7.Sitzung

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III. Themen der Sozialpsychologie
(2): Emotionen und Stimmungen
1.
2.
3.
4.
Grundlagen, Begriffe, Fragestellungen
Sozialpsychologische Emotionstheorien
Stimmung
Bezug zu Grundprinzipien der SP
© Gerd Bohner 2001
1. Grundlagen, Begriffe, Fragestellungen
Emotion, appraisal, Gefühl, Stimmung, affect
• Emotion = "Eine genetische und erworbene
motivationale Prädisposition, auf bestimmte
interne und externe Zustände mit Gefühlen,
physiologischen Veränderungen und Verhalten zu
reagieren" (Carlson & Hatfield, 1992).
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• "Appraisal" (Bewertung) = Kognitive Interpretation und
Beurteilung der Bedeutung einer Situation und ihrer
Veränderbarkeit in bezug auf eigene Belange, Werte,
Ziele.
• Gefühl = Aspekt der dem Bewusstsein zugänglichen
subjektiven Erfahrung.
• Stimmung: Während Emotionen an ein auslösendes
Ereignis gebunden und oft von kurzer Dauer sind,
haben Stimmungen ("moods") keinen Objektbezug,
sind weniger intensiv und meist länger anhaltend.
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• "affect" vs. "Affekt":
• "Affekt" im Deutschen meist eng begrenzt auf extreme
Emotionen (z.B. "Tötung im Affekt");
• "affect" im Englischen allgemeiner, Oberbegriff für
Stimmungen und Emotionen.
• Bedeutung von Emotionen u. Stimmungen für SP:
• als Explanandum: sozialpsychologische Theorien der
Emotionsentstehung, z.B. Schachter & Singer; Weiner
• als Explanans: z.B. Aggression u. Hilfeleistung; Forschung
zu Stimmungseinflüssen auf soziale Urteilsbildung
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Komponenten einer Emotion
•
•
•
•
•
(Ereignis)
(Dessen Wahrnehmung / Bewertung)
Physiologische Reaktion
Subjektives Gefühl
Motorischer Ausdruck (Mimik, Stimme,
Gestik)
• Handlungstendenz
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Funktionen von Emotionen
• Vorbereitung adaptiven Verhaltens (z.B. Weglaufen)
• Regulierung von Interaktionen
• Emotionsausdruck erlaubt anderen Rückschlüsse auf
Handlungstendenzen
• Emotionen entkoppeln Reiz und Reaktion, geben
Latenzzeit zur Neubewertung des Ereignisses und
Folgenabschätzung des Verhaltens
• Erlauben, Unwichtiges von Wichtigem zu trennen
• Subjektives Gefühl dient der Reflexion, dadurch kann man
den Emotionsprozess regulieren und kontrollieren
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2. Sozialpsychologische Emotionstheorien
Zweifaktorentheorie (Schachter & Singer, 1962):
• Kognition und Physiologie als Quellen des subjektiven
Erlebens von Emotion
Vorläufertheorie:
• James-Lange-Theorie
Alltagsverständnis: erst das Erleben, dann der Ausdruck
(z.B.: wir erstarren und reißen die Augen auf, weil wir
uns fürchten)
James: umgekehrt! (d.h. wir fürchten uns, weil wir
erstarren etc.)
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Drei Elemente (James, 1890):
1. Wahrnehmung (und Bewertung) einer erregenden
Tatsache ist hinreichende Bedingung für
körperliche Veränderung.
2. Veränderungen sind emotionsspezifisch und
können bewusst erlebt werden.
3. Das bewusste Erleben der körperlichen
Veränderung ist die Emotion.
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• Kritik von Cannon (1927) – 5 Einwände:
1. Autonome Reaktionen sind zu unspezifisch.
2. Autonome Reaktionen sind zu langsam.
3. Die inneren Organe sind relativ unempfindlich.
4. Abtrennung der viszeralen Rückmeldungen vom
ZNS führt nicht zum Ende emotionalen Erlebens.
5. Künstliche Herbeiführung typischer viszeraler
Veränderungen führt nicht zum Erleben einer
entsprechenden Emotion.
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Zwei-Faktoren-Theorie von Stanley Schachter
• Schachter greift Teile der Kritik Cannons auf (s.o.
Punkte 1 und 5)
• Von James übernimmt Schachter die Annahme, dass
körperliche Empfindung einen notwendigen
Bestandteil von Emotionen bildet
• Aber: körperliche Empfindung nicht hinreichend für
die Entstehung einer Emotion.
• 2 Faktoren notwendig:
– Physiologische Erregung ( Intensität)
– Kognition ( Qualität)
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• Worin besteht die kognitive Komponente?
Spezielle Kausalattribution: Zuschreibung der
Erregung auf eine emotionale Ursache.
Keine Emotion entsteht, sofern eine nicht-emotionale
Ursache identifiziert wird (z.B. Medikament).
• In natürlichen Situationen sind beide Faktoren
"vollständig miteinander verwoben".
Erklärung wird "automatisch" ausgelöst (ähnlich wie bei
Wahrnehmungsvorgängen, z.B. Größenkonstanz).
• Zur Überprüfung muss "natürliche Verwobenheit"
aufgebrochen und eine Situation hergestellt werden, in
der ein Erklärungsbedürfnis existiert.
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Schlüsseluntersuchung: Schachter & Singer (1962)
3 Faktoren:
• Erregung: Injektion von Adrenalin vs. Placebo
(Cover Story: Angeblich soll Einfluss d. Vitamins "Suproxin"
auf die Sehfähigkeit getestet werden.)
• Erklärungsbedürfnis: Vpn werden über "Nebenwirkungen
von Suproxin" richtig informiert, falsch informiert, oder
nicht informiert.
• Emotionale Kognition: Eine "Mitversuchsperson" verhält
sich entweder euphorisch oder ärgerlich.
Abhängige Variablen:
• Verhalten
• Selbst-Ratings der Emotion
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ab
ab
a
a
b
ab
a
a
a
a
a
b
b
b
Einzelvergleiche in rot: Mittelwerte innerhalb einer Zeile, die ein Subskript
gemeinsam haben, unterscheiden sich nicht bei p < .05
• Bewertung der Ergebnisse:
• Nur teilweise Bestätigung, deutlicher beim
Verhalten als bei den Selbstberichten.
• Werte in Placebogruppe überraschend hoch.
• Aber: Viel Nachfolgeforschung ausgelöst,
Replikationen nicht immer erfolgreich
(s. Überblicksartikel von Reisenzein (1983,
Psychological Bulletin)
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• Beispiele:
Ross, Rodin & Zimbardo (1969): Modifikation des
Emotionserlebens
– Vpn erwarten Elektroschock. Lärm als Quelle für
Fehlattribution.
– Verhaltensmaß für Furcht: Wahl einer von zwei PuzzleAufgaben (Geld verdienen oder Schock vermeiden).
– Ergebnis: Bei Fehlattribution der Erregung auf Lärm
wurde weniger lange an Puzzles gearbeitet, mit denen
man den Schock vermeiden konnte.
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Valins (1966): Herstellung von Emotion ohne Erregung
These: nicht tatsächliche Erregung von Bedeutung, es
genügt der Glaube, erregt zu sein.
– Also: rein kognitive Theorie.
– Experiment: männliche Vpn, Bilder aus "Playboy", falsche
Rückmeldung der "Herzfrequenz".
– AVn: Attraktivitätsrating, Bilder mitnehmen (Emotion?)
– Ergebnis: Bilder, die mit "erhöhter Herzfrequenz" gekoppelt
waren, werden präferiert.
– Vermittelnder Prozess: Selbstpersuasion (Konsistenz!)
– Effekte sind zeitstabil (Valins, 1966), änderungsresistent
(Aufklärung zwecklos; Valins, 1974), kapazitätsabhängig
(nur bei langer Betrachtungsdauer; Barefoot & Straub, 1971)
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• Fazit zu Schachter:
• Zweifaktorentheorie war sehr anregend für die
Forschung, kann jedoch als widerlegt gelten.
• Gutes Beispiel für theoriegeleitetes Experimentieren
• Evidenz gegen physiologische Erregung als notwendige
Bedingung emotionalen Erlebens. Entsprechend
fokussieren neuere Emotionstheorien allein auf die
kognitive Interpretation der Situation ( "appraisal
theories")
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Bewertungstheorie (Arnold, 1960;
Lazarus, 1966)
• Wiederholte Neubewertung des Gegenstands
• Primäre Bewertung: ist das Ereignis angenehm,
unangenehm, zieldienlich?
• Sekundäre Bewertung: ist Person fähig, mit dem
Ereignis umzugehen?
• Bestimmte Bewertungsmuster verursachen
bestimmte Emotionen, z.B. Ärger bei
unerwartetem unangenehmem Ereignis, das von
anderer Person absichtlich herbeigeführt wurde,
eigene Bewältigungsmöglichkeiten hoch
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Empirische Studien zur
Bewertungstheorie
• Erinnerung an Emotionen, nachträgliches
Bewertungsprofil
• Vignetten in bestimmter Situation, anschließend
Einschätzung der wahrscheinlichen emotionalen Reaktion
• Personen, die gemeinsam ein emotionsauslösendes
Ereignis erleben, werden zu Bewertungen und Emotionen
befragt (Prüfung, verlorengegangenes Gepäck)
• Probleme: unabhängige Erfassung von Bewertung und
Emotion möglich? Soziale Schemata über angemessene
emotionale Reaktion?
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Interkulturelle Gemeinsamkeiten
• Gesichtsausdrücke werden weltweit gut erkannt
• Wörter für subjektive Gefühle lassen sich in
verschiedenen Kulturen in die beiden
Dimensionen positiv-negativ und aktiv-passiv
einordnen
und:
• Physiologische Spezifität wird zur Zeit untersucht
(z.B. höhere Herz- und Atemfrequenz bei Furcht,
Blutdruck und Hautleitfähigkeit bei Ärger)
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Interaktion der
Emotionskomponenten
Wenn man eine Komponente verändert, was
passiert dann mit den anderen? Zwei
konkurrierende Annahmen:
• Katharsis: Erregung wird durch
motorischen Ausdruck abgeführt
• Propriozeptive Rückmeldung:
Emotionsausdruck verstärkt Emotion
(Experimente zu facial feedback)
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3. Stimmung
• Beliebter Forschungsgegenstand in SP:
– vielfältige Einflüsse
– alltagsrelevant
– kann im Labor induziert werden
• Forschungsthemen: Stimmung und …
–
–
–
–
–
Hilfeverhalten
Erinnerung
soziale Urteilsbildung
Einstellungsänderung
Problemlösen
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• Erklärungsansätze:
– Ausbreitung von Aktivierung in einem GedächtnisNetzwerk
– Nutzung der Stimmung als Information
("Gefühlsheuristik")
– Motivationale Prozesse: Stimmungsregulation und
kognitiver Stil
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• Stimmungskongruenz (Bower, 1981; Isen, 1984):
– Positive (negative) Stimmung aktiviert positive
(negative) Gedächtnisinhalte
– direkte Effekte auf die Erinnerungsleistung
– indirekte Effekte auf Urteilsbildung und Verhalten
• Unterstützende Evidenz aus Studien zu
Gedächtnis und Urteilsbildung
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• Problem: Gedächtniseffekte sind beschränkt auf
relativ unstrukturiertes Material mit Selbstbezug;
Urteilseffekte sind breiter nachweisbar
 andere Erklärung für Urteilseffekte:
• Stimmung als Information (Schwarz & Clore, 1983):
Die Stimmung wird direkt als Urteilsgrundlage
herangezogen ("Was sagt mir mein Gefühl?")
• Unterscheidungskriterium: Attribution der Stimmung auf
urteilsirrelevante Ursache bringt Effekte von Stimmung
als Information zum Verschwinden, nicht aber die
automatische Aktivierungsausbreitung.
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• Stimmungsregulation: Bewusste (kognitive)
Aktivität, um Rückkopplungsprozesse zwischen
Stimmung und sozialer Interaktion aufrecht zu
erhalten oder zu unterbrechen.
 Hilfeverhalten als Stimmungsregulation
 Bedeutung für kognitive Therapie der Depression
• Stimmungsbedingte Unterschiede im kognitiven Stil
– positive Stimmung: eher schemageleitet ("top-down") und
heuristisch, aber auch flexibel und kreativ
– negative Stimmung: eher am Detail orientiert ("bottomup"), systematisch
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Stimmungseinflüsse auf
die Verarbeitung einer
persuasiven Botschaft
Quelle:
Bless, Bohner, Schwarz & Strack
(1990), Personality and Social
Psychology Bulletin
• Erklärung: strategische Nutzung von Stimmung als
Information
– positive Stimmung  "alles in Ordnung"
d.h. man kann sich einerseits auf vereinfachende Routinen
verlassen, andererseits gefahrlos Neues ausprobieren
– negative Stimmung  "Situation ist problematisch"
d.h. man muss genau aufpassen und Details hinterfragen
• Je nach Problemstellung ist gute oder schlechte
Stimmung förderlich.
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4. Bezug zu Grundprinzipien der SP
• "Appraisal"-Prozesse sind Beispiele für die subjektive
Konstruktion der Realität. Die Universalität sozialer
Einflüsse zeigt sich in der Kommunikation von Emotion
und ihrer engen Verknüpfung mit sozialem Handeln (aber:
kulturinvarante Aspekte!).
• Motive:
– Kontrolle = Emotionsaspekt der Handlungsregulierung
– Gestaltung der Beziehung zu anderen = wichtige Funktion
des Emotionsausdrucks
– Aktive Prozesse der Stimmungsregulation dienen u.a. dem
Selbstwerterhalt
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• Prinzipien der Informationsverarbeitung:
– Das Kontinuum der Verarbeitungstiefe wird u.a. durch
Stimmungen beeinflusst.
– Konservatismus kognitiver Prozesse zeigt sich in der
Rückkopplung zwischen Stimmung und kognitiven
Inhalten.
– Die kognitive Zugänglichkeit bestimmter Inhalte
beeinflusst nachhaltig die Interpretation von Situationen
und damit das Entstehen und den Verlauf von Emotionen.
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