Produktmonographie - Stalevo - Das Informationsportal für Morbus

Werbung
Grundlagenwissen
1
Patientenbroschüre
Teil 1
Produktmonographie
Was man über die
Parkinson-Krankheit
wissen sollte
Mit freundlichen Empfehlungen überreicht von:
Praxisstempel
Was man über die
Parkinson-Krankheit
wissen sollte
Grundlagenwissen
Ein Service der
ORION PHARMA GmbH
Notkestraße 9
D-22607 Hamburg
Alle Rechte vorbehalten, einschließlich der Übersetzung in fremde Sprachen.
Kein Teil dieser Patientenbroschüre darf ohne schriftliche Genehmigung von
ORION PHARMA in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise, auf elektronischem oder mechanischem Wege, einschließlich durch Fotokopie, Speicherungs- und Datenverarbeitungssysteme reproduziert bzw. wiedergegeben
werden.
Anmerkung des Herausgebers zum Inhalt: Obwohl große Sorgfalt bei der
Zusammenstellung und Prüfung der in dieser Patientenbroschüre enthaltenen
Angaben verwandt wurde, übernimmt der Herausgeber keinerlei Haftung für
bleibende Aktualität der Informationen oder für irgendwelche Fehler, fehlende
Angaben oder Ungenauigkeiten in der vorliegenden Patientenbroschüre.
Stand der Information: 02.01.2004
1
Patientenbroschüre
Teil 1
Inhalt
Vorwort
Liebe Patientin, lieber Patient,
1
1.1
1.2
1.3
1.4
die fortschrittliche Medizin hat erkannt, dass der Erfolg jeder Therapie in
Ausmaß und Qualität ganz wesentlich von der Einstellung des Patienten zu
seiner Krankheit abhängt. Je größer die Bereitschaft des Patienten, seine
Krankheit anzunehmen und selbstverantwortlich, zusammen mit dem Arzt,
gegen sie anzugehen, desto besser sind die Chancen für den Erfolg. Dies gilt
vor allem dann, wenn es um eine langfristige Therapie geht, deren Ziel es ist,
Ihre Lebensqualität zu erhalten.
Diese Broschüre kann Ihnen helfen zu erkennen, wie und in welchem Ausmaß Ihr eigenes Engagement im Rahmen des sehr komplexen Therapieprogrammes aussehen sollte. Weil der Ansatz für die Therapie der ParkinsonKrankheit im Wissen um deren Ursache und Entstehung liegt, bietet Ihnen
diese zum Thema Parkinson-Krankheit erschienene Broschüre nicht nur
grundlegende Informationen über die Funktion des Nervensystems sowie
über Diagnose- und Therapiemöglichkeiten, sondern erläutert auch eingehend Wirkung und mögliche Wirkungsveränderungen Ihrer ParkinsonMedikamente.
1.5
1.6
2
Die Broschüre enthält darüber hinaus praktische Ratschläge und Empfehlungen, die dazu beitragen können, trotz der Krankheit ein lebenswertes Leben
zu führen.
Dr. med. Gudrun Ulm
Neurologin, Kassel
Koordinatorin des Ärztlichen Beirates der
Deutschen Parkinson Vereinigung. e.V.
3
4
Informationen über unseren Körper: Unser Nervensystem
Der Aufbau des Nervensystems
Das Gehirn
Funktionen des Nervensystems
Weiterleitung von Informationen innerhalb
des Nervensystems
Neurotransmitter - Botenstoffe
Bei der Parkinson-Krankheit ist das Gleichgewicht
bestimmter Neurotransmitter gestört
9
9
10
12
13
13
15
Parkinson-Krankheit - Ursache und Diagnose
17
2.1
2.2
2.3
2.4
2.4.1
2.5
2.5.1
2.5.2
2.5.3
2.5.4
2.5.5
2.5.6
2.6
2.7
2.7.1
2.7.2
Häufigkeit und Klassifikation der Krankheit
Ursache der Parkinson-Krankheit
Erkennen der Krankheit - je früher, desto besser
Wie diagnostiziert man die Parkinson-Krankheit?
Untersuchungsmethoden
Wie macht sich die Krankheit bemerkbar?
Akinese
Rigor
Tremor
Gleichgewichtsstörungen
Psychische Veränderungen
Vegetative Symptome
Wie beurteilt man den Schweregrad der Krankheit?
Abgrenzung zu ähnlichen Krankheiten
Was ist MSA?
Was ist PSP?
18
19
20
21
22
24
25
25
26
26
26
27
27
28
29
30
Wie kann man die Parkinson-Krankheit behandeln?
31
3.1
Gewissenhaftigkeit bringt Therapieerfolg
3.2
Medikamentöse Therapie
3.2.1 L-Dopa
32
33
34
5
3.2.2
3.2.3
3.2.4
3.2.5
3.2.6
3.2.7
3.3
3.3.1
3.3.2
3.3.3
3.4
3.4.1
3.4.2
3.4.3
3.4.4
4
COMT-Hemmer
L-Dopa und Entacapon in Monotherapie
MAO-B-Hemmer
Dopaminagonisten
NMDA-Antagonisten
Anticholinergika
Medikamentenwirkung kann nachlassen
Wechselnde Beweglichkeit
Sicher, wirksam und verträglich?
Was bringt die Zukunft?
Nicht-medikamentöse Therapien
Operationen
Körperliche Aktivitäten
Geistige Aktivitäten
Hilfe bei psychischen Problemen
34
35
37
37
37
38
39
39
41
42
43
43
45
46
47
Wo finde ich weitere Hilfe?
48
4.1
4.2
48
48
Die Deutsche Parkinson Vereinigung (dPV)
Fachkliniken für Parkinson-Patienten
Fachbegriffe kurz erklärt
Akinese: Unbeweglichkeit, die aus einer zunehmenden Bewegungsverarmung
und Bewegungsverlangsamung hervorgeht und zu den Hauptsymptomen der
Parkinson-Krankheit zählt.
Anticholinergika: Medikamente zur Parkinson-Behandlung; dämpfen die
Aktivität des Botenstoffs Acetylcholin.
Basalganglien: Hierbei handelt es sich um spezielle Nervenzellansammlungen,
die im Dienste der Kontrolle und Koordination von Bewegungsabläufen stehen.
Bradykinese: Verlangsamung der Bewegungsabläufe
Bradyphrenie: Verlangsamung der Denkabläufe
COMT-Hemmer: Medikament zur Parkinson-Behandlung. COMT ist eine
Abkürzung für Catechol-O-Methyltransferase und bezieht sich auf ein Enzym, das
im Körper auch Dopamin und L-Dopa abbaut. Eine Hemmung des Enzyms hat zur
Folge, dass verabreichtes L-Dopa dem Gehirn länger und gleichmäßiger zur
Verfügung steht.
Dopamin: Im Rahmen der Parkinson-Krankheit wichtigster Botenstoff, der
Informationen zwischen Nervenzellen überträgt. Bei Parkinson-Kranken verarmt
das Gehirn an Dopamin. Dieser Mangel muss von außen durch Medikamente, wie
z. B. L-Dopa, ausgeglichen werden.
Dopaminagonisten: Medikamente zur Parkinson-Behandlung; ahmen die
Wirkung von Dopamin nach.
Dyskinesien: Abnorme, unwillkürliche, mitunter schmerzhafte Bewegungen
(Überbeweglichkeit), meist der Arme, Beine oder des Kopfes, die im Zusammenhang mit der Medikamenteneinnahme und -wirkung stehen.
Dystonie: Länger anhaltende, unwillkürliche und oft schmerzhafte Muskelanspannung.
Fluktuationen: Schwankungen der Beweglichkeit (Akinesen, Hyperkinesen,
Dystonien), die beispielsweise nach längerer Einnahme von L-Dopa oder
Dopaminagonisten auftreten können.
Freezing: Plötzliche sekunden- bis minutenlange Bewegungshemmung (Einfrieren) vor oder während einer beabsichtigten Bewegung.
Honeymoon: Anfangsphase der Krankheit, in der der Patient unter der Parkinson-Medikation nahezu beschwerdefrei lebt.
Hyperkinese: Unwillkürliche, übermäßige Bewegungsaktivität einzelner
Körperteile, z. B. der Arme, die im Verlauf der Parkinson-Krankheit an Häufigkeit
zunimmt.
Hypokinese: Verminderte Beweglichkeit
6
7
L-Dopa (= Levodopa): Symptomatisch wirksamstes Medikament zur ParkinsonBehandlung. Biologische Vorstufe des körpereigenen Botenstoffes Dopamin.
1
MAO-B-Hemmer: Medikament zur Parkinson-Behandlung. Durch den MAOB-Hemmer wird der Dopamin-Abbau im Gehirn gehemmt.
Informationen über unseren Körper:
Unser Nervensystem
Liebe Leserin, lieber Leser,
Muskeltonus: Spannungszustand der Muskulatur
Sie wollen sich über die Parkinson-Krankheit (lateinisch: Morbus Parkinson)
informieren, über ein Krankheitsbild, das mit unserem Nervensystem zu tun
hat und zugegebenermaßen nicht ganz leicht zu verstehen ist. Es wird Ihnen
helfen, wenn Sie sich zunächst mit einigen Basisinformationen über das
Nervensystem befassen, wenn Sie wissen, welche Funktionen es innerhalb
unseres Körpers hat, wie diese gesteuert werden und zu welchen Störungen
es kommen kann. Dies ist der Grund, warum wir Sie, bevor wir zum Krankheitsbild Parkinson sowie zur Diagnose, Behandlung und weiterem Grundlagenwissen kommen, zunächst mit diesem System und seinem Aufbau
vertraut machen wollen.
Neuron (=Nervenzelle): Besteht aus dem Zellkörper mit Kern und allen für
Funktionen und Energieversorgung erforderlichen Bestandteilen, den kurzen
Empfängerfortsätzen (Dendrite) sowie dem langen Senderfortsatz (Axon).
Neurotransmitter: Botenstoffe, die Impulse von einer Nervenzelle zur nächsten
vermitteln, z. B. Acetylcholin, Dopamin sowie Glutamat.
NMDA-Antagonisten: Medikamente zur Parkinson-Behandlung; dämpfen die
Aktivität des Botenstoffes Glutamat.
On-off-Phänomen: Beschreibt das wechselnde Bewegungsvermögen
Parkinson-Kranker: im Off-Zustand erstarrt der Patient, im On-Zustand kann er
sich bewegen.
Rezeptor: Empfangseinrichtung einer Zelle für Botenstoffe aus anderen Zellen,
um Impulse weiter zu vermitteln.
Rigor: Erhöhung der Muskelspannung, die zu Steifigkeit führt; typisches Zeichen der
Parkinson-Krankheit.
Substantia nigra: Schwarze Substanz, im Mittelhirn gelegene paarige dunkle
Region aus Nervenzellen. Bei der Parkinson-Krankheit kommt es zu einem
fortschreitenden Untergang dieser Nervenzellen.
Synapse: Kontaktstelle zwischen zwei Nervenzellen, die durch Botenstoffe
überbrückt wird.
Tremor: Zittern; der Tremor zählt zu den Hauptsymptomen der ParkinsonKrankheit.
Wearing-off: Parkinson-Symptome, die bereits vor der nächsten regulären
Medikamenten-Einnahme wieder auftreten oder stärker ausgeprägt sind. Hierbei
handelt es sich nicht nur um motorische Symptome, wie Bewegungsverlangsamung,
sondern auch um nicht-motorische Symptome wie Stimmungsschwankungen
oder auch stärkeres Schwitzen.
1.1
Der Aufbau des Nervensystems
Der menschliche Körper wird über ein System gesteuert, das aus vielen
Milliarden Nervenzellen besteht. Dieses Nervensystem wird hinsichtlich seines
unterschiedlichen Aufbaus in zwei Bereiche unterteilt:
Zentrales Nervensystem: Gehirn und Rückenmark
Peripheres Nervensystem: Nerven
Beide Teile, also Gehirn und Rückenmark auf der einen und Nerven auf der
anderen Seite, bestehen aus einer
Vielzahl von ähnlichen Zellen, den so
genannten Nervenzellen, auch Neuronen
genannt.
Eine Nervenzelle (siehe Abb.) hat
mehrere, verschieden lange Fortsätze,
über die sie mit anderen Nervenzellen
verbunden ist. Jene Stellen, an denen
solche zwei Fortsätze von zwei
8
9
verschiedenen Nervenzellen zusammentreffen, nennt man Synapsen.
Stellen Sie sich eine Synapse jedoch
nicht nur als eine Verbindungsstelle
zwischen zwei Neuronen vor, an der
ansonsten nichts geschieht. Ganz im
Gegenteil: Synapsen sind Schaltstellen, etwa vergleichbar mit einer
Verkehrsampel. In den Synapsen
werden die Weichen für die Weiterleitung von Impulsen gestellt.
Präsynapse
te schwarz gefärbte Zellregion, die Substantia nigra. Diese ist bei der Parkinson-Krankheit geschädigt, wie später erläutert wird.
Vom Kleinhirn wird in Kooperation mit dem Stammhirn, zu dem u. a. das
Mittelhirn gezählt wird, ein Teil der unbewusst ablaufenden Bewegungen,
also etwa die Gehbewegungen der Beine oder die Schwingbewegungen
der Arme, gesteuert.
Postsynapse
Grafische Darstellung einer Synapse.
Oben das präsynaptische Ende einer
Nervenzelle, dazwischen der synaptische
Spalt (er wird durch die Neurotransmitter
überbrückt), unten das postsynaptische
Ende einer anderen Nervenzelle.
Durch die Verbindung der einzelnen
Nervenzellen über die Synapsen
entsteht ein Informationsnetz, dessen
Zentrale das Gehirn ist. Dieses Netz
überzieht als so genanntes Nervensystem unseren gesamten Körper.
Auch Reflexe, also Bewegungsabläufe, die gewissermaßen ohne erst
nachzudenken vollzogen werden, z. B. das Schließen der Augen bei
Gefahr im Verzug, werden von dort gesteuert.
Im Großhirn laufen alle bewussten Vorgänge ab, also alle Vorgänge, die an
das Denken gekoppelt sind.
Großhirn
Nervenzellen - Neuronen - sind die Bauelemente von Gehirn,
Rückenmark und Nerven.
Synapsen sind die Verbindungsstellen zwischen zwei Nervenzellen.
Kleinhirn
1.2
Das Gehirn
Das menschliche Gehirn besteht aus verschiedenen Teilen mit unterschiedlichen
Funktionen. Viele Hirnteile stehen untereinander in Verbindung. Damit ist die
Steuerung bewusst als auch unbewusst ablaufender Vorgänge - Verdauung
etc. - gewährleistet.
Das Gehirn besteht aus zwei halbkugelförmigen Hälften, Hemisphären
genannt. Der große, oben liegende Teil ist das Großhirn. Es umschließt das
innen darunter liegende Zwischenhirn und das Mittelhirn. In diesem tief unter
den beiden Großhirnhälften gelegenen Mittelhirn gibt es eine paarig angeleg-
10
Mittelhirn
Zwischenhirn
Innerhalb des Großhirns gibt es lokal definierte Bezirke, von denen ganz
bestimmte, typische Aktionen gesteuert werden. So gibt es z. B. ein
Sehzentrum und ein Hörzentrum, die Empfindung von Schmerz wird an
einer anderen Stelle wahrgenommen als die von Kälte.
Von Stamm- und Kleinhirn werden unbewusst ablaufende
Vorgänge gesteuert, z. B. Gehbewegungen, Schwingen der Arme
und Reflexe.
Denkvorgänge werden im Großhirn verarbeitet.
11
1.3
Funktionen des Nervensystems
1.4
Das zentrale Nervensystem, also Gehirn und Rückenmark, ist, wie schon
beschrieben, aus Nervenzellen aufgebaut und hat die Funktion eines Steuerzentrums. Kommt es im Gehirn zu irgendwelchen Ausfällen - z. B. durch
zerstörte oder geschädigte Nervenzellen - sind damit auch jene Funktionen
beeinträchtigt, für deren ordentliche Funktion dieser geschädigte Teil des
Gehirns zuständig ist. Ein Beispiel - der Schlaganfall: Die Lokalisation einer
Lähmung nach einem Schlaganfall hängt davon ab, welche Gehirnregion
durch den Schlaganfall geschädigt wurde.
Das Nervensystem nutzt zwei Möglichkeiten, um Informationen innerhalb
unseres Körpers über das Geflecht der Nervenzellen weiterzuleiten:
Weiterleitung durch elektrische Impulse
Weiterleitung durch Botenstoffe
Innerhalb einer Nervenzelle werden Informationen als elektrische Impulse
weitergeleitet.
Das periphere Nervensystem besteht aus den Nerven. Das sind strangartige
Gebilde aus Neuronen, die unseren gesamten Körper durchziehen. Sie haben
eine Leitungsfunktion: Entscheidungen, die im Gehirn getroffen wurden, werden
von ihnen an die entsprechenden Körperzellen und an die Organe weitergeleitet. Umgekehrt leiten die Nerven Wahrnehmungen aus der Peripherie unseres
Körpers zum Gehirn - z. B. Wärmeempfinden, Kälte, Licht und dergleichen.
An der Übergangsstelle von einer Nervenzelle zur anderen Nervenzelle, also
in der Synapse, übernehmen so genannte Botenstoffe diese Funktion.
Solche Überträgersubstanzen bezeichnen wir als Neurotransmitter. Neurotransmitter sind also Botenstoffe, die Nachrichten - als Impulse von einer zur anderen Nervenzelle über den synaptischen Spalt
hinüber leiten.
Das Zusammenspiel, nämlich wahrgenommene Informationen von außen zum
Gehirn zu transportieren, dort Entscheidungen zu treffen und diese in notwendige Maßnahmen umzusetzen, ist die Hauptaufgabe unseres Nervensystems.
Das Nervensystem nutzt zwei Möglichkeiten zur Weiterleitung von
Informationen.
Innerhalb eines Neurons werden Informationen als elektrische
Impulse weitergeleitet; in den Synapsen durch Botenstoffe,
so genannte Neurotransmitter.
Funktionell ist unser Nervensystem in zwei Bereiche aufgeteilt, in
das somatische und das vegetative Nervensystem:
Das somatische Nervensystem ist von unserem Willen beeinflussbar und
bestimmt u. a. die Bewegungsabläufe.
Das vegetative Nervensystem steuert und reguliert lebensnotwendige
Abläufe in unserem Körper selbstständig. Es ist nicht von unserem Willen
beeinflussbar.
Das periphere Nervensystem besteht aus den Nervensträngen,
diese wiederum aus Neuronen. In den Nerven werden Informationen vom Gehirn zu Organen, zu bestimmten Körperbereichen
weitergeleitet oder von dort an das Gehirn weitergeleitet.
12
Weiterleitung von Informationen innerhalb
des Nervensystems
1.5
Neurotransmitter - Botenstoffe
Dass Informationen innerhalb des Nervensystems elektrisch weitergeleitet
werden, wusste man schon sehr frühzeitig: Elektrische Ströme konnte man
messen, Beispiele dafür sind das Elektrokardiogramm zur Messung von
Herzströmen (EKG) und das Elektroenzephalogramm (EEG), mit dem Gehirnströme gemessen werden.
13
Etwas schwieriger war es, herauszufinden, wie die Weiterleitung von Nervenzelle zu Nervenzelle, also innerhalb der Synapsen, erfolgt. Deshalb sind unsere
Erkenntnisse über die Funktion der Synapsen mit den darin agierenden
Neurotransmittern auch noch nicht so alt und werden ständig durch neue
Forschungsergebnisse ergänzt.
Wir wissen heute, dass es eine ganze Reihe verschiedener Botenstoffe gibt, die jeweils klar definierte Aufgaben haben. Sie stehen
untereinander in einem Gleichgewicht und garantieren so den
normalen Ablauf der Körperfunktionen.
Kommt es zu einer Verschiebung des Gleichgewichtes dieser Neurotransmitter
innerhalb bestimmter Funktionskreise des Gehirns, kann dies weitreichende
Konsequenzen haben. So wissen wir z. B., dass Krankheiten wie Epilepsie
oder Depressionen durch eben eine solche Verschiebung des Gleichgewichtes
innerhalb dieser Neurotransmittersysteme charakterisiert sind. Auch bei
Menschen, die unter der Parkinson-Krankheit leiden, besteht ein solches
Ungleichgewicht zwischen bestimmten Neurotransmittern, und zwar innerhalb des Funktionskreises, der von den Basalganglien gebildet wird.
Die Behandlung der Krankheit ist demgemäß auf die Wiederherstellung eines
Gleichgewichtes der einzelnen Neurotransmitter innerhalb der Basalganglien
- hierbei handelt es sich um spezielle Nervenzellansammlungen, die im
Dienste der Kontrolle und Koordination von Bewegungsabläufen stehen ausgerichtet und darum bemüht, dieses Gleichgewicht der Neurotransmitter
möglichst lange zu erhalten.
Neurotransmitter wirken innerhalb einer Synapse als Botenstoffe:
Sie übertragen Informationen von einer Nervenzelle zur anderen.
Verschiebungen des Gleichgewichtes der Neurotransmitter führen
zu krankhaften Veränderungen, so auch zur Parkinson-Krankheit.
Das Grundprinzip der Behandlung der Parkinson-Krankheit muss
also darin bestehen, das betroffene Neurotransmittersystem im
Gleichgewicht zu halten.
14
1.6
Bei der Parkinson-Krankheit ist das Gleichgewicht bestimmter Neurotransmitter gestört
Es gibt unterschiedliche Neurotransmitter - diese haben verschiedene
Funktionen. Wir kennen heute eine ganze Reihe solcher Botenstoffe, wie z. B.
Acetylcholin, Serotonin, Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin, Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und Glutamat.
Innerhalb der Basalganglien ermöglichen vor allem die Neurotransmitter
Dopamin, Acetylcholin und Glutamat die zur Ausführung eines Bewegungsablaufes notwendige Informationsweiterleitung. Für eine normale Beweglichkeit müssen die Neurotransmitter in einem Gleichgewicht zueinander stehen.
Der für die Parkinson-Krankheit charakteristische Mangel an Dopamin hat zur
Folge, dass nun die Neurotransmitter Acetylcholin und Glutamat ein relatives
Übergewicht erlangen. Aus dem Überschuss an Acetylcholin resultieren
wahrscheinlich in erster Linie die Symptome des Zitterns (Tremor) und der
erhöhten Muskelspannung (Rigor). Ursache der Bewegungsarmut (Akinese)
ist vermutlich der Mangel an Dopamin, der letztendlich zu einer ungenügenden Aktivierung wichtiger motorischer Areale im Großhirn beiträgt.
In allen Einzelheiten ist die Funktionsweise der Basalganglien und ihre
Kooperation mit anderen Hirnbereichen noch nicht geklärt. Es ist anzunehmen,
dass sich noch eine Reihe weiterer, uns noch nicht so gut bekannter Botenstoffe im Ungleichgewicht befindet.
Glutamat, Acetylcholin
Dopamin
Dopamin (rechte Schale) und
Acetylcholin und Glutamat (linke Schale)
im Gleichgewicht
Glutamat, Acetylcholin
Dopamin
zu wenig Dopamin führt
zu einem Übergewicht
von Acetylcholin und Glutamat
15
Aus dem Gesagten resultieren zwei Fragen:
Warum kommt es zu einem Mangel an Dopamin?
Welche Konsequenzen für die Behandlung ergeben sich daraus?
Dopamin wird in einer bestimmten Region des Mittelhirns gebildet, in der so
genannten Substantia nigra. Sie ist, wie der Name bereits sagt, schwarz
gefärbt. Bei der Parkinson-Krankheit kommt es zu einem fortschreitenden
Untergang dieser Nervenzellen und damit zu einer abnehmenden Bildung
und Speicherfähigkeit von Dopamin.
Damit ist auch die zweite Frage fast schon beantwortet: Die Therapie muss
darauf ausgerichtet sein, das fehlende Dopamin in irgendeiner Form zu
ersetzen. Warum die Substantia nigra zu Grunde geht, darüber wissen wir bis
heute noch nichts Genaues.
Dopamin wird in der Substantia nigra gebildet, einer Region aus
Nervenzellen im Mittelhirn. Bei der Parkinson-Krankheit kommt es
hier zu einer fortschreitenden Zerstörung und damit zu einem
Mangel an Dopamin.
Bei der Parkinson-Krankheit ist das Gleichgewicht zwischen
Dopamin auf der einen Seite und Glutamat sowie Acetylcholin auf
der anderen Seite gestört: Glutamat und Acetylcholin gewinnen
einen größeren Einfluss.
Der überschießende Acetylcholinanteil löst wahrscheinlich den
Tremor und den Rigor aus. Der Dopaminmangel ist vermutlich die
Ursache der Akinese.
16
17
2
Parkinson-Krankheit Ursache und Diagnose
Die Parkinson-Krankheit hat ihren Namen von dem englischen Arzt James
Parkinson. Er hat seine Patienten auf der Straße beobachtet und bestimmte
Symptome entdeckt, die bei verschiedenen Patienten unabhängig voneinander
auftraten. Er nannte das Krankheitsbild damals Schüttellähmung und beschrieb es zum ersten Mal schon im Jahr 1817. Zugleich äußerte er als Erster
den Verdacht, dass die unterschiedlichen Symptome eine gemeinsame
Ursache haben könnten und dass sie auf gewisse Veränderungen im Gehirn
zurückzuführen seien.
Erst 1919 konnte bestätigt werden, was Parkinson 100 Jahre zuvor vermutet
hatte. Bei Gehirnuntersuchungen stellte man nämlich fest, dass die Substantia
nigra - normalerweise schwarz gefärbt - bei Parkinson-Patienten hell aussieht.
Bei der Parkinson-Krankheit degenerieren die Nervenzellen der Substantia
nigra; damit verbunden ist die Entfärbung dieser Region. Die Zerstörung der
Substantia nigra ist ein langsam, jedoch ständig fortschreitender Prozess: Je
mehr Zellen zerstört sind, desto geringer ist die Dopaminproduktion und
desto ausgeprägter sind die für die Parkinson-Krankheit typischen Symptome.
Obwohl also die Krankheit schon sehr früh erkannt wurde, begannen die
ersten Therapieversuche erst 80 Jahre später. Man stellte fest, dass durch die
Gabe von Atropin eine gewisse Beeinflussung der Krankheit möglich war.
Atropin stammt aus der Wurzel der Tollkirsche, die den lateinischen Namen
Atropa Belladonna hat. Es wirkt dem relativen Übergewicht des Neurotransmitters Acetylcholin entgegen.
Mit der Möglichkeit, synthetische Arzneimittel herzustellen, wurden Mitte des
letzten Jahrhunderts auch Substanzen entwickelt, die eine atropinähnliche
Wirkung hatten. Diese Medikamente wurden zur Behandlung der ParkinsonKrankheit eingesetzt, allerdings mit nur mäßigem Erfolg.
Der entscheidende Durchbruch gelang erst mit der Entwicklung von L-Dopa,
einer Substanz, aus der unser Körper Dopamin herstellen kann, also jenen
Neurotransmitter, dessen Mangel zur Parkinson-Krankheit führt.
16
17
Die Parkinson-Krankheit wurde nach ihrem Entdecker, einem
englischen Arzt, benannt (1817).
Ursache für das Entstehen der Parkinson-Krankheit ist die
fortschreitende Zerstörung der Substantia nigra im Mittelhirn, die
für die Produktion von Dopamin verantwortlich ist.
Der entscheidende Durchbruch bei der Therapie gelang erst
1961 mit L-Dopa, der biologischen Vorstufe des körpereigenen
Neurotransmitters Dopamin.
2.1
2.2
Ursache der Parkinson-Krankheit
Bei der Darstellung der Funktionen unseres Nervensystems wurde ausgeführt,
dass es Botenstoffe - Neurotransmitter - gibt, die für die Informationsweiterleitung von Nervenzelle zu Nervenzelle in den Synapsen zuständig sind.
Dargestellt wurde des Weiteren, dass die unterschiedlichen Neurotransmitter
innerhalb der Basalganglien in einem Gleichgewicht stehen und dass, wenn
dieses Gleichgewicht gestört ist, auch die Bewegungsabläufe gestört sind.
Häufigkeit und Klassifikation der Krankheit
Die Parkinson-Krankheit gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen.
Sie beginnt meist im mittleren Lebensalter und weist einen Gipfel in der sechsten
Dekade des Lebens auf. Mit zunehmendem Alter nimmt die Erkrankung zu. In
den westlichen Ländern sind etwa ein Prozent der über 60-jährigen betroffen,
wobei Männer etwas häufiger erkranken als Frauen. Jüngere Menschen
(juveniler Parkinson) sind relativ selten betroffen, jedoch scheint die Anzahl
jüngerer Patienten in den letzten Jahren zuzunehmen. Der Grund dafür ist
derzeit Gegenstand der Forschung. Insgesamt wird die Zahl der ParkinsonPatienten in Deutschland auf rund 250.000 geschätzt.
Neben dem klassischen Bild der Parkinson-Krankheit - Mediziner nennen es
primärer oder idiopathischer Parkinson bzw. Morbus Parkinson - gibt es
ähnliche Krankheitsbilder, deren Ursachen heute weitgehend bekannt sind.
Dies sind der so genannte sekundäre Parkinsonismus und die atypischen
Parkinson-Syndrome.
Sekundärer Parkinsonismus
Dies ist ein Sammelbegriff für eine Parkinson-Symptomatik, die durch Medikamente, Gefäßerkrankungen, Infektionskrankheiten (insbesondere postenzephalitischer Parkinson), Gifte, Unfälle und Hirntumore hervorgerufen wird.
Atypische Parkinson-Syndrome
Patienten mit atypischem Parkinson-Syndrom leiden zusätzlich zu den
Parkinson-Symptomen, auf die wir noch im einzelnen zu sprechen kommen,
18
unter weiteren neurologischen oder psychiatrischen Auffälligkeiten, sowie
ausgeprägten vegetativen Beschwerden.
Bei Parkinson-Patienten degeneriert die Substantia nigra, was letztendlich zu
einem Dopaminmangel in den Synapsen führt. Daraus resultiert, dass die
Neurotransmitter Glutamat und Acetylcholin ein relatives Übergewicht erlangen
und so zu Tremor und Rigor führen.
Dieser Vorgang entwickelt sich langsam - oft über Jahre - und erst, wenn
etwa 60% der Dopamin-produzierenden Zellen nicht mehr funktionstüchtig
sind, treten die ersten Anzeichen einer Parkinson-Krankheit auf.
Dopamin, Glutamat und Acetylcholin stehen somit in einer besonderen
Beziehung zueinander. Geht der Anteil an Dopamin zurück, kommt es zu
einer Überfunktion von Acetylcholin und Glutamat. Zusammenfassend kann
man sagen: Ursache der Parkinson-Krankheit ist die Zerstörung der
Substantia nigra und der daraus resultierende Mangel an Dopamin in den
Basalganglien.
Wieso kommt es zur Zerstörung der Substantia nigra? Diese Frage ist trotz
intensiver Forschung noch nicht geklärt. Möglicherweise sind hierfür mehrere
Faktoren gleichzeitig verantwortlich, unter anderem:
Stoffwechselprodukte
Umweltgifte
Störungen des Kalziumstoffwechsels im Gehirn
der Mangel an bestimmten Wachstumsfaktoren, sogenannten
neurotrophen Substanzen
19
Die nebenstehende Checkliste soll Ihnen helfen, die Krankheit früher zu
erkennen. Wenn Sie mehr als vier Fragen mit ja beantwortet haben,
kann das ein Hinweis auf erste Symptome von Parkinson sein. Sie
sollten einen Arzt kontaktieren. Je früher ein Patient behandelt wird,
desto größer ist die Chance, seine Lebensqualität trotz der Erkrankung zu
erhalten.
In der Substantia nigra wird der Neurotransmitter Dopamin
gebildet. Der Untergang dieser Zellregion führt zu einem Mangel
an Dopamin in den Synapsen.
Damit kommt es zu einem vermehrtem Einfluss von Acetylcholin
und Glutamat.
2.3
Die Ausprägung der Krankheitssymptome kann man heute, zumindest in den
ersten Jahren, wesentlich beeinflussen. Je früher die Krankheit erkannt wird,
desto früher kann man mit der Therapie beginnen und desto länger kann der
Patient unbehindert leben und arbeiten. Während der ersten Krankheitsjahre lassen sich nahezu alle für die Krankheit typischen Symptome durch die heute zur Verfügung stehenden Arzneimittel erfolgreich behandeln.
Check zur Früherkennung
ja
1. Kommt es vor, dass Ihre Hand zittert, obwohl sie entspannt aufliegt?
2. Ist ein Arm angewinkelt und schlenkert beim Gehen nicht mit?
3. Haben Sie eine vornübergebeugte Körperhaltung?
4. Haben Sie einen leicht schlurfenden Gang oder ziehen Sie ein Bein nach?
5. Haben Sie einen kleinschrittigen Gang und kommt es vor, dass Sie
stolpern oder stürzen?
6. Leiden Sie an Antriebs- oder Initiativemangel?
7. Haben Sie häufig Schmerzen im Nacken-Schultergürtel-Bereich?
8. Haben Sie bemerkt, dass Sie sich von Ihren Freunden und Angehörigen
zurückziehen, dass Sie Kontakte meiden und zu nichts Lust haben?
9. Haben Sie Veränderungen in Ihrer Stimme bemerkt? Ist sie monotoner
und leiser als früher oder hört sie sich heiser an?
10. Haben Sie eine Verkleinerung Ihrer Schrift bemerkt?
11. Leiden Sie an innerem Zittern oder innerer Unruhe?
12. Haben Sie Schlafstörungen?
20
Je früher die Parkinson-Krankheit erkannt und behandelt wird,
desto länger kann der Patient unbehindert leben und arbeiten.
Mit den heute zur Verfügung stehenden Medikamenten können
die typischen Symptome des Krankheitsbildes für lange Zeit
erfolgreich behandelt werden.
Erkennen der Krankheit - je früher, desto besser
nein
2.4
Wie diagnostiziert man die Parkinson-Krankheit?
Ihr Arzt hat Ihnen diese Broschüre gegeben, weil er vermutet, dass sich bei
Ihnen die Parkinson-Krankheit entwickelt. Wie kommt er zu dieser Annahme?
Er hat Sie beobachtet, er hat Ihnen zugehört. Die Beobachtung des Patienten
ist nach wie vor der beste Ansatz für eine Frühdiagnose. Wie schon erwähnt:
Je früher die Krankheit erkannt wird, desto besser ist die Prognose für die
Zukunft des Patienten.
Wie kann nun der Arzt die Erkrankung überhaupt feststellen? Ganz im
Vordergrund der Diagnostik stehen die typische Krankengeschichte und der
charakteristische körperliche Untersuchungsbefund. Das Vorhandensein einer
Symptomkombination aus Zittern, Bewegungsarmut und Gliedersteife mit
Beginn auf einer Körperseite ist recht typisch für die Parkinson-Krankheit.
Wichtig ist ebenso die Kenntnis der von Ihnen eingenommenen Medikamente. Denn es gibt auch medikamentös verursachte Parkinson-ähnliche Zustände, die alleine durch Absetzen dieser Medikation rasch wieder verschwinden.
Die meisten Fälle der Parkinson-Krankheit lassen sich somit ohne zusätzliche
apparative Untersuchungen klar diagnostizieren. In einigen atypischen Fällen
bedarf es zur Diagnosestellung wichtiger Zusatzuntersuchungen.
21
2.4.1
Untersuchungsmethoden
Bei der körperlichen Untersuchung dienen dem Arzt folgende Anzeichen
(Symptome) als wichtige Hinweise zur Diagnose der Krankheit:
Die Hauptsymptome (Kardinal-Symptome)
Zittern (Tremor)
Steifigkeit (Rigor)
Bewegungsarmut (Akinese)
Die möglichen Zusatz-Symptome
Starre Mimik
Veränderung der Handschrift und/oder Stimme
Leiseres Sprechen
Depressive Verstimmung
Schweißausbrüche
Probleme beim Wasserlassen
Nachlassen der Sexualfunktion
Magen-/Darmbeschwerden
Vermehrte Talgabsonderung
Vermehrter Speichelfluss
Kreislaufstörungen
Häufig benutzen Ärzte zur Diagnostik
Untersuchung in einem Magnetresonanzauch den Apomorphin-Test oder
Tomographen
L-Dopa-Test. Sprechen Patienten, bei
denen der Arzt eine Parkinson-Krankheit vermutet, auf diesen Test an, das heißt,
wenn die Anzeichen der Krankheit verschwinden bzw. sich verringern, liegt mit
hoher Wahrscheinlichkeit eine Parkinson-Krankheit vor.
Weitere Diagnose-Verfahren sind:
Computertomographie (CT)
Magnetresonanztomographie (MRT)
Single-Photon-Emissions-Computer-Tomographie bzw. PositronenEmissions-Tomographie (SPECT bzw. PET)
Elektroenzephalogramm (EEG)
Blutuntersuchungen
Ultraschall
22
Um Erkrankungen abzugrenzen, die sich mit ähnlichen Beschwerden wie die
Parkinson-Krankheit zeigen, jedoch andere Ursachen, Verläufe und Therapien
aufweisen, kommen Ultraschall, Computertomographie (CT), Elektroenzephalogramm (EEG), vor allem aber auch die Magnetresonanztomographie (MRT)
zum Einsatz. Die MRT liefert hoch auflösende Bilder des Gehirns und erlaubt
es somit, andere Ursachen Parkinson-ähnlicher Beschwerden wie z. B. mehrfache Schlaganfälle oder Störungen des Kupfer-Stoffwechsels abzugrenzen.
Moderne bildgebende Methoden wie Single-Photon-Emissions-ComputerTomographie bzw. Positronen-Emissions-Tomographie (SPECT bzw. PET) sind
teuer und nur in wenigen Zentren verfügbar. Sie beruhen im Wesentlichen
darauf, dass bestimmte, radioaktiv markierte, Stoffe in das Blut der Betroffenen verabreicht werden und sich im Gehirn ansammeln. Aufgrund der
Verteilungsmuster dieser Stoffe im Gehirn lassen sich Rückschlüsse über Art
und Ausmaß der Schädigung ziehen. Diese sind insbesondere für die
Diagnostik der atypischen Parkinson-Syndrome von großer Bedeutung. Die
radioaktiven Stoffe werden dann rasch über den Harn wieder ausgeschieden.
Richtige Behandlung durch sichere Abgrenzung
Dank dieser Einblicke lassen sich andere Krankheiten, deren Symptome
denen der Parkinson-Krankheit ähneln, eindeutig abgrenzen: Zum Beispiel die
Multisystematrophie (MSA) oder auch der relativ häufige essentielle Tremor
(auch erblicher Tremor genannt). Bei letzterem bleiben im Gegensatz zum
Parkinson-bedingten Tremor die Dopamin-produzierenden Nervenzellen in der
Substantia nigra unversehrt.
Folgende Verfahren werden zur Diagnostik eingesetzt:
Aufnahme der Krankengeschichte
körperliche Untersuchung
Einsatz der Verfahren MRT bzw. CT
Einsatz der Verfahren SPECT bzw. PET
Apomorphin-Test bzw. L-Dopa-Test
Blutuntersuchungen
Ultraschall
23
2.5
Wie macht sich die Krankheit bemerkbar?
Eines der auffälligsten Symptome ist das Zittern, auch Tremor genannt. Sie
müssen jedoch wissen, dass Zittern nicht unbedingt gleichzusetzen ist mit
der Parkinson-Krankheit: Es gibt Parkinson-Patienten, bei denen Zittern
überhaupt nicht auftritt, während umgekehrt Zittern noch lange nicht bedeuten muss, dass der Patient an der Parkinson-Krankheit erkrankt ist (z. B. beim
bereits erwähnten essentiellen Tremor). Zittern kann auch altersbedingt sein.
Die ersten Beschwerden des Patienten bei einer beginnenden ParkinsonKrankheit können im Nacken und im Lendenwirbelbereich auftreten. Diffuse
Rückenbeschwerden werden beklagt. Beobachtet der Arzt den Patienten
genau und beobachtet er vor allen Dingen seine Entwicklung über einen
längeren Zeitraum, kann er häufig zwei Veränderungen feststellen, die für das
Krankheitsbild Parkinson typisch sind:
Die Schrift des Patienten wird kleiner,
der Patient spricht leiser.
Sie können dies möglicherweise auch selbst an sich beobachten. Unabhängig
davon treten Schwierigkeiten beim Gehen auf; auch das beim Gehen
normalerweise automatische Mitpendeln der Arme ist gestört. Oft sind es
jedoch auch leichte Ermüdbarkeit und depressive Verstimmungen, die den
körperlichen Symptomen vorausgehen und diese sogar überdecken können.
Die voll ausgebildete Parkinson-Krankheit ist gekennzeichnet durch die
Hauptsymptome:
Bewegungsarmut (Akinese),
erhöhte Muskelspannung (Rigor),
Zittern (Tremor), sowie
Gleichgewichtsstörungen im weiteren Verlauf.
24
2.5.1
Akinese
Die Akinese stellt für Parkinson-Patienten persönlich oft die schwerste
Behinderung dar. Unter dem Begriff Akinese (griechisch a = ohne, fehlend
und kinesis = Bewegung) versteht man das völlige Fehlen willkürlicher und
unwillkürlicher Bewegungen. Dieser Begriff wurde traditionell beibehalten,
wenngleich er der Bewegungsstörung bei der Parkinson-Krankheit nur
unvollständig gerecht wird. Zutreffender ist es, von Bradykinese (brady =
langsam) oder Hypokinese (hypo = unter, darunter) zu sprechen, wenn
Körperbewegungen verlangsamt oder vermindert sind.
Als Betroffener spürt man das am ehesten bei feinen Tätigkeiten wie dem Zuknöpfen von Kleidungsstücken oder dem Anlegen der Armbanduhr, vielleicht
auch bei handwerklichen Tätigkeiten oder beim Musizieren. Ebenso kann bei
willkürlichen Handlungen - wie dem Aufstehen von einem Stuhl - der
Bewegungsstart verzögert sein. Ähnliche Startstörungen können auch die
ersten Schritte beim Gehen erschweren. Die Beine scheinen dann geradezu
am Boden festzukleben. So genannte Engpassstörungen liegen vor, wenn es
für den Betroffenen schwierig wird, zügig eine Tür oder einen schmalen Gang
zu durchqueren.
Dass auch unwillkürliche, also unbewusst ablaufende Bewegungen vermindert sind, bemerken oft Angehörige eher als der Betroffene selbst. Sie halten
beispielsweise ihren Partner für teilnahmsloser als früher, weil sich Gefühlsregungen nicht mehr so deutlich in dessen Gesichtsausdruck (starr gewordene
Mimik) widerspiegeln.
2.5.2
Rigor
Mit Rigor (lateinisch = Steifigkeit) bezeichnet man einen anhaltend gesteigerten Spannungszustand der Muskulatur. Er kann als Taubheit oder Steifigkeit
empfunden werden. Meist ist der Rigor auf einer Körperhälfte stärker ausgeprägt als auf der anderen. Dieses Symptom trägt zur typischen Haltung der
Parkinson-Patienten bei: Arme und Beine sind leicht angebeugt, die Schultern
nach vorn gezogen. Rumpf und Kopf sind vornüber geneigt, weichen
vielleicht auch etwas zur Seite ab.
25
2.5.3
Tremor
Neurotransmitter im Gehirn zurückzuführen. Zusätzlich führt die Krankheit
selbst wieder - reaktiv - zu depressiven Verstimmungen.
Der Tremor (lateinisch = Zittern) stellt
das bekannteste Parkinson-Symptom
dar. Bei 80% der Betroffenen ist er
bereits zu Beginn oder aber im Verlauf
der Erkrankung zu beobachten, oft
verliert er sich dann wieder. Typischerweise besteht der Tremor bei ParkinsonBeispiel eines Ruhetremors in der linken
Patienten als Ruhetremor. Das bedeutet,
Hand, rechte Hand ohne Tremor
er wird bei einer entspannten Haltung
offensichtlich, beispielsweise an den im Schoß liegenden Händen eines
sitzenden Patienten. Bewusst ausgeführte Zielbewegungen - wie etwa der
Griff nach einem Apfel - bringen den Tremor aber schnell zum Abklingen.
Alltagsverrichtungen bleiben daher für die meisten Betroffenen weiterhin
ohne große Mühe durchführbar. Dennoch wird das Zittern von den Betroffenen
oft als sehr störend empfunden, da es für deren Umgebung sichtbar ist und
sich bei Gemütsregungen, sei es Freude oder Schreck, sogar noch verstärkt.
Der Tremor ist meist ein- oder beidseitig an den Händen, seltener an den
Beinen, am Kopf oder Unterkiefer lokalisiert.
2.5.4
Gleichgewichtsstörungen
Vielen Betroffenen fällt es schwer, im Gedränge kleine Stöße an den Körper
richtig abzufangen. Weil sie das Gleichgewicht schlechter halten können,
stolpern und stürzen sie leicht; Ablenkung während des Gehens kann die
Sturzgefahr zusätzlich erhöhen. So kann es problematisch werden, sich
während des Spaziergangs mit dem Partner zu unterhalten und gleichzeitig
ein Taschentuch aus der Jacke zu ziehen. Besser ist es, kurz anzuhalten, um
konzentriert einen bestimmten Handgriff auszuführen.
2.5.5
2.5.6
Vegetative Symptome
Einzelne vegetative Symptome können auftreten, bisweilen sind sie nur gering
ausgeprägt. Sie können sich als Schweißausbrüche, Kreislaufstörungen, Schwierigkeiten beim Wasserlassen, Nachlassen der Sexualfunktion, Verstopfung
oder auch als vermehrte Talgabsonderungen auf der Haut äußern.
2.6
Wie beurteilt man den Schweregrad der Krankheit?
Bewertungs- oder Beurteilungsskalen sollen dem Arzt eine Hilfestellung im
klinischen Alltag geben. Sie werden in der ärztlichen Praxis und in der Klinik
eingesetzt, um messbare Befunde der Parkinson-Krankheit zu dokumentieren
und zu veranschaulichen.
Sie können hilfreich sein, die funktionelle Behinderung besser zu bewerten
und einzuschätzen. Sie sollen als Leitfaden und Checkliste dienen, um Symptome und Zeichen in einer Befunddokumentation vollständig festzuhalten, damit
diese z. B. in einen Arztbrief mit einfließen können. Schließlich können solche
Beurteilungsskalen eine bessere Einschätzung der Therapie erlauben und als
Dokumentation des Krankheitsverlaufs dienen.
Psychische Veränderungen
Wie bereits erwähnt, treten als erstes Zeichen der Parkinson-Krankheit häufig
nur depressive Verstimmungen auf, die auch während der Krankheit weiter
existieren können. Sie sind vermutlich auf das gestörte Gleichgewicht der
26
Die Intelligenz wird durch die Parkinson-Krankheit nicht beeinträchtigt. Bei
manchen Patienten kann bei fortschreitender Erkrankung jedoch eine Verlangsamung der Gedankengänge und eine verminderte Konzentrationsfähigkeit
beobachtet werden. Wenn bei Parkinson-Patienten Verwirrtheitszustände oder
Trugbilder (Halluzinationen) auftreten, so steht dies häufig in Zusammenhang
mit der Einnahme von Medikamenten gegen die Parkinson-Symptomatik oder
in Zusammenhang mit dem Auftreten einer zusätzlichen Erkrankung.
Für die Parkinson-Krankeit gibt es eine Reihe solcher Skalen. Die bekanntesten
sind die UPDRS-Skala (UPDRS = Unified Parkinson´s Disease Rating Scale),
die Hoehn- und Yahr-Skala sowie die Webster-Skala (Webster war der
Erfinder der Skala).
27
Mit der umfangreichen UPDRS-Skala (hier als Zusammenfassung dargestellt)
werden motorische und nicht-motorische Parkinson-Symptome bewertet.
Auch die Webster-Skala (ebenfalls hier in einer Zusammenfassung dargestellt)
wird zur Beurteilung des Schweregrades der Parkinson-Krankheit verwendet.
UPDRS-Skala
I Kognitive Funktionen,
Verhalten und Stimmung
II Aktivitäten des täglichen
Lebens (ADL)
III Motorische Leistungsfähigkeit, getrennt nach
Körperregionen
IV Komplikationen bei der
Behandlung
V Stadieneinteilung nach der
Hoehn- und Yahr-Skala
VI Modifizierte Schwab
und England-Skala
Webster-Skala
1. Bradykinesie der Hände
2. Rigidität
3. Haltung
4. Mitschwingen der Arme
5. Gang
6. Tremor
Einteilung in
7. Facies
verschiedene
8. Seborrhoe
Schweregrade
9. Sprache
(0, 1, 2, 3 Punkte)
10. Selbständigkeit
Gesamtpunktzahl:
1 bis 10 Punkte: Leichtes Parkinson-Syndrom
11 bis 20 Punkte: Mittelschweres Parkinson-Syndrom
21 bis 30 Punkte: Schweres Parkinson-Syndrom
So ist z. B. bei(m):
essentiellen Tremor (ET) weder prä- noch postsynaptisch eine
Schädigung zu finden,
der Multisystematrophie (MSA) sowohl eine prä- als auch eine
postsynaptische Schädigung zu erkennen,
der Parkinson-Krankheit durch den Untergang der Nervenzellen in der
Substantia nigra vor allem eine präsynaptische Schädigung nachweisbar.
Zeigen die verschiedenen Krankheitsbilder ähnliche Symptome, dann ist auch
bei sorgfältiger neurologischer Untersuchung eine sichere Differentialdiagnose
(Unterscheidungs-Diagnose) nicht immer möglich.
Eine sichere Diagnosestellung ist jedoch erforderlich, damit der Arzt die am
besten angepasste Therapie auswählen kann. Gerade an dieser Stelle kann
eine Bildgebung mit nuklearmedizinischen Methoden (siehe Kapitel 2.4.1)
häufig bei der Eingrenzung der zu Grunde liegenden Erkrankung helfen.
Der eigentlichen Parkinson-Krankheit am verwandtesten sind die Multisystematrophie (MSA) und die progressive supranukleäre Blickparese (PSP).
2.7
Abgrenzung zu ähnlichen Krankheiten
2.7.1
Wie bereits erläutert, gehen bei der Parkinson-Krankheit Nervenzellen in der
Substantia nigra im Mittelhirn zu Grunde. Beim Gesunden senden diese
Zellen Nervenfasern zum Streifenkörper (Corpus striatum oder kurz Striatum).
Dort übertragen sie ihre Informationen mittels des Neurotransmitters Dopamin
von der präsynaptischen Seite über einen mikroskopisch kleinen Spalt
(Synapse, siehe Kapitel 1.1) auf die postsynaptische Seite, die zur nächsten
Nervenzelle in den zentralen Hirnstrukturen des Striatum gehört.
Eine Vielzahl von Basalganglienerkrankungen zeigen ähnliche Symptome wie
die Parkinson-Krankheit. Hierunter fallen z. B. die Multisystematrophie (MSA),
die progressive supranukleäre Blickparese (PSP), der essentielle Tremor (ET)
und andere. Andererseits ist bekannt, dass bei den verschiedenen Erkrankungen unterschiedliche Anteile der oben genannten Signalübertragung
betroffen sind.
28
Was ist MSA?
Die Multisystematrophie (MSA) gehört zur Gruppe der so genannten
Atypischen Parkinson-Syndrome. Klinisch ist sie einerseits durch das
Auftreten typischer Parkinson-Symptome gekennzeichnet (Akinese, Rigor,
seltener Tremor). Andererseits liegen zusätzlich Störungen in weiteren neuronalen Systemen vor, die das klinische Erscheinungsbild vielfältiger machen.
So können Gleichgewichtsstörungen und Störungen der Bewegungskoordination Leitsymptome sein. Häufig lassen sich auch vegetative Störungen,
vor allem ein ausgeprägter und therapeutisch schwer zu beeinflussender
niedriger Blutdruck und Störungen beim Wasserlassen beobachten.
Die Abgrenzung einer MSA von der Parkinson-Krankeit kann initial schwierig
sein. Insgesamt schreitet der Verlauf der MSA aber schneller voran.
29
2.7.2
Was ist PSP?
Die progressive supranukleäre Blickparese (PSP) gehört ebenfalls in die
Gruppe der Atypischen Parkinson-Syndrome. Leitsymptom ist die vertikale
Blicklähmung. Die PSP beginnt in der Regel nicht vor dem 50. Lebensjahr.
Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
Die klinische Symptomatik ist von Rigor und Akinese geprägt, Tremor findet
man praktisch nicht. Die Symptome sind symmetrisch ausgebildet, also
anders als bei der einseitig betonten Parkinson-Krankheit. Gang- und Standunsicherheit mit Neigung zu Stürzen sind erheblich. Die Seh- und Lesestörungen sind durch die Blickparese (Parese = Lähmung, Erschlaffung) zu
erklären. Das Krankheitsbild ist schnell fortschreitend und wie die MSA
therapeutisch schwer zu behandeln.
30
31
Wir wissen heute, dass bei vielen
Erkrankungen die Einstellung des
Patienten eine wesentliche Rolle spielt:
Hilfe zur Selbsthilfe sollte auch für Sie
eine wichtige Botschaft sein. Sprechen
Sie mit Ihrem Arzt über die vielfältigen
Möglichkeiten, ergreifen Sie selbst die
Initiative. Sie werden es erleben: Ihre
eigene Initiative gibt Ihnen Selbstvertrauen und - dies ist heute unbestritten wird Ihnen eine wertvolle Hilfe sein, mit
der Krankheit richtig umzugehen! Bewegung, Lockerung der Muskulatur,
geistige Regsamkeit, Förderung der Denkfähigkeit und der Gedächtnisschulung heißt die Losung - übrigens nicht nur für Parkinson-Kranke!
Operative Maßnahmen: Nach jahrelanger Zurückhaltung wegen
mangelnder Erfolge beurteilt man solche Möglichkeiten heute positiver.
Bis jetzt sind operative Maßnahmen jedoch nur in Ausnahmefällen
angezeigt. Zum Beispiel, wenn in einem weit fortgeschrittenen Stadium
Tremor und Rigor einem Patienten unerträglich erscheinen und medikamentös nicht beherrscht werden können. Auf die operativen Maßnahmen
kommen wir später noch zu sprechen.
3.1
Selbst wenn die Erkrankung durch die Medikamente noch nicht hinsichtlich der
Auslösefaktoren beeinflussbar ist, lassen sich doch die Krankheitssymptome
lange Zeit gut beherrschen.
3.2
Medikamentöse Therapie
Biochemisch ist die Parkinson-Krankheit dadurch gekennzeichnet, dass
Dopamin nicht mehr in ausreichendem Maße gebildet wird. Die Folge ist eine
Störung im Gleichgewicht der Neurotransmitter Dopamin, Glutamat und
Acetylcholin. Die mit den bisher verfügbaren Medikamenten möglichen
Behandlungsstrategien zielen alle darauf ab, dieses Ungleichgewicht aufzuheben. Dafür gibt es folgende Möglichkeiten, die häufig kombiniert eingesetzt
werden:
Erhöhung der Aktivität der dopaminabhängigen Nervenzellen
Hemmung der erhöhten Glutamataktivität
Hemmung der erhöhten Acetylcholinaktivität
Gewissenhaftigkeit bringt Therapieerfolg
Mit der medikamentösen Therapie soll in erster Linie erreicht werden, dass das
für die Symptomverbesserung der Parkinson-Krankheit notwendige Dopamin in
Ihrem Körper, genauer gesagt im Gehirn, in ausreichendem Maße zur
Verfügung steht. Weiterhin soll das relative
Übergewicht der anderen Neurotransmitter
wieder in die Balance gebracht werden.
Dafür gibt es unterschiedliche Medikamententypen. Und: Es kann durchaus sein,
dass Ihr Arzt sich dazu entschließt, Ihnen
zwei oder gar drei verschiedene Medikamente zu verordnen.
32
Es ist wichtig, dass Sie die vom Arzt verordneten Medikamente,
sowohl was die Dosis betrifft, als auch was die Einnahmezeiten
angeht, regelmäßig und wie verordnet einnehmen. Denn nur bei
gewissenhafter Einnahme der Medikamente kann sich auch ein
Therapieerfolg einstellen.
Heutzutage stehen für die Therapie der Parkinson-Krankheit sechs Wirkstoffgruppen mit mehr als 100 Einzel-Medikamenten zur Verfügung (s. Tabelle auf
Seite 36):
Die sechs Wirkstoffgruppen:
Anticholinergika
COMT-Hemmer
Dopaminagonisten
L-Dopa
MAO-B-Hemmer
NMDA-Antagonisten
33
3.2.1
L-Dopa
Um das bei der Parkinson-Krankheit fehlende Dopamin zu ersetzen, wird den
Patienten L-Dopa verabreicht. Diese Substanz stellt eine biologische Vorstufe
des körpereigenen Neurotransmitters Dopamin dar und kann - im Gegensatz
zu Dopamin - die Barriere zwischen Blutgefäßen und Hirngewebe, die BlutHirn-Schranke, überwinden. Im Gehirn wird L-Dopa dann in Dopamin umgewandelt. Damit L-Dopa nicht schon vorzeitig im Blut zu Dopamin umgewandelt wird, wird heutzutage immer ein Dopa-Decarboxylasehemmer (Benserazid oder Carbidopa) zugesetzt. Dieser ermöglicht, sowohl die L-DopaMenge pro Tablette als auch die Nebenwirkungen deutlich zu reduzieren.
Das mit einem Dopa-Decarboxylasehemmer kombinierte L-Dopa bessert meist
schon innerhalb weniger Tage deutlich die Parkinson-Symptome - und hier
insbesondere die Akinese und den Rigor. Von den Patienten wird
L-Dopa in der Regel gut vertragen. Nur gelegentlich kommt es zu leichter Benommenheit und Übelkeit, die bei Reduzierung der Dosis fast immer abklingt.
L-Dopa wird zu Beginn der Therapie vor allem bei älteren Patienten sowie bei
Patienten mit zahlreichen Begleiterkrankungen eingesetzt. Bei jüngeren
Patienten wird in der Anfangs-Therapie heutzutage versucht, zunächst mit
einem Dopaminagonisten zu beginnen; meist ist jedoch nach zwei bis drei
Jahren die zusätzliche L-Dopa-Gabe unumgänglich.
Nach wie vor gilt L-Dopa als der Goldstandard in der Behandlung der
Parkinson-Krankheit. Die früher im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung verkürzte Lebenserwartung der Parkinson-Patienten konnte seit Einführung der L-Dopa-Therapie nahezu normalisiert werden.
3.2.2
COMT-Hemmer
COMT-Hemmer hemmen das Enzym Catechol-O-Methyltransferase (COMT),
wodurch der zweitwichtigste Abbauweg von L-Dopa blockiert wird. In
Deutschland steht der periphere, also außerhalb des Gehirns aktive, COMTHemmer Entacapon zur Verfügung.
Durch die COMT-Hemmung wird die Wirkdauer des verabreichten L-Dopa
verlängert. Dies ermöglicht einen gleichmäßigeren Zustrom von L-Dopa in das
34
Gehirn. Hieraus resultiert eine bessere und länger anhaltende Beweglichkeit.
Entacapon wird von den meisten Patienten gut vertragen. Die Eigenfarbe der
Substanz kann zu einer harmlosen Orangefärbung des Urins führen.
Entacapon wird eingesetzt, wenn mit anderen Parkinson-Medikamenten keine
zufriedenstellende Beweglichkeit gewährleistet werden kann. Medizinisch
ausgedrückt heißt das, dass es durch Entacapon zu einer deutlichen Verlängerung der On-Zeit, also der Phasen guter Beweglichkeit kommt. Entacapon
muss immer gemeinsam mit L-Dopa verabreicht werden.
Hemmung des peripheren Abbaus von L-Dopa
Einsatz eines COMT-Hemmers reduziert den Abbau von L-Dopa zu 3-OMD
in der Peripherie
L-Dopa/DDC-Hemmer
L-Dopa/DDC-Hemmer/COMT-Hemmer
3-OMD
3-OMD
3-OMD
COMT
L-Dopa
DDC
Dopamin
COMT
L-Dopa
DDC
BHS
Dopamin
Peripherie
Gehirn
Abkürzungen: DDC = Dopa-Decarboxylase
3.2.3
3-OMD
COMT
L-Dopa
DDC
Dopamin
COMT
L-Dopa
DDC
Dopamin
Peripherie
BHS = Blut-Hirn-Schranke
BHS
Gehirn
3-OMD = 3-O-Methyldopa
L-Dopa und Entacapon in Monotherapie
Die derzeit neueste Entwicklung auf dem Gebiet der Parkinson-Therapie stellt
die Kombination der drei Wirkstoffe L-Dopa, Carbidopa und Entacapon dar.
Die Kombination vereinfacht das duale Einnahmeregime von L-Dopa/Carbidopa und Entacapon quasi zu einer Monotherapie - denn eine Tablette enthält
alle drei Wirkstoffe. Von der Kombination dürften alle Patienten mit frühen
Wearing-off-Symptomen profitieren (s. Seite 39), bei denen erste Zeichen
einer nachlassenden L-Dopa-Wirkung zu beobachten sind. Die neue Tablette
garantiert nicht nur die korrekte Einnahme der drei Wirkstoffe, es wird auch die
Anzahl der pro Tag einzunehmenden Tabletten deutlich reduziert - spürbare
Vorteile für Arzt und Patienten, die sich in besserer Beweglichkeit und mehr
Lebensqualität niederschlagen.
35
3.2.4
Parkinson-Medikamente*
Anticholinergika
Biperiden
Akineton
Biperiden ratiopharm
Metixen
Tremarit
Trihexyphenidyl
Artane
COMT-Hemmer
Entacapon
Comtess
Dopaminagonisten
Bromocriptin
Kirim
Pravidel
Lisurid
Dopergin
Alpha-Dihydroergocryptin
Almirid
Cabergolin
Cabaseril
Ropinirol
ReQuip
Pramipexol
Sifrol
Pergolid
Parkotil
L-Dopa-Präparate
L-Dopa/Benserazid
Madopar
Madopar-LT
Madopar Depot
L-Dopa/Carbidopa
Isicom
Nacom
Nacom retard
MAO-B-Hemmer
(alphabetisch, nicht nach Bedeutung, gelistet)
L-Dopa/Carbidopa/
Entacapon
(Kombinationstablette)
Stalevo 50
Stalevo 100
Stalevo 150
MAO-B-Hemmer
Selegilin
Movergan
Selegam
Selegilin hemmt die Monoaminoxidase-B (MAO-B); ein dopaminabbauendes
Enzym. Es bewirkt eine Anreicherung von Dopamin im Gehirn. Wenngleich
insgesamt milder, ist Selegilin in Wirkung und Nebenwirkungen dem L-Dopa
ähnlich. Selegilin wird von den meisten Patienten gut vertragen, es sollte
jedoch nicht nachts eingenommen werden, da es zu Unruhezuständen sowie
Schlafstörungen kommen kann. Als alleiniges Parkinson-Medikament kann
die Substanz bei leichten Symptomen die Behandlung einleiten, muss
allerdings meist bald mit L-Dopa ergänzt werden. Diskutiert wird in Fachkreisen, ob Selegilin das Fortschreiten der Parkinson-Erkrankung verlangsamen kann.
3.2.5
Dopaminagonisten
Bei den Dopaminagonisten handelt es sich um Medikamente, welche die
Wirkung von Dopamin imitieren, indem sie direkt an den Empfangseinrichtungen einer Nervenzelle ansetzen, an denen normalerweise die Impulse
durch Dopamin übertragen werden. In ihrer Wirksamkeit sind die Dopaminagonisten jedoch L-Dopa deutlich unterlegen.
Die Einstellung auf diese Präparate erfordert Geduld, da die Besserung der
Parkinson-Symptome, verglichen mit L-Dopa, langsamer eintritt und auch
häufiger mit Nebenwirkungen zu rechnen ist. Übelkeit oder Blutdruckabfall
erfordern bei vielen Patienten vorübergehend oder langfristig eine Zusatzmedikation. Bei älteren Patienten können - insbesondere bei hohen Dosierungen - auch Trugbilder und Verwirrtheitszustände auftreten. Als Vorteil der
Dopaminagonisten hat sich erwiesen, dass durch ihren frühzeitigen Einsatz
die häufig nach langjähriger Behandlung mit L-Dopa zu beobachtenden
Überbewegungen weniger ausgeprägt in Erscheinung treten.
NMDA-Antagonisten
Amantadinhydrochlorid
Adekin
Amanta
Amantadinsulfat
PK-Merz
Tregor
* Diese Liste ist nicht vollständig.
36
Amantadinsulfat-lnfusion
PK-Merz Inf.
Budipin
Parkinsan
3.2.6
NMDA-Antagonisten
Amantadin
Die Wirkweise dieser Substanz konnte bis heute noch nicht vollständig geklärt
werden. Es wird angenommen, dass Amantadin die erhöhte Glutamat37
Wirkung im Gehirn abmildert und so dazu beiträgt, das Ungleichgewicht
zwischen den einzelnen Neurotransmittern auszubalancieren.
Amantadin ist gegen alle Hauptsymptome der Parkinson-Krankheit wirksam,
wenngleich die Wirkung aber deutlich schwächer als die von L-Dopa oder
Dopaminagonisten ist. Ein günstiger Effekt auf unerwünschte Überbewegungen ist beschrieben.
Amantadin wird von den meisten Patienten gut vertragen, selten können aber
auch hier Verwirrtheitszustände beobachtet werden. Bei Patienten mit
eingeschränkter Nierenfunktion kann es zu vermehrten Nebenwirkungen
kommen. Eine besondere Bedeutung hat Amantadin als Infusionslösung beim
Auftreten von akinetischen Krisen. Als Infusionslösung kann Amantadin ferner
verabreicht werden, wenn die Tabletteneinnahme ein Problem darstellt,
beispielsweise im Zusammenhang mit Narkosen oder Schluckstörungen.
Budipin
Bei Budipin handelt es sich um eine Substanz, die unterschiedliche Neurotransmitter beeinflusst, vornehmlich jedoch die erhöhte Glutamatwirkung
dämpft. Budipin wird vorwiegend bei schwer behandelbarem Tremor eingesetzt. Die QT-Zeit-Verlängerung (QT = gesamte elektrische Aktion der
Herzkammer in der EKG-Messung) als Nebenwirkung beinhaltet jedoch die
Gefahr lebensgefährlicher Herzrhythmusstörungen und erfordert engmaschig
dokumentierte kardiologische Kontrollen.
3.2.7
Anticholinergika
Anticholinergika sind die am längsten bekannten Medikamente in der Behandlung der Parkinson-Krankheit. Sie wirken dem relativen Übergewicht des
Neurotransmitters Acetylcholin entgegen, der aus dem Dopaminmangel
resultiert. Anticholinergika beeinflussen den Rigor positiv, vor allem aber den
Tremor.
Relativ häufig treten Nebenwirkungen auf, beispielsweise Mundtrockenheit,
Verstopfung und Harnverhalt. Meist werden Anticholinergika deswegen nur
noch ergänzend zu anderen Parkinson-Medikamenten eingesetzt.
38
3.3
Medikamentenwirkung kann nachlassen
Möglicherweise bemerken Sie nach mehreren stabilen Jahren der Krankheit
- die so genannte Honeymoon-Phase - ungewohnte, neuartige Symptome an
sich. Vielleicht haben Sie das Gefühl, dass Ihre bisherigen Medikamente, die
Ihnen Ihr Arzt verordnet hat, nicht mehr so zuverlässig wirken oder dass Sie
diese nicht mehr so gut vertragen. Informieren Sie Ihren Arzt über diese
Veränderungen. Er wird mit Ihnen gemeinsam dann die Medikamente
überprüfen.
Nun ist die medikamentöse Therapie mit L-Dopa, so wichtig sie für die
meisten Patienten auch ist, im Langzeitverlauf mit einigen Nachteilen verbunden. Nach etwa drei bis fünf Jahren - der Zeitraum ist von Patient zu
Patient unterschiedlich - spüren Sie möglicherweise, dass die Wirkung im
Tagesverlauf schon vorzeitig abklingt und die Parkinson-Symptome bereits vor
der nächsten regulären L-Dopa-Einnahme wieder einsetzen. Zu Grunde
liegen diesem scheinbaren Wirkungsverlust in erster Linie Veränderungen im
Gehirn selbst: die Zahl funktionstüchtiger dopaminherstellender und -speichernder Nervenzellen hat mit der Zeit weiter abgenommen. Dies führt dazu,
dass die Konzentration von Dopamin im Gehirn stark schwankt, und dass sich
die Wirkdauer von L-Dopa verkürzt. Man nennt dieses Phänomen Wearingoff bzw. End-of-dose-Akinese. Durch die nachlassende Beweglichkeit oder
beispielsweise stärkeres Zittern signalisiert der Körper, dass es Zeit ist, die
nächsten Medikamente einzunehmen.
Weitere wichtige Informationen hierzu entnehmen Sie bitte der Patientenbroschüre Teil 2 „Mit Parkinson länger besser leben - Wissenswertes im
fortgeschrittenen Stadium“. In dieser befindet sich auch ein Fragebogen zum
besseren Erkennen der Wearing-off-Beschwerden.
3.3.1
Wechselnde Beweglichkeit
Nach noch längerer Krankheitsdauer können die Phasen guter und schlechter
Beweglichkeit unvorhersehbar und abrupt wechseln. Diese Erscheinung
nennt man den On-off-Effekt (englisch: on-off = ein-aus). In Phasen guter,
aber auch schlechter Beweglichkeit, kann es zu so genannten Überbewegun39
gen kommen. Diese Überbewegungen bezeichnen Ärzte als Dyskinesien.
Dyskinesien äußern sich durch unbeabsichtigte, willentlich nicht unterdrückbare Bewegungen von Armen und Beinen, weniger des Rumpfes. Peak-doseDyskinesien (englisch: peak-dose = Dosisspitze) zeigen sich, wenn der Zeitpunkt der höchsten L-Dopa-Konzentration im Blut eintritt. Biphasische
Dyskinesien (= zu zwei Zeiten) treten in der An- und Abflutphase der
Medikamente auf, werden also jeweils eingeleitet und abgelöst von schlechten Bewegungsphasen.
Bei leichter Ausprägung sind die Überbewegungen harmlos, obgleich sie
insbesondere von der Umwelt häufig als störend empfunden werden. In
schweren Fällen können die Gliedmaßen allerdings so stark schleudern, dass
sich der Patient auch selbst verletzen bzw. stürzen kann.
Die Dyskinesien können von Dystonien begleitet sein. Dies sind oft
schmerzhafte Erhöhungen des natürlichen Spannungszustandes der Muskulatur mit Verkrampfungsgefühl. Dystonien
können auch für sich alleine auftreten.
Bei nicht wenigen Patienten kommt es im
längeren Krankheitsverlauf (gelegentlich
auch zu Beginn der Erkrankung) zu
plötzlichen, unvorhersehbaren Blockierungen der Bewegung. Die Patienten kleben
am Boden fest. Das Phänomen Freezing
(englisch: einfrieren) tritt spontan auf,
z. B. in engen Räumen oder Türdurchgängen, oder wird durch emotionellen
Stress verursacht.
Informieren Sie Ihren Arzt, wenn Sie an sich beobachten, dass die
Medikamentenwirkung nachlässt.
3.3.2
Sicher, wirksam und verträglich?
Bestimmt fragen Sie sich, wie sicher, wirksam und verträglich die Medikamente eigentlich sind, die Ihnen Ihr Arzt verordnet. Bis ein Medikament in
Deutschland zugelassen wird, können bis zu zehn Jahre vergehen. Voraussetzung für eine Zulassung durch die deutschen oder europäischen Zulassungsbehörden sind klinische Studien während der so genannten drei Phasen. Vor
allem in der letzten Phase, der Phase III, werden Untersuchungen mit der
entsprechenden Substanz parallel in mehreren Kliniken durchgeführt (multizentrische Studien).
Klinische Studien werden anhand ihrer Fragestellung, bzw. ihrer Informationsausbeute, in Phasen eingeteilt. Jede neue Phase hängt von der vorangehenden Phase ab und baut auf deren Erfahrungen auf. Die Auswahlkriterien für
die Studienteilnahme von Patienten in bestimmten Phasen hängen von
verschiedenen Faktoren ab, unter anderem vom Allgemeinzustand des
einzelnen Patienten, vom Krankheitsstadium, von der vorhergehenden
Behandlung usw.
In Phase-I-Studien sucht man nach neuen Therapieansätzen. Diese
sind bis zum jetzigen Zeitpunkt im Labor und im Tierversuch getestet
worden. Die zentrale Forschungsfrage lautet dabei: Welches ist die beste
Art und die optimale Dosis, um die neue Behandlung sicher zu gestalten.
Jede noch so belanglose Nebenwirkung wird dabei genau registriert und
überwacht.
In Phase-II-Studien wird die Wirkung der neuen Behandlung auf die
entsprechende Krankheit erforscht. Wenn eine Behandlung in Phase II
wirksam ist, wird sie in einer Phase-III-Studie weiterverfolgt.
In Phase-III-Studien wird die neue Behandlung mit den herkömmlichen
Methoden - so genannten Standardmethoden - verglichen, um herauszufinden, ob sie Vorteile hat (z. B. besseres Ansprechen oder geringere
Nebenwirkungen).
In Phase-IV-Studien (die nicht mehr Teil des Zulassungsverfahrens sind,
aber noch zu Änderungen der Zulassung führen können) wird die neue
40
41
Behandlung Teil der Standardtherapien und dementsprechend im Alltag
eingesetzt und untersucht. Jetzt auftretende und bisher nicht bekannte
Nebenwirkungen müssen den Zulassungsbehörden mitgeteilt werden.
Forschung mit Wachstumsfaktoren
Anfang des Jahres 2003 wurde bekannt, dass einige Parkinson-Patienten
erstmalig mit einer kontinuierlichen Infusion des Wachstumsfaktors GDNF
(Glial cell derived nerve growth
factor) in das Putamen (Nervenzellgebiet im Großhirn) behandelt
wurden. Möglicherweise führt diese
Behandlung zum Wiederaussprossen
der noch vorhandenen
dopaminergen Nervenendigungen.
Soweit diese experimentelle Therapie
derzeit beurteilbar ist, nimmt die
Schwere der Parkinson-Symptomatik
ab und Dyskinesien werden abgeschwächt. In den nächsten Jahren
werden hier sicherlich weitere
klinische Studien folgen.
Die Durchführung einer klinischen Studie ist streng geregelt. Die Ziele der
klinischen Studie müssen sorgfältig definiert werden, das Vorgehen während
der Studie ist in einem Studienprotokoll genau festgehalten. Diese Sicherheitsmaßnahmen werden von den Behörden gefordert und genau kontrolliert.
3.3.3
Was bringt die Zukunft?
Erforschung neuer Medikamente
Bei der Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung der ParkinsonKrankheit ist man heute nicht nur bestrebt, die Symptome zu lindern, sondern
man sucht auch nach Möglichkeiten, das Absterben der Nervenzellen im
Gehirn zu verhindern oder zu verzögern.
Dadurch soll die Verschlimmerung der Krankheit verlangsamt oder gar
aufgehalten werden. Man spricht dabei von Neuroprotektion oder
neuroprotektiven Präparaten. Andere Ansätze zielen darauf ab, die Wirkung
des wenigen Dopamins, das die Gehirnzellen der Patienten noch produzieren,
zu verlängern. Daneben wird auch nach neurorestaurativen Behandlungsmöglichkeiten gesucht, also nach Medikamenten, welche die untergegangenen Nervenzellen im Gehirn wiederherstellen oder ersetzen.
Insgesamt macht die Erforschung der Parkinson-Krankheit derzeit große
Fortschritte. Viele Kliniken, Universitäten, die pharmazeutische Industrie oder
das Kompetenznetzwerk Parkinson sind in diesem Bereich stark engagiert.
Auch die Deutsche Parkinson Vereinigung (s. Seite 48), mit ihren derzeit rund
25.000 Mitgliedern, finanziert über eigene Mittel und die ihr angeschlossene
Hans Tauber-Stiftung weiterführende Forschungsvorhaben.
Transplantationsforschung
Die Transplantation embryonaler Zellen oder von Stammzellen wird derzeit in
der Publikumspresse als ein Hoffnungsträger zukünftiger Therapien dargestellt. Tatsächlich ist im Fall der Parkinson-Erkrankung der grundsätzliche
Beweis bereits gelungen, dass eine solche Transplantation klinisch wirksam
sein kann. Zwei Studien in den USA haben aber zuletzt ergeben, dass das
Ausmaß der Wirksamkeit nur sehr gering ist und außerdem neue Probleme
mit bis dato unbekannten Dyskinesieformen entstehen. Dies hat dazu geführt,
dass die Transplantation in Fachkreisen mit relativer Skepsis betrachtet wird.
Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass weitere Laboruntersuchungen
und besonders die Erforschung der Stammzelltherapie erforderlich sind.
42
3.4
Nicht-medikamentöse Therapien
3.4.1
Operationen
Thermokoagulation
In eng begrenzten, besonders stark ausgeprägten Fällen des Tremors, kann
dieser stereotaktische Eingriff Linderung bringen. Bei diesem in den letzten
Jahren verfeinerten Operationsverfahren werden im Gehirn bestimmte
43
Nervenzellen dauerhaft zerstört. Der Eingriff erfolgt meist einseitig und wirkt
auf die gegenseitigen Extremitäten. Hierdurch kann in der Regel das Zittern
dieser Extremitäten beseitigt werden. Ein dauerhafter Erfolg ist jedoch nicht
sicherzustellen.
Tiefenhirnstimulation
Die Tiefenhirnstimulation bildet
heutzutage eine vielversprechende
Alternative zu der Zerstörung von
Nervengewebe. Sie ist eine ergänzende Behandlung bei Patienten, die
nach einem langjährigen Krankheitsverlauf unter nicht mehr ausreichender Medikamentenwirkung oder
unter schweren Nebenwirkungen der
Behandlung leiden.
Mit Hilfe operativ platzierter Elektroden ist es möglich, Nervenzellengebiete im
Gehirn per Schrittmacher von außen zu blockieren, deren Aktivität im Rahmen
der Parkinson-Krankheit verändert ist.
Der Hauptzielpunkt ist der so genannte Nucleus subthalamicus, dessen
Stimulation auf alle drei Kardinalsymptome der Parkinson-Krankheit, also
Tremor, Akinese und Rigor eine symptomverbessernde Wirkung erzielt. Nach
der Operation kann man die Medikamentendosis meist deutlich reduzieren,
aber nur selten ganz auf Medikamente verzichten.
Mögliche Nebenwirkungen der Therapie können Sprach- und Sehstörungen,
aber auch Bewegungsstörungen sein. Die Auswahl der Patienten, die
überhaupt für eine Tiefenhirnstimulation in Frage kommen, geschieht in einem
umfangreichen Testverfahren. Die Erkrankung kann in ihrem Verlauf durch die
Operation nicht aufgehalten werden.
Die Tiefenhirnstimulation wird nur von einigen Universitätskliniken und
spezialisierten neurologischen Kliniken angeboten.
44
3.4.2
Körperliche Aktivitäten
Unter diesem Begriff fasst man heute mehrere Maßnahmen zusammen, die
einzeln oder in ihrer Gesamtheit eine sehr wertvolle Unterstützung des
Patienten bedeuten, z. B.:
Krankengymnastik
therapeutisches Schwimmen
Logopädie
Ergotherapie
Wenn wir unseren Körper bewegen, die Muskulatur arbeiten lassen, wirkt
sich dies grundsätzlich - ob bei Kranken oder bei Gesunden - positiv auf
Herz-Kreislauf, auf die Funktion unserer Nieren und auf die Verdauung aus.
Gerade dann, wenn möglicherweise die ersten Anzeichen einer Bewegungseinschränkung, beispielsweise Beschwerden im Rücken auftreten, ist es an
der Zeit, selbst aktiv zu werden.
Krankengymnastik
Wer sich mit einer möglichen eingeschränkten Bewegungsfähigkeit abfindet,
ist auf dem falschen Weg. Leichte depressive Verstimmung fördert diese
Entschlusslosigkeit. Trotzdem oder gerade deshalb sollten Sie aus der Erfahrung anderer profitieren, Krankengymnastik selbst auszuprobieren. Eigene
Aktivitäten wirken sich nicht nur positiv auf unseren Körper, sondern auch
positiv stimulierend auf unser Gemüt aus. Sinnvolle, Ihrem körperlichen
Zustand angepasste Gymnastik können Sie schon nach kurzer fachkundiger
Anleitung allein zu Hause oder mit spezieller Gymnastik in den Regionalgruppen der dPV, der Deutschen Parkinson Vereinigung, (s. Seite 48) absolvieren.
Logopädie
Sehr häufig ist bei der Parkinson-Krankheit die Muskulatur betroffen, die für
das Sprechen zuständig ist, also die Zungen- und Kehlkopfmuskulatur sowie
auch die Gesichtsmuskulatur. Dabei verändert sich die Stimme langsam, sie
45
wird leiser und undeutlicher. Schon sehr früh sollte mit der Logopädie, der
Stimm- und Sprachtherapie, begonnen werden. Bei dieser Therapie werden
nicht nur die Stimme und Aussprache sowie Sprechgeschwindigkeit bei
Parkinson-Kranken trainiert, sondern auch die Mundbeweglichkeit und Mimik
geschult sowie die Atmung verbessert. Die Betroffenen sollen dabei lernen,
ihre verbliebenen Sprechfunktionen möglichst effektiv in der alltäglichen
Kommunikation einzusetzen.
Ergotherapie
Durch ergotherapeutische Übungen und Hilfsmittel soll für die Betroffenen die
größtmögliche Selbständigkeit im Alltag erhalten werden. Dabei ist es wichtig,
die ergotherapeutischen Maßnahmen ganz auf die Beeinträchtigungen der
jeweiligen Person abzustimmen. Trotz allem sollen sie den Betroffenen auch
Freude bereiten und nicht eine Überforderung darstellen. Bezugspersonen
sollten bei den Betrachtungen mit einbezogen werden.
3.4.4
Hilfe bei psychischen Problemen
Häufig gehen der Parkinson-Krankheit depressive Störungen voraus. Sie
können aber auch eine Reaktion auf die Auswirkungen der ParkinsonKrankheit selbst sein. Das Erleben krankheitsbedingter Beeinträchtigungen,
das Erfahren von Abhängigkeiten und der Verlust von Erfolgserlebnissen und
Bestätigungen im beruflichen Umfeld lassen deutlich werden, dass eine
chronische, fortschreitende Erkrankung trotz aller bereits erreichten
Behandlungserfolge einen tiefen Lebenseinschnitt für viele Patienten darstellen kann. Bei der Bewältigung der vielfältigen, potenziellen Komplikationen im
psychosozialen Bereich bedarf es professioneller Hilfen unter Einbeziehung
auch psychotherapeutischer Verfahren oder auch spezieller Medikamente
bzw. einer Umstellung der bisherigen Parkinson-Medikation.
Die Übungen umfassen vor allen Dingen die alltäglichen Lebensaktivitäten
wie Körperpflege und Ankleiden, Haushaltsversorgung inklusive selbständigem Essen.
3.4.3
Geistige Aktivitäten
Wichtig ist es, eigene Initiativen zu ergreifen, um unser Gedächtnis zu trainieren und unsere Denkfähigkeit zu fördern. Hierzu zählen:
Lesen anspruchsvoller Texte: Bücher, adäquate Tageszeitungen.
Spielen: Skat, Schafskopf, Schach, Bridge oder Memory.
Lösen von Rätseln, Denksportaufgaben.
Dies ist deshalb ausdrücklich zu empfehlen, weil es bei Vorliegen einer
Parkinson-Krankheit im fortgeschrittenen Stadium durchaus zu einer
Verlangsamung beim Denken kommen kann. Ihr Denkvermögen wird nicht
beeinträchtigt, nur die Denkgeschwindigkeit kann reduziert sein. Damit Sie
trotzdem geistig beweglich bleiben: Tun Sie etwas dafür, werden Sie aktiv und
Sie werden feststellen, dass all dies auch viel Freude bereiten kann!
46
47
4
4.1
Wo finde ich weitere Hilfe?
Die Deutsche Parkinson Vereinigung (dPV)
Seit 1981 gibt es in Deutschland einen Selbsthilfeverband für ParkinsonPatienten: Die Deutsche Parkinson Vereinigung (dPV). Mit rund 400 aktiven
Regionalgruppen und Kontaktstellen und fast 25.000 Mitgliedern ist sie
mittlerweile quer durch Deutschland vertreten. Ihr Bundesverband sitzt in
Neuss/Nordrhein-Westfalen.
Der dPV-Bundesverband bietet Beratung und gibt Hilfestellung in rechtlichen
und sozialen Fragen. Ihm zur Seite stehen ärztliche und psychologische
Beiräte. Der Bundesverband verfügt über vielfältiges Parkinson-Informationsmaterial, gibt mit den dPV-Nachrichten vierteljährlich eine eigene Mitgliederzeitschrift heraus und betreibt selbst sowie über die Hans Tauber-Stiftung
eine Förderung der Parkinson-Forschung. In den Regionalgruppen treffen sich
die Patienten zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch, betreiben spezielle
Krankengymnastik, organisieren Weiterbildung und Informationsveranstaltungen und unternehmen Ausflüge und Reisen.
Den Kontakt erhalten Sie über folgende Anschrift:
Deutsche Parkinson Vereinigung – Bundesverband – e.V.
Moselstraße 31, 41464 Neuss
Telefon: 02131-410 16/17, Fax: 02131-45 445, e-mail: [email protected]
Klinik Ambrock, Klinik für Neurologie, Universität Witten/Herdecke
Ambrocker Weg 60, 58091 Hagen,
Telefon: 02331/974-0, Fax: 02331/974-112
Fachklinik Feldberg GmbH, Zentrum für Neurologie,
Kardiologie und Psychosomatik
Buchenallee 1, 17258 Feldberg,
Telefon: 039831/520, Fax: 039831/52404
HUMAINE-Klinik Maximilian Kötzting, Neurorehabilitation
Weißenregener Straße 5, 93444 Kötzting,
Telefon: 09941/98-0, Fax: 09941/98-3099
Landesfachkrankenhaus Stadtroda,
Abt. Neurologie mit Fachbereich für Parkinson-Patienten
Bahnhofstr. 1a, 07646 Stadtroda,
Telefon: 036428/56-0, Fax: 036428/56-279
Medical Park Bad Rodach, Fachklinik für Neurologie
Kurring 16, 96476 Bad Rodach,
Telefon: 09564/93-0, Fax: 09564/93-1119
Paracelsus Elena Klinik
Klinikstr. 16, 34128 Kassel,
Telefon: 0561/6009-0, Fax: 0561/6009125
Paracelsus Nordseeklinik Helgoland
Invasorenpfad, 27498 Helgoland,
Telefon: 04725/8030, Fax: 04725/803127,
Parkinson Klinik Bad Nauheim,
Fachklinik für Neurologische Rehabilitation
Franz-Groedel-Str. 6, 61231 Bad Nauheim,
Telefon: 06032/7810, Fax: 06032/781100
Parkinson-Klinik Wolfach, Neurologisches Krankenhaus
Kreuzbergstraße 12-16, 77709 Wolfach/Schwarzwald,
Telefon: 07834/9710, Fax: 07834/4930
4.2
Fachkliniken für Parkinson-Patienten*
Neben der ambulanten Behandlung besteht auch die Möglichkeit, sich in
neurologischen Kliniken oder folgenden Fachkliniken behandeln zu lassen:
Beelitz Heilstätten,
Neurologisches Fachkrankenhaus für Bewegungsstörungen/Parkinson
Paracelsusring 6 a, 14547 Beelitz-Heilstätten,
Telefon: 033204/22781, Fax: 033204/22782
Gertrudis-Klinik Biskirchen
Karl-Ferdinand-Broll-Straße 2-4, 35638 Leun-Biskirchen (b. Wetzlar),
Telefon: 06473/305-0, Fax: 06473/305-57
Schlossberg Klinik Wittgenstein,
Klinik für Parkinson und Multiple Sklerose
Schloßstraße 40, 57334 Bad Laasphe,
Telefon: 02752/101-0, Fax: 02752/101-349
Waldklinik Bernburg,
Neurologische Klinik - Behandlungszentrum für Parkinson-Kranke
Keßlerstraße 8, 06406 Bernburg,
Telefon: 03471/3650, Fax: 03471/365200
Fachklinik Ichenhausen,
Neurologische Abteilung mit Fachbereich Morbus Parkinson
Krumbacher Str. 45, 89335 Ichenhausen,
Telefon: 08223/99-1034, Fax: 08223/993036
* Stand: Januar 2004
48
49
Nachwort
Trotz Krankheit ein lebenswertes Leben zu führen, ist das Ziel jeder Art der
Parkinson-Behandlung. Wie Sie den vorausgehenden Kapiteln entnehmen
konnten, gibt es mittlerweile vielfältige Möglichkeiten, der Krankheit entgegen
zu treten und die Symptome zu lindern bzw. ihr Auftreten zu verzögern.
Trotz allem müssen Sie sich darüber im Klaren sein, dass eine Behandlung der
Parkinson-Krankheit eine lebenslange Therapie zur Folge hat. In den ersten
Jahren der Krankheit werden Sie unter dieser Therapie relativ beschwerdefrei
sein und können möglicherweise noch gut Ihrem Beruf nachgehen oder
problemlos all‘ Ihre privaten Hobbies betreiben.
Leider ist eine der unangenehmen Eigenschaften der Krankheit, dass sie
progredient ist, das heißt, dass sie fortschreitend ist. Nach einer Reihe von
Jahren werden neue und für Sie ungewohnte Symptome Einfluss auf Ihre
Lebensqualität und Ihr Krankheitsempfinden haben. In erster Linie sind dies
Tagesschwankungen Ihrer Beweglichkeit und unwillkürliche Bewegungen
sowie gelegentlich auch Störungen des vegetativen Nervensystems.
Möglicherweise werden auch neuartige Nebenwirkungen der Therapie
auftreten, die eine mehrmalige Umstellung Ihrer Medikamente nach sich
ziehen kann.
Im Teil zwei unserer Patientenbroschüren mit dem Titel „Mit Parkinson länger
besser leben - Wissenswertes im fortgeschrittenen Stadium“ werden wir
Ihnen zeigen, was sich im Krankheitsverlauf ändern kann, in welcher Form die
medikamentöse Therapie angepasst werden muss und wie Sie sich selbst und
auch Ihre Angehörigen auf die veränderten Lebensumstände einstellen
können.
Bei allem ist jedoch die positive Einstellung zu Ihrer Krankheit wichtig. Oder
wie es der parkinsonkranke Boxer Muhammad Ali einmal sagte: „Ich habe die
Parkinson-Krankeit - und damit lebe ich jetzt“.
50
Herunterladen