Autoimmun polyglanduläre Syndrome

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M E D I Z I N
Autoimmun
polyglanduläre Syndrome
Arndt Vogel
Christian P. Strassburg
Georg Brabant
Michael P. Manns Aspekte zu Pathogenese, Prognose und Therapie
Zusammenfassung
Autoimmune Endokrinopathien sind durch eine
immunvermittelte Zerstörung endokriner Gewebe gekennzeichnet. Unterscheidet wird das
autoimmun polyglanduläre Syndrom Typ 1,
(Autoimmunes-Polyendokrinopathie-Kandidiasis-Ektodermales-Dystrophie-Syndrom [APECED])
und das autoimmun polyglanduläre Syndrom
Typ 2 (APS-2). Beim APECED-Syndrom liegen
mindestens zwei der drei typischen Krankheitskomponenten Nebennierenrindeninsuffizienz, Hypoparathryeoidismus und Kandidiasis
vor. APS-2 ist durch das gemeinsame Auftreten
verschiedener Autoimmunerkrankungen gekennzeichnet. Häufig besteht ein Diabetes mellitus, eine Nebenniereninsuffizienz und/oder eine Immunthyreopathie, es können aber sowohl
beim APS-2 als auch beim APECED-Syndrom
verschiedene andere Autoimmunerkrankungen
vorliegen. Im Gegensatz zum polygenetischen
A
utoimmune Endokrinopathien
sind durch eine immunvermittelte Zerstörung endokriner Gewebe gekennzeichnet. Sie treten gehäuft
als Autoimmunerkrankungen mehrerer endokriner Systeme in Kombination mit nichtendokrinen Autoimmunerkrankungen auf. Von Neufeld wurde
1980 folgende Klassifikation vorgeschlagen (31):
❃ Das autoimmun polyglanduläre
Syndrom Typ 1 (APS-1), auch Autoimmunes-Polyendokrinopathie-Kandidiasis-Ektodermales-Dystrophie-Syndrom
(APECED) genannt, ist durch das Vorliegen von mindestens zwei der drei typischen Krankheitskomponenten Nebennierenrindeninsuffizienz, Hypoparathryeoidismus und Kandidiasis gekennzeichnet. Verschiedene andere
Autoimmunerkrankungen sind häufig
mit dem APECED-Syndrom assoziiert
(Grafik 1).
❃ Das autoimmun polyglanduläre
Syndrom Typ 2 (APS-2) ist durch das
Auftreten einer Nebennierenrindeninsuffizienz, autoimmuner Schilddrüsenerkrankung und/oder Diabetes mellitus
A 1428
Hintergrund des APS-2 ist das APECED-Syndrom
mit Mutationen im autoimmunen Regulatorgen (AIRE) assoziiert. Bei endokrinem Funktionsausfall wird eine Hormonsubstitution angestrebt. Immunsuppressive Strategien könnten
bei APECED-Patienten erfolgversprechend sein.
Schlüsselwörter: Autoimmunerkrankung, APECEDSyndrom, Pathogenese, Genmutation, Therapiekonzept
Summary
Autoimmune Polyglandular Syndromes
Autoimmune polyglandular syndromes are
characterized by an immune-mediated destruction of endocrine tissues. Two syndromes are
distinguished, autoimmune polyglandular syndrome type 1 (autoimmune polyendocrinopathy
candiasis ectodermal dystrophy [APECED]) and
Typ 1 (Schmidt-Syndrom) definiert. Bei
den betroffenen Patienten liegen kein
Hypoparathryeoidismus und keine Kandidiasis, aber, ebenso wie bei APECEDPatienten, häufig zusätzlich weitere Autoimmunerkrankungen vor (Grafik 2).
Klinik
APECED-Syndrom
Das APECED-Syndrom ist eine seltene
autosomal rezessive Erkrankung und
tritt bei beiden Geschlechtern in ähnlicher Häufigkeit auf. Das Syndrom findet
sich mit einer höheren Prävalenz in drei
ethnischen Gruppen: Iranische Juden (1 :
9 000) (51), Finnen (1 : 25 000) (2) und
Sardinier (1 : 14 400) (40).In den meisten
europäischen Ländern wurden sporadisch Fälle identifiziert. Das APECEDSyndrom ist durch drei Krankheitskomponenten charakterisiert: Mukokutane
Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie (Direktor: Prof. Dr. med. Michael P. Manns) der
Medizinischen Hochschule Hannover
autoimmune polyglandular syndrome type 2
(APS-2). The presentation of APECED typically
includes candidiasis, hypoparathroidsm and
adrenocortical failure. The diagnosis is established when an individual exhibits at least two of
these major features. APS-2 is characterized by
the presence of autoimmune diseases of the
endocrine system such as diabetes mellitus,
adrenocortical failure and autoimmune thyroid
disease. However, APS-2 and APECED may
include several additional autoimmune disease
components. In contrast to APS-2, APECED is
associated with mutations of the autoimmune
regulator (AIRE) gene. In case of hormonal insufficiency a hormone replacement therapy is
required. In APECED patients immunosuppressive
strategies may be successful.
Key words: autoimme disease, APECED syndrome, pathogenesis, gene mutation, therapeutic
concept
Kandidiasis, autoimmune Zerstörung,
insbesondere der endokrinen Drüsen sowie ektodermale Dystrophie (3, 37). Grafik 1 gibt eine Übersicht über die klinischen Merkmale und die Häufigkeit von
168 zuvor publizierten APECEDPatienten aus verschiedenen Ländern (3,
6, 29, 49, 51). Die ersten klinischen Manifestationen finden sich typischerweise
bereits in der ersten Lebensdekade (Grafik 3). Neue Erkrankungen können sich
jedoch bis in die fünfte Lebensdekade
hinein manifestieren (3). Die Mehrzahl
der APECED-Patienten (69 Prozent) ist
von drei bis fünf Krankheitskomponenten betroffen (3), wobei Hypoparathryeoidismus (87 Prozent) und Nebennierenrindeninsuffizienz (68 Prozent) zu
den häufigsten zählen.
Die mukokutane Kandidiasis wird
bei finnischen Patienten mindestens
vorübergehend bei jedem Betroffenen
gefunden, jedoch deutlich seltener bei
jüdischen Patienten aus dem Iran (3,
51). Die Kandidiasis manifestiert sich
in der Regel vor dem fünftem Lebensjahr. Als weitere ektodermale Krankheitskomponenten finden sich bei den
Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 21½ 24. Mai 2002
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APECED-Patienten häufig Dystrophien der Nägel, Zahnfleischhypoplasien,
Alopezie und Keratopathien (3).
Die Inzidenz des Hypoparathryeoidismus ist bei sehr jungen Kindern gering, steigt aber stark zwischen dem
dritten und fünften Lebensjahr an. In
der Folge tritt eine Nebennierenrindeninsuffizienz meist bis zum 15. Lebensjahr, aber auch noch in der fünften Lebensdekade, auf (6).
Bis zu 24 Prozent der APECED-Patienten leiden an einer intestinalen Dysfunktion (Steatorrhö, wässerige Diarrhö, Konstipation), deren Genese nicht
vollständig geklärt ist (3). Als Ursachen
wurden neben bakterieller Fehlbesiedlung, Lymphektasien, Cholezystokininmangel auch eine autoimmune Enteropathie diskutiert (5, 23, 33, 41). 10 bis 20
Prozent der APECED-Patienten entwickeln eine autoimmune Hepatitis,
welche asymptomatisch und selbstlimitierend, aber auch fulminant verlaufen
kann (6, 28). Obwohl diese Krankheitskomponente relativ selten ist, sind 25
Prozent der Todesfälle der APECEDPatienten in Finnland auf eine fulminante Hepatitis zurückzuführen (3).
Ein Diabetes mellitus tritt bei etwa 18
Prozent der APECED-Patienten auf.
Verfrühtes Gonadenversagen findet sich
bei 60 Prozent der weiblichen und bei 14
Prozent der männlichen APECED-Patienten (3). Die Ursache für den Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern ist unklar.
Zu den weiteren Erkrankungen mit
einer niedrigeren Prävalenz gehören bei
den APECED-Patienten autoimmune
Schilddrüsenerkrankungen, lymphozytäre Hypophysitis, atrophische Gastritis,
perniziöse Anämie und immunologische Defekte (zellulär und humoral) (6).
Grafik 1
Häufigkeit der einzelnen Krankheitskomponenten bei APECED-Patienten (3, 6, 29, 49, 51)
Grafik 2
Autoimmun polyglanduläre
Syndrom Typ 2
Unter den Patienten mit polyglandulärer Autoimmunität ist das APS-2 wesentlich häufiger vertreten. Die Prävalenz des APS-2 wird mit 15 bis 45
Erkrankungen pro Million Einwohner
angegeben. 1926 wurde von Schmidt
erstmals das gemeinsame Auftreten einer Nebenniereninsuffizienz mit einer
Immunthyreopathie beschrieben. In einer Übersichtsarbeit 1980 definierten
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Häufigkeit der einzelnen Krankheitskomponenten bei APS-2-Patienten (15, 31)
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Grafik 3
Alter der Patienten bei Erstdiagnose der klassischen Krankheitskomponenten beim APECEDSyndrom und bei APS-2 (6, 15).
´
Tabelle
C
´
Autoantikörper bei APECED-Patienten und assoziierte Erkrankungen
Autoantikörper
Assoziierte Erkrankungen
anti-AADC
APECED-Syndrom (evtl. Diabetes, Vitiligo und Hepatitis)
anti-Tryptophan-Dehydroxylase
intestinale Dysfunktion
anti-CYPscc
gonadale Insuffizienz, Nebennierenrindeninsuffizienz
anti-CYPc17
gonadale Insuffizienz, Nebennierenrindeninsuffizienz
anti-CYPc21
Nebennierenrindeninsuffizienz
anti-Tyrosin-Hydroxylase
Alopezie
anti-CYP1A2
Hepatitis
anti-ICA, anti-GAD, anti-IA2
Diabetes mellitus
anti-TPO, anti-TRAK
Autoimmunthyreopathien
Neufeld et al. das APS-2 durch das Vorliegen einer Nebenniereninsuffizienz in
Kombination mit einer Immunthyreopathie und/oder einem Diabetes mellitus (31). Nach neuerem Verständnis ist
das APS-2 nicht allein durch einen M.
Addison definiert, sondern durch das
gemeinsame Auftreten verschiedener
Autoimmunerkrankungen gekennzeichnet. Beim APS-2 liegen insbesondere
ein Diabetes mellitus, eine Nebenniereninsuffizienz oder eine Immunthyreopathie vor, aber es können auch andere endokrine Autoimmunerkrankun-
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gen wie primärer Hypogonadismus, autoimmun bedingte Hypophysenvorderlappeninsuffizienz, Diabetes insipidus
und nichtendokrine Erkrankungen wie
perniziöse Anämie, Vitiligo und Alopezie auftreten. Diese Organmanifestationen können in verschiedener Kombination und Anzahl auftreten. Grafik 2
zeigt die Häufigkeiten der verschiedenen Autoimmunopathien im Rahmen
des polyglandulären Syndroms Typ 2.
Gemäß der zugrunde liegenden Definition waren bei Neufeld et al. alle Patienten von einer Nebenniereninsuffizienz
betroffen, während bei Förster et al.
keine Immunopathie als conditio sine
qua non angesehen wurden (15, 31).
Hieraus wird deutlich, dass infolge der
neueren Definition mehr Patienten mit
Erkrankungen der Schilddrüse und einem Diabetes mellitus erfasst werden,
wobei diese Patienten offensichtlich
seltener eine Nebenniereninsuffizienz
entwickeln. Förster et al. fanden bei
32,5 Prozent der Patienten die Kombination Diabetes mellitus und Immunthyreopathie, bei 14,6 Prozent die
Kombination Nebenniereninsuffizienz
und Immunthyreopathie und bei nur
3,3 Prozent der Patienten die Kombination Diabetes mellitus und Nebenniereninsuffizienz.
Im Gegensatz zum APS-1 sind beim
APS-2 Frauen 1,6- bis 3mal häufiger betroffen als Männer (15, 31). Die assoziierten Autoimmunopathien manifestieren sich zumeist mit Beginn des zweiten
oder dritten Lebensjahrzehnts, können
sich aber mit deutlich abfallender Tendenz bis ins sechste Lebensjahrzehnt
ausbilden (Grafik 3) (15, 31).
Diagnose
Alle Patienten und Familienangehörige
mit Verdacht auf ein autoimmun polyglanduläres Syndrom (APECED) sollten prospektiv überwacht werden, um
die verschiedenen Krankheitskomponenten der Syndrome rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln. Anamnese
und Klinik müssen durch laborchemische Untersuchungen und Funktionstests ergänzt werden. Während ein Hypoparathyreoidismus durch die typische
Klinik mit Kribbelparästhesien bis hin zu
Krämpfen der Muskulatur und in der klinischen Untersuchung durch das Chvostek- und Trousseausche Zeichen wahrscheinlich werden,lässt sich die Diagnose
durch die typische Konstellation von
deutlich erniedrigtem bis nicht nachweisbarem Parathormon bei Hypokalzämie
und niedriger Calciumausscheidung im
Urin sichern. Die Verdachtsdiagnose einer primären Nebenniereninsuffizienz
wird klinisch durch die Hyperpigmentation mit Fieber,abdominalen Schmerzen,
Übelkeit, Erbrechen sowie Gelenkbeschwerden gestellt. Die typische Laborkonstellation aus erniedrigten CortisolDeutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 21½ 24. Mai 2002
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spiegel (< 5µg/dl morgens), niedriger
Cortisolausscheidung im Urin (< 20
µg/24 h) bei typischerweise hohen zirkulierenden Spiegeln von adrenokortikotropem Hormon (ACTH) wird durch einen fehlenden Cortisolanstieg im Synacthentest (250 µg ACTH) nach 30 und 60
Minuten sowie durch den Nachweis von
Antikörpern gegen 21-Hydroxylase erhärtet. Eine Beteiligung der Gonaden
wird klinisch durch Zyklusstörungen bei
der Frau, Libido- und Potenzstörungen
beim Mann gestellt. Zusätzliche Untersuchungen der Gonadotropine sowie der
Zielhormone Östradiol oder Testosteron
(Gesamt- oder freies Hormon) erlaubt
eine sichere Einordnung.
Eine Beteiligung der Schilddrüse im
Rahmen eines APS-2-Syndroms kann
sich sowohl als Hyper- als auch als Hypothyreose manifestieren. Klinische Zeichen einer Hypothyreose wären insbesondere ein körperlicher und geistiger
Leistungsabfall, Antriebsarmut, trockene, schuppende Haut und Obstipation.
Im Gegensatz dazu sind klassische Zeichen einer Hyperthyreose psychomotorische Unruhe mit Tremor der Hände
und Nervosität, Sinustachykardie, Gewichtsverlust, feuchte, warme Haut und
eine gesteigerte Stuhlfrequenz. Durch
die Bestimmung von thyreoidstimulierendem Hormon (TSH) und gegebenenfalls der von Schilddrüsenautoantikörpern (gegen Thyreoperoxidase [TPO],
TSH-Rezeptor) kann die Beteiligung im
Rahmen einer Thyreopathie weiter eingegrenzt werden. Klinische Zeichen eines Diabetes mellitus sind unspezifische
Symptome wie Müdigkeit und Leistungsminderung sowie Symptome infolge der Hyperglykämie mit Polyurie
und -dipsie sowie Störungen des Elektrolythaushaltes mit Wadenkrämpfen
und Sehstörungen. Laborchemische Zusatzuntersuchungen beinhalten Glucosebestimmungen im Plasma und Urin
und gegebenenfalls Nachweis von Autoantikörpern (ICA, GAD, IA2).
Autoantikörper
Die Pathogenese der polyglandulären
Syndrome ist bislang nicht geklärt. Ein
Verlust der Immuntoleranz ist vermutlich die pathophysiologische Grundlage der meisten Krankheitskomponenten. Ein Hinweis dafür sind zirkulie-
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Grafik 4
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;
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Komponenten des Zytochrom-P450-Systems als Antigene für verschiedene Erkrankungen
Grafik 5
Position des AIRE-Gens auf Chromosom 21, Darstellung der bekannten Mutationen.
rende Autoantikörper, die die meisten
APS-Patienten aufweisen und sich gegen verschiedene Gewebe wie Nebennieren, Gonaden und Leber richten.
Autoantikörper lassen sich in zwei
Gruppen gliedern: Einerseits wirken
Enzyme des Zytochrom-P450-Systems
als Antigene, welche bei einer Reihe
von Autoimmunerkrankungen und viralen Erkrankungen gefunden werden
(Grafik 4). Ferner wurden Enzyme der
Neurotransmittersynthese
identifiziert. Zu den Ersteren zählen 17a-Hydroxylase (CYPc17), 21-Hydroxylase
(CYPc21) und side chain cleavage enzyme (CYPscc) und Zytochrom P450
1A2 (CYP1A2), während aromatische
L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC), Tryptophan-Hydroxylase (TPH),
Tyrosin-Hydroxylase (TH) und Glutaminsäure-Decarboxylase (GAD) zur
zweiten Gruppe gehören (8–10, 25, 38,
39, 43, 45, 48).
Antikörper gegen den TSH-Rezeptor (TRAK) und gegen TPO finden
sich insbesondere bei Patienten mit
Autoimmunthyreopathien (15). Das
Risiko einen Diabetes mellitus zu entDeutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 21½ 24. Mai 2002
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wickeln wurde mit hohen Titern von
Anti-ICA-, Anti-GAD-, Anti-IA2und Anti-Insulin-Antikörpern assoziiert (35). Bei APECED-Patienten können diese jedoch viele Jahre ohne Entwicklung eines Diabetes vorhanden
sein (44). Im Gegensatz dazu waren bei
APS-2-Patienten mit einem Diabetes
mellitus diese spezifischen Antikörper
teilweise nicht nachweisbar. Möglicherweise sind diese Patienten infolge
des langjährigen Verlaufes Antikörpernegativ geworden (15). Antikörper gegen TPH finden sich gehäuft bei intestinaler Dysfunktion (14), Anti-CYPsccund Anti-CYPc17- bei gonadaler Insuffizienz, Anti-CYPc21-, Anti-CYPsccund Anti-CYPc17- bei Nebennierenrindeninsuffizienz (45), Anti-TH- bei Alopezie (19) und Anti-CYP1A2- und Anti-CYP2A6-Antikörpern bei Hepatitis
(9, 10) im Rahmen des APECED-Syndroms (Tabelle 1).
Genetik
APECED-Syndrom
Mittels Kopplungsanalysen konnte der
Gendefekt des APECED-Syndroms
auf Chromosom 21 lokalisiert werden.
Anschließend wurde das Gen von zwei
unabhängigen Arbeitsgruppen kloniert
und als Autoimmun-Regulator (AIRE)
bezeichnet (11, 30). Das AIRE-Gen
liegt auf Chromosom 21q22.3, ist ungefähr 13 kb lang und besteht aus 14
Exons, welche ein Protein mit 545 Aminosäuren kodieren. Sequenzvergleiche
haben verschiedene Sequenzabschnitte
identifiziert, die eine Funktion als
Transkriptionsfaktor nahe legen (11,
30). AIRE wird nicht in dem Zielgewebe der immunologischen Zerstörung
exprimiert, sondern insbesondere in
verschiedenen Zellen des Thymus, in
Lymphknoten, der Milz und der fetalen
Leber (20). Dieses Expressionsmuster
unterstützt die Hypothese, dass AIRE
insbesondere eine Rolle in der Induktion und Erhaltung der Immuntoleranz
spielt.
Bis heute sind 48 verschiedene Mutationen im AIRE-Gen identifiziert worden, welche über die gesamte kodierende Region verteilt sind. In fünf Exons
(Exon 2, 3, 6, 8, 10) sind überdurchDeutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 21½ 24. Mai 2002
schnittlich viele Mutationen beschrieben worden (7, 11, 20, 22, 27, 30, 36,
40, 42, 49) (Grafik 5). Bei 6 Prozent
der Patienten mit klinisch gesichertem
APECED-Syndrom lassen sich im
AIRE-Gen jedoch keine Mutationen
nachweisen, und bei 9 Prozent der Patienten konnte nur ein defektes Allel detektiert werden.Dies lässt vermuten,dass
möglicherweise in der Promotorregion
oder an anderen noch nicht identifizierten Loci weitere Mutationen vorliegen.
Verschiedene AIRE-Mutationen führen zur Transkription und Translation
eines trunkierten (verkürzten) Proteins, welches wahrscheinlich nicht
funktionsfähig ist. Zellbiologische Studien mit drei häufigen AIRE-Mutationen (R275X, 1085-1097del, C311T)
konnten eine deutlich veränderte zelluläre Verteilung des Proteins sowie eine verminderte oder abwesende transkriptionale Aktivität nachweisen (7).
Eine schlüssige Genotyp-PhänotypKorrelation zwischen den einzelnen
Mutationen und der klinischen Ausprägung des Syndroms konnte an über 160
APECED-Patienten nicht nachgewiesen werden (1, 21, 49). Das unterschiedliche klinische Erscheinungsbild von
finnischen Patienten mit der R257XMutation zeigt ebenfalls, dass weitere
genetische und/oder Umweltfaktoren
notwendig sind, um das individuelle
klinische Bild zu prägen. Diese Vermutung wird durch das unterschiedliche
Krankheitsmuster bei verschiedenen
ethnischen Gruppen unterstützt, welches besonders deutlich in Form des
milderen Phänotyps bei iranischen Juden hervortritt. Ob dieses Folge der
Mutation ist, die in dieser Population
nahezu ausschließlich gefunden wird,
oder anderer Kofaktoren hierfür verantwortlich sind, ist noch nicht abschließend geklärt (7).
Die vielfältigen Autoimmunerkrankungen, die sich bei APECED-Patienten finden, lassen vermuten, dass Mutationen im AIRE-Gen auch zur Pathogenese von anderen, sporadischen Immunerkrankungen beitragen könnten.
Verschiedene Arbeitsgruppen konnten
jedoch zeigen, dass häufige Mutationen
im AIRE-Gen in den sporadischen Autoimmunerkrankungen wie autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes mellitus Typ 1, Nebennierenrinden-
insuffizienz und autoimmunen Lebererkrankungen selten gefunden werden
und daher ein krankheitsspezifisches
Merkmal des APECED-Syndroms sind
(32, 46, 47).
APS-2
APS-2 tritt familiär gehäuft auf, und es
wird eine mulitfaktorielle genetische
Grundlage angenommen. Verschiedene
Studien wiesen einen ähnlichen genetischen Hintergrund für die endokrinen
Krankheitskomponenten des APS-2
nach (4, 24). Eine starke Assoziation
fand sich zu verschiedenen MHC-Klasse-2- und -3-Genen und hier insbesondere zu HLA B8, DRB1*0301 (DR3)
und DQA1*0501-DQB1*0201 (DQ2)
(12, 13, 26, 36). MHC-Klasse-3-Gene
wie TNF-a, Komplementfaktor C4 und
CYP21OH sind wahrscheinlich über
MHC-Klasse-2-Gene (Linkage Disequilibrium) mit APS-2 assoziiert (34).
Neben den klassischen MHC-Klasse-1und -2-Genen, wurden mit den MIC-AGenen weitere Anfälligkeitsgene des
APS-2 identifiziert, welche auf Chromosom 6 im Bereich der MHC-Klasse-3-Region zwischen den TNF-a- und
den HLA-B-Genen lokalisiert sind (16,
17).
Therapie
Die Behandlung bei den endokrinen
Krankheitsbildern der polyglandulären
Syndrome besteht in erster Linie im
Hormonersatz der ausgefallenen endokrinen Achsen beziehungsweise in der
Gabe von Enzym und Vitamin D bei
Hypoparathyreoidismus. Neben dieser
symptomatischen Therapie gibt es Hinweise für eine erfolgreiche Anwendung
immunsuppressiver Therapiestrategien
bei Patienten mit APECED (18, 33, 50).
Gastrointestinale Dysfunktion, Alopezie und Keratokonjunktivitis verbessern sich zum Teil dramatisch während
einer Therapie mit Ciclosporin A (50).
Ein schweres Malabsorptionssyndrom
konnte erfolgreich mit einer hochdosierten intravenösen Methylprednisolontherapie und oraler Methotrexattherapie behandelt werden (33). Der Progress der Hepatitis konnte durch eine
orale Therapie mit Ciclosporin A teil-
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weise aufgehalten werden, obwohl bei
einigen Patienten trotzdem eine Lebertransplantation notwendig wurde (18).
Diese Berichte deuten darauf hin, dass
wie bei anderen Autoimmunerkrankungen, beim APECED-Syndrom ebenso,
eine immunsuppressive Strategie indiziert erscheint.
Ausblick
Das APECED-Syndrom ist eine seltene, monogene Autoimmunerkrankung.
Zu dieser Erkrankung sind aus europäischen (nicht skandinavischen) Ländern
bislang überwiegend Einzelfallberichte
veröffentlicht worden, und Studien, die
mehr als 20 Patienten analysieren, sind
insgesamt selten. Aufgrund dieser Datenlage möchten die Autoren bundesweit Daten von APECED-Patienten
sammeln und dieses modellhaft für die
menschliche Autoimmunität stehende
Krankheitsbild untersuchen (Kontakt:
Dr. med. A. Vogel und Prof. Dr. med. M.
P. Manns). Ziel ist es, ein aussagekräftiges Kollektiv zu identifizieren, um den
natürlichen Verlauf der Erkrankung in
Deutschland zu beschreiben. Dies
könnte erlauben, Therapiestudien zu
planen und Voraussetzungen für eine
die Organfunktion erhaltende Therapie
zu schaffen.
Manuskript eingereicht: 29. 10. 2001, revidierte Fassung
angenommen: 30. 1. 2002
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2002; 99: A 1428–1434 [Heft 21]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser
und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Michael P. Manns
Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie
und Endokrinologie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
E-Mail: [email protected]
A 1434
Kongressbericht
Rheumatoide Arthritis
und Spondarthritiden
Nebenwirkungen antientzündlicher
Medikamente und neue Behandlungsansätze
Wilhelm K. Aicher
E
ntzündungen gehen mit einer vermehrten Aktivität von Zyklooxygenase (COX) und einer vermehrter
Freisetzung von Prostanoiden einher.
Zyklooxygenase existiert in den Isoformen COX-1 und COX-2, die eine Schlüsselrolle bei der Synthese der Prostanoide
einnehmen. COX-1 wird konstitutiv exprimiert und beeinflusst die Aggregation
der Blutplättchen und wirkt protektiv
auf die Magenschleimhaut. Die Expression der COX-2 wird durch Entzündungsmediatoren wie Interleukin-(IL-)1 oder
Tumornekrosefaktor-(TNF-)a induziert.
Die von COX-2 freigesetzten Prostanoide führen zu Entzündungsreaktionen, Schmerz und Fieber. S. Josef
Smolen, Wien, berichtete auf dem ersten
Fachkongress der neu gegründeten
Rheumaforschungsinitiative in Tübingen
(RFiT) von standardisierten Ganzblutanalysen (whole blood assay). Diese ermöglichen einen Vergleich der Wirkung
von klassischen nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) wie Ibuprofen, Naproxen, Diclofenac mit moderneren Substanzen, die spezifisch COX-2 inhibieren.
Die NSAID hemmen beide Isoformen,
wogegen die selektiven COX-2-Hemmer
wie Rofecoxib und Celecoxib die COX-1
kaum hemmen. COX-2 wird von den
klassischen und den selektiven Inhibitoren zu 80 bis 90 Prozent gehemmt. Die
neuen selektiven COX-2-Inhibitoren
zeigen also keinen neuen Effekt, sondern
eine höhere Spezifität (Tabelle). Daher
weisen COX-2-Inhibitoren weniger unerwünschte Nebenwirkung, beispielsweise auf die Magenschleimhaut, auf. Das
wesentliche Problem der Behandlung
mit NSAID sind gastrointestinale Ulzera, die in etwa 15 bis 30 Prozent der Fälle
auftreten und bei einem Prozent zu
schweren Komplikationen und Todesfällen führen.
Patienten, die bei früherer NSAIDBehandlung ein Ulkus bekamen, entwikkeln bei erneuter Gabe drei- bis viermal
häufiger Ulkusbeschwerden als Patienten, die NSAID gut tolerieren. Im Vergleich zu Unbehandelten erhöht sich das
Ulkusrisiko bei niedriger NSAID-Dosierung um das Dreifache. Darüber hinaus
steigt bei Hochdosisbehandlung dieses
Risiko weiter um den Faktor 3 bis 4.
Ebenso ist ein höheres Lebensalter ein
Risikofaktor, da das Ulkusrisiko bei 70bis 80-jährigen viermal höher ist als bei
50- bis 60-jährigen Patienten. In verschiedenen Studien wurden hierbei im Wesentlichen keine Unterschiede zwischen
COX-2-Hemmern und Stoffen wie Ibuprofen gefunden. Die COX-2-Inhibitoren zeigten im Vergleich zu unbehandelten Kontrollen keine statistisch signifikante Steigerung der Ulkusrate.
Um die Ulkusrisiken der NSAID gegenüber den COX-2-Inhibitoren direkt
abschätzen zu können, sind Studien mit
hohen Patientenzahlen erforderlich. Von
8 000 untersuchten Rheumapatienten
entwickelten drei Prozent (pro 100 Patientenjahre) bei Gabe von NSAID Komplikationen des oberen und unteren Gastrointestinaltraktes im Gegensatz zu 1,4
Prozent bei COX-2-Inhibitoren. Die Risikoreduktion betrug etwa 60 Prozent.
Eine weitere Wirkung der NSAID ist
die Hemmung der Plättchenaggregation,
die bei 100 mg Acetylsalicylsäure pro Tag
etwa 80 Prozent beträgt, bei COX-2Hemmern aber nicht auftritt. Deshalb
steigt die Blutungszeit bei COX-2-Inhibitoren nicht signifikant an. Die MortaDeutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 21½ 24. Mai 2002
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