PowerPoint-Präsentation - Fachbereich Physik

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TECHNISCHE UNIVERSITÄT KAISERSLAUTERN
Dr. Hans-Jochen Foth
(Dr. Bernd Schröder)
Fachkunde
im
STRAHLENSCHUTZ
Die Inhalte dieser Vorlesung + Praktikum wurden vom Ministerium für Umwelt des
Landes Rheinland-Pfalz als Basis für den Fachkundekurs für LehrerInnen offiziell
anerkannt.
Die Fachkunde-Bescheinigung ist bundesweit gültig.
Fachkunde im Strahlenschutz, Vorlesung + Praktikum, WS 2006/07
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TECHNISCHE UNIVERSITÄT KAISERSLAUTERN
Dr. Hans-Jochen Foth
(Dr. Bernd Schröder)
Dr. Hans-Jochen Foth
Fachbereich Physik
Büro: 56/259
Tel.: 205-4983
E-Mail: [email protected]
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Zur Organisation
Do 17.00 / 17.15 Uhr
1. Vorlesung
Termin
ggf. Alternative??
2. Praktikum:
Physikalisch-messtechnisches Praktikum,
ab Mitte Februar, 1 Nachmittag (4 h), nach Vereinbarung
3. Anwesenheit:
Anwesenheitspflicht!! (Anwesenheitsliste)
für Studierende, die eine offizielle Fachkundebescheinigung benötigen!
Anwesenheit + erfolgreicher Abschlusstest
= Fachkundebescheinigung
4. Abschlusstest:
MC-Klausur (mindestens 2/3 der erreichbaren Punkte!)
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Zur Organisation
5. Inhalt:
s. Verzeichnis
(ausführliche Information über naturwissenschaftliche Grundlagen,
rechtliche Aspekte, praktische Auswirkungen u.a.m.)
Problem: unterschiedliche Voraussetzungen
6. Ziele:
Vermittelung der für die Tätigkeit im Strahlenschutz erforderlichen
Fachkenntnisse und Fähigkeiten sowie des einschlägigen Gesetzeswissens = Fachkunde im Strahlenschutz
Aber auch: Realistische Einschätzung diverser Strahlen-ExpositiosGefährdungen, Möglichkeiten des Strahlenschutzes sowie der
Genauigkeit kernphysikalischer Messmethoden!!
7. Weiterführung: Grundkurse im StrlSch nach StrlSchV bzw. RöV
(z.B. TAS-Kurs im März 2007)
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Fachkunde im Strahlenschutz für Lehrer
Lehrer, die im Unterricht selbständig mit Quellen ionisierender
Strahlung (radioaktive Präparate mit A > FG oder Röntgenstrahlquellen umgehen wollen, müssen gemäß Richtlinien der
StrlSchV (Fachkundegruppe 6) und RöV (Fachkundegruppe 4)
fachkundig sein!
Fachkunde
=
geeignete
Berufsausbildung
=
Lehrer-Staatsexamen
+
einschlägiges Gesetzeswissen sowie der Tätigkeit entsprechende
Fachkenntnisse
 Anwesenheit + erfolgreicher Abschlusstest
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Literaturhinweise
 Verordnungen, kommentierte Verordnungen
 Allgemeine, ausführliche Monographien
 Taschenbücher
 Ständig aktualisierte „Loseblatt“-Sammlungen
 Spezial-Literatur
Literaturliste
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Inhaltsverzeichnis
1. Allgemeine physikalische und biologische Grundlagen
2. Grundlagen der Strahlenphysik
3. Strahlenmesstechnik
4. Abschirmung ionisierender Strahlung
5. Strahlenbiologische Grundlagen (Dr. Möhlmann)
6. Natürliche und zivilisationsbedingte Strahlenbelastung des Menschen
7. Kurze Risikobetrachtung zur Strahlenexposition
8. Strahlenschutzrecht
8.1 Rechtliche Grundlagen
8.2 Anzeige und Genehmigung des Umgangs mit radioaktiven Material
8.3 Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende
Strahlen (Strahlenschutzverordnung –StrlSchV–)
8.4 Die Röntgenverordnung –RöV–
8.5 Stellung und Pflichten des Strahlenschutzverantwortlichen und –
beauftragten
9. Praktische Auswirkungen der Strahlenschutz– und Röntgenverordnung
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Voraussichtliche Termine
09.11.06 Einführung, Grundlagen, Atomkerne und ihre Strahlung
16.11.06 Röntgenstrahlung,
Größen und Einheiten der Strahlenschutzmesstechnik
30.11.06 Aufbau und Funktion von Strahlungsmessgeräten
14.12.06 Abschirmung ionisierender Strahlung
11.01.07 Strahlenbiologie (Dr. Torsten Möhlmann, FB Bologie)
25.01.07 Risikobetrachtungen
08.02.07 Strahlenschutzrecht
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Strahlenschutz
Strahlenschutz
gegenüber
Strahlenschutz
gegenüber
Ionisierender Strahlung
nichtionisierender
Strahlung
UV-Strahlung
Photonen
E = h    15 eV
(harte UV-, Röntgenund -Strahlung
LASER
Mikrowellen
Teilchen
VHF (Mobilfunk)
(-, -, nStrahlung u.a.m)
Verhinderung von
Schäden und Funktionsstörungen
niederfrequente
Strahlung
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1. Historische Übersicht über die Physikalischen Grundlagen
1895 RÖNTGEN: Entdeckung der „Materiedurchdringenden X-Strahlen“
d.h. der Röntgenstrahlung
1896 BECQUEREL: Entdeckung der natürlichen Radioaktivität
(Uransulfat sendet unsichtbare Strahlung aus, die die Photoplatte schwärzt)
1897 MARIE CURIE: Radiaktivität und Strahlung haben nichts mit Chemie zu tun,
Entdeckung von Radium und Polonium
1899 RUTHERFORD: , ,  - Strahlung identifiziert
1911 RUTHERFORD: Nachweis der „harten“ Kerns (Planetenmodell des Atoms)
1919 RUTHERFORD: Erste Kernreaktion (N14 (, p) 017)
1932 CHADWICK: Entdeckung des Neutrons
1938 HAHN-STRASSMANN: Nachweis der Kernspaltung
1943 FERMI: Kontrollierte Kettenreaktion der thermischen Kernspaltung –
erster Kernspaltungsreaktor
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2. Historische Dokumentation von Strahlenschäden
1898 Erste Berichte über Hautschädigungen (Rötungen, Verbrennungen 1. Grades)
nach intensiver Röntgenbestrahlung. Typischer Fokussiertest für RöntgenBestrahlungsanordnungen: Kleiner oder großer roter Fleck auf der Handrückseite
1901 Becquerel berichtet über die Bildung eines Hautgeschwüres nach langem
Tragen eines Radiumpräparates
1902 Berichte über die Bildung bösartiger Geschwüre als Folge zu hoher
Bestrahlungs dosen
1903 Schädigung von Keimzellen für Strahlungsdosen nachgewiesen, die noch
nicht zur Rötung der Haut führen
SPÄTER: Berichte über die sogenannte „Bergkrankheit“ im erzgebirgischen
Uranbergbau (Lungenkrebs durch Einlagerung von radioaktivem Staub)
Berichte über typische Erkrankungen im Bereich des Mundes, Kehlkopfes und der Lunge in der Leuchtstoffindustrie (Strahlenkrebs)
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2. Historische Dokumentation von Strahlenschäden
1949-54 42 gemeldete Strahlenschäden in Deutschland (100% Röntgenstrahlung)
1942-55 49 gemeldete Strahlenunfälle (2 Tote) aus dem Bereich der
Kernspaltung, Kernindustrie – „Manhattan-Projekt“
1950-89 5300 als Berufserkrankung anerkannte Lungenkrebserkrankungen bei
der DSAG „Wismut“.
1950-90 342 zugeordnete Strahlenkrebstote als Spätschäden der
Kernwaffeneinsätze in Hiroshima/Nagasaki
1986
20 direkte Strahlenopfer Tschernobyl
HEUTE: > 95% der zivilisatorisch bedingten Strahlenbelastung der gesamten
Bevölkerung resultiert aus der Röntgendiagnostik
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3. Gesetzliche Regelung zur Beschränkung der Strahlenbelastung
Lange Zeit nur Verhaltensregeln beim Umgang mit Strahlung
durch nationale Berufsverbände
1920
Forderung der Ärzte nach einer gesetzlichen Regelung für
den Umgang mit Röntgenstrahlen
1940
Erste berufsgenossenschaftliche Strahlenexpositionsbegrenzung:
250 mR/Tag = Schwellwert, Toleranzdosis
1941
1. Röntgenverordnung
(RöV) für den nichtmedizinischen Bereich
1950
Strahlenexpositionsbegrenzung: 300 mR/Woche
1956
Maximale Strahlenexposition für beruflich strahlenexponierte
Personen Kat. A: 5 R/a  50 mSv/a
1960
1. Strahlenschutzverordnung
(StrlSchV)
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3. Gesetzliche Regelung zur Beschränkung der Strahlenbelastung
2
1965
Neue Fassung der 1. StrlSchV
1967
2. Strahlenschutzverordnung (inkl. Regelung für Schulen)
Erkenntnis: Es gibt keinen Schwellwert für
absolut unschädliche Strahleneinwirkung,
bereits ein  - Quant kann Schäden hervorrufen!
Maximal zulässige Dosis = Dosis, die toleriert werden
kann, ohne größeren Schaden zu befürchten
300 SV – Konzept für die unkontrollierte Bevölkerung, höher zulässige Dosiswerte nur bei Überwachung
1973
Allgemeine Röntgenverordnung (RöV), erstmals auch
gültig für Mediziner (mit 10jähriger Anpasszeit!)
1965
Neue StrlSchV: Grundsatz: Die Strahlenexposition ist
„so gering wie möglich“ zu halten
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1986
1986
Strahlenschutzvorsorgegesetz (StrlSchVG)
Gesetz
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3. Gesetzliche Regelung zur Beschränkung der Strahlenbelastung 3
Neue Röntgenverordnung (RöV)
(noch heute mit Änderungen gültig!)
1989
Neue Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)
Konzept der effektiven Äquivalent-Dosis nach (ICRP 1979)
1990/1991 Ausführliche ICRP-Studie (Grundsatzempfehlung Nr. 60!)
zur 40-jährigen Nachuntersuchung der Kernwaffenopfer von Hiroshima
und Nagasaki; neue Erkenntnisse über die Langzeitwirkung der Strahlenexposition (nur für E, Heff > 300 mSv)
Ständige Zunahme des Alterskrebses nach einem Strahlungstrauma
 neue Rechenmodelle, Vorschlag zur Reduzierung/Begrenzung der
„Berufslebens “ – Dosis.
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3. Gesetzliche Regelung zur Beschränkung der Strahlenbelastung 4
2001
Neue Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)
Viele Neuerungen/Änderungen durch Vorgaben der EU (z.B. EUGrundnormen-Richtlinie EURATOM 96/29)
 Begrenzung der Lebenszeitdosis, reduzierte Jahresexpositionen,
reduzierte Genehmigungsgrenzen, 5-jährige FK-Erneuerung , Berücksichtigung der Exposition aus natürlichen Strahlungsquellen u.a.m.
2002
Neufassung/wesentliche Änderung der Röntgenverordnung (RöV)
Viele Neuerungen/Änderungen durch Vorgaben der EU (z.B. EUPatienten-Richtlinie EURATOM 97/43), zum großen Teil Übernahme der neuen Regelungen der StrlSchV von 2001
 Rechtfertigungsprinzip, Genehmigungserweiterungen u.v.a.m.
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Praktischer Strahlenschutz
=
Schutz des Menschen
Personen, die direkt mit Quellen
ionisierender Strahlung beschäftigt sind.
 Überwachungsbereich,
 Kontrollbereich
 Sperrbereich
Schutz vor Bestrahlung von außen
„Vier A-Regel“
Abstand  groß
Aufenthaltszeit  klein
Abschirmung dick
Aktivität  klein
Personen außerhalb des Betriebes
 ggf. Überwachungsbereich
 allg. Staatsgebiet
Direkte Strahlung, Abluft, Abwasser
(300 µSv-Konzept)
Schutz vor Bestrahlung von innen =
Inkorporation
 Inhalation
 Ingestion
 Haut- und Wundkontamination
Kontrolle und Überwachung
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2. Grundlagen der Strahlenphysik
2.1 Vorbemerkungen
• Die der Strahlenphysik zugrundeliegenden physikalischen Phänomene,
Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge sind äußerst vielfältig und
teilweise sehr kompliziert.
• Im Rahmen dieser Vorlesung kann nur auf die wesentlichen physikalischen
Grundlagen der Strahlenschutz-relevanten Kernphysik eingegangen werden.
• Es wird deshalb trotz der angestrebten Selbstkonsistenz eventuell notwendig
sein, ein etwas ausführlicheres Lehrbuch zur Hand zu nehmen.
In den „Grundlagen der Strahlenphysik“ soll erklärt werden:
 Ursache der Strahlung  natürliche oder künstliche Radioaktivität
 Wechselwirkung von hochenergetischen Teilchen mit
Materie ( Röntgenstrahlung, Störstrahlung u. a. m.),
 Welche Arten gibt es  verschiedene Arten von Teilchenstrahlung,
 elektromagnetischer Wellenstrahlung)
 Welchen Gesetzmäßigkeiten unterliegt sie?
Die Wechselwirkung von Strahlung mit Materie, d. h. die Absorption
der Strahlung und ihre Folgen wird in den Kap. 4-7 behandelt.
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2.2 Radioaktivität
Was ist Radioaktivität?
1896 Becquerell: Uransalzkristalle senden unsichtbare Strahlung aus!
1898 Marie und Pierre Curie: Entdeckung von „Radium“ = „das Strahlende“
„Radioaktivität“ = Strahlungsaktivität
= (statistische) physikalische Eigenschaft von
von bestimmten Elemente/Atomen (Kernen)
 sog. „Radionukliden“
1899 Rutherford: α-, β- und γ-Strahlung durch Streuversuche identifiziert
Radioaktivität ist ein physikalischer Prozess, der in bestimmten, instabilen
Atomkernen stattfindet! Die Instabilität kann entweder noch von der Entstehung
unseres Sonnensystems herrühren  “natürliche Radioaktivität“ oder
durch zivilisatorisch bedingte Kernumwandlungsprozesse (Kernreaktor, Beschleuniger) erzeugt werden  sog. „künstliche Radioaktivität“
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Die Instabilität der Kerne führt durch Aussendung von radioaktiver Strahlung
zu einer Kernumwandlung, die radioaktiver Zerfall genannt wird.
Der radioaktive Zerfall ist ein physikalischer Prozess, der mit statistischer
Gesetzmäßigkeit abläuft. Für die Wahrscheinlichkeit W des Zerfalls gilt:
WZerfall   t
WZerfall = l ·  t
wobei l die Proportionalitätskonstante, die sog. Zerfallskonstante ist.
Sie ist ein Maß für die relative Häufigkeit des radioaktiven Zerfalls.
Für die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kern nicht zerfällt, gilt dann:
1 – WZerfall = 1 – l ·  t
Die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Kerns nach n Zeitintervallen ist gegeben durch:
(1 – WZerfall) n = (1 – l · Δ t) n
Ist n  t = t die Gesamtzeit, so gilt als Grenzwert für die Wahrscheinlichkeit,
dass ein Kern nicht in dieser Zeit t zerfällt:
lim (1 - l·t/n) n = e - l·t
n
∞
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Werden N0 radioaktive Kerne betrachtet, so gilt für den
Bruchteil N(t), der nicht in der Zeit t zerfallenen Kerne:
N(t) / N = e–l · t oder N(t) = N e– l · t
0
0
Diese Gesetzmäßigkeit wird als Zeitgesetz des radioaktiven
Zerfalls oder kurz als Zerfallsgesetz bezeichnet. l = Zerfallskonstante
Ist gerade die Hälfte der Ausgangskerne zerfallen, d. h. N(t) = N0/2, so gilt:
t1/2 = TH = ln 2/l = 0,693/l TH = Halbwertszeit
Das Maß für die Radioaktivität einer Strahlungsquelle ist die sog. Aktivität A
(oder Präparatstärke), das sind die Anzahl der radioaktiven
Zerfallsereignisse pro Zeiteinheit, die in der Quelle stattfinden.
Es gilt:
A = – dN/dt = l  N
Die Aktivität wird in der Einheit Bq (Becquerel) = sec–1 gemessen.
Wann ist nur noch 1/1000 der Aktivität (Ausgangskerne) eines Nuklids vorhanden?
d. h. A = N(t) = A0/1000 = N0/1000  t ≈ 10 TH (210 = 1024!)
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Rechenbeispiel: Aktivitätsabgabe
Das Kernforschungszentrum Karlsruhe darf gemäß Genehmigungsauflage
bei den dort stattfindenden Forschungsarbeiten maximal die Aktivitätsmenge
A = 185 MBq (5 mCi) des Jod–Isotopes 131J = J131
pro Jahr an die Umgebung abgeben. Wieviel Gramm sind das?
TH (J131) = 8 Tage
l = ln 2/TH = 0,693 / 8  24  60  60 = 10–6 sec–1
N = A / l = 185  106 / 10–6 = 1,85  1014 Atome
1 Gramm-Atom J131 = 131 g  6  1023 Atome
Abgabemenge J131 = 1,85  1014  131 / 6  1023 = 4  10–8 g
Das ist zwar eine sehr geringe Menge, aber mit den äußerst empfindlichen
kernphysikalischen Messtechniken können Aktivitäten von wenigen
Becquerel, d. h. weniger als 10–14 g J131 noch nachgewiesen werden.
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2.3 Eigenschaften der Atomkerne
Das Atom,das aus dem kleinen, positiv geladenen Kern und der umgebenden
Elektronenhülle besteht, hat einen Durchmesser von einigen 10–10 m.
Der Kern besteht aus sog. Nukleonen, er ist nur ca. 10–15 m groß. Bei den Nukleonen
unterscheidet man positiv geladene Protonen und elektrisch neutrale Neutronen.
Die Massen m und Ladungen q von Elektronen, Protonen und Neutronen betragen:
Elektron: qe = – 1,6  10–19 C,
me = 9,109  10–31 kg
Proton:
qp = + 1,6  10–19 C,
mp = 1,67239  10–27 kg
Neutron:
qn = 0 C
mn = 1,67470  10–27 kg
Aus dem Verhältnis der Massen von Proton und Elektron mp / me = 1836 folgt,
dass quasi die gesamte Atommasse im Kern konzentriert ist.
Es hat sich als zweckmäßig herausgestellt, die Massen von Nukleonen
und Atomkernen in atomaren Masseneinheiten (AME) auszudrücken.
Eine atomare Masseneinheit ist definiert durch:
1 AME = 1 a.u. = 1 u = 1/12 x Masse des Kohlenstoffatoms 12C
1 u = 1,66044  10–27 kg
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Durch die Einsteinsche Äquivalenzbeziehung (Masse–Energie–Äquivalent)
E = m  c2
kann die Masse m mit Hilfe der Lichtgeschwindigkeit c in Energie E
ausgedrückt werden. Es entspricht:
1 AMU = 1 u = 931,478 MeV
wobei die Energieeinheit 1 MeV = 106 eV = 106  1,6  10–19 J beträgt
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Zur Beschreibung eines Atomkerns werden folgende Größen/Zahlen verwendet :
Ordnungszahl Z:
Da das Atom elektrisch neutral ist, muss die Anzahl
der Protonen im Kern gleich der Anzahl der Elektronen in der Hülle sein.
Diese Zahl, die Ordnungszahl Z, bestimmt das chemische Verhalten.
Nukleonenzahl A, Massenzahl M:
Die Gesamtzahl der Nukleonen im Kern (Protonen und Neutronen) wird Nukleonenzahl
A = Z + N genannt. Da die Masse eines Protons ungefähr gleich der eines Neutrons,
ungefähr eine atomare Masseneinheit u ist, wird A auch als Massenzahl M bezeichnet.
Neutronenzahl N: Die Anzahl der Neutronen N erhält man durch N = A – Z.
Die Beschreibung eines Atomkernes erfolgt über die Abkürzung
wobei X die Kurzform des chemischen Elementes ist.
A X,
Z
Die Atomkerne/ Nuklide in Nuklide gleicher Charakterisierungszahlen einteilen:
·
Isotope: Nuklide gleicher Kernladungszahl bzw. Ordnungszahl Z
·
Isobare: Nuklide gleicher Massenzahl/Nukleonenzahl A = N + Z
·
Isotone: Nuklide gleicher Neutronenzahl N
·
Isomere: Nuklide mit gleichen A und Z, aber in unterschiedlichen Energiezuständen.
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Z.Z. sind ca.1900 Nuklide bekannt, aber nur 274 davon sind stabil (s. Bild 2.1).
Damit Nukleonen einen stabilen Atomkern bilden, muss für Z  2 die elektrostatische
Abstoßung zwischen den Protonen kompensiert werden. Dies erfolgt durch die sogenannten Kernkräfte oder starke Wechselwirkung, die zwischen den Nukleonen wirken
(p  p, p  n, n  n) und eine nur sehr kurze Reichweite von 10–14 m besitzen.
Im minimalen Abstand zweier Nukleonen von ca. 10–15 m ist sie allerdings
ca. 100 mal so groß wie die elektrostatische Abstoßung zweier Protonen. Bei
leichten Kernen sind Nuklide mit etwa gleicher Protonen– und Neutronenzahl stabil,
während bei schweren Kernen die Neutronenzahl größer als die der Protonen sein
muss, damit der Kern stabil ist. Verantwortlich für die Stabilität des Kerns ist die
Bindungsenergie der Nukleonen ,EB.
Diese Bindungsenergie ist letztlich eine Bilanz von bindenden Kernkräften (alle
Nukleonen) und abstoßenden Coulomb–Kräften (nur Protonen) unter Berücksichtigung der Kernstruktur.Sie kann in einem einfachen Modell, das den Kern wie ein
Flüssigkeitströpfchen behandelt („Tröpfchenmodell“), wie folgt dargestellt werden:
EB = EB (0) + EB (1) + EB (2) + EB (3) + EB (4)
mit EB(0) = Volumen–Term (Kernkraft) , EB(1) = Oberflächen–Term (Kernkraft)
EB(2) = Coulombabstoßung,
EB(3) = Asymmetrie–Term ( (N–Z)2)
EB(4) = Paarungs–Energie–Term
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N–Z–Diagramm der bekannten
Atomkerne (Nuklide). Die Pfeile
markieren die Verschiebung
der Kerne bei den verschiedenen
Zerfallsarten (s. Kap. 2.4).
Der schraffierte Bereich
kennzeichnet die bisher be
kannten Nuklide, Punkte
stellen stabile Atomkerne dar.
Oberhalb von Z = 92 existieren
nur künstlich erzeugte Kerne
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Aus der Bilanz der Kräfte folgt unter Berücksichtigung ihrer Stärke und Reichweite, dass die
Bindungsenergie je Nukleon bei kleinen Kernen mit jedem hinzukommenden Nukleon stark
ansteigt.
Bei großen Kernen bringt das Hinzufügen eines Protons im Nahbereich Gewinn an Bindungsenergie, bewirkt aber im Fernbereich letztlich mehr abstoßende Kräfte. Deshalb nimmt die
Bindungsenergie je Nukleon des Gesamtkerns für große M oder Z leicht ab.
Kerne mit M > 250 sind nicht mehr stabil, weil ein weiteres Proton (nur bei diesem ist
die sehr einfache Argumentation anschaulich verständlich) von den bereits vorhandenen
ca. 100 Protonen des Kerns mehr Abstoßung erfährt, als durch die Bindungskräfte der
Oberflächennukleonen, an die es angelagert würde.
Die Bindungsenergie pro Nukleon beträgt, abgesehen von sehr kleinen Nukliden,
EB ≈ 8 MeV und besitzt im Bereich 20  Z  40 ihr Maximum.
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Mittlere Bindungs
energie pro Nukleon
EB/A als Funktion
der Massenzahl M
(Nuklidzahl A).
Als Beispiele sind
einige spezielle
Kerne eingetragen
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Die Bindungsenergie der Nukleonen wird gemäß der Einsteinschen Beziehung durch
„Masseumwandlung“ gewonnen. Bei der Atomkernsynthese tritt also ein Massenschwund auf, der als Massendefekt bezeichnet wird, Kerne sind deshalb leichter
als die Massensumme ihrer Bestandteile (s. Beispiel).
Rechenbeispiel: Massendefekt des Kohlenstoffisotopes 12C
(p + n + e) = 6 mp + 6 mn + 6 me
= 6  1,0072852 u + 6  1,0086654 u + 6  0,0005486 u = 12,0989958 u
M = (p + n + e) – m (12C) = 12,0989958 u – 12 u
M = 0,0989958 u = 1,643766  10–28 kg
E = M  c2  1,48–11 kg  m2  s–2 92,3 MeV *)
EB(Kern) = E – EB (e–) **)  E
EB/A = 7,69 MeV/Nukleon
*)1
kg m2 s–2 = 6,24 . 1018 eV
**)
EB(e–)  534 eV
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Es ist daher leicht ersichtlich, dass beim Zusammenfügen von Kernbauteilen bzw.
leichten Kernen Energie gewonnen werden kann, weil die Bindungsenergie je
Nukleon größer wird (es wird Masse in Energie umgewandelt = Massendefekt)
 Energieerzeugung durch Fusion (Zusammenfügen) leichter Kerne
 Fusionsreaktor der Zukunft
Bei schweren Kernen kann durch Spaltung (Fission)
Energie erzeugt werden kann, weil die Bindungsenergie je Nukleon der entstandenen
 mittelgroßen Kernbruchstücke größer ist als die des Ursprungskerns!
 Kernspaltungsreaktor (bereits seit 50 Jahren realisiert).
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2.4 Verschiedene Arten des radioaktiven Zerfalls
Der instabile Kern des Ausgangsnuklids (Mutternuklid mit A, N, Z) zerfällt unter
Aussendung unterschiedlicher Strahlung in den Kern des Zwischen– oder
Endnuklids (Tochternuklid mit A *, N *, Z *).
Mit den verschiedenen Strahlungsarten sind charakteristische Übergänge
im N, Z, A – Diagramm verbunden.
Übersicht über die verschiedenen Arten des radioaktiven Zerfalls
Es wird zwischen langsamen Zerfällen  TH  10–7 s ... 1011 a und schnellen
Zerfällen  TH  10–12 ... 10–7 s unterschieden. Langsame Zerfälle erfolgen
i. d. R. über die Emission geladener Teilchen.
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–Zerfall, isomere Kerne
Das End– bzw. Zwischennuklid liegt nach erfolgter Teilchenemission (langsamer
Zerfall) gewöhnlich nicht im Grundzustand vor. Normalerweise entsteht ein Nuklid
im angeregten Zustand. Dieser angeregte Zustand des End– bzw. Zwischennuklids
geht i. d. R. in schnellen Übergängen unter Aussendung von –Strahlung in den
Grundzustand des End– bzw. Zwischennuklids über (schneller –Zerfall).
Der Zerfallsprozess ist beendet, wenn entweder direkt oder über verschiedene
Zwischenkerne und Anregungszustände ein stabiler Endkern im Grundzustand
entstanden ist.
Isomere Kerne sind (durch vorangehenden langsamen Zerfall entstehende) metastabile „quasiangeregte“ Kernzustände mit TH  10–7 s.
Diese Kerne sind aber nicht einfach angeregte Zustände, sondern
unterscheiden sich bei gleicher Nukleonenzahl (= isomer) durch
eine unterschiedliche Nukleonenkonfiguration vom stabilen Grundzustand. Diese Nukleonenkonfiguration entspricht einem metastabilen
Zustand höherer Energie (Instabilität), dessen Umordnung Zeit erfordert (metastabil!) und der schließlich durch –Emission (sog.
langsamer/verzögerter –Zerfall) in den (stabilen) Endzustand
aufgehoben wird.  wichtiges Beispiel: Tc 99m (TH = 6h)
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––Zerfall von Kernen mit Neutronen–Überschuss
Bei Kernen mit Neutronen (n)–Überschuss wird praktisch
ein Neutron des Mutternuklids in ein Proton und ein Elektron
umgewandelt, wobei aus Erhaltungsgründen (der Leptonenzahl) neben dem Elektron ein weiteres Teilchen, das
Antineutrino, emittiert wird. –Zerfälle werden durch
die sog. schwache Wechselwirkung verursacht.
n  p +e +  e
–
K
A
Z
.
K +e – +  e
A
Z+1
–
J  131
Xe
+e
+ e
54
131
53
––Zerfall = ––Strahlung hat eine kontinuierliche Energieverteilung
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-
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In der Nuklidkarte
„ rot“
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+–Zerfall oder Elektroneneinfang von Kernen mit Neutronen–Defizit
oder Protonen-Überschuss
Kerne mit Neutronen–(n–)Defizit bzw. Protonen–(p–)Überschuss können ihre dadurch bedingte Instabilität durch eine
p  n–Umwandlung aufheben. Wegen der größeren Masse
(Ruheenergie) des Neutrons ist diese Umwandlung jedoch nur
möglich, wenn der Kern über einen Energieüberschuss
(geeignete energetische Verhältnisse bzw. Kernstruktur) von
ca. 1 MeV verfügt ( +–Zerfall) oder sich ein Elektron der
Hülle (meist aus der innersten sog. „K–Schale“) einfängt
(K–Einfang oder EC = electron capture).
p + e–  n + e
p + (1MeV)  n + e+ + e
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Beim +–Zerfall wird ein sog. Positron (positiv geladenes Anti–Teilchen
zum Elektron) und ein Neutrino emittiert. Die Energiebilanz beim +–Zerfall ist ähnlich wie beim ––Zerfall, auch hier kann die bei der Umwandlung
freiwerdende Energie EB auf das +–Teilchen und das Neutrino verteilt
werden. Für den Strahlenschutz ist das Neutrino wieder ohne Bedeutung,
das Positron weist gegenüber dem Elektron jedoch eine für den Strahlenschutz wichtige Eigenschaft auf. Trifft das Positron auf Materie, reagiert
es als sog. Antimaterieteilchen sofort mit einem Elektron.
Positron und Elektron vernichten sich gegenseitig unter Aussendung sog.
Vernichtungsstrahlung. Das heißt, das Masseäquivalent beider Teilchen
und ihre eventuell vorhandene kinetische Energie wird in zwei (aus Impulserhaltungsgründen) –Quanten umgewandelt. Diese –Vernichtungsstrah
lung ist sehr hart, da ihre Mindestenergie (bei Ekin(+) = 0) bereits 0,511 MeV
beträgt. Sie ist sehr durchdringend und muss für den Strahlenschutz berücksichtigt werden.
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Verfügt der Mutterkern nicht über die ausreichende Energie, um den p–Überschuss
durch +–Strahlung abzubauen, kann der Kern sich durch sog. Elektroneneinfang
stabilisieren. Dabei werden Elektronen der niedrigsten Energiezustände (innersten
„Schalen“, meist K–Schale  K–Einfang) eingefangen. Aus Teilchen– und Energie
erhaltungsgründen muss dabei ein Neutrino emittiert werden, das die freiwerdende
Energie übernimmt. Führt der Elektroneneinfang zu einem Tochternuklid im Grund
zustand, ist für den Strahlenschutz nur die charakteristische Röntgenstrahlung
relevant, die dadurch entsteht, dass Elektronenübergänge in der Elektronenhülle
erfolgen, bei denen freiwerdende, innere Elektronenzustände wieder besetzt werden
(meist in sog. Kaskaden).
+–Zerfall und EC finden oft als sog. Konkurrenzprozesse statt (s. Prozentangaben
hinter dem jeweiligen Prozess). Bei Kernen mit großer Ordnungszahl überwiegt EC,
während bei kleinem Z sowohl EC als auch +–Emission stattfindet.
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Beispiele für reinen bzw. gemischten +–Zerfall und EC sind:
EC 100%
Fe  Mn +
55
26
55
25
2,6 a
 + 100%
Na  Ne + e + + 
22
11
2,62 a
 + 11% , EC 79%
22
10
Be  Li + e + + 
7
4
53,4 d
7
3
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In der Nuklidkarte
„ blau“
+, EC
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Energieverteilungen der emittierten -Teilchen beim - und +–Zerfall :
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–Zerfall schwerer Kerne
Bei schweren Kernen wird die Emission von sog. Alpha–Teilchen
beobachtet, die aus zwei Protonen und zwei Neutronen bestehen.
Diese Nukleonenkonfiguration, die dem Kern des 4He–Atoms entspricht, ist besonders stabil (EB = 28,4 MeV; 7,1 MeV/Nukleon).

K 
A
Z
z. B.
A– 4
Z–2
1
4
2
K + He

U  234
90Th + 
238
92
4,5  108 a
In der hohen Stabilität der (2p + 2n)–Konfiguration, die z. B. zu –artiger Clusterung
von Nukleonen in Kernen führt, liegt die Ursache für den –Zerfall. Für schwere
Kerne A  150 ist es nach dem Tröpfchenmodell energetisch günstiger, ein –Teilchen abzustoßen, als die Nukleonen im Kern zu behalten. Zwar ist für A  150 die
mittlere Bindungsenergie pro Nukleon immer noch deutlich größer als 7,1 MeV/Nukleon aber die an der Kernoberfläche liegenden Nukleonen sind schwächer gebunden
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Energiebilanz des –Zerfalls:
EB AZK = E B
A– 4
Z–2
K + EB 42He + Ekin 
Aus der Energiebilanzgleichung des –Zerfalls ergibt sich, dass –Teil
chen ein diskretes Energiespektrum besitzen müssen, die gesamte Über
schussenergie EB wird i. d. R. auf das –Teilchen übertragen
Die –Emission ein Paradebeispiel für den quantenmechanischen Tunneleffekt (Theorie von Gamov). Je höher die –Teilchen–Energie ist, um so
geringer ist die Halbwertszeit des –Strahlers (Geiger-Nutallsche Regel)
2,1  1015 a
Beispiele:
Nd 
Ce +  +1,83 MeV
144
60
0,3 s
Po 
212
84
140
58
Pb +  +8,78 MeV
208
82
–Strahler mit mittleren TH haben Energien 4 MeV < E  < 7 MeV
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
In der Nuklidkarte
„ gelb“
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Kernspaltung
Neben den bisher beschriebenen „klassischen“ Zerfallsarten besteht für schwere
Kerne die Möglichkeit, sich spontan zu spalten (engl.: spontanious fission, sf).
Die Ursache für diese Spaltung liegt im Bindungsenergiegewinn, der gemäß EB = f(M)
bei der Spaltung eines schweren Kernes in zwei Teilkerne anfällt. Theoretisch besteht
ab ca. M = 100 die Möglichkeit der Spaltung mit Energiegewinn, praktisch wird sie erst
ab M = 230 beobachtet. Spontane Kernspaltung stellt für einen instabilen Kern eine
Möglichkeit dar, sich zu stabilisieren. Sie tritt daher neben anderen Zerfallsarten auf
sf
und wird für sehr schwere
Kerne
K M (Z
100 98)
+ K dominant.
M  140 + 3n  25 sf–Prozesse pro g und h
8  1015 a

Pu 
238
94
86 a
1
2
U+
234
92
 K1 + K2 + 3n
sf
5  1010 a
Md  K1 + K2 + 3n
256
101
sf
1n
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2.5 Kernreaktionen, Nuklidkarte, Isotopentabelle
Strahlungsaktivität kann entweder auf natürliche oder sog. künstliche
Radioaktivität zurückgeführt werden. Künstliche Radioaktivität bedeutet
die Erzeugung instabiler Kerne durch sog. Kernreaktionen.
Kernreaktionen werden in folgender Weise angegeben:
Targetkern (Beschussteilchen, emittiertes Reaktionsteilchen) Endkern
Die Reaktion 19F(, p) 22Ne bedeutet, dass beim Beschuss von F–19 mit
–Teilchen Ne–22 entsteht und Protonen emittiert werden.
Die für die praktische Arbeit benötigten detaillierten Informationen über
Radionuklide können gezielt aus der Nuklidkarte bzw. aus den sog.
Isotopentabellen entnommen werden.
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K 40
0,0118
1,27  10 9a
- 1,3
,  + . . .
 1,46  70
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Die Nuklidkarte (z. B. des Kernforschungszentrums
Karlsruhe) enthält in einem relativ kompakten Kartendiagramm alle bekannten stabilen (schwarz markiert)
und radioaktiven Isotope. Die Kästchen enthalten:
das Isotop
die Isotopenhäufigkeit (in %);
die Halbwertszeit;
die Art des Zerfalls (farbige Unterlegung der Kästchen)
die Art der emittierten Strahlung;
den Wirkungsquerschnitt für thermische Neutronen
die häufigsten (maximalen) –, –, –Energien
Folgende Nuklide werden unterschieden:
•
•
•
•
•
Primordiale Radionuklide
Kosmogene Radionuklide
Medizinische Radionuklide
Nuklide für die Kernmesstechnik
Abfallnuklide der Kernenergietechnik
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Darstellung der Kernübergänge, die mit den verschiedenen
Zerfallsarten im N, Z, A – Diagramm verbunden sind
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Die Isotopen–Tabellen enthalten das genaue Termschema des Zerfalls
mit allen möglichen –, –, –, EC–, IC–Übergängen und den zugehörigen
Energien; die relativen Häufigkeiten (Übergangswahrscheinlichkeiten)
bei Parallelprozessen (Aufspaltung EC und + u. a. m.).
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2.6 Röntgenstrahlung
Ionisierende Strahlung entsteht entweder, wie in den vorangehenden Abschnitten geschildert, durch die verschiedenen Arten von Radioaktivität
oder wird gezielt (Röntgenstrahl–, Beschleunigerquellen) bzw. ungewollt
(Störstrahler) in Anlagen mit beschleunigten Ladungen bis hin zu superheißen Plasmen (Sternen) erzeugt.
Die Röntgenstrahlung wurde 1895 durch Röntgen bei Arbeiten über Eigenschaften von Kathodenstrahlen entdeckt und X–Strahlen (heute noch engl.:
X–ray) genannt. Erst 1912 wurde von v. Laue, Friedrich und Knipping
durch Beugung der Strahlen an Kristallen nachgewiesen, dass es sich bei
der Röntgenstrahlung um elektromagnetische Wellen handelt.
Eigenschaften und Wirkung der Röntgenstrahlen sind identisch mit denen von –Strahlung gleicher Energie, beide Strahlungsarten unterscheiden sich nur durch ihren Ursprung. Während Röntgenstrahlung bei Übergängen der Hüllen–Elektronen des Atoms
(charakteristische Röntgenstrahlung) oder durch unelastische Wechselwirkung geladener Teilchen mit dem Coulombfeld der Kerne (Bremsstrahlung) ausgesendet wird, entsteht –Strahlung bei Übergängen zwischen verschiedenen Kernzuständen.
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