Lungenmetastasen bei Sarkomen

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SARKOME
Lungenmetastasen bei Sarkomen: Welchen Stellenwert hat
die operative Lungenmetastasektomie?
Die “Lungenmetastasektomie“ ist die operative Entfernung von Tochtergeschwülsten
eines bösartigen Tumors aus der Lunge. Sie
kann diagnostisch oder therapeutisch
durchgeführt werden, je nach Therapieziel.
Die Eröffnung des Brustkorbes ist dabei
unvermeidlich und setzt eine Vollnarkose
voraus. Ziel ist dabei, entweder durch komplette Tumorentfernung eine Heilung zu
erzielen, lokal den Tumoranteil in der
Lunge zu kontrollieren, d.h. seine Ausbreitung zu verhindern, oder durch Gewebegewinnung den Tumor pathologisch zu charakterisieren, um eine zielgerichtete Hormon- oder Chemotherapie zu ermöglichen.
1. Indikationsstellung zur
Lungenmetastasektomie
Die Frage, ob die Entfernung von Lungenmetastasen für einen Patienten, bei dem ein
maligner Tumor hämatogen (über den
Blutweg) gestreut hat, von Vorteil sein
könnte, wurde in einer großen Multicenter-Studie untersucht und 1997 veröffentlicht. Darin wurden die Daten von 5206
Patienten ausgewertet, die von 1945 – 1995
wegen Lungenmetastasen operiert worden
sind. An dieser Datenerhebung haben
Kliniken aus Europa, USA und Canada
teilgenommen. Die Auswertung erbrachte
wichtige Hinweise über die Verteilung von
Tumorarten und darüber, welche Patienten
besonders von einer Operation profitieren
könnten:
In 43% handelte es sich um epitheliale
Tumoren (kolorektale Karzinome, Nierenzellkarzinome, Hals-Nasen-Ohren Karzinome und andere), in 42% um Sarkome
und in 15% um Keimzelltumoren und
andere. Zu fast 50% hatten die Patienten
singuläre Metastasen, zur anderen Hälfte
2 oder mehr Metastasen (max. 154). Patienten mit Sarkomen und Melanomen
entwickelten am häufigsten (>60%) Metastasenrezidive, Patienten mit Keimzelltumoren mit 26% am seltensten.
Auf Basis der errechneten Überlebenszeiten
nach Lungenmetastasektomie wurden prognostische Gruppen von I – IV eingeteilt.
Wesentlichste Einf lussfaktoren waren die
Metastasenzahl, die „krankheitsfreie Zeit“
(KFZ) nach Entfernung des Primärtumors
und die Vollständigkeit der Metastasen­
entfernung.
Gruppe
Gruppe
Gruppe
Gruppe
I: komplett resektabel,
KFZ > 36 Monate und
singuläre Metastase
II: komplett resektabel,
KFZ < 36 Monate oder
multiple Metastasen
III:komplett resektabel,
KFZ < 36 Monate und
multiple Metastasen
IV:nicht komplett resektabel
Patienten in der Gruppe I hatten am besten
von der Operation profitiert (am längsten
überlebt), Patienten in der Gruppe IV haben
nicht von dem Eingriff profitiert und sind zu
Unrecht das Operationsrisiko eingegangen.
2. Prognosefaktoren
In zahlreichen weiteren kleinen Studien mit
Fallzahlen zwischen 20 und 200 Patienten
wurden weitere Prognosefaktoren ermittelt.
Günstige Faktoren sind demnach: weniger
als 3 Metastasen, eine lange krankheitsfreie
Zeit, eine Komplettentfernung aller Tumorknoten, erfolgreiche Rezidivoperationen,
Tumornekrose nach Chemotherapie (z.B.
bei kindlichen Osteosarkomen) und ein
niedriges Tumorgrading (niedriger Aggressivitätsgrad).
Ungünstige Faktoren wären das Vorliegen
eines Morbus Recklinghausen, eines
Ewing-Sarkomes und einer krankheitsfreien
Zeit < 1 Jahr nach Entfernung des Primärtumors.
Unter Berücksichtigung der bisher genannten Faktoren, der Begleiterkrankungen und
der bereits eingesetzten Therapien entscheiden Ärzte eines Sarkom-Zentrums interdis-
ziplinär für jeden Patienten, ob eine Metastasektomie für einen konkreten Patienten
von Vorteil sein könnte oder eher nicht und
sprechen dann eine Empfehlung aus.
3. Technik der
Metastasektomie
Nach der Entscheidung für eine Lungenmetastasektomie bestehen für den Operateur
die Fragen: Operiere ich offen oder videoassistiert? Welche Technik der Resektion
wende ich an? Zur ersten Frage gibt es beginnend 1993 bis heute - zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, die zeigen: Die im
Computertomogramm erwartete Metastasenzahl stimmt mit der bei der Operation
gefundenen Anzahl nur in 60-80% überein.
Des Weiteren hat sich gezeigt, dass nach
video-assistierter Thoraxchirurgie (VATC)
in der offenen Kontrolle in 30-40% der
Fälle noch Knoten in der Lunge gefunden
wurden, die ohne direkte Abtasten über­
sehen worden wären. Es steht für uns daher
außer Frage, dass eine konsequente Lungenmetastasektomie offen durchgeführt werden
muss, mit der Möglichkeit der Lungenpalpation (Betastung). Zur rein diagnostischen
Entfernung eines von vielen Knoten in der
Lunge ist die VATC die Methode der Wahl.
Die zweite Frage nach der anzuwendenden
Technik - kann nur der Lungenchirurg
nach örtlichen Gegebenheiten entscheiden.
Zur Verfügung steht die Anwendung von
Klammernahtgeräten, die Klemmenresektion, die Anwendung des Elektrokauters
und die Laserresektion. Die beiden Letztgenannten bieten insbesondere die Möglichkeit der gewebesparenden Operation. Mit
dem Laser kann der Chirurg an der Metastase entlang schneiden. Es bleibt ein 5mm
Saum karbonisierten Lungengewebes
zurück, in dem auch einzelne Tumorzellen
verbrannt sind. Bei Tumoren, die zu Ausbreitung in den Lymphspalten neigen, wäre
allerdings die Entfernung einer anatomischen Lungeneinheit (Segment oder
Lungenlappen) anzuraten.
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WissensWert
Stellenwert der Therapie
Primäre Operation
Primäre Chemotherapie
n Solitärmetastase
KFZ
n Low grade Sarkome
n Keine wirksame
Therapiealternative
n Gute Lungenfunktion
n R0-resektabel
Zunehmend
n Lange
Abnehmend
n Disseminierte
Metastasierung
synchrones Auftreten
n High grade Sarkome
n Potente Chemotherapeutika
n Eingeschränkte Lungenfunktion
n Nicht resektabel
Darstellung des Stellenwertes der Operation (rot) und der Chemotherapie (blau) in
Abhängigkeit von Prognosefaktoren und Leistungsfähigkeit des Patienten
4. Besonderheiten von
Sarkom-Metastasen
Die Lunge ist in der Regel erster Manifestationsort (Absiedlungsort) von SarkomMetastasen. Diese kommen häufiger vor, als
eine lokoregionäre Lymphknoten-Metastasierung des Primärtumors. Vom Primärtumor abgelöste einzelne Tumorzellen oder
Zellaggregate werden über den Blutweg in
die Lunge geschwemmt und verbleiben hier
in den Kapillaren und wachsen zu Metastasen heran. Je länger nach der Entfernung des
Primärtumors keine, oder nur wenige
Metastasen in der Lunge aufgetreten sind
(siehe KFZ), desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass auch keine einzelnen
Tumorzellen in der Lunge mehr vorhanden
sind, die noch zu Metastasen auswachsen
könnten. Tumorzellen von Weichteilen oder
Knochen (Sarkome) finden in der luftgefüll­
ten, schwammartigen Struktur der Lunge
ganz andere Wachstumsbedingungen vor,
als in ihrem Herkunftsgewebe. Dort sind
Knochenlamellen, Faszien, Bänder, Muskeln
und Kapseln natürliche Barrieren, die vom
Tumor oft respektiert werden. Die Mitentfernung einer geschlossenen Grenzschicht
sichert hier die vollständige Tumorresektion. Nicht so in der Lunge. Hier liegen
keine, oder nur leicht zu überwindende
anatomische Barrieren vor. In einer eigenen
Untersuchung haben wir verschiedene
Wachstumsmuster von Sarkom-Metastasen
in der Lunge untersucht. Gehäuft wurde das
Wachstum entlang von Bronchien und Blutgefäßen beobachtet, eine fingerförmige
Ausbreitung in den Wänden der Lungenbläschen und das Auftreten zahlreicher
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Satellitenherde um die eigentliche Metastase herum. Diese Wuchseigenschaften
werden im Rahmen wissenschaftlicher
Projekte bei uns weiter untersucht und
Konsequenzen z.B. für die Operationstechnik erarbeitet. Sie könnten jedoch erklären,
warum bei Sarkom-Metastasen in der
Lunge überdurchschnittlich häufig mit
Rezidivmetastasen in der Lunge gerechnet
werden muss. Bis auf weiteres gilt es, bei
Operation von Sarkom-Metastasen besonders sorgfältig auf einen ausreichend großen
Sicherheitsabstand im Lungengewebe zu
achten.
5. Operation von Rezidivmetastasen?
In zahlreichen kleineren Verlaufsstudien
wurde die erneute Resektion von Rezidivmetastasen als prognostisch günstiger Faktor identifiziert. Das heißt, wiederholt aufgetretene Lungenmetastasen können immer
noch mit der Chance auf Heilung entfernt
werden. Durch die wiederholte Herstellung
der lokalen Tumorkontrolle in der Lunge
mittels Resektion kann also das Gesamt­
überleben verbessert werden. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn eine wirksame
Chemotherapie nicht zur Verfügung steht.
Lungenmetastase eines Leiomyosarkoms
mit Satellitenherden
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6. Zusammenfassung
Die operative Entfernung von Sarkom-Metastasen aus der Lunge ist eine Behandlungsmethode zur lokalen Tumorkontrolle mit der
Chance auf Heilung. Besonders groß ist diese Chance bei den Patienten, die singuläre
Metastasen haben, die eine lange krankheitsfreie Zeit nach Entfernung des Primärtumors haben, deren Tumor einen niedrigen
Aggressivitätsgrad aufweist und die komplett
entfernt werden konnten. Für welchen Patienten die primäre Operation von Lungenmetastasen eine Option sein kann, und für
welche eher eine Chemotherapie geeignet
ist, muss interdisziplinär von Fall zu Fall, am
besten in einem spezialisierten SarkomZentrum besprochen werden. Auch Kombinationen der o. g. Therapien können durchgeführt werden.
Für die Operation erscheint die Keilresektion mit Elektrokauter oder mit dem Laser
oder eine anatomische Segment- oder Lappenresektion besonders geeignet. Dabei
müssen bei der Wahl des Sicherheitsabstandes die besonderen Wuchseigenschaften von
Sarkom-Metastasen in der Lunge berücksichtigt werden. Die Entfernung von Rezidivmetastasen hat einen positiven Einf luss
auf den Krankheitsverlauf, sofern eine Komplettresektion möglich ist.
Autor:
Dr. Stefan Welter
Allgemein- und Thoraxchirurg
Oberarzt der Abteilung Thoraxchirurgie
Ruhrlandklinik Essen
Tüschener Weg 40
D-45239 Essen
Tel. 0201/433-01, 433-4012
[email protected]
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SARKOME
Mit machen. Mit bewegen. Mit aufklären.
5. Sarkom-Tour am 17. Juli in Essen…
Bereits seit 2006 führen das Westdeutsche Tumorzentrum in Essen
(PD Dr. Sebastian Bauer und PD
Dr. Georg Täger) gemeinsam mit
dem Verein Das Lebenshaus e.V.
eine „Sarkom-Fahrrad-Tour“
durch. An den bisher vier Touren
nahmen insgesamt über 150 Personen teil. Auch in 2010 möchten
wir sehr gerne diese Tradition
fortführen und laden daher zur
5. Sarkom-Tour in Essen ein.
5. Essener
Sarkom-Tour 2010
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Die amerikanische „Liddy Shriver Sarkom
Initiative“ organisiert jährlich im Juli eine
internationale Wohltätigkeits-Fahrradtour.
Die Essener Tour ist die „Satelliten-Tour“
für Deutschland. Mitmachen kann selbstverständlich jeder mit Spaß an Bewegung.
Ziel ist neben einer verbesserten Wahrnehmung und Auf klärung über die seltene
Erkrankung die Vernetzung von Betroffenen und medizinischen Fachkräften in
einem informellen Rahmen. Webseite:
www.sarcomahelp.org/team_sarcoma.html
Teilnahmebedingungen:
Fahrrad und Kondition für etwa 3 Stunden
lockeres gemütliches Fahrradfahren (mit
Pausen)
Alternativ für „Nicht-Radfahrer“:
Gemeinsamer Spaziergang durch den
Essener Gruga-Park.
Die Veranstaltung in Essen wird aus zwei
wesentlichen Teilen bestehen:
n Gegen 14:00 Uhr geht es auf eine ca.
3 stündige gemütliche Fahrradtour (mit
Pausen) rund um den Baldeneysee. Teilnehmer die nicht Rad fahren möchten
oder (z.B. aus gesundheitlichen Gründen) nicht können, machen einen gemeinsamen längeren Spaziergang durch
den Essener Gruga-Park.
Ausklang:
Vor der Chirurgie, Virchowstraße – ab ca.
17.00 Uhr
n
Im Anschluss – gegen 17:00 Uhr – findet
ein gemütliches Picknick (Grillen) mit
allen Teilnehmern am Tumorzentrum
statt. Während der gesamten Veranstaltung ist ein zwangloser Austausch
zwischen Patienten, Begleitern, Ärzten,
Pharma-Mitarbeitern und LH-Vertretern
möglich.
Treffpunkt/Datum/Uhrzeit:
Samstag, 17. Juli 2010 um 14.00 Uhr
vor der Chirurgie, Virchowstraße,
D-45147 Essen
Teilnahmegebühr:
10 € pro Person
Anmeldeschluss:
Bitte bis 5. Juli 2010 per Email
Weitere Informationen:
www.tour.sarkomtherapie.de oder
www.lh-sarkome.org
Organisation:
Interdisziplinäres Sarkom-Zentrum Essen Dres. Bauer/Grabellus/Pöttgen/Täger
[email protected]
Das Lebenshaus e.V. - Sarkome Kai Pilgermann
[email protected]
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