Energiesparen verlängert das Leben

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Energiesparen verlängert das Leben
Jörg Hagmann
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Aerober und anaerober Stoffwechsel: eine (kurze) Übersicht
Im Cytosol wird Glucose (6 C-Atome) anaerob zu zwei Pyruvaten (je 3 C-Atome) abgebaut. Der Prozess
heisst Glycolyse und produziert 2 ATP pro Glucose – wenig, aber schnell. Nur Glucose und Fructose können
anaerob abgebaut werden (Abbildung 1).
Insulin
stimuliert
hemmt
Glucose
P
stimuliert
Pyruvat
ATP
NAD+
Fettsäuren
hemmt
hemmt
FS
stimuliert
NADH
FADH2
Acetyl-CoA
CitratZyklus
NADH
β-Oxidation
Atmungskette
CO2
Mitochondrion
ATP
stimuliert
Fasten, Ausdauersport
Abbildung 1
(1/2 O2 --> H2O)
Aerober und anaerober Stoffwechsel: eine Übersicht
Pyruvat gelangt in die Mitochondrien, wo es zunächst zu Acetyl-CoA decarboxyliert und danach im
Citratzyklus zu CO 2 oxidiert wird. Dabei entstehen Reduktionsäquivalente (NADH und FADH 2), die . . .
ihre Elektronen an die Komplexe der Atmungskette abgeben. Mit der freiwerdenden Energie wird ein
Protonengradient über der inneren Mitochondrienmembran aufgebaut, der die ATP-Synthese antreibt. Dieser
Teil des Stoffwechsels heisst oxidative Phosphorylierung. Er benötigt Sauerstoff und produziert Wasser
(1/2O 2 + 2 el – + 2H + → 1H 2O) (Abbildung 2).
4 H+
I
4 H+
CoQ
e–
FMN
II
NADH/H+ NAD+
Succinat
Fumarat
e–
FAD
III
H+
2 H+
Cyt c
e–
e–
IV
1/2 O2 + 2e– + 2H+
MitochondrienMatrix
V
H 2O
ADP + Pi
H+
ATP + H2O
Abbildung 2 Die Atmungskette. Aus: Repetitorium
Biochemie (J. Hagmann; Orell Füssli UTB.)
Citratzyklus und oxidative Phosphorylierung gehören zum aeroben Teil des Stoffwechsels. Im Gegensatz
zum anaeroben Weg steht er auch Fettsäuren offen, die in den Mitochondrien zu Acetyl-CoA oxidiert
werden (= β-Oxidation). Der aerobe Metabolismus ist effizient – 36 ATP pro Glucose – aber langsamer als
die Glycolyse.
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Die Regulation der Glycolyse, des Citratzyklus und der oxidativen Phosphorylierung ist komplex. Für uns
wichtig ist:
• Insulin stimuliert die Glycolyse, hemmt die Fettsäure-Oxidation und reduziert die Aktivität der Atmungskette.
• Kalorienreduktion und Ausdauersport hemmen die Glycolyse und die Umwandlung von Pyruvat zu
Acetyl-CoA, stimulieren hingegen den Fettsäure-Abbau und die oxidative Phosphorylierung (u.a. durch
gesteigerte Mitochondrienbildung und Expression von Enzymen).
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Radical Oxygen Species (ROS)
Während Elektronen die Atmungskette durchlaufen, besteht die Möglichkeit, dass sie nicht wie vorgesehen
auf 1/2O 2 landen, sondern von molekularem Sauerstoff (O 2) absorbiert werden. Es entsteht Superoxid (O 2 –.),
ein Radikal, weil es ein ungepaartes Elektron mit sich trägt. Sauerstoffradikale (neben Superoxid gibt
es noch weitere, OH . z.B.) sind aggressiv. Sie reagieren mit anderen Molekülen und schädigen Proteine,
Membranlipide und die DNA. Durch Radikale verursachte Schäden sammeln sich im Laufe eines Lebens
an und werden für viele chronische Krankheiten und den Alterungsprozess (mit)verantwortlich gemacht.
Radikale werden durch Enzymsysteme (Superoxid-Dismutase, Catalase etc.) und Antioxidantien bekämpft:
Dismutase:
2O 2 –. + 2H + + 2e – → O 2 + H 2O 2
Catalase:
2H 2O 2 → 2H 2O + O 2
Glutathion-Peroxidase: H 2O 2 + 2 Glutathion → 2H 2O + Glutathion (oxidiert; GS-SG)
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Kalorienreduktion und Lebenserwartung
Im Tierversuch verlängert Kalorienreduktion das Leben. Für den Menschen existieren keine Beweise, aber
starke Indizien. Erklärt wurde die Lebensverlängerung zunächst mit der vermuteten Kausalkette weniger
Kalorien → weniger Metabolismus → weniger Radikale → weniger schnelles Altern.
Die Tatsache, dass kleine Tiere einen – auf das Gewicht bezogen – höheren Stoffwechsel als grosse besitzen
und weniger lang leben, scheint diese Theorie zu bestätigen.
Aber: neuere Untersuchungen kommen zum Schluss, dass Kalorienreduktion die oxidative Phosphorylierung
und die Bildung von ROS nicht hemmt, sondern stimuliert. Und periodisches Fasten ohne Kalorienreduktion
hat – vorerst nur im Tierversuch – die gleichen positiven Auswirkungen wie die Kalorienreduktion.
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Hormesis – eine Erklärung?
Der Fadenwurm Caenorhabditis elegans wurde mit 2-Deoxyglucose (2-DOG), einem Glycolyse-Hemmer,
der die gleiche Wirkung wie Kalorienreduktion bringt, behandelt (1). Beobachtet wurde:
• Verlängerung des Lebens
• Gesteigerter Sauerstoffkonsum
• Mehr Fettsäure-Verbrennung
• Verstärkte Bildung von ROS
• Verstärkte Expression der Abwehrmechanismen gegen ROS
Eine Lebensverlängerung trat nicht ein, wenn die Würmer gleichzeitig mit den Antioxidantien Vitamin C
und Vitamin E behandelt wurden. Unter diesen Umständen wurde die körpereigene Abwehr gegen ROS
nicht induziert.
Die Autoren sehen ihre Resultate als Beispiel für Hormesis. Hormesis, ein Begriff aus der Toxikologie,
ist durch eine biphasische Dose - Response-Kurve gekennzeichnet. Ein toxisches Agens hat, sind die Konzentrationen niedrig, positive Auswirkungen, weil die Abwehrmechanismen induziert werden («adaptive
response»). Erst bei hohen Dosen überwiegt der Schaden.
Demnach könnte Kalorienreduktion zu einem leichten Stress führen (ROS-Bildung!) und so – unter dem
Strich – die Gesundheit verbessern.
(1) Schulz, T.J. et al. (2007): Glucose restriction extends Caenorhabditis elegans life span by inducing mitochondrial respiration and increasing oxidative stress. Cell Metabolism 6, 280-293.
Jörg Hagmann, 1. September 2008
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