FHH08 - Prof. Dr. Dr. hc Reinhard Meyers

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European Governance
im Wandel
- Reinhard Meyers -
Ketzerische Bemerkungen
zum Verhältnis von
wissenschaftlicher Analyse
und praktischer Politik
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www.uni-muenster.de/Politikwissenschaft/
Doppeldiplom/aktuelles.html
 Dort finden Sie auch weitere Materialien
zu unseren laufenden Seminaren zu den
Internationalen Beziehungen und zur
Friedens- und Konfliktforschung
Lebenslauf – Kurzfassung
Reinhard Meyers, Jahrgang 1947, studierte
Politikwissenschaft, Anglistik, und Geschichte an der
Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität 1966 – 1970 mit
dem Abschluß Magister Artium. Forschungsstipendiat der
Wiener Library, London, an der Graduate School of
Contemporary European Studies, University of Reading
1970 – 1972 mit dem Abschluß Master of Philosophy.
Wissenschaftlicher Assistent bei Hans-Adolf Jacobsen und KarlDietrich Bracher am Seminar für Politikwissenschaft der
Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität 1972 – 1984. Promotion
zum Dr.phil. 1974; Habilitation im Fach Politikwissenschaft 1986;
seit 1987 Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der
Westfälischen Wilhelms - Universität.
Die Forschungsinteressen galten ursprünglich der
Geschichte der internationalen Beziehungen und der
Sicherheitspolitik im 20. Jahrhundert; daneben trat aber
schon vor der Habilitation die Wissenschaftsgeschichte
der Lehre von den Internationalen Beziehungen sowie
deren Epistemologie, Methodologie und Theorie. Seit
den achtziger Jahren wird dieser Schwerpunkt ergänzt
durch Arbeiten zur Friedens- und Konfliktforschung, seit
den neunziger Jahren auch zur Europapolitik.
Seit 1991 mehrfach Prodekan und Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften der Westfälischen Wilhelms-Universität, seit Oktober 1997
Ehrendoktor der Fakultät für Europastudien der Babes-Bolyai Universität
Klausenburg und seit Mai 2007 der Universität Novi Sad. Mitgründer und
seit 1993 Mitherausgeber der Zeitschrift für Internationale Beziehungen.
Programmbeauftragter für die internationalen Doppeldiplomstudiengänge
mit dem IEP Lille, der BBU Klausenburg (RO) und der Universiteit Twente
(NL)
Hobbies: Industriearchäologie des Transportwesens, italienische Küche
Die beiden Logiken des
Integrationsprozesses (I)
Schaffung von Wohlfahrt durch Marktintegration und Management internationaler
wirtschaftlicher Interdependenzen
 Notwendigkeit von Integration zur Sicherung des gemeinsamen
Überlebens relativ kleiner europäischer nationaler Volkswirtschaften
in einer zunehmend interdependenten und von den USA und Japan
dominierten Weltwirtschaft
 resultierend aus funktionalen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und
politischen Sachzwängen, die letztlich auf den Fortschritt der
Produktivkräfte und die durch ihn induzierten Veränderungen im
gesellschaftlichen Überbau zurückzuführen sind
 zentrale Rolle einer Koalition nationaler politischer und
sozioökonomischer Eliten mit supranationalen Akteuren zur
Beförderung gemeinsamer Interessen
Theorien: Funktionalismus // Neofunktionalismus // Interdependenz- und
Regimetheorien
Die beiden Logiken des
Integrationsprozesses (II)
• Friede durch Kooperation und gemeinsame
Sicherheitsproduktion
• Notwendigkeit von Integration zur Vermeidung zukünftiger
Konflikte in (West) Europa durch Einbettung (und damit Kontrolle) des deutschen Potentials in eine supranationale
Governance-Struktur gestützt auf die Beilegung des deutschfranzösischen Gegensatzes
• zentrale Rolle der Staaten und ihrer rationalen Interessen:
zwischenstaatliche Kooperation und Verflechtung von
Politikebenen begründen einen transnationalen Verhandlungsund Entscheidungsrahmen, innerhalb dessen gemeinsame
Lösungen für gemeinsame Policy-Probleme entwickelt werden
• Theorien: Föderalismus // Intergouvernementalismus, Neolib. Institutionalismus
Creation of welfare by
market integration and
management of international economic interdependencies
The two logics of the integration process
Resultant direction
of the integration
process
Peace by cooperation
and common security
production
Creation of welfare by
market integration and
management of international economic interdependencies
The two logics of the integration process 2
Resultant direction
of the integration
process
Functional economic, societal,
and political necessities caused
by the progress of the forces
of production and resultant
changes in the societal superstructure
Necessity of integration to avoid
further conflicts in (Western)
Europe by embedding (and thereby
controlling) the German industrial
and military potential in a supranational governance structure
supported by overcoming traditional
German – French enmities
Peace by cooperation
and common security
production
Creation of welfare by
market integration and
management of international economic interdependencies
Functionalism
Neofunctionalism
Interdependence
& Regime
Theories
The two logics of the integration process 3
Resultant direction
of the integration
process
Multilevel
Governance
Approaches
Federalism, InterGovernmentalism,
Neoliberal Institutionalism
Peace by cooperation
and common security
production
Die Integration Europas – ein Blick zurück
These: Realhistorisch ist der Prozess der Integration (West-)Europas ein Produkt des
Kalten Krieges.
Als Teil der sich nach 1945 ausbildenden atlantischen Sicherheits- und Wertegemeinschaft
übernimmt das unter dem Aussendruck der sowjetischen Expansionsdrohung zusammenrückende
(West-)Europa die Rolle eines Bollwerks gegen ein feindliches Herrschaftssystem und dessen
Ideologie. Zugleich soll es mit durch den Prozess der wirtschaftlichen Integration hervorgebrachten
Wohlfahrtsgewinnen die Überlegenheit des marktwirtschaftlichen Systems gegenüber den
Zentralverwaltungswirtschaften des RGW unter Beweis stellen.
Der Prozess der wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Integration etabliert Europa in der Folge
als:
1. Friedensgemeinschaft, in der sich seine Völker untereinander durch Aussöhnung und Konfliktabbau ihre
Sicherheit garantieren
2.
3.
4.
Wohlfahrts- und Prosperitätsgemeinschaft, gründend auf den durch den Gemeinsamen Markt induzierten
Wachstums-, Effizienz- und Handelsgewinnen
Zivilisations- und Wertegemeinschaft, in der (insbes. sozioökonomische Interdependenz-)Konflikte in
immer stärkerem Maß einer verregelten, rechtsförmigen Bearbeitung unterworfen werden
Rückversicherungsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit, in der einerseits das konfliktschaffende deutsche
Wirtschafts- und Militärpotential durch Einbindung in multinationale und supranationale Politikrahmen
kontrolliert und entschärft wird, andererseits dem für die Entfesselung des Zweiten Weltkriegs Verantwortlichen
gegen den Preis eines teilweisen Souveränitätsverzichts wie einer aktiv betriebenen Westintegration die
Rückkehr in den Kreis der zivilisierten Nationen ermöglicht wurde.
Zweiwertige Logik des
Integrationsprozesses:
Peace by integration
Wohlfahrt durch Machtintegration und
Interdependenzmanagement
Literaturtipp
• Desmond Dinan: Europe Recast. A History of
European Union. Basingstoke 2004.
• John Gillingham: European Integration 1950
– 2003. Superstate or New Market Economy ?
Cambridge 2003.
• Charles Zorgbibe: Histoire de l‘Union
Européenne. Paris 2005
Traditionelle Ansätze zur Erklärung des europäischen
Integrationsprozesses
Die Dialektik von Supranationalismus und Intergovernmentalismus
Nationalstaaten
übertragen
Nationalstaaten kooperieren auf
gewisse Rechte oder Teile ihrer
der
Souveränität
eine
Ebene ohne formell Teile ihrer
die
Souveränität oder die Ausübung
durch völkerrechtlichen Vertrag
von Teilen ihrer Hoheitsrechte in
als unabhängiger internationaler
Frage zu stellen
supranationale
auf
Behörde,
Akteur konstituiert wird
(inter-)gouvernementalen
DIFFERENTE PERSPEKTIVEN AUF DEN INTEGRATIONSPROZESS
(Neo-) Funktionalismus
Schritte in Richtung auf einen engeren
Zusammenschluss graduell oder inkremental vorangetrieben von einer Vielzahl
politischer und ökonomischer Akteure auf
der Basis individueller/organisatorischer
Lernprozesse
die
zu
(integrationsfreundlichen) positiven
Veränderungen
politischer
und
sozioökonomischer
Präferenzen führen
Prozess kollektiven ( Entscheidungs-)
Handelns in einem Netzwerk
von Akteuren
Föderalismus
Intergouvernementalismus
Integration als Ergebnis politischer
Verhandlungsprozesse,
die
von
nationalen Akteuren ganz bewusst auf
der Basis vorher definierter politischer
und sozioökonomischer Präferenzen
begonnen werden
Prozess multilateralen
(Entscheidungs-)Handelns in einer
Verwaltungsgemeinschaft
(„Zweckverband“)von Staaten
Development of shared solutions to shared policy problems
(Helen Wallace)
Literaturtipp
• John McCormick: Understanding the European
Union. A Concise Introduction. Basingstoke ³2005.
• Neill Nugent: The Government and Politics of the
European Union. Basingstoke 5.Aufl. 2003.
• Simon Hix: The Political System of the European
Union. Basingstoke ²2005.
• Desmond Dinan: Ever Closer Union. An Introduction
to European Integration. Basingstoke ³2005.
• Helen Wallace/William Wallace/Mark A.Pollack:
Policy-Making in the European Union. 5th ed. Oxford
2005.
Blick auf die Europäische Union aus einer
neueren IB-Perspektive
Schon seit einiger Zeit ist die Analyse der internationalen Beziehungen
durch einen perspektivischen Wandel gekennzeichnet:
Absetzbewegung von der Vorstellung des Staates als eines einheitlichen
internationalen Akteurs mit gate-keeper-Funktion (zwischen der
Innenpolitik und der Aussenpolitik)
 Blickrichtungswechsel nach oben, unten und zur Seite auf suprastaatliche,
substaatliche und nichtstaatliche Akteure.
Unsere Aufmerksamkeit verlagert sich von der Staatengesellschaft auf
transnationale und transgouvernementale Gesellschaften in der Form
grenzüberschreitender Netzwerke von Individuen und NGOs
Literaturtipp
• Robert O. Keohane: Power and
Governance in a partially globalized
world, London 2002.
• Michael Zürn: Regieren jenseits des
Nationalstaats. Globalisierung und
Denationalisierung als Chance,
Frankfurt/Main 1998 u.ö.
DAS TRADITIONELLE KONZEPT INTERNATIONALER POLITIK
IGO
STAATEN ALS INTERNATIONALE
GATEKEEPER
= government
= society
State C
Society C
State A
State B
Society B
Society A
INGO
= foreign or international societal interactions
= foreign or international political interactions
Regierung
Society
Transnationale Gesellschaft
A
Nationaler Akteur
B
C
A
B
C
MULTILEVEL GOVERNANCE: Hauptakteure und Analyseebenen
Supranationale und
intergovernmentale
Akteure
Internationale
Ebene
Staatenebene
Regierung A
RegierungB
Internationale &
nationale Regime
Regierung C
Exekutive
Legislative
Judikative
Zentralstaat
Verwaltung
Regionale Ebene
Legislative, Gerichte
Regionale/Substaatl.
Einheit
Individuale Ebene
Individuelle Erkenntnis, Belief
System, persönliche und
nationale Identität
Zielstaat
Transnation.
Gruppen
Innenpolitische
Gruppen/issuespezifische Gruppen
(kommerzieller,
religiöser und
umweltbewegter
Natur)
Literaturtipp
• Hartmut Behr: Entterritoriale Politik. Von den
internationalen Beziehungen zur Netzwerkanalyse, Wiesbaden 2004.
• Ian Bache/Matthew Flinders (Hrsg.): MultiLevel Governance, Oxford 2004.
• Achim Brunnengräber/Heike Wolk (Hrsg.):
Multi-Level Governance. Klima-, Umwelt- und
Sozialpolitik in einer interdependenten Welt,
Baden-Baden 2007
Once upon a time: EU decisionmaking by consultation
Commission
Proposal
Parliament
Opinion
Council
Decision
Member State transposition
to National Law
Implementation
Commission
Control
Possible Court
of Justice
involvement
Commission
The Legislative
Process:
Proposal
Co-Decision Procedure
Parliament (1st reading)
Opinion
COR
ESC
Council
No amendments by Parliament or approval of all amendments by Council
Instrument adopted
or
approval/no action
COMMON POSITION
Rejection by absolute majority
Council
Parliament (2nd reading)
End of legislative process
Adoption of common position
by qualified majority
Amendment by absolute majority
Parliament’s amendments accepted
Parliament’s amendments not accepted
Commission
Adoption by qualified majority
agreement
(3rd reading)
Council
Adoption only by unanimity
Amendments rejected
Conciliation Committee convened by Council and Parliament
No agreement
Instrument rejected
Governance – Übersicht
Unscharfer Begriff zur Kennzeichnung der Suche nach Lösungen für grenzüberschreitende
Probleme, die im klassischen Kontext staatlichen/zwischenstaatlichen Handelns nicht länger
bewältigt werden können.
Ebenen
Lokal
Regional
National
Akteure
Staaten
Gesellschaftliche
Formelle
Informelle
Systemisch - Regional
EMPIRISCH DESKRIPTIV
Systemisch - Global
NORMATIV
Literaturtipp
• Arthur Benz (Hrsg.): Governance – Regieren
in komplexen Regelsystemen. Eine Einführung. Wiesbaden 2004.
• Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.): Governance-Forschung. Vergewisserung über
Stand und Entwicklungslinien. Baden-Baden
2005.
• Arthur Benz/Susanne Lütz/Uwe Schimank/
Georg Simonis (Hrsg.): Handbuch Governance. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder. Wiesbaden 2007.
Governance-Konzepte
[ a.d.Engl. ohne exakte dtsch.Entsprechung ]
Steuerung, Regelung, Regulierungsmechanismus wirtschaftl.Handelns, Regieren und Regierung,
aber auch Regeln, Regulierungsmechanismen, Ordnung, Herrschaft ]
nicht allein in Staat und Politik, sondern überall, wo in der Gesellschaft individuelle Interaktionen und
soziale Transaktionen systematischen Handlungs-mustern, festen Regeln und Ordnungen folgen
Abgrenzung zum Begriff government = Regierung (bzw. Regierungssystem)
Formelle, durch Verfassung, Recht
und Gesetz definierte Dimension von
Politik: Institutionen des Regierens,
ausgestattet mit staatl. Machtmonopol zwecks Durchsetzung
rechtmässiger politischer
Entscheidungen
informelle Regelungen und nichtinstitutionalisierten Formen des
Regierens, die von Menschen
vereinbart oder als im eigenen
Interesse angesehen werden
 Verhaltenssteuerung
GOVERNANCE
GOVERNMENT
Normative Dimension: akzeptierte oder zumindest befolgte Ordnungsvorstellungen
eines politischen Systems
Governance (II)
In den Internationalen Beziehungen:
Begriff erfasst die Mechanismen, Verabredungen und Ordnungsmuster, die im
anarchischen internationalen System
transnationale Kooperation
Gleichgewichte
Stabilität
in/ohne formalisierte(n) und fest institutionalisierte(n) Organisationen und
Vertragssysteme(n) sicherstellen und dabei nicht nur staatliche Akteure, sondern
immer mehr auch nichtstaatliche (NGOs, Netzwerke) transnationale Akteure mit
einbeziehen
Stichwort: Governance without government
In der Innenpolitik:
Governance gewinnt Bedeutung in Kontexten, in denen politische Institutionen
und deren Handlungsträger an Handlungsautonomie verlieren, politische Steuerung
folglich auf die Kooperation der politischen und gesellschaftlichen Akteure in
Netzwerken und/oder Verhandlungssystemen [z.B. Runder Tisch] angewiesen ist
Stichwort: Network Governance
Literaturtipp
• Klaus Dieter Wolf: Die Neue Staatsräson –
Zwischenstaatliche Kooperation als Demokratieproblem in der Weltgesellschaft,
Baden-Baden 2000.
• Jürgen Neyer: Postnationale politische
Herrschaft. Vergesellschaftung und
Verrechtlichung jenseits des Staates, BadenBaden 2004.
• Beate Kohler-Koch/Thomas Conzelmann/Michèle Knodt (Hrsg.): Euro- päische
Integration – Europäisches Regieren.
Lehrbuch. Wiesbaden 2004.
Epistemologischer Hintergrund: vom Reduktionismus
zur Synthese
Politikwissenschaftliche Erklärungsansätze:
Reduktionistische
Starre Trennung von Innen- und Aussenpolitik; Erklärung von Politikergebnissen durch Konzentration entweder auf
exogene (staatszentrierte Erklärungsstrategie) oder endogene (gesellschaftszentrierte Erklärungsstrategie)
Variabeln
[Beispiele: Neorealismus in den IB, Steuerungsdiskussion in der Regierungslehre]
Integrative
Beibehaltung der Trennung von Innen(-) und Aussen(politik); Erklärung von Politikergebnissen durch Verbindung
endogener und exogener Variabeln ebenso wie gesellschaftszentrierter und staatszentrierter Erklärungsstrategien
[institutionalistische Wende in der Regierungslehre; in der IB Interdependenzdiskussion, Regimetheorie,
Konzepte von Zwei- und Mehrebenenspielen, neuere Konzepte transnationaler Beziehungen (z.B.epistemic
communities, global-governance-Diskussion usw.), „second-image reversed“-Ansätze & Institutionalismen]



Nationale Erklärungsfaktoren internationaler Politikprozesse; internationale
Determinanten nationaler Politikprozesse
Systematische Integration endogener und exogener (Erklärungs-) Faktoren bei gleichzeitiger
Aufgabe der bis dato vorherrschenden IB-Staatszentriertheit
Konvergenz von Forschungsproblemen und Forschungsansätzen in der Politikwissenschaft bei
gleichzeitiger Aufgabe der traditionellen Innen-/Außen-Trennlinie [Entwicklung von multi-level
governance – Ansätzen in der Europaforschung]
Synthetische
Überwindung der Unterscheidung innen/außen, staatlich/gesellschaftlich, Innenpolitik/Außenpolitik, Vergleichende
Regierungslehre/Internationale Beziehungen
Hintergrund: Entgrenzung von Politik, Ökonomie, Gesellschaft durch Globalisierungsprozesse und Entwicklung von
Konzepten des Regierens in entgrenzten Räumen
WAS IST DIE EUROPÄISCHE UNION I a?
Mehr
 traditionelle internationale Organisation
 funktionaler Zweckverband
 internationales Regime*
 Föderation von Staaten
Weni-
 Bundesstaat
ger
 Einheitsstaat
„Staatenverbund“
Bundesverfassungsgericht im Maastricht-Urteil
*Internationales Regime: eine Menge von Regeln, Normen, Prinzipien und Prozeduren, die
Erwartungen hinsichtlich des Verhaltens internationaler Akteure bündeln [eine “informelle”
IO die mehr auf Gewohnheitsrecht, Case Law und individuellen Entscheidungen basiert denn
asuf einem komplexen schriftlichen Vertrag der von allen Parteien formal ratifiziert wurde
WAS IST DIE EUROPÄISCHE UNION I b?
The EU is a multi-level system of governance: a confederation located between inter-state
and intra-state patterns of rule. (Armstrong/Bulmer 1998)





Eine mehr und mehr intensivierte Kombination/Verbindung von
regional
national
transnational
Mehrebenenspiele
supranational
international
Ebenen der Entscheidungsfindung und der Entscheidungsumsetzung, die
einschliesst eine grosse Menge unterschiedlichster Akteure, Ressourcen und
Funktionen in verschiedensten Politikbereichen
WAS IST DIE EUROPÄISCHE UNION I c
?
PROZESSCHARAKTERISTIK:
Standardentscheidungsverfahren ist der Verhandlungsprozess, in
dem nationale politische und gesellschaftliche Akteure nach einem
Konsens über Kompromisse und Paketlösungen streben
PHÄNOMENOLOGISCHE CHARAKTERISTIK
Governance bezieht sich auf einen Prozess des Ausübens von
Macht, auf die Kunst, die Art und Weise, den Stil oder die
Methode des Regierens [NICHT auf die Regierung als formale
Institution], dessen Neuheit in der Inklusion von Akteuren der
Zivilgesellschaft auf allen Entscheidungsebenen (lokal, regional,
national, international) liegt
WAS IST DIE EUROPÄISCHE UNION I d ?
MULTI-LEVEL GOVERNANCE
Flexibel organisierte gemeinsame Problemlösung
verschiedener Akteursgemeinschaften von der lokalen
über die regionale und die nationale bis zur
internationalen Ebene (und vice versa)
INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN
Begriff bezieht sich auf die Mechanismen,
Übereinkünfte und Verhaltensmuster, die in einem
anarchischen internationalen System notwendig
sind, um zu sichern
* Transnationale Kooperation
* Gleichgewicht
* Stabilität
ohne Verlass auf formalisierte und institutio nalisierte Organisationen und Vertragssysteme,
Stichwort:“governance without government”
INNENPOLITIK
Begriff
gewinnt Bedeutung in Kontexten in
denen politische Institutionen und deren
Entscheidungsträger Teile ihrer
Handlungsautonomie verlieren:
politische Problemlösung muss sich auf
die Kooperation politischer UND
gesellschaftlicher Akteure in Netz werken und Verhandlungssystemen
(Runde Tische etc.) verlassen
Gründe für diese eigentümliche
Konstruktion
• ein hohes Maß an funktionalen Zwängen, die
zur Kooperation zwingen,
• sehr unterschiedliche Vorstellungen der
Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung dieser
Kooperation (zwischenstaatlich - supranational),
• beides zusammen führt zu sehr verschiedenartigen institutionell-prozeduralen Konstruktionen in einzelnen Politikfeldern
• Ergebnis: die Komplexität des EU-Systems
Das Schattenreich intermediärer
Entscheidungsakteure
European
Parliament
Commission
Expert
Committees
(more than
1000)
Working
Groups
COREPER
Council
Comitology
Committees
(more than
1000)
Neuere Hinsichten auf den EU Governance Prozess
 Governance by Committee
 Deliberativer Supranationalismus
 Konzept „kooperativ abgefederter hierarchischer
Verwaltung"
 und schon klassischer: Regieren im Europäischen
Mehrebenensystem mit Hilfe zweier Steuerungsformen: der hierarchisch-supranationalen Rechtsetzung und der nicht-hierarchischen intergouvernementalen Zusammenarbeit
 gelegentlich auch: network governance – aber:
Regieren im Netz versus Regieren mit Netzwerken
???´- ist die EU eine network polity, die in hohem
Masse auf weiche Instrumente der politischen
Steuerung zurückgreift ??? [ etwa OMC ?? ]
EU- Governance: Problemanzeige
• Die Analyse der System- und Akteursstrukturen der
EU ebenso wie die der Steuerungsprozesse ergibt,
dass die EU zwar in vielen Politikfeldern als nichthierarchisch vernetztes Verhandlungssystem auftritt,
sich jedoch im Rahmen der politischen Steuerung
weiter primär auf hierarchische
Steuerungsinstrumente stützt, d.h. durchaus mit
Netzwerken regiert, aber nicht im Netz
• Vgl. Rainer Eising/Andrea Lenschow: Europäische
Union, in: Benz et al., Handbuch Governance (2007),
325ff
Literaturtipp
• Morten Egeberg, Guenther F. Schaefer and Jarle
Trondal:THE MANY FACES OF EU COMMITTEE
GOVERNANCE. ARENA Working Papers WP 03/2
http://www.arena.uio.no/publications/workingpapers2003/papers/03_02.xml
• Governance by Committee: The Role of Committees
in European Policy Making and Policy Implementation
http://www.eipa.eu/en/publications/show/&tid=1721
• http://www.eipa.eu/en/home/
Literaturtip
• Borrás, Susana: The European Commission as
Network Broker, in: European Integration Online
Papers 2007
• http://www.eiop.or.at/eiop/index.php/eiop/article/view
/2007_001a/41
• Sebastian Krapohl and Karolina Zurek: The Perils of
Committee Governance: Intergovernmental Bargaining during the BSE Scandal in the European
Union, in: European Integration Online Papers 2006
• http://www.eiop.or.at/eiop/index.php/eiop/article/view
/2006_002a/14
Literaturtip
• Der Europäische Verwaltungsverbund.
Formen und Verfahren der Verwaltungszusammenarbeit in der EU. Hrsg. Eberhard
Schmidt-Aßmann/Bettina Schöndorf-Haubold.
Mohr-Siebeck: Tübingen 2005.
… auf die Vielfalt wissenschaftlicher Perspektiven
reagiert die EU etwa so wie in der hier abgebildeten
Karikatur …
…sie setzt das Thema European Governance auf die
Tagesordnung (allein) im Kontext der VerfassungsDebatte und zur Behebung des Demokratiedefizits…
EUROPÄISCHES REGIEREN
EIN WEISSBUCH
• EUROPEAN GOVERNANCE. A WHITE
PAPER
Brüssel, den 25.7.2001 - KOM(2001) 428 endgültig
… die Good Governance – Fibel der EU… ???
• Die europäischen Politiker sind mit einer paradoxen
Situation konfrontiert. Zum einen erwarten die
Europäer von ihnen die Lösung der grundlegenden
Probleme unserer Gesellschaft, zum anderen
misstrauen sie zunehmend der Politik und den
Institutionen, oder wenden sich ganz einfach
desinteressiert davon ab.
• Dieses Problem wird von den nationalen
Parlamenten und den Regierungen durchaus
erkannt. Besonders akut aber ist es für die
Europäische Union. Viele Menschen trauen einer
komplexen Maschinerie, die sie kaum verstehen,
immer weniger zu, die Politik zu betreiben, die sie
erwarten. Die Union wird als bürgerfern, gleichzeitig
aber auch als allzu "aufdringlich„ empfunden.
• Doch die Menschen erwarten von der EU auch, dass
sie die Führung übernimmt, wenn es gilt, die
Chancen der Globalisierung für Wachstum und
Wohlstand zu ergreifen und Antworten zu finden auf
Umweltprobleme, Arbeitslosigkeit, Besorgnis über
die Lebensmittelsicherheit, Kriminalität und
regionale Konflikte. Sie erwarten von der Union,
dass sie so „sichtbar“ handelt, wie ihre Regierungen
selbst es tun.
• Alle demokratischen Institutionen und alle
Volksvertreter müssen sowohl auf nationaler als
auch auf EU-Ebene den Versuch unternehmen, die
Kluft zwischen der Union und ihren Bürgern zu
überbrücken. Nur wenn diese Voraussetzung erfüllt
ist, kann Politik wirkungsvoller und sachgemäßer
werden.
• Dieses Weißbuch befasst sich mit der Art und Weise,
wie die Union die ihr von den Bürgern übertragenen
Befugnisse ausübt. Die hier ansetzende Reform
muss jetzt in Angriff genommen werden, damit die
Bürger den Wandel sehen, bevor die Verträge der
Europäischen Union geändert werden.
• Das Weißbuch schlägt vor, die politische
Entscheidungsfindung zu öffnen, und mehr
Menschen und Organisationen in die Gestaltung und
Durchführung der EU-Politik einzubinden. Es plädiert
für mehr Offenheit sowie für eine größere Verantwortung und Rechenschaftspflicht aller Beteiligten.
Die Menschen sollen begreifen, wie die Mitgliedstaaten durch die Zusammenarbeit in der Union in
die Lage versetzt werden, ihren Sorgen wirksamer
Rechnung zu tragen.
Was ist zu tun ??
• Die Union muss die Gemeinschaftsmethode
dahingehend erneuern, dass sie weniger Eingriffe
"von oben" vornimmt und ihre klassischen
Politikinstrumente durch nichtgesetzgeberische
Maßnahmen ergänzt.
• Bessere Einbindung aller Akteure und
größere Offenheit
• Wie auch immer die EU ihre Politik gestaltet und
beschließt, der gesamte Prozess muss offener und
leichter nachvollziehbar sein.
• Die Kommission wird online laufend aktualisierte
Informationen über alle Phasen der Beschlussfassung bereitstellen.
• Das Verhältnis zu den regionalen und lokalen
Körperschaften sowie zur Zivilgesellschaft muss
interaktiver gestaltet werden. Dies zu erreichen,
obliegt vor allem den Mitgliedstaaten…
Was ist zu tun – Fortsetzung…
• Eine bessere Politik, bessere Regeln und
bessere Ergebnisse
• Um die Qualität ihrer Politik zu verbessern, muss die
Union zunächst die Frage beantworten, ob gehandelt
werden muss und wenn ja, ob dies auf EU-Ebene
geschehen sollte. Muss die EU handeln, so sollte sie
erwägen, mehrere Politikinstrumente miteinander zu
kombinieren.
• Die Union muss ihren Rechtsetzungsprozess
beschleunigen. Außerdem muss sie den richtigen
Mittelweg finden zwischen einer einheitlichen
Vorgehensweise, die sie immer dann verordnet,
wenn es erforderlich ist, und der Einräumung eines
Gestaltungsspielraums für die Durchführung der
Regeln vor Ort. Schließlich muss sie das Vertrauen
in die Politikberatung durch Experten stärken.
Was ist zu tun – noch mehr…
• Global Governance
• Das Weißbuch schaut über den europäischen
Rahmen hinaus und trägt zur Debatte über die
Global Governance bei. Die Union sollte bestrebt
sein, auch bei der Wahrnehmung ihrer globalen
Verantwortung die Grundsätze guten Regierens (!!!)
anzuwenden. Sie sollte darauf hinwirken, dass
Wirksamkeit und Durchsetzungskraft der internationalen Organisationen gestärkt werden.
• Die Kommission wird
• · den Dialog mit den staatlichen und nichtstaatlichen
Akteuren in Drittländern intensivieren, wenn sie
Rechtsvorschläge mit internationaler Dimension
ausarbeitet;
• · eine Überprüfung der internationalen Vertretung
der Union dahingehend vorschlagen, dass sie mehr
als bisher "mit einer Stimme" sprechen kann.
Was ist zu tun – schliesslich…
• Neuausrichtung der Institutionen
•
Die Organe der Europäischen Union und die Mitgliedstaaten müssen gemeinsam eine umfassende politische Strategie erarbeiten, eine Neuausrichtung der
EU-Politiken vornehmen und ihre Arbeitsweise umstellen.
•
•
Die Kommission wird
· noch entschlossener auf die Kohärenz der Politik und die Bestimmung
langfristiger Ziele hinwirken;
· der nächsten Regierungskonferenz Vorschläge unterbreiten, die darauf
abstellen, die Verantwortung für die Durchführung der Politik wieder in die
Hände der Kommission zu legen.
•
•
Die Kommission fordert den Rat auf, seine Beschluss- und Entscheidungsfähigkeit bei unterschiedlicher Interessenlage der Beteiligten zu verbessern.
Außerdem sollte der Rat eine engere Verknüpfung zwischen der Politik der EU
und der Mitgliedstaaten herstellen. Wenn der Rat seiner politischen Verantwortung im Rahmen der Gemeinschaftsmethode gerecht wird, kann der
Europäische Rat sich verstärkt der Bestimmung und Umsetzung langfristiger
politischer Orientierungen zuwenden.
•
Der Rat und das Europäische Parlament sollten sich stärker auf die zentralen
Elemente der Politik und auf die Überwachung ihrer Umsetzung konzentrieren.
Das Parlament sollte die Anliegen seiner Wähler stärker in die politische
Debatte einbringen.
…nearly no comment…
Zu guter Letzt noch ein Tip für die Praxis
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