www. Herzzentrum-Alter-Hof .de Autonomie der Schilddrüse

Werbung
www. Herzzentrum-Alter-Hof.de
Drs. Kanitz, Stettmeier, Laubenbacher
Dienerstr. 12, 80331 München, Tel.: 089 / 222 771
Autonomie der Schilddrüse ("heißer Knoten")
Was ist eine Autonomie?
Bevor wir uns mit der SD-Erkrankung Autonomie befassen, sollten wir uns erst einmal die normale Funktion und die übliche Regulierung der Schilddrüse vor Augen führen. Am besten stellen Sie sich einfach folgendes Modell vor: die Schilddrüse entspricht
einer Fabrik, welche aus Arbeitern (Schilddrüsenzellen) besteht. Diese werden vom Chef (Hirnanhangsdrüse) gesteuert. Unter
normalen Umständen muss der Chef Antreiber (TSH = thyreoidea (SD) stimulierendes Hormon) ausschicken, welche die SDArbeiter stimulieren.
Leiden SD-Arbeiter lange Zeit an Lieferschwierigkeiten für den Rohstoff Jod (Jodmangel), kann es passieren, daß sie unzufrieden werden und sich verselbständigen (selbständig = autonom). Diese autonomen SD-Zellen lassen sich vom Chef (Hirnanhangsdrüse) nicht mehr bremsen und arbeiten etwa doppelt so viel wie eine normale SD-Zelle. Achtung: selbständig bezieht
sich nur auf die Arbeitsweise und hat nichts mit Entartung im Sinne von Bösartigkeit zu tun!!!
Welche Formen der Autonomie gibt es?
Die autonomen Zellen innerhalb der Schilddrüse können eine einzelne Abteilung innerhalb der Fabrik Schilddrüse bilden, mehrere Abteilungen befallen, oder diffus über die ganze Schilddrüse verstreut sein. Im Fachbegriff spricht man dann von einer
unifokalen Autonomie (auch "heißer Knoten" genannt), von einer multifokalen Autonomie (mehrere, heiße Knoten) bzw. von
einer disseminierten Autonomie.
Wann ist eine Autonomie relevant bzw. wann wird sie behandlungsbedürftig?
Auch unter normalen Umständen sind bis zu 10 % aller SD-Zellen autonom, d.h. die Erkrankung Autonomie ist nicht abhängig
davon, ob autonome Zellen vorliegen, sondern davon wie viele sich verselbständigt haben. Ein kleines Rechenbeispiel: In einer
Fabrik mit 100 Arbeitern sind 10 autonom und arbeiten doppelt soviel Æ es fällt nicht ins Gewicht, da der Chef (Hirnanhangsdrüse) weniger Antreiber ausschickt (sinkendes TSH) und damit die noch regulierbaren Zellen bremst. Sind allerdings von 100 Arbeitern 70 autonom, wird eine Überproduktion (Überfunktion) resultieren, da es nicht mehr ausreicht, die verbliebenen 30 regulierbaren SD-Arbeiter in Kurzarbeit zu schicken. Die Relevanz einer Autonomie hängt also von der Anzahl der autonomen Zellen
und deren Arbeitseifer ab.
Sobald sich ein bestimmter Prozentsatz an autonomen Zellen innerhalb der Schilddrüse angesammelt hat, ist die Vermehrung
der selbständigen Arbeiter nicht mehr zu stoppen und langsam (aber sicher) produzieren diese autonomen Zellen immer mehr
Hormone. Lange Zeit kann der Chef dies ausgleichen, indem die Arbeiter, welche noch auf ihn hören, gebremst werden (sog.
"kompensierte Autonomie" mit langsam fallendem TSH-Wert). Ab einem bestimmten Zeitpunkt reicht diese Gegenregulation
nicht mehr aus und eine echte Überfunktion (manifeste Hyperthyreose) entwickelt sich. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss
die Autonomie behandelt werden.
Wie sehen die Beschwerden bei der Autonomie aus?
Hier muss zwischen lokalen Beschwerden und den Allgemeinbeschwerden unterschieden werden. Die lokalen, also örtlichen
Beschwerden am Hals sind rein durch die Größe und Lage der Schilddrüse und etwaiger Knoten bedingt und treten vor allem in
Form von Kloßgefühl, Schluckbeschwerden, Atemnot, etc. auf. Die Allgemeinbeschwerden werden durch die Fehlfunktion, d.h.
durch die sich entwickelnde Überfunktion verursacht. Je nach Stärke der Überfunktion können die Beschwerden leicht bis ausgeprägt sein. Die Symptome der Überfunktion erklärt man sich am besten durch folgendes Modell: die SD-Hormone wirken als
"Gashebel des gesamten Körpers"; d.h. der gesamte Organismus schaltet auf höhere Drehzahlen, was sich in innerer Unruhe,
Nervosität, feuchte Hände, schnellem Puls, Herzstolpern, Herzrasen, Zittern, Durchfall, etc. äußern kann. Anzumerken bleibt
hier, daß die wenigsten Patienten alle Symptome verspüren. Auch entwickelt sich gerade bei der Autonomie die Überfunktion
sehr schleichend, so daß sich viele Patienten an die Beschwerden gewöhnen und sie subjektiv nicht mehr wahrnehmen. Auch
bei fehlenden Beschwerden muss eine Überfunktion behandelt werden, da durch eine langjährige Überfunktion schleichend
Knochen (Entwicklung einer Osteoporose) und v.a. das Herz geschädigt werden ("ein Motor, welcher immer mit Vollgas
gefahren wird, hält nicht 500.000 km, sondern nur 400.000 km, auch wenn man das dem Auto lange Zeit nicht anmerkt").
Wie wird eine Autonomie behandelt?
Eine Autonomie kann durch SD-Medikamente nicht dauerhaft behandelt werden. Zwar ist es durch Thyreostatika (Stoffe, welche die Produktion von SD-Hormonen hemmen) möglich, die Überfunktion zu beseitigen, nicht aber die eigentliche Erkrankung.
Nach Absetzen dieser Medikamente wird sich die Überfunktion wieder entwickeln. Auch können Thyreostatika (z.B. "Favistan",
"Carbimazol", etc.) langfristig Schäden am Blutbild und an der Leber verursachen. Zudem versucht die durch Thyreostatika gebremste Schilddrüse dies durch verstärktes Wachstum auszugleichen, was eine meist sowieso schon bestehende SD-Vergrößerung weiter verschlimmert. Diese Medikamente sind also nur zur Überbrückung und zur Anbehandlung von schweren Überfunktionen, und in Ausnahmefällen bei sehr alten Patienten als Langzeit-Therapie einsetzbar.
Alle anderen Patienten müssen einer dauerhaften, sog. definitiven Therapie zugeführt werden. Hierzu stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: erstens die Schilddrüsen-Operation und zweitens die Radiojodtherapie. Beide Verfahren führen zu einer Beseitigung der Schilddrüsenüberfunktion. Welche Vor- und Nachteile beide Methoden aufweisen, und bei welcher Konstellation
welche Therapieform bevorzugt werden sollte, wird in einem eigenen Aufklärungsblatt (Operation oder Radiojodtherapie) erläutert. Hier nur soviel: die Wahl der Therapie ist von vielen, unterschiedlichen, individuellen Faktoren abhängig. Daher muss das
optimale Verfahren nach einem Gespräch mit einem Arzt, welcher mit den Vor- und Nachteilen beider Therapiemöglichkeiten
gut vertraut ist, in Absprache mit dem Patienten, und nach Möglichkeit unter Berücksichtigung von dessen Wünschen, ausgewählt werden.
Jod und Autonomie?
Das Entstehen einer Autonomie kann durch eine ausreichende Jodversorgung meist verhindert werden. Ist eine relevante
Autonomie bereits vorhanden, führt Jod zu einer Verschlechterung. Um bei unserem obigen Beispiel zu bleiben: die autonomen,
arbeitswütigen SD-Zellen, welche im Jodmangebiet etwa doppelt so viel wie eine normale SD-Zelle arbeiten, würden gerne viel
mehr produzieren. Allerdings reicht der Rohstoff (Jod) üblicherweise hierzu nicht aus. Werden die autonomen Zellen mit hohen
Mengen an Jod versorgt, genügt ein geringerer Prozentsatz an autonomen Zellen um eine Überfunktion auszulösen. In Extremfällen können sehr hohe Mengen an Jod sogar eine sog. "thyreotoxische Krise" mit schwersten Herzrhythmusstörungen auslösen. Eine thyreotoxische Krise ist erfreulicherweise sehr selten, aber immer auf einer Intensivstation behandlungspflichtig und
mit einer hohen Sterblichkeitsrate verbunden.
Die Jodmengen, welche üblicherweise im Essen vorkommen, sind in aller Regel zu gering, um eine Autonomie zu verschlechtern. Hier ist also keine besondere Vorsicht angebracht; auch gegen seltenen Verzehr von Meeresfisch und die Verwendung
von jodiertem Speisesalz (für den Rest der zu bekochenden Familie) spricht meist nichts (dies sollte allerdings immer unter
Kenntnis der aktuellen Laborwerte mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden). Hohe Jodzufuhren, welche zu vermeiden sind, können praktisch nur durch Jodtabletten, bestimmte Medikamente zur Normalisierung von Herzrhythmusstörungen
(z.B. Cordarex, Amiodaron), ausgedehnte Anwendung von jodhaltigen Desinfektionsmitteln oder durch jodhaltige Kontrastmittel,
erreicht werden. Jodhaltige Kontrastmittel werden z.B. bei einer Computertomographie, bei Nieren- und Gallenblasenuntersuchung oder bei einer Herz-Katheter-Untersuchung verwendet (die Kontrastmittel bei einer Kernspintomographie sind nicht jodhaltig und können von Seiten der Schilddrüse ohne Bedenken gegeben werden). Sollte mal die Anwendung von jodhaltigen
Kontrastmitteln unbedingt notwendig sein (z.B. bei einem Herz-Katheter wegen eines Herzinfarktes), so ist dies unter Gabe
eines Gegenmittels (Perchlorat, Irenat) möglich, welches das Jod sozusagen abfängt, bevor die Schilddrüse es aufnehmen
kann (siehe auch eigenes Aufklärungsblatt: Schilddrüsenblockade mit Perchlorat).
© by C. Laubenbacher
Herunterladen