, weil zurzeit kein Handlungsbedarf besteht. Falls sich die Lage ändert, können wir diese Vorlage erneut prüfen oder darüber diskutieren. Aber jetzt eine Volksabstimmung zu generieren, finde ich nicht nötig.
Titus Meier, FDP, Brugg: Wir können in der Aargauer Zeitung nachlesen, welche Initiativen zurzeit
lanciert worden sind. Wir können uns fragen, was die Motivation dahinter ist. Wir können auch einfach die Statistik ansehen, wann jeweils Initiativen eingereicht werden. Wir werden feststellen, dass
Initiativen so terminiert sind, dass in den Wahljahren entweder Unterschriften gesammelt werden
oder die Initiativen zur Abstimmung gelangen.
Dr. Urs Hofmann, Landammann, SP: Der Regierungsrat hat bereits vor vier Jahren zu einem ähnlichen Ansinnen Stellung genommen und auch damals eine entsprechende Motion abgelehnt. Seither
sind keine neuen Argumente vorgetragen worden, die den Regierungsrat zu einer anderen Haltung
bewegt hätten. Anders als der Sprecher der Motionäre nimmt der Regierungsrat in der Bevölkerung,
was die kantonale Ebene betrifft, auch keinen Verleider wahr. Im Gegenteil verhält es sich so, dass
auf kantonaler Ebene die Anzahl der Abstimmungen über kantonale Vorlagen seit der Abschaffung
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des obligatorischen Gesetzesreferendums mit der Kantonsverfassung 1980 massiv zurückgegangen
ist. Abstimmungen auf kantonaler Ebene gibt es viel seltener als auf Bundesebene. Wir stellen auch
fest, dass die politischen Diskussionen sehr oft eidgenössische Vorlagen betreffen oder kommunale
Themen und gerade die kantonale Ebene weniger zu Diskussionen Anlass gibt und damit die demokratische Auseinandersetzung weniger anregt. Auch aus diesem Grund erachtet es der Regierungsrat durchaus als sinnvoll und erwünscht, wenn auf kantonaler Ebene Themen, die vielleicht auch von
kleineren Gruppierungen als wichtig angeschaut werden, zu politischen Diskussionen führen. Einen
Missstand oder Handlungsbedarf macht der Regierungsrat aus diesem Grund in diesem Bereich in
keiner Art und Weise aus. Es wurde bereits von Lilian Studer darauf hingewiesen: Offenbar wird hier
teilweise auch die eidgenössische Ebene mit der kantonalen vermischt. Vielleicht gibt es ja einige
Ratsmitglieder in diesem Saal, die dann im nächsten Jahr auf eidgenössischer Ebene eine entsprechende Motion einreichen können. Dann wäre sie vielleicht am richtigen Ort deponiert, was es hier
nach Ansicht des Regierungsrats nicht ist.
Was die Einreichung von Initiativen aus Wahlkampfgründen betrifft, gibt es vielleicht einzelne Parteien – sie sind auch hier im Rat vertreten – die sich nach dem Abstimmungsergebnis vom 8. März
2015 zweimal überlegen werden, ob sie im Wahljahr noch Initiativen zur Abstimmung bringen wollen.
Auch solche Initiativen können sich nicht nur als Promotion, sondern auch als Rohrkrepierer erweisen.
Was die Anzahl der nötigen Unterschriften betrifft, kann man selbstverständlich unterschiedlicher
Meinung sein. Wenn im Jahr 1980 6'000 Unterschriften in die Verfassung geschrieben worden wären, käme es heute wahrscheinlich auch niemandem in den Sinn, eine Reduktion dieser Unterschriftenzahl zu verlangen. In dieser Beziehung gibt der Regierungsrat den Motionären Recht.
Tatsache ist aber, dass der Aufwand für das Sammeln von Unterschriften nicht von der Anzahl
Stimmberechtigter abhängig ist. Nur weil 100'000 Leute mehr stimmberechtigt sind, braucht es für
das Sammeln von 3'000 Unterschriften nach wie vor den gleichen Aufwand. Wenn man hier eine
Prozentzahl festlegen möchte, die effektiv dann auch in Relation zur Anzahl der Stimmberechtigten
steht, müsste ein viel höheres Quorum festgelegt werden, das dann effektiv eine Verengung der
Anzahl möglicher Unterzeichner nach sich ziehen würde. Aber bei 3'000, 6'000 oder 10'000 Unterschriften ändert sich daran nichts. Es ist einfach ein doppelter oder dreifacher Aufwand zum Sammeln der Unterschriften. Auch aus diesem Grund ist die Zunahme der Anzahl Stimmberechtigter
nach Ansicht des Regierungsrats kein plausibler Grund für eine Erhöhung der Unterschriftenzahl.
Vielmehr wäre eine Erhöhung ein falsches Zeichen. Es würde der Bevölkerung im Kanton Aargau
gesagt: "Wir hätten gerne weniger Partizipation, weniger Initiativen, haltet euch zurück; die kantonale
Ebene soll eigentlich hier im Grossen Rat abgehandelt werden und nicht mit Volksinitiativen auch auf
der Ebene der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger." Das will der Regierungsrat nicht. Ich bitte Sie,
die Motion abzulehnen.
Abstimmung
Die Motion wird mit 109 gegen 16 Stimmen abgelehnt.
0816 Interpellation Theres Lepori, CVP, Berikon, vom 25. November 2014 betreffend finanzielle
Auswirkungen auf die Staatsrechnung (Steuerzahler) des Kantons Aargau nach Ausschreitungen und Krawallen im Zusammenhang mit Fussballspielen; Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 0681)
Mit Datum vom 18. Februar 2015 hat der Regierungsrat die Interpellation beantwortet.
Zur Frage 1: "Wie hoch belaufen sich die Kosten bei einem Hochrisikospiel im Kanton Aargau für die
Vorbereitung und Begleitung eines Fussballspiels in Bezug auf den Einsatz der Kantonspolizei Aargau? – Wie hoch bei einem mit wenig Risiko behafteten Spiel?"
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2265
Die Kantonspolizei leistet bei allen Meisterschaftsspielen des FC Aarau und bei Risiko- oder Hochrisikospielen des FC Baden und FC Wohlen Einsätze des Ordnungsdiensts, sogenannte OD-Einsätze.
Als Hochrisikospiele zählten im Jahr 2014 insbesondere das Meisterschaftsspiel zwischen dem
FC Aarau und dem FC Basel sowie die Cupspiele des FC Baden gegen den FC St. Gallen und dem
FC Wohlen gegen den FC Basel.
Die grössten Kostenaufwendungen für Hochrisikospiele verursachte das Meisterschaftsspiel des
FC Aarau gegen den FC Basel mit Fr. 132'990.– sowie das Cupspiel des FC Baden gegen den
FC St. Gallen mit Fr. 120'000.–. Im Einsatz standen in Aarau 143 OD-Kräfte mit einer Einsatzdauer
von 7,75 Stunden und in Baden 125 OD-Kräfte mit einer Einsatzdauer von 8 Stunden. Verrechnet
werden Fr. 120.– pro Stunde (vgl. § 2d Abs. 1 Verordnung über die von der Kantonspolizei zu beziehenden Gebühren).
Den geringsten Kostenaufwand verursachte das Spiel zwischen dem FC Aarau und dem FC Vaduz
mit Fr. 13'110.–. Für dieses Spiel standen 23 OD-Kräfte während 4,75 Stunden im Einsatz.
Gesamthaft betrug der Aufwand für die Fussballsaison 2013/14 Fr. 1'387'800.–. Verrechnet wurden
¼ der Einsatzkosten im Betrag von Fr. 347'000.– gemäss § 2d Abs. 2 Satz 2 der Verordnung über
die von der Kantonspolizei zu beziehenden Gebühren sowie den Vereinbarungen zwischen den Vereinen und dem Departement Volkswirtschaft und Inneres (vgl. auch Antwort zur Frage 3). Im Einzelnen präsentieren sich die Zahlen wie folgt:
Verein
FC Aarau
Einsatzkosten (in Franken)
Verrechnete Kosten (in Franken)
1'242'000.–
310'500.–
FC Wohlen
43'400.–
10'900.–
FC Baden
102'400.–
25'600.–
1'387'800.–
347'000.–
Total
Zur Frage 2: "Wie oft wurde die Kantonspolizei Aargau bei Auswärtsspielen im Jahr 2014 zusätzlich
aufgeboten? Wie werden diese Kosten unter den Kantonen aufgeteilt oder abgegolten?"
Im Jahr 2014 wurden für Einsätze im Rahmen des Polizeikonkordats Nordwestschweiz (PKNW) fünf
Mal OD-Kräfte aus dem Bestand der Kantonspolizei Aargau entsandt. Eingesetzt wurden insgesamt
113 Korpsangehörige und die Gesamteinsatzzeit betrug 1'265,5 Stunden. Für die Einsätze wurden
den um einen PKNW-Einsatz ersuchenden Kantonen Bern und Basel-Stadt gemäss Gebührentarif
des Konkordats über die polizeiliche Zusammenarbeit in der Nordwestschweiz gesamthaft
Fr. 57'351.– in Rechnung gestellt, die sich wie folgt zusammensetzen:
Polizeikorps
Kapo Bern
Kapo Basel-Stadt
Kapo Basel-Stadt
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Preis gemäss Vereinbarung
Totalbetrag (in Franken)
Fr. 300.–/Tag
Total
9'300.– OD-Einsatz
652.– Fahrzeugkosten
9'952.–
Total
3'300.– OD-Einsatz
210.– Fahrzeugkosten
3'510.–
Total
18'000.– OD-Einsatz
518.– Fahrzeugkosten
18'518.–
Fr. 300.–/Tag
Fr. 600.–/Tag (ab 2. Einsatz)
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2266
Kapo Basel-Stadt
Kapo Basel-Stadt
Fr. 600.–/Tag
Total
18'600.– OD-Einsatz
547.– Fahrzeugkosten
19'147.–
Total
6'000.– OD-Einsatz
224.– Fahrzeugkosten
6'224.–
Fr. 600.–/Tag
Zur Frage 3: "Wie wird der Fussballclub oder der Verband in die Verantwortung genommen, auch
finanziell und nach welchem Verteiler?"
Was den FC Aarau betrifft, erteilt der Polizeikommandant zur Durchführung der Fussballspiele für die
gesamte Saisondauer der um Bewilligung ersuchenden FC Aarau AG alljährlich vor Saisonbeginn
eine Rahmenbewilligung. Diese beinhaltet in 24 Punkten alle wesentlichen Aspekte betreffend Sicherheit, Risikomanagement, Durchführung, Sperrdaten, Verantwortlichkeiten, betriebliche Auflagen
usw.
Unter Punkt 23 sind die Auflagen bezüglich Kostenverrechnung geregelt. Diese richtet sich nach
§ 2d Abs. 2 der Verordnung über die von der Kantonspolizei zu beziehenden Gebühren, welcher
lautet:
"Bei gemeinnützigen Veranstaltungen oder bei Anlässen der Jugend- und Nachwuchsförderung kann
das Departement Volkswirtschaft und Inneres auf die Kosten des Polizeieinsatzes Ermässigungen
bis maximal 50 % gewähren. Bei jährlich mehrmals stattfindenden Sportveranstaltungen kann im
Rahmen einer Vereinbarung eine Jahrespauschale festgelegt werden, die mindestens ein Viertel der
effektiven Kosten ausmachen muss."
Konkret enthält die Rahmenbewilligung neu seit der laufenden Saison 2014/15 die Bestimmung,
dass die FC Aarau AG von den Gesamtaufwendungen bis Fr. 1'000'000.– pro Jahr einen Viertel und
von den diesen Betrag überschreitenden Aufwendungen die Hälfte zu tragen hat.
Unter dem Aspekt Verantwortlichkeiten (Punkt 11) beinhaltet die Rahmenbewilligung, dass die Veranstalterin für die Sicherheit im Stadion Brügglifeld verantwortlich ist und zur Gewährleistung der
Sicherheit im Stadion die Aufgabe an private Sicherheitsdienste delegieren kann. Die Kantonspolizei
gewährleistet demgegenüber die Sicherheit im öffentlichen Raum. Dazu führt sie mit Verantwortlichen der FC Aarau AG und weiteren Partnerorganisationen regelmässig vor Beginn der Vor- und
Rückrunde Abspracherapporte durch. Zusätzlich finden vor jedem Spiel Gespräche statt, an welchen
die Details besprochen werden.
Was die weiteren Fussballvereine betrifft, bestehen keine Rahmenbewilligungen. Soweit diese Vereine Spiele gegen Mannschaften der obersten Spielklasse bestreiten, haben sie für jede Begegnung
eine Einzelbewilligung einzuholen. Die Kosten werden pro Einsatz nach Aufwand in Rechnung gestellt. Dabei wird im Sinne der Gleichbehandlung mit dem FC Aarau auch den anderen Fussballvereinen ein Viertel der Aufwendungen verrechnet.
Zur Frage 4: "Ein zentrales Problem ist die Vermummung und damit die Identifikation der Randalierer, obwohl wir im Kanton Aargau das Vermummungsverbot bereits kennen. Welche Ziele werden
zur Umsetzung verfolgt? – Was geschieht auf Bundesebene?"
Randalierende respektive Personen, die sich widerrechtlich verhalten, sollen rasch und sicher identifiziert werden können, um sie der Strafverfolgung zuführen zu können. Gleichzeitig kann das Wissen,
jederzeit identifiziert werden zu können, bei potenziell Gewaltbereiten generalpräventiv wirken, sie
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also allenfalls von der Begehung eines Delikts abhalten. Das in § 47 des Gesetzes über die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit (Polizeigesetz, PolG) statuierte Vermummungsverbot ist ein
Hilfsmittel dazu. Die Bestimmung lautet:
"Wer sich bei bewilligungspflichtigen Kundgebungen auf öffentlichem Grund durch Vermummung unkenntlich macht, wird mit Busse bis Fr. 5'000.– bestraft."
Wie weit die Voraussetzung "Teilnahme an einer bewilligungspflichtigen Kundgebung auf öffentlichem Grund" bei Ansammlungen im Umfeld von Sportveranstaltungen allgemein und Fussballspiele
im Speziellen erfüllt ist, ist offen. Den Beratungen im Grossen Rat ist zu entnehmen, dass in erster
Linie Demonstrationen zur Ausübung ideeller Grundrechte im Vordergrund gestanden sind und weniger an die Anwendung dieser Norm auf gewaltbereite Fussballfans gedacht wurde. Damit steht
jedoch nicht fest, dass Letzteres nicht erfasst wäre.
Keine Anwendung findet die Bestimmung innerhalb des Stadions, da es sich nicht um öffentlichen
Grund handelt. Ausserhalb des Stadions ist die Anwendbarkeit im konkreten Einzelfall zu beurteilen.
Zurzeit ist ein Strafverfahren gegen einen Beschuldigten aus der gewaltbereiten Fussballszene hängig, in welchem die zuständige Staatsanwaltschaft die Anwendung von § 47 PolG prüft.
Die Entwicklung auf Bundesebene kann wie folgt zusammengefasst werden:
Das Thema Gesichtsverhüllung war in den vergangenen rund zehn Jahren mehrfach Gegenstand
von Vorstössen in den nationalen Räten. Soweit sie sich auf die Verschleierung aus religiösen Gründen beziehen, interessieren sie vorliegend nicht. Zum Thema Vermummung im Zusammenhang mit
der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen wurden eingereicht: Motion Nationalrat Oskar Freysinger vom 17. März 2010 betreffend "Runter mit den Masken"; Standesinitiative des Kantons Aargau vom 14. September 2010 betreffend "nationales Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum"; Motion Nationalrat Hans Fehr vom 3. März 2011 betreffend "nationales Vermummungsverbot"; Motion
Ständerat Peter Föhn und Motion Nationalrat Hans Fehr vom 20. Juni 2013 betreffend "Vermummungsverbot im Strafgesetzbuch".
Die ersten vier Vorstösse wurden abgelehnt, die letzte Motion wurde im Rat noch nicht behandelt.
Soweit die Vorstösse verlangten, es sei bundesrechtlich ein Vermummungsverbot zu erlassen, hielt
der Bundesrat wiederholt fest, dass eine solche Bestimmung der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen dem Bund und den Kantonen im Rahmen der öffentlichen Sicherheit und
des Bevölkerungsschutzes gemäss Art. 57 ff. der Bundesverfassung widersprechen würde. Die
Wahrung der inneren Sicherheit anlässlich von Demonstrationen sei eine Aufgabe der Kantone und
damit zusammenhängende Verbote müssten im kantonalen Polizeirecht geregelt werden.
Der Grundsatz der primären Verantwortung der Kantone für die Sicherheit auf ihrem Territorium ist in
der Lehre wie auch in der Rechtsprechung unbestritten. Damit der Bund in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig werden könnte, müsste die Bundesverfassung geändert werden und eine Neuregelung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen im Polizeibereich erfolgen. Gegen eine
solche Verfassungsrevision hat sich der Bundesrat stets deutlich ausgesprochen. Die Einführung
eines Vermummungsverbots im Bundesrecht ist deshalb nicht zu erwarten.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'924.–.
Theres Lepori, CVP, Berikon: Fussball: Jeder kennt die Kraft, die Begeisterung bei einer WM für die
eigene Nationalmannschaft. Fussball ist wichtigster Breitensport, ist die Integrationskraft in Sprache,
Kultur wie auch im Sozialen. Auch im Fussball vermag nun eine kleine Minderheit von Clubanhängern durch Gewalt die Freude und die Sicherheit unbescholtener Spielbesucher zu trüben und zu
gefährden. Dieser Gewalt muss mit aller Härte begegnet werden. Es gilt Nulltoleranz betreffend Gewalt im Stadion, Nulltoleranz betreffend Sachbeschädigungen vor oder nach einem Spiel. Es braucht
dazu die gemeinsame Entschlossenheit vom Club, den echten Fussballfans, der Polizei wie auch der
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Politik gegen diese Hooligans. Allen, die hier einen wichtigen Part übernehmen – und vor allem der
Polizei – gebührt Anerkennung und aufrichtiger Dank. Immer setzen sich Polizisten dabei persönlichen, hohen Risiken aus. Die Höhe der anfallenden Kosten waren zu erahnen, geht es doch um die
Sicherheit einer grossen Menge Menschen und ist gerechtfertigt. Störend ist dabei die Beteiligung
durch den Club, das heisst die FC Aarau AG. Für mich persönlich muss die Rahmenbewilligung den
Kostenverteiler betreffend anders definiert werden. Es handelt sich hier um einen Verein und zwar
um eine Aktiengesellschaft, also nicht eine gemeinnützige Aktiengesellschaft; es geht im Fussball
immer um Geld. Die Verantwortung sollte auch monetär entsprechend wahrgenommen werden.
Zum zentralen Problem der Vermummung: Dass das geltende Vermummungsverbot auf öffentlichem
Grund Gültigkeit hat, ist richtig. Dass aber das Stadion nicht zum öffentlichen Grund gehört und somit das Verbot ausgehebelt werden kann, ist geradezu paradox. Es ist auch sehr fraglich, wenn teure
Kameras installiert werden mit dem Ziel der Überwachung des negativen Geschehens, um dann
vermummte Personen nicht identifizieren zu können. Dass die Wahrung der Innensicherheit Aufgabe
der Kantone und im kantonalen Polizeirecht geregelt ist, ist unbestritten. Aber auch ein Polizeirecht
muss in Bezug auf gesellschaftliche Veränderungen angepasst werden. Da sehe ich Handlungsbedarf. Insbesondere, wenn die Gewalt der Hooligans schon seit zehn Jahren politisch in den Räten in
Bern diskutiert wird.
Zusammengefasst muss ich als Politikerin und Steuerzahlerin meiner Empörung Ausdruck verleihen,
dass wir im Aargau weiterhin mit Kosten von weit mehr als einer Million Franken pro Jahr rechnen
müssen, um kriminelle Krawallmacher im Zusammenhang mit dem Fussball im Griff zu halten. Mit
der Beantwortung der Interpellation bin ich zufrieden; mit dem Regelwerk aber nicht.
Vorsitzender: Die Interpellantin erklärt sich von der Antwort summa summarum teilweise befriedigt.
Das Geschäft ist erledigt.
0817 Motion der GLP- und SP-Fraktionen (Sprecherin Barbara Portmann-Müller, Lenzburg)
vom 25. November 2014 betreffend Veröffentlichung von Regierungsratsbeschlüssen; Rückzug
(vgl. Art. 0678)
Mit Datum vom 25. Februar 2015 beantragt der Regierungsrat, die Motion mit folgender Begründung
abzulehnen:
Die Motionäre verlangen, dass der Regierungsrat seine Beschlüsse der Öffentlichkeit zugänglich
macht. Im Gesetz über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen
(IDAG; SAR 150.700) ist der Zugang zu amtlichen Dokumenten aktuell wie folgt verankert:
§ 5 Zugang zu amtlichen Dokumenten
1
Jede Person hat Anspruch auf Zugang zu amtlichen Dokumenten.
2
Die Einsichtnahme erfolgt vor Ort, durch Erhalt einer Kopie oder auf elektronischem Weg.
3
Der Zugang zu amtlichen Dokumenten wird eingeschränkt, aufgeschoben oder verweigert, wenn
a) spezielle Gesetzesbestimmungen oder
b) überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.
Als überwiegendes öffentliches Interesse gilt insbesondere die Gewährleistung der freien Meinungsund Willensbildung der Behörden. Überwiegende private Interessen sind namentlich der Schutz der
Privatsphäre sowie die Wahrung von Berufs-, Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnissen (§ 3 lit. l
IDAG).
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§ 7 Ausschluss des Zugangs
1
Der Zugang zu
a) Protokollen von nicht öffentlichen Sitzungen und
b) amtlichen Dokumenten hängiger Geschäfte, Verfahren oder über Positionen in laufenden Vertragsverhandlungen
ist unabhängig von einer Interessenabwägung ausgeschlossen.
In der (05.180) Botschaft Revision der Kantonsverfassung (KV) und Gesetz über die Information
der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen (IDAG), 1. Beratung, wurde explizit festgehalten, dass von dieser Bestimmung namentlich Protokolle von Sitzungen grossrätlicher Kommissionen (§ 15 Abs. 1 Gesetz über die Organisation des Grossen Rates und über den Verkehr zwischen dem Grossen Rat, dem Regierungsrat und der Justizleitung [Geschäftsverkehrsgesetz, GVG;
SAR 152.200]) und von Regierungssitzungen betroffen sind (Seite 32, Absatz 4).
Begründet wird der Ausschluss in der Botschaft wie folgt:
"Der Grund dafür liegt auf der Hand: Nicht öffentliche Sitzungen dienen der Ausmarchung der Interessen innerhalb der gewählten Behörden und damit der Vorbereitung politischer Entscheide, die
möglichst ohne direkte Beeinflussung erfolgen soll. Die Bereitschaft zum Kompromiss unter Preisgabe einseitiger Gruppeninteressen würde durch das Öffentlichmachen der Sitzungspositionen stark
beeinträchtigt. Demzufolge sollen nicht öffentliche Sitzungen und ihre Protokolle weiterhin der Geheimhaltungspflicht unterstehen. Die Gefahr der Missachtung dieser Maxime durch einzelne, wechselnde politische Kräfte darf kein Grund sein, das nach wie vor staatspolitisch sinnvolle Prinzip über
Bord zu werfen."
Regierungsratsbeschlüsse sind per definitionem Auszüge aus dem Protokoll des Regierungsrats und
somit Protokollbestandteile. Ein eigentliches Wortprotokoll wird im Regierungsrat zwar nicht geführt,
jedoch wird im jeweiligen Regierungsratsbeschluss ein Beratungsergebnis mit den wichtigsten Punkten der Diskussionen im Regierungsrat dargelegt (Verlaufs- oder Ergebnisprotokoll) und wiederspiegelt damit die Willensbildung im Kollegialgremium. Regierungsratsbeschlüsse unterliegen somit aufgrund der geltenden Gesetzeslage nicht dem Öffentlichkeitsprinzip.
In der Detailberatung im Grossen Rat am 13. Dezember 2005 wurden den §§ 5 und 7 diskussionslos
zugestimmt und der Gesetzesentwurf in erster Lesung mit 106 gegen 0 Stimmen zum Beschluss
erhoben.
Der Regierungsrat vertritt weiterhin die oben dargelegte Auffassung. Es haben sich aus seiner Sicht
seither keine signifikanten Entwicklungen oder Veränderungen ergeben, die eine Gesetzesanpassung notwendig erscheinen lassen.
Zwar veröffentlichen einige Nachbarkantone Regierungsratsbeschlüsse im Internet (Kantone Solothurn, Bern, Zürich und Basel-Stadt, nicht aber die Kantone Basel-Landschaft, Luzern oder St. Gallen). Diese Beschlüsse werden teilweise ohne weitere Erläuterungen, teilweise mit Erläuterungen,
die eine Nachvollziehbarkeit erst möglich machen, publiziert. Die Antragsdokumente der Departemente mit den Beschlussentwürfen sowie allfällige Mitberichte werden nicht veröffentlicht, da die
freie Meinungs- und Willensbildung der Behörden gewährleistet bleiben soll. Zudem werden in allen
genannten Kantonen 30 % der Regierungsratsbeschlüsse aufgrund des Persönlichkeits- respektive
Datenschutzes oder aufgrund hängiger Meinungsbildungsprozesse nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Im Kanton Aargau wird bereits heute der Inhalt von über 60 % aller Beschlüsse des Regierungsrats
der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Anhörungen, Grossratsgeschäfte (Botschaften, Beantwortungen parlamentarischer Vorstösse etc.), Antworten auf Vernehmlassungen des Bundes, aber auch
alle Rechtserlasse findet die interessierte Bevölkerung auf der Homepage des Kantons. Viele Beschlüsse werden zudem aktiv via Medienarbeit kommuniziert. Der überwiegende Teil der verbleibenden 40 % der Beschlüsse könnte auch im Fall einer Gesetzesänderung nicht der Öffentlichkeit zu-
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2270
gänglich gemacht werden. Dazu gehören personifizierte Beschlüsse, Schreiben an Externe, Personal- und Rechtsmittelentscheide (Schutz der Privatsphäre), hängige Verfahren, Zwischenentscheide,
Weisungen zu Verhandlungsmandaten, etc.
Unter diesen Umständen macht die Forderung, die Regierungsratsbeschlüsse öffentlich (Internet)
zugänglich zu machen, wenig Sinn. Ja im Gegenteil: müsste dieses Begehren umgesetzt werden,
wäre die Protokollierungsform mit erheblichem laufendem Zusatzaufwand zu ändern. Bislang wurde
zudem auch nie ein begründetes Bedürfnis geäussert, integralen öffentlichen Zugang zu den gefassten Regierungsratsbeschlüssen zu erhalten.
In seine Ablehnung zieht der Regierungsrat zudem folgende Erwägungen mit ein:


Das IDAG gilt für alle öffentlichen Organe. Die von den Motionären verlangte Erweiterung des
Zugangs zu Protokollen von nicht öffentlichen Sitzungen würde namentlich auch die Beschlüsse
und Protokolle der Aargauer Gemeindeexekutiven betreffen. Diese haben sich im Rahmen der
damaligen Anhörung klar gegen den öffentlichen Zugang zu ihren Beschlüssen ausgesprochen.
Entgegen den Aussagen der Motionäre unterliegen die Bundesratsbeschlüsse nicht dem Öffentlichkeitsgebot. Gemäss Bundeskanzlei sind Mitberichte, Anträge und Beschlüsse nicht öffentlich
(§ 7 und 8 Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung [Öffentlichkeitsgesetz,
BGÖ; SR 152.3]).
Der Regierungsrat sieht in einer (Internet-)Publikation eines Teils seiner Beschlüsse im Vergleich zur
bisher geübten Praxis keinen Mehrwert. Dem zusätzlichen Verwaltungsaufwand und den aufwendigeren Prozessen bei der Aufbereitung der Beschlüsse für eine öffentliche Publikation steht kein Nutzen gegenüber, der eine Gesetzesänderung rechtfertigen würde.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'281.–.
Barbara Portmann-Müller, GLP, Lenzburg: Der Anlass, der uns auf das Thema der Geheimhaltung
von Regierungsratsbeschlüssen (RRB), gebracht hat, war ein konkreter Fall: Ein Einwohner wollte
mehr über die Mitfinanzierung von Lärmschutzmassnahmen an den Kantonsstrassen durch seine
Wohngemeinde wissen. Der Gemeindeanteil dieser Mitfinanzierung wurde durch den Regierungsrat
in einem RRB bestimmt. Der Einwohner wollte sich nach der Höhe des Gemeindeanteils und der
entsprechenden Begründung erkundigen. Dabei stiess er auf eine "Mauer des Schweigens“ – dies
als gutes Beispiel eines legitimen Interessens eines Einwohners und Steuerzahlers an obigen Beschlüssen.
Das Öffentlichkeitsprinzip ist eingeführt worden, weil es Teil einer modernen Staats- und Verwaltungsauffassung ist. Es ist Teil der Sicherstellung einer guten und transparenten Verwaltungsführung. Es ist auch Teil des Verständnisses, dass der Staat mit seiner Verwaltung ein Leistungsstaat
sein soll, nicht ein Obrigkeitsstaat; dass der Staat für die Einwohner da ist und nicht umgekehrt. Es
ist daher nicht verwunderlich, dass sehr, sehr viele Kantone – nicht nur Einzelne – das Öffentlichkeitsprinzip kennen und entsprechend anwenden – natürlich nur in dem Masse, wie anerkanntermassen schützenswerte Interessen nicht geschützt werden müssen. Diese müssen natürlich eingeschränkt werden. Das verlangt ja die Motion, nicht dass man hier spezielle Interessen nicht wahrnehmen würde.
Zur Antwort des Regierungsrats, er schreibt: "Regierungsratsbeschlüsse sind per definitionem Auszüge aus dem Protokoll des Regierungsrats und somit Protokollbestandteile." Nun, es kann ja wirklich nicht eine solche Sache sein, die Beschlüsse mit kurzer Begründung separat vom Protokoll zu
veröffentlichen. Schliesslich ist das ja in den meisten Kantonen problemlos möglich.
Der Regierungsrat schreibt weiter: "Die von den Motionären verlangte Erweiterung des Zugangs zu
Protokollen von nicht öffentlichen Sitzungen würde namentlich auch die Beschlüsse und Protokolle
der Aargauer Gemeindeexekutiven betreffen." Diese Aussage ist nicht zutreffend. Die Motionäre
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verlangen nirgendwo in der Motion eine Ausdehnung auf die Gemeinden. Sie verlangen ausschliesslich die Beendigung der Nichtanwendung des Öffentlichkeitsprinzips bei den RRBs.
Dann schreibt der Regierungsrat: "Dem zusätzlichen Verwaltungsaufwand und den aufwendigeren
Prozessen bei der Aufbereitung der Beschlüsse für eine öffentliche Publikation steht kein Nutzen
gegenüber, der eine Gesetzesänderung rechtfertigen würde." Der Aufwand wird als übertrieben dargestellt. Insbesondere darf der Nutzen einer transparenten Verwaltungsführung nicht unterschätzt
werden beziehungsweise der Schaden, der dadurch entstehen kann, dass der Verdacht auf Geheimhaltung aufkommt! Zudem ist der Nutzen durchaus auch verwaltungsintern. Via Suchmaschine
könnten nämlich alle Angestellten und auch die Gemeinden rasch nachsehen, was der Regierungsrat wann zu einem laufenden, hängigen oder früheren Geschäft beschlossen hat. Und eben: Wieso
soll ein Einwohner nicht wissen dürfen, zu welchem Kostenbeitrag der Regierungsrat seine Wohngemeinde verpflichtet hat?
Fazit: Die Veröffentlichung ist nicht mit erheblichem Aufwand verwunden. Es gibt keine haltbare Begründung, weshalb dies im Aargau nicht gehen sollte. Der Nutzen ist durchaus grösser, als hier beschrieben. Bitte überweisen Sie die Motion.
Gertrud Häseli, Grüne, Wittnau: Die Grünen sind die Letzten, die sich gegen Transparenz in der Politik wehren. Doch diese Motion geht uns zu weit.
Wir vertrauen darauf, dass die für die Bevölkerung wichtigen Beschlüsse veröffentlicht werden. Wir
wissen, dass Diskussionen im Regierungsrat geführt werden müssen, ohne dass alle Details an die
Öffentlichkeit kommen. Im Kanton Solothurn wird das Öffentlichkeitsprinzip bereits angewendet. Dort
hat es zur Folge, dass die Diskussionen in anderen Räumen, an anderen Orten geführt werden und
die Regierungsratssitzungen fast nur noch pro forma abgehalten werden. Leitende Gremien auf allen
Stufen müssen darauf vertrauen können, dass sie gewisse Geschäfte in geschütztem Rahmen besprechen und vorbereiten können. Wir vertrauen der guten aargauischen Politkultur und bitten Sie
darum, diese Motion abzulehnen.
Daniel Wehrli, SVP, Küttigen: Die SVP wird die Motion betreffend Veröffentlichung von Regierungsratsbeschlüssen mehrheitlich ablehnen.
Die SVP findet es gut, dass circa 60,0 Prozent aller Geschäfte gesichtet werden können und sie
kann es verstehen, dass ein Geschäft über vertrauliche und persönliche Daten sowieso nicht veröffentlicht werden kann. Zusätzlich schätzen wir die gute Zusammenarbeit zu unserem eigenen Regierungsrat. Wir lehnen die Motion mehrheitlich ab.
Matthias Jauslin, FDP, Wohlen: Auch die FDP – das freut mich – wird zu 100,0 Prozent den Anliegen
des Regierungsrats folgen und diese Motion ablehnen.
Es ist eigentlich schon speziell, dass man hier sämtliche Beschlüsse des Regierungsrats offenlegen
möchte und als Beispiel der Kanton Solothurn herangezogen wird. Der Kanton Solothurn hat zurzeit
bei der Veröffentlichung der Regierungsratsbeschlüsse an erster Stelle, meine Damen und Herren,
den 100. Geburtstag von Frau Verena Tobler; ich möchte ihr an dieser Stelle herzlich gratulieren.
Der Landammann und der Staatsschreiber werden am 30. März 2015 um 10.30 Uhr dort vorbeigehen und die Glückwünsche des Regierungsrats überbringen. Das ist ein öffentlicher Regierungsratsbeschluss im Kanton Solothurn. Wenn Sie weiterblättern, kommen Sie auf drei oder vier Beschlüsse.
Diese sind personell. Da steht einfach "keine Daten vorhanden", weil sie nicht öffentlich sind. Jetzt
frage ich mich: Wo ist denn eigentlich der Mehrwert dieser Motion? Ich finde den Mehrwert nirgends.
Wenn diese Person wissen will, wie viel die Gemeinde für irgendwelche Abgaben zahlen muss, dann
soll sie gefälligst auch diese Frage beantwortet kriegen. Die Antwort erhält sie auf der Gemeinde. Ich
bin überzeugt, wenn die Person das gut vorbereitet, wird sie die Antwort auch beim Kanton erhalten.
Die FDP unterstützt in dieser Frage den Regierungsrat. Sie unterscheidet klar zwischen Exekutive
und Legislative. Die Exekutive soll die Möglichkeit haben, intern über ganz bewusste Sachen zu diskutieren und entsprechend auch Beschlüsse zu fassen. Diese sollen nicht sofort von den Grossrätinnen und Grossräten, von der Presse oder irgendwem ausgeschlachtet werden – Politik soll nicht nur
noch über die Zeitung stattfinden. Die FDP wird diesen Vorstoss nicht unterstützen.
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Franz Hollinger, CVP, Brugg: Im Namen der einstimmigen Fraktion der CVP beantrage ich Ihnen
ebenfalls, diese Motion nicht zu überweisen.
Wir können uns den bereits gemachten Ausführungen grundsätzlich anschliessen. Ich möchte an
dieser Stelle einfach noch einmal darauf hinweisen, dass – wie der Regierungsrat in seiner Antwort
schreibt – bereits heute über 60,0 Prozent aller Beschlüsse des Regierungsrats der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht werden. Dabei handelt es sich um die relevanten Beschlüsse, die uns wirklich
interessieren. Wie auch Kollege Matthias Jauslin an Beispielen gezeigt hat, ist es tatsächlich nicht
notwendig, über alles und jedes öffentlich zu orientieren. In diesem Sinne bitte ich Sie ebenfalls,
diese Motion nicht zu überweisen.
Dr. Roland Frauchiger, EVP, Thalheim: Die Exekutivbehörden brauchen einen gewissen Schutz, wo
sie verhandeln und Entscheidungen treffen können. Deshalb sind wir von der EVP-Fraktion ganz klar
dagegen, dass man diese Protokolle publiziert.
Als Gemeindeammann war ich auch etwas überrascht, zu hören, dass die Exekutive quasi rechtssetzenden Charakter haben kann. Ich möchte doch sagen: Natürlich versuchen wir, unsere Bürger in
unserer Gemeinde gleich zu behandeln. Aber es kann sein, dass wir heute in einer Gemeinderatssitzung anders entscheiden, als wir vor drei oder vor sieben Jahren entschieden haben. Vielleicht sind
die Umstände nuanciert etwas anders. Vielleicht haben wir auch dazugelernt.
Abgesehen davon, meine Damen und Herren, gehen Sie nicht davon aus, wenn die Erwägungen
und die Begründungen in einem Protokoll aufgeführt sind, dass diese vollständig sind. Es gibt durchaus auch Aspekte, die man – aus irgendwelchen Gründen – gar nicht hineinschreibt. Eine Vertraulichkeit, die Sie auch auf diese Art und Weise nicht knacken könnten!
Barbara Portmann-Müller, GLP, Lenzburg: Ich möchte hier klarstellen, dass es doch einige Missverständnisse zu geben scheint: Es geht nicht um Protokolle – um Wortprotokolle oder Abstimmungsprotokolle, wie wir sie hier kennen. Es geht darum, dass das, was beschlossen wird und nicht schützenswert ist – aufgrund personeller oder sonstiger Interessen – mit einer kurzen Begründung veröffentlicht wird, wie das in diversen anderen Kantonen mit einer sinnvoll geführten Datenbank der Fall
ist. Man kann jederzeit rasch nachsehen, wenn in einem Baugesuch oder sonstwo auf etwas verwiesen wird. Man gibt rasch die RRB-Nummer ein und hat sogleich den genauen Wortlaut. Es geht
überhaupt nicht darum, dass man nicht mehr diskutieren kann. Man kann dies natürlich jetzt ins Absurde ziehen und Beispiele zitieren, deren Relevanz wirklich klein ist.
Wir haben aber gemerkt, dass diese Motion leider chancenlos ist und verzichten darauf, sie aufrechtzuerhalten. Wir ziehen sie zurück.
Vorsitzender: Namens der Motionäre zieht Barbara Portmann die Motion zurück. Das Geschäft ist
erledigt.
0818 Kantonsschule Wettingen; Ergänzung der Sportinfrastruktur; Verpflichtungskredit; Beschlussfassung
Behandlung der Vorlage-Nr. 14.249-1 des Regierungsrats vom 17. Dezember 2014 samt dem abweichenden Antrag der vorberatenden Kommissionen, dem der Regierungsrat zustimmt.
Matthias Jauslin, FDP, Wohlen, Präsident der Kommission für Allgemeine Verwaltung (AVW): Die
Kommission für Allgemeine Verwaltung (AVW) hat an ihrer Sitzung vom 24. Februar 2015 das Geschäft 14.249, Ergänzung der Sportinfrastruktur der Kantonsschule Wettingen beraten.
Es waren 13 Kommissionsmitglieder anwesend. Das Geschäft wurde vonseiten Regierungsrat durch
Regierungsrat Alex Hürzeler vertreten. Unterstützt wurde er von Frau lic. phil. Kathrin Hunziker, Leiterin Abteilung Berufsbildung und Mittelschule, Frau Bettina Diem, Leiterin Sektion Mittelschule,
Herrn François Chapuis, Leiter Immobilien Aargau (IMAG) und Herrn Kuno Schumacher, Stabsstelle
Architektur und Entwicklung, IMAG.
24. März 2015
Art.-Nr. 0818
2273
Die Kommission Bildung, Kultur und Sport (BKS) hat das Geschäft am 20. Januar 2015 beraten und
uns einen detaillierten Mitbericht zugestellt. Herzlichen Dank an die Adresse der Kommission BKS
für diese wertvolle Arbeit. Der entsprechende Mitbericht lag der Kommission AVW vor. Die daraus
entstandenen Fragen und Antworten konnten so in unsere Beratung einfliessen. Die Kommission
BKS hat sich detailliert mit den Bedürfnissen und dem Schulbetrieb der Kantonsschule Wettingen
auseinandergesetzt. Die Kommission AVW prüfte vor allem die baulichen Aspekte.
Zum Sachgeschäft: Der Grosse Rat hatte am 7. Januar 2014 einen Verpflichtungskredit zur Ergänzung der Sportinfrastruktur an der Kantonsschule Wettingen mit 65 gegen 62 Stimmen zurückgewiesen. Der Rückweisungsantrag lautete: "Das Projekt sei zu überprüfen und mit einem Kostendach von
maximal 15 Millionen Franken erneut vorzulegen. Diese Überprüfung beinhaltet auch die Standortfrage."
Am 6. Mai 2014 fand in Wettingen eine intensive Arbeitssitzung mit Vertretungen des Departements
BKS, der Kantonsschule Wettingen, der Gemeinde Wettingen, der IMAG, der Kommission BKS und
der Kommission AVW statt. Anlässlich dieser Sitzung konnte in einer konstruktiven Art über mögliche
Einsparungen offen diskutiert werden. Gesamthaft wurden 19 Projektänderungen mit Kosteneinsparpotenzial aufgezeigt und in Folge dem Departement empfohlen, diese Änderungen zusammen mit
der Schule zu prüfen. Die Projektausarbeitung unter Berücksichtigung der Verzichtsplanung fand
unter der Führung der IMAG statt. Die nun vorliegende Botschaft entspricht dem erwarteten Resultat.
Es ging nicht darum, dass die IMAG kostengünstiger baut, sondern auch darum, dass die Schule
weniger bestellt.
Aufgrund der Verzichtsplanung wurden folgende Elemente geprüft und nun im überarbeiteten Projekt
berücksichtigt. Ich mochte diese Elemente aufzählen, damit auch diejenigen, die die Botschaft nicht
gelesen haben, wissen, was sie nicht erhalten:
- Verzicht auf das Eingangsgebäude Nord
- Verzicht auf einen Aussengeräteraum
- Verzicht auf die Erschliessung Aussensportfläche via Aufzug
- Reduktion der Garderoben auf eine Minimalforderung gemäss BASPO-Norm 201 (Bundesamt für
Sport)
- Reduktion der Anzahl Sanitäranlagen
- Optimierung der Anordnung und Grösse der Geräteräume
- Reduktion Lehrerzimmergrösse und kostenoptimierte Anordnung
- Verzicht auf einen neuen Kraftraum, er bleibt weiterhin im Altbau
- Verzicht auf Schiedsrichtergarderoben
- Energiestandard von Minergie-P auf normalen Minergie-Standard reduziert
- Reduktion der Anzahl Hallenträger aufgrund neuer Geometrie
- Verzicht auf bespielbare Hallentrennwände
- Verzicht auf neue Aussenbeleuchtung Sportplätze
- Verzicht auf zusätzliche Baumbepflanzungen
- Optimierung des Entrauchungskonzepts
- Verzicht auf einen eigenen Pausen- und Aufenthaltsraum
- Optimierung des Fluchtwegkonzepts, da kleinere Zuschauerzahlen
- Verzicht auf wasserführendes Oblichtband
- Optimierung der Höhenlage durch leichtes Anheben der Aushubsohle.
Die Verzichtsplanung hat gezeigt, dass Einsparungen auf das absolut Notwendige möglich sind,
wenn der nötige Druck vorhanden ist. So wird wohl das Parlament in Zukunft bei grösseren Bauvorhaben das Kosten-/Nutzenverhältnis kritischer beurteilen. Einzelne Kommissionsmitglieder sowohl in
der Kommission BKS wie auch in der Kommission AVW fragten sich aber, wie klug solche Reduktionen auf das Notwendige tatsächlich sind und ob dies wirklich nachhaltig ist.
In der Kommission AVW gab auch die Reduktion von Minergie-P auf normalen Minergie-Standard zu
reden. Aufgrund von verschiedenen Faktoren, unter anderem auch wegen des fehlenden Tageslichts, kann aber nachvollzogen werden, warum darauf verzichtet werden soll. Immerhin wird eine
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umfangreiche Anlage für die Wärmerückgewinnung eingebaut und damit der Energiebedarf deutlich
optimiert.
Wie die Kommission BKS feststellte, hat sich die Ausgangslage betreffend Standort Kantonsschule
Wettingen nicht verändert. Es stehen keine alternativen Standorte in unmittelbarer Nähe zur Verfügung. Es ist weder ein Ausbau noch eine Reduktion, geschweige denn eine Streichung des Standorts Wettingen geplant. Auch der Bedarf für das Angebot des Sportunterrichts ist nach wie vor
gleichbleibend. Beide Kommissionen respektieren den gezeigten Sparwillen und die getätigten Anstrengungen. Der Rückweisungsantrag verlangte ein Kostendach in Höhe von 15,0 Millionen Franken. Leider konnte diese Marke aber nicht erreicht werden. Die Erstellungskosten pro verbauten
Kubikmeter bleiben ungefähr gleich. Gespart wurde vor allem beim Volumen. Einige Kommissionsmitglieder bemängelten daher, dass das vorgegebene Kostendach nicht eingehalten werden konnte.
Demgegenüber wurde aber auch darauf hingewiesen, dass es wohl schwierig, wenn nicht sogar
unmöglich ist, ein Kostendach zu bestimmen, ohne das nötige Hintergrund- oder Fachwissen zu
haben. Die Projektkosten sind genau gleich aufgegliedert wie im ersten Projekt. Der Kreditantrag
beinhaltet den Bruttoaufwand in Höhe von 17,7 Millionen Franken gegenüber 22,22 Millionen Franken aus dem ersten Projekt. Das geforderte Kostendach beinhaltet den Baukostenplan (BKP) Kapitel 1 bis 5 und 9a. Diese Kosten betragen heute 15,15 Millionen Franken gegenüber 19,17 Millionen
Franken aus dem ersten Projekt. Unvorhergesehenes, Kunst am Bau, Erstausstattung wie Mobiliar
und Reinigungsgeräte sowie Vorbereitungsaufwand gehören nicht zu den Baukosten. Die Kommission AVW erachtet die Auflistung der Kosten als transparent. Kritisiert wurde aber die fehlende Auflistung der Kosteneinsparung pro Einzelmassnahme.
Aus Sicht des Gesamtunternehmers reden wir nicht mehr vom Ursprungsprojekt, so wie es dazumal
eingegeben wurde. Infolge der Verzichtsplanung wurde das Projekt komplett überarbeitet. Das
Raumprogramm kann nicht beliebig angepasst werden, ohne das Volumen und die Geometrie zu
verändern. So hat zum Beispiel der Verzicht auf das wasserführende Oberlichtband direkte Auswirkungen auf das Entrauchungskonzept oder die Fluchtweggestaltung. Die Architekten mussten neue
Kombinationen prüfen und einige Bereiche komplett neu planen. Nach Abschluss der Projektüberarbeitung hat der Gesamtunternehmer, in diesem Falle die Firma Frutiger AG aus Thun, das Projekt
neu berechnet. Die wichtigsten Einheitspreise wurden bereits bei der ersten Submission abgefragt
und für den Vergleich beim überarbeiteten Projekt herangezogen. So wurde der neue Erstellungspreis errechnet und geprüft. Beim vorliegenden Kreditbegehren handelt es sich nicht um eine Schätzung, sondern um ein konkretes Angebot. Da es sich um ein Generalunternehmerangebot handelt,
ist dieser Preis fix und der Bau erfolgt bei einer Zustimmung durch den Grossen Rat zur vereinbarten
Summe. Eine Abgebotsrunde ist gemäss Submissionsrecht auch auf dem neuen, technisch bereinigten Preis nicht möglich, da ein solches Vorgehen bei der ursprünglichen Ausschreibung nicht vorgesehen war. Gemäss Submissionsrecht dürfen bei dem gewählten Verfahren keine Konditionsverhandlungen geführt werden. Dies würde unausweichlich zu Rekursmöglichkeiten von Mitbewerbern
führen.
Für das Baugrundrisiko ist eine offene Abrechnung vorgesehen. Im Kreditbegehren ist hierfür ein
Betrag in Höhe von 300'000 Franken eingestellt. Diese deutliche Reduktion im Vergleich zum ersten
Projekt wurde sehr kritisch hinterfragt. Immerhin waren im Projekt im Jahr 2013 unter Punkt 6a eine
Million Franken für das Baugrundrisiko vorgesehen. Die grosse Aufwandreduktion dieser Position hat
mit dem Fortschritt der Projektüberarbeitung zu tun. Mittlerweile konnten Baugrunduntersuchungen
durchgeführt werden. Der genaue Felsverlauf ist bekannt. Ebenfalls schätzt man das Risiko von Gesetzes- oder Bestellungsänderungen tiefer ein. Anderseits ist der Vorbereitungsaufwand zwischen
den beiden Projekten von 580'000 Franken auf 1,19 Millionen Franken angestiegen. Für die Überarbeitung des Projekts und für die Klärung dieser Risiken mussten entsprechende Ausgaben getätigt
werden.
Um die Baukosten indirekt auf das geforderte Kostendach zu minimieren, schlägt die Kommission BKS vor, bei den Ausgaben für Kunst am Bau Kosten in Höhe von 100'000 Franken einzusparen.
Es ist hier anzumerken, dass dies nicht effektive Baukosten sind. Diesen Kürzungsantrag wertet die
Kommission AVW denn auch als Kompromissvorschlag. Demgemäss wird der Bruttoaufwand um
100'000 Franken auf 17,6 Millionen Franken reduziert. Dieser Antrag der Kommission BKS ist in der
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Synopse ersichtlich. Einzelne Kommissionsmitglieder kritisierten diese Erbsenzählerei auf der Ausgabenseite. Ein Verzicht oder eine Reduktion der Kunst am Bau sei absolut inakzeptabel. Es dürfe
nicht sein, dass lediglich Zweckbauten erstellt und künstlerische Aspekte einfach ausgeblendet würden. Trotzdem unterstützte die Kommission AVW den Antrag mit 10 gegen 3 Stimmen. Auch der
Regierungsrat stimmte dieser Kürzung zu.
Die Kommission AVW nahm zur Kenntnis, dass in der Botschaft noch weitere Kosteneinsparungen
als Option aufgelistet sind. Dabei handelt es sich um den Verzicht auf die Kletterwand, minus
130'000 Franken und den Verzicht auf die Wärmerückgewinnungsanlage, minus 170'000 Franken.
Diese beiden Einsparungsoptionen erachtet die Kommission nicht als sinnvoll. Die Kletterwand
müsste an einer anderen Stelle gebaut werden und würde ebenfalls Kosten verursachen. Ein Verzicht auf die Wärmerückgewinnung wäre nicht nachhaltig und würde die Betriebskosten, namentlich
Heizung und Energie, entsprechend erhöhen.
Die Kommission AVW nahm ebenfalls zur Kenntnis, dass der Kanton dem Generalunternehmer die
Produktewahl und die Produkteherkunftsländer nicht im Nachhinein vorschreiben kann. Das würde
dazu führen, dass der Totalunternehmer sofort abmahnen würde. Die Verantwortung und Mehrkosten würden bei der Bauherrschaft liegen.
Der Kanton könnte aber für zukünftige Projekte die Regel erlassen, dass gar keine Generalunternehmerverträge mehr abgeschlossen werden dürfen. Damit wäre ein anderes Verhandlungsmandat
möglich, wobei die Vor- und Nachteile noch aufzuzeigen wären.
Die Kommission AVW dankt allen Beteiligten für die ausführlichen und übersichtlichen Unterlagen
und die intensiven Diskussionen. Als sehr gut erachtet die Kommission die gemeinsame Arbeitssitzung vom 6. Mai 2014. Anlässlich dieser Sitzung konnte lösungsorientiert gearbeitet werden.
In der Kommission war das Eintreten unbestritten. Die Kommission ist von der vorliegenden Lösung
überzeugt und empfiehlt die Annahme dieses Verpflichtungskredits.
Eintreten
Daniel Vulliamy, SVP, Rheinfelden: Die SVP und letztlich das Parlament setzte mit der Rückweisung
dieses Geschäfts ein klares Zeichen, dass wir künftig derart hohe Kosten bei grösseren Bauvorhaben des Kantons – speziell auch im Vergleich zu den Gemeinden und der Privatwirtschaft – nicht
mehr einfach so hinnehmen werden. Der Aufschrei über die Rückweisung war speziell in der betroffenen Region Baden/Wettingen gross. Im ersten Moment schien es ein Ding der Unmöglichkeit zu
sein, dem im Rückweisungsantrag enthaltenen Auftrag Folge leisten zu können.
Am 6. Mai 2014 fand im Rahmen eines Workshops eine Besprechung mit allen involvierten Personen und Gremien statt. Dabei wurden die bei der Klosteranlage Wettingen speziell strengen Vorgaben der Denkmalpflege erörtert. Es wurde festgestellt, dass es keine Alternativstandorte in zumutbarer und sinnvoller Nähe der bereits vorhandenen Schul- und Turnhallenbauten gibt. Anschliessend
fand eine breite Diskussion über die vom Departement BKS und der IMAG präsentierte Verzichtsplanung statt. Insgesamt wurden 18 Massnahmen aufgezeigt, wo Einsparungen erzielt werden können.
Der Regierungsrat beantragt dem Grossen Rat nun die Genehmigung eines Verpflichtungskredits in
Höhe von 17,7 Millionen Franken. Die eigentlichen Baukosten betragen 15,15 Millionen Franken. Der
Regierungsrat weist in seiner Botschaft darauf hin, dass diese Reduktion dank einer gezielten Verzichtsplanung möglich wurde. Das nun abgespeckte Projekt legt den Fokus noch stärker als bisher
auf den absolut notwendigen Schulbetrieb, ist aber weiterhin gut an die bestehende Anlage angedockt und wird gleichzeitig auch den Ansprüchen der Denkmalpflege gerecht.
Soweit so gut. Bevor die SVP konkrete Ausführungen über den Ablauf zu diesem Geschäft macht,
sei nochmals klar darauf hingewiesen, dass wir den Bedarf an zusätzlichem Turn- und Sportraum im
Raum Baden/Wettingen an den Kantonsschulen in keiner Weise in Frage stellen.
Die SVP fühlt sich in ihrem Vorgehen mit dem seinerzeit gestellten Rückweisungsantrag und ihrer
Haltung gegenüber künftigen Vorlagen für bauliche Investitionen gestärkt. Es war deutlich mehr als
nur ein Bauchgefühl, dass die erste Vorlage mit Gesamtkosten von über 20 Millionen Franken für
den Bau einer Dreifachturn- und Sporthalle, auch wenn sie unterirdisch angelegt werden muss, jenseits von Gut und Böse war. Und nun hat eine sogenannte Verzichtsplanung gezeigt, dass – wenn
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der nötige Druck vorhanden ist – Einsparungen absolut möglich sind, und das Wünschbare vom
Notwendigen getrennt werden kann. Und glauben Sie mir, das jetzt vorliegende Projekt hat auch
weiterhin einen sehr hohen Ausbaustandard und genügt hohen Ansprüchen.
Aber braucht es denn derartige Übungen und damit verbunden zeitliche Verzögerungen wie beim
vorliegenden Beispiel? Ich sage klar: Nein! Wir von der SVP verlangen, dass der Fokus bei Vorlagen
generell auf das für den Betrieb absolut Notwendige gerichtet wird; auf das Wünschbare soll verzichtet werden. Dies ist für den Kanton Aargau – und speziell für die IMAG – kein Ruhmesblatt, aber
hoffentlich ein deutliches Lehrstück. Die SVP wird bei baulichen Investitionen mit Argusaugen auf die
Kosten achten. Wir stellen fest, dass dieses Beispiel deutlich zeigt, dass bei den Ausgaben unseres
Staatshaushalts ein klarer Richtungswechsel notwendiger ist denn je. Wie hat doch unser Finanzminister vor wenigen Tagen festgestellt: "Der Kanton Aargau hat ein Ausgabenproblem." Also, es ist
höchste Zeit, dass wir entsprechende klare Zeichen setzen. Die Politik sitzt im selben Boot und trägt
die Verantwortung mit. Die SVP wird den Regierungsrat, wenn es darum geht, echte Sparmassnahmen durchzusetzen, unterstützen.
Wie gesagt, die SVP will jetzt den Kantonsschülerinnen und -schülern und den Vereinen möglichst
bald den benötigten zusätzlichen Turnraum ermöglichen. Obwohl, der Antrag lautete klar und deutlich: "(...) bei einem Kostendach in Höhe von 15 Millionen Franken." Die SVP-Fraktion respektiert den
gezeigten Willen und die getätigten Anstrengungen, im Rahmen einer Verzichtsplanung diese Zielsetzung zu erreichen. Die Verzichtsplanung hat Einsparungen in Höhe von rund 4,5 Millionen Franken gebracht. Ein Kostendach darf nicht ohne Grund überschritten werden. Was wäre passiert, wenn
diese Verzichtsplanung lediglich Einsparungen von 2 oder 3 Millionen Franken eingebracht hätte?
Übung nochmals von vorne! Und seien wir doch ehrlich, das mit dem Sparen ist so eine Sache, handelt es sich doch bei den Massnahmen grösstenteils um Volumenanpassungen, die zur Reduktion
des Projekts geführt haben und nicht um echte Einsparungen! Der Kubikmeterpreis bleibt gleich. Die
SVP war noch zu Beginn der Kommissionsberatungen der Meinung, der Auftrag sei konsequent zu
erfüllen. Aber weil es sich um eine Sportstätte handelt, welche primär unseren Jugendlichen und den
Vereinen dient, und welche jetzt keine weitere Verzögerung erhalten soll, lässt es die SVP-Fraktion,
so wie es jetzt beantragt ist, damit bewenden.
Die SVP hält fest, dass ihr obsiegender Rückweisungsantrag bei der IMAG offenbar einiges ausgelöst hat. Aber zuhanden der Materialien hält die SVP fest, dass der vom Parlament seinerzeit erteilte
Auftrag mit dem überwiesenen Rückweisungsantrag nicht vollumfänglich erfüllt wurde. Die SVP
warnt auch davor, von Zeitverschwendung wegen dieser Zusatzschlaufe zu reden. Dies ist nicht
richtig. Dieser Prozess mit der sogenannten Verzichtsplanung für dieses Projekt hat deutlich gezeigt,
dass bei kantonalen Bauprojekten die Zitrone noch lange nicht ausgepresst ist und er hat hoffentlich
bei der Verwaltung und der IMAG deutliche Spuren hinterlassen. Betreffend Kunst am Bau wird sich
die SVP in der Detailberatung noch äussern. Die SVP tritt auf das Geschäft ein.
Roland Agustoni, GLP, Rheinfelden: Ich werde mich kürzer fassen als mein Vorredner. Die GLPFraktion wird auf dieses Geschäft eintreten. Die vorliegende Botschaft entspricht inhaltlich – und nun
auch kostenmässig – unseren Vorstellungen. Wir waren und sind nach wie vor überzeugt, dass es
sich hier betreffend Standort um die richtige Wahl handelt. Dass bei dieser Bauvorlage der eigentlich
nötige Minergie-P-Eco-Standard aufgrund des fehlenden Tageslichts nicht eingehalten werden kann,
begreifen wir. Umso mehr ist es wichtig, dass der Grenzwert beim Minergiestandard in der Summe
nicht nur erreicht, sondern deutlich unterschritten wird. Der grösste Energieverbraucher bei Sportanlagen sind die Duschen. Wir sind überzeugt, dass die vorgesehene Wärmerückgewinnung aus dem
Dusch-Warmwasser dazu eine geeignete sparsame Lösung ist und sich positiv auf tiefere Betriebsund auf die Lebenszykluskosten auswirken wird.
Zu den Kosten: Wir bedauern und finden es gar störend, dass im Erläuterungsbericht, Beilage 1 zur
Botschaft, die Verzichtsplanungspunkte nicht einzeln in der Summe ausgewiesen wurden. Auch
wenn wir uns bewusst sind, dass dies im Detail nicht so einfach ist. Dies hätte uns die Neubeurteilung sicher vereinfacht respektive verständlicher und nachvollziehbarer gemacht. Auch basiert ein
grosser Teil dieser Reduktion der Summe des Verpflichtungskredits auf einer Neueinschätzung des
Baugrundrisikos von ursprünglich einer Million Franken auf heute noch 300'000 Franken. Und man
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schraubt die Projektreserven nach unten. Beides erachten wir planerisch als gefährlich. Zudem können Projektreservenkürzungen nicht als eine eigentliche Sparmassnahme bezeichnet werden. Dem
Antrag in der Synopse zur Kürzung des Gesamtbetrags um 100'000 Franken zulasten des Budgetpostens Kunst am Bau stimmen wir zu. Dies jedoch nur deshalb, weil die Kommission BKS als eigentliche Vertretung der künftigen Nutzer dies so beantragt. Die GLP tritt, wie eingangs erwähnt, auf
dieses überarbeitete Geschäft ein und wird ihm, so wie es nun vorliegt, auch zustimmen. Besten
Dank.
Gertrud Häseli, Grüne, Wittnau: Mit Knurren haben wir vor einem Jahr von der Rückweisung des
Baukredits Kenntnis genommen. Wir stellen aber fest, dass das überarbeitete Projekt den Anforderungen für den Schulbetrieb entspricht. Nicht erfreut sind wir über die Kürzung des Kredits im Bereich Kunst am Bau. Wir bauen in architektonisch sensibler Umgebung, wir setzen alles daran, die
alten denkmalgeschützten Gebäude in bestem Licht erscheinen zu lassen, nur für die neuen Gebäude, da fehlt Geld und Verständnis. Welch armer Kanton, der nur noch Geld hat, einen Zweckbau zu
erstellen und alles Kreative, Künstlerische, vermeintlich Nutzlose streicht. Wir beantragen, am ursprünglichen Kredit festzuhalten und die 100'000 Franken für die Kunst am Bau zu bewilligen.
Manfred Dubach, SP, Zofingen: "Mens sana in corpore sano." Auch wenn der römische Dichter Juvenal diesen Satz nicht genau so gesagt hat, wie er jeweils zitiert wird, wird es trotzdem endlich Zeit,
dass die Kantonsschule Wettingen die längst notwendigen Turnhallen bekommt, sodass neben der
Ausbildung des Geistes auch die sportliche Ausbildung nicht zu kurz kommt.
Der räumliche Bedarf ist klar gegeben. Der Standort ist für den Schulbetrieb vernünftig. Ein anderer
Standort steht nicht zur Verfügung. Die Aussenspielplätze können erhalten werden und die Sicht auf
das Kloster wird nicht verbaut. Nichts steht diesmal der Zustimmung durch den Grossen Rat entgegen.
Gesamthaft betrachtet muss man feststellen, dass seit der letzten Vorlage nicht günstiger, sondern
einfach weniger gebaut wird. Die Kosten pro Fläche oder Volumen sind in etwa gleich geblieben.
Dies konnte erreicht werden, indem der Bau auf die Bedürfnisse der Schule reduziert und damit abgespeckt wurde. Damit wurde aber auch eine Chance vertan, der Bevölkerung und den Vereinen
eine Anlage zur Verfügung zu stellen, die zusätzlichen Bedürfnissen gerecht würde. Es ist wohl ein
Zeichen unserer individualistischen, aufs Geld fixierten Zeit, dass sich die geschichtlich gesehen
reichste Gesellschaft, die es jemals gab, in ihrem Kleinmut keine grosszügigen Bauten für die Allgemeinheit mehr leisten will, wie dies in früheren Jahrhunderten selbstverständlich und Ehrensache
war.
Für den Schulbetrieb kann man den Eingang Nord, die Schiedsrichtergarderoben, den Zuschauerraum und die überdeckte Erschliessungsachse problemlos weglassen. Auch die Reduktion der Garderoben, der WC-Anlagen und der Geräteräume ist zu verkraften. In einigen Punkten hat das Festlegen eines willkürlichen und ohne Sachverstand bestimmten Kostendachs jedoch auch zu unvernünftigen Einsparungen geführt. Der Aussengeräteraum, der für einen effizienten Ablauf des Turnunterrichts schlicht notwendig ist, wird wohl später mit grösserer Kostenfolge gebaut werden müssen. Der
Verzicht auf bespielbare Trennwände reduziert den Gebrauchswert, insbesondere der mittleren Halle, massiv, obwohl kaum etwas eingespart wird. Der Kraftraum, welcher der Bevölkerung auch ausserhalb der Unterrichtszeit zur Verfügung gestanden hätte, wird jetzt an anderen Orten gebaut werden müssen. Die Frage, ob Sparmassnahmen wie die massiv tiefere Schätzung der Baugrundrisiken
oder die tieferen Projektreserven sinnvoll sind, sollen die Anwesenden für sich selbst beantworten.
Etwas peinlich erscheint der SP-Fraktion der teilweise Verzicht auf die Kunst am Bau – eine Einsparung von knapp 0,7 Prozent, nur um das willkürlich gesetzte Kostendach zu erreichen, das – ich wiederhole mich ungern – von wenig Sachverstand zeugt. Der Umgang mit Grössenordnungen will eben
auch gelernt sein.
Die SP wünscht sich, dass die bürgerlichen Parteien bei den Verschwendungen für den sehr hohen
Ausbaustandard bei Strassenbauten ebenso kritisch – Daniel Vulliamy spricht hier von Argusaugen –
hinschauen und damit überall den gleichen Massstab anwenden. Die SP-Fraktion wird im Sinn der
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Sache auch diesem auf den schulischen Betrieb ausgerichteten Projekt mit einigen Logikfehlern
zustimmen.
Herbert Strebel, CVP, Muri: Für die CVP ist Eintreten auf dieses Geschäft unbestritten. Wie schon
bei der vorhergehenden, abgelehnten Vorlage sind aus unserer Sicht auch heute noch sowohl Bedarf wie auch Standort dieser Sporthalle gegeben und richtig. Ebenfalls müssen wir akzeptieren,
dass Ansprüche der Denkmalpflege zu berücksichtigen sind. Selbstverständlich begrüssen wir die
Kostenreduktion dieses Projekts. Bei der Kostenreduktion handelt es sich jedoch nicht um Kosteneinsparungen, sondern um 19 Verzichtsmassnahmen, vorwiegend beim Raumangebot. Das vorliegende Projekt ist dennoch sehr gut und kann die geforderte Leistung und den Zweck für die Schule
erfüllen. Dies ist schlussendlich unser Auftrag. Für die sauber und detailliert aufbereiteten Unterlagen
der IMAG möchten wir uns bedanken. Ebenfalls hat sich auch dieses Mal der Mitbericht, hier von der
Kommission BKS, als sehr hilfreich bewährt. Den Kürzungsantrag für Kunst am Bau unterstützt die
CVP einstimmig.
Maja Riniker, FDP, Suhr: Die FDP-Fraktion tritt geschlossen auf das Geschäft ein.
Dass die Sportinfrastruktur der Kantonsschule Wettingen ausgebaut und ergänzt werden muss, ist
unbestritten. Die Latte, die am 7. Januar 2014 gesetzt war, war zu hoch. Es gab eine Rückweisung.
Nach dem Abspecken ist die FDP-Fraktion heute bereit, erneut Anlauf zu nehmen. Wir hoffen, dass
wir heute im Plenum die Hürde nehmen, der Investition grünes Licht geben und dass bald auch Kantonsschülerinnen und -schüler in den neuen, dringend notwendigen Räumen trainieren können.
Mit der Verzichtsplanung wurden diverse geplante Massnahmen aus dem Projekt gestrichen, ohne
dass eine markante Einbusse am Projekt vorgenommen werden musste. Es wurden gute Optimierungen vorgenommen, welche nun Einsparungen in Höhe von 4,52 Millionen Franken gegenüber
dem ersten Kostenvoranschlag mit sich bringen. Die ausführliche Botschaft und auch den wertvollen
Mitbericht der Kommission für Bildung, Kultur und Sport möchten wir an dieser Stelle verdanken.
Der Kostenkontrolle muss auch während der Ausführung ein besonderes Augenmerk geschenkt
werden. Die Stimmen aus der SVP-Fraktion klingen noch immer in unseren Ohren, dass deren gefordertes Kostendach – wenn auch knapp – nicht eingehalten worden ist. Geschätzter Herr Regierungsrat Hürzeler, wir hoffen, dass a) die nun vertieftere und als sehr seriöse Abklärung erläuterten
Risikoabschätzungen effektiv nur in diesem geschätzten Ausmass eintreten, und b) dass Sie aus
aktuellem Anlass – der Aufhebung des Euro-Mindestkurses – den Totalunternehmer verpflichten, die
möglicherweise entstehenden Preisvorteile an den Auftraggeber weiterzugeben. Zuletzt möchten wir
noch anfügen, dass wir den Kürzungsantrag um 100‘000 Franken bei der BKP-Position 9c Kunst am
Bau unterstützen. Wir treten auf das Geschäft ein und unterstützen es geschlossen.
Dr. Marcel Bruggisser, BDP, Aarau: Die Fraktion der BDP tritt auf das Geschäft ein. Wir bedanken
uns für die ausführliche Dokumentation des Geschäfts und die Durchführung der Sitzungen der beiden Kommissionen AVW und BKS in Wettingen. Ebenso möchten wir es nicht unterlassen, den Mitbericht der Kommission BKS zu würdigen. Der Bedarf nach zusätzlicher Sporthallenkapazität der
Kantonsschule Wettingen war für uns immer unbestritten. Ebenso halten wir den Standort weiterhin
für richtig, weil er in der Nähe der Schule ist und sich auf kantonseigenem Grund befindet. Das reduzierte Raumprogramm führt zu einer Konzentrierung auf den Schulsport. Wir halten das aber für
angebracht. Natürlich unterstützen auch wir im Grundsatz alles, was der Bevölkerung zu mehr Bewegung verhelfen könnte. Es ist aber sicher nicht so, dass der Zugang zu Sportmöglichkeiten im
Raum Wettingen wesentlich erschwert wäre und die Motivation zum Sporttreiben kann mit dem Bau
von zusätzlichen Angeboten auch nicht erhöht werden. Aus unserer Sicht sind für den wichtigen
Vereinssport mit dem Tägerhard genügend Kapazitäten vorhanden. Wichtig sind für uns die Massnahmen im Energiesparbereich. Die Abwasserwärmerückgewinnungsanlage ist deshalb absolut
unverzichtbar. Die Rückstufung auf den normalen Minergie-Standard hingegen ist aufgrund der unterirdischen Lage erklärbar und vertretbar. Wir würdigen die Arbeit, die hinter dem Verzichtsplan
steht und können nachvollziehen, dass die Baukosten knapp über dem vom Parlament geforderten
Betrag liegen. Dies auch, weil die damals genannten Referenzbauten nicht eins zu eins mit der Situ24. März 2015
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ation in Wettingen vergleichbar sind. Zudem wollen wir jetzt nicht weitere Planungskosten generieren, der Bau soll jetzt in Angriff genommen werden. Wir unterstützen den Antrag des Regierungsrats
und stimmen dem Verpflichtungskredit zu. Dem Antrag der Kommission BKS zur Kürzung der Kosten
Kunst am Bau werden wir ebenfalls zustimmen.
Lilian Studer, EVP, Wettingen: Die Ausgangslage dieser Botschaft ist positiv, dies hat die EVPFraktion schon bei der letzten Beratung erwähnt. Nach der letztmaligen Debatte dieses Inhalts ist die
Situation doch eher schwierig. Ob die nun gekürzte Variante die Richtige ist, sei dahingestellt. Doch
der Grosse Rat hat gefordert, Abstriche zu machen – insbesondere, wenn man am Standort festhalten will. Da die EVP weder in der Kommission BKS noch in der Kommission AVW vertreten ist, ist die
Umsetzung für uns aber umso schwieriger zu beurteilen. Ob es zum Beispiel sinnvoll ist, den Aufzug
nicht in den Aussenbereich zu führen, bleibt für uns doch eine offene Frage. Richtig beurteilen können wir aber, dass es diese Sportanlage braucht. In diesem Sinne möchte die EVP die Vorlage, so
wie sie uns jetzt vorliegt, konstruktiv unterstützen.
Alex Hürzeler, Regierungsrat, SVP: Ich danke Ihnen für die konstruktive Aufnahme dieser neuen
reduzierten Botschaft und unseres Antrags.
Aufgrund der Tatsache, dass die beiden Kommissionen sich sehr intensiv und gleich unmittelbar
nach dem Rückweisungsantrag mit dieser Thematik befassen konnten, liegt heute ein gutes Resultat
vor.
Für mich persönlich ist es rückblickend auch ein wegweisendes Beispiel, wie das Parlament und der
Regierungsrat künftig verschiedene Projekte und Themen zu beraten haben.
Zurzeit muss sich der Kanton Aargau aufgrund von Ihren Äusserungen und Vernehmlassungsantworten aktiv mit einer Abbau- und Verzichtsplanung beschäftigen. Am Beispiel der Sport- und Turnhalle in Wettingen haben wir aufgezeigt, dass es funktioniert, wenn alle zusammen, konstruktiv und
verständlich, in einem vernünftigen Rahmen diskutieren. Hier ist jetzt das Resultat – und zwar mit
einer echten Verzichtsplanung.
Es war nicht so, dass Sie als Parlament bei der ursprünglichen Botschaft nicht wussten, was Sie
gehabt hätten. Nein, Sie wussten es. Es war deutlich mehr, als man für den reinen Schulbetrieb benötigte. Als Beispiel nenne ich den damals geplanten deutlich grösseren Fitnessraum. Das war alles
transparent. Und es war Ihr Entscheid, diesen Bereich zurückzuweisen. Zusammen mit den beiden
Fachkommissionen sind wir diesen Weg gegangen. Das nun vorliegende Resultat scheint mehrheitsfähig zu sein. Auch für mich als Bildungsdirektor und für die Kantonsschule Wettingen ist das Resultat in diesem Sinne gut vertretbar. Ich danke Ihnen für die Überweisung, damit wir nun mit dem Bauprozess beginnen können. Sie haben vom Kommissionspräsidenten und verschiedenen Votanten
alle notwendigen Informationen erhalten. Ich verzichte deshalb auf weitere Ergänzungen.
Vorsitzender: Eintreten ist unbestritten.
Detailberatung/Antrag gemäss Botschaft
Die mitberichtende Kommission BKS beantragt im Einvernehmen mit der Kommission AVW und dem
Regierungsrat eine Kürzung des Verpflichtungskredits um 100'000 Franken und somit einen Verpflichtungskredit von 17,60 Millionen Franken.
Benjamin Brander, Muri, beantragt, eine Kürzung um 170'000 Franken (kompletter Verzicht "Kunst
am Bau"). Dies ergibt einen Verpflichtungskredit von 17,53 Millionen Franken.
Gertrud Häseli, Wittnau, beantragt die ursprüngliche Fassung gemäss Antrag des Regierungsrats
und somit einen Verpflichtungskredit von 17,70 Millionen Franken.
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Benjamin Brander, SVP, Muri: Kunst am Bau ist immer wieder ein breit diskutiertes Thema, so offenbar auch hier. Kunst hat ihre Berechtigung und ihr soll auch der nötige Platz gegeben werden. Dies
jedoch an der richtigen Stelle und in angemessenem Masse. Kunst kann auch schon der Bau an sich
sein, ohne dass künstlich etwas erschaffen werden soll. So wird aktuell zum Beispiel beim Bau der
neuen Notrufzentrale auf extra eingebrachte Kunst verzichtet, da die ausspringende Fassade als
solche schon eine Kunst darstellt. Eine Baukunst, geschätzte Damen und Herren, ist auch eine
Kunst. In der vorliegenden Vorlage dürfen wir mit gutem Gewissen auf Zusatzkunst verzichten. Mit
der stützenfreien Konstruktion, den teilweise sandgestrahlten oder hellpigmentierten Sichtbetonelementen und dem geplanten Farbkonzept wird schon ein starker künstlerischer Aspekt eingebracht.
Damit das künstlerisch-malerische, denkmalgeschützte Kloster seine Wirkung behält und die Halle
nicht sichtbar ist, investieren wir bereits viel Geld. Auch das ist Kunst. Die Galerieterrasse, die für die
Tageslichtdurchflutung verantwortlich ist, erhält ebenfalls einen künstlerischen Charakter. Aus diesen
Gründen können und müssen wir in Bezug auf die Finanzen hier auf zusätzliche Kunst ganz verzichten. Unterstützen Sie unseren Antrag und reduzieren Sie den Kredit um 170'000 Franken.
Thomas Leitch-Frey, SP, Wohlen; Präsident der Kommission für Bildung, Kultur und Sport (BKS): Ich
melde mich als Präsident der Kommission für Bildung, Kultur und Sport zu diesem vollständigen
Streichungsantrag für Kunst am Bau. Wir haben in der Kommission BKS ausgiebig diskutiert und uns
auf einen Kompromiss festgelegt. Ich bitte Sie, im Sinne der Kommission diesen Kompromiss zu
unterstützen und nicht den ganzen Betrag zu streichen. Es geht hier um Grundsätzliches. Der Kanton fördert als Kulturkanton die kulturelle und künstlerische Vielfalt. Kunst im öffentlichen Raum ist
ein wichtiges Element dieses Kulturlebens. Kunst im öffentlichen Raum ist auch eine Investition des
Kantons in die Lebens- und Standortqualität, denn sie trägt zur Identitätsfindung im öffentlichen
Raum bei und gerade bei einer Kantonsschule, an einem Ort für Bildung, beinhaltet diese Kunst am
Bau auch ein pädagogisches Anliegen und ein pädagogisches Element. Wenn der Kanton baut, wird
traditionellerweise mindestens circa ein Prozent der Bausumme für Kunst reserviert. Als Kompromiss
haben wir den Betrag nun bereits gekürzt. Es ist wichtig, dass wir an der Tradition festhalten und sich
der Kanton auch in Zeiten knapper Ressourcen dazu bekennt, bei öffentlichen Bauten einen gewissen Betrag für künstlerische Interventionen zur Verfügung zu stellen. Die Kommissionsmitglieder
haben mit 7 zu 4 für den Kompromiss gestimmt, und ich bitte Sie deshalb im Namen der Kommission
darum, diese vollständige Streichung abzulehnen und dem Kompromiss zu folgen, sonst setzen wir
kulturpolitisch ein falsches Signal.
Gertrud Häseli, Grüne, Wittnau: Es gibt keine neuen Argumente mehr. Ich beantrage den ursprünglich von der Regierung vorgeschlagenen Kredit von 17.7 Millionen, damit das Projekt Kunst am Bau
auch würdig ausgeführt werden kann.
Matthias Jauslin, FDP, Wohlen: Es geht jetzt um drei Zahlen. Es geht um den Verzicht von Kunst am
Bau, es geht um den Grundantrag von 170'000 Franken, den der Regierungsrat gestellt hat, und es
geht um den Kompromissantrag, den die Kommission BKS hier vorgetragen hat. Auch die Kommission AVW hat sich schlussendlich für den Kompromiss entschieden und möchte diesen Betrag nicht
ganz herausstreichen, sondern ihn so stehen lassen mit der Reduktion, welche auch in der Synopse
aufgeführt wird. Es ist, glaube ich, richtig, dass wir hier den Kompromiss finden. Ein Antrag für eine
ganze Reduktion, also die Streichung des gesamten Betrags, wurde in der Kommission AVW nicht
gestellt. Demgegenüber aber ein Belassen des ursprünglichen Betrags von 170'000 Franken. Es
wurde darüber abgestimmt und mit 10 gegen 3 Stimmen verworfen. Die Kommission AVW unterstützt den BKS-Kompromissvorschlag und ich möchte Sie im Namen der Kommission bitten, diesem
zu folgen.
Alex Hürzeler, Regierungsrat, SVP: Vielleicht ganz kurz einen Satz: Sie haben alle Argumente gehört, der Regierungsrat hat keine zusätzlichen, die Sie in ihrem Abstimmungsverhalten beeinflussen
werden. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.
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Abstimmungen
Gegenüberstellung 1 (Eventualabstimmung)
Antrag Häseli, Verpflichtungskredit mit einem
einmaligen Bruttoaufwand 17,70 Mio. Franken
60 Stimmen
Antrag Brander, Verpflichtungskredit mit einem
einmaligen Bruttoaufwand 17,53 Mio. Franken
70 Stimmen
Gegenüberstellung 2 (Eventualabstimmung)
Antrag Brander, Verpflichtungskredit mit einem
einmaligen Bruttoaufwand 17,53 Mio. Franken
45 Stimmen
Antrag BKS/AVW/Regierungsrat, Verpflichtungskredit
mit einem einmaligen Bruttoaufwand 17,60 Mio. Franken
86 Stimmen
Hauptabstimmung (Bereinigter Schlussantrag; Verpflichtungskredit mit einem einmaligen Bruttoaufwand von 17,60 Mio. Franken)
Vorsitzender: Der Antrag bedarf einer formellen Fehlerkorrektur. Im Antragstext ist das Wort "Grosskredit" durch das Wort "Verpflichtungskredit" zu ersetzen.
Stillschweigende Zustimmung
Der Antrag wird mit 111 gegen 20 Stimmen gutgeheissen.
Beschluss
Zur Ergänzung der Sportinfrastruktur an der Kantonsschule Wettingen wird für den Bau einer unterirdischen Dreifachsporthalle ein Verpflichtungskredit für einen einmaligen Bruttoaufwand von 17,60
Millionen Franken (Schweizerischer Baupreisindex [SBI], Nordwestschweiz, Kategorie Neubauten,
Indexstand April 2014, 123,7 Punkte) beschlossen. Der Verpflichtungskredit passt sich um die indexbedingten Mehr- und Minderaufwendungen an.
Vorsitzender: Da bei Traktandum 13 viele Wortmeldungen vorliegen, schlage ich Ihnen vor, dass wir
vor der Mittagspause noch das Traktandum 15 behandeln. Sie sind damit einverstanden.
0819 Interpellation Beatrice Beck-Matti, SP, Schafisheim, Elisabeth Burgener, SP, GipfOberfrick (Sprecherin), Dr. Jürg Knuchel, SP, Aarau, Dr. Martina Sigg, FDP, Schinznach, und
Lilian Studer, EVP, Wettingen, vom 2. Dezember 2014 betreffend ambulante Angebote im Behindertenbereich; Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 0693)
Mit Datum vom 25. Februar 2015 hat der Regierungsrat die Interpellation beantwortet.
Vorbemerkungen
Mit Inkrafttreten der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund
und Kantonen (NFA) am 1. Januar 2008 hat der Bund den Kantonen die umfassende Verantwortung
für die stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe, das heisst für Werkstätten, Wohnheime und
andere kollektive Wohnformen sowie für Tagesstätten übertragen. Hingegen verblieb die Zuständigkeit für die ambulanten Angebote der Behindertenhilfe, wie das begleitete Wohnen, sowie für die in24. März 2015
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dividuellen Leistungen an invalide Personen beim Bund. Die Finanzierung dieser Angebote beziehungsweise der individuellen Leistungen erfolgt aus Mitteln der Invalidenversicherung (IV).
Entsprechend den gesplitteten Verantwortlichkeiten hat der Kanton Aargau in der neu geschaffenen
Betreuungsgesetzgebung (Inkrafttreten per 1. Januar 2007) die rechtlichen Grundlagen für die Aufsicht, Planung, Steuerung und Finanzierung der stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe geschaffen, nicht jedoch für die ambulanten Angebote der Behindertenhilfe, wie die Interpellanten im
Text und in der Begründung davon ausgehen.
Im Behindertenkonzept vom 15. September 2010, das alle Kantone gestützt auf das Bundesgesetz
über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG) erstellen
mussten, konnte der Regierungsrat dem Bundesrat aufzeigen, dass der Kanton Aargau die Vorgaben der NFA rechtlich bereits verankert hat. Die Leitsätze im Behindertenkonzept verstehen sich, wie
dies der Regierungsrat festgehalten hat, als strategische Leitplanken bei der Planung, Steuerung
und Finanzierung des Angebots im Rahmen der Betreuungsgesetzgebung, das heisst auf Leistungen, welche Werkstätten, Wohnheime und Tagesstätten erbringen.
Ambulante Unterstützungsangebote und individuelle Leistungen, die Personen mit einer Behinderung selbstständiges Wohnen ermöglichen, sind für den Regierungsrat unbestrittenermassen genauso wichtig und notwendig, wie es die stationären Wohnangebote für Personen mit einer Behinderung
sind, die nicht allein leben können. Gemäss der heutigen Aufgabenteilung liegt es in der Verantwortung des Bundes, ein ausreichendes Angebot an ambulanten Unterstützungsangeboten sicherzustellen und die individuellen Leistungen so zu bemessen, dass es Menschen mit Behinderungen möglich
ist, in der eigenen Wohnung zu leben.
Wie das Ergebnis einer kürzlich von der Konferenz der Kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) durchgeführten Umfrage bei den Kantonen zum Thema stationäre und ambulante
Wohnformen zeigt, setzt der Bund insbesondere für das begleitete Wohnen heute zu wenig finanzielle Mittel ein, um die Nachfrage zu decken. Der Regierungsrat vertritt den Standpunkt, dass es ohne
Änderung der heutigen Zuständigkeit mit entsprechendem Finanzausgleich nicht am Kanton Aargau
ist, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, um eine Finanzierungslücke des Bundes zu füllen.
Der Regierungsrat beantwortet die Fragen deshalb gestützt auf die heutigen Verantwortlichkeiten
und unter Berücksichtigung der bestehenden kantonalen und eidgenössischen Rechtsgrundlagen.
Zur Frage 1: "Im Leitsatz 1 des Behindertenkonzeptes hält der Regierungsrat fest:
"Der Kanton setzt sich dafür ein, dass Menschen mit Behinderungen aktiv an der Gesellschaft teilhaben können und rechtsgleich behandelt werden."
Menschen mit Behinderungen sollen also die Möglichkeit haben, ihr Leben möglichst selbst bestimmt
zu gestalten. Dazu sind Angebote, die im Sinne eines Nachteilsausgleichs aufgrund der Behinderungen anzusehen sind, unumgänglich.
Wo sieht der Regierungsrat diesbezüglich Handlungsbedarf?
Welche Massnahmen sieht der Regierungsrat vor, damit unterstützende Angebote für Menschen mit
Behinderungen auch ausserhalb von stationären Einrichtungen in genügendem Ausmass zur Verfügung stehen?"
Für den stationären Bereich ist das zuständige Departement Bildung, Kultur und Sport im Sinne der
Leitsätze 1–3 des Behindertenkonzepts an der Erarbeitung eines Instrumentariums, mit dem der
individuelle Betreuungsbedarf erhoben werden kann. Diese Datenerhebungen dienen zukünftig als
Grundlage, um in den anerkannten Einrichtungen noch differenziertere und durchlässigere Angebote
sicherzustellen. Damit kann der Kanton gewährleisten, dass für die zu betreuenden Personen ein
Platz zur Verfügung steht, der ihren Kompetenzen und Ressourcen entspricht und sie ihren Alltag
soweit wie möglich selbstständig gestalten können. Weiteren Handlungsbedarf sieht der Regierungsrat in seinem Kompetenzbereich zurzeit nicht.
Im ambulanten Bereich hat der Regierungsrat keine Massnahmen vorgesehen, weil der Kanton, wie
bereits ausgeführt, nicht zuständig ist. Der Bund hat jedoch seit der Erstellung des Behindertenkon24. März 2015
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zepts eine Massnahme zur Förderung einer eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen, die in einer eigenen Wohnung leben möchten, umgesetzt. So
können Bezügerinnen und Bezüger einer Hilflosenentschädigung seit 1. Januar 2012 einen Assistenzbeitrag der IV geltend machen.
Wie die vom Bundesamt für Sozialversicherungen im Jahr 2014 veröffentlichte erste Zwischenevaluation zeigt, ist die Mehrheit der befragten Assistenzbezügerinnen und Assistenzbezüger mit der neuen Leistung zufrieden oder sehr zufrieden. Mit 656 Assistenzbeziehenden bis Ende Dezember 2013
lag die Nachfrage allerdings weit unter der ursprünglich prognostizierten Zahl von 3'000 Personen.
Es ist nun am Bund, mit weiteren Zwischenevaluationen herauszufinden, ob die Nachfrage tatsächlich nicht grösser ist und allenfalls Massnahmen zu treffen, damit mehr Menschen mit Assistenzbedarf das neue Angebot in Anspruch nehmen beziehungsweise nehmen können.
Zur Frage 2: "Im Leitsatz 2 des Behindertenkonzeptes hält der Regierungsrat fest:
"Der Kanton stellt Angebote sicher, welche sich nach dem individuellen Bedarf, den Kompetenzen
und den Ressourcen von Menschen mit Behinderungen richten."
Viele Menschen mit Behinderungen leben nicht in Institutionen und können dank ambulanter Unterstützung ihr Leben in einer eigenen Wohnung gestalten.
Wie schätzt der Regierungsrat die Erfüllung dieses 2. Leitsatzes ein?
Welche Massnahmen sind speziell für den ambulanten Bereich vorgesehen?"
Leitsatz 2 im Behindertenkonzept bezieht sich explizit auf die Steuerung des Angebots im Zuständigkeitsbereich des Kantons und somit auf den stationären Bereich. Mit dem Instrumentarium des individuellen Betreuungsbedarfs (siehe Antwort zur Frage 1) wird der Kanton dem Leitsatz 2 gerecht.
Der Regierungsrat begrüsst es, wenn alle Menschen mit Behinderungen die vorhandenen ambulanten Angebote und Leistungen nutzen, um in einer eigenen Wohnung leben zu können. Für die Steuerung der Angebote und Leistungen im ambulanten Bereich plant der Regierungsrat keine Massnahmen, solange die Verantwortung dafür beim Bund liegt.
Zur Frage 3: "Im Leitsatz 8 des Behindertenkonzeptes hält der Regierungsrat fest:
"Die kantonale Behindertenpolitik lässt Raum für die Weiterentwicklung der Angebote und berücksichtigt Erkenntnisse und Erfahrungen der Leistungserbringer, anderer Kantone und der Forschung."
Mit der UNO-Behindertenrechtskonvention (BRK) entstehen viele neue Fragen. So sieht der Art. 19
der BRK "Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft" vor. Menschen mit
Behinderungen sollten also selber über Lebensform und Unterstützung entscheiden können. Im Moment ist es aber so, dass durch die Zuständigkeiten bei der Finanzierung oft ausschliesslich der stationäre Weg offen steht, da ambulante Angebote nicht finanziert werden.
Sieht der Regierungsrat diese Lücke im Versorgungssystem des Kantons auch? Wenn ja, sind entsprechende Massnahmen geplant?"
Aus Sicht des Regierungsrats besteht die Lücke nicht im Versorgungssystem des Kantons und es
liegt grundsätzlich auch nicht an der gesplitteten Verantwortung. Vielmehr deckt der Bund den Bedarf an begleitetem Wohnen nicht ausreichend ab, wie das Umfrageergebnis der SODK zeigt (siehe
Ausführungen unter Vorbemerkungen). Beim Assistenzbeitrag liegt es hingegen nicht an zu geringen
finanziellen Mitteln der IV, dass Menschen mit Behinderungen den stationären Weg wählen (siehe
Ausführungen zur Frage 1).
Gemäss der heutigen Aufgabenteilung liegt es in der Kompetenz des Bundes, über mehr finanzielle
Mittel für begleitetes Wohnen zu entscheiden und beim Modell Assistenzbeitrag Massnahmen zur
Optimierung zu planen.
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Zur Frage 4: "In allen Bereichen gilt der Grundsatz: "so viel wie nötig und so wenig wie möglich." An
diesem Grundsatz sollte sich auch die Behindertenpolitik des Kantons Aargau orientieren. Genaue
Kenntnisse über den individuellen Unterstützungsbedarf von Menschen mit Behinderungen sind nötig, um eine bedarfsgerechte Versorgung sicherstellen zu können.
Hierzu ist der Bedarf im Bereich Wohnen, Beratung, Assistenz, Entlastungen, Tagesstrukturen, etc.
sowohl im ambulanten wie auch im stationären Bereich zu berücksichtigen.
Wie schätzt der Regierungsrat die Kostenfolgen bei einer Umverteilung der Gelder zwischen ambulanten und stationären Angeboten ein?
Welche gesetzlichen Massnahmen wären dazu notwendig?
Welches wären die materiellen Folgen für den stationären Bereich?"
Dem Regierungsrat ist es nicht möglich, konkrete Aussagen zu den Kostenfolgen einer Umverteilung
der Gelder und zu den sich daraus ergebenden materiellen Folgen für den stationären Bereich zu
machen. Im Rahmen des Pilotversuchs Assistenzbudget, den der Bundesrat gestützt auf die 4. IVRevision in den Jahren 2006–2011 durchgeführt hat, wurden unter anderem auch die Umverteilungswirkungen wissenschaftlich evaluiert. Dem Synthesebericht, der zuhanden des Bundesrats
verfasst worden ist, ist zu entnehmen, dass bei den am Pilotversuch teilnehmenden Personen, die
aus dem Heim ausgetreten sind und eine eigene Wohnung bezogen haben, die Kostenentlastung für
die öffentliche Hand insgesamt nur gering ausgefallen ist. Das Modell Assistenzbudget ist aufgrund
der Mehrkosten, die auf rund 430 Millionen Franken pro Jahr geschätzt worden sind, verworfen worden. Mit dem Assistenzbeitrag wurde schliesslich ein Modell gewählt, das durch einen Umbau bei
der Hilflosenentschädigung kostenneutral eingeführt werden konnte.
Eine kantonale Rechtsgrundlage zur Steuerung, Planung und Finanzierung aller ambulanten Angebote der privaten Behindertenhilfe und der individuellen Leistungen der IV für die Hilfe zuhause würde eine Anpassung der heutigen Aufgabenteilung mit rechtlichem Anpassungsbedarf im Bundesgesetz über die Eidgenössische Invalidenversicherung bedingen.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'694.–.
Elisabeth Burgener, SP, Gipf-Oberfrick: Das Betreuungsgesetz des Kantons Aargau gilt als eines der
fortschrittlichsten. Es sind genügend Grundlagen für den stationären Bereich vorhanden. Der ambulante Bereich ist aber leider nicht beziehungsweise nur auf Bundesebene geregelt. Dazu stellten wir
fünf Interpellantinnen und Interpellanten verschiedene Fragen. Ich nehme es vorweg: Wir sind mit
der regierungsrätlichen Antwort nicht zufrieden. Wir kritisieren, dass der Regierungsrat sich klar abgrenzt und nicht eigentlich auf die tatsächliche Lebensgestaltung von Menschen mit einer Behinderung eingeht. Die strategische Ausrichtung ist nur auf den Geltungsbereich "Institution" ausgerichtet.
Vonseiten des Kantons scheint auch kein Anreiz vorhanden zu sein, Angebote zu fördern, die zur
Verringerung von Heimplätzen führen könnten. Es stimmt, gemäss Art. 74 des Bundesgesetzes über
die Invalidenversicherung (IVG) des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) ist der Bund für die
ambulanten Angebote zuständig. Aber mit der Beantwortung unserer Interpellation verschliesst sich
der Regierungsrat klar vor einer Strategie "ambulant vor stationär". Er fördert damit die Angebotsorientierung und den Ausbau des stationären Bereichs.
Ich gehe kurz auf zwei einzelne regierungsrätliche Antworten ein, die diese Aussage verdeutlichen
sollen:
Bei Frage 1 fragen wir nach den vorgesehenen kantonalen Unterstützungsmassnahmen ausserhalb
der stationären Einrichtungen. Der Regierungsrat distanziert sich von dieser Aufgabe, wie eben bereits erwähnt, geht aber auf die Bedarfserhebung IBB (individueller Betreuungsbedarf) ein, die von
den Anbietern – also von den Institutionen – erhoben wird, um so die Einschätzung des Betreuungsbedarfs festzulegen. Wir kritisieren diese Art von Bedarfserhebung klar, da sie von den Institutionen
ausgeführt und mit Blick auf die stationären Angebote nie zu einer Umverteilung führen wird.
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Bei Frage 4 geht es um den Grundsatz "so viel wie nötig und so wenig wie möglich" und eine Umverteilung der Gelder zwischen ambulanten und stationären Angeboten.
Auch hier sieht der Regierungsrat keinen Handlungsbedarf und kann keine konkreten Aussagen
machen. Da aber viele Menschen nicht die ganze Unterstützung benötigen und zum Beispiel keine
Brückenangebote bestehen oder mitfinanziert werden, findet keine Förderung zu einem selbstbestimmten Leben statt. Es ist bedauerlich, dass sich der Regierungsrat auch bei dieser Frage keine
Gedanken über seinen Verantwortungsbereich hinaus macht.
Zusammengefasst bedauern wir, dass der Regierungsrat den Status quo zementiert und sich in keiner Weise öffnet, um neben den Vorteilen die Nachteile des vorgegebenen Systems zu analysieren
und mit der aktuellen Situation zu vergleichen. Wir brauchen flexible Modelle, um Menschen mit Behinderungen auch aus den Institutionen zu begleiten. Die klar vollzogene Trennung durch den Kanton verunmöglicht aber den Weg zu einem selbstständigen Leben und unterstützt klar den Ausbau
des stationären Bereichs. Wir sind mit der Antwort nicht zufrieden und werden den Regierungsrat mit
konkreten Forderungen konfrontieren.
Vorsitzender: Namens der Interpellantinnen und Interpellanten erklärt sich Elisabeth Burgener von
der Antwort nicht befriedigt. Das Geschäft ist erledigt.
Ich schliesse die Sitzung und informiere Sie noch kurz, wie wir heute Nachmittag weiterfahren. Wir
starten um 14.00 Uhr mit dem Traktandum 16, Kantonaler Richtplan. Nach der Beratung dieses Geschäfts folgen die Traktanden 13 und 14. Danach fahren wir weiter gemäss ordentlicher Traktandenliste.
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