Juristische Methodenlehre Auslegungsmethoden

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Repetitorium aus Zivilrecht
Allgemeiner Teil
Sebastian Wöss
[email protected]
Mit Dank an Dr. Moritz Zoppel
und Mag. Sebastian Reiter für
die Grundlagen zu diesen
Folien.
Überblick
I. Teil: Grundlagen
 Begriffe und Abgrenzungen
 Aufbau und Inhalt des ABGB
 Juristische Methodenlehre: Anwendung und Verständnis
des ABGB
 Subsumtion
 Gesetzesauslegung
 Rechtsfindung
2
Überblick
II. Teil: Rechtssubjekte und Rechtsobjekte
Die natürliche Person

Handlungsfähigkeit

Deliktsfähigkeit
 Die juristische Person
 Schutz der Persönlichkeitsrechte
3
Überblick
III. Teil: Grundsätze des Vertragsrechts
Rechtsgeschäftslehre
Der Vertragsschluss
Auslegung von Rechtsgeschäften
Vertragsschluss unter Verwendung von AGB
4
Überblick
IV. Teil: Verbraucherrecht
 Verbraucherbegriff
 Unternehmerbegriff
 Informationspflichten
 Rücktrittsrechte
5
Überblick
V. Teil: Subjektive Rechte und ihre Grenzen
Die Verjährung

Beginn und Dauer

Hemmung

Unterbrechung

Wirkung
6
Begriffe und Abgrenzungen
• Recht im objektiven Sinn = Die für eine Rechtsgemeinschaft
verbindliche Ordnung des menschlichen Zusammenlebens,
die unter der Anforderung der Gerechtigkeit steht und allenfalls
mit Zwang durchgesetzt wird.
• Recht im subjektiven Sinn = vom objektiven Recht
eingeräumte Rechtsmacht, die dem einzelnen zur
Befriedigung menschlicher Interessen verliehen ist und deren
Geltendmachung allein vom Willen des Berechtigten abhängt.
7
Begriffe und Abgrenzungen
• Objektives Recht
– Positives Recht
•
§ 7 ABGB – Natürliche Rechtsgrundätze?
– Gewohnheitsrecht
•
§ 10 ABGB
– Richterrecht
•
•
•
§ 12 ABGB
RIS-Rechtssätze?
EuGH-Rsp
8
Begriffe und Abgrenzungen
• Subjektive Rechte
 Herrschaftsrechte, Ansprüche und Gestaltungsrechte
– Absolute Rechte / Relative Rechte

Eingriff in fremdes Forderungsrecht?
– Pflichten und Obliegenheiten


Rügepflicht gem § 377 UGB
Schadensminderungspflicht § 1304 ABGB
9
Begriffe und Abgrenzungen
Bürgerliches Recht
• Regelungen für alle Bürger: Allgemeingültigkeitsaspekt
• Bsp: ABGB, hL: Verbraucherrecht
Sonderprivatrecht
• Gewisse Spezifizität, zB: bestimmte Personengruppen oder
Sachgebiete
• Bsp: Wettbewerbsrecht, Gesellschaftsrecht,
Unternehmensrecht, Arbeitsrecht, gewerblicher Rechtsschutz
10
Begriffe und Abgrenzungen
Privatrecht – öffentliches Recht
§ 1 ABGB „Der Inbegriff der Gesetze, wodurch die Privatrechte
und Pflichten der Einwohner des Staates unter sich bestimmt
werden, macht das bürgerliche Recht in demselben aus.“
§ 1 JN Bürgerliche Rechtssachen vor die ordentlichen Gerichte
Vollzugsklausel
11
Begriffe und Abgrenzungen
Abgrenzung Privatrecht – öffentliches Recht
• Interessentheorie
• Subjektionstheorie
• Subjektstheorie
12
Einteilung des ABGB
Institutionensystem
•
Personenrechte (§§ 15 ff ABGB)
•
Sachenrechte (§§ 285 ff ABGB)
•
Gemeinsame Bestimmungen (§§ 1342 ff ABGB)
Pandektensystem
13
Juristische Methodenlehre
• Rechtssatz = Tatbestand + Rechtsfolge
• Tatbestand
– Naturereignis
– Handlung
– Eigenschaften
– Rechtliches Verhältnis
• Rechtsfolge
• Sachverhalt
14
Juristische Methodenlehre
•
Subsumption und juristischer Syllogismus
– Subsumption: Ist eine Norm auf einen Sachverhalt
anzuwenden?
– Aufbau einer Norm: Wenn T, dann R.
Beispiel: § 75 StGB
„Wer einen anderen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis
zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu
bestrafen.“
Tatbestand: Wer einen anderen tötet, […]
Rechtsfolge: […] ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig
Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu
bestrafen.
Sachverhalt: A vergiftet B.
15
Juristische Methodenlehre
Subsumption und juristischer Syllogismus
Juristischer Syllogismus: Löst der Sachverhalt die
Rechtsfolge aus?
Obersatz
Untersatz
Schlusssatz
T
S
S
=
=
=
Tatbestand
Sachverhalt
Rechtsfolge greift / greift nicht

=

R
T
R
16
Juristische Methodenlehre
• Fiktion
 § 22 ABGB (Nasciturus) „Insoweit es um ihre und nicht um
die Rechte eines Dritten zu tun ist, werden sie [ungeborene
Kinder] als Geborene angesehen; ein totegeborenes Kind
aber wird in Rücksicht auf die ihm für den Lebensfall
vorbehaltenen Rechte so betrachtet, als wäre es nie
empfangen worden.“
• Doktrinelle Fiktion
17
Juristische Methodenlehre
Notwendigkeit der Auslegung / Auslegungsverbote
• Rechtssetzung bedient sich der Sprache
•
Normen sind nicht perfekt (gewollt oder ungewollt)
•
Worte können mehrdeutig sein
•
Beseitigung der Mehrdeutigkeit durch Auslegung =
Ermittlung des Sinnes einer Norm durch wertende
Entscheidung
•
Transparent und rational nachvollziehbar (durch die
Methoden der Rechtswissenschaft)
18
Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
• ABGB (1811)
§ 6 „Einem Gesetze darf in der Anwendung kein anderer Verstand
beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der
Worte in ihrem Zusammenhange und aus der klaren Absicht des
Gesetzgebers hervorleuchtet.“
§ 7 „Lässt sich ein Rechtsfall weder aus den Worten, noch aus dem
natürlichen Sinne eines Gesetzes entscheiden, so muss auf ähnliche,
in den Gesetzen bestimmt entschiedene Fälle, und auf die Gründe
anderer damit verwandten Gesetze Rücksicht genommen werden.
Bleibt der Rechtsfall noch zweifelhaft; so muss solcher mit Hinsicht
auf die sorgfältig gesammelten und reiflich erwogenen Umstände
nach den natürlichen Rechtsgrundsätzen entschieden werden.“
19
Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
§ 6. Einem Gesetz darf in der Anwendung kein anderer Verstand
beigelegt werden, als welcher
•aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte
Wortinterpretation (grammatische Interpretation)
•in ihrem Zusammenhang und
systematische Interpretation
•aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet.
historische (subjektive) Interpretation
20
Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•§ 7. Lässt sich ein Rechtsfall weder aus den Worten, noch aus dem
natürlichen Sinne eines Gesetzes entscheiden, so muss auf ähnliche in
den Gesetzen bestimmt entschiedene Fälle, und auf die Gründe anderer
damit verwandten Gesetze Rücksicht genommen werden. […]
objektiv-teleologische Interpretation
21
Juristische Methodenlehre
•
Auslegungsmethoden
–
Wortinterpretation (grammatische Interpretation)
–
systematische Interpretation
–
subjektiv (historische) Interpretation
–
objektiv-teleologische Interpretation
•
Gültigkeit


Privatrecht
gesamte Rechtsordnung
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Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•
Besonderheiten
–
Strafrecht
Analogieverbot in malam partem
–
Steuerrecht
wirtschaftliche Betrachtungsweise
–
Kartellrecht
„more economic approach“
23
Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•
Wortinterpretation / grammatische Interpretation
–
Ausgangspunkt jeder Auslegung
–
Legaldefinition
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Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•Legaldefinition – Beispiel
Eigentumsrecht - § 354 ABGB
§ 354. Als ein Recht betrachtet, ist Eigentum das Befugnis, mit der
Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten,
und jeden Andern davon auszuschließen.
25
Legaldefinition
• § 2 Abs 1a BWG „ Leitungsorgan“ das Organ oder die Organe
eines Kreditinstituts in seiner beziehungsweise ihrer Geschäftsleitungs- und
Aufsichtsfunktion, die nach innerstaatlichem Recht eines Mitgliedstaates
bestellt werden, um die Strategie, Ziele und Gesamtpolitik des Instituts
festzulegen und die Entscheidungen der Geschäftsleitung zu kontrollieren und
zu überwachen. Zum Leitungsorgan gehören auch die Personen, die die
Geschäfte des Instituts effektiv führen; sehen die Rechtsvorschriften eines
Mitgliedstaates vor, dass das Leitungsorgan mehrere verschiedene Organe
mit spezifischen Funktionen umfasst, so gelten die durch die
Richtlinie 2013/36/EU vorgegebenen Anforderungen an das Leitungsorgan
lediglich für diejenigen Mitglieder des Leitungsorgans, denen die
Rechtsvorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates die entsprechenden
Befugnisse zuweisen
• § 2 Abs 1 Z 70 BWG „ Nichtbank“ jeder, der weder Kreditinstitut
noch ein in einem Mitgliedstaat oder Drittland zugelassenes CRRKreditinstitut, einschließlich deren Zweigstellen ist
26
Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•Wortinterpretation / grammatische Interpretation
– Begriffskern / Begriffshof
– äußerst möglicher Wortsinn
Beispiel: „Kinder“ – unmittelbare Nachkommen der Eltern (§
681 ABGB; Enkel und Urenkel (§ 42 ABGB),
Adoptiv- und Pflegekinder - alle jungen
Menschen?
Grenze jeglicher Auslegung
jenseits davon nur Rechtsfindung durch Analogie
27
Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•Wortinterpretation / grammatische Interpretation
Beispiel: Gastwirtehaftung (§ 970 ABGB)
§ 970. (1) Gastwirte, die Fremde beherbergen, haften als Verwahrer
für die von den aufgenommenen Gästen eingebrachten Sachen,
sofern sie nicht beweisen, daß der Schaden weder durch sie oder
einen ihrer Leute verschuldet noch durch fremde, in dem Hause
aus- und eingehende Personen verursacht ist.
Hotelbetreiber? Schlafwagenbetreiber? Spitalbetreiber?
Personen, welche der Gastwirt nicht selber kennt? Welche nicht regelmäßig
kommen? Dauergäste?
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Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•Systematisch-logische Interpretation
–
Ermittlung des Anwendungsbereich einer Norm im
Zusammenhang mit der Gesamtregelung
–
Auflösung von Normenkonflikten
Lex specialis derogat legi generali
Lex posterior derogat legi priori
–
Gesetze dürfen Anwendungsbereich nicht verlieren
lex-lata-Grenze
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Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•
Systematisch-logische Interpretation
–
verfassungskonforme Interpretation
–
Wirkung der Grundrechte im Privatrecht
–
Stufenbau der Rechtsordnung
30
Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•Historische (subjektive) Interpretation
Wille des historischen Gesetzgebers

Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage,
Ausschussberichte (Justizausschuss)

Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des
Nationalrats

Suche nach Nummer der Beilage und
Gesetzgebungsperiode
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Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•Historische (subjektive) Interpretation
Beispiel: Gewährleistung - § 932 ABGB
§ 932. (2) Zunächst kann der Übernehmer nur die Verbesserung oder
den Austausch der Sache verlangen, es sei denn, dass die
Verbesserung oder der Austausch […] für den Übergeber,
verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig
hohen Aufwand verbunden wäre. Ob dies der Fall ist, richtet sich
auch nach […] den mit der anderen Abhilfe für den Übernehmer
verbundenen Unannehmlichkeiten.
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Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•Historische (subjektive) Interpretation
Suche nach den Materialien
Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz
BGBl I 48/2001
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Juristische Methodenlehre
•Auslegungsmethoden
•Historische (subjektive) Interpretation
Regierungsvorlage – Besonderer Teil der Erläuterungen
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Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•Historische (subjektive) Interpretation
Regierungsvorlage
– Gesetzesentwurf
– Vorblatt
– Allgemeiner Teil der Erläuterungen
– Besonderer Teil der Erläuterungen
– Textgegenüberstellung
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Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•Teleologische (objektive) Interpretation
•objektiver Zweck / „natürlicher Sinn“
§ 7. Läßt sich ein Rechtsfall weder aus den Worten, noch aus dem
natürlichen Sinne eines Gesetzes entscheiden, so muß auf ähnliche in
den Gesetzen bestimmt entschiedene Fälle, und auf die Gründe
anderer damit verwandten Gesetze Rücksicht genommen werden.
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Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•Teleologische (objektive) Interpretation
–
kann weiter als der historische Wille des Gesetzgebers gehen
–
„Normzweckhypothesen“
–
richtiges Verständnis „älterer“ Vorschriften
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Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•Teleologische (objektive) Interpretation
Beispiel: Bürgschaft - § 1346
§ 1346. (2) Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages ist erforderlich, dass
die Verpflichtungserklärung des Bürgen schriftlich abgegeben wird.
§ 886. Ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit
bestimmt, kommt durch die Unterschrift der Parteien […] zustande.
Bürgschaft per Telefax?
38
Juristische Methodenlehre
• Rechtsvergleichung
• Ökonomische Analyse des Rechts
• Europarechtskonforme Interpretation – Art 288
AEUV
– Eine nationale Bestimmung ist RL-konform auszulegen, wenn dies der
Wortlaut zulässt und der Wille des Gesetzgebers dem nicht
entgegensteht: Vorrangregel
– Kein contra legem judizieren
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Juristische Methodenlehre
Auslegungsmethoden
•Verhältnis zueinander
–
Reihenfolge
–
Wertende Ausschöpfung aller Methoden
–
Gewicht
–
Bewegliches System
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Juristische Methodenlehre
Ergänzende Rechtsfortbildung
• Lex-lata-Grenze
– § 6 Wortsinn, Bedeutungszusammenhang und historischer
Gesetzgeber
• Korrektur des zu engen oder überschießenden Gesetzeswortlauts
–
Analogie
–
teleologische Reduktion
41
Juristische Methodenlehre
Ergänzende Rechtsfortbildung
• Analogie
–
Lücke im Gesetz
–
Gesetzesanalogie
–
Rechtsanalogie
Beispiel:
 §§ 271, 272 ABGB
 Vorvertragliches Schuldverhältnis
42
Juristische Methodenlehre
Ergänzende Rechtsfortbildung
•Teleologische Reduktion
Beispiel: Gesetzwidrigkeit - § 879 Abs 1 ABGB
§ 879 (1) Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder
gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
 Getränkebestellung nach Sperrstunde?
43
Juristische Methodenlehre
Ergänzende Rechtsfortbildung
• Lückenfüllung
• Gleichheitsgrundsatz
–
wertungsmäßig Gleiches muss gleich behandelt werden
–
wertungsmäßig Ungleiches muss ungleich behandelt werden
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Juristische Methodenlehre
Ergänzende Rechtsfortbildung
• Regelungslücke und Analogie
oder
• Umkehrschluss (e contrario)?
45
Juristische Methodenlehre
Ergänzende Rechtsfortbildung
•Analogie – Umkehrschluss
Beispiel: gesetzliches Erbrecht des Ehegatten - § 757 ABGB
 Wille des durchschnittlichen und vernünftigen Erblassers
 Lebensgefährte?
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Juristische Methodenlehre
Ergänzende Rechtsfortbildung
•Analogie – Spielarten
–
Gesetzesanalogie
–
Rechtsanalogie (Gesamtanalogie)
–
allgemeine Rechtsgrundsätze
47
Juristische Methodenlehre
Ergänzende Rechtsfortbildung
•Analogie – Spielarten
•Gesetzesanalogie
–
argumentum a maiori ad minus (Größenschluss)
–
Argumentum a minori ad maius
48
Juristische Methodenlehre
Ergänzende Rechtsfortbildung
•Analogie – Spielarten
Gesamtanalogie / allgemeine Rechtsgrundsätze
§ 7. Läßt sich ein Rechtsfall weder aus den Worten, noch aus dem
natürlichen Sinne eines Gesetzes entscheiden, so muß auf ähnliche,
in den Gesetzen bestimmt entschiedene Fälle, und auf die Gründe
anderer damit verwandten Gesetze Rücksicht genommen werden.
Bleibt der Rechtsfall noch zweifelhaft; so muß solcher mit Hinsicht auf
die sorgfältig gesammelten und reiflich erwogenen Umstände nach
den natürlichen Rechtsgrundsätzen entschieden werden.
49
Juristische Methodenlehre
Ergänzende Rechtsfortbildung Analogie – Spielarten
Beispiel Gesamtanalogie: „culpa in contrahendo“
•
§§ 878 S 3, 875 sowie 866, 932 Abs 1 aF ABGB
•
vorvertragliche Sorgfaltspflichten
•
Verletzung führt zur Haftung nach vertraglichen Grundsätzen
50
Juristische Methodenlehre
Ergänzende Rechtsfortbildung Analogie – Spielarten
• Natürliche Rechtsgrundsätze

keine Vorteilserlangung durch arglistiges/rechtswidriges
Verhalten (§ 540 ABGB/§ 542 ABGB – Erbunwürdigkeit; Riggs
v. Palmer)

Unredlicher Besitzer darf nicht mehr Aufwandersatz fordern
als ein redlicher
51
Juristische Methodenlehre
• Billigkeit
• § 277 S 2 Haftung des Sachwalters:
„Der Richter kann die Ersatzpflicht insoweit mäßigen oder
ganz erlassen, als sie den Sachwalter (Kurator) unter
Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Grades
des Verschuldens oder eines besonderen Naheverhältnisses
zwischen dem Pflegebefohlenen und dem Sachwalter
(Kurator), unbillig hart träfe.“
52
Juristische Methodenlehre
• § 83 Abs 1 EheG Die Aufteilung ist nach Billigkeit
vorzunehmen.
• § 68a Abs 3 EheG Der Unterhaltsanspruch […] vermindert
sich oder besteht nicht, soweit die Gewährung des Unterhalts
unbillig wäre, […]
• § 4 Abs 2 DHG Der Dienstgeber hat einen
Rückgriffsanspruch gegen den Dienstnehmer, „es sie denn,
dass der Dienstnehmer den Schaden durch ein Versehen
zugefügt hat und das Gericht aus Gründen der Billigkeit den
Rückersatz mäßigt oder, sofern der Schaden durch einen
minderen Grad des Versehens zugefügt worden ist, ganz
erlässt.“
53
Juristische Methodenlehre
Intertemporales (Privat-)Recht
• § 11 BGBlG (Ablauf des Tages der Kundmachung)
• § 5 ABGB – zeitlicher Anwendungsbereich
– Grds keine Rückwirkung (authentische Interpretation)
• § 9 ABGB – Ende des zeitlichen Anwendungsbereichs
• Dauerschuldverhältnisse?
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Juristische Methodenlehre
Authentische Interpretation
• § 8 ABGB Nur dem Gesetzgeber steht die Macht zu, ein
Gesetz auf eine allgemein verbindliche Art zu erklären.
Eine solche Erklärung muss auf alle noch zu entscheidende
Rechtsfälle angewendet werden, dafern der Gesetzgeber nicht
hinzufügt, dass seine Erklärung bei Entscheidung solcher
Rechtsfälle, welche die vor der Erklärung unternommenen
Handlungen und angesprochenen Rechte zum Gegenstande
haben, nicht bezogen werden solle.
55
Authentische Interpretation
• Artikel I § 13a Abs. 2 TabakG 1995, BGBl. Nr. 431/1995,
zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 120/2008, wird gemäß § 8
ABGB dahingehend authentisch ausgelegt, dass den Gästen
auf dem Weg zum Hauptraum bzw. zu anderen rauchfreien
Bereichen des Lokals wie sanitären Anlagen bzw. WCAnlagen ein kurzes Durchqueren des Raucherraumes
zumutbar ist.
• Artikel II Art. I ist im Sinne von § 8 ABGB von den Behörden
und Gerichten in allen laufenden und künftigen Verfahren
anzuwenden.
56
Rechtssubjekte und Rechtsobjekte
Rechtssubjekte
• Natürliche Personen = Menschen (§ 16)
• Juristische Personen (§ 26)
Rechtsobjekte
• Sachen: § 285 (auch Immaterialgüter und Forderungen)
• Tiere: § 285a
57
Rechtsfähigkeit von natürlichen Personen
Beginn durch die Geburt
•Nasciturus (§ 22 ABGB)
Ende durch den Tod
• TEG: Toderklärung bei Verschollenheit
58
Rechtsfähigkeit von natürlichen Personen
• TEG: Toderklärung bei Verschollenheit (§ 1 Abs 1 TEG):
– Unbekannter Aufenthalt
– Nachrichtenlose Abwesenheit
– Ernstliche Zweifel am Überleben
– Bestimmte Dauer (allg. Verschollenheit § 3 TEG oder
Gefahrenverschollenheit §§ 4-7 TEG)
• Todesbeweis: § 21 TEG
• Folge: Vermutung, dass der Verschollene im Beschluss
festgestellten Zeitpunkt gestorben ist (§ 9 TEG)
• Aufhebung: § 23 TEG
59
Zivilrechtliche Handlungsfähigkeit
• (Rechts-)Geschäftsfähigkeit
 Testierfähigkeit (§ 569 ABGB)
 Ehegeschäftsfähigkeit (EheG)
 (Familienrechtliche) Verfahrensfähigkeit (§ 104 AußStrG)
• Deliktsfähigkeit
60
Gesetzliche Vertretung
Eltern bei Minderjährigen §§ 167 ff ABGB
• Beachte: Einschränkungen in § 167 Abs 2 und Abs 3 ABGB
Psychisch kranke oder geistig behinderte Personen §§ 268 ff
ABGB
• Nahe Angehörige (§ 284b ff ABGB)
• Vorsorgevollmacht (§ 284f ff ABGB)
• Sachwalter (§ 268 ff ABGB)
• Patientenverfügung (§ 2 Abs 1 PatVG)
61
Geschäfts(un)fähigkeit Minderjähriger
• Kinder 0-7: Vollkommen geschäftsunfähig
 Rechtsgeschäfte sind absolut nichtig
 § 170 Abs 3: Taschengeldparagraph
o
o
o
Altersübliche Geschäfte
Geringfügige Angelegenheit des alltäglichen Lebens
Rückwirkend mit der Erfüllung der das Kind treffende Pflicht
62
Geschäfts(un)fähigkeit Minderjähriger
• Unmündige Minderjährige 7-14

Rechtsgeschäfte sind schwebend unwirksam (§ 865 ABGB)
Recht des Dritten zur Verlangung einer angemessen Erklärungsfrist

Bloß zu ihrem Vorteil gemachte Versprechen annehmen (§ 865 ABGB)

Möglichkeit schon bestehende Verpflichtungen zu begleichen (§ 1421 ABGB)

Genehmigung kann auch im Voraus erfolgen

„frei verfügen“ nur mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters
63
Geschäfts(un)fähigkeit Minderjähriger
• Mündige Minderjährige 14-18

Einkommen aus eigenem Erwerb und

zur freien Verfügung überlassen Sachen (§ 170 Abs 2 ABGB)

Verplichtungsgeschäfte, welche nicht sofort erfüllt werden müssen,
Dauerschuldverhältnisse

Abschluss von Dienstverträgen (gilt nicht für Lehr- und sonstige
Ausbildungsverträge)
o
Außerordentliches Kündigungsrecht der gesetzlichen Vertreter (§ 171
ABGB)
64
Geschäfts(un)fähigkeit Minderjähriger
• Medizinische Behandlung § 173 ABGB

Anknüpfung nicht an das Alter, sondern an die Einsichts- und Urteilsfähigkeit.

Wird bei mündigen Minderjährigen vermutet (§ 173 Abs 1)

Rechts zur Ablehnung von Behandlungen

Zustimmungsrecht der Eltern bei möglicher schweren oder nachhaltigen
Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit (§
173 Abs 2)
65
Geschäftsunfähigkeit Volljähriger
• Vertretungsbefugnis naher Angehöriger (§§ 284b ff)
–
Geschäfte des täglichen Lebens, Pflegeleistungen, Geltendmachung von Ansprüchen
– Nächste Angehörige § 284c (numerus clausus, auch Lebensgefährte, wenn drei Jahre in
gemeinsamen Haushalt)
–
Widerstreitende Erklärungen machen beide unwirksam § 284c Abs 2
–
Grundloser Widerspruch des Vertretenen möglich § 284d Abs 2
–
Pflichten des nahen Angehörigen + Vertretungsverzeichnis § 284e
• Vorsorgevollmacht (+ Auftragsvertrag) (§ 284f ff)
–
Rechtsgeschäftliche Vollmacht
–
Besondere Formvorschriften §284f Abs 2 und 3
–
Pflichten des Vertreters + Vertretungsverzeichnis § 284h
66
Geschäftsunfähigkeit Volljähriger
• Sachwalter (§§ 268 ff)
–
Psyhische Krankheit oder geistige Behinderung

Erwartete Nachteile für die besachwaltete Person

Ultima ratio § 268 Abs 2
 Umfang der Befugnisse § 268 Abs 3 (einzelne Angelegenheiten, bestimmter Kreis, alle
Angelegenheiten)

Freier Wirkungskreis § 268 Abs 4

Rechte und Pflichten des SW § 275 ff

Verbliebene Geschäftsfähigkeit des Besachwalteten § 280 Abs 2 (vgl § 170 Abs 3)
• Patientenverfügung (PatVG)
–
Voraussetzung Einsichts- und Urteilsfähigkeit
–
Verbindlich (Inhalts- und Formvorschriften erfüllt)
–
Beachtlich (Inhalts- und Formvorschriften nicht erfüllt)
67
Deliktsfähigkeit
Wer kann durch sein eigenes Verhalten ersatzpflichtig werden?
• Vollendung des 14. Lebensjahres (§ 176 ABGB)
• Unmündige: §§ 1309, 1310 ABGB
• Geisteszustand: §§ 1307, 1310 ABGB
68
Deliktsfähigkeit
• Haftung für schuldhafte Verletzung der Aufsichtspflicht
 Ersatz den bei Minderjährigen oder Unmündigen durch
Aufsichtspersonen nur dann, wenn diese schuldhaft die
Obsorge (§ 177 ABGB) vernachlässigt haben
• Haftung des Deliktsunfähigen (§ 1310 ABGB)
 Im konkreten Fall konnte die Unrechtmäßigkeit seines
Handelns vom Unmündigen erkannt werden
 Vermögensvergleich
 Wenn der Geschädigte aus Rücksicht auf den Schädiger die
Verteidigung unterlassen hat
• Mündige Minderjährige – Haftung aus CIC bei Irreführung
über die Geschäftsfähigkeit?
69
Juristische Personen
• § 26 ABGB – „Moralische Personen“
• Arten juristischer Personen
Personenverbände (Gesellschaften)/Sachgesamtheiten
(Stiftungen und Anstalten)
70
Juristische Personen
• Juristische Personen des öffentlichen Rechts
– Gebietskörperschaften
– Andere Körperschaften öffentlichen Rechts
– Stiftungen/Anstalten
• Juristische Personen des Privatrechts
– Körperschaften (Vereine, Gesellschaften)
– Stiftungen/Anstalten
71
Juristische Personen
•
Rechtspersönlichkeit
„“In der Regel“ allen erlaubten Gesellschaften“ (vgl § 26 ABGB)
–
•
Ja, wenn körperschaftlich organisiert (Organisationsverfassung,
Fremdorganschaft, Mehrheitsprinzip, Wechsel der Mitglieder hat keine
Auswirkung auf den Bestand der Gesellschaft)
Rechtsfähigkeit
IdR gleiche Rechte wie physische Personen (Ausnahme insb Familienrechte)
Durch Gesetz eingeräumte Teilrechtsfähigkeit (Eigentümergemeinschaft)
Ultra-vires-Lehre
•
Trennungsprinzip/Durchgriff
Insb Haftungsdurchgriff
72
Juristische Personen
•
Handlungsfähigkeit
Handeln der Organe wird der juristischen Person zugerechnet, JP
wird Vertragspartner (ultra-vires) vgl etwa § 126 Abs 2 UGB
•
Deliktsfähigkeit
Rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten der Organe wird der JP
zugerechnet > Ersatzpflicht der JP
Anknüpfungspunkt „Machthaber“ > Repräsentatenhaftung
Parallele Haftung der natürlichen Person (DHG)
Wissenszurechnung: JP muss sich jedes Wissen der Machthaber in
ihrem Zuständigkeitsbereich zurechnen lassen, wie der Machthaber
sich dies selbst zurechnen lassen hätte müssen
73
Juristische Personen
• Verein
„Eine auf Dauer angelegte, freiwillige Personenvereinigung
(Körperschaft), die in ihrem Bestand vom Mitgliederwechsel
unabhängig ist, eine körperliche Verfassung und einen
Gesamtnamen hat“
–
VereinsG 2002
–
Normativsystem (vgl Konzessionensystem),
–
Nur mehr ideelle Vereine zulässig
–
Zweistufiges Gründungsverfahren - weniger förmlich als bei Personen- und Kapitalgesellschaften
–
Eintrag ins Vereinsregister
–
Enden durch Wegfall sämtlicher Mitglieder, freiwillige Auflösung od Auflösung durch die Behörde
– Haftung vor entstehen des Vereines > Mitglieder zu ungeteilter Hand, nachher ex lege Übergang (§ 4 Abs
2 VerG 2002)
–
Mitgliederversammlung, 2 Vorstände (iZw Gesamtvertretung; unbeschränkbar)
§ 1 Abs 5 KSchG
74
Juristische Personen
• Stiftungen
• eigentümerloses Zweckvermögen mit Rechtspersönlichkeit
– BStFG (gemeinnützig od mildtätig)
– PSG (auch eigennützig, jeder erlaubte Zweck, vgl jedoch § 1
Abs 2 PSG)
•
•
•
•
•
70.000 €
Drei Vorstände (iZw gemeinschaftliche Vertretung)
Stiftungsprüfer
Allenfalls Aufsichtsrat
Errichtung durch Stiftungserklärung, entstehen durch FBEintrag
• keine laufende behördliche Kontrolle
75
Juristische Personen
• Fonds
– § 22 BStFG: ein durch die Anordnung des Gründers nicht auf
Dauer gewidmetes Vermögen mit eigener RP, das der Erfüllung
gemeinnütziger oder mildtätiger Zwecke dient
– Verwertung des gesamten Fondvermögens
• Sammelvermögen
– Treuhänderische Verwaltung
76
Persönlichkeitsrechte
§ 16 ABGB:
„ Jeder Mensch hat angeboren, schon durch die Vernunft
einleuchtende Recht, und ist daher als eine Person zu
betrachten. Sklaverei oder Leibeigenschaft, und die Ausübung
einer darauf sich beziehenden Macht wird in diesen Ländern nicht
gestattet.“
• Allgemeines Persönlichkeitsrecht oder
Persönlichkeitsrechte?
77
Zivilrechtliches Schutzinstrumentarium bei
Verletzung von Persönlichkeitsrechten
• Unterlassungs- und (verschuldensunabhängige)
Beseitigungsansprüche
• Auch bei bloßer Gefahr einer Verletzung
• Schadenersatzansprüche
 Ersatz des immateriellen Schadens?
78
Zivilrechtliches Schutzinstrumentarium bei
Verletzung von Persönlichkeitsrechten
• Einzelne Persönlichkeitsrechte (Auswahl)
– Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit § 1325
– Recht auf Wahrung der Privatsphäre § 1328a
– Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung § 1328
– Recht auf Freiheit §§ 16 und 1329
(psychisch kranke Personen? UnterbringungsG, HeimAufG)
– Namensrecht § 43 (§ 93) (vgl §§ 17 ff UGB)
Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche bei unbefugtem Gebrauch
– Recht am eigenen Bild § 78 UrhG
– Recht am gesprochen Wort § 16 ABGB
79
Rechtsgeschäftslehre
•Rechtsgeschäft
(Erklärung, die auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet ist)
•Vermögensrechtliche und personenrechtliche Rechtsgeschäfte
•Ein- und zweiseitige Rechtsgeschäfte
•Ein- und zweiseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte
•Entgeltliche und unentgeltliche Rechtsgeschäfte
•Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft
•Abstrakte und kausale Geschäfte
80
Rechtsgeschäftslehre
Die Willenserklärung
• Handeln mit Kundgabezweck und dem Willen Rechtsfolgen
auszulösen (= gemäßigte Rechtsfolgetheorie)
81
Rechtsgeschäftslehre
Ausdrückliche und schlüssige (konkludente) Willenserklärung
§ 863 Abs 1:
„Man kann seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und
allgemein anerkannte Zeichen; sondern auch stillschweigend
durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller
Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig
lassen.“
§ 863 Abs 2:
Gewohnheiten und Gebräuche des redlichen Verkehrs
Schweigen? (Kauf auf Probe § 1081)
82
Rechtsgeschäftslehre
Andere Formen privatrechtlichen Handelns
• Willensbetätigung => Vgl § 864 Abs 1, § 1016
• Realakt
• Wissenserklärung
(Nachricht über bloße Tatsachen => z.B. Drittschuldnerverständigung,
Mangelanzeige)
• Willensmitteilung
(Erklärungswille auf bloß Tatsächliches gerichtet => z.B. Mahnung, RF treten
unabhängig vom Willen des Erklärenden ein)
83
Rechtsgeschäftslehre
Willensbetätigung
Die bewusste Vornahme einer Handlung mit Rechtsfolgewillen,
ohne damit einem anderen von seinen Absichten Mitteilung
machen zu wollen
• Es fehlt der Kundgabezweck
• Vollzugs- nicht Erklärungsakt
84
Erfordernisse eines mangelfreien Rechtsgeschäftes
•
Ausreichende Geschäftsfähigkeit
•
Ernst, frei von Irrtum und Zwang ( §869 „Wahre Einwilligung)
•
Möglich und erlaubt
•
Formgültig
•
Übereinstimmende Willenserklärung (§ 861)
=> Mangelsanktion
– Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit
85
Grundsätze des Vertragsrechts
Prinzipien
• Privatautonomie („formelle“ Vertragsfreiheit)
• Äquivalenz
• Vertrauensschutz
• Vertragstreue
86
Grundsätze des Vertragsrechts
Vertragsfreiheit
• Abschlussfreiheit
• Formfreiheit
• Inhaltsfreiheit
• Änderungs- und Beendigungsfreiheit
87
Grundsätze des Vertragsrechts
Einschränkungen der Vertragsfreiheit (Beispiele)
• Materielle Vertragsfreiheit?
• Grenzen der Abschlussfreiheit: Kontrahierungszwang
• Schutz des Schwächeren: Verbraucherschutzrecht,
Arbeitsrecht, Mietrecht
88
Der Vertragsschluss
Ein Vertrag kommt durch übereinstimmende Willenserklärungen
zustande
Die einleitende Willenserklärung wird Angebot genannt, die
zustimmende und zum Vertragsschluss führende nennt man
Annahme
89
Der Vertragsschluss
Das Angebot: Voraussetzungen
• Inhaltliche Bestimmtheit
(Mindestinhalt => wesentliche Punkte des Vertrages)
• Bindungswille => Mehr als invitatio ad offerendum
• Zugang
• Kein Widerruf
90
Der Vertragsschluss
Das Angebot: Zugang und Kenntnisnahme
Willenserklärungen werden rechtlich ab dem Zeitpunkt wirksam,
in dem sie in den Machtbereich des Empfängers gelangen
Das ist dann der Fall, wenn der Empfänger die Möglichkeit hat,
sich damit vertraut zu machen
Die tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht erforderlich
91
Der Vertragsschluss
Die Annahme: Voraussetzungen
•Inhaltliche Übereinstimmung mit dem Angebot
•Rechtzeitigkeit der Annahme (§§ 862, 862a)
•Kein Widerruf
92
Der Vertragsschluss
Die stille Annahme durch Willensbetätigung (§ 864 Abs 1)
• Ausnahme vom Zugangserfordernis
• Es wird „nach der Natur des Geschäftes oder einer
Verkehrssitte“ keine Annahme erwartet => Vertrag kommt durch
„tatsächliches Entsprechen“ zustande
• Das tatsächliche Entsprechen kann in eine Erfüllungs- oder
einer Aneignungshandlung bestehen
=> Tatsächlicher Annahmewille + Annahmehandlung
93
Der Vertragsschluss
Realangebote: § 864 Abs 2
„Das Behalten, Verwenden oder Verbrauchen einer Sache, die
dem Empfänger ohne seine Veranlassung übersandt worden ist,
gilt nicht als Annahme eines Antrags. Der Empfänger ist nicht
dazu verpflichtet, die Sache zu verwahren oder zurückzuleiten, er
darf sich ihrer auch entledigen. Muss ihm jedoch nach den
Umständen auffallen, dass die Sache irrtümlich an ihn gelangt ist,
so hat er in angemessener Frist dies dem Absender mitzuteilen
oder die Sache an den Absender zurückzustellen.“
94
Die Vertragsauslegung
Natürlicher Konsens
• Deckungsgleiche Willenserklärungen (Falsa demonstratio non nocet)
Dissens
• Willenserklärungen decken sich schon äußerlich nicht
Liegt weder natürlicher Konsens noch offener Dissens vor, ist die
Frage, ob ein Vertrag zustande gekommen ist und welchen Inhalt
er hat nach der Vertrauenstheorie zu beantworten (normativer
Konsens)
95
Die Vertragsauslegung
•Liegt eine Willenserklärung vor?
•Welchen Inhalt hat sie?
Vertrauenstheorie: Eine Willenserklärung gilt nicht so, wie sie
gewollt war, sondern mit ihrem objektivem Erklärungswert.
Von welchem Erklärungswert durfte ein redlicher
Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung sämtlicher
Umstände ausgehen?
96
Die Vertragsauslegung
Vorfrage: Liegt nicht ohnehin natürlicher Konsens oder Dissens
vor?
Auslegungsregeln (§§ 914, 915)
Im Vertrag geregelt „einfache Auslegung“: => primär Wortsinn der
Erklärung => jedoch Erforschung des tatsächlichen Parteiwillens
=> Übung des redlichen Verkehrs
Im Vertrag nicht geregelt „ergänzende Vertragsauslegung“:
primär Dispositivnormen, es sei denn, von den Parteien nicht
gewollt => was hätten redliche und vernünftige Personen
vereinbart („Übung des redlichen Verkehrs“)
97
Die Vertragsauslegung
Unklarheitsregeln des § 915
Nur dann, wenn § 914 zu keinem Ergebnis führt
Bei unentgeltlichen Geschäften => leichtere Last
bei entgeltlichen Geschäften => undeutliche Äußerung zulasten
desjenigen, der sich derer bedient hat
98
Verwendung von AGB
Keine Definition im österreichischen Recht
Orientierung an der deutschen Bestimmung des § 305 BGB
„AGB sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten
Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen
Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Gleichgültig ist, ob
die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des
Vertrages bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen
werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst
sind und welche Form der Vertrag hat. AGB liegen nicht vor, soweit die
Vertragsbedingungen zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt
sind.“
99
Verwendung von AGB
Grund für spezielle Regelungen ?
•Fehlende Einflussmöglichkeiten; „verdünnte Willensfreiheit“
•Verwendung in einer Vielzahl von Verträgen
•Informationskostenasymetrie
100
Verwendung von AGB
• AGB-Kontrolle
– Ex ante
– Ex post
101
Verwendung von AGB
AGB-Kontrolle
• Einbeziehungskontrolle
• Geltungskontrolle
• Inhaltskontrolle
• Transparenzgebot, §§ 915 § 879 Ab1 und 2
102
Verwendung von AGB
Einbeziehungskontrolle
•Wurden die AGB Vertragsinhalt?
•Stillschweigende Unterwerfung?
Müssen zumindest zugänglich sein (Möglichkeit der tatsächlichen
Kenntnisnahme)
Widerstreitende AGBs?
103
Verwendung von AGB
Geltungskontrolle: § 864a
„Bestimmungen ungewöhnlichen Inhaltes in AGB oder
Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet hat, werden
nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig
sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach
dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen
brauchte; es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen
besonders darauf hingewiesen.“
•Versteckte Klauseln sollen nicht Vertragsinhalt werden
104
Verwendung von AGB
Geltungskontrolle: § 864a
• Ungewöhnlich
 Regelung wird üblicherweise nicht in AGB getroffen
 Regelung ist zwar üblich, jedoch nicht an der konkreten Stelle
• Nachteilig
• Überraschend
105
Verwendung von AGB
Allgemeine Inhaltskontrolle:
• § 879 Abs 3 ABGB
 auch zwischen Unternehmern
Inhaltskontrolle im Verbraucherrecht:
• § 6 KSchG
 Klauseln in Abs 1 und Abs 2
 Transparenzgebot Abs 3
106
Verwendung von AGB
Allgemeine Inhaltskontrolle § 879 Abs 3:
„Eine
in
AGB
oder
Vertragsformblättern
enthaltene
Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen
Hauptleistungen festlegt, ist jedenfalls nichtig, wenn sie unter
Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich
benachteiligt.“
107
Verwendung von AGB
Allgemeine Inhaltskontrolle 879 Abs 3:
Hauptleistungspflichten?
• Kontrolle der Hauptleistungspflichte: Wucher; leasio Enormis,
Sittenwidrigkeit
108
Verwendung von AGB
Allgemeine Inhaltskontrolle § 879 Abs 3:
Gröbliche Benachteiligung:
• Indiz: krasse Abweichung vom dispositiven Recht
•Keine dispositive Regelung: Vergleich der beiden
Rechtspositionen
•Vermutung der Ungleichgwichtslage (Vorteil ggü § 879 Abs 1)
109
Verwendung von AGB
Allgemeine Inhaltskontrolle 879 Abs 3:
Bsp für gröblich benachteiligende Klauseln:
• Haftungsausschluss für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (3
Ob 2004/96v)
• Haftungsausschluss Personenschäden (6 Ob 160/00y)
110
Verwendung von AGB
Transparenzgebot: § 6 Abs 3 KSchG
„Eine
in
Allgemeinen
Geschäftsbedingungen
oder
Vertragsformularblättern enthaltene Vertragsbestimmung ist
unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist.“
• Verschleierung des Inhaltes => Art der Präsentation
111
Verwendung von AGB
Transparenzgebot
• Fachbegriffe, Abkürzungen
• Mangelhafte Gliederung, unübersichtlicher Aufbau
112
Verwendung von AGB
Prüfungsschema
Einbeziehungskontrolle
§ 863 ABGB
Geltungskontrolle
§ 864a ABGB
Unklarheitenregel
§ 915 ABGB
Inhaltskontrolle
§ 879 Abs 3 ABGB
Transparenzgebot
§ 6 Abs 3 KSchG
Inhaltkontrolle
§ 6 Abs 1 und 2 KSchG
Inhaltskontrolle
§ 879 Abs 3 ABGB
113
Verbraucher und Unternehmer
• Umsetzung Verbraucherrechte-RL (Vollharmonisierung – kein
„gold-plating“)
• Keine Verbraucherrechtskodifikation
• KSchG, VKrG, FernFinG
• FAGG – Inkrafttreten 13.6.2014
114
Verbraucher und Unternehmer
Anwendungsbereich
• Rechtsgeschäfte zwischen Unternehmer und Verbraucher
– Unternehmerbegriff
Unternehmen ist jede auf Dauer angelegte Organisation
selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch
nicht auf Gewinn gerichtet sein. (§ 1 Abs 2 KSchG/UGB)
Unternehmer ist jemand der ein Unternehmen betreibt und für
den das Geschäft zu seinem Unternehmen gehört
115
Verbraucher und Unternehmer
Anwendungsbereich
• Unternehmerbegriff KSchG / UGB
 Juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs 2
KschG, § 343 Abs 1 UGB)
 Unternehmer kraft Rechtsform (§ 2 UGB analog)
 Unternehmer kraft unrichtiger Eintragung (§ 3 UGB analog)
 Gemischte Geschäfte zur Gänze unternehmensbezogen
 Vorbereitungsgeschäfte natürlicher Personen nicht erfasst (§
1 Abs 3 KschG, § 343 Abs 3 UGB)
116
Verbraucher und Unternehmer
FAGG
§ 1 iVm § 3
- Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge
zwischen Unternehmern und Verbrauchern
- Fernabsatzverträge
- Ausnahmen in § 1 Abs 2
KSchG
§3 Haustürgeschäfte <=> Auswärtsgeschäfte
§3a Rücktrittsrecht bei Nichteintritt maßgeblicher Umstände
117
Verbraucher und Unternehmer
• Informationspflichten
– § 5a KschG
– §§ 4 ff FAGG
118
Verbraucher und Unternehmer
• Rücktrittsrechte
– Unterschiedlicher Fristbeginn
– 2 Wochen Frist: § 3 KSchG, § 11 FAGG
– 1 Woche Frist: § 3a KSchG
119
Ausübung des Rücktrittsrechts (Je nach SV uU andere bzw
weitere Prüfschritte nötig)
• Verbraucher gegen Unternehmer auf Rückzahlung des
Kaufpreises gem § 14 iVm § 11 FAGG
1. Anwendungsbereich
• Verbrauchergeschäft (§ 1 KSchG)
• FAGG – Fernabsatz-/Auswärtsgeschäft (§ 1 iVm § 3
FAGG)
– Bei Auswärtsgeschäft =>§ 3 KSchG nicht anwendbar (§ 3
Abs 2 Z 4 KSchG
2. Keine Ausnahmen vom Rücktrittsrecht (§ 18 FAGG)
• zB Werkvertrag (§ 18 Abs 1 Z 3, verderbliche Waren Z 4)
3. Frist (§ 11 FAGG) – uU Fristverlängerungen
120
Subjektive Rechte und ihre Grenzen
Die Verjährung und ihre Funktion
• Selbstverantwortung
• Schutz der Erwartungen des Schuldners
• Prozessökonomie
• Rechtssicherheit
121
Die Verjährung
Beginn und Dauer
• Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem das
Recht „an sich schon hätte ausgeübt werden können“ (§ 1478)
Auf tatsächliche Kenntnis des Rechtes kommt es nicht an!
• Lange Verjährungsfrist: 30 Jahre (§ 1478)
 Für gewisse juristische Personen: 40 Jahre (§ 1472)
• Kurze Verjährungsfrist: 3 Jahre (§ 1486):
Beweisschwierigkeiten üblicherweise besonders hoch
 Schadenersatzansprüche: Ab Kenntnis von Schaden und Schädiger (§ 1489
Satz 1): maximal 30 Jahre
122
Die Verjährung
Unterbrechung § 1497
• Verjährung beginnt neu zu laufen
 Geltendmachung des Rechts durch Klage + gehörige
Fortsetzung
 Anerkenntnis des Verpflichteten
• Personenbezogen
123
Die Verjährung
Hemmung §§ 1494 ff
• Eingriff in den Beginn, Weiterlauf oder Ablauf einer
Verjährungsfrist
 Fortlaufshemmung (Verjährung „ruht“, nach Wegfall Ablauf der Restzeit)
 Ablaufshemmung (Frist läuft, Ablauf jedoch erst nach Wegfall eines
bestimmten Ereignisses - Nachfrist)

§ 1494 - Handlungsunfähige
124
Die Verjährung
Wirkung
• Einrede: Nicht von Amts wegen wahrzunehmen (§1501)
• Naturalobligation
125
Die Verjährung
Rechtsgeschäftliches Abweichen von gesetzlichen Fristen
• Verzicht und Fristverlängerung ist grundsätzlich unzulässig (§
1502)
•Verkürzungen ist grundsätzliche zulässig; beachte § 879
126
Präklusion
An den Fristablauf knüpft sich gänzlicher Rechtsverlust
•Es muss keine Einrede erhoben werden (amtswegig)
•Irrtümliche Zahlungen können zurückgefordert werden
•Aufrechnung mit präkludierten Forderungen kommt nicht in
Betracht
127
Repetitorium aus Zivilrecht
Allgemeiner Teil
Sebastian Wöss
[email protected]
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