Inhalt - Zeitschrift für Infektionstherapie

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ZEITSCHRIFT FÜR
ISSN 0722/5067
Informationen für Ärzte und Apotheker zur rationalen Infektionstherapie November/Dezember 2008 - 29. Jahrg.
Übersicht
Therapie der Enzephalitis
Die Enzephalitis ist definiert als die Manifestation eines inflammatorischen Prozesses im Gehirn mit klinischen Zeichen pathologischer neurologischer Funktionen.1
Das Syndrom der akuten Enzephalitis beinhaltet zahlreiche klinische Befunde der
akuten Meningitis (Fieber, Schmerzen, Bewusstseinsstörungen). Es ist daher wichtig,
beide Diagnosen beim individuellen Patienten zu berücksichtigen. Andere Symptome mit Dominanz bei Patienten mit Enzephalitis sind lokale neurologische Symptome, Krampfzustände, Wesensveränderungen sowie akute kognitive Dysfunktionen.
Von Bedeutung ist es, die infektiöse Enzephalitis zu unterscheiden von der postinfektiösen oder Postimmunisations-Enzephalitis, auch Enzephalomyelitis genannt. Diese
letzteren Syndrome werden zumeist von
immunologischen Vorgängen verursacht,
die durch eine vorangegangene antigene
Stimulation eines Infektionserregers oder
durch andere Antigene z.B. im Rahmen einer Vakzination gesehen werden. Derartige
Syndrome werden auch als akute disseminierte Enzephalomyelitiden bezeichnet.
Ätiologie
Eine Vielzahl von Erregern wird in der
Ätiologie der Enzephalitis beschrieben.
Allerdings bleibt bei vielen Erkrankungen
(32 % - 75 %) trotz intensiver diagnostischer
Untersuchungen die Ätiologie unklar. In
einer großen Studie mit 1570 Erkrankungen
über einen Zeitraum von sieben Jahren wurde die Ätiologie nur in 29 % der Erkrankungen gesichert bzw. als sehr wahrscheinlich
beurteilt. 2 Von diesen Fällen erwiesen sich
69 % als viral ausgelöst, 20 % als bakteriell,
7 % durch Prione, 3 % durch Parasiten und
1 % durch Pilze. Unter den viralen Erregern
sind mit Abstand Herpes simplex-Viren
führend, dabei sind HSV1-Infektionen häufiger im Erwachsenenalter, HSV2-Infektionen finden sich mehr bei Neugeborenen.
Weitere virale Erreger sind Enteroviren,
andere Herpes-Viren und in den USA zu-
6/2008
Inhalt
Übersicht
— Therapie der Enzephalitis
Seite 51-52
Wichtige Erreger in Klinik und Praxis ( 30 )
— Burkholderia
Neueinführung
– Rifaximin
Seite 53
Seite 53 -56
Enteritis
— Unnötiger Antibiotikagebrauch
— Vakzination bei Reisediarrhö?
Seite 56
Seite 56
C. difficile
— Ein „schwieriger“ Erreger?
— Rifaximin-Resistenz
Seite 56 -57
Seite 58
Mittel der Wahl
– Vancomycin: problematisch bei MRSA-Sepsis?
– Fluconazol empirisch bei Intensivpatienten?
– Neue Vakzine gegen H5N1-Inf luenza
– Probiotika bei der Pankreatitis?
Seite 58
Seite 58
Seite 58 -59
Seite 59
Veterinärmedizin und Resistenz
– Antibiotikaverbrauch
– MRSA-Kolonisation bei Schweinen
Seite 59
Seite 59- 60
Pharmakokinetik
– Moxif loxacin in der Prostata
nehmend auch West-Nil-Viren. Unter den
bakteriellen Erregern ist Mycoplasma pneumoniae der häufigste nachgewiesene Keim,
wobei die Bedeutung allerdings unklar ist.
Dieser Erreger ist nicht neurotropisch und
wird nur sehr selten innerhalb des zentralen
Nervensystems nachgewiesen.
Diagnostik
Trotz einer eher seltenen ätiologischen Klärung sollte der Nachweis einer Ursache diagnostisch angestrebt werden. Vor dem Hintergrund epidemiologischer Daten können
die diagnostischen Untersuchungen gezielter durchgeführt werden. So sind anam-
Seite 60
nestische Hinweise bezüglich Infektionserkrankungen im Wohngebiet, jahreszeitlicher Saison, geografischer Lokalisation sowie Reiseanamnese, Freizeitaktivitäten, berufliche Expositionen, Insektenkontakte,
Tierkontakte, Impfanamnese und der immunologische Status des Patienten von Bedeutung. Basierend auf diesen Informationen sollte die Diagnostik für jeden Patienten
individualisiert werden. Kulturen von Blut,
Liquor, Stuhl, Nasopharynxabstrichen und
Sputum sind häufig erforderlich. Serologische Untersuchungen akut und in der Rekonvaleszenzphase sowie Biopsien aus spezifischem Gewebe (z. B. Lymphknoten) für
Kulturen, Antigenbestimmungen, PCR-
51
November/Dezember 2008 - 29. Jahrg.
Zeitschrift für Chemotherapie
Analysen und histopathologischen Untersuchungen sollten erwogen werden. Jeder Patient mit einer Enzephalitis sollte ein
MRT des Gehirns erhalten; ein FDG-PET
wird nicht routinemäßig empfohlen. Erforderlich ist weiterhin unbedingt die Analyse des cerebrospinalen Liquors, indem z.B.
spezifische virale IgM-Antikörper gegen
zahlreiche Viren diagnostisch wegweisend
sein können. Darüber hinaus kann über die
Analyse des Liquors eine Beteiligung von
Bakterien und Pilzen ausgeschlossen werden. Der Einsatz von Nukleinsäure-Amplifikationsverfahren (z.B. PCR) bei der Analyse des Liquors kann insbesondere bei Virusinfektionen durch Herpesviren die Diagnose relativ schnell sichern. Ein EEG wird
ebenfalls bei allen Patienten mit Enzephalitis empfohlen.
Therapie
Obwohl zahlreiche Viren eine Enzephalitis
verursachen können, ist eine spezifische
antivirale Behandlung nur möglich bei
Infektionen durch Herpesviren, insbesondere durch Herpes simplex-Virus. Je
früher diese Behandlung gegen eine Herpes
simplex-Enzephalitis begonnen wird, umso
eher wird ein tödlicher oder ein komplikationsreicher Verlauf verhindert. Aciclovir
(ZOVIRAX u.a.) sollte bei allen Patienten
mit dem Verdacht auf eine Enzephalitis so
schnell wie möglich eingesetzt werden bis
die Ergebnisse der diagnostischen Untersuchungen vorliegen. Weitere empirisch zu
verabreichende antimikrobielle Substanzen
sollten sich an anamnestisch zu erhebenden
spezifischen epidemiologischen oder klinischen Befunden orientieren (z.B. Exposition als Arzt oder Krankenschwester mit
vermehrtem Risiko gegenüber VZV, HIV,
Influenza-Viren, Masern-Virus usw.). Auch
sollte bei klinischer Indikation oder Verdacht auf eine bakterielle Meningitis eine
antibiotische Therapie eingeleitet werden
und bei Patienten mit Verdacht auf Rickettsien- oder Ehrlichiosisinfektionen während
bestimmter Jahreszeiten sollte Doxycyclin
(VIBRAMYCIN u.a.) zusätzlich verabreicht werden.
Spezifische Behandlung
Nach Erhalt einer endgültigen ätiologischen Klärung der vorliegenden Infektion
kann eine spezielle Therapie vorgenommen
werden.
Bei Herpes simplex-Virusinfektionen wird
Aciclovir als Mittel der Wahl in einer Dosierung von 10 mg/kg intravenös alle acht
Stunden täglich bei Erwachsenen und Kindern über 14 bis 21 Tage gegeben. Bei Neugeborenen wird neuerdings eine höhere Dosis
mit 20 mg/kg i.v. alle acht Stunden über drei
Wochen empfohlen, was die Letalität auf
5 % gesenkt hat. In retrospektiven Analysen
52
der Herpes simplex-Virus-Enzephalitis erwies sich die Letalität nach 18 Monaten mit
28 % als sehr hoch. Risikofaktoren für einen
ungünstigen Verlauf waren ein höheres Alter über 30 Jahre, die Tiefe der Bewusstseinsstörung und die Dauer der Symptomatik
von über vier Tagen vor Beginn der Aciclovir-Therapie. Die Letalität konnte auf
8 % gesenkt werden, wenn mit der Therapie
innerhalb der ersten vier Tage nach Beginn
der klinischen Symptomatik begonnen
werden konnte. Rückfälle einer Herpes simplex-Enzephalitis wurden in 8 % bei Neugeborenen beobachtet, soweit die Dauer der
Therapie auf zehn Tage begrenzt wurde.
Ein negatives PCR-Ergebnis im Liquor am
Ende der Therapie war mit einem günstigen
Verlauf assoziiert. Die zusätzliche Gabe von
Kortikosteroiden wurde bisher nur in einer
retrospektiven Studie bei 45 Patienten analysiert, wobei diejenigen ohne Kortikosteroid-Therapie einen ungünstigeren Verlauf
aufwiesen. 3
Die Behandlung einer Varizella-ZosterVirus-Enzephalitis entspricht der Herpes
simplex-Virus-Therapie. Eine Behandlung
über 10 bis 14 Tage mit Aciclovir in einer
Dosis von 10 bis 15 mg/kg i.v. alle acht Stunden ist Therapie der Wahl.
Die optimale Therapie einer Cytomegalie-Virus-Enzephalitis ist noch nicht eindeutig definiert. Ganciclovir (CYMEVEN
u.a.) in einer Dosierung von 5 mg/kg i.v.
alle 12 Stunden über zwei bis drei Wochen
wird empfohlen, jedoch sind therapeutische
Misserfolge recht häufig. Eine Kombination aus Ganciclovir (5 mg/kg i.v. alle 12 Stunden) plus Foscarnet (FOSCAVIR) (60 mg/
kg i.v. alle acht Stunden oder 90 mg/kg i.v.
alle 12 Stunden) wurde über drei Wochen
gegeben, gefolgt von einer Erhaltungstherapie. Diese Kombination war erfolgreich
bei HIV-infizierten Patienten mit einer Verbesserung und Stabilisierung bei 74 % von 31
Patienten mit einer CMV-Enzephalitis oder
Myelitis.4 Da eine CMV-Enzephalitis praktisch nur im Rahmen einer ausgeprägten
zellulären Immunsuppression auftritt, sollte parallel auch angestrebt werden, die immunsuppressive Therapie – soweit wie klinisch vertretbar – zu reduzieren.
Die Replikation von Epstein-Barr-Viren in
vitro wird durch Aciclovir vermindert; eine
Metaanalyse von fünf klinischen Studien
ergab jedoch keinen Erfolg der Therapie mit
Aciclovir bei der infektiösen Mononukleose. 5 Kortikosteroide waren in Einzelfällen
bei neurologischen Komplikationen durch
Epstein-Barr-Virusinfektionen mit enzephalomyelitischer Beteiligung erfolgreich
und wurden insbesondere bei Patienten mit
erhöhtem intrakranialen Druck eingesetzt.
Diese Mitteilungen deuten auf einen günstigen Effekt der Steroide bei ausgewählten
Patienten hin, jedoch muss das mögliche Risiko einer derartigen Therapie bezüglich der
ungünstigen Beeinflussung einer Virusin-
fektion oder auch Verzögerung der Diagnose eines AIDS-bedingten ZNS-Lymphoms
berücksichtigt werden. Bei Knochenmarktransplantierten Patienten kann sich eine
Infektion durch humanes Herpes-Virus-6
manifestieren. Kontrollierte klinische Studien zur optimalen Therapie liegen nicht
vor, jedoch werden Ganciclovir oder Foscarnet allein oder in Kombination bei einer
derartigen Enzephalitis empfohlen.
Therapeutische Hinweise bei anderen Virus-induzierten Enzephalitiden sind ebenfalls nicht in kontrollierten Studien belegt.
So wird bei Masern-Virus-Enzephalitis
Ribavirin (REBETOL u.a.) bei schweren
Verläufen empfohlen, wobei die Substanz
für mindestens zwei bis drei Wochen verabreicht werden sollte. Oseltamivir (TAMI FLU) wurde bei Kindern mit Influenza
B-assoziierter Enzephalitis eingesetzt, wobei der zusätzliche therapeutische Effekt
im Rahmen des Krankheitsverlaufes nicht
sicher beurteilt werden konnte.
Zusätzliche unspezifische therapeutische
Ansätze wie die Gabe von Interferon alpha
oder Immunglobulinen zeigten in begrenzten kontrollierten Studien keine positiven
Effekte.
ZUSAMMENFASSUNG: Die infektiöse Enzephalitis stellt unverändert eine
diagnostische Herausforderung an den
behandelnden Arzt dar. Jeder Patient
sollte ein MRT und eine Analyse des Liquor cerebrospinalis erhalten. Die Ätiologie einer Enzephalitis wird in vielen
Fällen ungeklärt bleiben. Unter den Infektionserregern dominieren Viren, insbesondere Herpes simplex-Viren sind in
bis zu 15 % der Fälle führend. Die sofort
einzuleitende empirische antimikrobielle Therapie sollte deshalb mit Aciclovir
(ZOVIRAX) intravenös in optimaler
Dosis bis zum Erhalt der diagnostischen
Ergebnisse eingeleitet werden. Bei klinischer Indikation muss unbedingt auch
eine bakterielle Meningitis antibiotisch
mit behandelt werden. Nach Erhalt der
endgültigen Ätiologie sollte eine spezifische Behandlung soweit wie möglich
vorgenommen werden; eine empirisch
eingeleitete und nicht effektive Therapie sollte hingegen konsequenter Weise
abgesetzt werden.
1. TUNKEL, A.R. et al.
Clin Infect Dis 2008; 47: 303 - 327
2. GLASER, C.S. et al.
Clin Infect Dis 2006; 43: 1565 - 1577
3. KAMEI, S. et al.
J Neurol Neurosurg Psychiatry 2005;
76: 1544 - 1549
4. ANDUZE-FARIS, B.M. et al.
AIDS 2000; 14: 517 - 524
5. TORRE, D. und TAMBINI, R.
Scand J Infect Dis 1999; 31: 543 - 547
Zeitsc
November/Dezember 2008 - 29. Jahrg.
Zeitschrift für Chemotherapie
Wichtige Erreger in Klinik und Praxis (30)
Burkholderia cepacia
Morphologie und Kultur: Der Name Burkholderia cepacia (früher
Pseudomonas cepacia) leitet sich von dem amerikanischen Mikrobiologen Walter Burkholder ab, der den Keim erstmals 1950 aus
faulenden Zwiebelknollen isolierte. Heute werden unter der Bezeichnung Burkholderia cepacia -Komplex mindestens zehn nahe
verwandte Spezies zusammengefasst (Genomovare), die vereinfachend auch als Burkholderia cepacia bezeichnet werden. Es handelt
sich um ca. 1 x 2,5 μ m große aerobe gramnegative Stäbchenbakterien mit polarer Begeißelung. Die Burkholderiaarten sind wie die
Pseudomonaden nicht in der Lage, Kohlenhydrate zu verwerten,
und werden folglich den sogenannten „Non-Fermentern“ zugeordnet. Der Nachweis des Erregers im mikrobiologischen Routinelabor ist aufgrund der genotypischen und phänotypischen
Vielfalt schwierig (s. u.).
Pathogenese und Krankheitsbilder: Burkholderia cepacia ist ein primär pflanzenpathogener Keim, der in feuchter Umgebung und im
Boden vorkommt. Das natürliche Habitat sind Gewässer sowie der
Knollenbereich von Gemüse (z. B. Zwiebeln) und anderen Pflanzen. Nachdem in den 70er Jahren zunächst nur Berichte über den
Nachweis von Burkholderia cepacia bei Patienten mit Mukoviszidose (Synonym: Zystische Fibrose, CF) erschienen waren, wurde
1984 in Toronto (Kanada) erstmalig ein endemieartiges Auftreten
des Erregers bei CF-Patienten mit z. T. schweren Infektionen
bekannt. Burkholderia cepacia gilt heute als einer der wichtigsten
Erreger bei CF-Patienten. Darüber hinaus wurde er als Erreger
von Pneumonien bei Patienten mit chronischer Granulomatose
sowie als nosokomialer Erreger bei immunkompetenten Patienten
beschrieben.
Die Übertragung erfolgt in der Regel aerogen. Dabei stellen mit
Burkholderia cepacia besiedelte Patienten die größte Gefahr für
eine Übertragung dar. Im Privatbereich kann eine Kontamination
auch über die orale Aufnahme von Wasser oder Pflanzenteilen
erfolgen. Die wichtigste Infektionsquelle im Krankenhaus stellen
kontaminierte Desinfektionsmittel dar. Die Besiedlung erfolgt im
Respirationstrakt, wo der Erreger mit Hilfe von Pili und anderen
Faktoren an Epithelzellen adhäriert, in die er anschließend penetrieren und sich dort vermehren kann. Die genauen Pathomechanismen sind jedoch noch nicht geklärt.
Der Krankheitsverlauf kann sehr unterschiedlich sein. Bei den
Neueinführung
Rifaximin – eine sinnvolle Option
bei Reisediarrhö?
Die Diarrhö stellt eine im Allgemeinen
selbstlimitierende Komplikation bei Reisen
dar, die in Abhängigkeit von dem Reiseziel
in sehr unterschiedlicher Häufigkeit auftreten kann. Mehrere antibakteriell wirksame
Arzneimittel stehen zur Therapie der Reisediarrhö zur Verfügung. Am häufigsten
werden Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.),
Cotrimoxazol (COTRIM u.a.) und Azithromycin (ZITHROMAX u.a.) angewandt. Klinische Studien im Vergleich mit
Placebo haben gezeigt, dass die Dauer der
Erkrankung durch eine antibakteriell wirksame Substanz um ca. 1 bis 2,5 Tage verkürzt
meisten Patienten verschlechtert sich die Lungenfunktion nicht,
während in ca. 20 % der Fälle eine akut verlaufende nekrotisierende Pneumonie mit Sepsis auftritt (sogenanntes Burkholderia
cepacia -Syndrom). Dabei scheint der Verlauf der Infektion zum
einen von der Virulenz des Erregers und zum anderen von den
individuellen Faktoren der betroffenen CF-Patienten bestimmt
zu sein. Aufgrund der im Vergleich zu Pseudomonas aeruginosa
deutlich höheren Infektiosität dürfen mit Burkholderia cepacia besiedelte CF-Patienten nicht mit anderen CF-Patienten in Kontakt
kommen.
Diagnostik und Resistenzsituation: Der Nachweis des Erregers
erfolgt durch Anzucht aus Respirationstraktmaterialien. Die Identifizierung ist allerdings nicht einfach. Bei der Verwendung der
üblichen kommerziellen Testverfahren oder Selektivmedien wurden Burkholderia cepacia oft falsch identifiziert oder übersehen.
Der Gebrauch spezieller phänotypischer Tests erlaubt zwar eine
bessere Abgrenzung, insbesondere zu Burkholderia gladioli, Stenotrophomonas maltophilia oder Ralstonia spp.; für eine eindeutige
Zuordnung von Bakterien zu den Genomovaren des Burkholderia
cepacia -Komplexes ist aber die Anwendung molekularbiologischer Methoden erforderlich.
Burkholderia cepacia zeichnet sich durch eine Resistenz gegen
zahlreiche Antibiotika aus. Von Natur aus besteht eine Resistenz
gegen Aminoglykoside und Polymyxine. Darüber hinaus besteht
meist eine Resistenz gegen zahlreiche Betalaktam-Antibiotika, die
auf der Produktion chromosomal-kodierter Betalaktamasen oder
veränderter Penicillinbindeproteine beruht.
Therapie: Die Therapie umfasst in der Regel mehrere Antibiotika. Die höchsten Sensibilitätsraten wurden für Ceftazidim
(FORTUM) und Piperacillin/Tazobactam (TAZOBAC) berichtet; auch die Carbapeneme, Tetrazykline, Fluorchinolone und
Chloramphenicol sind in vitro teilweise wirksam. Die in-vitroAktivität besitzt aber nur einen geringen prädiktiven Wert für die
therapeutische Anwendung bei CF-Patienten, weil die Erregerelimination aus dem Sputum auch durch in vitro wirksame Antibiotika meist nicht gelingt. Als Ursache für diese Beobachtung
kommt die Fähigkeit der Erreger zur Biofilmbildung in Betracht.
Die wichtigste therapeutische Maßnahme stellt somit die konsequente Bronchialtoilette dar.
werden kann. Mit Rifaximin (XIFAXAN)
steht nun ein weiteres Medikament zur Verfügung, das vor kurzem zur „Behandlung
der durch nicht-invasive enteropathogene
Balkterien verursachten Reisediarrhö bei
Erwachsenen“ zugelassen wurde.1,2
Antibakterielle Aktivität, Spektrum
Rifaximin ist ein halbsynthetisches Derivat
des Rifampicins (RIFA u.a.), das sich von
diesem durch einen zusätzlichen Pyridoimidazolrest unterscheidet. Es handelt sich
nicht um einen neu entwickelten Wirkstoff:
die Eigenschaften der Substanz werden bereits seit 1983 in der medizinischen Literatur
beschrieben.
Ebenso wie andere Rifamycine blockiert
auch Rifaximin die bakterielle RNS-Synthese durch Hemmung der ß-Untereinheit
der DNS-abhängigen RNS -Polymerase.
Gegenüber den wichtigsten Erregern einer
Reisediarrhö, wie zum Beispiel Salmonellen
oder ETEC (Enterotoxin-bildende E. coliStämme) liegen die minimalen Hemmkonzentrationen (MHK90 -Werte) bei 4 bis
64 mg/l. Im Vergleich mit Ciprofloxacin
sind dies sehr hohe Konzentrationen. Die
Aktivität des Chinolons ist wesentlich
ausgeprägter: nur 0,016 bis 0,25 mg/l sind
notwendig für eine Hemmung dieser Erreger. Eine Wirksamkeit des Rifaximins angesichts der hohen MHK-Werte lässt sich
durch die beträchtlichen Konzentrationen
des Antibiotikums erklären, die im Stuhl
erreicht werden.
Angesichts der Gemeinsamkeiten zwischen
Rifaximin und Rifampicin liegt es nahe, die
Möglichkeit einer Selektion von resistenten Stämmen des Tuberkuloseerregers M.
tuberculosis zu überprüfen. Die bisher verfügbaren Daten aus gezielt durchgeführten
Studien zu dieser Fragestellung lassen kein
entsprechendes Risiko erkennen. 3
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Zeitschrift für Chemotherapie
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Pharmakokinetische Eigenschaften
Nach oraler Gabe werden weniger als 0,4 %
einer oral verabreichten Rifaximin-Dosis
resorbiert. Die maximalen Plasmakonzentrationen lagen daher auch nur bei ca. 0,004
mg/l (3,8 ng/ml). Die Eliminationshalbwertzeit beträgt etwa 6 Stunden. Das Antibiotikum wird fast vollständig unverändert
mit dem Stuhl ausgeschieden. Bei Patienten
mit Reisediarrhö, die drei Tage lang mit 2 x
täglich 400 mg Rifaximin behandelt wurden, wurde die Konzentration des Antibiotikums im Stuhl nach Abschluss der Behandlung mit 7961 μ g/g Stuhl bestimmt.4
In vitro wurde gezeigt, dass Rifaximin ähnlich wie Rifampicin zu einer Induktion von
Monooxygenasen führt. Ein beschleunigter
Metabolismus von Midazolam (DORMICUM u.a.) aufgrund einer möglichen Induktion von Cytochrom-P450-Enzymen
konnte in klinischen Studien jedoch nicht
nachgewiesen werden; offenbar sind die systemisch erreichten Konzentrationen nicht
ausreichend für eine Enzyminduktion
Klinische Studien
Bei gesunden Freiwilligen, die bereits vier
Dosen von 200 mg Rifaximin erhalten
hatten, wurde eine Infektion mit Shigella
flexneri verhütet, während sechs von zehn
Probanden in der Placebogruppe eine Infektion aufwiesen. Andererseits entwickelten 13 von 15 Probanden nach Gabe von
S. flexneri trotz Einnahme von Rifaximin
eine Diarrhö und erhielten zur Therapie
Ciprofloxacin.
In Placebo-kontrollierten Vergleichsstudien bei Patienten mit Reisediarrhö konnte
gezeigt werden, dass Rifaximin signifikant
besser wirksam ist als Placebo und hinsichtlich einer Verkürzung der Krankheitsdauer
nicht weniger wirksam ist als Ciprofloxacin.
Bei Gabe eines Placebos (n = 101) vergingen
insgesamt 65 Stunden vom Beginn der
Behandlung einer Reisediarrhö bis zum
letzten ungeformten Stuhl; diese Zeit konnte bei Gabe von dreimal täglich 200 mg
Rifaximin auf 32 Stunden reduziert werden (n = 197). Es bestand kein signifikanter
Unterschied zur Verkürzung dieses Zeitintervalls auf 28,8 Stunden nach Behandlung
mit Ciprofloxacin (2 x 500 mg tgl.) bei 101
Patienten in der Vergleichsgruppe. 2,5
Die Rifaximin-Behandlung war unwirksam bei der Mehrzahl von 46 Patienten,
bei denen vor der Therapie invasive Erreger
nachgewiesen worden waren (einschließlich
Salmonella spp. und Shigella spp.) und nur
vier von 17 Patienten, bei denen C. jejuni
isoliert wurde und die mit Rifaximin behandelt wurden, zeigten eine Besserung.
Die Häufigkeit einer Reisediarrhö war unter prophylaktischer Gabe von Rifaximin
in einer Dosierung von dreimal täglich 200
54
Strukturformel
von Rifaximin
mg über zwei Wochen deutlich niedriger als
bei Gabe eines Placebos (13 % vs. 54 %). 2
Verträglichkeit, Wechselwirkungen
Rifaximin war in den klinischen Zulassungsstudien gut verträglich. Art und Häufigkeit der unerwünschten Ereignisse waren
ähnlich wie unter Placebogabe. Trotz der
geringen Bioverfügbarkeit kann Rifaximin
zu einer rötlichen Verfärbung des Urins
führen. Über eine mögliche Beeinflussung der Östrogene bei gleichzeitiger Einnahme von oralen Kontrazeptiva ist wenig
bekannt. Zu alternativen kontrazeptiven
Maßnahmen wird jedoch geraten, wenn die
Verhütung mit einer so genannten „Mikropille“ mit weniger als 50 μ g Östrogengehalt
erfolgt.1
Hinsichtlich der Risiken einer Rifaximingabe während der Schwangerschaft gibt
es unterschiedliche Bewertungen. In den
USA wird auf das teratogene Potenzial der
Substanz hingewiesen, obwohl das Antibiotikum kaum resorbiert wird. Zu den im
Tierexperiment beobachteten Fehlbildungen gehören Kieferveränderungen, Augenfehlbildungen und Gaumenspalten. In der
deutschen Fachinformation (SPC) heißt es
dagegen: „Aus Tierversuchen ergeben sich
keine Hinweise auf [...] schädliche [...] Auswirkungen auf die embryonale/fötale Entwicklung“. Das Medikament soll während
der Schwangerschaft „nur unter strenger
Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses und unter direkter ärztlicher Aufsicht“
angewendet werden. Die Umsetzung dieser
Empfehlung in der Praxis ist nicht nachvollziehbar.
ZUSAMMENFASSUNG: Rifaximin
(XI FAXAN) ist ein lang bekanntes Antibiotikum, das nun zur Behandlung
der Reisediarrhö zugelassen wurde. Die
Aktivität gegen die relevanten Erreger,
wie zum Beispiel Enterotoxin-bildende
E. coli -Stämme, ist deutlich geringer als
die, der sonst bei dieser Indikation eingesetzten Antibiotika. Aufgrund der hohen
Konzentration des kaum resorbierbaren
Antibiotikums im Stuhl wird jedoch eine
ausreichende antibakterielle Wirkung
erreicht. Die klinischen Studien zeigen
für Rifaximin eine gleich gute Wirksamkeit wie für Ciprofloxacin (CIPROBAY
u.a.). Die Verträglichkeit in den klinischen Zulassungsstudien war gut.
1. XIFAXAN, Fachinformation (SPC), Norgine,
Niederlande, Stand: 08/2008
2. ROBINS, G.W. und WELLINGTON, K.
Drugs 2005; 65: 1697 - 1713
3. SORO, O. et al.
Clin Microbiol Infect 1997; 3: 147 - 151
4. JIANG, Z. D. et al.
Antimicrob Agents Chemother 2000;
44: 2205 - 2206
5. FDA Clinical study RFID3001
(www.fda.gov/cder)
ANMERKUNG DER REDAKTION:
Eine Reisediarrhö im Sinne der Indikation
für XIFAXAN ist eine „in einem mediterranen, subtropischen oder tropischen Land
erworbene Diarrhö bei Reisenden“.1 Angesichts dieser exakt definierten Indikation,
stellt sich die Frage, ob es sich bei einer Einnahme des Präparates zur Behandlung einer
in der Ukraine oder im Himalaya erworbenen Reisediarrhö um einen „off label use“
handelt. Zumindest bei Reisen nach Italien
kann empfohlen werden, das Präparat in
Italien und nicht in Deutschland zu kaufen.
Unter dem Handelsnamen NORMIX kostet es dort 8,76 Euro und ist damit deutlich
preiswerter als in Deutschland (39,85 Euro).
Hinweis: Dieser Artikel ist einer von 150 ausführlichen Beschreibungen von Arzneimitteln zur antiinfektiösen Therapie, die auf unserer Internetseite www.zct-berlin.de unter
der Rubrik „Neueinfuehrungen/
Kurzbeschreibungen“ zur Verfügung stehen.
Rifaximin bei Morbus Crohn?
Als Ursache eines Morbus Crohn wird eine
fehlerhafte Immunreaktion auf die intestinale Mikroflora angesehen. Demnach
könnten Antibiotika einen Nutzen im Rah-
Zeitschrift für Chemotherapie
November/Dezember 2008 - 29. Jahrg.
55
November/Dezember 2008 - 29. Jahrg.
Zeitschrift für Chemotherapie
men der Therapie dieser chronisch-entzündlichen Darmerkrankung haben. Bei
akuten Schüben, insbesondere wenn die Erkrankung auch das Kolon betrifft oder bei
septischen Komplikationen, werden häufig Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) oder
Metronidazol (CLONT u.a.) angewandt.
Die Ergebnisse der zugrunde liegenden
klinischen Studien sind allerdings nicht eindeutig und die unerwünschten Wirkungen
der verwendeten Antibiotika müssen bei
einer Therapieentscheidung berücksichtigt
werden. In einigen Kasuistiken wird über
die positiven Wirkungen von Rifaximin
(XIFAXAN) bei Patienten mit M. Crohn
berichtet. So beobachteten Ärzte in Florida
(USA) eine Besserung der Symptomatik bei
drei von fünf Patienten, bei denen ein M.
Crohn neu diagnostiziert wurde. Sie wurden mit Rifaximin in einer Dosierung von
800 mg täglich für mindestens drei Monate behandelt. Die Autoren beschreiben
eine überraschend deutliche Besserung bei
diesen Patienten, die 26 bis 31 Wochen lang
das Antibiotikum als einziges Medikament
erhielten.1
In Italien wurde in einer Doppelblindstudie
die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer
speziellen, magensaftresistenten Zubereitung von Rifaximin bei Patienten mit M.
Crohn untersucht. Die Patienten erhielten
entweder Placebo (n = 29) oder Rifaximin
in einer Dosierung von einmal (n = 25) oder
zweimal (n = 29) täglich 800 mg. Nach 12
Wochen wurde eine klinische Remission
bei 52 % der Patienten erzielt, die zweimal
täglich Rifaximin erhalten hatten, bei
niedriger Dosierung oder bei Behandlung
mit Placebo waren es 32 % bzw. 33 %. Die
Unterschiede zwischen den Gruppen waren
statistisch nicht signifikant. 2
FOLGERUNG DER AUTOREN: In
einigen Kasuistiken wird ein therapeutischer Nutzen von Rifaximin (XIFAXAN) bei Patienten mit M. Crohn beschrieben. In einer Doppelblindstudie
an insgesamt 83 Patienten wurde im Vergleich zu Placebo kein statistisch signifikanter Therapieerfolg festgestellt. Weitere, kontrollierte Studien sind notwendig,
um den möglichen Nutzen und eventuelle Risiken dieses Antibiotikums bei Patienten mit M. Crohn zu definieren.
1. SHAFR AN, I. und BURGUNDER, P.
Am J Gastroenterol 2008; 103: 2158 - 2160
2. PR ANTER A, C. et al.
Aliment Pharmacol Ther 2006; 23: 1117 - 1125
Enteritis
Unnötiger Antibiotikagebrauch
bei akuten Diarrhöen
Eine Antibiotikatherapie bei akuten Diarrhöen ist sehr selten indiziert und die
56
derzeitigen Empfehlungen verlangen eine
positive Stuhlkultur, bevor eine antimikrobielle Behandlung eingeleitet wird. In einer
umfangreichen Studie aus dem mittleren
Westen der USA analysierten Infektiologen im Zeitraum zwischen 1995 bis 2004,
wieweit diese Empfehlungen in der Praxis
befolgt werden. Nur 5 % (15.820) von insgesamt 315.828 Durchfallepisoden wurden
mittels Stuhlkulturen diagnostiziert. 32.949
Patienten (10,4 %) erhielten allerdings eine
antimikrobielle Therapie. Von diesen Patienten mit einer antibiotischen Behandlung
waren nur 3.504 (10,6 %) bakteriologisch
untersucht worden. In der multivarianten
Regressionsanalyse ergab sich, dass Patienten mit weißer Hautfarbe, Stadtbewohner,
Patienten unter einer antimikrobiellen Therapie und Patienten ohne eine gleichzeitige
Diagnose einer respiratorischen Infektion
häufiger bakteriologisch diagnostiziert
worden waren.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Die
Ergebnisse dieser retrospektiven Analysen zeigten, dass viele Patienten eine
unnötige antibiotische Therapie erhielten und demgegenüber nur sehr wenige
bakteriologisch untersucht wurden. Eine
antimikrobielle Therapie kann in Einzelfällen den Verlauf der Durchfallerkrankung ungünstig beeinflussen (Clostridium difficile) sowie zusätzlich auch
die Kosten und die Resistenzrate unnötig
erhöhen.
CARPENTER, L.R. et al.
J Infect Dis 2008; 197: 1709 - 1712
Reisediarrhö – stellt die Vakzination eine Alternative zur Antibiotikatherapie dar?
Enterotoxinbildende Stämme von Escherichia coli (ETEC) sind die häufigsten Erreger einer Reisediarrhö. Jährlich sind etwa
27 Millionen Reisende betroffen. Darüber
hinaus stellt die Infektion eine erhebliche
Gefahr für Kinder in Entwicklungsländern dar. Es wird geschätzt, dass es zu etwa
380.000 Todesfällen unter den 210 Millionen erkrankten Kindern kommt. Eine Behandlung mit Antibiotika ist zwar möglich,
aber mit den bekannten Nachteilen, wie
dem Auftreten von Nebenwirkungen und
einer Förderung der Resistenzverbreitung,
verbunden. Vor diesem Hintergrund ist es
verständlich, dass intensiv versucht wird,
eine Vakzine gegen die weltweit bedeutsame
Infektion zu entwickeln.
Nach oraler Aufnahme kolonisiert der Erreger den Dünndarm und bildet ein hitzelabiles und ein hitzestabiles Toxin, welche die
Diarrhö verursachen. Das hitzelabile Toxin
spielt bei etwa zwei Dritteln der Fälle eine
Rolle, eine erworbene Immunität gegen
dieses Toxin schützt vor einer ETEC-verursachten Erkrankung. Aus Verträglichkeitsgründen kann es jedoch nicht oral oder
parenteral verabreicht werden. Daher wurde
ein spezielles Pflaster zur transkutanen
Immunisierung entwickelt. Es wird auf die
Haut geklebt und gibt innerhalb von sechs
Stunden 37,5 μ g des Toxins ab.
Die Wirksamkeit und Verträglichkeit des
Präparates wurden in einer Placebo-kontrollierten Phase-II-Studie an 170 Personen
aus den USA überprüft, die nach Mexiko
oder Guatemala reisten. Während der Vorbereitung auf diese Reise wurde das Pflaster
zweimal im Abstand von zwei bis drei Wochen aufgeklebt. Unter den 111 Personen in
der Placebogruppe entwickelte sich bei 24
(22 %) eine Diarrhö, bei 11 Reisenden (10 %)
lag eine ETEC-Erkrankung vor. Insgesamt
9 von 59 (15 %) der immunisierten Personen erkrankten an einer Diarrhö. Bei jenen
Reisenden in der Verumgruppe, die eine
Diarrhö entwickelten, verlief die Erkrankung leichter und die Krankheitsdauer war
signifikant verkürzt (0,5 vs. 2,1 Tage). Der
Unterschied zur Placebogruppe war insgesamt nicht signifikant, bei einer Betrachtung der Fälle mit schwerem Verlauf zeigte
sich allerdings ein statistisch signifikanter
Unterschied zur Placebogruppe. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten nicht auf,
bei etwa zwei Drittel der Teilnehmer kam
es jedoch zu Juckreiz und Ausschlag an der
Applikationsstelle.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Mit
dem hitzelabilen Toxin aus enterotoxinbildenden E. coli-Stämmen (ETEC)
konnte durch transkutane Immunisierung ein gewisser Schutz gegenüber einer
Reisediarrhö erzielt werden. Die Studie
war nicht umfangreich genug, um eindeutige Aussagen zur Wirksamkeit der
Vakzination zu erhalten. Die Hinweise
auf eine Protektion sind aber deutlich
genug, um eine weitere Studie an einem
größeren Kollektiv sinnvoll erscheinen
zu lassen.
1. FRECH, S.A. et al.
Lancet 2008; 371: 2019 - 2025
2. SOONAWALA, D. et al.
Lancet 2008; 372: 1542 - 1543
C. difficile
C. difficile – in der Tat ein „schwieriger“ Erreger
Bereits 1935 wurde im Stuhl von gesunden
Neugeborenen ein grampositives, anaerobes Zytotoxin-produzierendes Bakterium
isoliert, das von den Entdeckern zunächst
Bacillus difficile genannt wurde. Mit dem
Namen sollte auf die Schwierigkeiten hin-
Zeitsc
November/Dezember 2008 - 29. Jahrg.
Zeitschrift für Chemotherapie
gewiesen werden, die mit der Isolierung
und Kultur des Erregers verbunden waren.
Heute ist das Bakterium allgemein als Clostridium difficile bekannt und bereitet ganz
andere Schwierigkeiten, als vor mehr als 70
Jahren vermutet werden konnte. Entsprechende Infektionen nehmen seit Jahren an
Häufigkeit und Schweregrad zu. Insbesondere ältere, hospitalisierte und antibiotisch
behandelte Patienten sind betroffen. In einer umfangreichen Studie wurde die Infektion bei 6,9 % (117 von 1703) der Patienten als
direkte Todesursache erkannt, bei weiteren
7,5 % der Patienten trug die Infektion zum
Tode bei.1,2
Vancomycin
100
90
80
*
70
60
98%
90%
97%
76%
0
leichte Infektion
Toxinbildung
Mit detaillierten mikrobiologischen Methoden, konnten wesentliche Veränderungen bei den Eigenschaften des Erregers
nachgewiesen werden. Dabei spielt insbesondere ein Stamm eine Rolle, der in den
1980er Jahren identifiziert wurde und zunächst als BI bezeichnet wurde. Heute ist er
allgemein unter der Abkürzung NAP-1/027
bekannt (vgl. ZCT 2006; 27: 21-24). Auch in
Deutschland konnte dieser Stamm nachgewiesen werden; es sollte allerdings nicht
vergessen werden, dass andere Stämme,
wie zum Beispiel der Ribotyp 001, ebenfalls Ausbrüche verursachen können. 3 Drei
Eigenschaften tragen offenbar zur erhöhten
Virulenz von C. difficile bei: eine erhöhte
Produktion der Toxine A und B, Resistenz
gegenüber Fluorchinolonen und die Produktion eines binären Toxins. Die genaue
Bedeutung dieser Faktoren ist allerdings
nicht geklärt. Stämme, die ausschließlich
das binäre Toxin bilden, sind offenbar nicht
pathogen; andererseits lässt sich eine enterotoxische Wirkung dieses Proteins in vitro
nachweisen. Die Häufigkeit von Stämmen,
die das binäre Toxin produzieren, lag bei
6 % der C. difficile-Isolate. Dieser Anteil
steigt durch die zunehmende Verbreitung
des NAP-1/027 Stammes an.
Es wird angenommen, dass das binäre Toxin für schwere Verläufe der Krankheit
verantwortlich sei, weil eine synergistische
Wirkung mit den wesentlichen Pathogenitätsfaktoren, den Toxinen A und B, bestehen könnte. Hinsichtlich ihres Wirkungsmechanismus unterscheiden sich die Toxine: das binäre Toxin ist mit dem iota-Toxin
aus C. perfringens homolog, es besteht aus
einer enzymatischen Komponente und
einer Bindungskomponente. Die Toxine
A und B binden ebenfalls an die Oberfläche der Darmepithelzellen, werden dann
in die Zelle aufgenommen und inaktivieren die zytoplasmatischen Rho-GTPasen
durch Glucosylierung. Die Glucosylierung
erfolgt an einem Threoninrest, wodurch
Rho-abhängige Signalprozesse blockiert
werden. Als Folge kommt es schließlich zur
Auflösung des Zytoskeletts und zum Tod
der Zelle.
Metronidazol
%
schwere Infektion
Ansprechraten einer C. difficile-Infektion auf Behandlung mit Metronidazol oder Vancomycin
in Abhängigkeit vom Schweregrad der Infektion (% der Patienten). Der Unterschied war bei
Patienten mit schwerer Infektion statistisch signifikant (p=0,02)
mod. nach Zar et al., 2007
Therapie von Rezidiven
Bei einer Therapie von C. difficile-assoziierten Erkrankungen müssen die Änderungen
hinsichtlich der Pathogenität des Erregers
berücksichtigt werden. Seit dem Jahr 2000
wird zunehmend Therapieversagen nach
Behandlung mit Metronidazol (CLONT
u.a.) beobachtet. In einer prospektiven, direkt vergleichenden Studie wurde nur eine
geringe Überlegenheit von Vancomycin
(VANCOMYCIN ENTEROCAPS u.a.)
im Vergleich zu Metronidazol bei leichten
Verlaufsformen gesehen. Eine statistisch signifikante Überlegenheit ergab sich jedoch
für das Glykopeptid bei schweren Verläufen
der Erkrankung (siehe Abbildung).4
Nach erfolgreichem Abschluss einer Erkrankung kommt es häufig zu einem Rezidiv, das ein erhebliches therapeutisches Problem darstellt. Beim ersten Rezidiv werden,
wie bei der Ersterkrankung, Metronidazol
oder Vancomycin in Abhängigkeit vom
Schweregrad der Erkrankung eingesetzt.
Beim zweiten Rezidiv kann eine etwa siebenwöchige Therapie mit Vancomycin in
ausschleichender Dosierung nach folgendem Schema versucht werden:
1) 4 x tgl. 125 mg für 14 Tage
2) 2 x tgl. 125 mg für 7 Tage
3) 1 x tgl. 125 mg für 7 Tage
4) 1 x 125 mg alle 2 Tage (4 Dosen)
5) 1 x 125 mg alle 3 Tage (5 Dosen)
Eine weitere Option besteht in der Gabe
von Rifaximin (XIFAXAN). Das Antibiotikum wird aus dem Magendarmtrakt
praktisch nicht resorbiert und erreicht sehr
hohe Konzentrationen im Stuhl. C. difficile
wird bereits durch Konzentrationen in einem Bereich von 0,015 bis 2 mg/l gehemmt,
resistente Stämme wurden allerdings beschrieben. In einer kleinen Studie bei acht
Patientinnen mit vier bis acht Rezidiven
konnten weitere Rezidive verhindert werden 5 (vgl. ZCT 2007; 28: 38-39). Bei einem
dritten Rezidiv wird es nach der initialen
14-tägigen Behandlung mit 4 mal täglich
125 Vancomycin als eine Alternative zu
der Vancomycin-Behandlung in ausschleichender Dosierung empfohlen. Es sollten
dann zweimal täglich 400 mg 14 Tage lang
gegeben werden. 2 Weitere Erfahrungen sind
allerdings notwendig, um Nutzen und Risiken des Präparates bei diesen Patienten abzuschätzen. In Deutschland ist es für diese
Indikation derzeit nicht zugelassen.
ZUSAMMENFASSUNG: Infektionen
mit Clostridium difficile nehmen an
Häufigkeit und Schweregrad zu. Insbesondere die Therapie der häufigen
Rezidive bereitet Schwierigkeiten. Zur
initialen Therapie werden Metronidazol
(CLONT u.a.) oder Vancomycin (VANCOMYCIN ENTEROCAPS u.a.) für
10 bis 14 Tage empfohlen. Bei Rezidiven
kann diese Therapie erneut versucht
werden; es wird außerdem eine längerfristige Behandlung mit Vancomycin in
ausschleichender Dosierung über insgesamt etwa sieben Wochen empfohlen.
Alternativ kann die zweiwöchige Therapie mit Rifaximin (XIFAXAN) nach
einer initialen Vancomycin-Behandlung
versucht werden.
1. LOO, V.G. et al.
N Engl J Med 2005; 353: 2442 - 2449
2. KELLY, C.P. und LAMONT, J. T.
N Engl J Med 2008; 359: 1932 - 1940
3. GRAF, K. et al.
Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2008; (online)
4. ZAR, F.A. et al.
Clin Infect Dis 2007; 45: 302 - 307
5. JOHNSON, S. et al.
Clin Infect Dis 2007; 44: 846 - 848
57
Zeitschrift für Chemotherapie
Rifaximin-resistente Stämme von
C. difficile
Rifaximin (XIFAXAN) ist ein Rifamycinderivat, das durch Hemmung der DNS-abhängigen RNS-Polymerase antibakteriell
wirksam ist. Es weist eine recht hohe Aktivität gegen C. difficile auf und wird bei
entsprechenden Indikationen derzeit klinisch geprüft. Resistente Stämme sind beschrieben worden, über die Mechanismen
der Resistenz ist allerdings bisher wenig bekannt. In den USA wurde geprüft, ob sich
ein kommerziell erhältlicher Test („Etest“)
zum Nachweis der Resistenz auf das verwandte Antibiotikum Rifampicin (RIFA
u.a.) eignet, um auch die Resistenz gegen Rifaximin zu untersuchen.1 Insgesamt wurden
80 verschiedene klinische Isolate analysiert.
Die Resistenz gegen beide Antibiotika verlief in hohem Maße parallel: die minimalen
Hemmkonzentrationen der Stämme waren
für beide Substanzen entweder sehr hoch
oder sehr niedrig (≤0,002 mg/l). Es wurden
14 Stämme mit Resistenz gegen beide Antibiotika (MHK: 32 mg/l oder höher) nachgewiesen. Als Ursache konnte eine veränderte
Aminosäuresequenz in der ß-Untereinheit
der RNS-Polymerase identifiziert werden.
Neun der 14 Stämme gehörten zu dem BI/
NAP-1/027 Typ, der in den vergangenen
Jahren für zahlreiche Ausbrüche in Nordamerika und Europa verantwortlich war.
Um die Bedeutung dieses Befundes besser
einschätzen zu können und um die Anwendbarkeit von Rifaximin bei Patienten
mit C. difficile-Infektionen zu überprüfen,
sind klinische Studien unumgänglich. Eine
kontrollierte vergleichende Studie mit Rifaximin und Vancomycin wurde bereits im
Dezember 2005 begonnen, ist derzeit aber
noch nicht abgeschlossen. 2
FOLGERUNG DER AUTOREN: Rifaximin (XIFAXAN) wirkt gegen C.
difficile bereits in niedrigen Konzentrationen. In einer mikrobiologischen
Untersuchung wurde allerdings bei 14
von 80 untersuchten Stämmen eine Resistenz festgestellt. Die resistenten Isolate
gehörten überwiegend zum BI/NAP1/
027 Typ.
1. O`CONNOR, J.R. et al.
Antimicrob Agents Chemother 2008;
52: 2813 - 2817
2. www.clinicaltrials.gov
Mittel der Wahl
Vancomycin-Therapie der MRSASepsis problematisch
In den letzten Jahren ist eine Zunahme der
minimalen Hemmkonzentrationen von
Vancomycin (VANCOMYCIN CP u.a.)
58
November/Dezember 2008 - 29. Jahrg.
gegenüber Staphylokokken, insbesondere
von Methicillin-resistenten Staphylokokken (MRSA) zu beobachten. In einer retrospektiven Analyse von 92 Patienten mit einer
MRSA-Sepsis in New York wurde der Frage
nachgegangen, wie weit ein erhöhter MHKWert mit einem therapeutischen Misserfolg
verbunden sein könnte. 28 der 92 Patienten
wiesen einen Behandlungsmisserfolg auf,
der entweder definiert war als Letalität bis
zum Tag 30 (16 Patienten), kontinuierlich
positive Blutkulturen nach zehn und mehr
Tagen der Behandlung (6 Patienten) oder als
Sepsisrezidiv innerhalb von 60 Tagen nach
Abschluss der Vancomycin-Behandlung (12
Patienten). Verglichen mit den 26 Patienten
mit einem Vancomycin-MHK-Wert von
< 1,5 mg/l wiesen die 66 Patienten mit einem
MHK-Wert von ≥1,5 mg/l einen längeren
medianen Hospital-Aufenthalt auf (21 Tage
versus 10,5 Tage) und auch vermehrte therapeutische Misserfolge (36,4 % versus 15,4 %).
Das Erreichen eines Talspiegels von mindestens 15 mg/l Vancomycin 72 Stunden nach
Beginn der Therapie war nicht mit einer
höheren Erfolgsrate assoziiert. Eine Multivarianzanalyse ergab, dass ein Vancomycin-MHK-Wert von ≥1,5 mg/l, ein hoher
APACHE-II-Score und ein Körpergewicht
von 112 kg und mehr unabhängige Risikofaktoren für einen Behandlungsmisserfolg
waren.
FOLGERUNG DER AUTOREN:
Misserfolge einer Therapie mit Vancomycin (VANCOMYCIN CP u.a.)
bei einer MRSA-Sepsis treten offensichtlich bei einem MHK-Wert von
≥ 1,5 mg/l signifikant häufiger auf. Allerdings waren nur sechs der 26 Therapiemisserfolge letztlich mit einem Versagen der antimikrobiellen Therapie
zu erklären. Die optimale Behandlung
einer MRSA-Sepsis ist bisher nicht bekannt, da randomisierte kontrollierte
Studien fehlen und alternative Antibiotika wie Daptomycin (CUBICIN)
bisher nicht erfolgreicher als Vancomycin waren.
LODISE, T.P. et al.
Antimicrob Agents Chemother 2008;
52: 3315 - 3320
Empirische Fluconazol-Therapie
bei Intensivpatienten?
Invasive Candida-Infektionen erhöhen die
Morbidität und Letalität bei Patienten mit
langem Intensivaufenthalt. Einige kleinere
Studien wiesen darauf hin, dass die prophylaktische Gabe einer antimykotischen Substanz die Inzidenz derartiger Pilzinfektionen möglicherweise reduzieren kann. Diese
Strategie führt jedoch dazu, dass viele Patienten ohne Candida-Infektion behandelt
werden und damit das Risiko für die Ent-
wicklung von resistenten Candida-Spezies
vermehrt entsteht. In einer doppelblinden
multizentrischen Studie wurde in den Jahren 1995 bis 2000 bei erwachsenen nichtneutropenischen Intensivpatienten mit erhöhtem Risiko einer invasiven CandidaInfektion und anhaltendem Fieber trotz
breiter antibiotischer Therapie versucht,
diese Frage zu klären. Als Behandlungserfolg wurde eine summarische Definition
aus Fieberbeseitigung, mangelndem Nachweis einer invasiven Pilzinfektion, keinem
Abbruch der Therapie wegen Unverträglichkeitsreaktionen und der mangelnden
Notwendigkeit einer anderweitigen antimykotischen Therapie bewertet. Die 270
Intensivpatienten wurden randomisiert in
zwei Gruppen mit täglich 800 mg Fluconazol (DIFLUCAN) intravenös oder einer
Placebo-Infusion. Sie wurden über 14 Tage
behandelt und dann über weitere 30 Tage
nachbeobachtet. Die Erfolgsraten für den
summarischen Endpunkt lagen bei 36 % in
der Fluconazolgruppe und bei 38 % in dem
Placebo-Vergleichsarm.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Die
Rate der invasiven Pilzinfektionen in
dieser Studie war niedriger als erwartet.
Die Ergebnisse deuten allerdings darauf
hin, dass es keinen eindeutigen positiven
Effekt einer empirischen Fluconazol (DIFLUCAN)-Gabe bei Intensivpatienten
gab. Bessere und schnellere Labormethoden sind dringend erforderlich, um
eine invasive Pilzinfektion frühzeitig zu
diagnostizieren.
SCHUSTER, M.G. et al.
Ann Intern Med 2008; 149: 83 - 90
Neue präpandemische Vakzine gegen H5N1-Influenza-Virus
Die
europäische
Zulassungsbehörde
(EMEA) hat die erste präpandemische
Vakzine gegen H5N1 Influenza-Virus zugelassen. Die Vakzine wird unter dem Namen PREPANDRIX von der Firma GlaxoSmithKline (GSK) vertrieben. Durch
die Einführung einer Öl- und Wasser-adjuvanten Lösung konnte der Antigen-Gehalt
auf nur 3,8 μ g reduziert werden, die Zubereitung unterscheidet sich damit deutlich
von der nicht adjuvantierten Vakzine von
Sanofi-Pasteur mit 90 μ g Antigen. In der
GSK-Vakzine wurde das Antigen abgeleitet
aus dem H5N1-Virusstamm A/Vietnam/
1194/04, aus dem auch die frühere SanofiPasteur-Vakzine entwickelt wurde. Dieser
H5N1-Vakzine-Stamm ist ein sogenanntes
Clade-1-Virus, wobei allerdings in letzter
Zeit der Typ Clade-2 in Südostasien dominanter geworden ist. In einer Konferenz
am Seadesee in Atlanta wurde diskutiert,
wie weit die derzeit verfügbaren Vakzinen
schon präventiv an die Bevölkerung abge-
November/Dezember 2008 - 29. Jahrg.
Zeitschrift für Chemotherapie
geben werden sollten oder ob bis zu einem
gesicherten Ausbruch einer H5N1-Pandemie abgewartet werden sollte. Die Meinungen zu dem optimalen Vorgehen sind
bisher kontrovers, so könnte eine allfällige
Pandemie durchaus auch von einem anderen Influenza-Serotyp ausgelöst werden.
Darüber hinaus waren die Erfahrungen aus
dem Jahre 1976 mit der präventiven Impfung bei dem epidemischen Ausbruch der
Schweine-Influenza so ungünstig, dass die
Mehrzahl der Experten ein abwartendes
Verhalten empfiehlt.
IDSA News; 30. Juni 2008
Probiotika gefährlich in der Prophylaxe der akuten Pankreatitis
Die Inzidenz der akuten Pankreatitis in Europa und in den USA nimmt um etwa 5 %
jährlich zu, vorwiegend wegen vermehrter
biliärer Pankreatitis. Ein Fünftel dieser
Patienten entwickelt eine nekrotisierende
Pankreatitis, die mit einer 10-30 %igen Letalitätsrate verbunden ist. Ursächlich hierfür
sind infektiöse Komplikationen, insbesondere Infektionen des pankreatischen bzw.
peripankreatischen nekrotischen Gewebes.
Eine antibiotische Prophylaxe bei diesem
Krankheitsbild wurde in zwei Placebokontrollierten Doppelblindstudien als nicht
wirksam evaluiert. Probiotika als Zusatz
bei der enteralen Ernährung sollen dazu
beitragen, derartige infektiöse Komplikationen zu vermeiden, wobei insbesondere
die Normalisierung der bakteriellen Dünndarmflora, eine Wiederherstellung der gastrointestinalen Barrierefunktion sowie auch
eine Modulation des Immunsystems als
Wirkmechanismen angenommen werden.
In einer Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie in Holland wurde der Stellenwert der Probiotika bei 298 Patienten mit
einer schweren akuten Pankreatitis untersucht. Die Patienten mussten einen APACHE II-Score von ≥8 aufweisen und/oder
eine CRP-Konzentration von über 150 mg/
l. Innerhalb von 72 Stunden nach Beginn
der Symptome erhielten 153 Patienten eine
Präparation aus Probiotika oder Placebo,
diese wurden zweimal täglich über 28 Tage
verabreicht. Das probiotische Produkt (Eecologic 641) bestand aus sechs unterschiedlichen Bakterienarten: Lactobacillus acidophilus, Lactobacillus caseei, Lactobacillus
salivarius, Lactococcus lactis, Bifidobacterium bifidum und Bifidobacterium lactis
in einer gesamten täglichen Dosis von 1010
Bakterien. Der primäre Endpunkt der Studie war die Summe der infektiösen Komplikationen, wie infizierte Pankreasnekrosen,
Bakteriämie, Pneumonie, Urosepsis oder
infizierter Aszites; diese Komplikationen
wurden während des Krankenhausaufent-
haltes und bis zum Tag 90 der Nachbeobachtung erfasst. Am Ende der Studie konnten die Daten von 152 Patienten in der Probiotikagruppe und 144 in der Placebogruppe
analysiert werden. Beide Gruppen unterschieden sich nicht bezüglich des Alters (59
bzw. 60 Jahre), des Geschlechtes (60 % bzw.
58 % Männer) sowie auch der Ursachen der
Pankreatitis, überwiegend (61 % bzw. 52 %)
handelte es sich um biliäre Pankreatitiden.
Infektiöse Komplikationen traten bei 46
(30 %) der Patienten in der Probiotikagruppe und bei 41 (28 %) der Patienten in der Placebogruppe auf. 24 (16 %) Patienten in der
Probiotikagruppe verstarben, verglichen
mit neun (6 %) in der Placebogruppe, was
statistisch hochsignifikant unterschiedlich
war. Neun Patienten in der Probiotikagruppe entwickelten eine Dünndarmischämie,
an denen acht verstarben; kein Patient der
Placebogruppe hatte diese Komplikation.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Bei
Patienten mit der Entwicklung einer
schweren akuten Pankreatitis reduzierte
eine probiotische Prophylaxe nicht die
infektiösen Komplikationen. Im Gegenteil war die Gabe dieser Prophylaxe mit
einem erhöhten Letalitätsrisiko verbunden. Eine probiotische Prophylaxe sollte
daher bei derartigen Patienten nicht
verabreicht werden.
BESSELINK, M.G.H. et al.
Lancet 2008; 371: 651 - 660
Veterinärmedizin
und Resistenz
Antibiotikaverbrauch in der
Humanmedizin im Vergleich zur
Veterinärmedizin
Allgemein wird anerkannt, dass der gesamte
Verbrauch an Antibiotika eng korreliert zur
bakteriellen Resistenzentwicklung. In der
Europäischen Union wurde daher schon
vor zehn Jahren angeregt, den Antibiotikaverbrauch sowohl in der Humanmedizin
als auch in der Veterinärmedizin quantitativ zu erfassen. In Frankreich wurde diese
Anregung aufgegriffen und der Umfang
des Antibiotikaeinsatzes zwischen 1999 und
2005 komplett erfasst. Verantwortlich hierfür waren zwei getrennte Institutionen, von
denen jeweils eine entweder für den Verbrauch in der Tiermedizin oder für den Einsatz in der Humanmedizin zuständig war.
Die Daten wurden vorwiegend über die
Verkaufszahlen der pharmazeutischen Firmen gewonnen. Es stellte sich heraus, dass
praktisch sämtliche humanmedizinisch
eingesetzten Substanzen auch in der Veterinärmedizin zur Anwendung kamen. Nur
wenige Ausnahmen, wie Ureidopenicilline,
Monobactame, Carbapeneme, Streptogramine und Glykopeptide wurden nicht in
der Tiermedizin angewandt. In der Veterinärmedizin dominierten zu 80 % vier antimikrobielle Klassen: Mit großem Abstand
Tetrazykline, gefolgt von Kombinationen
aus Sulfonamiden und Trimethoprim, Betalaktamen und Aminoglykosiden. In den
letzten Jahren der Erfassung wurde insbesondere eine Zunahme des Einsatzes der
Cephalosporine um 38 % und der Fluorchinolone um 32 % beobachtet. Die Mehrzahl
der Substanzen wurde in der Tiermedizin
oral verabreicht; parenteral nur etwa 10 %.
Der Gesamtumfang an Antibiotika im
Jahre 2005 betrug in der Veterinärmedizin
1320 Tonnen, was mit 84 mg/kg Lebendgewicht der Tiere korrespondierte. Die entsprechenden Zahlen für die Humanmedizin lagen im Jahre 2005 bei 760 Tonnen, was
einer Menge von 199 mg/kg Körpergewicht
entsprach. In der Humanmedizin lagen die
Betalaktamantibiotika mit über 50 % an
erster Stelle, gefolgt von Makroliden und
Fluorchinolonen. 88 % des Antibiotikaverbrauchs in der Humanmedizin erfolgten
außerhalb des Krankenhauses.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Der
Verbrauch an Antibiotika sowohl in der
Humanmedizin als auch in der Veterinärmedizin ist beträchtlich, wobei in
beiden Bereichen praktisch die gleichen
Antibiotika eingesetzt werden.
MOULIN, G. et. al
J Antimicrob Chemother 2008; 62: 617 - 625
MRSA-Kolonisationen bei
Schweinen – Bedrohung für den
Menschen?
In den letzten Jahren haben Berichte über
MRSA-Kolonisationen und Infektionen
bei Tieren beträchtliche Aufmerksamkeit
erregt. So wurde aus Kanada über das gehäufte Auftreten von MRSA-Infektionen
bei Pferden berichtet und aus den Niederlanden über eine massive Verbreitung von
MRSA als nasale Besiedler bei Schweinen
in Mastanlagen. Auch in Deutschland sind
MRSA als nasale Besiedler von Schweinen in Mastanlagen nicht selten; die Untersuchungen von Nasenabstrichen von
Schweinen aus 347 verschiedenen Beständen ergab: 85 Tiere aus 62 Beständen waren positiv. Zumeist handelt es sich dabei
um einen MRSA der klonalen Linie ST398,
welcher ein charakteristisches molekulares
Typisierungsprofil aufweist. Bei Menschen
mit beruflicher Exposition ist der Nachweis
von MRSA ST398 vergleichsweise häufig,
so waren insgesamt 39 von 122 Beschäftigten in Schweinemastbetrieben positiv. Mit
geringer Häufigkeit ist MRSA ST398 aber
59
Zeitschrift für Chemotherapie
November/Dezember 2008 - 29. Jahrg.
auch bei Familienangehörigen ohne Exposition nachweisbar (sieben von 53 Untersuchten). MRSA ST398 war nicht unter 108 Isolaten von S. aureus, die bei der Untersuchung
von Nasenabstrichen von Bewohnern einer Stadt in Mecklenburg-Vorpommern
gewonnen wurden. MRSA ST398 besitzt
offenbar keine ausgeprägte Wirtsspezifität
und konnte früher bereits aus Infektionen
beim Hund sowie bei Pferden nachgewiesen werden.
Insgesamt gesehen sind Infektionen mit
MRSA ST398 bisher beim Menschen noch
selten. So sind im deutschen nationalen
Referenzzentrum für Staphylokokken in
den Jahren 2006 und 2007 bei insgesamt
3.544 MRSA-Einsendungen nur neun Fälle
(0,25 %) von Infektionen mit MRSA ST398
festgestellt worden. Vorwiegend handelte
es sich dabei um Hautinfektionen (sechs).
Bisher ist bei MRSA ST398 auch kein Virulenz-assoziiertes Gen, wie z.B. PantonValentin-Leukozidin (PVL), nachgewiesen
worden.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Menschen, die in Schweinemastanlagen tätig
sind oder Umgang mit Schlachtkörpern
haben, sollten vor geplanten Operationen auf Besiedlung von MRSA ST398 untersucht werden; bei positivem Nachweis
ist eine Sanierung anzustreben.
RKI
Epidem. Bull. 2008; 18: 141 - 144
Pharmakokinetik
Moxifloxacin-Konzentrationen in
Prostataflüssigkeit und Ejakulat
Die chronische Prostatitis mit ihrem oft
nicht charakteristischen Beschwerdebild ist
eine der häufigsten Erkrankungen in der
urologischen Praxis. Gramnegative und
grampositive Erreger sind die dominierenden Bakterien bei der bakteriellen Prostatitis, wobei auch Erreger wie Chlamydia
trachomatis, Mycoplasma spp und Ureoplasma spp als zusätzliche Erreger diskutiert
werden. Fluorchinolone weisen günstige Penetrationseigenschaften in die Prostata auf
und werden daher häufig bei dieser Indikation eingesetzt. Informationen über die erreichbaren Konzentrationen dieser Antibiotikagruppe sind daher von therapeutischem
Interesse. Bei 12 gesunden männlichen Probanden wurden die Konzentrationen in der
Prostataflüssigkeit und dem Ejakulat nach
der Gabe von 400 mg Moxifloxacin oral
analysiert. Die Probanden erhielten gleichzeitig 3,24 g Iohexol (OMNIPAQUE-300)
intravenös, um die Urinkontamination der
Prostataflüssigkeit und des Ejakulats zu be-
60
stimmen. Die Plasmakonzentrationen wurden über einen Zeitraum fortlaufend bis zu
vier Stunden mittels HPLC bestimmt, auch
die anderen Flüssigkeiten wurden mit dieser
Methode analysiert. Die mittleren Spitzenplasmakonzentrationen des Moxifloxacins
wurden nach im Mittel 1,6 ± 0,9 Stunden
mit 2,8 ± 0,5 mg/l gemessen. In der Prostataflüssigkeit nach im Mittel 3,5 Stunden
lagen die Moxifloxacinkonzentrationen
bei 3,8 ± 1,2 mg/l und das Verhältnis der
Konzentrationen zwischen Prostataflüssigkeit und Plasma lag bei 1,6 ± 0,5. Im Ejakulat wurde die Konzentration mit im Mittel
2,5 ± 0,7 mg/l bestimmt und das Verhältnis
entsprechend mit 1,0 ± 0,2.
Impressum
WAGENLEHNER, F.M.E. et al.
Int J Antimicrob Agents 2008; 31: 21 - 26
Kündigung des Abonnements jeweils drei Monate zum
Jahresende.
Die gewählten Produktbezeichnungen sagen nichts über die
Schutzrechte der Warenzeichen aus.
Zeitschrift für Chemotherapie
Eichenallee 36a, 14050 Berlin
Herausgeber: Prof. Dr. med. H. Lode
Mitherausgeber: Prof. Dr. med. R. Stahlmann
 1980 Zeitschrift für Chemotherapie (H. Lode), Berlin
Redaktion: Prof. Dr. med. H. Lode (verantwortlich), Prof.
Dr. med. R. Stahlmann, Frau R. Schoeller-Wiley (Fachärztin), Dr. M. Kresken, Bonn, Fr. H. Pretorius (Redaktionsassistentin).
Die Zeitschrift für Chemotherapie erscheint zweimonatlich. Bezug nur im Abonnement. Jahresbezugspreise für
Ärzte, Apotheker und Einzelpersonen 36,- Euro, für Studenten und Pensionäre 27,- Euro (Nachweis erforderlich),
für Firmen, Behörden und andere Institutionen mit Mehrfachlesern 66,- Euro.
Bestellschein
FOLGERUNG DER AUTOREN:
Die Konzentration von Moxifloxacin
(AVALOX u.a.) in der Prostataflüssigkeit
lag etwa 60 % höher als im Plasma, während die Konzentrationen im Ejakulat
in etwa denen der Plasmakonzentrationen entsprachen. Auf der Basis dieser
günstigen pharmakokinetischen Befunde könnte Moxifloxacin auch bei der
Indikation der akuten und chronischen
Prostatitis mit bakterieller Ätiologie erfolgreich eingesetzt werden.
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