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Vom Ordoliberalismus zum substantiellen
Liberalismus – Grundlagen einer
freiheitlichen Gesellschafts- und
Wirtschaftsordnung
Alexander Lorch
Institut für Wirtschaftsethik, Universität St. Gallen
www.iwe.unisg.ch
Kiel, 08. Mai 2013
Anstoß der Arbeit
- Ab Herbst 2008: Höhepunkte der Finanzkrise, Gefühl
(wirtschafts-) politischer Orientierungslosigkeit
- Politische Rhetorik in Deutschland: Beschwörung von Sozialer
Marktwirtschaft und Ordoliberalismus
Angela Merkel betont,
„dass die Soziale Marktwirtschaft ein Erfolgsmodell ist, dass sie „made
in germany“ in einer besonderen Weise und „Wohlstand für alle“ in
einem umfassenden Sinne verkörpert, wie es das in Deutschland noch
nicht gegeben hat.“
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Anstoß der Arbeit
Wolfgang Schäuble:
„Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir es schaffen, wieder und
wieder, dass in einer marktwirtschaftlichen Ordnung Freiheiten
verantwortlich genutzt werden. Das sind die alten Fragen, die
Eucken, Röpke, Rüstow und andere Vertreter der Freiburger
Schule und des Ordoliberalismus gestellt haben. Ihre Antwort
lautete: Durch die Soziale Marktwirtschaft.“
Parteiprogramm Bündnis90/Die Grünen:
Der Entwurf einer „grünen Marktwirtschaft […] ist immer auch eine
soziale Marktwirtschaft“.
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Anstoß der Arbeit
Peer Steinbrück spricht davon, die „Soziale Marktwirtschaft wieder mit
Leben füllen“ zu wollen.
Christian Lindner sieht die
„Notwendigkeit, die ursprüngliche Freiheitsordnung von Walter
Eucken, Wilhelm Röpke und Ludwig Erhard zu aktualisieren und neu
durchzusetzen.“
Sahra Wagenknecht fordert ein „Erhard reloaded“.
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Leitfragen der Arbeit
1. Inwiefern können die Soziale Marktwirtschaft und der
Ordoliberalismus heute noch Orientierung zur Bewältigung der
aktuellen, drängenden gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Fragen bieten?
2. Wie sollte im Anschluss an diese Konzepte eine tragfähige und
zeitgemäße Leitidee eines modernen Liberalismus-Konzepts
lauten und wie kann diese wirksam werden?
3. Wie müssen Prinzipien einer Wirtschaftsordnung gestaltet
sein, um dieser Leitidee gerecht zu werden?
4. Was kann ein solcher Entwurf zur Bewältigung aktueller
wirtschaftspolitischer Probleme beitragen?
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1. Ordoliberalismus als theoretische
Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft
- Auf der Suche nach einer neuen Ordnung („Ordo“ (lat. ordo:
Ordnung, Rang)) während und nach dem Zweiten Weltkrieg
formuliert Eucken die ordoliberale Grundfrage:
„Wie kann der modernen industrialisierten Wirtschaft eine
funktionsfähige und menschenwürdige Ordnung gegeben werden?“
- Spezifisch deutsche Strömung der neoliberalen Theoriegeschichte
- Der Ordoliberalismus rückt liberales Denken ins Zentrum und sieht
das Prinzip des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs als notwendiges
Organisationsmittel der Wirtschaft, will sich jedoch gleichzeitig von
altliberalen
Konzepten
eines
Laissez‐faire‐
oder
Manchester‐Kapitalismus abwenden
- Praktische Umsetzung als „Soziale Marktwirtschaft“
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1. Ordoliberalismus als theoretische
Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft
Röpke:
„Wenn auch gerade der Nationalökonom besonders geneigt sein
wird, vor der Überschätzung des wirtschaftlichen Elements in der
Geschichte zu warnen, so darf er doch die Behauptung wagen, daß
sich unsere Kultur deshalb überall in unlösbar scheinende Probleme
verstrickt, weil sie mit der elementaren Aufgabe einer wohlgeordneten und dem Menschen angemessenen Wirtschaftsverfassung nicht recht fertig wird.“
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1. Ordoliberalismus als theoretische
Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft
Müller-Armack:
„Es wird Entscheidendes für die Erhaltung unserer wirtschaftlichen
Kultur davon abhängen, ob es gelingt, die marktwirtschaftliche Form
ihrer hohen Leistungsfähigkeit wegen zu erhalten, aber sie doch
gleichzeitig einer bewußt gestalteten Gesamtordnung einzufügen.“
Rüstow:
„Der Markt selbst hat lediglich eine dienende Funktion. [...] Der
Markt ist ein Mittel zum Zweck, ist kein Selbstzweck.“
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1. Ordoliberalismus als theoretische
Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft
Kritik
Individualethik
-Unzeitgemäß
-Paradox
-Ordoliberaler Kulturpessimismus
-Ordoliberale Demokratieskepsis
Ordnungsethik
-Die ordoliberale „Sorge um den Markt“
-Die Ethik des Wettbewerbs
-Marktkonformität
 Mythos und Hegemonie der Sozialen Marktwirtschaft
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1. Ordoliberalismus als theoretische
Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft
Aber: Wichtige Impulse durch das grundsätzliche Anliegen:
-Einbettung der Wirtschaft in eine liberale Gesamtordnung
-Zweistufige Konzeption:
- Vorrangige Gesellschaftsordnung
- Systematisch nachrangige, davon abgeleitete Wirtschaftsordnung
-Anspruch, Freiheit und Gerechtigkeit in einem Gesellschafts- und
Wirtschaftskonzept zu vereinen
-Größtes Manko: Fehlende philosophische Reflexion der
Vorstellung von Freiheit
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2. Substantieller Liberalismus
„Wie sollte im Anschluss an diese Konzepte eine tragfähige und
zeitgemäße Leitidee eines modernen Liberalismus-Konzepts lauten
und wie kann diese wirksam werden?“
•Freiheit als wesentliche Grundlage moderner Gesellschaften, da sie
der maßgebliche Grundwert der conditio humana ist
•Umfassendes Verständnis von Freiheit: negativ, positiv, reflexiv
(Berlin/Honneth)
•Entscheidend: Die Freiheit wird nicht nur formell gewährleistet,
sondern ihr Vollzug auch faktisch (substantiell) ermöglicht
 Emanzipativer Gesellschaftsentwurf mit substantieller
Freiheit (Sen) als regulativem Prinzip
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2. Substantieller Liberalismus
Konsequenz:
Institutionen
des
substantieller Freiheit gemessen
Liberalismus
werden
an
Zwei wesentliche Charakteristika:
1.Zweistufige Ordnungskonzeption mit vorrangiger Gesellschaftsund nachrangiger Wirtschaftsordnung
2.Reziprozität von Ordnungs- und Individualethik
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2. Substantieller Liberalismus
Zweistufige Ordnungskonzeption mit vorrangiger Gesellschafts- und
nachrangiger Wirtschaftsordnung:
1. Politik der Freiheit („Verständigungsordnung“, Wirtschaftsethik )
=
Ausrichtung und Begrenzung der „blinden“ Marktkräfte
nach ethischen Gesichtspunkten der Lebensdienlichkeit für freie und
gleiche Bürger in einer wohlgeordneten Gesellschaft
=
Zweck der Vitalpolitik ist die Erweiterung der realen
Chancen der Bürger zur Verwirklichung ihrer Freiheit, ihren je
individuellen Lebensentwurf zu verfolgen (substantielle Freiheit)
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2. Substantieller Liberalismus
Zweistufige Ordnungskonzeption mit vorrangiger Gesellschafts- und
nachrangiger Wirtschaftsordnung:
2. Wettbewerbspolitik
technik)
(„Verfügungsordnung“,
Wirtschafts-
= Zweck der Wettbewerbspolitik ist die effiziente Allokation knapper
Ressourcen unter der Bedingung einer vorrangigen Vitalpolitik
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2. Substantieller Liberalismus
Reziprozität von Ordnungs- und Individualethik
Ordnungsethik:
•Formal: Verfassung der Freiheit
•Substantiell: Politik der Freiheit
Individualethik:
•Mitverantwortung für die Freiheit
•Sparsam eingefordertes republikanisches Bürgerethos
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2. Substantieller Liberalismus
Prinzipien einer liberalen Wirtschaftsordnung:
1.Primat der substantiellen Freiheit
2.Funktionsfähiges Preissystem
3.Bedingungen des Tauschs
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Vertragsfreiheit
Offene Märkte
Privateigentum
Haftung
4.Systembedingungen
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•
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•
•
Konstanz der Wirtschaftspolitik
Primat der Währungspolitik
Mitverantwortung
Unabhängige Wirtschaftspolitik
Finanzmarktpolitik
Chancengerechtigkeit
5.Regulierende Politik
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3. Aktuelle Herausforderungen
1. Chancen für alle? Wirtschaftliche Ungleichheit und Teilhabegerechtigkeit
2. Verantwortung für alle? Die gesellschaftliche (Re-) Integration
der Finanzwirtschaft
3. Globale Probleme nationalstaatlicher Ordnungspolitik
Der substantielle Liberalismus verschiebt die Perspektive auf
bestehende Problemstellungen und richtet das politische
Handeln an einer emanzipatorischen gesellschafts- und
wirtschaftspolitischen
Leitidee
aus.
Die Lösungsvorschläge sind dann nicht zwangsläufig neu, aber
vor dem Hintergrund dieser Idee politisch vereinbar und
legitimierbar.
„Freiheit für alle“ statt „Wohlstand für alle“
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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