I. Storyboard

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Filmproduktion
Übung
Dozent:
Tutorin:
BTU Cottbus
Prof. Dr. Christer Petersen
Beatrix Altmeyer
[email protected]
LG 3A Raum 249
[email protected] LG 3A Raum 263
Storyboard und Filmanalyse
I.
Storyboard
▪ Grundbegriffe
▪ Definition
▪ Muster eines Storyboards
II.
Filmanalyse
▪ Kamera
Einstellungsgröße
Perspektive
Point of View
▪ Mise-en-Scene
Komposition
Bewegung
III.
Editing
▪ Schnitt und Montage
▪ Musik
Anhang
Handout 2
I. Storyboard
▪ Grundbegriffe
Einstellung
Æ
Szene
Æ
Sequenz
(shot)
(scene)
(sequence)
von Schnitt
bis Schnitt
Sinn- oder Handlungseinheit aus
Einstellungen
Sinn- oder Handlungseinheit aus
Szenen
Einstellung
(1) Einstellung meint den kontinuierlichen Abschnitt zwischen zwei Schnitten. Diese
wird definiert durch die Einstellungsgröße, d.h. den gezeigten Bildausschnitt, der
seinerseits aus dem Abstand der Kamera zum gezeigten Objekt und den
verwendeten Objektiven (siehe auch Brennweite) resultiert, sowie durch die
Einstellungslänge. Innerhalb einer Einstellung sind Veränderungen der
Einstellungsgröße sowie des Kamerastandpunktes möglich.
(2) Im strukturellen Sinne ist die Einstellung nach Lotman (a) minimale
Montageeinheit, (b) grundlegende Kompositionseinheit der filmischen Erzählung, (c)
Einheit der Elemente innerhalb der Einstellung, (d) kleinste unteilbare Menge
kinematographischer Bedeutung.
(3) In einigen Filmtheorien gilt die Einstellung als Grundgestaltungsmittel des Films,
wobei ihre elementare Stellung etwa der des Wortes in der Literatur entspricht. Wie
jenes hat sie sowohl stoffliche als auch strukturelle Bedeutung, d.h. sie ist neben
anderen Konstituierungselementen ästhetisch indifferentes Rohmaterial.
Sequenz und Szene
Im frühen Film bezeichnete Szene eine Handlungsszene in einer Einstellung; erst mit
der Entwicklung der Montage differenzierte sich - vor allem im Englischen - der
Sprachgebrauch, wenngleich es zu keiner Vereinheitlichung gekommen ist. Im Reden
über narrativen Film ist eine dreigliedrige Hierarchie der Größen Einstellung (shot),
Szene (scene) und Sequenz (sequence) üblich: Die Szene enthält eine Reihe von
Handlungen, die zeitlich und/oder räumlich kontinuierlich zusammenhängen und
meist als Folge von Einstellungen realisiert sind; die Sequenz ist dagegen eine Folge
von Szenen, die eine einzelne Phase in der Entwicklung der Erzählung
dokumentieren.
▪ Definition
Ein Storyboard soll die Produktion im Detail vorbereiten und visualisieren, indem die
einzelnen Einstellungen hinsichtlich der Einstellungsgröße, Kameraposition und
-bewegung sowie Bild und Ton beschrieben und skizzenhaft ausgearbeitet werden.
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3
II. Filmanalyse
▪ Kamera (Kamerahandlung)
[nach Wullf 2002; Filmlexikon des Bender Verlages]
1. Einstellungsgrößen
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Einstellungsgrößen. Die
menschliche Figur ist der Maßstab, an dem die Einstellungsgrößen festgemacht
werden. Eine Übertragung auf Objekte oder auf andere Lebewesen ist immer
problematisch.
Weite bzw. Fern (Extrem Long Shot)
Æ Landschaft, Menschen verschwindend klein
Totale (Long Shot)
Æ Handlungsraum der Menschen
Halbtotale (Medium Long Shot, Full Length)
Æ Mensch immer noch Teil der Umgebung, aber von Kopf bis Fuß zu sehen
Amerikanische [keine Abbildung] (Medium Long Shot, Knee Shot)
Æ Mensch ab den Knien aufwärts
Halbnahe [keine Abbildung] (Full Shot, Medium Shot, Waist Shot)
Æ ab der Hüfte aufwärts
Nahe bzw. Nahaufnahme (Medium CloseUp, Medium Close Shot)
Æ ab der Brust aufwärts
Großaufnahme (CloseUp)
Æ ab den Schultern aufwärts oder nur Kopf
Detailaufnahme (Extreme CloseUp, Tight Head Shot)
Æ nur noch ein Ausschnitt des Gesichts
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2. Perspektive
Die Kameraperspektive ist die Blickorientierung der Kamera auf ein Objekt oder
Geschehen. Es gilt, die verschiedenen Positionen bezogen auf das vorfilmische
Objekt oder Ereignis festzulegen:
Kamerahöhe
Man unterscheidet gemeinhin die Normalstellung der Kamera – sie steht dann auf der
Augenhöhe der beteiligten Akteure – von den Bereichen der Aufsicht und der
Untersicht. Die Aufsichten gehen bis zum Top Shot, der die Szene aus 90-GradAufsicht registriert. Die Untersichten enden mit der Froschperspektive, bei der die
Kamera in Höhe der Füße steht. Sehr selten sind Untersichten, die die Akteure durch
gläserne Fußböden photographieren:
Froschperspektive (extreme low angle shot, below shot)
Æ aus starker Untersicht
Untersicht (low angle shot)
Æ Kamera unterhalb der Augenhöhe der Akteure
Normalsicht (eye level)
Æ Kamerahöhe ist die Augenhöhe der Akteure
Aufsicht, auch: Obersicht (overhead shot, high angle shot)
Æ Kamera oberhalb der Augenhöhe der Akteure
Vogelperspektive (extreme high angle shot, overhead)
Æ aus starker Aufsicht
Top Shot (God's eye view)
Æ aus 90-Grad-Aufsicht
Kamerabewegungen
Kamerabewegung ist ein Sammelbegriff für alle Bewegungen der Kamera. Es gibt
vier Grundformen:
Fahrt (tracking shot, dolly shot)
Kranaufnahme (crane shot, boom shot)
horizontaler Schwenk (pan)
vertikaler Schwenk (tilt)
Daneben stehen einige viel seltener verwendete Sondertypen:
Reißschwenk (swish pan)
Verkanten (canted camera)
Rollen (roll)
Schwanken (Dutch angle shot)
Luft- oder Hubschrauberaufnahme (air-to-air shot)
Handkamera (hand camera shot, portable camera shot)
Neben diesen einfachen Bewegungen gibt es eine große Anzahl kombinierter
Bewegungen. Man kann also mit dem Kran hochfahren und gleichzeitig nach unten
schwenken, man kann Schwenks und Fahrten kombinieren etc.
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Point of View
POV bezeichnet den Wahrnehmungstandpunkt des von der Kamera Gezeigten. Der
Standpunkt/POV kann objektiv, d.h. an keine Figur des Films gebunden sein und
sich sozusagen in der Position des außen stehenden Beobachters befinden. Der
POV kann aber auch subjektiv, d.h. an die Wahrnehmungsperspektive einer Person
gebunden sein.
Beispiele eines objektiven POV:
External Shots
Als External Shots werden alle Einstellungen der Kamera bezeichnet, welche
gewissermaßen von außen ein Geschehen darstellen und keiner Figur des
Films zugeordnet sind, wie zum Beispiel:
Establishing Shot (oder auch: Master Shot)
Eine Aufnahme am Anfang des Films oder auch einer Sequenz oder Szene,
die den Raum und die Umgebung einführen, etablieren soll – meist eine
Totale oder Long Shot – wird als Establishing Shot bezeichnet. Derartige
Aufnahmen erfüllen mehrere Funktionen gleichzeitig: Sie zeigen eine Aufsicht
des Handlungsraumes und tragen insofern dazu bei, dass der Zuschauer eine
Vorstellung des master space aufbauen kann.
Re-establishing Shot
Im Verlauf einer Szene kann u.U. mehrfach auf die etablierende Raumsicht
zurückgegangen werden. Dabei werden verschiedene Funktionen erfüllt: man
erinnert an den Gesamtort; man setzt eine optische Zäsur und führt damit eine
optische Gliederung des Szenengeschehens ein; man nimmt eine EndeMarkierung einer Kommunikationsepisode oder der ganzen Sequenz vor; mit
dem re-establishing shot kann ein Wechsel der Position der Akteure
vorgenommen werden; man kann aber auch an eine anwesende, aber nicht
agierende Figur erinnern.
Beispiele eines subjektiven POV:
Subjektive Kamera
Subjektive Kameraführung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die Sicht
eines Protagonisten einnimmt. Der Kamerastandort ist der Standort einer
Figur in der Szene, deren ›Blick‹ das Bild wiederzugeben scheint. Versteht
man die Kamera als stellvertretendes Auge des Zuschauers, wird dadurch der
Blick des Protagonisten zu seinem.
Frühe Formen der subjektiven Kamera waren Blicke durch Fernrohre oder
Schlüssellöcher, die im Filmbild durch Maskierungen des Bildes illusioniert
wurden. Eine andere, schon früh entwickelte Möglichkeit, die Subjektivität der
Einstellung zu markieren, bestand darin, die Kamera die gleichen
Bewegungen machen zu lassen wie den Protagonisten. Auch dabei entsteht
der Eindruck, der Zuschauer sehe durch dessen Augen. Durchaus üblich ist
es auch, durch die Kamera das zu zeigen, was nur der entsprechende
Protagonist wahrnehmen kann. Eine Extremform subjektiver Kameraführung
liegt vor, wenn sie nicht kurzzeitig in Blickmontagen oder zur
Intensitätssteigerung genutzt wird, sondern durchgehend den Blick des
Protagonisten einnimmt. Eine solche Inszenierung wirkt höchst artifiziell und
ist nur äußerst selten praktiziert worden.
Das ›echte‹ Subjektive, bei der die Kamera in Augenhöhe der Figur steht, ist
eher selten. Meist wird eine Kameraperspektive eingenommen, die dem
Idealort nahe, aber dennoch spürbar seitlich leicht versetzt die Filmperson
begleitet und damit den Zuschauer nur an deren Seite stellt, ohne deren Sicht
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vollständig zu übernehmen. Dementsprechend müssen die Gesprächspartner
bei Dialogszenen auch nicht direkt in die Kamera schauen.
Point-of-View-Shot
Einstellung, die die subjektive Sicht einer Figur darstellt. Nach Edward
Branigans klassischer Definition wird in einer ersten, vorbereitenden
Einstellung ein Beobachtungspunkt etabliert, indem eine Figur gezeigt wird,
die ihren Blick auf etwas außerhalb des Kaders richtet. In der nächsten
Einstellung befindet sich die Kamera an der Stelle dieser Figur und zeigt,
worauf der Blick gerichtet war. Zwischen beiden Einstellungen muss zeitliche
und räumliche Kontinuität bestehen, und die Figur muss als ›bei Bewusstsein‹
verstanden werden, damit der Eindruck einer subjektiven Sichtweise
gewährleistet ist. In der klassischen Blickmontage folgt als 3. Einstellung der
Rückschnitt auf die sehende Figur.
Tatsächlich zeigt die filmische Praxis, dass die Verwendungsmöglichkeiten
des Point-of-View-Shots erheblich freier sind: Die Reihenfolge der beiden
Einstellungen kann vertauscht werden (was zur Spannungssteigerung äußerst
effektiv sein kann); die erste Einstellung kann sogar ganz entfallen, solange
anderweitige formale und/oder inhaltliche Signale für ›Subjektivität‹ geben
werden, z.B. durch eine wackelnde Kamera oder durch die Zielgerichtetheit
einer Bewegung (etwa: Heranschleichen an ein Opfer).
▪ Mise-en-Scene
Mise-en-Scene bezeichnet den Bildinhalt, also alles, was sich im Bildrahmen der
Kamera befindet, das Set bzw. dessen sichtbare Teile sowie die handelnden Akteure.
3. Komposition
Das nicht bloß von Figuren- und Objektbewegungen oder Kamerabewegungen
dominierte Filmbild folgt kompositorischen Prinzipien, einige der wichtigsten
Prinzipien sind:
Offene vs. Geschlossen Form
Streuung vs. Ballung
Vordergrund und Hintergrund
Symmetrie: Achsensymmetrie, Punktsymmetrie
Goldener Schnitt (Verhältnis von ca. 1 zu 1,68)
Zudem kann der Bildraum auch bewusst ungeordnet sein, um das Zufällige
oder Dokumentarische zu betonen.
Farbe:
Farbmotivik (Farbe kann eine symbolische Funktion einnehmen oder
leitmotivisch eingesetzt werden)
Komplementärkontraste (rot-grün, blau-orange, gelb-violett)
Hell-Dunkel-Kontrast (z.B. blau-gelb, schwarz-weiß)
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Warm-Kalt-Kontrase (z.B. blau-rot)
monochrome Farbgebung (z.B. schwarz-weiß, verschiedene Blautöne)
[Æ siehe hierzu den Anhang]
4. Bewegung
Die Bewegung vor der Kamera muss ebenso wie die Kamerahandlung – und
zusammen mit der Kamerahandlung – choreographiert werden. Zu beachten ist
dabei vor allem auch das Verhältnis von On- und Off-Screen:
On-Screen
alles, was im Bild bzw. Kamerarahmen sichtbar ist
Off-Screen
alles, was sich außerhalb des Kamerarahmens befindet
(kann aber durchaus hörbar sein; entsprechend kommt der Ton aus dem On
und dem Off.)
Die Grundfragen sind: Wie bewegt sich das Objekt im Bild (im Verhältnis zur
Kamera)? Wie bewegt sich das Objekt in das Bild hinein bzw. aus dem Bild
heraus?
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III. Editing
▪ Schnitt und Montage
Die Nachbearbeitung eines Films besteht im Wesentlichen aus der späteren Vertonung des
gesamten Films sowie aus dem Schnitt und der Montage der einzelnen Einstellungen. Dabei
erfüllen Schnitt und Montage auf den verschiedenen Segmentebenen (Einstellung, Szene,
Sequenz) unterschiedliche Funktionen:
Einstellung:
Abblende (fade-out), Aufblende (fade-in), Überblendung (dissolve)
Eine Abblende ist eine allmähliche Verringerung der Blendenöffnung, bis das Bild
schwarz (aber nicht unbedingt schwarz) wird. Eine Aufblende ist das genaue
Gegenteil – die sich langsam öffnende Blende manifestiert sich als langsam aus
Schwarz aufscheinendes Projektionsbild. Eine Überblendung ist eine Kombination
aus beiden: Das erste Bild wird ab-, das zweite aufgeblendet. Die Überblendung zählt
ebenso wie das Doppel von Ab- und Aufblende typologisch zu den
›Einstellungsverbindungen‹, zu denen auch Schiebe-, Wisch-, Fett-, Rauch-, Iris- und
andere Blenden gehören.
Im Kino der 1930er und 1940er Jahre war die Überblendung recht eindeutig
kodifiziert als Mittel, mit dem Szenenübergänge, Rückblenden und subjektive Bilder
wie z.B. Traumsequenzen markiert wurden.
Anschlussschnitt
Der Anschlussschnitt folgt der Bewegung und der Handlung so, dass der Eindruck
der Kontinuität zwischen zwei Einstellungen entsteht.
Alternation oder Parallelmontage
Vereinigt zwei (oder mehr) verschiedene Handlungen, zwischen denen hin- und
hergeschnitten wird.
Jump Cut
Schnitt zwischen zwei Einstellungen, die hinsichtlich Kameradistanz und
Bildausschnitt identisch sind, aber einen Sprung in der Handlung vollziehen. Ein
Jump Cut ist sehr deutlich zu sehen und will auch deutlich wahrgenommen werden
(sofern es sich nicht um einen Anschluss- bzw. Schnittfehler handelt). Wichtig dabei
ist, dass er nicht aus Unvermögen beim Filmen oder Schneiden entsteht, sondern
beabsichtigt ist, um (a) zwei unterschiedliche Einstellungen zu verbinden, (b) zwei
ähnliche Einstellungen voneinander zu trennen oder (c) weit getrennte Räume oder
Zeiten zu verbinden. Oft wird ein Jump Cut mit einem Match Cut verbunden.
Szene:
Die verschiedenen Blenden und Schnitte (s.o.) können nicht nur Einstellungen
verbinden, sondern natürlich auch Szenen und Sequenzen.
Match Cut
Beim Match Cut werden die Bilder so aneinander geschnitten, dass das Bildzentrum
des einen Bildes an gleicher Stelle ist wie das des anderen. Da die Aufmerksamkeit
so auf einen besonderen Bereich des Bildes konzentriert ist, wird sie von der
Tatsache des Schnitts resp. von der Diskontinuität des Bildwechsels abgelenkt und
erzeugt den Eindruck eines Fließens der Bilder entlang der Handlungs- und
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Themenfolgen. Dabei kann die Verbindung zwischen den Einstellungen (a) durch die
Kontinuität der Handlung, (b) durch die Ähnlichkeit der Handlungen zweier
Charaktere, die man im gleichen Bildfeldbereich sieht, (c) durch die Ähnlichkeit der
Handlungen der gleichen Figur zu verschiedenen Zeitpunkten oder (d) durch die
graphische Ähnlichkeit zweier Objekte im gleichen Bildfeldbereich angeregt werden.
Flash-Cutting
Sequenzen kurzer, aufeinanderfolgender Einstellungen, die z.B. größere Zeiträume
durch einzelne Bilder zusammenfassen. Die Polaroid-Aufnahmen in LOLA RENNT
(Tom Tykwer, 2000) sind ein Beispiel dafür.
Cutaway
Der Wegschnitt (engl. cut-away) ist ein Motivwechsel innerhalb einer Szene: Der
Gang der Handlung wird unterbrochen, von einer Haupthandlung wird auf ein
nebensächliches Detail umgeschnitten, Zeit vergeht. Cutaways haben mehrere
verschiedene Funktionen: Sie zeigen das Vergehen der Zeit an und ermöglichen
Zeitsprünge. Gegebenenfalls wird ein Detail hervorgehoben, das die narrative
Verwicklung, manchmal auch die Spannung erhöht. Eine Szene ist zu Ende; ein CutAway zeigt noch einmal ein vergessenes Beweisstück; es folgt die nächste Szene.
Schuß-Gegenschuß-Montage
Das Schuß-Gegenschuss-Prinzip wird typischerweise in Dialogen angewendet: Es
wird zwischen zwei Kameras hin- und hergeschnitten, die jeweils einen der Akteure
zeigen. Dabei ist es üblich und gebräuchlich, die Schulter desjenigen, den man nicht
fokussiert, im Anschnitt zu zeigen (over-shoulder shot). Um den Eindruck der
Kontinuität nicht zu verletzen, muss die Blickachse zwischen den Akteuren sehr
genau beachtet werden, sonst entstünde das Gefühl, dass sie aneinander vorbei
blickten.
Sequenz:
Filme sind narrative Texte – Texte, die etwas erzählen. Das geschieht auf der Ebene
des Einzelbildes synchron (gleichzeitig), auf der Ebene der Einstellung (wenn diese
nicht statische ist), und den Ebenen der Szene und der Sequenz diachron
(nacheinander). Sobald ein Film also eine Story entwickelt und nicht rein abstraktenästhetischen Strukturen (z.B. formale Komposition, Reihung, etc.) oder der bloßen
Attraktion (s.u.) folgt muss die Story narrativ organisiert sein.
Attraktion vs. Narration
In der Beschreibung des Kinofilms wird oft eine narrative und eine attraktionelle
Ebene unterschieden. Die Narration bemüht sich um den inneren Zusammenhang
der Erzählung, um Folgerichtigkeit und Wahrscheinlichkeit. Die Attraktion dagegen
exponiert Szenen und Umgebungen, die auf die Schaulust des Zuschauers
spekulieren und eher in der Tradition der artistischen Künste und der
Sensationsdarstellungen stehen als in der Erzähltradition des Romans. Das Narrative
und das Attraktionelle verhalten sich keinesfalls exklusiv zueinander, sondern können
glänzend miteinander kombiniert werden.
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Prinzipien der Narration
Dauer:
Darstellungszeit ist die faktische Dauer der Darstellung einer Handlung im
Film. Die dargestellte Zeit ist die fiktionale Dauer des Erzählten. Die
Darstellungsgeschwindigkeit ergibt sich aus der Relation von Darstellungszeit
und dargestellter Zeit
Szenische Darstellung
Neutrale Darstellungsgeschwindigkeit, weil eine Übereinstimmung von
Erzählzeit und erzählter Zeit besteht (z.B. bei Dialogszenen)
Raffung
Schnelle Darstellungsgeschwindigkeit, wenn die dargestellte Zeit die
Darstellungszeit deutlich übersteigt; das geschieht, indem tote
(handlungsarme) Zeit durch Schnitte weggelassen wird (typische Erzahlweise)
Dehnung
Langsame Darstellungsgeschwindigkeit, selbst wenn die Darstellungszeit die
dargestellte Zeit auch nur leicht übersteigt (eher untypische Erzählweise)
Ordnung:
Chronologische Darstellung
identische Reihenfolge von Dargestelltem und Darstellung
Flashback (Rückblende)
Filmsegment, das Ereignisse zeigt, die zeitlich vor der Handlungsgegenwart
liegen. Eine Rückblende wird inhaltlich meist durch die subjektive
Erinnerung/Erzählung einer Figur motiviert. Sie kann formal markiert werden,
z.B. durch langsame Überblendungen, Wechsel von Farbe in Schwarzweiß,
durch Voice-Over der erzählenden Figur etc. Markierungen können aber auch
ausbleiben, die Grenzen können sogar gezielt verwischt werden. Rückblenden
haben oft aufklärerische Funktion, können z.B. einen Tathergang klären oder
die psychische Befindlichkeit einer Figur begründen.
Flashforward (Vorausdeutung)
Vorwegnahme von Zukünftigem, funktioniert formal wie der Flashback, ist dem
Zuschauer jedoch schwerer und nur durch zusätzlich Zeitangaben auf der Bild
oder Tonebene zu vermitteln.
Frequenz (Häufigkeit):
Singulatives Erzählen
Verhältnis von eins zu eins zwischen dem Ereignis und seiner Darstellung,
d.h. ein einmaliges Ereignis wird einmal erzählt und sich wiederholende
Ereignisse werden so oft erzählt wie sie geschehen
Repetitives Erzählen
wiederholtes Erzählen desselben Ereignisses
Iteratives Erzählen
einmaliges zusammenfassendes Erzählen sich wiederholender Ereignisse
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▪ Musik
Die Filmmusik ist neben den Bildinhalten und dem Text das wichtigste filmische
Gestaltungsmittel. Mit der Musik wird die Wahrnehmung des Zuschauers emotional
gesteuert, zugleich eröffnet die Musik eine zusätzliche Bedeutungsebene innerhalb
des Films.
Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten wie Bildinhalte/Text und Musik einander
ergänzen [nach Timm 1982]:
1. Paraphrasierung
Die Musik greift die Bild- und Textinhalte auf und spiegelt sie unterstützend wider.
2. Polarisierung
Die Musik lenkt die Bedeutung in eine bestimmte Richtung. Diese ist durch
Bild/Text nur tendenziell oder noch gar nicht vorgegeben.
3. Kontrapunktierung
Die ›Aussage‹ der Musik ist zu den Bild- und Textinhalten entgegengesetzt.
Kontrapunktierende Musik wird oft als ironischer Kommentar eingesetzt und
produziert beim Zuschauer – im Gegensatz zu 1 und 2 – oftmals eine
reflektierend Rezeptionshaltung.
Darüber hinaus kann ein musikalisches Thema als Leitmotiv eingesetzt werden,
indem es etwa einer bestimmten Figur zugeordnet wird.
Außerdem kann die Musik als ein integrales oder dominantes Strukturelement
eingesetzt werden, indem sie etwa die den Schnittrhythmus vorgibt (Musikvideos)
oder den Film in seinen Elementen anderweitig strukturell widerspiegelt (s.u.).
Die Filmmusik als integrales Strukturelement
[Petersen 2001: 22-7]
Eine besondere Rolle in den Filmen Greenaways spielt auch die Filmmusik, die nicht nur einen konventionellen Einsatz findet, indem sie die einzelnen Szenen einerseits paraphrasiert,
polarisiert und kontrapunktiert und andererseits leitmotivisch verbindet, sondern darüber hinaus ist die Musik auch auf einer strukturellen Ebene mit den Filmen verbunden, da sie zu den
analysierten Ordnungssystemen äquivalente Strukturprinzipien aufweist. Greenaway selbst
erhebt den Anspruch, in seinen Filmen gerade in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Michael Nyman eine Filmmusik zu schaffen, die einen integralen strukturellen Bestandteil des
jeweiligen Films bildet: „Our attitude has been that music should somehow structure it. It
should not just be a creation of mood or an emotional adjunct, telling an audience how to
think. It ought to be integral to the movie.”
Die Filmmusik Michael Nymans, die dieser für insgesamt fünf der acht Spielfilme Greenaways
komponiert hat (die Ausnahmen sind The Belly of an Architect, The Baby of Mâcon und The
Pillow Book), entspricht in den ihr immanenten Prinzipien den filmischen Ordnungssystemen
vor allem in zwei Punkten. So ist die Musik ganz in einer minimalistischen Tradition stehend
vor allem durch ihren repetitiven Charakter geprägt. Es werden in der Regel innerhalb eines
konstanten Rhythmus stark reduzierte Themen oder Motive mit relativ geringer Variation fortwährend wiederholt, womit ein musikalisches Analogon zum Strukturelement des Kreismotivs
bzw. des Zyklus geschaffen wird. Dasselbe gilt auch für Wim Mertens Filmmusik zu The Belly
of an Architect, die ebenfalls durch ein minimalistisches Prinzip der Wiederholung bestimmt
ist.
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Die sich wiederholenden Motive stellen sich bei Nyman zudem meist als Zitate aus der Musikgeschichte dar und bilden damit eine Entsprechung zur filmischen Intertextualität. Nyman
greift analog zu Greenaways Zitationen aus der Malerei sowohl identifizierbare Themen einzelner Komponisten als auch bestimmte musikalische Topoi aus der Musikgeschichte auf.
Guido Heldt weist beispielsweise die musikalische Zitation einer sogenannten Vorhaltesequenz, die im Kontext der barocken Affektlehre als „Ausdruck schmerzlicher Ausweglosigkeit,
Hoffnungslosigkeit, Resignation, andererseits gemessener Melancholie“ gilt, an der Musik der
Eröffnungsszene von ZOO nach (4:90). Die Musik paraphrasiert dort die Verzweiflung Oswalds und Olivers über den Unfalltod ihrer Frauen.
Beispiele für unmittelbare Zitate aus den Werken anderer Komponisten in den Filmmusiken
Nymans sind bereits von verschiedenen Interpreten offengelegt worden, so vor allem Nymans
Referenzen auf die Baßlinien der Stücke des Barockkomponisten Henry Purcell in The
Draughtsman’s Contract und Prospero’s Books. Heldt weist zudem an einzelnen Notenbeispielen detailliert die Adaption der Melodielinie aus Mozarts Sinfonia concertante für Violine
und Viola Es-Dur (Takt 58-61) in Nymans Endgame nach, die die Sterbe- bzw. Hinrichtungsszene Madgetts in Drowning (106:18) begleitet.
Noch aufschlußreicher an Heldts Analyse der beiden Musikbeispiele aus Drowning by Numbers und ZOO erscheint jedoch seine Feststellung, daß Nyman die Musikvorbilder nicht nur
zitiert, sondern sie zugleich auch dekonstruiert. Nyman löst laut Heldt die Motive aus dem paradigmatischen Sinnzusammenhang des ursprünglichen Stücks und stellt sie statt dessen in
den syntagmatischen Kontext einer rein repetitiven Struktur, wobei das ursprüngliche Motiv
einerseits fragmentiert und vereinfacht und andererseits bis zur Unkenntlichkeit variiert und
dekonstruiert wird: „In der Kombination des Nymanschen Fragmentierungs- und Replikationsverfahrens mit [den] Vereinfachungstendenzen wird der Schein zitierender Verarbeitung von
Vorlagemusiken (oder historischen Mustern wie der Vorhaltesequenz) erzeugt, während tatsächlich der spezifische Sinn der Vorlage zerstört wird.“
Dieses dekonstruktivistische Moment in der Filmmusik Michael Nymans findet wiederum
seine Entsprechung in der Arbeitsweise Greenaways, der in seinen Filmen Ordnungssysteme
nicht nur konstruiert, sondern diese - wie sich im folgenden zeigen soll - zugleich immer auch
filmimmanent dekonstruiert.
Literaturverzeichnis:
Filmlexikon des Bender Verlags: http://lexikon.bender-verlag.de
Heldt, Guido (1990): "... breaking the sequence down by beat": Michael Nymans Musik zu
den Filmen von Peter Greenaway. In: Wulff, Hans J. (Hg.): 2. Film- und
Fernsehwissenschaftliches Kolloquium / Berlin ‘89. Münster, S. 177-188
Monaco, James (2000): How to Read a Film: The World of Movies, Media and Multimedia.
3rd Edition. New York, Oxford
Petersen, Christer (2001): Jenseits der Ordnung. Das Spielfilmwerk Peter Greenaways.
Strukturen und Kontexte. Kiel
Timm, Eitel (1982): Musik im Film: Möglichkeiten und Grenzen der Transkription. In: Paul
Buchloh (Hg.): Filmphilologie. Studien zur englischsprachigen Literatur und
Kultur in Buch und Film. Kiel, S.155-73
Wulff, Hans Jürgen u.a. (2002): Einführung in die Film- und Fernsehwissenschaft. Konstanz
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1.
2.
Im Jahre 1929 beschrieb der russische Regisseur und Filmtheoretiker V.I.
Pudowkin ein Experiment, das seither in die Mythologie des Films als der
Kuleschow-Effekt eingegangen ist:
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13.
Quellen (Anhang):
1. Aspekte der Kunst (1980) von Eva Maria Kaifenheim, Verlag: Martin Lurz GmbH
2. Phantasie und Deutung (1986) von Wolfram Mauser, Ursula Renner, Walter Schönau,
Verlag: Königshausen + Neumann
3. bis13. how to read a film (2000) von James Monaco, Verlag: Oxford University Press
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