Lesbarkeit auf dem Prüfstand

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THEMEN DER ZEIT
PACKUNGSBEILAGEN
Lesbarkeit auf dem Prüfstand
Seit Ende 2005 müssen die Beipackzettel bei neuen Arzneimitteln auf ihre Lesbarkeit
und Verständlichkeit geprüft werden. – Eine Zwischenbilanz
Z
u Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage oder fragen Sie Ihren Arzt oder
Apotheker.“ Für Patienten ist die
Packungsbeilage ein wichtiger Ratgeber über das einzunehmende Medikament. Informationen über Dosierung, Wechselwirkungen oder Gegenanzeigen sind den kleinen, aber bedeutsamen Zetteln zu entnehmen. Es
gibt klare, vom Gesetzgeber vorgeschriebene Informationen, die auf der
Packungsbeilage erscheinen müssen.
Hierzu gehören der Name des Medikaments, die Stärke und Darreichungsform, die pharmazeutisch-therapeutische Klasse oder Wirkungsweise. Die
Anwendungsgebiete, Gegenanzeigen und Vorsichtsmaßnahmen für die
Verwendung müssen ebenso zu finden sein. Außerdem sind gegebenenfalls besondere Warnhinweise sowie
Anwendungshinweise zwingend erforderlich. Eine Beschreibung der
Nebenwirkungen und ein Verweis auf
das auf der Verpackung angegebene
Verfallsdatum muss der Beipackzettel ebenfalls enthalten.
Aber nur wenn die Patienten
tatsächlich verstehen, wann und wie
A 1810
lange sie ein vom Arzt verschriebenes
Arzneimittel einnehmen müssen, lässt
sich gewährleisten, dass das Medikament seine volle Wirkung entfaltet.
Allerdings haben sich Packungsbeilagen bisher vor allem an den Bedürfnissen der Pharmahersteller orientiert, die sich gegen mögliche Schadensersatzklagen absichern wollten.
Die Texte waren juristisch geprüft,
aber nicht unbedingt verständlich.
Seit Ende 2005 sind die Pharmafirmen per Gesetz verpflichtet, die Gebrauchsinformationen allgemeinverständlich und gut lesbar zu verfassen.
Grundlage hierfür ist die Richtlinie
2001/83/EU der Europäischen Kommission. Die Packungsbeilagen für
neue Arzneimittel müssen nun in
Deutschland auf die Lesbarkeit im
Rahmen sogenannter ReadabilityTests kontrolliert werden. Bei diesem
Test werden die Lesbarkeit und das
Layout der Packungsbeilagen überprüft. An Probanden verschiedenen
Geschlechts und aus unterschiedlichen Schichten und Altersgruppen
werden in Einzelinterviews 15 Fragen zum Inhalt und vier Fragen zum
Layout gerichtet. „Von der Packungsbeilage beziehungsweise dem Fragenkatalog müssen 90 Prozent der
geforderten Informationen gefunden
werden, das heißt 18 von 20 Probanden müssen bei jeder Frage die Stelle,
an der die Information steht, auf der
Packungsbeilage zeigen können“, erklärt Dr. Klaus Menges, Referent für
Wissenschaftliche Qualitätssicherung
beim Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte (BfArM), die
Anforderungen des Instituts.
Rund 300 solcher Tests sind seither durchgeführt und dem BfArM in
Bonn zur Prüfung vorgelegt worden. Noch vor einem Jahr haben die
Verbraucherzentralen gefordert, dass
Beipackzettel verständlicher werden
müssten – zu kleine Schrift, zu viele
Fremdwörter, der Text zu unüber-
sichtlich, lautete die Kritik. Die Forderung schien begründet: Eine Studie des WIdO-Forschungsinstituts
der AOK in Zusammenarbeit mit
dem Verbraucherzentrale Bundesverband zur Lesbarkeit der Packungsbeilagen ergab, dass zwar zwei Drittel der Befragten die Packungsbeilage für eine wichtige Informationsquelle über das Arzneimittel hielten.
Fast ein Drittel gab an, ein Medikament schon einmal wegen der Informationen auf dem Beipackzettel abgesetzt oder erst gar nicht genommen
zu haben.
Immer noch schwer lesbar
Das BfArM hat eine ganze Reihe
Kriterien (Readability-Guideline)
aufgestellt, die bei der Neuzulassung von Arzneimitteln als Maßstab
bei den Packungsbeilagen gelten.
Neben einem aktiven Sprachstil und
einer verständlichen Sprache sollen
auch möglichst konkrete Handlungsanweisungen angegeben werden.
Fachwörter sollten ins Deutsche
übersetzt werden. Inzwischen sind
beispielsweise früher übliche Überschriften wie „Gegenanzeigen“ oder
„Wechselwirkungen“ durch Fragen
ersetzt worden: „Was müssen Sie
vor der Einnahme beachten?“
Dr. Stefan Etgeton, Referent für
Gesundheit beim Verbraucherzentrale Bundesverband, erklärt, dass
die Verbraucherzentralen mit der jetzigen Situation aber noch nicht zufrieden seien. Im letzten Jahr haben
sie zusammen mit dem WIdO-Forschungsinstitut der AOK einen Beipackzettel für ein Antibiotikum mit
dem fiktiven Namen „Clarum“ entworfen. An diesem Layout mit mehr
Übersichtlichkeit, größerer Schrift
und vor allem leicht verständlichen
Piktogrammen hält Etgeton auch fest.
„Außerdem sind ja noch sehr viele
alte Packungsbeilagen im Umlauf.“ I
Sunna Gieseke
⏐ Jg. 104⏐
⏐ Heft 25⏐
⏐ 22. Juni 2007
Deutsches Ärzteblatt⏐
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