- Rechtsanwälte Schneider und Beer

Werbung
Schneider, Beer, Veller & Weber
Rechtsanwälte und Notar
Im Herrengarten 7
57319 Bad Berleburg
Tel.: 02751/3989
www.sub-recht.de
Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 11/2014:
Arbeitsrecht
Kündigungsrecht: Verhaltensbedingte Kündigung eines Lehrlings ist erst nach vorheriger
Abmahnung möglich
Überstunden: Wer Überstunden duldet, muss sie auch bezahlen
Haftungsrecht: Verantwortlicher Vorgesetzter kann auch ohne Vorsatz für Arbeitsunfall haften
Versetzung: Abordnung von Wachkräften des Bundesbeauftragten für Stasiunterlagen
Baurecht
Leistungsbeschreibung: Leistung muss nicht mangelhaft sein, wenn anderes Produkt als
vereinbart eingebaut wird
Architektenvertrag: Vertragskündigung bei unberechtigtem Führen der Berufsbezeichnung
Architekt
Baumangel: Ist die Nutzung beeinträchtigt, ist der Mangel wesentlich
Vertragsrecht: Kein Anspruch des Auftraggebers auf Nachweise über
Sozialversicherungsbeiträge
Familien- und Erbrecht
Betreuung: Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers für einen Volljährigen
Namensrecht: „Ivabelle“ ist als zweiter Vorname nicht zulässig
Kindesunterhalt: Auch ein titulierter Unterhaltsanspruch kann verwirken
Erbrecht: Worauf Immobilienerben achten sollten
Mietrecht und WEG
Flächenabweichung: Rückforderung einer überzahlten Quadratmetermiete
Kündigungsrecht: Quietschende Kettenschaukel in der Wohnung kann zur Kündigung führen
Zahlungsverzug: Versehentliches Ausbleiben der Mietzahlung des JobCenters
Mietgebrauch: Mieter darf seine Parabolantenne im angemieteten Garten aufstellen
Provision: Kein Maklervertrag ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen
Verbraucherrecht
Vereinsrecht: Haben Mitglieder bei mangelnden Leistungen des Vereins ein
Sonderkündigungsrecht?
Verkehrssicherungspflicht: Modegeschäft muss sich auf Kleinkinder einstellen
Haftungsrecht: Kratzer im Lack aufgrund der Benutzung der Waschstraße
Reiserecht: Unwirksame Bestimmung des Abreisezeitpunkts durch den Veranstalter
Verkehrsrecht
Kreuzungsunfall: Auf das Blinklicht des Vorfahrtberechtigten kann nicht vertraut werden, es
besteht eine Wartepflicht
Schadenabwicklung: Ersatz eines alten Kfz-Kennzeichens ohne Europa-Kennung
Schadenabwicklung: Scheckeinlösung ist kein Anerkenntnis der Kürzung
Ausfallschaden: Werkstatt bestellt Ersatzteile erst nach Gutachteneingang
Trunkenheit im Verkehr: 1,1-Promillegrenze gilt auch für Kutschfahrer
Steuerrecht
Kapitalanleger: Der Abgeltungsteuersatz ist auch bei Darlehen zwischen Angehörigen möglich
Arbeitnehmer: Fortbildung: Keine Werbungskosten durch Entnahme aus dem Stundenkonto
Arbeitgeber: Lohnsteuerrichtlinien 2015: Neue Aufmerksamkeitsgrenze von 60 EUR
Umsatzsteuerzahler: Flächenbezogener Verzicht auf die Umsatzsteuerfreiheit ist möglich
Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
GmbH: Prokura berechtigt nicht zur Änderung der Geschäftsanschrift beim Handelsregister
Freiberufler und Gewerbetreibende: Ordnungsgemäße Aufbewahrung und Archivierung
elektronischer Kontoauszüge
Gesellschafter und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften: Zum Zeitpunkt der
Verlustentstehung bei Auflösung bzw. Liquidation einer GmbH
Arbeitgeber: Übernahme von Buß- und Verwarnungsgeldern ist beitragspflichtig
Abschließende Hinweise
Berechnung der Verzugszinsen
Arbeitsrecht
Kündigungsrecht: Verhaltensbedingte Kündigung eines Lehrlings ist erst
nach vorheriger Abmahnung möglich
| Wenn eine Auszubildende kurz vor dem Ende der Ausbildung zwei Wochen unentschuldigt
fehlt, kommt eine fristlose Kündigung erst nach vorheriger Abmahnung in Betracht. |
Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln im Fall einer Auszubildenden als Goldschmiedin
entschieden. Sie fehlte im Anschluss an eine Erkrankung zwei Wochen unentschuldigt. Ihr
Arbeitgeber hatte sie für die Zeit der Krankheit abgemahnt, weil er die Krankheit bezweifelte. Als
sie anschließend zwei Wochen unentschuldigt fehlte, erklärte er die fristlose Kündigung.
In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass unentschuldigtes Fehlen von über zwei
Wochen eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstelle. Im Rahmen der erforderlichen
Interessenabwägung sei allerdings die zum Zeitpunkt der Kündigung bereits zurückgelegte
Ausbildungszeit im Verhältnis zur Gesamtdauer der Ausbildung einzubeziehen. Kurz vor der
Abschlussprüfung sei eine fristlose Kündigung von Auszubildenden nur bei besonders
gravierenden Verfehlungen zulässig. Es könne dabei nicht von den Maßstäben ausgegangen
werden, die bei Erwachsenen in einem Arbeitsverhältnis anzulegen sind. Jugendliche und
Heranwachsende Auszubildende verfügten noch nicht über eine abgeschlossene geistige,
charakterliche und
körperliche Entwicklung. Deren Förderung gehöre auch zu den Aufgaben der Ausbildung. Daher
sei eine Kündigung nur nach vorheriger Abmahnung gerechtfertigt. Da die vorangegangene
Abmahnung, die sich auf die nachgewiesene Krankheit bezogen habe, unberechtigt gewesen sei,
habe sie keine Wirkung für die anschließende Fehlzeit entfalten können. Die Kündigung sei daher
unwirksam gewesen.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 22.1.2013, 11 Sa 783/12, Abruf-Nr. 142804 unter www.iww.de.
Überstunden: Wer Überstunden duldet, muss sie auch bezahlen
| Wenn ein Arbeitgeber Überstunden seines Arbeitnehmers duldet, macht er damit deutlich, dass
er diese in Kenntnis einer Überstundenleistung entgegennimmt. |
Hierauf wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern in einem Rechtsstreit
zum Thema Überstunden hin. Treffe der Arbeitgeber auch in der Zukunft keine Vorkehrungen
dafür, weitere Überstunden zu unterbinden, nehme er sie auch weiterhin entgegen. Damit eröffne
er dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Überstundenvergütung.
Hinweis | Der Arbeitnehmer kann die von ihm geleisteten Überstunden in einem Prozess
nachweisen, indem er eine Liste vorlegt, aus der sich die von ihm behauptete Arbeitszeit für die
einzelnen Tage und eine entsprechende Saldierung auf den Monat bezogen ergibt.
Quelle | LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22.1.2014, 2 Sa 180/13, Abruf-Nr. 142431
unter www.iww.de.
Haftungsrecht: Verantwortlicher Vorgesetzter kann auch ohne Vorsatz für
Arbeitsunfall haften
| Werden Arbeitnehmer vorübergehend einem anderen Unternehmen zur Durchführung von
Montagearbeiten auf einer Baustelle überlassen, hat der dortige Vorgesetzte die Pflicht, keine
Tätigkeiten zuzuweisen, bei denen mangels berufsgenossenschaftlich vorgeschriebener
Schutzmaßnahmen die Gefahr von Gesundheitsschäden besteht. Lässt er die Arbeiter entgegen
eindeutiger Sicherheitsbestimmungen ungesichert auf dem Dach arbeiten und kommt es dabei zu
einem Unfall, kann dies dazu führen, dass der zuständige Sozialversicherungsträger seine
unfallbedingt an den Geschädigten geleisteten Aufwendungen vom Vorgesetzten ersetzt
verlangen kann. |
Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz entschieden und damit die vorangehende
Entscheidung des Landgerichts (LG) Mainz bestätigt, das den beklagten Vorgesetzten zur
Zahlung von insgesamt 942.436,13 EUR verurteilt hatte. Die klagende Berufsgenossenschaft
beansprucht Ersatz ihrer Aufwendungen, die ihr infolge eines Arbeitsunfalls ihres Versicherten
entstanden sind. Die mit der Errichtung des Dachs eines Kantinengebäudes beauftragte
Arbeitgeberin des Beklagten verfügte nicht über genügend eigenes Montagepersonal. Die
Arbeitgeberin des
Geschädigten stellte ihr daher zwei ihrer Arbeitnehmer – darunter den Geschädigten selbst – für
die durchzuführenden Arbeiten zur Verfügung. Verantwortlicher auf der Baustelle war der
Beklagte. Bei den Arbeiten verlor der Geschädigte das Gleichgewicht und stürzte von einer
Mauer 5,50 m tief auf den darunter befindlichen Betonboden. Er zog sich schwerste Schädel- und
Wirbelverletzungen zu und ist seitdem querschnittsgelähmt. Die Unfallstelle war zum
Unfallzeitpunkt nur in einzelnen Teilflächen mit Sicherheitsnetzen gegen Abstürze gesichert und
entsprach nicht den einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften. Hierauf war der Beklagte kurz
vor dem Unfall ausdrücklich hingewiesen worden. Das LG Mainz hat der Klage auf Ersatz der
überwiegend für Heilbehandlung und Berufshilfe geleisteten Aufwendungen sowie auf
Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Aufwendungen stattgegeben.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung hat das OLG nun zurückgewiesen. Der Beklagte
habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt und hafte gegenüber dem
Sozialversicherungsträger im Wege des Rückgriffs. Er sei als Verantwortlicher in der konkreten
Situation verpflichtet gewesen, den ihm unterstellten Arbeitnehmern keine die Gesundheit
gefährdenden Arbeiten zuzuweisen. Die Verpflichtung bestehe auch gegenüber Arbeitnehmern
eines anderen Unternehmens, wenn sie im Rahmen einer vorübergehenden Tätigkeit im Betrieb
eingesetzt würden. Seine Sorgfaltspflichten habe der Beklagte in ungewöhnlich hohem Maße
verletzt. Dem geschädigten Arbeitnehmer sei kein Mitverschulden anzulasten, da er lediglich
einer Anordnung seines weisungsbefugten Vorgesetzten entsprochen habe. Die Haftung des
Beklagten werde auch nicht durch arbeitsrechtliche Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung
relativiert.
Soweit die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung im Einzelfall im Hinblick auf ein mögliches
Missverhältnis zwischen dem Verdienst des haftenden Arbeitnehmers – hier des Beklagten – und
dem Schadensrisiko seiner Tätigkeit bzw. einer ihm drohenden wirtschaftlichen
Existenzgefährdung Haftungserleichterungen in Betracht ziehe, bedürfe es der Heranziehung
dieser Grundsätze nicht. Denn der Sozialversicherungsträger könne nach seinem Ermessen
unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers auf Ersatzansprüche
ganz oder teilweise verzichten. Aktuell gebe es für die klagende Berufsgenossenschaft aber auch
keinen Anlass für einen derartigen Verzicht, da der Betriebshaftpflichtversicherer der
Arbeit-geberin des Beklagten für den vom Beklagten verursachten Schaden einzutreten habe.
Quelle | OLG Koblenz, Urteil vom 22.5.2014, 2 U 574/12, Abruf-Nr. 142805 unter www.iww.de.
Versetzung: Abordnung von Wachkräften des Bundesbeauftragten für
Stasiunterlagen
| Ein bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen DDR als Wachmann beschäftigter ehemaliger Mitarbeiter des
Staatssicherheitsdienstes kann auch gegen seinen Willen zum Bundesverwaltungsamt
abgeordnet werden. |
Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg entschieden und damit ein Urteil
des Arbeitsgerichts Berlin bestätigt. Dieses hatte den Antrag des Betroffenen auf Erlass einer
gegen die Abordnung gerichteten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Das LAG gelangte zu der Auffassung, dass der Bundesbeauftragte die Abordnung auf das
arbeitgeberseitige Direktionsrecht stützen könne. Schutzwürdige Interessen des Betroffenen
stünden dem nicht entgegen. Auf die vom Betroffenen bestrittene Verfassungsmäßigkeit des
§ 37a Stasiunterlagengesetz, wonach ehemalige Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes, die
beim Bundesbeauftragten beschäftigt sind, unter Berücksichtigung sozialer Belange auf einen
gleichwertigen Arbeitsplatz innerhalb der Bundesverwaltung zu versetzen sind, käme es daher
nicht an.
Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.9.2014, 15 SaGa 1468/14, Abruf-Nr. 142806
unter www.iww.de.
Baurecht
Leistungsbeschreibung: Leistung muss nicht mangelhaft sein, wenn
anderes Produkt als vereinbart eingebaut wird
| Nicht jede Produktbeschreibung der bei der Erstellung eines Werks zu verwendenden
Materialien ist als Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen. |
So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Frankurt a.M. Dies sei nach Ansicht der Richter
vielmehr danach zu entscheiden, ob sich feststellen lasse, dass der Besteller erkennbar großen
Wert gerade auf die genaue Einhaltung der Leistungsbeschreibung legt. Verwende der
Unternehmer bei der Ausführung von Abdichtungsarbeiten nicht das als Abdichtungsbahn
vereinbarte, sondern ein anderes Produkt, müsse dies auch nicht unbedingt ein Mangel des
Werks sein. Das andere Produkt sei vielmehr akzeptabel, wenn es mit dem vereinbarten Material
technisch gleichwertig und im Einkaufspreis bis auf wenige Cent gleich teuer sei. Die
Entscheidung ist rechtskräftig, der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Nichtzulassungsbeschwerde
des Bestellers zurückgewiesen.
Quelle | OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 16.5.2013, 15 U 251/11, Abruf-Nr. 142807 unter
www.iww.de.; BGH, Beschluss vom 10.7.2014, VII ZR 310/13.
Architektenvertrag: Vertragskündigung bei unberechtigtem Führen der
Berufsbezeichnung Architekt
| Der Auftraggeber darf den Architektenvertrag kündigen, wenn sein Vertragspartner gar nicht
berechtigt ist, die Berufsbezeichnung Architekt zu führen. |
Mit dieser Begründung wies das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg die Honorarklage eines
Innenarchitekten gegen seinen Auftraggeber ab. Die Richter wiesen darauf hin, dass die
Berufsbezeichnung Architekt nur von Personen geführt werden dürfe, die mit dieser Bezeichnung
in der Architektenliste eingetragen seien. Um eingetragen zu werden müsse der Betroffene in der
Lage sein, die Berufsaufgaben in der jeweiligen Fachrichtung zu erfüllen. Dabei werde zwischen
den Fachrichtungen Architektur und Innenarchitektur unterschieden. Wer Innenarchitekt sei, dürfe
den Titel „Architekt“ nicht führen. Dies hätte er dem künftigen Auftraggeber grundsätzlich schon
bei Vertragsverhandlungen offenbaren müssen. Verletze er diese Aufklärungspflicht, könne der
Auftraggeber den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten oder aus wichtigem Grund
kündigen. Seien die bis dahin erbrachten Leistungen für den Auftraggeber unbrauchbar und
hätten sie keinen selbstständigen Wert, entfalle zudem auch der Honorar-anspruch.
Quelle | Urteil des OLG Oldenburg vom 21.5.2014, 3 U 71/13, Abruf-Nr. 142808 unter
www.iww.de.
Baumangel: Ist die Nutzung beeinträchtigt, ist der Mangel wesentlich
| Ob ein Mangel wesentlich ist und eine Verweigerung der Abnahme rechtfertigt, hängt von den
Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Art des Mangels, seines Umfangs und seiner
Auswirkungen ab. |
Hierauf machte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. aufmerksam. In dem betroffenen
Fall wurde um die angeblich unzureichende Qualität eines Betonbodens gestritten. Die Richter
entschieden, dass diese einen wesentlichen Mangel darstelle, wenn die Nutzbarkeit der
betroffenen Flächen für den vertraglich vorausgesetzten Zweck (hier: Befahrung durch
Hubwagen mit 2.200 kg Nutzlasten) beeinträchtigt werde.
Quelle | OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 17.9.2013, 14 U 129/12, Abruf-Nr. 142809 unter
www.iww.de.
Vertragsrecht: Kein Anspruch des Auftraggebers auf Nachweise über
Sozialversicherungsbeiträge
| Der Auftraggeber von Bauleistungen hat keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass der
Auftragnehmer ihm Bescheinigungen zur Erfüllung seiner Verpflichtung zur Zahlung der
Sozialversicherungsbeiträge für die bei ihm oder seinen Nachunternehmern auf der Bau-stelle
beschäftigten Arbeitnehmer vorlegt. |
Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg in einem Rechtsstreit hin. In dem Fall hatte
der Auftraggeber einen Teil seiner Zahlungen zurückgehalten, weil er den Nachweis nicht
erhalten hatte. Zu Unrecht, entschied das OLG und verurteilte ihn zur Zahlung der ausstehenden
Beträge. Ein Anspruch auf Vorlage der Bescheinigungen bestehe nicht. Ein solcher Anspruch
ergebe sich auch nicht aus § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG). Eine vertragliche
Nebenpflicht zur Vorlage derartiger Unterlagen kann sich nur ausnahmsweise ergeben. Eine
solche Ausnahme liege hier nicht vor
Quelle | OLG Naumburg, Urteil vom 24.1.2014, 10 U 7/13, Abruf-Nr. 142810 unter www.iww.de.
Familien- und Erbrecht
Betreuung: Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers für einen
Volljährigen
| Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch darf gegen den freien Willen des Volljährigen ein
Betreuer nicht bestellt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist dies aber dennoch
möglich. |
Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt. Die Richter haben dabei in einer Entscheidung
aufgezeigt, welche Voraussetzungen dafür eingehalten werden müssen. Stimmt der
Betroffene der Einrichtung oder der Erweiterung einer Betreuung nicht zu, ist neben der
Notwendigkeit der Maßnahme stets zu prüfen, ob die Ablehnung durch den Betroffenen auf
einem freien Willen beruht. Das Gericht muss sich durch einen Facharzt beraten lassen. Auf
Grund-lage dieses Sachverstands muss das Gericht feststellen, ob der Betroffene trotz seiner
Erkrankung noch zu einer freien Willensbestimmung fähig ist. Die beiden entscheidenden
Kriterien hierbei sind die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser
Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern nur ein
natürlicher Wille vor.
Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine
Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen.
Dabei dürfen jedoch keine überspannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des
Betroffenen gestellt werden. Auch der an einer Erkrankung leidende Betroffene kann in der Lage
sein, einen freien Willen zu bilden und ihn zu äußern. Abzustellen ist jeweils auf das
Krankheitsbild des Betroffenen. Wichtig ist das Verständnis, dass ein gesetzlicher Vertreter
bestellt wird, der eigenständige Entscheidungen in den ihm übertragenen Aufgabenbereichen
treffen kann. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell
erfassen können. Das setzt denknotwendig voraus, dass der Betroffene seine Defizite im
Wesentlichen zutreffend einschätzen und auf der Grundlage dieser Einschätzung die für und
gegen eine Betreuung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abwägen kann.
Ist der Betroffene zur Bildung eines klaren Urteils zur Problematik der Betreuerbestellung in der
Lage, muss ihm weiter möglich sein, nach diesem Urteil zu handeln und sich dabei von den
Einflüssen interessierter Dritter abzugrenzen. Dabei müssen die Feststellungen zum Ausschluss
der freien Willensbestimmung durch ein Sachverständigengutachten belegt sein.
Beruht die Entscheidung des Betroffenen gegen die Bestellung eines Betreuers schließlich auf
einer nach den vorgenannten Maßstäben freien Willensbildung, muss diese Entscheidung auch
dann respektiert werden, wenn die Einrichtung einer Betreuung für den Betroffenen objektiv
vorteilhaft wäre.
Quelle | BGH, Urteil vom 30.7.2014, XII ZB 107/14, Abruf-Nr. 142617 unter www.iww.de.
Namensrecht: „Ivabelle“ ist als zweiter Vorname nicht zulässig
| Ein erwachsener Mann kann seinem Vornamen nicht den Zweitvornamen „Ivabelle“
hinzu-fügen, wenn er keinen wichtigen Grund dafür vorbringen kann. |
Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht (VG) Trier die entsprechende Klage eines
Mannes abgewiesen, der die Eintragung eines weiteren Vornamens beantragt hatte. Sein erster
Vorname solle bestehen bleiben, jedoch wünsche er sich aus persönlichen Gründen die
Hinzufügung des Zweitvornamens „Ivabelle“. Nachdem dieser Antrag abgelehnt wurde, hat der
Mann nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren Klage erhoben. In der
Urteilsbegründung haben die Richter ausgeführt, dass auch für die Hinzufügung eines weiteren
Vornamens wichtige Gründe vorliegen müssten. Ein Recht auf freie Abänderbarkeit des
Vornamens gebe es nicht. Auch insoweit bestehe ein gewichtiges öffentliches Interesse an der
sozialen Ordnungsfunktion des Namens und der Namenskontinuität. In der Rechtsprechung sei
die Zulässigkeit einer Namensänderung in den Fällen anerkannt, in denen der geänderte Name
unverzichtbarer Ausdruck der sexuellen Persönlichkeit sei oder der religiösen Überzeugung
entspreche. Gründe dieser Art habe der Mann nicht darlegen können. Daher sei die Klage,
unabhängig von der Frage, ob der Name „Ivabelle“ für einen Mann überhaupt zulässig sei,
abzuweisen.
Quelle | VG Trier, Urteil vom 7.7.2014, 6 K 392/14.TR, Abruf-Nr. 142811 unter www.iww.de.
Kindesunterhalt: Auch ein titulierter Unterhaltsanspruch kann verwirken
| Auch titulierte Ansprüche auf Kindesunterhalt unterliegen der Verwirkung, wenn sie längere Zeit
nicht geltend gemacht werden (Zeitmoment) und der Unterhaltsschuldner davon ausgehen durfte,
dass eine Inanspruchnahme nicht mehr erfolgen wird (Umstandsmoment). |
Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem Rechtsstreit hin. Die Richter machten
deutlich, dass es für das Umstandsmoment im Einzelfall ausreichen könne, wenn der
Unterhaltsberechtigte einen über einen bestimmten Zeitraum aufgelaufenen Unterhaltsrückstand
nicht geltend mache, hingegen Rückstände aus anderen Zeiträumen durchgehend thematisiere.
Und noch eine zweite wichtige Aussage findet sich in der Entscheidung des OLG. Danach müsse
sich das unterhaltsberechtigte Kind das Verhalten des Jugendamts in der
Unterhaltsauseinandersetzung zurechnen lassen, wenn hinsichtlich der Unterhaltsansprüche eine
Beistandschaft des Jugendamts bestehe
Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 17.3.2014, 6 UF 196/13, Abruf-Nr. 142812 unter www.iww.de.
Erbrecht: Worauf Immobilienerben achten sollten
| Wer eine Immobilie erbt, hat viele Fragen zu klären – von der Eintragung des neuen
Eigentümers in das Grundbuch über die mit der Immobilie verbundenen laufenden Kosten bis zu
eventuell notwendigen Renovierungsarbeiten. Die folgende Übersicht der LBS Bayern zeigt auf,
worauf beim Immobilienerbe zu achten ist. |
Grundbucheintrag
Als neue Eigentümer sollten sich Immobilienerben zügig in das Grundbuch eintragen lassen.
Dafür muss der Erbschein dem Amtsgericht vorgelegt werden. Dieses veranlasst die Eintragung.
Liegt ein Erbschein vor, ist die Änderung im Grundbuch ein Jahr lang gebührenfrei. In jedem
anderen Fall beträgt die Gebühr für eine Änderung im Grundbuch rund ein Prozent des
Marktpreises. Das kann – je nach Wert der Immobilie – schnell eine vierstellige Summe werden.
Wer die geerbte Immobilie nicht veräußern möchte, sollte den Eintrag im Grundbuch deshalb vor
Ablauf der Jahresfrist ändern lassen. So lässt sich viel Geld sparen. Bei einem Verkauf der
Immobilie übernimmt der Makler in der Regel die Formalitäten.
Neue Pflichten
Als neuer Eigentümer übernimmt man die Verantwortung dafür, dass keine Gefahren von der
Immobilie ausgehen und niemand zu Schaden kommen kann. Deshalb ist zu prüfen, ob
beispielsweise überhängende Äste oder morsche Bäume die Nachbargrundstücke
beeinträchtigen können. Im Winter ist gegebenenfalls daran zu denken, angrenzende Gehwege
von Schnee und Glatteis zu befreien. Regelmäßig sollte auch die Funktionsfähigkeit der Heizung
geprüft werden, um Schäden am Gebäude zu vermeiden. Ist ausreichend Brennstoff vorhanden?
Sind alle notwendigen Wartungsarbeiten erledigt?
Unterhaltskosten
Immobilienerben sollten die Kosten kalkulieren, die für den Unterhalt des Objekts anfallen, um
nicht von unerwarteten Belastungen überrascht zu werden. Für jede Immobilie sind regelmäßig
Grundsteuer und Versicherungsbeiträge zu bezahlen. Darüber hinaus können Kosten für Strom,
Heizung, Straßenreinigung, Müllabfuhr sowie Verwaltung und Hausmeister anfallen. Wenn die
Immobilie Teil einer Eigentümergemeinschaft ist, lohnt es, die Protokolle der letzten
Eigen-tümerversammlungen zu prüfen. Diese können Beschlüsse über größere Sonderumlagen
enthalten, für die der neue Eigentümer aufkommen muss.
Modernisierungen
Oft stehen bei geerbten Objekten Renovierungen an, weil Strom- und Wasserleitungen, Dach,
Fenster, Bad oder Böden erneuerungsbedürftig sind. Sinnvoll kann es zudem sein, die
Raumaufteilung zu verändern. Auch der energetische Zustand entspricht häufig nicht mehr dem
heutigen Standard. Die LBS Bayern empfiehlt daher, einen bedarfsorientierten Energieausweis
erstellen zu lassen. Er enthält konkrete Vorschläge für Modernisierungsmaßnahmen. Soll das
Objekt vermietet oder verkauft werden, verlangt der Gesetzgeber ohnehin einen Energieausweis.
Quelle | LBS Bayerische Landesbausparkasse
Mietrecht und WEG
Flächenabweichung: Rückforderung einer überzahlten Quadratmetermiete
| Eine echte Quadratmetermiete ist vereinbart, wenn die Parteien eines Mietvertrags im
Mietvertrag festlegen, dass sich die Miete aus der Größe des Mietobjekts in m2 multipliziert mit
einem pro m2 zu zahlenden Mietpreis ergibt. |
Ist eine echte Quadratmetermiete vereinbart, dann bestimmt sich der Betrag der geschuldeten
Miete unmittelbar auf der Grundlage der tatsächlichen Fläche. Eine höhere Zahlung, die auf der
irrtümlichen Annahme einer größeren Fläche beruht, stellt eine Überzahlung dar. Diese kann als
ungerechtfertigte Bereicherung zurückverlangt werden. Das gilt auch, wenn die
Flächenabweichung geringer als 10 Prozent ist. Hierauf wies aktuell das Oberlandesgericht
(OLG) Dresden hin.
Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 1.7.2014, 5 U 1890/13, Abruf-Nr. 142426 unter www.iww.de.
Kündigungsrecht: Quietschende Kettenschaukel in der Wohnung kann zur
Kündigung führen
| Quietschende Geräusche in einer Wohnung nachts über einen längeren Zeitraum hinweg sind
nicht sozialadäquat und berechtigen den Vermieter zur Kündigung. |
Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Amtsgericht München. Der beklagte Mieter
bewohnt seit 2009 ein Appartement der Klägerin. Im Mietvertrag wurde vereinbart, dass die
Nachtruhe zwischen 22 Uhr und 7 Uhr nicht gestört werden darf. Der Mieter hat in der Wohnung
ein Schaukelgestell mit Ketten aufgestellt. Seit Dezember 2012 kam es immer wieder zu
Ruhestörungen. Die Schaukel war sehr alt und wurde von dem Mieter auch regelmäßig benutzt.
Drei- bis viermal pro Woche wurde eine Nachbarin über mehrere Stunden hinweg im Zeitraum
zwischen 22 Uhr und 3 Uhr durch häufige und laute Geräusche aus der Wohnung des Beklagten
gestört. Es hat sich um quietschenden Lärm und Lärm durch Fallenlassen und Schieben von
Gegenständen gehandelt. Die Vermieterin behauptet, der Mieter habe seit Dezember 2012 im
Zeitraum zwischen 22 Uhr und 3 Uhr häufig starke Lärmbelästigungen durch sexuelle Praktiken
mit anderen Männern verursacht. Darüber hätten sich andere Mieter beschwert. Als sich trotz
zweimaliger Abmahnung wegen Nichteinhaltung der Nachtruhe keine Besserung einstellte,
erhielt der Mieter die ordentliche Kündigung. Da er nicht auszog, verklagte ihn die Vermieterin auf
Räumung der Wohnung.
Die Richterin gab der Vermieterin recht: Die ausgesprochene ordentliche Kündigung ist wirksam.
Der beklagte Mieter habe seine vertraglichen Pflichten aus dem Mietvertrag erheblich verletzt.
Das Gericht gehe davon aus, dass die Benutzung der Schaukel jedenfalls einen Teil dieser
Geräusche verursacht habe. Die von der Wohnung des Mieters ausgehenden Geräusche in der
Nacht würden nicht mehr dem normalen Mietgebrauch entsprechen. Sie müssten deshalb von
anderen Mietern und der Vermieterin nicht als sozialadäquat hingenommen werden. Dabei
komme es für die Entscheidung nicht mehr darauf an, ob auch die angezeigten Unter-haltungen
und das Duschen zur Nachtzeit Pflichtverletzungen des Mieters sind.
Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 27.1.2014, 417 C 17705/13, Abruf-Nr. 142813 unter
www.iww.de.
Zahlungsverzug: Versehentliches Ausbleiben der Mietzahlung des
JobCenters
| Der Mieter gerät in Zahlungsverzug, wenn die vom JobCenter für ihn an den Vermieter
unmittelbar zu leistenden Mietzahlungen aufgrund eines Versehens des JobCenters aus-bleiben.
|
So entschied es das Landgericht (LG) Berlin. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit,
dass das JobCenter nicht Erfüllungsgehilfe des Mieters bei der Erfüllung der mietvertraglichen
Zahlungspflichten sei. Allerdings gerate der Mieter solange nicht in Verzug, wie er sich in einem
unvermeidbaren Tatsachenirrtum befinde, mithin solange wie er gewichtige tatsächliche
Bedenken gegen das Bestehen seiner Leistungspflicht haben könne. Der so begründete
Tatsachen-irrtum entfalle erst nach Ablauf einer nach den Umständen des Einzelfalls zu
bemessenden Frist zur Überprüfung der tatsächlichen Grundlagen der Mietschuld. Hier müsse
man dem
Mieter im Regelfall eine Mindestfrist von einem Monat für die erforderliche Nachfrage und
Informationsgewinnung gegenüber dem JobCenter einräumen.
Quelle | LG Berlin, Urteil vom 24.7.2014, 67 S 94/14, Abruf-Nr. 142428 unter www.iww.de.
Mietgebrauch: Mieter darf seine Parabolantenne im angemieteten Garten
aufstellen
| Ein Vermieter kann vom Mieter nicht verlangen, dass er eine auf der Rasenfläche des
gemieteten Gartens aufgestellte Parabolantenne entfernt. |
Das musste sich ein Vermieter vor dem Amtsgericht Brandenburg sagen lassen. Das Gericht
machte deutlich, dass dies kein vertragswidriger Gebrauch der Mietsache sei. Die Antenne sei
wie ein Sonnenschirm zu betrachten, da sie die Bausubstanz nicht beeinträchtige. Sie stelle
allenfalls eine optische Beeinträchtigung dar, die vom Vermieter unter Abwägung der Belange
des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz hinzunehmen sei.
Quelle | AG Brandenburg 8.8.14, 31 C 304/13, Abruf-Nr. 142709 unter www.iww.de.
Provision: Kein Maklervertrag ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen
| Ein Maklervertrag mit dem Kaufinteressenten entsteht nicht schon durch Übersendung des
Exposés oder Besichtigung des Objekts. |
Dies sind nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München vielmehr nur
Vor-bereitungshandlungen ohne rechtsgeschäftliche Bindungswirkung. Ein Bindungswille
hinsichtlich eines Maklervertrags könne nach Ansicht der Richter erst angenommen werden,
wenn der Makler sein Provisionsverlangen eindeutig zum Ausdruck gebracht habe.
Quelle | OLG München, Urteil vom 18.6.2014, 7 U 2697/13, Abruf-Nr. 142711 unter
www.iww.de.
Verbraucherrecht
Vereinsrecht: Haben Mitglieder bei mangelnden Leistungen des Vereins ein
Sonderkündigungsrecht?
| Vereine sind auch Dienstleister für ihre Mitglieder. Wenn Mitglieder die gewünschten
Leistungen nicht oder nur unzureichend erhalten, haben sie deshalb ein Sonderkündigungsrecht.
|
Frage: Wegen Baufälligkeit hat die Stadt unserem Verein den Zugang zur Sporthalle untersagt.
Eine Ersatzhalle gibt es zwar. Die muss sich der Verein aber mit anderen teilen, sodass das
Sportangebot stark reduziert werden musste. Eine Verbesserung ist nicht absehbar. Kann ich
meine Mitgliedschaft fristlos kündigen? Die Satzung sieht eine Frist von sechs Monaten zum
Jahresende vor.
Unsere Antwort: Grundsätzlich hat ein Mitglied ein Sonderkündigungsrecht, wenn ein wichtiger
Grund vorliegt. Es kann dann seine Mitgliedschaft sofort – ohne Rücksicht auf die
satzungs-mäßige Frist – beenden.
Was ist ein „wichtiger Grund“?
Für die Vereinsmitgliedschaft gilt das Gleiche wie für alle Dauerschuldverhältnisse: Unter
bestimmten Umständen kann sie unabhängig von den Vorgaben der Satzung vom Mitglied mit
sofortiger Wirkung gekündigt werden. Es müssen dazu aber Tatsachen vorliegen, die es dem
Mitglied unzumutbar machen, die Mitgliedschaft bis zur regulären Austrittsfrist fortzusetzen.
Dabei müssen alle Umstände einbezogen werden.
Ein Verschulden des Vereins ist nicht erforderlich. Die Gründe, die das Verbleiben im Verein
unzumutbar machen, können auch objektiver Natur sein. Auch Tatsachen, auf die der Verein
keinen Einfluss hat, können also ein Grund für die fristlose Kündigung sein.
Unzureichende Leistungen des Vereins
Kann der Verein die bisher angebotenen Leistungen nicht mehr aufrechterhalten, kann das ein
objektiver Grund für eine fristlose Kündigung sein. Auf ein Verschulden des Vereins kommt es
dabei nicht an. Auch wenn der Verein sich also vergeblich bemüht hat, eine weitere Halle zu
finden, schließt das ein Sonderkündigungsrecht nicht aus.
Die Einschränkungen im Sportangebot müssen aber erheblich sein. Dabei kommt es nicht auf
das Gesamtangebot an, sondern auf den Teil, der für das einzelne Mitglied künftig wegfällt. Ist
das der Fall, entfällt also ein Großteil der bisher vom Mitglied genutzten Angebote, ist dem
Mitglied eine Fortsetzung der Mitgliedschaft nicht zuzumuten. Es entfällt ja ein wesentlicher
Grund für die Mitgliedschaft. Die Voraussetzungen, unter denen die Mitgliedschaft eingegangen
wurde, haben sich also in unzumutbarer Form geändert.
Verkehrssicherungspflicht: Modegeschäft muss sich auf Kleinkinder
einstellen
| Ein Modegeschäft verletzt seine Verkehrssicherungspflicht, wenn es seine Auslagen auf
einem Warenständer präsentiert, der von einem vierjährigen Kleinkind mit geringem Kraftaufwand
gekippt werden kann und der dann die Gefahr erheblicher Verletzungen begründet. |
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines vierjährigen Kindes entschieden.
Beim Einkaufen mit seinen Eltern hatte es in einem Modegeschäft zunächst in der Spielecke
gespielt. In einem unbeaufsichtigten Moment begab es sich zu einem Warenständer mit
Gürteln. Das Kind zog an einem Gürtel und brachte damit den Ständer zum Kippen. Dabei zog es
sich eine schwere Augenverletzung zu. Die Eltern verlangten von dem Modehaus
Schadenersatz, u.a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 EUR.
Die Richter am OLG verurteilten das Modehaus entsprechend. Dieses habe seine
Verkehrs-sicherungspflicht verletzt. Es habe Gürtel auf einem Warenständer angeboten, der bei
einer geringen Zugbelastung von nur 800 Gramm, die auch ein Kleinkind ausüben könne, zum
Umstürzen gebracht werden konnte. Das habe der gerichtliche Sachverständige festgestellt.
Zudem habe durch die als Haltevorrichtung für die Gürtel dienenden Zinken die Gefahr
erheblicher Verletzungen bestanden. Diese Gefahrenquelle habe das Modehaus beseitigen
müssen. Darauf dürften Kunden vertrauen, die das Modehaus gemeinsam mit ihren Kindern
aufsuchten.
Der Verkehrssicherungspflicht stehe nicht entgegen, dass Kleinkinder regelmäßig ständiger
Aufsicht der Eltern bedürfen. Die gebotene elterliche Aufsicht könne nur solche
Sicherungsmaßnahmen entbehrlich machen, die von den Eltern unschwer zu beherrschen seien.
Auf die von dem Gürtelständer ausgehende Gefahr treffe das nicht zu, weil Eltern nicht damit
rechnen müssten, dass eine derartige Ladeneinrichtung bereits bei einem leichten Ziehen ihres
Kindes umfalle.
Eine Mithaftung der Eltern komme hier nicht in Betracht. Sie hätten ihre Aufsichtspflicht nicht
verletzt. Das Kind habe sich ca. 5 m zu den in Sichtweite befindlichen Eltern befunden, als sich
der Unfall ereignete. Im Übrigen stehe nicht fest, dass die Eltern den Unfall hätten verhindern
können, weil bereits ein einmaliges kurzes Ziehen an einem Gürtel des Ständers bei ungünstiger
Ausrichtung der Rollen den Ständer kippen lassen konnte.
Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 6.3.2014, 6 U 186/13, Abruf-Nr. 142814 unter www.iww.de.
Haftungsrecht: Kratzer im Lack aufgrund der Benutzung der Waschstraße
| Der Betreiber einer Waschstraße muss die Schäden an einem Pkw ersetzen, wenn dieser nach
Benutzung der Waschstraße an einer Seite mehrere Kratzer im Lack aufweist und
weitere Fahrzeuge nach Durchfahrt der Waschstraße die gleichen Schäden vorweisen. |
So entschied es das Amtsgericht Mülheim. Nach Ansicht des Gerichts stelle die Gleichartigkeit
der Schäden (leicht bogenförmige Kratzer in vergleichbarer Höhe) ein Indiz dafür dar, dass die
Schäden in der Waschanlage durch den mechanischen Vorgang einer automatischen Bürste
entstanden seien.
Quelle | AG Mülheim, Urteil vom 1.8.2013, 23 C 1428/12, Abruf-Nr. 140716 unter www.iww.de.
Reiserecht: Unwirksame Bestimmung des Abreisezeitpunkts durch den
Veranstalter
| Die Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstalters „Die
endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen.“ und
„Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich.“ benachteiligen den
Reisenden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sind unwirksam. |
Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH). Die Richter verwiesen in ihrer Entscheidung
darauf, dass der Zeitpunkt der Abreise im Reisevertrag nicht nur als nach Tag und Uhrzeit
bezeichneter Zeitpunkt vereinbart werden könne. Er könne ebenso auch zum Gegenstand eines
Leistungsbestimmungsrechts des Reiseveranstalters gemacht werden, das es diesem erlaubt,
die genaue Leistungszeit innerhalb eines vereinbarten Rahmens festzulegen. Ein solches
Bestimmungsrecht könne dann auch durch die Vereinbarung einer als voraussichtlich
bezeichneten Abreisezeit eingeräumt werden. Liege aber dem Reisevertrag eine vom
Reiseveranstalter genannte voraussichtliche Abreisezeit (hier: Abflugzeit) zugrunde, müsse diese
jedenfalls annähernd eingehalten werden.
Quelle | BGH, Urteil vom 10.12.2013, X ZR 24/13, Abruf-Nr. 141024 unter www.iww.de.
Verkehrsrecht
Kreuzungsunfall: Auf das Blinklicht des Vorfahrtberechtigten kann nicht
vertraut werden, es besteht eine Wartepflicht
| Wem ein Vorfahrtsverstoß zur Last fällt, trägt gegenüber demjenigen, dem ein
miss-verständliches Verhalten vorzuwerfen ist, die Hauptverantwortung an einem Unfall. |
Diesen Grundsatz stellte das Oberlandesgericht (OLG) Dresden auf. Der Entscheidung lag eine
häufig auftretende Straßenverkehrssituation zugrunde. Ein grundsätzlich wartepflichtiger
Verkehrsteilnehmer hatte auf das Blinklicht des Vorfahrtberechtigten vertraut und war auf die
Vorfahrtstraße eingebogen. Beim Einbiegen in die vorfahrtberechtigte Straße kam es zum
Zusammenstoß mit dem blinkenden Fahrzeug.
Die Richter machten deutlich, dass der Wartepflichtige nur dann auf ein Abbiegen des
Vorfahrtberechtigten vertrauen dürfe, wenn über das bloße Betätigen des Blinkers hinaus eine
zusätzliche Vertrauensgrundlage geschaffen worden sei. Diese müsse im Einzelfall zu der
Annnahme des Wartepflichtigen geführt haben, das Vorrecht werde nicht mehr ausgeübt. Eine
solche
Vertrauensgrundlage könne z.B. in einer eindeutigen Herabsetzung der Geschwindigkeit oder
aber in dem Beginn des Abbiegemanövers liegen. Nur dann könne darauf vertraut werden, dass
der Vorfahrtberechtigte tatsächlich vor dem Wartepflichtigen abbiegt, mithin kein Vorfahrtrecht
mehr zu beachten ist.
Im vorliegenden Fall ergab die Beweisaufnahme, dass der Vorfahrtberechtigte neben dem
irreführenden Blinken seine Geschwindigkeit deutlich reduziert hatte. Das reichte den Richtern
als besonderer zusätzlicher Umstand und führet im Ergebnis zu einer Haftungsquote von 70:30.
Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 20.8.2014, 7 U 1876/13, Abruf-Nr. 142815 unter www.iww.de.
Schadenabwicklung: Ersatz eines alten Kfz-Kennzeichens ohne EuropaKennung
| Ein Autofahrer hatte einen unverschuldeten Heckunfall. Dabei wurde das Kennzeichen
beschädigt. Es handelt sich um ein altes, also ohne Europa-Kennung. Die Zulassungsstelle
vergibt aber nur noch Eurokennzeichen und die nur paarweise. Die gegnerische Versicherung
weigert sich, die Kosten für das zweite, also vordere Kennzeichen, zu erstatten. Ist das
richtig? |
Unsere Antwort | Im Haftpflichtfall nein. Bei Haftpflichtschäden ist die Sache eindeutig: Ohne
den Unfallschaden mit der Beschädigung des hinteren Kennzeichens müsste der Autofahrer kein
vorderes Kennzeichen kaufen. Denn: Denkt man sich das schädigende Ereignis weg, gäbe es
keine Notwendigkeit für einen neuen Nummernschild-Satz. Die Kosten für das vordere
Kennzeichen muss der Versicherer also erstatten.
Beachten Sie | Bei Kaskoschäden sähe das anders aus. Da ist die Messlatte nicht die „hinterher
wie vorher“-Doktrin. Vertraglich schuldet der Kaskoversicherer nur die Wiederherstellung oder
den Ersatz der beschädigten Teile. Das vordere Kennzeichen ist aber nicht beschädigt.
Schadenabwicklung: Scheckeinlösung ist kein Anerkenntnis der Kürzung
| Schickt der Versicherer auf eine Schadenersatzforderung hin einen Scheck mit einem im
Verhältnis zur Forderung gekürzten Betrag und erläutert er in einem Begleitschreiben die
Kürzung nur, erkennt der Geschädigte mit der Einlösung des Schecks nicht die Berechtigung der
Kürzung an. |
Diese Entscheidung traf das Landgericht (LG) Zwickau. Wolle der Versicherer damit den Verzicht
auf eine Nachforderung erreichen, müsse er ausdrücklich darauf aufmerksam machen. Er müsse
unmissverständlich formulieren, dass in der Scheckübersendung ein Vergleichsangebot liegt,
dass er auf eine ausdrückliche Annahme des Vergleichs verzichtet, und dass deshalb in der
Scheckeinreichung die Annahme des Vergleichs liegt. Gleichzeitig müsse er dazu auf-fordern,
den Scheck zurückzuschicken, wenn der Vergleich nicht angenommen werden solle.
Quelle | LG Zwickau, Urteil vom 25.4.2014, 6 S 103/13, Abruf-Nr. 142412 unter www.iww.de.
Ausfallschaden: Werkstatt bestellt Ersatzteile erst nach Gutachteneingang
| Wartet die Werkstatt ohne Absprache mit dem Geschädigten den Eingang des Gutachtens ab,
bevor sie die Ersatzteile bestellt, obwohl der Reparaturauftrag längst vorliegt, geht diese
Verzögerung nicht zulasten des Geschädigten. |
Das stellte das Amtsgericht Landshut klar. Nach dessen Ansicht trage auch in diesem Fall der
Schädiger das Werkstattrisiko. Gestritten wurde nach einem Verkehrsunfall um einen unstreitigen
Reparaturschaden. Der Geschädigte hatte den Reparaturauftrag sofort erteilt. Die Werkstatt hat
aber erst den Eingang des Schadengutachtens abgewartet, bevor sie die Ersatzteile bestellt hat.
Und das Gutachten hatte fünf Tage auf sich warten lassen. Der Versicherer meinte, die Teile
hätten auch ohne das Gutachten bestellt werden können, also seien einige Tage Mietwagen nicht
zu erstatten. Damit konnte er sich aber nicht durchsetzen.
Quelle | AG Landshut, Urteil vom 13.12.2013, 10 C 1632/13, Abruf-Nr. 142219 unter
www.iww.de.
Trunkenheit im Verkehr: 1,1-Promillegrenze gilt auch für Kutschfahrer
| Der Grenzwert der Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille gilt auch für den Führer einer
Pferdekutsche. |
So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg im Fall des Führers einer
Pferde-kutsche. Die Richter machten deutlich, dass der Kutscher ab einem Blutalkoholgehalt von
1,1 Promille absolut fahruntüchtig sei. Sie zogen dabei den Vergleich mit einem Radfahrer, für
den die Grenze bei 1,7 Promille angenommen wird. Der Kutscher müsse jederzeit in der Lage
sein, auf sein Pferd einzuwirken, um die Kutsche zu lenken. Daher habe er eine deutlich
schwierigere Aufgabe als der Radfahrer zu bewältigen. Die typischen Folgen des
Alkoholkonsums würden bei ihm zudem die gleichen Auswirkungen haben, wie bei anderen
Fahrzeugführern. Entsprechend müsse für den Kutscher auch die Promillegrenze von 1,1 gelten.
Quelle | OLG Oldenburg, Beschluss vom 24.02.2014, 1 Ss 204/13, Abruf-Nr. 142816 unter
www.iww.de.
Steuerrecht
Kapitalanleger: Der Abgeltungsteuersatz ist auch bei Darlehen zwischen
Angehörigen möglich
| Grundsätzlich unterliegen Einkünfte aus Kapitalvermögen der Abgeltungsteuer in Höhe von
25 Prozent. Es gibt jedoch auch einige Fälle, in denen der persönliche, individuelle Steuersatz
anzuwenden ist. Zu einigen Ausnahmetatbeständen hat sich der Bundesfinanzhof nun geäußert
und teilweise steuerzahlerfreundliche Entscheidungen getroffen. |
Darlehen zwischen Angehörigen
Die Abgeltungsteuer ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei Gläubiger und Schuldner um
nahestehende Personen handelt und der Schuldner die Zinszahlungen steuerlich als
Werbungskosten oder Betriebsausgaben absetzen kann.
Was unter dem Begriff der „nahestehenden Person“ zu verstehen ist, wird im Gesetz selbst nicht
geregelt. Nach Ansicht der Finanzverwaltung sind Angehörige im Sinne des § 15 der
Abgabenordnung (z.B. Verlobte, Ehegatten und Geschwister) stets nahestehend, sodass der
Abgeltungsteuersatz hier ausgeschlossen ist.
Dieser weiten Gesetzesauslegung hat der Bundesfinanzhof nun aber widersprochen. Danach
liegt ein Näheverhältnis nur dann vor, wenn auf eine der Vertragsparteien ein beherrschender
oder außerhalb der Geschäftsbeziehung liegender Einfluss ausgeübt werden kann oder ein
eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen besteht. Ein
lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse ist nicht
aus-reichend, um ein Näheverhältnis i.S. der Vorschrift zu begründen.
Praxishinweis | Hält der Vertrag einem Fremdvergleich stand, kann nicht bereits wegen des
Fehlens einer Besicherung oder einer Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung auf eine
missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes geschlossen werden.
Eine sachliche Rechtfertigung für den Ausschluss der Abgeltungsteuer ergibt sich auch nicht aus
einem Gesamtbelastungsvorteil. Dieser kann entstehen, wenn die Entlastung des
Dar-lehensnehmers durch den Schuldzinsenabzug höher ist als die steuerliche Belastung des
Darlehensgebers. Ehe und Familie begründen bei der Einkünfteermittlung nämlich keine
Ver-mögensgemeinschaft.
Darlehensgewährung an eine GmbH
Zahlt eine Kapitalgesellschaft an einen zu mindestens 10 Prozent beteiligten Gesellschafter
Zinsen für ein Gesellschafterdarlehen, unterliegen die Darlehenszinsen der tariflichen
Einkommensteuer. Diese gesetzliche Regelung verstößt nach Auffassung des Bundes-finanzhofs
nicht
gegen das Grundgesetz. Auch die vom Steuerpflichtigen erhobenen verfassungsrechtlichen
Bedenken gegen die Höhe der Beteiligungsgrenze teilte der Bundesfinanzhof nicht.
Anders beurteilt der Bundesfinanzhof jedoch die Fälle, in denen einer GmbH ein Darlehen durch
eine dem Anteilseigner nahestehende Person gewährt wird.
Sachverhalt
Eine Steuerpflichtige gewährte einer GmbH, an der ihre Tochter und ihre Enkel zu mehr als
jeweils 10 Prozent beteiligt waren, ein Darlehen. Das Finanzamt besteuerte die Zinsen mit der
tariflichen Einkommensteuer, weil die Gläubigerin der Kapitalerträge eine den Anteilseignern
nahestehende Person sei – jedoch zu Unrecht, wie der Bundesfinanzhof entschied.
Hinweis | In diesen Fällen darf nicht auf das bloße Angehörigenverhältnis abgestellt werden.
Insofern greift der Bundesfinanzhof auf die Grundsätze zurück, die er zu Darlehen zwischen
nahen Angehörigen aufgestellt hat.
Quelle | BFH, Urteile vom 29.4.2014, VIII R 9/13, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 142503; VIII R
44/13, Abruf-Nr. 142504; VIII R 35/13, Abruf-Nr. 142505; VIII R 23/13, Abruf-Nr. 142506; BFH,
Urteil vom 14.5.2014, VIII R 31/11, Abruf-Nr. 142502
Arbeitnehmer: Fortbildung: Keine Werbungskosten durch Entnahme aus
dem Stundenkonto
| Die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen hat klargestellt, dass kein
Werbungskosten-abzug möglich ist, wenn Arbeitnehmer (im Ergebnis) unentgeltliche
Mehrarbeit für ihre Fort-bildung leisten. |
In einer Dienstanweisung weist die Oberfinanzdirektion auf Fälle hin, in denen Arbeitnehmer in
der Steuererklärung den Ansatz von Fortbildungskosten unter Hinweis auf § 2a des für sie
maßgeb­lichen Tarifvertrags beantragen. Hier heißt es: „Für die Qualifizierung (betriebliche
Weiterbildung) bringt der Arbeitnehmer jährlich eine Eigenbeteiligung von 50 Stunden ein.
Diese wird dem
persönlichen Zeitsaldo entnommen. Sollte der Arbeitnehmer mehr als 50 Stunden für die
Quali-fizierung aufwenden, so werden diese wie Arbeitszeit vergütet. Teilzeitbeschäftigte bringen
die Eigenbeteiligung anteilig ein.”
Beispiel
A macht einen Anteil seines Lohns pauschal als Fortbildungskosten geltend, indem der
umgerechnete Stundenlohn (hier: 30 EUR) auf die 50 Stunden angewendet wird. Insoweit ergibt
sich ein Wert von 1.500 EUR (30 EUR × 50 Stunden).
Da zu den Werbungskosten nur die konkret beruflich veranlassten Ausgaben in Geld oder
Geldeswert zählen, lehnt die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen den
Werbungskostenabzug bei diesen Fallkonstellationen ab. In diesen Fällen ist ein tatsächlicher
Aufwand in Geld oder Geldeswert nämlich nicht entstanden.
Praxishinweis | In der Praxis kann es sinnvoller sein, die Arbeitnehmer unmittelbar finanziell an
den Fortbildungskosten zu beteiligen. Muss der Arbeitnehmer beispielsweise Ausgaben für
Kurs-gebühr und Unterrichtsmaterial selbst tragen, sind diese Aufwendungen regelmäßig als
Werbungskosten abzugsfähig.
Quelle | OFD Nordrhein-Westfalen, Kurzinfo ESt 11/2014 vom 20.3.2014
Arbeitgeber: Lohnsteuerrichtlinien 2015: Neue Aufmerksamkeitsgrenze von
60 EUR
| Das Bundeskabinett hat die Lohnsteuerrichtlinien 2015 beschlossen. Mit der notwendigen
Zustimmung des Bundesrats ist in Kürze zu rechnen. Hierdurch werden die bisherigen
Lohnsteuerrichtlinien 2013 grundsätzlich mit Wirkung ab 2015 ersetzt. Hinzuweisen ist
insbesondere darauf, dass die 40 EUR-Grenze für vom Arbeitgeber gewährte
Aufmerksamkeiten auf 60 EUR angehoben werden soll. |
Aufmerksamkeiten lösen lohnsteuerrechtlich keinen Arbeitslohn aus. Dabei handelt es sich um
Sachzuwendungen bis zu einem Bruttowert von 60 EUR (bis 2014: 40 EUR), die dem
Arbeitnehmer oder seinen Angehörigen aus Anlass eines besonderen persönlichen Ereignisses
zugewendet werden. Klassischer Anwendungsfall sind Geburtstagsgeschenke, die der
Arbeitgeber dem Mitarbeiter zweckgebunden aushändigt. Die neue 60 EUR-Grenze gilt für
laufenden Arbeitslohn und für sonstige Bezüge, die dem Arbeitnehmer nach dem 31.12.2014
zufließen.
Beachten Sie | Auch nach den neuen Lohnsteuerrichtlinien 2015 wird die 44 EUR-Freigrenze
durch die nicht lohnsteuerbare Aufmerksamkeit nicht verbraucht. Gegenwärtig gibt es allerdings
Bestrebungen, die Freigrenze gesetzgeberisch zu verändern. Eine Absenkung auf 20 EUR ist
im Gespräch. Die weiteren Entwicklungen bleiben abzuwarten.
Quelle | Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Lohnsteuer-Richtlinien 2013
(Lohnsteuer-Änderungsrichtlinien 2015 - LStÄR 2015), BR-Drs. 372/14 vom 15.8.2014
Umsatzsteuerzahler: Flächenbezogener Verzicht auf die
Umsatzsteuerfreiheit ist möglich
| Die Option zur Umsatzsteuerpflicht kann nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) auch
teilweise für einzelne Flächen eines Mietobjekts wirksam sein, wenn diese Teilflächen
eindeutig bestimmbar sind. |
Betroffen von der Entscheidung war eine Unternehmerin. Sie hatte ein bebautes Grundstück
erworben, das sie überwiegend steuerfrei verwendete. Lediglich ein Bistro und Büroräume
vermietete sie steuerpflichtig. Die Mieterin des Büros nutzte die Räume grundsätzlich für
steuerpflichtige Tätigkeiten. Ein Raum wurde jedoch teilweise für die vorsteuerschädliche
Verwaltung eigener Wohnimmobilien verwendet. Das Finanzamt und das Finanzgericht
versagten den Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit den Büroräumen, da hier, mangels
Abgrenzbarkeit der Funktionsbereiche, kein wirksamer Teilverzicht auf die Steuerfreiheit vorliege.
Der BFH machte deutlich, dass ein Unternehmer auf die Steuerbefreiung bestimmter Umsätze
verzichten könne. Das könne sinnvoll sein, wenn er (hohe) Vorsteuerbeträge geltend machen
könnte. Bei der Vermietung von Grundstücken ist ein Verzicht nur zulässig, soweit der
Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden
beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Nach Ansicht des BFH kommt im
Streitfall ein Teilverzicht in Betracht. Einer derartigen Teiloption muss ein hinreichend objektiv
nachprüfbarer Aufteilungsmaßstab zugrunde liegen. Dies ist bei einer Abgrenzung der
Teilflächen nach baulichen Merkmalen, wie etwa nach den Räumen eines Mietobjekts, gegeben.
Teilflächen innerhalb eines Raums sind jedoch im Regelfall nicht hinreichend abgrenzbar.
Quelle | BFH, Urteil vom 24.4.2014, V R 27/13, Abruf-Nr. 142201 unter www.iww.de.
Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
GmbH: Prokura berechtigt nicht zur Änderung der Geschäftsanschrift beim
Handelsregister
| Die Prokura umfasst nicht die Vertretungsmacht für die Anmeldung zur Änderung der
Geschäftsanschrift beim Handelsregister. |
Das folgt aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe. In dem Fall hatte der
Prokurist einer GmbH unter Beifügung einer notariellen Unterschriftsbeglaubigung die Eintragung
im Handelsregister beantragt, dass sich die inländische Geschäftsanschrift der Gesellschaft
geändert habe. Das Registergericht verweigerte die Eintragung. Es rügte, dass der Prokurist zur
Vornahme von Handelsregisteranmeldungen für das Unternehmen seines Prinzipals nicht befugt
sei.
So sah es auch das OLG. Die Richter machten deutlich, dass der Umfang einer wirksam erteilten
Prokura alle Arten gerichtlicher und außergerichtlicher Geschäfte und Rechtshandlungen
umfasse, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Sie beziehe sich jedoch nicht
auf Rechtshandlungen, die Grundlagengeschäfte darstellen. Das seien Geschäfte, die sich auf
die rechtliche Grundlage des kaufmännischen Unternehmens beziehen. Die Prokura sei eine
Vertretungsmacht für Verkehrsgeschäfte und umfasse daher nicht das Organisationsrecht des
Unternehmens.
Quelle | OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7.8.2014, 11 Wx 17/14, Abruf-Nr. 142817 unter
www.iww.de.
Freiberufler und Gewerbetreibende: Ordnungsgemäße Aufbewahrung und
Archivierung elektronischer Kontoauszüge
| Steuerpflichtige mit Gewinneinkünften nutzen verstärkt das Onlinebanking-Verfahren.
Kontoauszüge werden daher zunehmend in digitaler Form von den Banken an die Kunden
übermittelt. Zur Aufbewahrung und Archivierung von elektronischen Kontoauszügen hat nunmehr
das Bayerische Landesamt für Steuern Stellung bezogen. |
Im Kern lässt sich Folgendes festhalten:

Sofern die Kontoauszüge elektronisch übermittelt werden, sind diese
aufbewahrungspflichtig, da es sich hierbei um originär digitale Dokumente handelt.

Der Ausdruck und die anschließende Löschung des digitalen Dokuments verstößt gegen
die Aufbewahrungspflichten der §§ 146, 147 der Abgabenordnung. Der Ausdruck stellt
nur eine
Kopie des elektronischen Kontoauszugs dar und ist beweisrechtlich einem originären
Papierkontoauszug nicht gleichgestellt.
Quelle | Bayerisches Landesamt für Steuern, AO-Kartei vom 19.5.2014, S 0317.1.1-3/3 St42,
Abruf-Nr. 141833 unter www.iww.de.
Gesellschafter und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften: Zum
Zeitpunkt der Verlustentstehung bei Auflösung bzw. Liquidation einer
GmbH
| Die Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen GmbH-Anteilen führt zu Einkünften aus
Gewerbebetrieb, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens ein
Prozent beteiligt war. Wird bei Auflösung der Gesellschaft ein Verlust erzielt, ist oft fraglich, zu
welchem Zeitpunkt dieser anzusetzen ist. Nach einem Urteil des Finanzgerichts Münster kann
ein Verlust erst in dem Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden, in dem endgültig feststeht,
in welcher Höhe der Steuerpflichtige mit Zahlungen aus einer Höchst-betrags-Bürgschaft
belastet wird. |
Die Verlustentstehung setzt u.a. voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen auf Ebene
der Gesellschaft nicht mehr zu rechnen ist. Ferner muss feststehen, ob und ggf. in welcher Höhe
noch nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen sind. Diese Grundsätze des BFH
hat das Finanzgericht Münster nun angewandt. Die Revision wurde indes zugelassen, da der 13.
Senat des Finanzgerichts Münster in 2003 die abweichende Ansicht vertreten hat, dass das
Ergebnis laufender Vergleichsverhandlungen für die Verlustentstehung noch nicht feststehen
muss.
Praxishinweis | Aus verfahrensrechtlichen Gründen sollte der Verlust im Zweifel lieber zu früh
als zu spät geltend gemacht werden, um Rechtsnachteile zu vermeiden.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 27.3.2014, 2 K 4479/12 E, Rev. BFH IX R 9/14, unter
www.iww.de, Abruf-Nr. 142596; FG Münster, Urteil vom 7.10.2003, 13 K 6898/00 E
Arbeitgeber: Übernahme von Buß- und Verwarnungsgeldern ist
beitragspflichtig
| Übernimmt ein Arbeitgeber Buß- und Verwarnungsgelder, handelt es sich grundsätzlich um
sozial-versicherungspflichtiges Entgelt. Ausgenommen waren nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts indes Bußgelder, die der Arbeitgeber (Speditionsunternehmer) bei
Verstößen seiner Arbeitnehmer gegen Lenk- und Ruhezeiten im ganz überwiegend
eigen-betrieblichen Interesse übernahm. Diese Sichtweise ist nach der Besprechung der
Spitzenorganisationen der Sozialversicherung seit dem 1.5.2014 nicht mehr anzuwenden. |
Hintergrund | Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im letzten Jahr seine bisherige Rechtsprechung
geändert. Danach kann ein rechtswidriges Tun des Arbeitnehmers – selbst, wenn es vom
Arbeitgeber angewiesen wurde – keine Grundlage für ein überwiegend betriebliches Interesse
des Arbeit-gebers darstellen. Der BFH hält damit an seiner Auffassung, dass die Übernahme von
Verwarnungsgeldern wegen Verletzung des Halteverbots im ganz überwiegend
eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen kann, nicht weiter fest.
Nach der Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung führt die generelle
Bewertung der übernommenen Verwarnungs- und Bußgelder als steuerpflichtigen Arbeitslohn
auch beitragsrechtlich zum Arbeitsentgelt derartiger Zuwendungen. Dem Urteil des
Bundessozialgerichts, das seine Beurteilung auf die Übereinstimmung mit der bisherigen
Rechtsprechung der Finanzgerichte gestützt hat, kommt keine weitere Bedeutung mehr zu.
Quelle | Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 9.4.2014, TOP 4;
BFH, Urteil vom 14.11.2013, VI R 36/12; BSG-Urteil vom 1.12.2009, B 12 R 8/08
Abschließende Hinweise
Berechnung der Verzugszinsen
| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach
§ 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu
bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz
(DÜG) getreten. |
Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2014 beträgt - 0,73
Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:



für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 4,27 Prozent
für einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag (§ 497 Abs. 1
BGB): 1,27 Prozent
für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 7,27 Prozent*
* für Schuldverhältnisse, die nach dem 28.7.2014 entstanden sind: 8,27 % und ggf. eine Pauschale von 40
EUR
Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).
Übersicht / Basiszinssätze
Zeitraum
Zinssatz
01.01.2014 bis 30.06.2014 -0,63 Prozent
01.07.2013 bis 31.12.2013 -0,38 Prozent
01.01.2013 bis 30.06.2013 -0,13 Prozent
01.07.2012 bis 31.12.2012 0,12 Prozent
01.01.2012 bis 30.06.2012 0,12 Prozent
01.07.2011 bis 31.12.2011 0,37 Prozent
01.01.2011 bis 30.06.2011 0,12 Prozent
01.07 2010 bis 31.12.2010 0,12 Prozent
01.01.2010 bis 30.06.2010 0,12 Prozent
01.07 2009 bis 31.12.2009 0,12 Prozent
01.01.2009 bis 30.06.2009 1,62 Prozent
01.07.2008 bis 31.12.2008 3,19 Prozent
01.01.2008 bis 30.06.2008 3,32 Prozent
01.07.2007 bis 31.12.2007 3,19 Prozent
01.01.2007 bis 30.06.2007 2,70 Prozent
01.07.2006 bis 31.12.2006 1,95 Prozent
01.01.2006 bis 30.06.2006 1,37 Prozent
01.07.2005 bis 31.12.2005 1,17 Prozent
01.01.2005 bis 30.06.2005 1,21 Prozent
01.07.2004 bis 31.12.2004 1,13 Prozent
01.01.2004 bis 30.06.2004 1,14 Prozent
01.07.2003 bis 31.12.2003 1,22 Prozent
01.01.2003 bis 30.06.2003 1,97 Prozent
01.07.2002 bis 31.12.2002 2,47 Prozent
01.01.2002 bis 30.06.2002 2,57 Prozent
Herunterladen