Persönlichkeitsstörung

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Vorlesung Psychosomatik
N. Hennicke
Persönlichkeitsstörungen
Konzept und Definition
Persönlichkeit vs. Persönlichkeitsstörung (Charakter
vs. Charakterneurose):
• Jeder Mensch hat eine Persönlichkeitsstruktur (z.B.
depressiv, zwanghaft, phobisch, hysterisch), aber
nicht notwendigerweise eine Persönlichkeitsstörung.
• Es gibt z.B. eine zwanghafte Persönlichkeit und eine
zwanghafte (anankastische) Persönlichkeitsstörung,
eine ängstliche (phobische) Persönlichkeit und eine
ängstliche Persönlichkeitsstörung.
Wann wird aus einer Persönlichkeits-Struktur
eine Persönlichkeits-Störung ?
Das amerikanische Klassifikationssystem des DSM-IV gibt z.B. folgende
Definition für eine Persönlichkeitsstörung:
• Ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten, das merklich von den
Erwartungen der soziokulturellen Umwelt abweicht. Es manifestiert sich in
mindestens zwei der folgenden Bereiche: Kognition, Affektivität,
zwischenmenschliche Beziehungen, Impulskontrolle.
• Das überdauernde Muster ist unflexibel und tiefgreifend in einem weiten Bereich persönlicher
unsozialer Situationen.
• Es führt in klinisch bedeutsamer Weise zu Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen
oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
• Es ist stabil und langdauernd, und sein Beginn ist zumindest bis in die Adoleszenz oder ins frühe
Erwachsenenalter zurückzuverfolgen.
• Es läßt sich nicht als Manifestation oder Folge einer anderen psychischen Störung erklären und geht
nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz (z.B. Drogen, Medikament) oder eines
medizinischen Krankheitsfaktors (z.B. Hirnverletzung) zurück.
Symptom-Neurose vs. Persönlichkeitsstörung
(Charakterneurose)
• Symptom-Neurose sind eher ich-dyston, Charakterneurose eher ich-synton.
• Symptom-Neurose: Subjekt leidet vs. Charakterneurose: Umwelt leidet.
• kein symptomfreies Intervall bei Charakterneurose
• Cave: zu polarisierte Gegenüberstellung von Charakter- und
Symptomneurose ist künstlich (Mentzos, 1992):
- Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale haben Symptomwert, z.B.
systematisches Zuspätkommen
- Ich-syntone Symptome gibt es z.B. auch bei konversionshysterischen
Patienten („belle indifference“)
- Bei den meisten Persönlichkeitsstörungen liegen auch Symptome vor.
- Sowohl Symptome als auch Persönlichkeitsmerkmale haben
kommunikative Funktion: Sie dienen der Mitteilung eines Leidens, einer
Angst, eines Schmerzes, eines Verlustes, einer Demütigung etc. (Mentzos,
1992).
Konflikt- vs. Strukturpathologie
• Konfliktpathologie (i.R. bei Symptom-Neurosen): Symptomen liegt ein
unbewusster Konflikt zugrunde.
• Strukturpathologie: Symptomen liegt ein Entwicklungsschaden zugrunde,
d.h. Ich-Funktionen sind nicht
ausreichend entwickelt (z.B. Realitätsprüfung, Impulskontrolle,
Angsttoleranz, Objektbeziehungen)
• Cave: nicht allen Persönlichkeitsstörungen liegt eine Strukturpathologie
zugrunde:
• Es gibt leichtere Persönlichkeitsstörungen mit überwiegender
Konfliktpathologie (z.B. vermeidendselbstunsichere
Persönlichkeitsstörung (DSM-IV 301.82; ICD 10 F60.6).
• Es gibt schwere Persönlichkeitsstörungen mit überwiegender
Strukturpathologie (z..B. Borderline-Persönlichkeitsstörung, DSM-IV
301.83; ICD 10 F60.31)
Krankheitsmodelle
• Grundsätzlich: Zusammenwirken biologischer und psycho-sozialer Faktoren
(Psycho-sozio-biologisches Modell)
• Modell des Entwicklungsschadens (bei Strukturpathologie):
Verinnerlichung von Beziehungserfahrungen (z.B. beruhigt oder getröstet
zu werden) führt zur Bildung
intrapsychischer Strukturen der Selbstregulierung.
Mangel an entwicklungs-fördernden Beziehungserfahrungen (niemand
tröstet, gibt Anerkennung etc) führen
zu einem Mangel an inneren (beruhigenden, anerkennenden, steuernden
etc.) Objekten (Strukturen der Selbstregulierung)
Person ist angewiesen auf äußere Objekte, die beruhigen, Anerkennung
geben etc.
Epidemiologie
3-10% in der Allgemeinbevölkerung
40-60% in unausgelesenen psychiatrischen
Patientenpopulationen
Geschlechterverteilung über alle
Persönlichkeitsstörungen etwa gleich
Hohe Komorbiditätsraten
Allgemeine Diagnostische Kriterien einer
Persönlichkeitsstörung
A. Ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten, das merklich von den Erwartungen der
soziokulturellen Umgebung abweicht. Dieses Muster manifestiert sich in mindestens 2 der folgenden
Bereiche:
(1) Kognition (also die Art, sich selbst, andere Menschen und Ereignisse wahrzunehmen und zu interpretieren),
(2) Affektivität (also die Variationsbreite, die Intensität, die Labilität und Angemessenheit emotionaler Reaktionen),
(3) Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen,
(4) Impulskontrolle
B. Das überdauernde Muster ist unflexibel und tiefgreifend in einem weiten Bereich persönlicher und sozialer
Situationen.
C. Das überdauernde Muster führt in klinisch bedeutsamer Weise zu Leiden oder Beeinträchtigungen in
sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
D. Das Muster ist stabil und langdauernd, und sein Beginn ist zumindest bis in die Adoleszenz oder ins frühe
Erwachsenenalter zurückzuverfolgen.
E. Das überdauernde Muster lässt sich nicht besser als Manifestation oder Folge einer anderen psychischen
Störung erklären.
F. Das überdauernde Muster geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz (z. B. Droge,
Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors (z. B. Hirnverletzung) zurück.
Spezifische Persönlichkeitsstörungen (nach ICD
10)
• F 60.0 Paranoid
• F 60.1 Schizoid
• F 60.2 Dissozial
• F 60.3 Emotional-instabil (impulsiv/Borderline)
• F 60.4 Histrionisch
• F 60.5 Anankastisch (zwanghaft)
• F 60.6 Ängstlich (vermeidend)
• F 60.7 Abhängig (asthenisch)
• F 60.8 Andere
F 60.0 Paranoide Persönlichkeitsstörung
• Übertriebene Empfindlichkeit für Rückschläge
• Neigung zu dauerhaftem Groll
• Missdeutung neutraler Reaktionen als feindlich
• Streitbarkeit
• Misstrauen
• Selbstbezogenheit
• Verschwörungstheorien
F 60.1 Schizoide Persönlichkeitsstörung
A.
Ein tiefgreifendes Muster, das durch Distanziertheit in sozialen Beziehungen und
eine eingeschränkte Bandbreite des Gefühlsausbruchs im
zwischenmenschlichen Bereich gekennzeichnet ist. Die Störung beginnt im
frühen Erwachsenenalter und tritt in den verschiedensten Situationen auf.
Mindestens 4 der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:
(1) hat weder den Wunsch nach engen Beziehungen noch Freude daran,
einschließlich der Tatsache, Teil einer Familie zu sein,
(2) wählt fast immer einzelgängerische Unternehmungen,
(3) hat, wenn überhaupt, wenig Interesse an sexuellen Erfahrungen mit einem
anderen Menschen,
(4) wenn überhaupt, dann bereiten nur wenige Tätigkeiten Freude,
(5) hat keine engen Freunde oder Vertraute, außer Verwandten ersten Grades
(6) erscheint gleichgültig gegenüber Lob und Kritik von Seiten anderer
(7) zeigt emotionale Kälte, Distanziertheit oder eingeschränkte Affektivität
F 60.2 Dissoziale Persönlichkeitsstörung
• Emotionales Unbeteiligtsein
• Missachtung sozialer Normen
• Keine dauerhaften Beziehungen
• Geringe Frustrationstoleranz/ aggressivgewalttätiges Verhalten
• Fehlendes Schuldbewusstsein/ kein Lernen aus
Bestrafung
• Neigung zu Rationalisierungen/
Beschuldigungen
F 60.3 Emotional-instabile
Persönlichkeitsstörung
F 60.30 Impulsiver Typus
• Handeln ohne Berücksichtigung der
Konsequenzen
• Häufige interpersonelle Konflikte
• Gewalttätiger Kontrollverlust
• Wenig Handlungen bei fehlender
unmittelbarer Belohnung
• Stimmung unbeständig/unberechenbar
(„stabile Instabilität“)
F 60.3 Emotional-instabile
Persönlichkeitsstörung
F 60.31 Borderline-Typus
Ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den
Affekten sowie von deutlicher Impulsivität. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter und
manifestiert sich in den verschiedenen Lebensbereichen. Mindestens 5 der folgenden Kriterien müssen
erfüllt sein:
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
(9)
verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden.
Beachte: Hier werden keine suizidalen oder selbstverletzenden Handlungen berücksichtigt, die in
Kriterium 5 enthalten sind.
Ein Muster instabiler, aber intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel
zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist.
Identitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der
Selbstwahrnehmung.
Impulsivität in mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Bereichen (Geldausgaben, Sexualität,
Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, Fressanfälle).
Beachte: Hier werden keine suizidalen oder selbstverletzenden Handlungen berücksichtigt, die in
Kriterium 5 enthalten sind.
Wiederholte suizidale Handlungen, Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder
Selbstverletzungsverhalten.
Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung.
Chronische Gefühle von Leere.
Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren .
Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative
Symptome.
F 60.4 Histrionische Persönlichkeitsstörung
• Theatralisch-dramatische Selbstdarstellung
• Suggestibilität
• Affekte labil
• Bestreben im Mittelpunkt zu stehen
• Verführerische(s) Erscheinung (Verhalten)
• Betonung äußerlicher Attraktivität
F 60.5 Anankastische (zwanghafte)
Persönlichkeitsstörung
• Übermäßige Vorsicht/Zweifel
• Beschäftigung mit Regeln, Listen, Details
• Perfektionismus
• Gewissen- und Skrupelhaftigkeit
• Leistungsbezogenheit/Verzicht auf Vergnügungen
• Pedanterie/Befolgung sozialer Konventionen
• Rigidität/Eigensinn
• Vermeidung von Arbeitsteilung
F 60.6 Ängstlich-Vermeidende (selbstunsichere)
Persönlichkeitsstörung
Ein durchgängiges Muster von sozialem Unbehagen, von Angst vor negativer Beurteilung durch andere und
Schüchternheit. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter, und die Störung manifestiert sich in
den verschiedensten Lebensbereichen. Mindestens vier der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:
Der Betroffene
(1)
wird durch Kritik oder Ablehnung leicht verletzt;
(2)
hat enge Freunde oder Vertraute häufig nur aus dem Kreis seiner Verwandten ersten
Grades (mit Ausnahme höchstens einer anderen Person);
(3)
geht keine Beziehungen ein, sofern er sich nicht sicher ist, akzeptiert zu werden;
(4)
vermeidet soziale und berufliche Aktivitäten, bei denen engere zwischenmenschliche
Kontakte geknüpft werden, kann z.B. eine Beförderung ablehnen, in deren Folge
höhere soziale Anforderungen gestellt würden;
(5)
(6)
(7)
zeigt sich in Gesellschaft zurückhaltend, aus Angst, etwas Unpassendes oder Dummes zu sagen
oder eine Frage nicht beantworten zu können;
befürchtet, vor anderen durch Erröten, Weinen oder durch Anzeichen von Angst in Verlegenheit
zu geraten;
übertreibt potentielle Schwierigkeiten, körperliche Gefahren oder Risiken, die bei üblichen, für
ihn jedoch ungewöhnlichen Aktivitäten auf ihn zukommen können, neigt z.B. dazu,
gesellschaftliche Verpflichtungen abzusagen, weil er befürchtet, bereits im Vorfeld den
Anstrengungen nicht gewachsen zu sein.
F 60.7 Abhängige (dependente)
Persönlichkeitsstörung
• Abgabe der Entscheidungsgewalt an andere
• Unterordnung eigener
Bedürfnisse/Nachgiebigkeit
• Keine Äußerung eigener Ansprüche
• Vermeiden von Alleinsein
• Furcht vor Verlassenwerden
• Suche nach Bestätigung durch andere
F 60.8 Andere Persönlichkeitsstörungen
•
•
•
•
•
•
exzentrisch
haltlos
narzisstisch
passiv-aggressiv
psychoneurotisch
unreif
Narzisstische
Persönlichkeitsstörung
A. Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) müssen erfüllt sein.
B. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen vorhanden sein:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
hat ein grandioses Verständnis der eigenen Wichtigkeit (übertreibt etwa Leistungen und Talente,
erwartet ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt zu werden)
ist stark eingenommen von Phantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Brillanz, Schönheit oder idealer
Liebe
glaubt von sich, „besonders“ und einzigartig zu sein und nur von anderen besonderen oder
hochgestellten Menschen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder mit diesen verkehren zu
müssen
benötigt exzessive Bewunderung
legt ein Anspruchsdenken an den Tag, d. h. hat übertriebene Erwartungen auf eine besonders günstige
Behandlung oder automatisches Eingehen auf die eigenen Erwartungen
ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch, d. h. zieht Nutzen aus anderen, um eigene
Ziele zu erreichen
zeigt einen Mangel an Empathie: ist nicht bereit, die Gefühle oder Bedürfnisse anderer zu erkennen /
anzuerkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren
ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn / sie
zeigt arrogante, hochmütige Verhaltensweisen oder Ansichten
Prototypische Merkmale sind eine Neigung zur Selbstwertüberhöhung bei gleichzeitiger Überempfindlichkeit
gegenüber Kritik.
Cluster nach ICD-10 und DSM-V
•
•
•
Cluster A
sonderbar, exzentrisch
•
paranoide PS (F60.0)
schizoide PS (F60.1)
Cluster C
ängstlich, vermeidend
•
paranoide PS
schizoide PS
schizotypische PS
ängstliche PS (F60.6)
abhängige PS (F60.7)
anankastische PS (F60.5)
•
•
Cluster B
dramatisch, emotional
•
emotional instabile PS: vom Borderline-Typ
oder vom impulsiven Typ (F 60.3)
histrionische PS (F60.4)
dissoziale PS (F60.2)
•
Borderline-PS
histrionische PS
dissoziale PS
narzisstische PS
selbstunsichere PS
abhängige PS
zwanghafte PS
passiv-aggressive PS
Fallbeispiel
•
Herr S. ist ein 38jähriger unverheirateter Labortechniker, der von seinem Arbeitgeber,
einem Universitätswissenschaftler, geschickt wird, da er Schwierigkeiten hat, in einem
Projektteam zu arbeiten. Während der letzten 5 Jahre hat Herr S. in diesem Labor mehr
oder weniger alleine an einem Projekt gearbeitet, wobei er sehr erfolgreich war. Der
Arbeitgeber von Herrn S. erhielt jetzt eine Verlängerung von Forschungsgeldern, was die
Weiterbeschäftigung von Herrn S. und eine erhebliche Ausweitung es Projekts ermöglicht.
Der Wissenschaftler stellte daher einige neue Beschäftige für die Arbeit im Labor ein und
erwartete von Herrn S., dass dieser sie einarbeitete.
•
Einige der neuen Angestellten kündigten innerhalb von drei Wochen und gaben an, von
Herrn S. könne man weder etwas lernen, noch könne man mit ihm zusammenarbeiten. Sie
beklagten sich, er habe sie in keiner Weise angeleitet und sei unfreundlich und arrogant.
Als der Wissenschaftler Herrn S. nach der dritten Kündigung mit diesen Beschwerden
konfrontierte, erschien dieser verwundert und überrascht. Er gab an, er habe sein Bestes
versucht und könne die Beschwerden nicht verstehen. Er gab zu, dass er über die
Veränderung seiner Rolle aufgebracht gewesen sei und dass ihm nicht richtig klar sei, was
von ihm erwartet wurde.
•
Sein Arbeitgeber, der früher Herrn S.‘ Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit bei der Arbeit
geschätzt hatte, wollte ihn zwar nicht gleich entlassen, erkannte aber auch, dass der Erfolg
seines erweiterten Projekts gefährdet wäre, wenn Herr S. nicht lernen würde, andere
anzuweisen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Er schlug daher vor, dass Herr S.
professionelle Hilfe bei der Bewältigung seiner neuen Aufgaben suchen sollte, und so kam
Herr S. zur Behandlung.
•
Im Erstgespräch beschreibt sich Herr S. als Einzelgänger, der sich immer unwohl und
unglücklich gefühlt habe, wenn er zu Beziehungen mit anderen gezwungen gewesen sei. Er
gab an, er sei immer vom Rest seiner Familie isoliert gewesen. Als er gebeten wird, seinen
Lebenslauf zu erzählen, wird klar, dass er niemals einen engen Freund hatte, nie zur
Teilnahme an Gruppen oder Teams gebeten wurde und nie an irgendwelchen
Schulaktivitäten teilgenommen hat. Herr S. beschreibt dies in verbindlicher Art und ohne
im geringsten belastet zu erscheinen. Er berichtet, er habe nie Verabredungen oder
irgendeine Art von sexuellem Kontakt mit anderen gehabt und verneint auf Fragen jegliche
in diese Richtung gehende Wünsche. Sein wissenschaftliches Interesse begann, als er zum
13. Geburtstag einen Chemiekasten erhielt, woraufhin er als Teenager viele Stunden damit
zubrachte, allein Experimente durchzuführen. Auf Fragen nach seinen
Freizeitbeschäftigungen gibt er an, am liebsten spiele er Computerspiele.
Therapie ?
Allgemeines
• häufig geringe/keine intrinsische Therapiemotivation (Ich-Syntonie), sondern
Therapieaufnahme aufgrund externen Drucks oder einer anderen psychischen Störung
(Achse I nach DSM-IV-TR)
• Achtung: z.T. Risiko der Selbstschädigung und des Suizid
Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) der Borderline Störung (Marsha
Linnehan 1996)
Manual zur Transference-Focused Psychotherapy (Clarkin, Yeomans,
Kernberg, 2001)
Adjuvante Parmakotherapie mit SSRI oder Neuroleptika
Arzt-Patient-Beziehung
-
Ganz-Objekt-Übertragung bei Konfliktpathologie („als-ob“): Pat. erlebt den
Therapeuten z.B. wie den Vater (oder wie die Mutter)
-
Teil-Objekt-Übertragungen bei Strukturpathologie: Pat. erlebt den
Therapeuten z.B. als Teil von sich selbst oder als „nur böse“/ „nur gut“
oder der Therapeut wird funktionalisiert (dient als Ersatz fehlender
eigener intrapsychischer Strukturen)
-
als Reaktion auf Teil-Objekt-Übertragungen entstehen oft heftige
Gegenübertragungsreaktionen auf Seiten des Therapeuten.
- Typische Behandlungsfehler: Gegenübertragung ausagieren statt sie
auszuhalten, zu verstehen und therapeutisch zu nutzen. Sich-VerstrickenLassen, therapeutische Rolle verlassen.
ENDE
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!!
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