Claudine von Villa Bella D 239 (1815)

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LEITUNG: MICHI GAIGG
LINZ • AUSTRIA
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Franz Schubert (1797-1828)
Claudine von Villa Bella D 239 (1815)
(Fragment eines Singspiels in 3 Akten, mit musikalisch-theatralischen Ergänzungen,
wie z.B. Sinfonie Nr. 3 D-Dur D 200, Schuberts “Italienische”)
Text von Johann Wolfgang von Goethe
Alonzo, Herr von Villa Bella – N.N., Bass
Claudine, seine Tochter – Dorothee Mields, Sopran
Lucinde, seine Nichte – Ulrike Hofbauer, Sopran
Pedro von Castellvecchio – Jan Kobow, Tenor
unter dem Namen Pedro von Rovero
Carlos von Castellvecchio – Maximilian Kiener, Tenor
unter dem Namen Rugantino
Basco, ein Abenteurer – Reinhard Mayr, Bass
Chor der Vagabunden
L’Orfeo Barockorchester
Leitung: Michi Gaigg
Regie: Ches Themann
Dramaturgie: Christian Moritz-Bauer
Claudine von Villa Bella & Franz Schubert
Das Fragment einer Vollendung — die Vollendung eines Fragments
Goethe — der große Menschen-, Lebens-, Liebeskenner. Schubert — gerade einmal 18 geworden
— ist fasziniert, fasziniert von seiner Unbestechlichkeit, dem messerscharfen, desillusionierenden Blick — bei allem Charme. Wie seine Schaffenschronik der Jahre um 1815 zeigt, ist
Schubert auch Feuer und Flamme. Er trifft auf Goethes Werk — und wird sogleich der Falltüre
gewahr, die der Autor des Werther in das von Räuberromantik erfüllte Singspiellibretto
eingebaut hat. Was Schubert darunter erblickt, erscheint ihm wie ein Spiegel der eigenen Seele
— die scheinbar nichts sehnlicher erhofft, als das väterliche Haus, den Posten des Hilfslehrers,
mit Künstlerleben und frühem Eheglück einzutauschen. Goethe durch Schuberts Brille — ein
durch und durch österreichischer Blick und daher ein durch und durch österreichisches Stück —
heimlicher Wegbereiter jener kommenden, langen Reihe melancholisch-unglücklicher
Liebesstücke? Ein Hauch von Rosenkavalier, Raimund, Nestroy, Schnitzler weht einem
unwillkürlich um die Nase.
Ein Mädchen wird volljährig — der Vater richtet ein großes Fest aus. Eine Hochzeit liegt in der
Luft, der Bräutigam ist von Stand, angepasst, fast ein wenig langweilig. Da kommt sie gerade
recht, die Geschichte der Cousine, von einem Mann, der ihr im Walde begegnete und frei
heraus seine Liebe erklärte. Er ist ein Vagabund, ein Freigeist — am Vorabend des
Metternich'schen Polizeistaates bereits ein heißes Thema. Die Handlung ist nicht neu und folgt
— scheinbar — einem Cliché. Aber sie spielt ja beruhigenderweise in Sizilien...
Und so finden sich — wie immer — die Liebenden nach einer langen Reihe von dramatischen
Wirrungen zu einem Happy End — eine Hochzeit. Doch — nicht so bei Schubert — nun ja
eigentlich schon — aber — ist es Zufall? Ist es Schicksal? Das vollendete Werk — es ging verloren
— und so stehen wir mit Schubert nun doch auf geheimnisvolle Weise ohne eine Hochzeit da —
Schicksal? Zufall?
In einer szenischen Produktion wollen Michi Gaigg & Ches Themann diesem Geheimnis im Leben
Schuberts nachspüren — die Rekonstruktion eines vollendet(gewesen)en Werks. Das Wagnis der
Sichtbarmachung des Unhörbaren, nicht Vertonten, Verstummten durch Interpretation des
Verlorenen und durch ein Werk aus der symphonischen Musik wesensgleich ergänzten. — Der
Versuch der Inszenierung des Dramatischen eines undramatischen Werks — die Verschweißung
der Genres zum Abbild eines Gesamtwerks als eine zusammengehörende, umfassende
Selbstaussage. Die Idee — ein frühes Verstummen der menschlichen Stimme — zurück bleibt
wortlose und doch so sprechende Instrumentalmusik.
Ches Themann / Christian Moritz-Bauer, im Juni 2010
Im sogenannten „Liederjahr“ 1815 entstanden, stellt Claudine von Villa Bella D 239 die
insgesamt fünfte und bis dato weitaus ambitionierteste musikdramatische Tonschöpfung aus
der Feder des jungen Franz Schubert dar.
Der Ehrgeiz des gerade einmal 18-jährigen Privatschülers von Hofcompositeur Antonio Salieri
zeigt sich bereits in der Wahl des Textes: Es ist das einzige Bühnenwerk überhaupt, für das er
ein Textbuch jenes Dichters wählte, den er zu dieser Zeit über alles verehrte — Johann
Wolfgang von Goethe (dessen Dichtung 1774/75 als „Schauspiel mit Gesang“ entstanden und
1788 zu einem Singspiel umgearbeitet worden war).
D 239 ist mit seinen drei Akten aber auch das umfangreichste unter Schuberts Singspielen, oder
besser: das war es damals, zu seiner Zeit. Schubert hatte nämlich in den 1820er Jahren, als
seine Vorstellung von der Musik fürs Theater sich grundsätzlich wandelte (weg von der zumeist
leichten Kost, die in den Wiener Vorstadttheatern gepflegt wurde, hin zur heroischromantischen Oper), seinem Freund Josef Hüttenbrenner frühere Manuskripte überlassen,
Manuskripte, die zwar seinem „moderneren“ Geschmack nicht mehr entsprachen, die er aber
auch nicht einfach beiseite legen wollte — nämlich die Partituren von Des Teufels Lustschloss
(nach August von Kotzebue) und eben Claudine von Villa Bella. ln den Wirren des
Revolutionsjahres 1848 (Hüttenbrenner, damals Beamter des Finanzministeriums, sah sich
gezwungen die Stadt Wien aus Gründen des Selbstschutzes zu verlassen) sollen dann
Hausgenossen das Papier zum Ofenanheizen benutzt haben — so sind uns u.a. die Akte 2 und 3
der Claudine verlorengegangen.
Zu den musikalisch-theatralischen Ergänzungen
Was mag diesen beinahe unfassbaren Verlust zu kompensieren? Die Rekonstruktion zweier
Vokalnummern aus dem 2. und 3. Akt wohl nur zum Teil... Hingegen erweist sich ein zu
gleicher Zeit, im Juli 1815 geschaffenes Werk, Schuberts Sinfonie Nr. 3 D-Dur welche hier
gleich einer Schauspielmusik Anwendung findet, als wahre Goldgrube:
Der Allegro-Kopfsatz (zuerst maestoso, dann con brio) erweist sich als veritable
Zwischenaktmusik im Hinblick auf das weiterführende Geschehen. Es folgt ein Allegretto, das
Carlos von Castelvecchio alias Rugantino mimt, wie er sich mittels Verkleidung Zugang zum
Schlosse Alonzos verschafft, um seiner Lucinde nahe zu sein.
Die weiteren Sätze, ein Menuetto und das finale Presto, übereinstimmend vivace, stehen ganz
im Zeichen der Lösung des dramatischen Konflikts, die in der gegenseitigen Wiedererkennung
der Brüder Pedro und Carlos seinen Ausgang nimmt und schließlich (wie von Goethe gefordert)
dem Herrn Alonzo mittels einer musikalischen Pantomime begreifbar gemacht wird. Zudem
tritt an vierter und letzter Stelle unter den Sinfoniesätzen noch ein Novum im Schaffen Franz
Schuberts zutage, welches erst jüngst in seiner vollen musikgeschichtlichen Konsequenz bzw.
Tragweite erkannt wurde: Die durch den Tanzrhythmus der Tarantella erzielte Italianità greift
nicht nur der Uraufführung des Barbiere di Sivigla, sondern auch dem Rossini-Taumel, in den
Wien (gleichfalls 1816) durch das Gastspiel einer italienischen Operntruppe geraten sollte, um
ein ganzes Jahr voraus.
Zusammenfassung der Handlung (bei Goethe bzw. vor dem großen Verlust)
Claudine, die einzige Tochter des Alonzo von Villa Bella, feiert ihren 18. Geburtstag zusammen
mit ihrem Vater, ihrer Nichte Lucinde und Pedro von Castellvecchio auf Schloß Rocca Bruna in
Sizilien. Letztgenannter befindet sich auf der Suche nach seinem Bruder Carlos, der unter dem
Decknamen Rugantino nach Verlassen des Elternhauses zum Anführer einer Räuberbande
wurde. Carlos/Rugantino soll nämlich nun das Erbe seines verstorbenen Vaters antreten. Kurz
bevor sich Don Pedro auf die Suche begibt, gesteht er Claudine seine Liebe und erklärt ihr,
warum er sie vorübergehend verlassen muß. Lucinde versucht Claudine zu trösten, indem sie
ihre geheime Liebe zu einem schönen Fremden enthüllt. Im Gebirge bittet Rugantino seine
Räuber um Hilfe, seine geliebte Lucinde zu entführen. Einem führenden Bandenmitglied
namens Basco gefällt dieser Plan nicht. Nach einer Auseinandersetzung sind die Vagabunden in
ihrer Loyalität gegenüber Rugantino und Basco gespalten.
Der 2. Akt beginnt mit einem Ständchen von Rugantino und Pedro an die jeweilige Geliebte.
Die beiden Männer mißverstehen sich gegenseitig bezüglich des Gegenstands ihres Gesanges,
und es entbrennt ein Kampf, bei dem Pedro verwundet und auf Befehl Rugantinos in das Lager
der Vagabunden gebracht wird. Die durch das Kampfgetöse alarmierten Schloßwächter fangen
an, über das umgebende Gelände zu patrouillieren. Rugantino weigert sich jedoch, ohne
Lucinde das Gelände zu verlassen und erschleicht sich eine Einladung ins Schloß, indem er sich
Alonzo als Gast des Fürsten Rocca Bruna vorstellt. Im Schloß wird Rugantino von einem Diener
Pedros als Anführer der Vagabunden erkannt. Jedoch kann er der Gefangennahme entkommen:
Er packt Claudine und bedroht sie mit dem Tod, falls ihn Alonzo und seine Bediensteten nicht
loslassen. Schließlich gibt Alonzo nach, worauf beide Gefangene befreit werden.
3. Akt: In der Zwischenzeit hat Pedro einen der Vagabunden überredet, Claudine einen Brief zu
überbringen. Im Räuberlager erkennt Rugantino den verschleppten Pedro als seinen Bruder.
Nachdem Rugantino seinen wahren Namen enthüllt, werden die beiden Brüder endlich wieder
zusammengeführt. Auf dem Heimweg nach Villa Bella stoßen sie auf Claudine und Lucinde, die
sich zur Rettung von Pedro auf den Weg gemacht hatten. Die beiden Liebespaare werden
glücklich wieder vereint und kehren zu Alonzo ins Schloß zurück.
Satz- und Nummernfolge
Ouvertüre (E-Dur)
1. Akt
Nr. 1: Introduktion „Das hast Du wohl bereitet“ (Alonzo, Lucinde, Pedro) (C-Dur)
Nr. 2: Ensemble „Fröhlicher, seliger, herrlicher Tag“ (Lucinde, Alonzo, Pedro, Claudine, Chor)
(G-Dur)
Nr. 3: Ariette „Hin und wieder fliegen die Pfeile“ (Lucinde) (F-Dur)
Nr. 4: Arie „Alle Freuden, alle Gaben“ (Claudine) (C-Dur)
Nr. 5: Arie „Es erhebt sich eine Stimme“ (Pedro) (B-Dur)
Nr. 6: Ariette „Liebe schwärmt auf allen Wegen“ (Claudine) (D-Dur)
Nr. 7: Räuberlied „Mit Mädeln sich vertragen“(Rugantino, Vagabunden) (Es-Dur)
Nr. 8: Finale „Deinem Willen nachzugeben“(Rugantino, Basco, Vagabunden) (C-Dur)
--- Pause --Sinfonie Nr. 3 D-Dur D 200: Allegro maestoso -Allegro con brio
2. Akt
Allegretto
Nr. 9: Ariette „Liebliches Kind, kannst Du mir sagen“ (Rugantino)
3. Akt
Nr. 10: Duett „Mich umfängt ein banger Schauer“ (Claudine, Pedro)
Menuetto vivace
Presto vivace
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