Die Literatur des 18. Jahrhunderts I. Was ist ›Aufklärung‹?

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AUFKLÄRUNG
1720 - 1790
Aufklären, verb. reg. act. wieder klar, heiter machen.
1) Eigentlich. Das Wetter, der Himmel klärt sich auf. Bey aufgeklärten Himmel.
2) Figürlich. (a) Sein Gesicht klärt sich allgemach auf, wird heiter.
(b) Deutlich machen, erklären. Ich hoffe, daß sich indessen das Räthsel aufklären
soll. Klären sie mir doch diese Stelle ein wenig auf.
(c) Viele deutliche Begriffe beybringen. Ein aufgeklärtes und unbefangenes
Gewissen. Ein aufgeklärter Verstand, der viele deutliche Begriffe hat.
Aufgeklärte Zeiten, da man von vielen Dingen klare und deutliche Begriffe hat.
Grammatisch=kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, mit
beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der
Oberdeutschen, von Johann Christoph Adelung. Zweyte vermehrte und
verbesserte Auflage. Leipzig 1801.
Die Aufklärung ist eine seit dem 17. Jahrhundert
vorherrschende, gesamteuropäische Bewegung
der Rationalität und Humanität. Der Begriff
Aufklärung steht als Epochenbezeichnung der
deutschen Literaturgeschichte, die
Empfindsamkeit und Sturm und Drang mit
einschließt.
Verschiedene Phasen innerhalb der Aufklärung
•1720-1755 Frühaufklärung:
Rationalismus (Verstandesaufklärung),
Gottsched
•1750-1770 empfindsame
Hochaufklärung: Einheit von Herz und
Geist Vernunftsaufklärung), Bodmer und
Breitinger, Klopstock, Lessing
•1770-1790 Spätaufklärung
Aufklärung (1720-1800)
Empfindsamkeit (1720-1789)
Sturm und Drang (1765-1786)
Weimarer Klassik
(1786-1805)
Romantik (1795-1840/48)
Biedermeier
Junges Deutschland
Vormärz (1830-1848)
Realismus (1848-1890)
HISTORISCHER HINTERGRUND
Nach dem Dreißigjährigen Krieg war das Deutsche Reich in
viele Territorien zersplittert worden. Es existierten über 300
souveräne Einzelstaaten. Das "Heilige Römische Reich
deutscher Nation" hatte nur symbolischen Charakter, da die
wesentlichen Entscheidungen in Politik, Wirtschaft,
Gesetzgebung, etc. von den Einzelstaaten selbst getroffen
wurden. Das luxuriöse Hofleben vieler Kleinstaatenfürsten
wurde meist zu Lasten der Bevölkerung gezahlt. Wichtig
waren auch einige Kriege, wie die Schlesischen Kriege
(1740-1742 und 1744-1745), der Siebenjährige Krieg (17561763), nachdem Preußen zur Großmacht aufsteigt, und der
amerikanische Unabhängigkeitskrieg gegen England (17751783).
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Deutschland leidet noch am 30-jährigen Krieg; dennoch:
scheinbar dauerhafte europäische Ordnung = Absolutismus
während der Aufklärung: erster(1740-1742) und zweiter(17441745) schlesischer Krieg
Siebenjähriger Krieg (1756-1763)
Preußen wird Großmacht
Ausbildung der Aufklärung ging von Handelsstädten wie
Hamburg oder Leipzig aus
Teilung Polens
Bürgertum:
- keine politische Macht und
Privilegien
- Träger des Merkantilismus
- hohe Steuerlast
- Abgaben an den Grundherren
- Armut
Adel:
- wenig politische Macht
( Fürsten haben politische
Macht)
- Steuerfreiheit und
Grundherrschaft
politische Forderungen:
- Freiheit und
Gleichheit der
Bürger
-Rechtsstaat,
Grundrechte
- geschriebene
Verfassungen
- Gewaltenteilung
- politische
Mitsprache im
Staat
wirtschaftliche
Forderungen:
- Sicherung des
Privateigentums
- Trennung von
Staat und
(Wirtschafts-)
Gesellschaft
- „Selbstinteresse“
der Bürger als
Triebkraft
- freies Spiel der
wirtschaftlichen
Kräfte
soziale Forderungen:
- Abschaffung
feudaler
Privilegien
- gesellschaftliche
Hierarchie nicht
durch Stände und
Privilegien,
sondern durch
materiellen Besitz,
Bildung und
Leistung
- Schutz vor
fürstlicher Willkür
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Schaffung von kritischen Menschen
- Leben nach „vernünftigen“ Grundsätzen (Rationalismus)
- dem Überlieferten mit Skepsis begegnen
- Orientierung an Nützlichkeit und Fortschritt
- Toleranz gegenüber Andersdenkenden
- Handeln aus Einsicht und nicht aus Furcht vor Strafen
Erfahrung
wissenschaftliche Erkenntnis
Zentralisierung der Staaten
nicht die Abschaffung des Absolutismus (aufgeklärter Absolutismus)
Lebenssinn im Diesseits, statt Hoffen auf ein Jenseits
weltlich- , philosophisches Weltbild, statt theologisch-, religiösem
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Wertesystem = bürgerliches Selbstverständnis
geltende Werte:
- Belesenheit (Rolle der Literatur)
- Bescheidenheit
- Tüchtigkeit
- Freundschaft
- Gelassenheit und Zufriedenheit
- ökonomische Tugenden (virtutes oeconomicae), Bsp: Fleiß, Gehorsam
- kritisches Denken auf Grundlage der Vernunft
- rationales Denken und Autonomie des Individuums
- Sittlichkeit
 erreichte Öffentlichkeit und Verbindlichkeit
 allgemeine Norm
Geltungsbereich: Familie, Schule, Erziehung (ökonomische Tugenden galten auch
im staatlichen und gesellschaftlichen Bereich)
alle Menschen von Natur aus gleich
Wertesystem wird deutlich im bürgerlichen Trauerspiel (Bsp: „Das Leben der
Gräfin von G.“
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vorindustrielles Bürgertum: aufsteigend durch Handel
und Gewerbe
gekennzeichnet durch Besitz (Kapital und
Produktionsmittel), Bildung, Rechte, Freiheit, Ämter
Kaufleute, Unternehmer, Handwerker, Beamte, Professoren,
Studenten
haben zunehmend in der Literatur Einfluss genommen (viel
bekannte Philosophen und Dichter stammen aus dem
Bürgertum)
Beamte, Kaufleute, Advokaten, Lehrer, Händler,
Handwerker, Bauern
NEUES WELTBILD
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Veränderung in Politik, Gesellschaft
menschl. Verstand Maßstab aller Dinge
Bürger gegen Adel
Aufstieg d. Bürgertums / Weiterbildung
Kritik an Kirche
Freiheit
Humanität
Vernunft (Rationalismus)
Toleranz
Gleichheit
Optimismus
selbstständiges Denken
 Autonomie
WELTBILD DER AUFKLÄRUNG
(ZUSAMMENFASSUNG)
Im 18. Jahrhundert spricht man vom Anbruch der
Modernen Zeit. In den Städten bildete sich ein
neues Bürgertum heraus, welches Handel betrieb
und Besitz und Kapital anhäufte. Der Feudalismus
wurde dadurch allmählich verdrängt. Spannungen
zwischen dem Bürgertum und dem Adel wuchsen.
Das Bürgertum akzeptierte nicht mehr die
gottgegebene Vorherrschaft der Adligen, sondern
stellte einen eigenen
Selbstbestimmungsanspruch. Die Bürgerlichen
beriefen sich auf die Vertreter der Aufklärung, die
für eine Herrschaft der Vernunft eintraten.
AUFKLÄRUNG / ENLIGHTENMENT / LUMIÈRES / ILLUMINISMO / LUMI
Perfektibilität
›natürliches Licht‹
(Vernunft)
Barock
Pessimismus (Vanitas)
Aufklärung
Optimismus (Perfektibilität)
Nicolas Boileau-Despréaux
1636-1711
Rien n‘est beau que le vrai.
Nichts als das Wahre ist schön.
Anthony Ashley Cooper
3rd Earl of Shaftesbury
1671-1713
For all beauty is truth.
VERTRETER DER LITERARISCHEN AUFKLÄRUNG
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Johann Christoph Gottsched (1700-1766)
Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781)
Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769)
Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)
Christoph Martin Wieland (1733-1813)
Immanuel Kant (1724-1804)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803)
Johann Elias Schlegel (1719-1749)
Anna Luise Karsch (1722-1791)
Barthold Heinrich Brockes (1680-1747)
Friedrich von Hagedorn (1708-1754)
Johann Jakob Bodmer (1698-1783)
Albrecht von Haller (1708-1777)
Christian Ewald von Kleist (1715-1759)
Christian Felix Weiße (1726-1804)
Sophie von La Roche (1730-1807)
Luise Adelgunde Kulmus (1713-1762)
Gottlieb Konrad Pfeffel (1736-1809)
WERKE
Irdisches Vergnügen in Gott, bestehend in physikalisch- und
moralischen Gedichten (1721) – Brockes
Versuch einiger Gedichte oder erlesene Proben poetischer
Nebenstunden (1729) – Hagedorn
Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen (1730) –
Gottsched
Sterbender Cato (1732) – Gottsched
Versuch Schweizerischer Gedichten (1732) – Haller
Pietisterey im Fischbein-Rocke (1736) – Luise Adelgunde
Kulmus
Versuch in poetischen Fabeln und Erzählungen (1738) –
Hagedorn
Kritische Abhandlung von demWunderbaren in der Poesie
(1740) – Bodmer
Deutsche Schaubühne nach den Regekn der alten Griechen
und Römer eingerichtet (1740/45) – Gottsched
Sammlung neuer Oden und Lieder (1742-52) – Hagedorn
Hermann (1743) - J. E. Schlegel
Versuch in scherzhaften Liedern (1744-58) – Gleim
Fabeln und Erzählungen (1746-48) – Gellert
Leben der schwedischen Gräfin G (1747-1748) - Gellert
Grundlegung einer deutschen Sprachkunst (1748) – Gottsched
Der junge Gelehrte (1748) - Lessing
Der Triumph der guten Frauen (1748) - J. E.
Schlegel
Die stumme Schönheit (1748) - J. E. Schlegel
Der Frühling (1749) - Chr. v. Kleist
Die Juden (1749) – Lessing
Die verwandelten Weiber oder Der Teufel ist
los (1752) - Chr. Weiße
Miß Sara Sampson (1755) – Lessing
Auserlesene Gedichte (1764) – Karsch
Laokoon oder Über die Grenzen der Malerei
und Poesie (1766) – Lessing
Die Geschichte des Agathon (1766/67) –
Wieland
Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück
(1767) – Lessing
Hamburgische Dramaturgie (1767-1768) –
Lessing
Geschichte des Fräuleins von Sternheim
(1771) - Sophie von La Roche
Emilia Galotti (1772) – Lessing
Nathan der Weise (1779) – Lessing
Oberon (1780) – Wieland
Gedichte (1792) - Karsch
PHILOSOPHISCHER HINTERGRUND
Die Philosophen der Aufklärung waren es, welche
den Beginn der Moderne eigentlich einläuteten.
Sie wirkten auf die Dichter vieler europäischer
Länder und prägten diese. Der wichtigste
Philosoph in Deutschland wurde Immanuel Kant
mit seinem kritischen Idealismus. Mit seinem
Werk "Was ist Aufklärung?" beschreibt er die Ideen
und Ideale dieser Zeit. „
Sapere aude!" Habe Mut, dich deines eigenen
Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch
der Aufklärung.
Christian Wolff
Vernünftige Gedanken von Gott, der Welt und der
Seele des Menschen
Halle 1719
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus
seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.
Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines
Verstandes ohne Leitung eines anderen zu
bedienen. Selbstverschuldet ist diese
Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht
am Mangel des Verstandes, sondern der
Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner
ohne Leitung eines andern zu bedienen.
Immanuel Kant (1784)
JOHANN FRIEDRICH ZÖLLNER
BERLINISCHE MONATSSCHRIFT
5. DEZEMBER 1783
5. DEZEMBER 1783
Friedrich II.
von Preußen
1712-1786
Dass die Menschen, wie die Sachen jetzt
stehen, im Ganzen genommen, schon im
Stande wären, oder darin auch nur gesetzt
werden könnten, in Religionsdingen sich ihres
eigenen Verstandes ohne Leitung eines
Andern sicher und gut zu bedienen, daran fehlt
noch sehr viel. Allein, dass jetzt ihnen doch
das Feld geöffnet wird, sich dahin frei zu
bearbeiten, und die Hindernisse der
allgemeinen Aufklärung, oder des Ausganges
aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit,
allmählich weniger werden, davon haben wir
doch deutliche Anzeigen. In diesem Betracht
ist dieses Zeitalter das Zeitalter der
Aufklärung, oder das Jahrhundert Friederichs.
FRÜHAUFKLÄRERISCHES WELTBILD
Die irdische Welt ist für den Menschen kein Ort des Leidens und der
Buße. Vielmehr hat die irdische Welt einen Eigenwert, denn der
tugendhafte Mensch kann in ihr dauerhaft glücklich sein.
Gott will vernünftige Menschen glücklich machen. Der vernünftige
Mensch, der mittels seines Verstandes die moralischen Normen der
Welt erkennt, ist von Gott zum Glück bestimmt.
Tugend und Laster werden weitgehend innerirdisch belohnt und
bestraft. Der Tugendhafte wird garantiert glücklich, der Lasterhafte
garantiert unglücklich.
Der Mensch neigt prinzipiell zum Guten, wenn er es erkennt. Wenn sich
der Mensch lasterhaft verhält, dann fehlt ihm nur die Erkenntnis des
moralisch Richtigen und Guten.
Dem lasterhaften Menschen kann deshalb mittels Erziehung geholfen
werden, Erkenntnis in das moralisch Richtige zu bekommen.
WANDEL DER DICHTUNG
Die Dichtung des 18. Jahrhunderts wandelte sich stark: im Mittelpunkt stand nicht mehr das Lob der
Fürsten und die Unterhaltung der höfischen Gesellschaft, sondern das bürgerliche Leben und die
Aufklärung des Bürgertums. Die Leserschaft aufklärerischer Dichtung war zunächst gering, da die
größten Bevölkerungsteile weder lesen noch schreiben konnten. Doch auch die Bürgerlichen, die
lesen konnten, befassten sich meist mit religiöser Dichtung. Es musste darum erst eine literarisch
interessierte Gesellschaft und eine breite Leserschaft geschaffen werden. Moralische
Wochenschriften, die eine Aufklärung des Bürgertums zum Ziel hatten, und Lesegesellschaften
förderten eine literarisch interessierte Öffentlichkeit. Die Abkehr von der höfischen Dichtung bewirkte
auch eine Ablösung der Hofdichter. An ihre Stelle trat nun der freie Schriftsteller. Doch dieser hatte es
im 18. Jahrhundert nicht leicht, war er zwar finanziell von fürstlichen und kirchlichen Gönnern
unabhängig, doch konnte er kaum von den geringen Auflagen seiner Werke leben. Durchschnittliche
Auflagen eines Werkes oder einer Zeitschrift von einem bekannten Dichter lag etwa bei 2000
Exemplaren. Die meisten Schriftsteller verbesserten ihre finanzielle Lage durch Nebeneinkünfte, z.B.
als Beamter. Eine wichtige Rolle bei der literarischen Veröffentlichung spielte die Zensur. Das beste
Beispiel hierfür ist der Streit zwischen dem orthodoxen Pastor Goeze und Gotthold Ephraim Lessing.
Dieser endete damit, dass der Herzog von Braunschweig über Lessing eine Zensur verhängte, seine
religionskritischen Arbeiten nicht zu veröffentlichen. Den Aufklärern gelang es jedoch nicht, die
Zensur abzuschaffen. Im Gegenteil, nach der Französischen Revolution 1789 wurde sie noch
verschärft. Es gab allerdings noch einen Faktor, der den Buchmarkt des 18. Jahrhunderts prägte: die
Gründung von Verlagen und Buchhandlungen. Die Leser konnten zwar nun Bücher besser beziehen,
doch gerieten viele Schriftsteller in Abhängigkeit ihrer Verleger. Auch der Konkurrenzdruck der
Autoren untereinander erschwerte die Situation. Es konnten nur die Schriftsteller sich auf dem Markt
behaupten, deren Werke sich der Leserschaft angepasst hatten. Die Ablösung der höfischen Dichter
hatte auch eine Ablöse der höfischen Dichtung zur Folge. An ihre Stelle trat nun eine Literatur, welche
die Ideen der Aufklärung vertrat: Vernunft, Humanität und Nützlichkeit. Die aufklärerischen Ideale
wurden auf sämtliche literarische Gattungen übertragen.
DAS DRAMA IN DER AUFKLÄRUNG
spielte eine besondere Rolle. Hier hoffte man die Zuschauer und
Leser besser erziehen und verändern zu können, als in anderen
literarischen Gattungen. Im 18. Jahrhundert versuchten viele
Bürgerliche sich als Schauspieler zu bewerben, um Rollen zu spielen,
die ihnen im wirklichen Leben versagt blieben.
Weder das Wandertheater noch das Hoftheater konnte für die
aufklärerischen Ideen genutzt werden. J.Ch. Gottsched versuchte
allerdings das Wandertheater für ein bürgerliches Publikum
interessant zu machen, indem er ihr Niveau hob. Er arbeitete mit
einigen Schauspielertruppen zusammen, darunter Caroline
Friederike Neuber (1697-1760), eine Schauspielerin und Leiterin
einer eigenen Theatergruppe. Gottsched hatte das klassizistische
französische Theater zum Vorbild. In seinen eigenen Dramen
versuchte er es mit Einhalt von Zeit, Ort und Handlung,
Ständeklausel, usw. zu realisieren.
JOHANN CHRISTOPH GOTTSCHED (1700–1766)
1730 Versuch einer Critischen Dichtkunst
KURZBIOGRAPHIE ZU JOHANN CHRISTOPH
GOTTSCHED








* 2.2.1700 in Judittenkirch (Ostpreußen)
t 12.12.1766 in Leipzig
Studierte Theologie, später Philosophie
Nach Zwangsrekrutierung, floh er 1724 nach Leipzig
1730 außerordentlicher Professor für Poetik
1734 ordentlicher Professor
1730 „Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen“
Nach 1740 Literaturstreit mit den Schweizern Bodmer und
Breitinger
1.
2.
3.
4.
5.
Lehre der 3 Einheiten
Dramatische Handlung
Ständeklausel
Botenbericht
Postulat der Wahrscheinlichkeit
VORBILDER SEINER DRAMENTHEORIE



Aristoteles
Wolff
Locke



Racine
Molière
Corneille
GOTTSCHED
In seiner Literaturtheorie Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen
(1730) verurteilte er die Barockdichtung aus der Sicht der Aufklärer. Er widersetzte
sich der Normen- und Regelpoetiken des Barock und trat für eine Verbreitung der
aufklärerischen Ideen in der Deutschen Dichtung ein. Kern der Poetik Gottscheds
war ein aristotelischer Grundsatz, die Nachahmung der Natur, und eine Forderung
von Horaz, dass die Verbindung von Vergnügen und Nutzen die Aufgabe der
Dichtung sei. Gottsched setzte die Gesetze der Natur mit den Regeln der Vernunft
gleich. Unter "Nachahmung" verstand er jedoch nicht die wirklichkeitsgetreue
Wiedergabe, sondern lediglich eine Ähnlichkeit des Erdichteten. Gottsched forderte
zudem die Einhaltung von Zeit, Ort und Handlung im Drama, wie auch schon
Aristoteles. Doch dagegen setzte sich Lessing später ein. Nach Gottsched sollte auch
der literarische Schaffensprozess nach den Regeln der Vernunft geschehen. Der
Dichter sollte sich einen moralischen Lehrsatz zu Grunde legen und darauf eine
Handlung aufbauen. Gottsched vertrat weiterhin die Ständeklausel: Adlige und
Fürsten sollten nur in Tragödien und Heldendichtungen, Bürger und Leute von
geringem sozialen Status hatten nur in Komödien und Romanen aufzutreten. Der
Dichter sollte bei Gottsched ein Erzieher der Leserschaft im Sinne der Aufklärung
sein.
Verbesserung der deutschen Schaubühne
 Unterhaltung des Publikums
 Belehrung des Publikums







Literatur für „Gebildete“
(Adel)
Hauptdarsteller: Adel
Dramatische Darstellung
Soll Mitleid erwecken
Form: gewählte Sprache,
Verse






Literatur für „Pöbel“
(Volk)
Hauptdarsteller: Volk
Lächerliche Darstellung
Soll Gelächter erwecken
Form: Prosa





Wollen zunächst wie Gottsched eine Reform der dt.
Literatur
Differenzieren sich mit der Zeit von Gottsched
Auseinandersetzung um John Miltons „Verlorenes
Paradies“
 Aufspaltung Gottsched - Bodmer+Breitinger
Literaturtheorie die sich gegen Gottsched abgrenzt
 Streitschrift Gottscheds („Dichterkrieg“)
JOHANN JAKOB BREITINGER (1701-1776) UND
JOHANN JAKOB BODMER (1698-1783))
REGELPOETIK
In der Critischen Dichtkunst (zuerst 1730, 4. Auflage 1754),
seinem literaturtheoretischen Hauptwerk, argumentierte
Gottsched für seine rationalistische Dichtungsauffassung,
gemäß der Poesie Regeln zu folgen habe, welche sich mit den
Mitteln der Vernunft begründen lassen. Der Phantasie räumte
Gottsched keine Freiheiten gegenüber dem Vernünftigen ein
und auch das Wunderbare wurde durch die leibnizsche und
wolffianische Theorie der möglichen Welten reglementiert. Aus
diesen Vorgaben ergab sich Gottscheds ablehnende Haltung
zur Darstellung übernatürlicher Erscheinungen, deren
literarisches Paradigma in der zeitgenössischen Diskussion
John Miltons religiöses Epos Paradise Lost war. Gottsched, der
auch in seinen philosophischen Schriften dem Deismus
nahestand, lehnte religiöse Themen als Gegenstand der
Literatur ab.
Literatur (Kunst)
erschafft eine Welt,
die versucht, die reale Welt zu
zeichnen und analysierbar zu
machen, zu repräsentieren.
realistisch
oder die versucht, eine Welt
darzustellen, wie sie sein sollte oder
sein könnte.
idealistisch
GOTTESCHEDS POETIK IN RELATION ZUM
AUFKLÄRERISCHEN DENKEN
Sowohl für die Welt als auch für das Theater gilt:
• sinnvolle Regeln
• wahrscheinlich (nicht dem Verstand
widersprechen)
• Möglichkeit der Einsicht in das moralisch Richtige
• Erziehung des Menschen
• Welt und Theater verhalten sich isomorph
• Abbildungsrelation von Welt und Literatur mittels
Verstand und Sprache
STERBENDER CATO - JOHANN-CHRISTOPH
GOTTSCHED (LEIPZIG 1732)
Die erste Umsetzung seiner
Dramentheorie war
das Trauerspiel Sterbender
Cato (1732). Gottsched
versuchte ein
Dramenmodell
aus englischen und
französischen Dramen zu
schaffen, welches zum
Vorbild für
andere Dramaturgen dienen
sollte. Doch seine
Orientierung am
französischen
Klassizismus brachte ihm
bald viel Kritik ein, v.a.
Lessing war es, der
Gottscheds
Dramen stark verurteilte,
denn die Dichter wurden mit
zu vielen Regeln eingeengt.
Heroischer Alexandriner
6-hebiger Jambus mit
Mittelzäsur,
paarweise gereimt
CATO. […]
Rom hatte triumphiert:
doch das war deine
Pflicht.
Ein Bürger dient dem
Staat, der Staat dem
Bürger nicht.
(3.3, 877f.)
v–v–v–/v–v–v–
(a)
v–v–v–/v–v–v–
(a)










60 v. Chr. Triumvirat: Cäsar, Crassus, Pompejus
58–51 v. Chr. Gallischer Krieg
1.1.49 v. Chr. Senat verlangt v. Cäsar Entlassung des Heeres
7.1.49 v. Chr. Cäsar überschreitete den Rubikon: Bürgerkrieg
9.8.49 v. Chr. Sieg Cäsars bei Pharsalus über Pompejus
1.8.47 v. Chr. Sieg Cäsars über Pharnakes bei Zela („veni vidi vici“)
6.4.46 v. Chr. Sieg Cäsars über die Republikaner bei Thapsus (Africa)
Selbstmord des Marcus Porcius Cato in Utica (Africa)
15.3.44 v. Chr. Ermordung Cäsars u. a. durch Marcus Junius Brutus
(Ehemann von Catos Tochter Porcia)
AUSWERTUNG DER HANDLUNG
• Verbindung historisch-politischer mit privatfamiliärer Handlung
• individuelles Fehlverhalten Catos:
– Tugendrigorismus
– Zweifel am Theodicée-Gedanken
• Systemwandel von der alten republikanischer
Ordnung hin zur neuen monarchischen Ordnung
- selbstverantwortliches Handeln vs.
fremdbestimmendes Schicksal
KERN AUFKLÄRERISCHER STAATSPHILOSOPHIE:
CATO.
So unterwerft den Staat nur billigen Gesetzen,
Und laßt durch keine Macht des Landes Wohl
verletzen.
(4.5, 1387f.)
CÄSARS NEUE MONARCHISCHE ORDNUNG:
AUFGEKLÄRTER ABSOLUTISMUS
• Allgemeinwohl für alle Bürger gerecht durchsetzen
• keine Verstellung
• Verrat ist kein politisches Mittel
• keine Blutgier/Grausamkeit
• empfindsamer/sogar für den Feind fürsorglicher
Herrscher
• Affektkontrolle, keine Ausbrüche von Leidenschaft,
Herrscherrolle steht über der privaten Person
• Krieg ist nur das letzte politische Mittel
politisches Verhandeln höherwertiger als kriegerisches
Handeln
UNTERSCHWELLIG FÜHRT UNS GOTTSCHEDS STERBENDER CATO AUF JEDER EBENE DEN TOD
DER TRADITIONELLEN VÄTERLICHEN AUTORITÄT VOR.
1. Auf der ideologisch-religiösen Ebene eliminiert sich die in
ihrer Tugendstrenge rigorose, mitleidlose, versuchende und
strafende Gottesvorstellung selbst.
2. Auf der Ebene der politisch-gesellschaftlichen Systeme wird
unabwendbar der Wandel zur Monarchie vorgeführt, der
metaphorisch für das Recht des Sohnes in der
Kindergeneration auf eine tugendhafte eigenständige
soziale Rollen- und Sinnfindung steht.
3. Auf der familiären Ebene pocht die Frau aus der
Kindergeneration auf das Recht zu einer Versöhnung von
Gefühl und Verstand, welche es ermöglicht die
Gehorsamspflicht gegenüber den Eltern mit einer
autonomen erotischen Rollen und Sinnfindung der
Kindergeneration in einem privaten Bereich zu verbinden.
1. Friedrich Gottlieb Klopstock
(Fortsetzung)
• Geb. 1724 in Quedlinburg, Harz,
16 jüngere Geschwister
• 1745 Studium der Theologie und Philosophie
in Jena, ab 1746 in Leipzig
• 1748 in den Bremer Beiträgen (Neue Beyträge zum Vergnügen des Verstandes
und des Witzes, hg. von Leipziger Studenten)
die ersten 3 Gesänge des Messias, sensationeller Ruhm
• ab 1748 „Hofmeister“ in Langensalza. Liebe zur Kusine Maria
Sofia Schmidt – „Fanny“
• 1850 auf Einladung Johann Jakob Bodmers in Zürich
• 1751 Ruf durch Friedrich V. nach Dänemark: ‚freier Schriftsteller‘ dank königlicher Pension, zur Vollendung des Messias:
Kopenhagener Kreis, „die nördliche Verpflanzung der witzigen
Köpfe Deutschlands“ (Lessing)
• 1754 ebd. Heirat mit Meta Moller
• bis 1770 überwiegend in Dänemark
• 1770 nach Altona
• 1773 der 16. bis 20. Gesang des Messias:
20.000 Verse, vom 19. bis 50. Lebensjahr
• 1774 Ruf als Hofrat nach Karlsruhe
• Besuche bei seiner Göttinger Gemeinde
(dem „Hainbund“) und in
Frankfurt beim jungen Goethe
• noch 1774 zurück nach Altona, wo er bis zum Tode
inmitten seiner Dichterfreunde (Voß, Claudius,
Gerstenberg u.a.) bleibt
• 1788/89 Unterstützung der
Französischen Revolution (Ode Sie,
und nicht wir)
• 1792 Ehrenbürger der Französischen Republik
• noch im selben Jahr entsetzte
Abwendung von der Terrorherrschaft (Ode Der Angriffskrieg)
• 1791 zweite Ehe, Ausflüge nur zum
„Weihrauch-Einsammeln“
• 1803 80jährig gestorben in Altona,
Begräbnis wie ein Staatsakt
• Grabstätte an der Ottenser Kirche in
Altona als Wallfahrtsort
Kultdichter
und
Dichterkult
„Klopstock!”
Klopstock,
Widmungs-Ode
zum Messias
„…daß mein geweihter Arm
Vom Altar Gottes Flammen nehme.“
„[Wir] gingen noch des Abends nach einem nahgelegnen Dorfe. Der Abend war
außerordentlich heiter, und der Mond voll. Wir überließen uns ganz den Empfindungen
der schönen Natur. Wir aßen in einer Bauerhütte eine Milch, und begaben uns darauf
ins freye Feld. Hier fanden wir einen kleinen Eichengrund, und so-gleich fiel uns allen
ein, den Bund der Freundschaft unter diesen heiligen Bäumen zu schwören. Wir
umkränzten die Hüte mit Eichenlaub, legten sie unter den Baum, und faßten uns alle
bey den Händen, und tanzten so um den eingeschloßenen Stamm herum; riefen den
Mond und die Sterne zu Zeugen unseres Bundes an, und versprachen uns eine ewige
Freundschaft.“
Johann Heinrich Voß über die Weender Ereignisse am 12. 9. 1772
Klopstock: Der Hügel und der Hain (Ode).
Carl Friedrich Cramer: Klopstock. Er, und über ihn . 1748 / 1790.
Göttinger Hainbund
12 Mitglieder, u.a.:
Ludwig H. C. Hölty
Johann Heinrich Voß
Carl Friedrich Cramer
Heinrich Christian Boie
Gottfried August Bürger
die Brüder Fritz und Chr. Stolberg
Johann Anton Leisewitz
Der Hain und sein Feindbild:
Christoph Martin Wieland
‚deutscher‘ Sturm und Drang
versus…
‚französische‘
Aufklärung und
RokokoSinnlichkeit
Klopstock: Aufklärung, Empfindsamkeit, Politik
• der ‚natürliche’ Mensch als Freund
-> Republik
• Nation als bürgerlicher Staat
• Verwirklichung und Selbstartikulation
des Individuums als Selbstzweck
• Integration von autonomer Vernunft
und emanzipiertem Gefühl
• der Dichter als kunstreligiöser Priester
und Prophet – und als Bild des vollendeten freien Menschen
• Dichter als Beruf und Berufung (der kunstreligiöse Prophet als
Unternehmer im Literaturbetrieb)
• „erster Popstar der deutschen Lyrik“ (Petersdorff)
Klopstock: neue Politik, neue Poesie
• die Poesie der Republik:
Neuentdeckung der griechischen
Oden-Formen für die deutsche Dichtung
(und die großen Themen und letzten Dinge:
Dem Allgegenwärtigen, Dem Erlöser,
Dem Unendlichen, Die Sprache,
Die Glückseligkeit aller – ‚Anti-Brockes‘)
• die menschliche als dichterische Freiheit:
Entwicklung eigener, ‚freier’ Odenformen
• die politische als poetische Freiheit:
der Weg zur ungebundenen Poesie
• die ‚Nation‘ als kollektive Individualität:
die ‚nordische’ Mythologie als ‚eigene’ Kulturtradition
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„sapphische Ode“
Mein Wäldchen (Gut Eckhof bei Kiel, Graf und Gräfin Holck)
[…]
Wenn von dem Sturm nicht mehr die Eich‘ hier rauschet,
Keine Lispel mehr wehn von dieser Weide:
Dann sind Lieder noch, die vom Herzen kamen,
Gingen zu Herzen.
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„asklepidaeische Ode“
Klopstock: Der Zürchersee
Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht,
Auf die Fluthen zerstreut; schöner ein froh Gesicht,
Das den grossen Gedanken
Deiner Schöpfung noch einmal denkt.
[…]
Jetzt entwölkte sich fern silberner Alpen Höh,
Und der Jünglinge Herz schlug schon empfindender,
Schon verriet es beredter
Sich der schönen Begleiterin.
Hallers Doris, sie sang, selber des Liedes werth,
Hirzels Daphne, den Kleist, zärtlich wie Gleimen liebt,
Und wir Jünglinge sangen,
Und empfanden, wie Hagedorn.
Jetzt empfing uns die Au in die beschattenden
Kühlen Arme des Walds, welcher die Insel krönt;
Da, da kamest du, Freude!
Volles Maßes auf uns herab!
[…]
Süß ist, fröhlicher Lenz, deiner Begeistrung Hauch,
Wenn die Flur dich gebiert, wenn sich dein Odem sanft
In der Jünglinge Herzen,
Und in die Herzen der Mädchen gießt.
Ach du machst das Gefühl siegend, es steigt durch dich
Jede blühende Brust schöner, und bebender,
Lauter redet der Liebe
Nun entzauberter Mund durch dich!
[…]
◡◡–◡
◡◡–◡
◡◡–◡
◡◡–
◡◡–◡ ◡◡–
◡◡–◡ ◡◡–◡
◡◡–◡
◡◡–
Klopstock: Die Sommernacht
Wenn der Schimmer von dem Monde nun herab
In die Wälder sich ergießt, und Gerüche
Mit den Düften von der Linde
In den Kühlungen wehn;
So umschatten mich Gedanken an das Grab
Der Geliebten, und ich seh in dem Walde
Nur es dämmern, und es weht mir
Von der Blüte nicht her.
Ich genoss einst, o ihr Toten, es mit euch!
Wie umwehten uns der Duft und die Kühlung,
Wie verschönt warst von dem Monde,
Du o schöne Natur!
◡ – ◡◡ – ◡ ◡ –
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Klopstock: Die frühen Gräber
Willkommen, o silberner Mond,
schöner, stiller Gefährt der Nacht!
Du entfliehst? Eile nicht, bleib, Gedankenfreund!
Sehet, er bleibt, das Gewölk wallte nur hin.
Des Maies Erwachen ist nur
Schöner noch, wie die sommernacht,
Wenn ihm Tau, hell wie Licht, aus der Locke träuft,
Und zu dem Hügel herauf röthlich er kömmt.
Ihr Edleren, ach! es bewächst
Eure Male schon ernstes Moos.
O wie war glücklich ich, als ich noch mit euch
Sahe sich röthen den Tag, schimmern die Nacht!
Freie, ‚pindarische‘ Oden – Klopstock: Die Frühlingsfeier
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Nicht in den Ozean der Welten alle
Will ich mich stürzen! schweben nicht,
Wo die ersten Erschaffnen, die Jubelchöre der Söhne des Lichts,
Anbeten, tief anbeten! und in Entzückung vergehn!
Nur um den Tropfen am Eimer,
Um die Erde nur, will ich schweben, und anbeten!
Halleluja! Halleluja! Der Tropfen am Eimer
Rann aus der Hand des Allmächtigen auch!
[…]
Mit tiefer Ehrfurcht schau ich die Schöpfung an,
Denn du!
Namenloser, du!
Schufest sie!
Lüfte, die um mich wehn, und sanfte Kühlung
Auf mein glühendes Angesicht hauchen,
Euch, wunderbare Lüfte,
Sandte der Herr? der Unendliche?
Aber jetzt werden sie still, kaum atmen sie.
Die Morgensonne wird schwül!
Wolken strömen herauf!
Sichtbar ist der kommt der Ewige!
Nun schweben, und rauschen, und wirbeln die Winde!
Wie beugt sich der Wald! wie hebt sich der Strom!
Sichtbar, wie du es Sterblichen sein kannst,
Ja! das bist du, sichtbar, Unendlicher!
…
Seht ihr den Zeugen des Nahen den zückenden Strahl?
Hört ihr Jehovas Donner?
Hört ihr ihn? Hört ihr ihn,
Den erschütternden Donner des Herrn?
...
Seht ihr den neuen Zeugen des Nahen, den fliegenden Strahl?
Hört ihr hoch in der Wolke den Donner des Herrn?
Er ruft: Jehova! Jehova! Jehova!
Und der geschmetterte Wald dampft!
…
Ach! schon rauscht, schon rauscht
Himmel, und Erde vom gnädigen Regen!
Nun ist, wie dürstete sie! die Erd‘ erquickt,
Und der Himmel der Segensfüll‘ entlastet!
Siehe, nun kömmt Jehova nicht mehr im Wetter,
In stillem, sanftem Säuseln
Kömmt Jehova,
Und unter ihm neigt sich der Bogen des Friedens!
2. Der Anti-Klopstock: Matthias Claudius (1740–1815),
der „Wandsbecker Bote“
Klopstock:
Willkommen, o silberner Mond,
schöner, stiller Gefährt der Nacht!
Du entfliehst? Eile nicht, bleib, Gedankenfreund!
Sehet, er bleibt, das Gewölk wallte nur hin.
Claudius:
Der Mond ist aufgegangen
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.
Als der Hund tot war
Alard ist hin, und meine Augen fließen
Mit Tränen der Melancholie!
Da liegt er tot zu meinen Füßen!
Das gute Vieh!
Er tat so freundlich, klebt’ an mich wie Kletten,
Noch als er starb an seiner Gicht.
Ich wollt ihn gern vom Tode retten,
Ich konnte nicht.
Am Eichbaum ist er oft mit mir gesessen,
In stiller Nacht mit mir allein;
Alard, ich will dich nicht vergessen,
Und scharr dich ein,
Wo du mit mir oft saß’st, bei unsrer Eiche,
Der Freundin meiner Schwärmerei. –
Mond, scheine sanft auf seine Leiche!
Er war mir treu.
Karsch:
Ein Gebet an den Mars
Du Gott des Krieges, lass die Erde!
[…]
Begib vom Kampfplatz dich zurück,
Geharnischt wie du bist, an Haupt, an Arm und Fuße.
Cupido zieht dich aus, und deinem ersten Kusse
Dankt unsre ganze Welt ihr Glück.
Der Zorn in einer Frau rief, Mavors, dich hernieder,
Die Sehnsucht einer Frau hol dich den Göttern wieder,
Und ewig komm uns nicht zurück.
Gleim: An das achtzehnte Jahrhundert
Mit Kriegen fingst du an, mit Kriegen endest du,
Mit Säbel- und mit Federkriegen,
Jahrhundert! Allen Kriegeszügen
Sah Gott vom höchsten Himmel zu!
War, Kriege sehen, sein Vergnügen?
Nein! rief’s vom Himmel, Menschenkind!
Nein! aber eure Seelen sind
Von Gott dem Schöpfer frei erschaffen,
Das Reich der Tugenden, das Reich
Der Wissenschaften lag vor euch,
Und ihr erwähltet Waffen!
Claudius: Kriegslied *
’s ist Krieg! s’ ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede du darein!
’s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit
Grämen
Und blutig, bleich und blass,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?
Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten, und mir
fluchten
In ihrer Todesnot?
Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?
Wenn Hunger, böse Seuch’ und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammleten, und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich herab?
Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
’s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
Chr. F. Gellert
Joh. W. L.
Gleim
Goethe, Das Buch Annette (1775),
Die Laune des Verliebten (Amine), Leipzig 1767/68
und die Leipziger „Witz“-Kultur des späten Rokoko
Die Nacht
Gern verlass ich diese Hütte,
Meiner schönen Aufenthalt.
Und durchstreich mit leisem Tritte
Diesen ausgestorbnen Wald.
Luna bricht die Nacht der Eichen,
Zephyrs melden ihren Lauf,
Und die Birken streun mit Neigen
Ihr den süßten Weihrauch auf.
Vom Rokoko zum
„Sturm und Drang“
Schauer, der das Herze fühlen,
Der die Seele schmelzen macht,
Wandelt im Gebüsch im Kühlen.
Welche schöne, süße Nacht!
Freude! Wollust! kaum zu fassen!
Und doch wollt ich Himmel dir
Tausend deiner Nächte lassen,
Gäb mein Mädchen eine mir.
Heinrich Wilhelm von Gerstenberg,
„Schleswigsche Litteraturbriefe“
(Briefe über die Merkwürdigkeiten der
Literatur, Schleswig) 1766:
„Ich glaube, dass nur das Poesie sey,
was das Werk des poetischen Genies
ist.“
„Der beständige Ton der Inspiration ...,
die wir mit bewunderndem Enthusiasmus
dem gegenwärtigen [d.h.anwesenden]
Gotte zuschreiben: diese Hitze, diese
Stärke, diese anhaltende Kraft, dieser
überwältigende Strom der Begeisterung
... – das ist die Wirkung des Genies.“
Johann Georg Hamann:
Aesthetica in nuce (1762)
„Reden ist übersetzen – aus einer
Engelsprache in eine Menschensprache, das
heißt, Gedanken in Worte, – Sachen in Namen,
– Bilder in Zeichen; die poetisch oder
kyrilogisch [auf Gott bezogen], histo-risch oder
symbolisch oder hieroglyphisch – und
philosophisch oder charackteristisch seyn
können…
Die Meynungen der Weltweisen sind Lesarten der Natur und die
Satzungen der Gottesgelehrten Lesarten der Schrift. [...]
Die Einheit des Urhebers spiegelt sich bis in dem Dialecte seiner
Werke; – in allen Ein Ton von unermeslicher Höhe und Tiefe!“
„Poesie [ist] die Muttersprache des menschlichen Geschlechts.“
DER ROMAN DER AUFKLÄRUNG
Auch der Roman erlebte, ähnlich dem Drama, eine Blütezeit in der Aufklärung. Zu
Beginn des 18. Jahrhunderts wurde diese literarische Gattung jedoch als
unbedeutend und verachtenswürdig abgetan. Man hielt zunächst nichts von
Abenteuer-, Liebes-, Schäfer- oder Schelmenromanen. Erst die Aufklärer erkannten
das Potential des Romans und machten sich an dessen Weiterentwicklung heran.
Doch dies konnte nur geschehen, indem der höfische Roman durch den
bürgerlichen Roman abgelöst wurde. Die Forderungen an den bürgerlichen Roman
ähnelten den an des bürgerlichen Dramas. Der adlige Held sollte durch einen
bürgerlichen Protagonisten ersetzt werden. Es hatte auch eine Änderung in der Art
des Erzählens zu erfolgen: die schwülstige Erzählart im höfischen Roman mußte
abgeschafft werden. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts waren die meisten deutschen
Romane Übersetzungen ausländischer Werke. Bereits um 1770 waren alle anderen
Romanformen vom bürgerlichen Roman verdrängt. Christoph Martin Wieland galt als
erster Epiker mit seinem Werk Agathon (1766-1767). Er enthielt schon einige
Neuerungen, aber er galt noch als Nachahmung ausländischer Dichter. Einen
weiteren wichtigen Schritt in der Entwicklung des Romans machten Christian
Fürchtegott Gellert und Sophie von La Roche. Gellerts Leben der schwedischen
Gräfin G (1747-1748) und La Roches Geschichte des Fräuleins von Sternheim (1771)
trugen zwar bürgerliche Züge und verkörperten bürgerliche Ideale, doch gelang der
Durchbruch mit einem "echten" bürgerlichen Roman erst Goethe mit seinem Werther
(1774).
CHRISTIAN FÜRCHTEGOTT GELLERT,
SOPHIE DE LA ROCHE
Neben bürgerlichen Romanen
spielten auch autobiographische
Romane und satirische Formen eine bedeutsame
Rolle. Georg Christoph Lichtenberg verfasste
unzählige Aphorismen über Politik, Staat, Religion,
Gesellschaft, Literatur und Philosophie in seinen
sogenannten Sudelbüchern. Er gilt als der
bedeutendste deutsche Aphoristiker überhaupt.
DIE LYRIK DER AUFKLÄRUNG
Die höfische Dichtung wurde im Bereich der Lyrik schon viel eher abgelöst, als in den
anderen Bereichen, etwa zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Die Lyrik der Aufklärung
wies ein sehr großes Spektrum auf, sie reichte von Gedankenlyrik, Lehrgedichten
über Oden und Hymnen bis zu Balladen. Die Aufklärungslyrik war von Subjektivität
und teils starken Gefühlsregungen bestimmt.
Eine ungewöhnliche Dichterin der Aufklärung war Anna Louisa Karsch (1722-1791),
denn sie stammte nicht aus dem Bildungsbürgertum sondern einer sozial tieferen
Schicht. Doch ihre Gedichtsammlung Auserlesene Gedichte (1764) beeindruckte
viele zeitgenössische Dichter. Aus einer erst in den neunziger Jahren des 20.
Jahrhunderts veröffentlichter Briefsammlung ging hervor,
wie intensiv sie sich mit ihrer Zeit und der Literatur
auseinandersetzte.
CHRISTOPH MARTIN WIELAND
(1733-1813)
LEBENSLAUF
*1733 bei Biberach
+1813
- Pfarrersohn
- fromme, pietische Erziehung
- Studiert zuerst Philosophie,
dann Jura, beides ohne
Abschluss
- 1750: Verlobung mit
Cousine Sophie Gutermann
Bestimmung zum Dichter in
dieser Jugendliebe
- 1769: Professor der
Philosophie in Erfurt
- Werke erschienen im
„Teutschen Merkur“
(literarische Zeitschrift)
- kulturhistorische Leistung:
Vermittlung fremdsprachiger
Dichtung
DIE GESCHICHTE DES AGATHON


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
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


Schauplatz: griechische
Antike
Verbannt aus Athen
sucht tugendhaften Ort
Entführung durch cicilische
Piraten
Schiff: Begegnung mit
Jugendliebe Psyche
Smyrna: Verkauf als
Sklaven an Hippias
Hippias will aus Agathon
seinen Nachfolger machen
will ihn von Schwärmerei
heilen





Agathon verteidigt
hedonistischen Glauben
Hippias schickt ihn zu
Danae (Hetäre), weil
Agathon nur „seelisch
lieben“ kann
Agathon erliegt Danae
Verwalter des Gutes von
Danae
ständig in ihrer Nähe
gibt platonische Haltung
auf
Erinnerung an Psyche
wird depressiv



erzählt Danae von
seinem Leben
Hippias‘
Bekehrungsversuch
schlägt in sofern fehl, als
dass er aus der Hetäre
eine innig liebende Frau
gemacht hat
Rächt sich für
Niederlage, indem er
Danaes‘ Vergangenheit
aufdeckt
 Agathon verlässt
Danae
 Hof des Dionysius von
Syrakus






gewinnt Sympathien des
Tyrannen, aber seine
Pläne scheitern
Aufstand: entgeht dem
Tode mit knapper Not
Sagt Hippias‘
Gastfreundschaft ab
wendet sich an Freund
seines Vaters
trifft verheiratete Psyche
wieder
es stellt sich heraus,
dass Psyche seine
Schwester ist




trifft Danae wieder, die
aus Trauer ein
zurückgezogenes und
der Tugend geweihtes
Leben führt
Er will sie heiraten, sie
lehnt ab
Sie bekennt, unter dem
Namen Chariklea ein
tugendhaftes Leben
führen zu wollen
Angespornt durch ihr
Vorbild macht er Beichte
an Archytas


Archytas erkennt, dass es
nur 2 Maßnahmen
bedürft, um Agathon zu
einem glücklichen
Menschen zu machen:
-Verhinderung eines
Wiederaufflammens der
Liebe zu Chariklea
-Kopf und Herz in
Einklang mit den
wesentlichen Aufgaben
eines moralischen
Menschen in Einklang zu
bringen
Agathon sieht sich in
Grundauffassung
gestärkt  Weltreise



Bei der Beobachtung anderer Völker
erkennt er, „dass wahre Aufklärung zu
moralischer Besserung das einzige ist,
worauf sich die Hoffnung besserer
Zeiten, das ist, besserer Menschen,
gründet“.
Kehrt in Harmonie mit sich selbst zu
Freunden zurück
widmet sich „mit Vergnügen und Eifer
den öffentlichen Angelegenheiten der
Republik“.
CHARAKTERISTIK




Aufklärungsliteratur
Entwicklungs-und
Bildungsroman
Komischer und
ironischer Erzählstil
Held keine Wunschoder Traumnatur,
sondern mit Fehlern
BASISMERKMALE
DES BÜRGERLICHEN TRAUERSPIELS/RÜHRENDEN LUSTSPIELS
1. Das individuelle Gefühl des Subjekts ist die zentrale, aufgewertete Kategorie in der
Person, die alle Figurenhandlungen begründet und zugleich durch eine gefühlte
Moral der Maßstab ihrer Bewertung als tugendhaft oder lasterhaft ist.
2. Das Figurenarsenal setzt sich aus den gebildeten Teilen der Ober- und Mittelschicht
zusammen (Großbürger und Landadel).
3. Vorgeführt werden ernste Handlungen innerhalb der Privatsphäre (Familie/Freunde).
4. Es werden keine komischen oder lächerlichen Elemente integriert.
5. Breit dargestellt werden die verbalisierten emotionalen Innenwelten der Figuren, die
Anlass zur Rührung und Empfindsamkeit auf der Bühne geben.
6. Tragender Held des bürgerlichen Trauerspiels ist oftmals eine Heldin. Die Frau wird
zur das Drama tragenden Person aufgewertet.
7. Haben wir ernste Normverstöße der Protagonisten im privaten Bereich (erotische
Verführung zu vor-/außerehelichem Verkehr, Abkehr vom christlichen Glauben, zu
wenig Gefühl = Verwandtenmord, zu viel Gefühl = Inzest), dann kommt es zu einem
schlechten Ende mit Toten und/oder Wahnsinnigen auf der Bühne: bürgerliches
Trauerspiel.
8. Haben wir keine ernsthaften Normverstöße, also nur Verfehlungen, die sozial durch
Familie und/oder Freunde korrigiert werden können, dann haben wir ein gutes Ende,
das heißt, keine Toten oder Wahnsinnigen auf der Bühne: rührendes Lustspiel.
Gotthold Ephraim Lessing
(1729-1781)
• geboren in Sachsen (Kamenz)
• 1746-48 studierte Theologie, dann Medizin in
Leipzig
• 1748-67 größtenteils in Berlin: F. Nicolai und
M. Mendelssohn
• 1767-70 Dramaturg in Hamburg
(Hamburgische Dramaturgie)
• 1770-1781 Bibliothekar in Wolfenbüttel
Hauptschriften
•Bis 1755: Stücke in der französischen Tradition
• 1755 Miß Sara Sampson –erstes deutsches ‚bürgerliches Trauerspiel‘
• 1766 Laokoon oder Über die Grenzen der Malerei und Poesie
• 1767 Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück
• 1767/69 Hamburgische Dramaturgie
• 1772 Emilia Galotti
• 1779 Nathan der Weise
LESSING
Gottscheds Literaturtheorie war der des Barock zwar weit voraus, doch hinderte sie die
Weiterentwicklung der bürgerlichen Literatur: durch Festlegung des literarischen
Schaffensprozesses, Einhaltung der Ständeklausel und der drei Einheiten des
Dramas und den aristotelischen Grundsatz von der Nachahmung der Natur. Seine
Literaturtheorie wurde von Lessing am heftigsten kritisiert. Er lehnte alle
Forderungen Gottscheds ab, ohne aber von den aufklärerischen Ideen
abzuweichen. Lessings Standpunkt überwand die feudalen Literaturtheorien
endgültig.
Die Überwindung der Ständeklausel von Lessing wurde dadurch ermöglicht, daß der
Mensch nicht mehr nach seinem sozialen Status handelt, sondern darüber
hinausgeht. Lessing gab der Literatur eine neue Funktion: es sollte eine sittliche
Läuterung des Leserpublikums erfolgen, anstatt einer moralischen Belehrung nach
Gottsched.
An die Tragödie stellte Lessing besondere Forderungen: Angst, Furcht und Mitgefühl
sollten beim Leser und Zuschauer erweckt werden. Der Leser sollte sich mit den
Protagonisten auseinandersetzen können, mit ihnen mitfühlen und sich davor
fürchten, das gleiche Schicksal zu erleiden. Der Held durfte deswegen keine ideale
Figur darstellen, sondern er mußte ein reale Person darstellen. Lessing fordert, im
Gegensatz zu Gottscheds Nachahmung der Natur, eine poetische Nachahmung, d.h.
die Dinge sollen vom Dichter nicht naturalistisch wiedergegeben werden, sondern
Unwichtiges und Nebensächliches soll weggelassen werden, damit nur das
Wichtigste übrigbleibt. Lessing schrieb seine Gedanken zur Dramentheorie in der
Hamburgischen Dramaturgie (1767/1768) nieder.
Lessing, der Gottscheds Dramentheorie und
-praxis stark kritisierte, hatte die Idee von einem deutschen
Nationaltheater. Dieses Theater sollte nicht von anderen
Ländern beeinflusst werden und musste aktuell sein.
Lessings Forderungen konnten nur in einem bürgerlichen
Theater umgesetzt werden. Mit der Idee eines Deutschen
Nationaltheaters verband Lessing auch die Vorstellung von
der Schaffung eines bürgerlichen Dramas. In Hamburg
wurde 1765 eine stehende Bühne gegründet, doch geriet sie
schnell in finanzielle Schwierigkeiten. Die Idee wurde bald
auch von den Fürsten getragen, so wurde 1776 die Weimarer
Hofbühne von Joseph II. zum Nationaltheater erklärt; 2 Jahre
später wurde das Mannheimer Nationaltheater gegründet.
Lessing verfasste in der Hamburgischen Dramaturgie seine
Gedanken zur Dramentheorie. Er brachte die Entwicklung
des bürgerlichen Dramas weit voran, mit Minna von
Barnhelm, Emilia Galotti und Nathan der Weise schuf
Lessing Werke, die bis heute noch zum Standartrepertoire
vieler Bühnen gehört.
Sein wohl bedeutendste Tragödie ist der Nathan. In diesem
Drama bricht Lessing mit der bisherigen Theatertradition,
daß Juden nur als lächerliche Darsteller auf der Bühne
waren. Außerdem kämpft er damit gegen antisemitische
Vorurteile. Während des Nationalismus in Deutschland,
1933 bis 1945, wurde es verboten. Erst nach dem Zweiten
Weltkrieg wurde das Drama wieder auf deutschen Bühnen
gespielt.
MIß SARA SAMPSON. EIN BÜRGERLICHES TRAUERSPIEL IN
FÜNF AUFZÜGEN (1755).
Sir William Sampson
Waitwell, sein Diener
Sara Sampson, seine Tochter
Mellefont, Lebemann, ihr Geliebter
Lady Marwood, seine Ex-Geliebte
Arabella, ihre 10-jährige Tochter
Verführung und Verführbarkeit sind moralindifferente
anthropologische Konstituenten.
Verführung und Verführbarkeit sind Komponenten im Wesen
des Menschen, die nicht an sich moralisch sind.
Es kommt zu einer Gleichsetzung von familiärer und erotischer
Liebe.
Vorfreudianischer Ödipalisierung: Sprachlich und strukturell
rückt Saras Vater für Sara an die Stelle des Ex-Geliebten.
In dieser latenten ödipalen Familienstruktur rivalisieren Vater
Sampson und Geliebter Mellefont um Sara.
GOTTHOLD EPHRAIM LESSING (1729–1781) EMILIA GALOTTI. EIN TRAUERSPIEL IN
FÜNF AUFZÜGEN (1772)
Hettore Gonzaga Prinz von Guastalla
Marchese Marinelli, sein Kammerherr
Gräfin Orsina, seine ehem. Mätresse
Odoardo Galotti, Offizier
Claudia Galotti, seine Frau
Emilia Galotti, beider Tochter
Graf Apiani, ihr Verlobter
Die Person darf sich nur partiell in ihren gemäßigten
emotionalen Potenzialen als Subjekt realisieren.
Lessings Emilia zeigt eine neue Konzeption der Person, bei
der das Subjekt durch emotionale Potenziale gefährdet
ist, die in der Person selbst angelegt sind.
In Lessings Emilia Galotti wird eine Konzeption der Person
greifbar, die sich jenseits sozial legitimer und
institutionalisierter, tugendhafter, verbindlicher Werte
und Normen autonom selbst verwirklichen könnte.
In Lessings Emilia Galotti wird die neue Konzeption der
Person im Sturm und Drang schon denkbar, aber gerade
eben noch abgewehrt.
NATHAN DER WEISE. EIN DRAMATISCHES GEDICHT IN FÜNF AUFZÜGEN (1779)
1779 3 Drucke
14.04.1783 UA. Berlin, Döbbelin
27.07.1801 EA. Magdeburg
28.11.1801 EA. Weimar, Schiller
Sept. 1945 Deutsches Theater,
Berlin
1. Muslime
Sultan Saladin
Sittah, seine Schwester
Al-Hafi, ein Derwisch
2. Juden
Nathan, ein reicher Kaufmann
Recha, seine (Pflege-) Tochter
3. Christen
Der Patriarch
Daja, Rechas Gesellschafterin
Der Tempelherr
Ein Bettelmönch
DIE FABEL DER AUFKLÄRUNG
Im 18. Jh. erlebte auch die Fabel im ihren Höhepunkt, obwohl ihre Geschichte schon über
2000 Jahre alt ist. Der Grieche Äsop schrieb im 6. Jahrhundert vor Christus die ersten Fabeln,
welche später zum Vorbild für viele andere Fabeldichter wurde. Im Mittelalter wurden in
Deutschland die ersten Fabeln geschrieben. In der Reformation wurde sie zum politischreligiösen Diskussionsmittel, besonders von Martin Luther, genutzt. Von den Dichtern des
Barock wurde sie allerdings kaum geachtet. Erst in der Aufklärung blühte sie wieder auf.
Lessing fasste sogar eine eigene Fabeltheorie (1759) ab. Er hatte die Absicht, das
Selbstwertgefühl des Menschen zu stärken, indem er die Schwächen des Menschen aufzeigte.
Die Entwicklung der Fable im 18. Jahrhundert lässt sich in drei Stufen einteilen: zu Beginn des
Jahrhunderts wurden in der Fabel v.a. die Ideen der Aufklärung und moralische Lehren
veranschaulicht; ab 1750 stellte man zunehmend die soziale Kritik an der Gesellschaft dar;
gegen Ende des 18. Jahrhunderts übte man politische Kritik, besonders an den feudalen
Herrschern und ihrer Lebensweise. Die Struktur der Fabel unterscheidet sich von einem Dichter
zum anderen. Eines haben sie aber alle gemeinsam: das menschliche Handeln und Denken
sowie Andeutungen von gesellschaftlicher und sozialer Probleme wurde auf die beseelte und
unbeseelte Natur übertragen. Veranschaulicht wurde dies durch satirische Elemente und durch
eine erzieherische und belehrende Erzählweise. Viele Fabeldichter hatten antike Fabeln (z.B.
von Äsop) zum Vorbild. Einen wichtigen Einfluss auf die deutschen Fabeldichter übte der
französische Dichter La Fontaine (1621-1695).
DANKE FÜR DIE AUFMERKSAMKEIT!
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