Predigt am 4.5.2014 zu Galater 5. Kapitel

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Predigt am 4.5.2014 zu Galater 5. Kapitel - Pastor Marcus Antonioli
Die Gnade und die Güte Gottes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde,
für die Freiheit setzen Menschen schon immer viel aufs Spiel: sogar gefahrvolle Fluchten und Protest
gegen erdrückende Übermacht! Für nichts in der Welt wollten wir unsere Freiheit zu denken und auch
zu sagen, was wir denken, hergeben.
Wenn ich in diesen Tagen durch unsere Stadt gehe und die Wahlwerbung der unterschiedlichsten
Gruppierungen anschaue, dann hinterlassen mich manche ratlos und andere ärgern mich auch.
Gleichzeitig bin ich froh, in einem Land zu leben, wo selbst die erklärten Gegner der Freiheit, diese
genießen! Und zugleich tut es gut zu wissen, dass die, die hetzen und Hass säen, nicht
unwidersprochen durch unsere Stadt marschieren können!
Der Apostel Paulus macht uns bewusst, dass die größte Unfreiheit in unseren eigenen Köpfen und
Herzen lauert! Wir fallen gern zurück in vermeintliche Sicherheiten und geben dafür schwer errungene
Freiheiten auf!- Genau davor warnt der Apostel Paulus in seinem Brief an die Galater. Damals ging es
um die Frage, ob man zunächst den kultischen Regeln des Judentums gehorchen musste, um den
neuen Glauben anzugehören. Die Beschneidung war nur das äußere Zeichen für ein Regelwerk, dass
für viele Neu-Christen ein Hindernis und keine Hilfe darstellte. Für uns heute ist die Beschneidung
vielleicht noch interessant, wenn es um Religionsfreiheit und ihre Grenzen geht, aber damals stand es
für einen bestimmten way of life.
Liebe Schwestern und Brüder,
aber die grundsätzliche Frage stellt sich immer wieder: sind wir Menschen für die Freiheit geschaffen
oder nicht? Blicken wir auf das entsetzliche Leid, das Menschen immer wieder zufügen, ist man
geneigt, dem Menschen diese Möglichkeit abzusprechen. - Doch was ist die Alternative? - Es ist kein
Zufall, dass gutgemeinte Utopien am Ende eine immer totalere Kontrolle über den Menschen
anstreben! So hat der nordkoreanische Diktator jüngst seinen Landsleuten seine eigene Frisur
verordnet. Ganz nach dem Motto, wenn in allen Köpfen die gleichen Gedanken sind, dann schadet es
auch nichts, wenn auf allen Köpfen die gleiche Frisur sitzt! - So plump - so übel! - Aber auch wir sind
durch massenhafte Manipulation in unserer inneren Freiheit gefährdet. Mehr und mehr werden uns die
Gefahren bewusst, die von der ständigen Beobachtung in den modernen Medien ausgeht!
Liebe Gemeinde, liebe Tauffamilie,
wir haben heute die kleine Carlotta getauft. In der Taufe erinnert uns Gott daran, dass er uns eine
Menge zutraut! Und wir wissen, je mehr uns zugetraut wird, desto mehr gelingt uns auch! In Carlottas
Taufspruch ist genau davon die Rede: Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! Denn
ich bin mit dir, und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden. - Wer aus diesem Vertrauen
lebt, der kann seine Stimme erheben, wenn Gerechtigkeit und Friede bedroht sind. Durch die Taufe
sind wir alle zur Liebe und Freiheit berufen; auch wenn beides in dieser Welt, immer nur
bruchstückhaft zu haben ist!
Es ist kein Zufall, dass wir unsere größte Freiheit dort erfahren, wo wir Verantwortung für unser und
das Leben anderer übernehmen! Mit Dietrich Bonhoeffer können wir sagen, dass Gott sich über
aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten freut. Darum hat der Apostel Paulus recht, wenn er
Freiheit und Liebe als die zwei Seiten ein und derselben Medaille begreift. Für Paulus ist die Liebe die
höchste Freiheit. "Durch die Liebe diene einer dem anderen!" - Er steht damit in guter jüdischer
Tradition, auch wenn er die formalen Vorschriften für unnötig erachtete.
Und genau hier setzt Martin Luther in seiner Schrift von der Freiheit eines Christenmenschen ein: wir
leben nicht uns selbst, sondern in Christus und seinem Nächsten! - Unser Glaube ermöglicht uns eine
tiefe innere Freiheit, denn wir müssen uns und Gott nichts beweisen. Wir sind durch Jesus Christus
angenommene, selbst mit unseren Fehlern und Sünden! In seiner Nachfolge dürfen wir der Liebe
Gottes vertrauen und das große Abenteuer des Lebens wagen. Dazu gehört es die guten
Möglichkeiten Gottes, in unserem Leben zu erkunden! Das ist die wunderbare Freiheit des Glaubens,
die wir uns nicht ausreden lassen sollten!
Doch anders als zu Luthers Zeiten ist der Glaube heute nicht durch Angst vor einem zornigen Gott
gefährdet. Vielmehr bedroht uns eine andere Art der inneren Sklaverei, nämlich dass wir in unserer
Lebensart ganz auf uns fixiert bleiben. Wir leben oft in einem Zerrbild von Freiheit, dass wir darunter
immer nur ein Höchstmaß an Optionen für uns verstehen, ganz gleich, was das für andere bedeutet.
Freiheit ohne die Dimension der Liebe verkommt zu purer Selbstbezogenheit!
Liebe Gemeinde,
wir dürfen uns immer wieder daran erinnern, dass Gott uns zu einem Leben in Freiheit und Liebe
berufen hat. Unser Glaube birgt wie eine Muschel die Perle der Freiheit in sich. Es ist gut sich diese
befreiende Dimension des Glaubens immer wieder in Erinnerung zu rufen!
Dazu gibt es eine bewegende Geschichte aus Afrika:
Ein Mann fand im Wald ein großes Vogelei. Er nahm es mit zu sich nach Hause und ließ das Ei von
einem seiner Hühner ausbrüten. Der Vogel schlüpfte und wuchs im Hühnerhof mit den anderen
Hennen, den Enten und Truthähnen auf. Nach einiger Zeit bekam der Mann Besuch von einem
Freund. Als sie gemeinsam durch den Garten gingen, sagte der Freund zu seinem Gastgeber: »Dieser
Vogel dort, das ist ja ein Adler. Der gehört nicht auf den Hühnerhof. Lass ihn frei!« »Nein«, sagte der
Mann. »Ich habe ihn zu einem Huhn erzogen. Er ist kein Adler mehr, auch wenn seine Flügel 3 Meter
Spannweite haben.« »Er ist immer noch ein Adler«, sagte sein Gast, »denn er hat das Herz eines
Adlers.« »Nein«, hielt der Mann dagegen, »er ist ein richtiges Huhn und wird niemals fliegen, solange
er genug zu essen bekommt.« Der Freund wollte ihm nicht glauben. Er nahm den Adler, hob ihn in die
Höhe und sagte beschwörend: »Du bist ein Adler und gehörst in den Himmel! Breite deine Schwingen
aus und flieg!« Der Adler saß auf der hochgereckten Faust und blickte um sich. Hinter sich sah er die
Hühner nach Körnern picken und er sprang – zurück in den Hühnerhof. Doch der Freund gab nicht
auf. Am nächsten Tag stieg er mit dem Adler auf das Dach des Hauses, hob ihn empor und sagte:
»Adler, der du ein Adler bist, breite deine Schwingen aus und fliege!« Der Adler sah die ganzen
anderen Hühner im Hof – sprang abermals hinunter und scharrte mit ihnen. Der Mann sagte zu seinem
Freund: »Ich habe dir doch gesagt, er ist ein Huhn!« »Nein«, sagte der Freund, »er ist ein Adler und er
hat noch immer das Herz eines Adlers. Morgen werde ich es noch einmal versuchen.« Am nächsten
Morgen nahm er den Adler und brachte ihn hinaus aus der Stadt auf einen hohen Berg. Er hob den
Adler hoch und sagte zu ihm: »Adler, du gehörst dem Himmel und nicht der Erde. Breite deine
Schwingen aus und fliege!« Der Adler blickte umher. Er zitterte, als erfülle ihn neues Leben – aber er
flog nicht. Da ließ ihn der Mann direkt in die Sonne schauen. Und plötzlich breitete der Adler seine
gewaltigen Flügel aus, erhob sich mit einem schrillen Schrei und flog höher und höher, der Freiheit
entgegen!
Möge Gott auch in uns immer wieder die Sehnsucht lebendig nach einem neuen Leben im Geiste Jesu
wach halten! Amen
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