VORTRAG Psychotherapie und ärztliche Seelsorge in der Depression

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Dr. med. Samuel Pfeifer, Klinik Sonnenhalde, Riehen
Psychotherapie und
ärztliche Seelsorge
in der Depression
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KLINIK SONNENHALDE
Unser Ziel:
Eine menschliche Psychiatrie,
die Fachwissen und
eine christliche Grundhaltung
verbindet.
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«heart religion»
Religion ist oft eine zutiefst
subjektive "Herzensangelegenheit".
Religiöse Prämissen können Teil
des Alltags sein, aber sie können
auch erst in einer Notsituation
auftreten und dann die
Kausalattributionen und die
Bewältigungsstrategien
beeinflussen.
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Vier Modelle
Psychiatrie
Religion
Psychiatrie
Religion
Psychiatrie
Religion
Psychiatrie
Religion
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Übersicht
 Was ist eigentlich Religion?
 Psychopathologie und Religion - Empirische
Befunde
 Depression und Glaube
 Psychotherapeutische Aspekte bei religiösen
Patienten
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Woran glauben Menschen?
GEO – Jan 2006
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Islam
2003
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Münchner Motivationspsychologisches
Religionsinventar MMRI (nach B. Grom)
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Münchner Motivationspsychologisches
Religionsinventar MMRI (nach B. Grom)
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Lebensgestaltung: „Ich fühle mich von meinem religiösen
Glauben her dazu verpflichtet, Gutes zu tun und Böses zu
unterlassen.“
Gebet: „Wenn ich mich in einem wichtigen Anliegen an Gott bzw.
eine höhere Wirklichkeit wende, finde ich dadurch die innere
Kraft, meine Probleme selbst zu lösen.“
Vertrauen: „In meinem Leben verlasse ich mich vor allem auf das
Handeln Gottes bzw. einer höheren Wirklichkeit.“
Gerechtigkeit: „Wenn ich mich um das Gute bemühe, wird mich
Gott bzw. eine höhere Wirklichkeit durch Erfolg im Leben
belohnen.“
Selbstwert: „Auch wenn Menschen mich nicht verstehen; vor Gott
bzw. einer höheren Wirklichkeit habe ich einen hohen Wert.“
Dank und Verehrung: „Es macht mich froh, Gott bzw. einer
höheren Wirklichkeit zu danken.“
Prosoziales Handeln: „Mein religiöser Glaube bestärkt mich darin,
anderen gegenüber hilfsbereit zu sein.“
Intellektuelle Verarbeitung: „Mit Einwänden gegen meinen
religiösen Glauben setze ich mich auseinander.“
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Bedeutung des Glaubens für die Person
Inhalte
Umfeld
Glaube
Freunde
Werte
Person
Ideale
Halt
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Empirische Befunde
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Analyse von zwei grossen Fachjournals (Larson et al.
1992): nur 35 Arbeiten in 12 Jahren, die in irgendeiner
Weise eine Beziehung zwischen Religiosität und
psychischer Gesundheit berücksichtigten.
Dimensionen der Religiosität: Einhaltung von Ritualen,
Sinnfragen, soziale Unterstützung, Gebet, Beziehung zu
Gott, andere.
Erwartung: kein oder negativer Einfluß der Religiosität
auf die psychische Gesundheit.
Resultate: 36 mal positive Beziehung zwischen Glaube
und seelischer Gesundheit, 8 mal eine negative
Korrelation und 6 mal keine Auswirkung.
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Religion und Gesundheit (Koenig et al.)
 Breit angelegte Studien zeigen: Menschen
mit einer intrinsischen Religiosität
 leben gesünder (Alkohol, Nikotin, Drogen)
 haben weniger Depressionen bei
körperlichen Grunderkrankungen
 haben weniger Angststörungen
 haben eine niedrigere Suizidrate
 sind zufriedener
 haben einen stärkeren Lebenssinn, auch im
Leiden.
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Zunahme von Publikationen
 Das Thema „Religion, Spiritualität und
psychische Gesundheit“ erfährt auch in
Fachzeitschriften erhöhte Aufmerksamkeit:
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Psychlit 1980 – 1982: 101 Artikel
Psychlit 1994 – 1996: 630 Artikel
Psychlit 2000 – 2002: 1108 Artikel
Psychlit 2003 – 2005: 1798 Artikel
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Studie „Psychopathology and Religious
Commitment“
Pfeifer & Wälty 1994, 1999
 Patienten (N = 44) mit depressiven Störungen,
Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen
 Kontrollgruppe (N = 45)
Pat - HRel
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Pat-NRel
Kont-HRel
Kont-NRel
Bei allen Probanden wurde Neurotizismus und
Religiosität mit standardisierten Fragebogen gemessen.
Zusätzlich eine Serie von Fragen zur eigenen Bewertung
von Religion und Krankheitsentwicklung
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Einige Ergebnisse
1) Es fand sich keine signifikante Korrelation
zwischen dem Grad der Religiosität und
Neurotizismus, weder bei Patienten noch bei
Kontrollen.
2) Die Lebenszufriedenheit ist negativ korreliert
mit Neurotizismus (wie zu erwarten), aber
positiv mit Religiosität in der Patientengruppe.
Religion scheint also ein wichtiger Faktor in
der Bewältigung von Depression und Angst.
Pfeifer & Wälty - „Psychopathology and Religious Commitment“
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Ergebnisse II
3) Ängste bezüglich Sexualität,
Gewissenskonflikten und religiöser Erziehung
war mit Neurotizismus, nicht aber mit
Religiosität korreliert.
Dies steht in Widerspruch zu den Hypothesen
von Schätzing, der den Begriff der
„ekklesiogenen Neurose“ prägte.
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Fazit unserer Studie
 Der Glaube kann zu Konflikten führen,
insbesondere bei „Gesunden“ in ihrer
Auseinandersetzung mit Spannungsfeldern des
Lebens.
 Patienten empfinden nicht primär den Glauben
als Hindernis für das Leben, sondern die
Krankheit als hinderlich für das Ausleben des
Glaubens.
 Dennoch: Gläubige Patienten empfinden den
Glauben als wesentliche Stütze
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Depression
und Glaube
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Transkulturelle Psychiatrie - Religion
 Die Kultur beeinflusst folgende Faktoren
- die Erfahrung / Wahrnehmung der
Symptome
- die Begriffe, mit denen man sie beschreibt
- Behandlungsentscheidungen
- Arzt-Patienten-Interaktion
- neg. Outcome wie etwa Suizid
- die Arbeitsweise der „Experten“ (Heiler,
Seelsorger, Ärzte etc.)
Beachte auch PPT-Präsentation: S. Pfeifer - Depression und
Kultur
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Beispiel Depression
 „Wenn es mir schlecht geht, habe ich den
Eindruck, von Gott verlassen zu sein. Ich
spüre seine Gegenwart nicht und kann
deshalb auch nicht glauben, dass er mich
liebt. Und doch sehne ich mich nach ihm und
nach seinem Eingreifen in meine
Lebenssituation.“
- (eine 45-jährige Frau mit einer
ausgeprägten Depression)
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Beispiel 2 - Website - Gebetsanliegen
Mein Name ist Leonhard und ich bin 27 Jahre alt. Vor ca.
drei Jahre bin ich an einer Depression erkrankt. Zum
großen Teil habe ich diese Krankheit durch meine eigene
Dummheit verschuldet. Ich habe schon einige Dinge
versucht, um aus diesem Zustand herauszukommen
(Klosteraufenthalt, Therapien), doch alles nur mit mäßigem
Erfolg.
Daher werde ich eine Wallfahrtstätte aufsuchen, um bei der
Mutter Gottes für meine Heilung zu bitten. Ich suche daher
Leute bzw. Gebetsgemeinschaften die sich Ihrem Glauben
bewusst sind und mich bei der Führbitte unterstützen.
Danke, dass Sie sich Zeit nehmen und für mich beten, weil
mein Glaube sehr schwach ist.
Aus einer katholischen Website
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Depression und Glaubensleben
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Die Depression überschattet nicht nur das Leben
allgemein, sondern auch das Glaubensleben, das für
den religiösen Menschen von besonderer Bedeutung
ist. Depression wird erlebt als
Glaubensverlust und Rückzug Gottes
Bestrafung für mögliche Sünden / Fehler
Verdunkelung des geistlichen Lebens
Diese subjektiv empfundene Gottverlassenheit wiegt
für den religiösen Menschen oft schwerer als alle
interpersonellen Defizite und Verluste.
Nach Aufhellung der Depression erholt sich auch das
Glaubensleben.
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Therapie der
Depression:
1
DENKEN
4
1 Gespräch
REL
STRESS
2 prakt. Hilfe
REL
2
3 Aktivierung
REL
Umfeld
UMFELD
KÖRPER
3
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4 Medikamente
Kognitives Modell der Depression
Ansprüche
Kognitive
Dissonanz
REL
Wahre Lage
Selbstbild
Die kognitive Triade:
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

Negative Sicht seiner selbst
negative Bewertung der Umwelt
negative Zukunftserwartung
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REL
Sieben häufige religiöse Klagen
1. "Depression ist Sünde" (ein guter Christ ist nicht
depressiv).
2. "Ich werde von Gott gestraft, weil ich mich
versündigt habe“.
3. "Ich spüre Gottes Gegenwart nicht mehr".
4. "Ich habe keine Kraft mehr für Bibellese und Gebet"
5. "Ich habe so Angst vor anderen Menschen"
6. "Ich tue ja nichts für Gott, verglichen mit anderen;
ich bin ein nutzloses Werkzeug"
7. "Ich habe keine Hoffnung mehr"
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Depressive Symptome,
die das Glaubensleben erschweren
1. Melancholie, traurige Verstimmung, Verlust von Freude und
Interesse
2. Grübeln und Zweifeln, innere Unruhe, sinnloses
Gedankenkreisen, gedankliche Einengung auf depressive
Inhalte
3. Selbstvorwürfe, Schuldideen
4. Energiemangel, Entschlussunfähigkeit
5. Angst und Rückzug vor anderen Menschen
6. Sorgen und Mangel an Perspektive
7. Reizbarkeit und Überempfindlichkeit
8. Hoffnungslosigkeit und Todeswunsch
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Welchen Sinn macht Depression?
Patientenberichte aus
religiöser Perspektive
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Positive Aspekte des Glaubens
in der Depression
1. Glaubensvertiefung durch die
Depression
2. Glaube als Schutz vor Verzweiflung
und Suizid
3. Glaube als Quelle der Kraft in der
Depression
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1. Glaubensvertiefung durch die Depression
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vermehrte Abhängigkeit von Gott
Vertiefung des persönlichen Glaubens
reifere Haltung gegenüber dem Leiden
reifere Haltung gegenüber Leidenden
Was betrübst du dich, meine Seele und bist so
unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde
ihm noch danken, dass er meine Hilfe und mein
Gott ist . . .
nach Psalm 42
Es dürstet meine Seele nach dir,
mein ganzer Mensch verlangt nach dir
aus trockenem dürren Land, wo kein Wasser ist!
nach Psalm 63
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2. Glaube als Schutz vor Verzweiflung und Suizid
 Hoffnung wider die drängende Hoffnungslosigkeit
 Angst vor Strafe bei Suizid
 Todeswunsch wird zur Ewigkeitssehnsucht ohne
suizidale Eigenhandlung
Ich bin geworden wie ein zerbrochenes Gefäss . . .
Ich aber, Herr, hoffe auf dich!
Meine Zeit steht in deinen Händen . . . nach Psalm 31
Auch wenn ich durchs dunkle Tal gehe,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir
dein Stecken und Stab trösten mich . . .
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nach Psalm 23
3. Glaube als Quelle der Kraft in der Depression
 trotz Verzagtheit, Zweifel, Kraftlosigkeit
 Bibelstellen und Liederverse
 Ermutigung durch Mitchristen
Wohl den Menschen,
die dich für ihre Stärke halten
Wenn sie durchs dürre Tal ziehen,
wird es ihnen zum Quellgrund
und Frühregen hüllt es in Segen.
Sie gehen von einer Kraft zur anderen . . .
nach Psalm 84
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Geduld
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Geduld heisst warten können auf die "Stunde Gottes".
Geduld heisst leiden können, ohne zu erliegen.
Geduld heisst ein Ziel über lange Zeit nicht aus den Augen zu
verlieren und jede Gelegenheit wahrzunehmen, einen konkreten
Schritt auf das Ziel hin zu tun.
Geduld heisst in gespannter Erwartung vor Gott zu stehen.
Geduld ist Entschlossenheit, die sich durch viele Widerstände
hindurch bewährt.
Geduld heisst Menschen und Dingen und Situationen keine Gewalt
antun,gerecht werden und dennoch keine Kompromisse eingehen.
Geduld ist die Kraft darunterzubleiben, ohne darunterzukommen.
Pfr. Hansruedi Bachmann, Othmarsingen
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Umgang mit religiösen Fragestellungen
1. Diagnostik / Assessment
 "Nur was wir würdigend ansehen, öffnet sich uns"
 Was bedeutet der Glaube für den Patienten (soziale
Unterstützung, grundlegender Lebenssinn)?
 Psychodynamik: Bewältigung oder Abwehr?
 Welche therapeutischen Konsequenzen ergeben sich aus
der religiösen Deutung der Depression?
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Umgang mit religiösen Fragestellungen -- 2
2. Evaluation
 In Zusammenarbeit mit dem Ratsuchenden
 Unterschiedliche Frömmigkeits-Stile!
 Persönliche Integrität des Therapeuten
 theologische Gewichtung: wichtig, aber nicht primärer
Teil der Therapie
WESENTLICH:
 Welchen Einfluss hat die religiöse Deutung auf
Symptomlinderung, persönliche Entwicklung und die
Lebensbewältigung des Ratsuchenden (soziale
Aufgaben, Beziehungen)?
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Symptomlinderung
Auswirkungen der relig. Deutung
IDEAL
Outcome
positiv
Outcome
negativ
Persönliche Freiheit -- Beziehungsfähigkeit -Lebensbewältigung
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Ärztliche Seelsorge

Annehmen des Menschen
- in der besonderen Annahmen- und Wertewelt seines Glaubens

Wertschätzung für stabilisierende Faktoren
- des persönlichen Glaubens und der religiösen Strukturen, in
denen ein Mensch Halt sucht.

Psychoedukation: Hilfe zum Verstehen
- schwerer psychischer Krisen im Rahmen des Glaubens und der
Erkenntnisse wissenschaftlicher Psychiatrie;
- z.B. Depression trotz Glaube: Beispiele depressiver
Verstimmungen in der Bibel;
- z.B. wahnhafte Verzerrung religiöser Werte in einer Psychose.

Unterstützung der Angehörigen
- zur Verbesserung des Verständnisses und des Tragens eines
schwachen Familienmitgliedes. Sie fördert ein geduldiges und
mit-tragendes Begleiten in der Therapie.
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Ärztliche Seelsorge - 2

Wissen um krankmachende Einflüsse
- fehlgeleiteter und einengender Religiosität und Verzerrung des
Gottesbildes. Einfühlsame Aufarbeitung unter Berücksichtigung
von Persönlichkeit und ihrem kulturellen Hintergrund. Stärkung
der stabilisierenden Anteile einer religiösen Gemeinschaft.

Ermutigung zur Inanspruchnahme fachlicher Hilfe
- durch Medikamente und medizinische Massnahmen
- Aber auch vertraute Formen seelsorgerlicher Zuwendung: Gebet,
geistlicher Zuspruch, Abendmahl (Eucharistie).
- Zusammenarbeit mit dem Seelsorger.

Eingestehen persönlicher Grenzen des Erkennens und Verstehens

Sammeln persönlicher Erfahrungen
- mit Glauben in seiner positiven, stabilisierenden und in SinnFragen durchtragenden Form.
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Hans Küng: „Wahre Religiosität“
„Wahre Religiosität findet sich überall dort, wo
Religion psychohygienisch oder soziohygienisch
nicht eine versklavende, sondern ein befreiende,
nicht eine schädigende, sondern eine heilende,
nicht eine labilisierende,
sondern eine echt stabilisierende Funktion hat,
wo sie also Grundlage ist für wahre
Selbstverwirklichung und zielgerichtete
Aufgabenbewältigung im persönlichen wie im
gesellschaftlichen Bereich“.
Hans Küng
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«heart religion»
"Ich plädiere nicht für eine religiöse
Psychotherapie oder eine Psychotherapie nur für
Religiöse, sondern für eine Therapie, die unter
anderen spezifisch menschlichen Ausdrucksformen
auch das Phänomen Religion ernst nimmt.
Ich plädiere für eine Therapie, die im Detail zu
explorieren versucht, was die ganz individuelle, oft
sehr unorthodoxe und sich im Laufe des Lebens
meist stark verändernde "heart religion" für den
Patienten, die «Religion seines Herzens» ist."
Hans Küng
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