Zöliakie - Kindernetzwerk

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Kindernetzwerk e.V.
für Kinder, Jugendliche und (junge) Erwachsene mit
chronischen Krankheiten und Behinderungen
Krankheitsübersicht
Zöliakie
KINDERNETZWERK
AN ALLE BEZIEHER UND NUTZER DIESER KRANKHEITSÜBERSICHT
Mit den in dieser Krankheitsübersicht enthaltenen Informationen bietet das
Kindernetzwerk e.V. lediglich einen ersten Überblick über die Erkrankung, die
Behinderung oder das entsprechende Schlagwort.
Alle Informationen werden nach bestem Wissen – mit tatkräftiger Unterstützung
unseres pädiatrischen Beraterkreises und wissenschaftlichen Fachbeirats – aus
diversen Quellen ( Fachbücher, Fachartikel, Kindernetzwerk-Archiv sowie aus dem
Internet ) zusammengestellt.
Bei der Krankheitsübersicht wird darauf geachtet, dass die Informationen verständlich
und gut leserlich geschrieben sind. Wir möchten Eltern, Betroffenen und
Nichtmedizinern dadurch ermöglichen, insbesondere auch seltene Erkrankungen
besser zu verstehen.
Wir streben einen möglichst hohen Grad an Aktualität an, können aber wegen des
rapiden medizinischen Fortschrittes nicht in jedem Fall garantieren, stets den
allerneusten Stand des Wissens komplett abzubilden. Gerade deshalb empfehlen wir,
sich immer an einer der zuständigen Selbsthilfegruppen zu wenden (siehe beiligende
Adressen) um dort weiteres aktuelles Material anzufordern und individuelle Beratung
einzuholen!
Die Krankheitsübersicht ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch bestimmt. Eine
Weitergabe an Dritte ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. Die
Unterlagen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Inhalte der beigefügten
Materialien stellen keine Bewertung von Seiten des Kindernetzwerks dar, sondern
dienen der übersichtlichen Zusammenfassung vorhandener Informationsmaterialien
in kompakter Form.
Bei einem Teil der Krankheitsbildern liegen beim Kindernetzwerk noch umfassendere
Informationen (Infopakete) vor. Näheres erfahren sie über die Geschäftsstelle.
Aufgrund der Seltenheit vieler Erkrankungen ist es nicht möglich, bei allen
Krankheitsübersichten ein Fallbeispiel darzustellen. Falls Sie uns dabei unterstützen
möchten, nehmen sie bitte Kontakt mit dem Kindernetzwerk e.V. auf.
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Zöliakie
einheimische (nicht tropische) Sprue,
Glutenunverträglichkeit
glutensensitive Enteropathie
coeliac disease (engl.)
Zusammengestellt für das Kindernetzwerk von:
Katharina Maidhof-Schmid
2007
Kurzbeschreibung
Im Säuglings-und Kindesalter wird diese Erkrankung als Zöliakie, im Erwachsenenalter als
einheimische Sprue oder glutensensitive Enteropathie bezeichnet.
Bei der Zöliakie / Sprue handelt es sich um eine chronische Erkrankung der
Dünndarmschleimhaut, die durch eine lebenslange Überempfindlichkeit auf Gluten
(Klebereiweiß: Teil des Getreideeiweißes) ausgelöst wird. Klebereiweiß kommt in den
Getreidesorten Weizen, Roggen, Dinkel, Gerste und Hafer vor.
Das Klebereiweiß verursacht eine schwere Schädigung der Dünndarmschleimhaut, einen
Schwund (Atrophie) der Dünndarmzotten und damit einen Verlust an Verdaungsenzymen.
Die Aufnahme (Resorption) von Nährstoffen ist dadurch stark eingeschränkt, es kommt zu
chronischen Durchfällen und Blähungen, Gedeihstörungen, Gewichtsverlust sowie
Mangelerscheinungen, da lebensnotwendige Nährstoffe, Mineralien und Vitamine nicht mehr
ausreichend aufgenommen werden.
Die Krankheit ist angeboren und tritt nach der Einführung von glutenhaltiger Beikost bei
Kleinkindern auf, kann sich aber auch später bei älteren Kindern und Jugendlichen oder
sogar erst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter zeigen.
Eine ursächliche Behandlung der Zöliakie ist nicht möglich, es muß eine lebenslange streng
glutenfreie Diät eingehalten werden: alle glutenhaltigen Getreidesorten und die aus ihnen
hergestellten Nahrungsmittel müssen strikt gemieden werden. Mit einer konsequenten
glutenfreien Ernährung können Betroffenen ein beschwerdefreies Leben führen, kleinste
Mengen Gluten können jedoch die Darmschleimhaut schädigen und schwere
Folgeerkrankungen auslösen.
Symptome, Formen, Krankheitsverlauf
Die Bezeichnung Zöliakie ist abgeleitet aus dem Griechischen “koilia“ (Bauch) und weist auf
eines der typischen Merkmale der Erkrankung hin, den vorgewölbten, aufgeblähten Bauch
der Patienten.
Bei der klassischen (symptomatischen) Zöliakie treten die ersten Anzeichen beim
Kleinkind auf, wenn es glutenhaltige Beikost erhält. Die Erkrankung beginnt meist gegen
Ende des ersten oder am Anfang des zweiten Lebensjahres. Nach der Einführung der
Getreidekost (Getreidebreie, Nudeln, Kekse, Brot) kann es noch einige Wochen bis Monate
dauern, bis das in der Nahrung enthaltenene Gluten die Dünndarmschleimhaut soweit
geschädigt hat, dass es zu den ersten klassischen Leitsymptomen einer
Ernährungsstörung (Malabsorption) kommt.
•
•
•
•
Chronische, massige Durchfälle mit durch die gestörte Fettverdauung
übelriechenden fettglänzenden, klebrigen Stühlen (Steatorrhoe)
Ein Blähbauch: die Blähungen entstehen durch die bakterielle Vergärung der
unverdauten Nährstoffe.
Erbrechen, fehlende Gewichtszunahme und Gedeihstörungen
Die Kinder haben keinen Appetit, sie leiden unter Bauchschmerzen und sind
weinerlich und reizbar.
In den folgenden Monaten kommen weitere Anzeichen für Zöliakie hinzu:
•
In den Wachstumskurven (Perzentilkurven) ergibt sich durch die unzureichende
Gewichts- und Längenzunahme ein Perzentilenknick, d.h. die Kinder bleiben deutlich
im Wachstum zurück
•
Die Beine und Arme sind auffällig dünn.
•
Ganz typisch ist das Tabaksbeutelgesäß d.h. flache, magere Gesäßbacken mit mit
auffälligen Hautfalten
•
Die Muskelkraft läßt nach, die Muskelschwäche kann sich auch auf die motorische
Entwicklung auswirken.
•
Durch die unzureichende Resorption aller lebenswichtigen Nähr- und Wirkstoffe
können Folgekrankheiten auftreten:
Blutarmut (Eisenmangelanämie durch Eisenmangel) führt zu Blässe und
Müdigkeit
Rachitis ausgelöst durch Vitamin D-Mangel und verminderte Kalzium- Aufnahme
Blutgerinnungsstörungen durch Vitamin K-Mangel
Erhöhte Anfälligkeit für Infektionen
Eiweißmangel
mit
Oedembildung
(Wassereinlagerung)
an
den
Unterschenkeln ,
Unzureichendes Wachstum bis hin zum Kleinwuchs
Veränderungen am Zahnschmelz, Zahnschmelzdefekte
Man weiß heute, dass Zöliakie nicht selten in untypischen und wenig ausgeprägten Formen
vorkommt, d.h. die Symptome sind oftmals uncharakteristisch. Die Diagnose wird mitunter
erst nach Jahren oder gar nicht gestellt. Neben der „Klassischen Zöliakie“ unterscheidet man
daher heute weitere Formen von Zöliakie:
•
Monosymptomatische und oligosymptomatische Zöliakie: nur wenige Symptome
(z.B. Kleinwuchs, Eisenmangelanämie, verzögerte Pubertät, verspätete Menarche,
Gelenkschmerzen) deuten auf eine Zöliakie hin. Glutenfreie Ernährung wird dringend
empfohlen.
•
Stumme (silente, asymptomatische) Zöliakie: sie verläuft weitgehend ohne
Symptome und wird bei Screeninguntersuchungen / Antikörperbestimmung
diagnostiziert. Die Notwendigkeit einer Diät ist umstritten, eine Überwachung ist
erforderlich.
•
Latente Zöliakie: die Patienten haben keine Magen-Darm-Beschwerden,
Antikörpertests sind positiv, nur unter stärkerer Glutenbelastung kann es zu
Veränderungen an der Dünndarmschleimhaut kommen.
•
Potentielle Zöliakie: sie kommt häufiger vor bei erstgradigen Verwandten von
Zöliakiebetroffenen. Sie zeigen keine Anzeichen der Krankheit und werden nur auf
Grund serologischer Untersuchngen erkannt. Bei längerfristiger oder erhöhter Zufuhr
von Gluten kann es zu zöliakiespezifischen Befunden kommen.
•
Transiente Zöliakie: sie tritt nur vorübergehend im Kleinkindesalter mit eindeutigen
klinischen, serologischen und histologischen Befunden auf, die sich nach glutenfreier
Kost zurückbilden. Nach einigen Jahren wird glutenhaltige Kost ohne Beschwerden
vertragen. Eine sehr früh gestellte Zöliakiediagnose sollte daher später noch einmal
bestätigt werden.
Bei
einer
unerkannten
und
nicht
behandelten
Zöliakie
können
die
Schleimhautveränderungen zu Darmgeschwüren und bösartigen Veränderungen
(Darmkrebs) führen. Es besteht ein deutlich erhöhtes Malignomrisiko, insbesondere von
intestinalen malignen Lymphomen (aggressiver Lymphdrüsenkrebs). Wichtig ist daher die
Erkennung der untypischen Zöliakieformen mit wenig spezifischen Symptomen, einer
medizinischen Überwachung und oftmals auch die Einhaltung einer strikten glutenfreien Diät.
Diagnostik
Die klassischen Leitsymptome wie Durchfall, Gewichtsabnahme und der vorgewölbte,
aufgeblähte Bauch sind deutliche Anzeichen für eine Zöliakie. Allerdings sind die Symptome
nicht bei allen betroffenen Kinder gleich stark ausgeprägt. Um die Erkrankung bei typischer
Anamnese zu bestätigen, sind bei der Diagnostik notwendig :
•
Serologische Untersuchungen: Blutuntersuchungen, Nachweis spezieller
Antikörper
•
Gewebeuntersuchungen : Dünndarmbiopsie , eventuell Endoskopie
•
Positives Ansprechen auf eine glutenfreie Ernährung.
Vor den Untersuchungen darf noch nicht mit einer glutenfreien Ernährung begonnen werden,
da sonst die Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse negativ beeinflusst werden kann.
Für die serologischen Untersuchungen stehen heute eine Reihe von serologischen Tests
zur Vefügung. Sie dienen als Baustein der Diagnosestellung bei klinischem Verdacht auf
Zöliakie und werden auch im Rahmen von Screninguntersuchungen bei Risikogruppen
eingesetzt.
Mit ELISA (Enzyme-linked immunsorbent essay, ein Verfahren um einzelne Proteine
nachzuweisen) kann das Blutserum auf zöliakiespezifische Antikörper untersucht werden.
Wenn eine Substanz vom Körper als fremd erkannt wird, werden von bestimmten Zellen
Antikörper gebildet, die sich an das fremde Molekül binden und es markieren. Antikörper
können aber auch bei Autoimmunerkrankungen, zu denen die Zöliakie / Sprue zählt,
entstehen und sich gegen körpereigenes Gewebe richten und es schädigen. Bei der Zöliakie
lassen sich im Blutserum bestimmen:
•
Anti-Gliadin-Antikörper
der
Immunglobuline
A
und
G
(AGA)
(Gliadin: alkohollösliches Protein und Bestandteil des Glutens)
•
Endomysium-Antikörper (EMA)
(Endomysium: Gewebe, das die Muskelzellen verbindet)
•
Anti-Transglutaminase-Antikörper (ATA)
das Autoantigen Gewebstransglutaminase spielt für die Entstehung der Zöliakie nach
neueren Erkenntnissen eine wesentliche Rolle
Einem positiver Antikörpertest bedeutet allerdings noch keine sichere Daignose, sie kann nur
durch eine durch eine anschließende Dünndarmbiopsie gestellt werden.
Die
Gewebeentnahme
erfolgt
heute
meist
mittels
Gastroduodenoskopie
(Magenspiegelung). Bei dieser Untersuchung wird unter örtlicher Betäubung und Sedierung
ein dünner Schlauch mit einer Kamerasonde (Endoskop) durch die Mundhöhle, die
Speiseröhre und den Magen bis zum Zwölffingerdarm geschoben. Der obere
Gastrintestinaltrakt wird dabei endokopisch inspiziert und mit einer kleinen Zange wird etwas
Gewebe von verschiedenen Stellen der Dünndarmschleimhaut entnommen. Anschließend
werden mit dem Mikroskop die Schleimhautproben untersucht, ob eine Abflachung der
Mukosa und eine Zerstörung der Zotten vorliegt. Eine feingewebliche (histologische)
Untersuchung der Proben mit spezieller Anfärbung und Schnitttechnik zeigt noch genauer,
wie weit die Dünndarmschleimhaut geschädigt ist.
•
•
•
•
Als gesichert gilt die Diagnose, wenn sowohl Antikörpertest als auch Biopsie positiv
sind
Ausgeschlossen werden kann Zöliakie, wenn beide Untersuchungen negativ
verlaufen
Bei positiver Biopsie und negativem Antikörpertest ist eine Zöliakie nicht
ausgeschlossen, eine Kontrollbiopsie nach sechs Monaten glutenfreier Ernährung
kann die Diagnose sichern. Eventuell kommen Diffenzialdiagnosen in Frage
(Nahrungsmittelallergien, Autoimmunkrankheiten, Infektionen, Parasiten...)
Bei negativer Biopsie und positivem Antigentest kommen eine potentielle, stille oder
latente Zöliakieformen in Betracht, eine Kontrollbiopsie nach einigen Monaten
Glutenbelastung ist ratsam.
Zur alleinigen Diagnose nicht geeignet sind Stuhluntersuchungen, da sich die
zöliakiespezifischen Antikörper wesentlich schlechter und ungenauer als im Blut bestimmen
lassen. Stuhluntersuchungen können oft nur einen Hinweis auf entzündliche
Darmerkrankungen geben.
Ursache der Erkrankung
Genetik , Ätiologie, Pathogenese
Die Ursache für das Entstehen der Erkrankung sind noch nicht völlig geklärt. Es gilt heute
jedoch als sicher, dass eine bestimmte genetische Veranlagung bei einer
Glutenunverträglichkeit vorliegt. Für eine genetische Beteiligung sprechen eine familiäre
Häufung der Erkrankung bei nahen Verwandten und eine Konkordanz von 80% bei eineiigen
Zwillingen. Bei 95% der Menschen mit Zöliakie/Sprue findet sich eine bestimmte HLAKonstellation (die Histokompatibilitäts-Antigene HLA-DQ2 und HLA-DQ8 sind
Immunglobuline, die eine Schlüsselrolle bei der Unterscheidung zwischen körpereigenem
und körperfremdem Gewebe und bei Autoimmunerkrankungen spielen). Da aber auch bei
20-30% aller Menschen diese Konstellation vorkommt, sind wahrscheinlich aber auch noch
andere, bislang noch nicht bekannte Gene sowie Umweltfaktoren (Infektionen, frühes
Zufüttern glutenhaltiger Nahrung) am Entstehen der Glutenunverträglichkeit beteiligt
Im Jahr 1950 entdeckten der holländische Pädiater Dicke und seine Mitarbeiter, dass der
Eiweißanteil Gluten aus den Getreidearten Weizen, Roggen Gerste und Hafer für das
Entstehen der Zöliakie verantwortlich ist. Als Gluten wird das Klebereiweiß der bei uns
üblichen Getreidearten bezeichnet, das entscheidend ist für die Backeigenschaften eines
Mehles, da es den Teig elastisch macht und Flüssigkeit bindet. Jede Getreidesorte besitzt
leicht unterschiedliche Glutene. Gluten wiederum besteht aus zwei Fraktionen, Glutenin und
dem alkohollöslichen Prolamin, das bei genetisch entsprechend veranlagten Menschen
eine komplexe Immunreaktion und damit die typischen Entzündungen im Darm auslösen
kann.
Die Prolamine der Getreidesorten tragen verschiedene Bezeichnungen:
•
Gliadin aus Weizen, besteht vor allem aus den Aminosäuren Glutamin und Prolin
•
Scalin aus Roggen
•
Avenin aus Hafer
•
Hordelin aus Gerste
Bei der Immunreaktion und im Laufe des Entzündungsprozesses werden sowohl Antikörper
gegen Prolamine (Anti-Gliadin-Antikörper, AGA) gebildet, wie auch Auto-Antikörper gegen
körpereigene Substanzen, die fälschlicherweise als „fremd“ (Antigen) angesehen werden.
Seit dem Jahr 1997 ist die Gewebstransglutaminase, die beim Abbau der Aminosäure
Glutamins mitwirkt, als entscheidendes Auto-Antigen bekannt. Man kann die Zöliakie daher
als eine Mischform von Allergie und Autoimmunerkrankung ansehen. Durch die
Freisetzung
entzündungsauslösender
Botenstoffe
(Zytokine)
werden
die
Dünndarmschleimhautzellen zerstört und es kommt zum Schwund der Darmzotten
(Zottenatrophie). Da die Resorptionsfläche des Dünndarm dadurch wesentlich kleiner wird
und auch weniger Verdauungsenzyme gebildet werden, kann die Nahrung kann nicht mehr
ausreichend enzymatisch aufgespalten und resorbiert werden. Dies betrifft praktisch alle
Nährstoffe, es kommt zu
•
einer nicht ausreichenden Versorgung mit Eiweißstoffen (Eiweißmangel,
Hypoproteinämie) und Kohlenhydraten (Unterzuckerung, Hypoglykämie)
•
Laktosemalabsorption (Gestörte Resorption von Milchzucker durch Laktasemangel)
•
einer mangelhaften Fettaufspaltung und-verwertung (Steatorrhoe)
•
Vitamin- und Eisenmangel
•
Kalziumstoffwechselstörungen
Die Nahrung gelangt nur halb verdaut in den Dickdarm, durch bakterielle Vergärung
entstehen Verdauungsbeschwerden wie quälende Blähungen, Bauchschmerzen und
schwere Durchfälle.
Häufigkeiten
Die Zöliakie kommt sehr viel häufiger vor, als bisher angenommen wurde. Man spricht von
einem „Eisbergphänomen“ Neuere Screning-Verfahren und serologische Untersuchungen
haben ergeben, dass die Zöliakie einschließlich der wenig ausgeprägten Formen mit
einer Prävalenz von 1 : 100 bis 1 : 500 auftritt.
Die Angaben zur Häufigkeit auf der Basis klinischer Symptome lagen bisher bei 1 : 1 000,
mit einer Schwankungsbreite je nach Region von 1 : 300 (Schweden, Irland) bis 1 : 10 000
(USA). Bei Mädchen und Frauen kommt Zöliakie häufiger als beim männlichen Geschlecht
vor (Verhältnis 3 : 2)
Nur bei 10- 20 Prozent zeigt sich das Vollbild der Erkrankung mit den typischen Symptomen,
bei den vielen Patienten verläuft die Erkrankung atypisch und wird häufig nicht erkannt
(Oligosymptomatische Formen).
Überdurchschnittlich oft von Zöliakie betroffen sind Verwandte ersten Grades von
Zöliakiepatienten, sowie Patienten mit Diabetes Typ I, Down-oder Turner-Syndrom und
rheumatischen und neurologischen Erkrankungen.
Verwandte Krankheiten / Differentialdiagnose / Begleitfehlbildungen
Die Veränderungen und Schädigungen an der Dünndarmschleimhaut bei Zöliakie sind zwar
sehr charakteristisch, aber nicht spezifisch für diese Erkrankung. Diffentialdiagnostisch
kommen daher in Frage:
•
Nahrungsmittelunverträglichkeiten (Laktoseintoleranz)
•
Nahrungsmittelallergien gegen Kuhmilcheiweiß, Sojaeiweiß
•
Infektionen des Darmtraktes durch Bakterien, Viren und Parasiten
•
Autoimmune Enteropathie
•
Immundefekte, AIDS
•
Abstoßungsreaktionen nach Transplantation
•
Bestrahlung oder Behandlung mit Zytostatika bei Tumorerkrankungen
•
Mangelernährung (Protein-Energie-Malnutrition)
•
Mikrovillusatrophie (Mikrovilli: kleinste, fingerartige Zellausstülpungen der
Epithelzellen, sie dienen der Oberflächenvergrößerung)
Es gibt einige Erkrankungen, bei denen die Zöliakie häufiger als bei der übrigen Bevölkerung
auftritt. Dazu gehören
•
Autoimmunerkrankungen wie Diabetes mellitus und Autoimmunthyreoiditis
•
•
•
•
Dermatitis herpitiformis Duhring
Ullrich-Turner-Syndrom
Trisomie 21
Cystische Fibrose
Standardtherapie
Nach gesicherter Diagnose wird als Therapie eine lebenslange und vollständig
glutenfreie Ernährung empfohlen. Auch kleinste Mengen an Gluten können
schädigend wirken.
„Verbotene“ Glutenhaltige Nahrungsmittel
Auf Weizen, Roggen, Gerste, Dinkel, Grünkern und Hafer und alle aus ihnen hergestellte
Nahrungsmittel muss konsequent verzichtet werden. Dazu gehören:
•
Backwaren: alle Brotsorten, Brötchen, Zwieback, Kuchen, Plätzchen, Paniermehl....
•
Teigwaren, Nudeln, Spätzle
•
Haferflocken, Müsli
•
Malzgetränke, Bier
•
Leider gibt es auch eine Vielzahl von Fertig und Halbfertigprodukten, die Getreide
und damit auch Gluten enthalten. Klebereiweiß wird in der Nahrungsmittelindustrie
häufig zur Stabilisierung, Emulgierung und als Trägerstoff für Aromen und Gewürze
verwendet. Seit November 2005 muss zwar auf der Zutatenliste angegeben werden,
ob ein Lebensmittel Gluten enthält. Es gibt aber immer noch viele Produkte, die
Gluten als Bindemittel oder als Bestandteil eines Aromastoffes zugesetzt wurde,
ohne dass dies auf der Zutatenliste klar zu erkennen ist: Wurstwaren, viele
Käsesorten, Kartoffelchips, Pommes frites, Konserven, Fertiggerichte und -suppen,
Früchtetee, Pudding, Fruchtjoghurt, Süßigkeiten, Backpulver, Senf, Tomatenketchup
usw.
Auch in Arzneimitteln, Kosmetikartikeln und Zahnpasta findet sich mitunter Gluten.
Glutenfreie Nahrungsmittel und damit erlaubte Nahrungsmittel
•
Reis und alle daraushergestellten Produkte (Reisflocken, Reisstärke)
•
Mais und Maisprodukte (Maismehl, Maisstärke, Polenta)
•
Kartoffeln (Kartoffelstärke)
•
„Alternative“ Getreidearten wie Hirse, Buchweizen, Quinoa, Amaranth, Teff
•
Bindemittel wie Johannisbrotmehl, Guarkernmehl
•
Sojaprodukte
•
Alle Gemüsearten und alle Obstarten, Hülsenfrüchte, Nüsse, Pflanzenöle
•
Alle Grundnahrungsmittel tierischer Herkunft sind glutenfrei, solange sie unverarbeitet
sind.
•
Milch und Milchprodukte, Butter (ohne Zusätze, naturbelassen)
•
Fleisch, Fisch, Eier
•
Zucker, Honig, Marmelade
•
Salz, Kräuter
•
Mineralwasser, reine Fruchtsäfte, Kaffee, Tee ohne Zusätze, Wein, Sekt
Glutenfreie diätetische Nahrungsmittel:
Für die glutenfreie Ernährung werden spezielle diätetische Nahrungsmittel wie Mehle, Brot,
Back -und Teigwaren hergestellt. Zu erkennen sind sie an der Bezeichnung „glutenfrei“und
der durchgestrichenen Weizenähre. Glutenfreie Nahrungsmittel findet man in Reformhäusern
oder im spezialisierten Versandhandel. Es gibt inzwischen auch Supermärkte und
Drogeriegeschäfte, die diese Diätnahrungsmittel anbieten. Obwohl die glutenfreien
Nahrungsmittel sind nicht billig sind, gibt es leider für die erhöhten Mehrkosten von den
gesetzlichen Krankenkassen derzeit keinen Zuschuss, auch als außergewöhnliche
Belastung sind Diätkosten steuerlich nicht absetzbar.
Die Umstellung auf eine komplett neue Ernährungsweise ist sowohl für die Eltern von
Zöliakie Kindern, aber auch für Erwachsene mit Zöliakie nicht einfach und führt oft zu einer
großen Verunsicherung, was überhaupt an Nahrungsmitteln erlaubt ist. Nach der
Diagnosestellung sollte daher eine kompetente Ernährungsberatung erfolgen, eine wertvolle
Hilfe bietet auch die „Aufstellung glutenfreier Lebensmittel“ der Deutschen ZöliakieGesellschaft(DZG).
Die glutenfreie Ernährung von Kleinkindern bereitet meistens keine größeren Probleme, da
Breie und Kinderkost in glutenfreier Form überall erhältlich sind und die Eltern die Ernährung
ihres Kindes gut kontrollieren können. Schwieriger wird es dann mit zunehmenden Alter,
wenn sich das Kind benachteiligt fühlt und so essen möchte wie die Geschwister oder
Freunde. Als besonders problematisch erweist sich oft das Einhalten der strengen Diät bei
Jugendlichen, da ein Verstoß gegen die Diätregeln nicht immer sofort zu Beschwerden führt.
Von einer Lockerung der Diätregeln muss aber dringend abgeraten werden, da ein
hohes Risiko für Folgeerkrankungen und Komplikationen besteht.
Weitere diätetische Therapie:
Besteht anfänglich ein Eisenmangel oder Vitamin D müssen entsprechende Präparate
gegeben werden. Da die Milchzucker- und Fettresorption anfangs noch sehr beeinträchtigt
sind, kann eine laktosefreie oder laktosereduzierte Ernährung sowie der Einsatz von leicht
verdaulichen MCT-Fetten zu einer Verbesserung der Beschwerden beitragen. Später wird in
der Regel Milchzucker gut vertragen.
Weitere Therapien, zum Teil noch in der Erforschung
Zur Zeit wird daran geforscht, ob sich Gliadineiweißstoffe proteolytisch zerstören lassen und
dadurch ihre Immunogenität herabgesetzt werden kann. Vielleicht gibt es zukünftig auch
Substanzen zur Blockierung der Transglutaminase oder der HLA-Antigene.
Prognose
Die Prognose der Erkrankung ist gut, wenn eine glutenfreie Diät konsequent eingehalten
wird. Die geschädigte Darmschleimhaut regeneriert sich recht schnell, die Durchfälle
normalisieren sich innerhalb weniger Wochen, die Beschwerden verschwinden weitgehend.
Die Kinder werden fröhlicher und umgänglicher, zeigen wieder Appetit und holen im Gewicht
und Wachstum auf.
Beratung der Familien
Nach der Diagnosestellung ist eine ausführliche Beratung bei Diätassistenten und
Ernährungsfachleuten wichtig.
Sehr empfehlenswert ist der Kontakt zu Selbsthilfevereinigungen wie der Deutschen
Zöliakie-Gesellschaft e. V. bei denen Betroffene praktische Hilfe und Unterstützung finden.
Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V. bietet ihren Mitgliedern
•
ausführliches Informationsmaterial
•
die aktuelle "Aufstellung glutenfreier Lebensmittel“
•
die aktuelle "Aufstellung glutenfreier Arzneimittel“
•
Buchempfehlungen
•
die aktuelle Ausgabe der Mitgliederzeitung "DZG Aktuell"
•
eine umfangreiche Rezeptsammlung
•
den Kur- und Ferienführer "Sorglos Reisen" mit Adressen von Restaurants, Hotels
und Kureinrichtungen, die glutenfreie Kost anbieten
•
die "Bitte an den Koch" in deutsch und mehreren anderen Sprachen im praktischen
Scheckkartenformat
•
den Zöliakie/Sprue-Pass
•
die "DZG Medizin"
Mitglieder erhalten die Adresse der in ihrer Region wohnenden Kontaktperson und haben die
Möglickeit zur telefonischen Arztsprechstunde.
Leitlinien und Literatur
Leitlinien der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung:
Zöliakie, Sprue, glutensensible Enteropathie
Holtmeier, W., Henker, J., Rieken E. O., Zimmer K-P.
Definitionen der Zöliakie, Monatschrift für Kinderheilkunde 10 / 2005
Keller K.M.
Klinische Symptmatik:“Zöliakie, ein Eisberg“
Monatsschrift für Kinderheilkunde 7 / 2003
Schmidt-Choudhury, A:
Zöliakie : Was gibt es Neues über Pathogenese, Diagnostik und Therapie?
Kinderärztliche Praxis 3 / 2004
Schulz, M.l, Hellerbrand C.:
Sprue/Zöliakie, Viele Fälle bleiebn unerkannt
Deutsches Ärzteblatt, 238-29, 7 / 2002
Zimmer, K-P.:
Klinische Bedeutung nicht klassischer Zöliakieformen
Deutsches Ärzteblatt, Heft 49 , 12 / 2001
Nützenagel w.,:
Zöliakiediagnostik
Pädiatrische Praxis 62, 2003
Internet-Adressen
http://gpge.de
http://www.dzg-online.de/
http://www.ernaehrung.de/tipps/zoeliakie/zoli10.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Z%C3%B6liakie
http://www.medizinfo.de/kinder/durchfall/zoeliakie.htm
http://www.zoeliakie-treff.de
BUNDESVERBÄNDE
Bei folgenden BUNDESWEITEN ANLAUFSTELLEN können Sie
Informationsmaterial anfordern. Fragen Sie dort auch nach Ansprechpartnern des
jeweiligen Verbandes in der Umgebung Ihres Wohnortes! Falls vorhanden, sind
auch Auslandsadressen mit aufgelistet. Bitte haben Sie dafür Verständnis, daß wir
in Bereichen, in denen bereits bundesweite Ansprechpartner existieren, primär
diesen Initiativen den Versand von Informationsmaterial und die Vermittlung
spezieller Hilfen überlassen. Bei zusätzlichen Fragen können Sie sich natürlich
jederzeit wieder an das Kindernetzwerk wenden!
Deutsche Haut- und Allergiehilfe e.V.
Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e.V. (DZG)
Heilsbachstr. 32
Filderhauptstr. 61
53123 Bonn
Tel.: 02 28/3 67 91 - 0
Fax: 02 28/3 67 91 - 90
70599 Stuttgart
Tel.: 07 11/45 99 81-0
Fax: 07 11/45 99 81-50
e-mail: [email protected]
Internet: www.dha-allergien.de
e-mail: [email protected]
Internet: www.dzg-online.de
Ansprechpartner/innen: Sibylle Hermann (tel.
Erstkontakte)
Bürozeiten: Mo-Do 9-16 und Fr 9-13 Uhr
ANGEBOTE:
- Mitgliederzeitschrift "Haut und Allergie aktuell"
Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft ist eine Organisation
von Zöliakie betroffener Menschen
sowie deren Familienmitglieder, Freunden und
Angehörigen. Persönliches Engagement ist vielen
Mitgliedern ein wichtiges Bedürfnis und stellt den ersten
Schritt zu einem aktiven und selbstbestimmten Umgang
mit der Erkrankung dar. Deshalb bietet die DZG an 152
Standorten in Deutschland Gesprächsgruppen für
Mitglieder an. Diese haben zum Ziel, den betroffenen
Menschen grundlegendes und weiterführendes Wissen
über die Erkrankung Zöliakie /Sprue zu vermitteln und
Hilfestellung in individuellen Lebenssituationen zu leisten.
Der Austausch mit andern, gleichgestellten Menschen regt
das Selbsthilfepotential an und stärkt das
Selbstbewusstsein. Wenn Zöliakie / Sprue zum Teil eines
ganz normalen Alltags wird, kann dies den Umgang mit
der Erkrankung erheblich erleichtern.
Die Anschrift Ihrer regionalen Kontaktperson erfahren Sie
über die Geschäftsstelle.
Diät- und Ernährungsberatung
Arbeitsgemeinschaft Zöliakie
Susanne Reidelbach
DACHVERBAND
Rhönstr. 4
Anton-Baumgartner-Straße 44/C5/2302
97723 Oberthulba
Tel.: 01 77/3 39 34 88
A-1230 Wien
e-mail: [email protected]
e-mail: [email protected]
Internet: www.susanne-reidelbach.de
Angebote:
- Einzel- und Gruppenberatungen
- Diät- und Abnehmkurse
- Lehrküche, Kochkurse
- Individuelle Schulungen und Vorträge
- Erstellen und berechnen von Speiseplänen
- Unterstützung im Krankheitsfall
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