Aktuelle medikamentöse Therapie kolorektaler Karzinome

Werbung
Aktuelle medikamentöse Therapie kolorektaler Karzinome
Aktuelle medikamentöse Therapie
kolorektaler Karzinome
Von Annika Siegmund und Dirk Jäger, Heidelberg
Das kolorektale Karzinom ist die zweithäufigste Tumorerkrankung in Deutschland. Jährlich erkranken mehr als 37.000 Männer und 36.000 Frauen [Robert Koch-Institut 2008].
Die Krankheitsstadien werden nach der UICC (Union internationale contre le cancer)Klassifikation eingeteilt (Tab. 1) [Wittekind 2010]. Die Fünfjahresüberlebensrate bei
Patienten mit lokalisierter Erkrankung ist abhängig von der Eindringtiefe des Tumors
und der lymphatischen Ausbreitung zum Zeitpunkt der Operation. Bei Tumoren im Stadium I beträgt die Überlebenswahrscheinlichkeit über 90%. Bei größeren Tumoren ohne
Lymphknotenbefall (Stadium II) liegt die spontane Überlebensrate bei etwa 80%. Im
Stadium III verringert sich die Rate auf bis zu 45%, prognostisch ist dabei besonders der
Lymphknotenstatus entscheidend (Abb. 1) [O’Connell 2004].
Adjuvante Therapie
Bei 35–75 % aller Patienten mit einem Kolonkarzinom im Stadium III kommt es innerhalb
von 5 Jahren nach der Operation zum Auftreten von Fernmetastasen. Seit den 1990erJahren wurde in zahlreichen randomisierten
Studien der Nutzen einer adjuvanten zytostatischen Therapie zur Senkung des Rückfallrisikos gezeigt. Klassische 5-Fluorouracil
(5-FU)-basierte Regime führen zu einem Anstieg der 5-Jahres-Überlebensrate um 10–15 %.
In der randomisierten X-ACT-Studie (1987
Patienten) zeigte sich die Therapie mit dem
oralen 5-FU Prodrug Capecitabin bei besserer
Verträglichkeit als mindestens gleichwertig
effektiv dem etablierten infusionalen 5-FU
Regime [Twelves 2006].
Seit Veröffentlichung der Daten der MOSAIC-Studie [Andre 2004], die für das
FOLFOX-4 Regime verglichen mit 5-FU/
FS ein signifikant längeres krankheitsfreies
3-Jahres-Überleben (78,2 % vs. 72,9 %) zeigte,
gilt die Kombinationstherapie von infusionalem 5-FU plus Oxaliplatin für Patienten in
gutem Allgemeinzustand als Standardtherapie,
für die inzwischen auch ein Überlebensvorteil
belegt werden konnte [De Gramont 2007].
Der Nutzen der Kombination von Oxaliplatin
mit 5-FU/FS wurde durch eine weitere Studie
(NSABP C-07) belegt [Wolmark 2005]. Insbesondere Patienten mit einer Hochrisikokonstellation profitieren von der adjuvanten Therapie (absolute Risikoreduktion um bis zu 30%).
Anschaulich dargestellt wird dies durch das
Kalkulationsprogramm unter www.adjuvantonline.com. Die Behandlung sollte innerhalb
Mit Verbesserung der Wirksamkeit durch die
Kombination mit Oxaliplatin steigt auch die
Rate an Nebenwirkungen. In beiden genannten
Studien trat die oxaliplatin-spezifische Polyneuropathie auf: mehr als 30% der Patienten
hatten Grad 2, etwa 12% Grad 3 Nebenwirkungen, welche erfreulicherweise bei einem
Großteil reversibel war. Allerdings weisen auch
vier Jahre nach der Therapie noch beinah 3%
eine Neuropathie Grad 2 und 0,7% Grad 3 auf
[Wolmark 2009].
Irinotecan-basierte Regime sind angesichts
negativer Ergebnisse größerer Studien (PETACC-3, CALGB-89803) nicht empfehlenswert. Der Einsatz monoklonaler Antikörper
in der adjuvanten Situation wird in aktuellen
Studien untersucht.
Die Frage, ob auch ältere Patienten > 70 Jahren
eine Kombinationstherapie erhalten sollten,
wird noch kontrovers diskutiert. Während sie
in gleichem Maße wie jüngere Patienten von
einer adjuvanten Therapie mit Fluoropyrimidi-
1.00
Survival Distribution Function
Aufgrund der anatomischen Besonderheit des
Rektums kommen Lokalrezidive beim Rektumkarzinom sehr viel häufiger vor als beim
Kolonkarzinom. Aus diesem Grund wird perioperativ mit unterschiedlichen Therapiestrategien behandelt. Während beim lokal fortgeschrittenen Kolonkarzinom in der adjuvanten
Situation ausschließlich postoperativ chemotherapiert wird, kann beim Rektumkarzinom in
Abhängigkeit vom Stadium bereits präoperativ
eine neoadjuvante, ggf kombinierte (Chemo-)
Strahlentherapie erfolgen. In diesem Artikel
werden die aktuellen medikamentösen Standards dargestellt, multimodale Therapiekonzepte sollen hier nicht diskutiert werden.
von 8 Wochen nach der Operation begonnen
werden, ein späterer Beginn führte zu einer
signifikant schlechteren Prognose [Bayraktar
2009]. Die Therapiedauer beträgt sechs Monate, eine Verlängerung auf ein Jahr konnte
keine Verbesserung zeigen.
I
IIa
IIIa
IIb
0.75
IIIb
IIIc
0.50
0.25
IV
0.00
0
10
20 30
40
50
Months
Abb. 1 [aus O’Connell 2004, p.1422] Fünfjahresüberleben abhängig vom UICC-Stadium
4 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 2/2010
60
Aktuelle medikamentöse Therapie kolorektaler Karzinome
Tabelle 1: Stadieneinteilung nach UICC (7. Auflage) [Wittekind 2010]
TNM
T0
Tis
T1
T2
T3
T4
T4a
T4b
N0
N1
N1a
N1b
N1c
N2
N2a
N2b
M0
M1
M1a
M1b
Stadium
Stadium 0
Stadium I
Stadium IIA
Stadium IIB
Stadium IIC
Stadium IIIA
Stadium IIIB
Stadium IIIC
Stadium IVA
Stadium IVB
Spezifikation
Kein Anhalt für Primärtumor
Carcinoma in situ: intraepithelial oder Infiltration der Lamina propria
Tumor infiltriert Submukosa
Tumor infiltriert Muscularis propria
Tumor infiltiert durch die Muscularis propria in die Subserosa oder in nicht peritonealisiertes perikolisches oder
perirektales Gewebe
Tumor infiltriert direkt in andere Organe oder Strukturen
und/oder perforiert das viszerale Peritoneum
Tumor perforiert das viszerale Peritoneum
Tumor infiltriert direkt in andere Organe oder Strukturen
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
Metastasen in 1-3 regionären Lymphknoten
Metastasen in einem regionären Lymphknoten
Metastasen in 2-3 regionären Lymphknoten
Satellitenherde in der Subserosa ohne regionäre Lymphknoten
Metastasen in 4 oder mehr regionären Lymphknoten
Metastasen in 4-6 regionären Lymphknoten
Metastasen in 7 oder mehr regionären Lymphknoten
Keine Fernmetastasen
Fernmetastasen
Fernmetastasen in einem Organ
Fernmetastasen in mehr als einem Organ oder Peritoneum
T
N
M
Tis
N0
M0
T1, T2
T3
T4a
T4b
T1, T2
N1
T1
N2a
T3, T4
N1
T2-T3
N2a
T1-T2
N2b
T4a
N2a
T3-T4a
N2b
T4b
N1-2
Jedes T
Jedes N
M1a
Jedes T
Jedes N
M1b
nen profitieren [Sargent 2001], zeigen aktuelle
Studien (NSABP C-08, PETACC-8) und eine
Metaanalyse [McCleary 2009] einen Trend zu
erhöhter Therapiemortalität bei gleichzeitig
nicht belegtem Nutzen. Patientenstatus und
„biologisches“ Alter sollten daher bei der Wahl
der Therapie berücksichtigt werden. Entsprechend der aktuellen S3-Leitlinien [Schmiegel
2008] werden neben schlechtem Allgemeinzustand unter anderem auch unkontrollierte
Infektionen, Leberzirrhose CHILD B und C,
schwere koronare Herzerkrankungen und/oder
Herzinsuffizienz, (prä-) terminale Niereninsuffizienz und reduzierte Knochenmarkfunktion
als Kontraindikationen für die Durchführung
einer adjuvanten Chemotherapie genannt.
Bei Patienten im Stadium II beträgt die 5-Jahresüberlebensrate um 80%. Obgleich in einer
großen Studie auch für dieses Stadium ein
Überlebensvorteil durch adjuvante Chemo-
therapie gezeigt werden konnte, wird die Indikation zu einer solchen bei einem absoluten
Gewinn von etwa 3 – 4 % nach 5 Jahren häufig
nicht gestellt [Quasar Collaborative Group
2007]. In retrospektiven Analysen konnte für
ausgewählte Risikogruppen (T4-Tumor, Tumorinvasion in Venen oder Lymphgefäßen,
Tumorperforation/-einriss, inadäquate Lymphadenektomie (< 12 resezierte Lymphknoten)
oder Notfalloperation) ein dem Stadium III
entsprechendes Überleben bzw. eine Verbesserung desselben durch Kombinationschemotherapie gezeigt werden [Andre 2004]. Die
Empfehlung zur adjuvanten Therapie im Stadium II sollte insbesondere beim Vorliegen von
Risikofaktoren sorgfältig mit dem Patienten
besprochen werden, hierbei gilt es Nutzen und
Nebenwirkungsrisiko abzuwägen.
Palliative Therapie
Die Behandlungsoptionen des metastasierten
kolorektalen Karzinoms haben sich in den letzten Jahren gewandelt, was zu einer deutlichen
Verlängerung der Überlebenszeiten geführt
hat (Abb. 2) [Kopetz 2009]. Neben neuen verfügbaren Medikamenten sind interdisziplinäre Therapieansätze - und dabei insbesondere
die Metastasenresektion - hierbei von großer
Bedeutung. Im Falle einer auf die Leber begrenzten Metastasierung überleben etwa 30%
der Patienten nach erfolgreicher vollständiger
Resektion die nächsten 10 Jahre und können
damit als geheilt gelten [Adam 2009]. In den
regelmäßigen Verlaufskontrollen zur Evaluation des Therapieansprechens sollte auch bei
initial nicht resektablen Metastasen bei gutem
Behandlungserfolg immer geprüft werden, ob
sekundär nicht doch Tumorfreiheit erzielt werden kann. Entsprechend behandelte Patienten
zeigen ein deutlich besseres Überleben als allein
chemotherapierte Patienten [Kopetz 2009],
dies gilt insbesondere für Patienten, die nach
Primäroperation mindestens ein Jahr tumorfrei waren. Im Folgenden werden die aktuell
etablierten medikamentösen Behandlungsoptionen dargestellt.
Fast 50 Jahre lang galt 5-FU in verschiedenen
Regimen und in biochemischer Modulation
mittels Folinsäure (FS) als die wichtigste Substanz in der palliativen Therapie des kolorektalen Karzinoms. Mitte der 1990er-Jahre führte
die Entwicklung von Kombinationstherapien
mit den 5-FU synergistischen Substanzen Irinotecan und Oxaliplatin zur Verlängerung der
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 2/2010 | 5
Aktuelle medikamentöse Therapie kolorektaler Karzinome
Für das Alkylanz Oxaliplatin besteht Im Gegensatz zu Cisplatin keine nennenswerte Nephro- oder Ototoxizität, und auch die unter
Carboplatin beobachtete ausgeprägte Knochenmarktoxizität ist selten. Die Mehrzahl
der Patienten entwickelt allerdings eine überwiegend sensorische Polyneuropathie unterschiedlicher Ausprägungsgrade. Kombinationstherapien mit Oxaliplatin, 5-FU und FS
(z.B. FOLFOX) zeigen in der Erstlinientherapie Ansprechraten um 50% bei medianen
Überlebenszeiten von 20 Monaten (Zeit zum
Progress ca. 9 Monate) [De Gramont 2000;
Giacchetti 2000].
Das Camptothecin-Derivat Irinotecan entfaltet
seine zytostatische Wirkung durch Hemmung
der Topoisomerase I. Häufige therapieassoziierte Nebenwirkung ist eine Diarrhoe. Des
Weiteren können auch anaphylaktische Reaktionen, ein sog. cholinerges Syndrom (Schwitzen,
Speichel- und Tränenfluss, Sehstörungen und
Bradykardie) sowie Alopezie auftreten. Da der
aktive Metabolit durch die auch Bilirubin glukuronidierende UDP-Glucuronosyltransferase
inaktiviert und mit der Galle ausgeschieden
wird, stellen erhöhte Bilirubinwerte eine Kontraindikation gegen die Behandlung dar. Irinotecan basierte Regime (z.B.FOLFIRI) zeigen
Ansprechraten von 35 bis 62 % bei einem medianen Gesamtüberleben von 17 bis 20 Monaten
(Zeit zum Progress 7 bis 9 Monate) [Douillard
2000; Köhne 2005].
Viele Studien haben seither überwiegend die
Gleichwertigkeit der jeweiligen Kombinationen
in der Erstlinientherapie festgestellt. Während
lange Zeit nach Studienlage die dauerhafte
Chemotherapie bis zum Fortschreiten der
Erkrankung als Standard angesehen wurde,
konnte in der onkologischen Praxis bei Patienten, die unter Erstlinientherapie mindestens eine stabile Erkrankung erreicht hatten,
durch Therapiepausen und Wiederaufnahme
des zuletzt erfolgreichen Therapieschemas im
Progress eine Reduktion der Nebenwirkungen
und eine Erhöhung der Lebensqualität erreicht
werden. Die Wiederaufnahme des ersten Regimes gilt in diesem Fall als Fortsetzung der
Behandlung und nicht als Zweitlinientherapie.
In der französischen OPTIMOX-1-Studie
wurden Patienten nach einer dreimonatigen
intensiven FOLFOX-Therapie entweder weiterhin mit einer FOLFOX-Kombination oder
mit 5-FU alleine behandelt, Effektivität und
Nebenwirkungen waren dabei vergleichbar
[Tournigand 2006]. In der Folgestudie OPTIMOX-2 erhielten die Patienten nach der
dreimonatigen intensiven FOLFOX-Therapie
bis zum Krankheitsfortschreiten entweder eine
Erhaltungstherapie mit 5-FU oder eine Therapiepause. Diese Studie wurde aufgrund des
Trends zu einem schlechteren Überleben in der
Patientengruppe mit Therapiepause vorzeitig
hat insbesondere bei Patienten mit multiplen
Metastasen ohne Option für eine sekundäre
Resektion nach Metastasenrückbildung ohne
tumorbezogene Symptome und/oder schwerer
Komorbidität einen hohen Stellenwert. Bei
Patienten mit tumorbedingten Symptomen,
Organkomplikationen, raschem Progress oder
im Falle einer möglichen sekundären Resektabilität nach Remissionsinduktion wird leitliniengerecht eine intensivierte Therapie empfohlen [Schmiegel 2008].
Die Evaluation sämtlicher Sequenzfolgen im
Rahmen von klinischen Studien wird nicht
100
1990-1991
1992-1994
1995-1997
1998-2000
2001-2003
2004-2006
80
Overall Survival (%)
medianen Überlebenszeit von gut einem Jahr
mit 5-FU/FS-Therapie [Simmonds 2000] auf
1,5 Jahre und länger. In aktuellen Phase-IIIStudien mit monoklonalen Antikörpern betragen die medianen Überlebenszeiten annähernd
2 Jahre [Saltz 2008; Van Cutsem 2009].
60
40
20
0
10
24
36
48
60
Time (months)
Abb. 2 [aus Kopetz 2009, p. p.3679] Gesamtüberleben von Patienten mit metastasiertem
kolorektalem Karzinom abhängig vom Jahr der Diagnosestellung
abgebrochen [Chibaudel 2009]. Diskutabel
bleibt ob eine nur dreimonatige Therapiezeit
tatsächlich angemessen ist. Das Konzept von
Therapiepause bzw. -deeskalation wird in aktuellen Studien weiter untersucht.
Belegt ist, dass die Überlebenszeit der Patienten
umso mehr verlängert werden kann, je mehr
wirksame Medikamente sequentiell verabreicht
werden. Im Falle eines Krankheitsforschreitens
ist deshalb eine Salvage-Therapie indiziert. Mit
einer initialen Kombinationstherapie kann gegenüber einem sequentiellen Einsatz aller wirksamen Medikamente kein klinisch relevanter
Überlebensvorteil erreicht werden [Koopman
2007; Seymour 2007]. Das sequentielle Behandlungskonzept mit allen effektiven Zytostatika (Fluorouracil, Irinotecan, Oxaliplatin)
praktikabel sein. Bei der Wahl der Therapie
sollten sich Arzt und Patient daher neben vorhandenen Begleiterkrankungen insbesondere nach dem typischen Nebenwirkungsprofil
richten und eine individuell zu rechtfertigende
Einzelentscheidung treffen.
Der Ersatz des zu infundierenden 5-FU/FS
durch das oral zu verabreichende Capecitabin
in den genannten Kombinationstherapien ist
nach aktueller Studienlage [Diaz-Rubio 2007;
Porschen 2007] ohne Einbuße an Wirksamkeit
bei allerdings verändertem Nebenwirkungsprofil möglich, wird in Deutschland aber derzeit
noch nicht als Standard angewandt. Bei guter
Verträglichkeit und höherer Praktikabilität
für den Patienten könnte sich dies in Zukunft
allerdings zu Gunsten der überwiegend oralen
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 2/2010 | 7
Aktuelle medikamentöse Therapie kolorektaler Karzinome
Behandlung ändern. Neben gastro-intestinalen
Nebenwirkungen tritt unter Capecitabin
auch das sog. Hand-Fuß-Syndrom, eine mit
schmerzhafter Schwellung und Rötung einhergehende erythematöse Hautveränderung an
den Handflächen und Fußsohlen, auf.
benwirkung (67 %); in Abhängigkeit von der
Ausprägung kommen verschiedene symptomatische Therapien zum Einsatz. Bemerkenswert
ist dabei, dass Patienten mit Hautreaktionen
höhere Remissionsraten und ein längeres medianes Überleben aufweisen.
Der Einsatz monoklonaler Antikörper ermöglicht eine weitere Verlängerung des Gesamtüberlebens der Patienten. Für die Kombination
des monoklonalen VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) Antikörpers Bevacizumab
mit Chemotherapie konnte 2004 erstmals ein
Überlebensvorteil von im Median 20,3 Monaten zugunsten der Kombinationstherapie
gezeigt werden (gegenüber 15,6 Monaten für
Chemotherapie alleine) [Hurwitz 2004].
Bei der Behandlung mit monoklonalen Antikörpern ist zu beachten, dass die Kombination
aus anti-VEGF- und anti-EGFR-gerichteter
Therapie in aktuellen Studien (Tol 2009; Hecht
2009) unerwarteterweise zu einem verkürzten
Progressions-freien Überleben führte. Ein
gleichzeitiger Einsatz dieser Medikamente
kann daher nicht empfohlen werden.
Da Bevacizumab mit physiologischen Prozessen wie der Wundheilung interferien kann und
eine Halbwertszeit von etwa 20 Tagen hat, wird
empfohlen, operative Eingriffe erst 6 – 7 Wochen nach der letzten Gabe durchzuführen und
postoperativ eine Wartezeit von 28 Tagen bzw.
den Abschluss der Wundheilung einzuhalten.
Als weitere Nebenwirkung sind hypertensive
Entgleisungen, insbesondere bei bekanntem,
nicht suffizient eingestelltem Hypertonus und
in selten Fällen (<1,5 %) Darmperforationen
beschrieben.
Als weitere biologische Therapien stehen die
gegen den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) gerichteten Antikörper Cetuximab (chimär) und Panitumumab (vollhumanisiert) zur Verfügung. Patienten mit
aktivierenden Mutationen im KRAS-Onkogen,
welche sich beim Kolonkarzinom in etwa 40%
aller Tumore finden, sprechen nicht auf eine
anti-EGFR-gerichtete Therapie an [Amado
2008], so dass beide Antikörper nur bei nachgewiesenem KRAS-Wildtyp zugelassen sind.
Die Ansprechraten für die Kombination aus
anti-EGFR-gerichteter Behandlung und Chemotherapie liegen in der Erstlinientherapie bei
57%, das Gesamtüberleben bei etwa 23 Monaten
[Van Cutsem 2009]. Auch bei vorbehandelten
Patienten konnte das progressionsfreie Überleben verlängert werden [Amado 2008], aufgrund
des Cross-over-Designs der Studien ist ein
signifikanter Effekt für das Gesamtüberleben
bisher nicht gezeigt.
Da in der Dermis eine hohe EGFR-Expression besteht, ist die als akneiformes Exanthem
der Gesichtshaut und des oberen Brustkorbs
auftretende Hauttoxizität die häufigste Ne-
Fazit
In der adjuvanten Situation profitieren Patienten mit einem Kolonkarzinom im Stadium III von einer Kombinationstherapie nach
FOLFOX-Protokoll. Bei Kontraindikationen
ist auch ein Verzicht auf Oxaliplatin möglich,
in diesen Fällen empfiehlt sich aus Gründen
der Praktikabilität die Therapie mit dem oralen
Fluoropyrimidin Capecitabin. Risikopatienten
im Stadium II sollten ebenfalls über die Möglichkeit einer adjuvanten Behandlung aufgeklärt werden.
Im metastasierten Stadium sollten jedem Patienten, sofern keine Kontraindikationen bestehen, alle wirksamen Medikamente (5-FU
oder Capecitabin, Oxaliplatin, Irinotecan) angeboten werden. Die individuelle Situation und
die Nebenwirkungsprofile der Substanzen sind
wichtige Entscheidungshilfen für die Sequenz.
Durch die Kombination von Chemotherapie
und Antikörpern (Bevacizumab sowie bei nachgewiesenem KRAS-Wildtyp auch Cetuximab
oder Panitumumab) ist eine weitere Verlängerung des Gesamtüberlebens möglich. Bei
Patienten mit begrenzter Metastasierung sollte
immer auch die Resektabilität überprüft werden.
Literatur
Adam R, Wicherts DA, de Haas RJ et al. Patients with initially
unresectable colorectal liver metastases: is there a possibility
of cure? J Clin Oncol. 2009;27(11):1829-1835.
Amado RG, Wolf M, Peeters M et al.: Wild-type KRAS is required for panitumumab efficacy in patients with metastatic
colorectal cancer. J Clin Oncol. 2008; 26: 1626-1634.
Andre T, Boni C, Mounedji-Boudiaf L et al.: Oxaliplatin, fluorouracil, and leucovorin as adjuvant treatment for colon
cancer. N Engl J Med 2004; 350: 2343-2351.
8 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 2/2010
Bayraktar UD, Bayraktar S, Herna S et al. Does delay of adjuvant chemotherapy affect the clinical outcome in patients
with colon cancer? J Clin Oncol 2009; 27(15S):4046.
Chibaudel B, Maindrault-Goebel F, Lledo G et al. Can chemotherapy be discontinued in unresectable metastatic colorectal cancer? The GERCOR OPTIMOX2 Study. J Clin Oncol.
2009;27(34):5727-5733.
De Gramont A, Figer A, Seymour M et al. Leucovorin and fluorouracil with or without oxaliplatin as first-line treatment in
advanced colorectal cancer. J Clin Oncol. 2000;18(16):29382947.
De Gramont A, Boni C, Navarro M, et al.: Oxaliplatin/5FU/
LV in adjuvant colon cancer: updated efficacy results of the
MOSAIC trial, including survival, with a median follow-up of
six years. J Clin Oncol 2007; 25 (18S): 4007.
Díaz-Rubio E, Tabernero J, Gomez-Espana A et al. Phase III
study of capecitabine plus oxaliplatin compared with continuous-infusion fluorouracil plus oxaliplatin as first-line
therapy in metastatic colorectal cancer: final report of the
Spanish Cooperative Group for the Treatment of Digestive
Tumors Trial. J Clin Oncol 2007; 25: 4224-4230.
Douillard JY, Cunningham D, Roth AD et al. Irinotecan combined with fluorouracil compared with fluorouracil alone
as first-line treatment for metastatic colorectal cancer: a
multicentre randomised trial. Lancet. 2000;355(9209):10411047.
Giacchetti S, Perpoint B, Zidani R et al. Phase III multicenter
randomized trial of oxaliplatin added to chronomodulated
fluorouracil-leucovorin as first-line treatment of metastatic
colorectal cancer. J Clin Oncol. 2000;18(1):136-147.
Hecht JR, Mitchell E, Chidiac T et al. A randomized phase
IIIB trial of chemotherapy, bevacizumab, and panitumumab
compared with chemotherapy and bevacizumab alone for metastatic colorectal cancer. J Clin Oncol. 2009;27(5):672-680.
Hurwitz H, Fehrenbacher L, Novotny W et al.: Bevacizumab
plus irinotecan, fluorouracil, and leucovorin for metastatic
colorectal cancer. N Engl J Med 2004; 350: 2335-2342.
Köhne CH, van Cutsem E, Wils J et al. Phase III study of weekly high-dose infusional fluorouracil plus folinic acid with
or without irinotecan in patients with metastatic colorectal
cancer: European Organisation for Research and Treatment
of Cancer Gastrointestinal Group Study 40986. J Clin Oncol.
2005;23(22):4856-4865.
Koopman M, Antonini NF, Douma J et al. Sequential versus
combination chemo therapy with capecitabine, irinotecan,
and oxaliplatin in advanced colorectal cancer (CAIRO): a phase III randomised controlled trial. Lancet 2007; 370: 135-142.
Kopetz S, Chang GJ, Overman MJ et al. Improved survival in
metastatic colorectal cancer is associated with adoption of
hepatic resection and improved chemotherapy. J Clin Oncol.
2009;27(22):3677-3683.
McCleary NA, Meyerhardt J, Green E et al. Impact of older
age on the efficacy of newer adjuvant therapies in >12,500
patients (pts) with stage II/III colon cancer: Findings from
the ACCENT Database. J Clin Oncol 2009; 27(15S):4010.
O’Connell JB, Maggard MA, Ko CY. Colon cancer survival rates
with the new American Joint Committee on Cancer sixth edition
staging. J Natl Cancer Inst 2004;96(19):1420-1425.
Porschen R, Arkenau HT, Kubicka S et al.: Phase III study of
capecitabine plus oxaliplatin compared with fluorouracil and
Lebender Kolumnentitel
leucovorin plus oxaliplatin in metastatic colorectal cancer:
a final report of the AIO Colorectal Study Group. J Clin Oncol
2007; 25: 4217-4223.
Quasar Collaborative Group. Gray R, Barnwel J et al. Adjuvant
chemotherapy versus observation in patients with colorectal cancer: a randomised study. Lancet. 2007;370(9604):2020-2029.
Robert Koch-Institut (Hrsg) und die Gesellschaft der epidemiologien Krebsregister in Deutschland e.V. (Hrsg). Krebs
in Deutschland 2003-2004. Häufigkeiten und Trends. 6.
überarbeitete Auflage. 2008, Berlin.
Saltz LB, Clarke S, Díaz-Rubio E et al. Bevacizumab in combination with oxaliplatin-based chemotherapy as first-line
therapy in metastatic colorectal cancer: a randomized phase
III study. J Clin Oncol. 2008;26(12):2013-2019.
Sargent DJ, Goldberg RM, Jacobson SD. A pooled analysis of
adjuvant chemotherapy for resected colon cancer in elderly
patients. N Engl J Med 2001;345(15):1091-1097.
Schmiegel W, Reinacher-Schick A, Arnold D et al. Update
S3-guideline „colorectal cancer“ 2008. Z Gastroenterol
2008;46(8):799-840.
Seymour MT, Maughan TS, Ledermann JA et al. Different
strategies of sequential and combination chemotherapy for
patients with poor-prognosis advanced colorectal cancer
(MRC FOCUS): A randomised controlled trial. Lancet 2007;
370:143–152.
Simmonds PC. Palliative chemotherapy for advanced colorectal cancer: systematic review and meta-analysis. Colorectal
Cancer Collaborative Group. BMJ. 2000;321(7260):531-535.
Tol J, Koopman M, Cats A et al.: Chemotherapy, Bevacizumab,
and Cetuximab in Metastatic Colorectal Cancer. N Engl J Med
2009; 360: 563-572.
Tournigand C, Cervantes A, Figer A et al. OPTIMOX1: a randomized study of FOLFOX4 or FOLFOX7 with oxaliplatin in a
stop-and-Go fashion in advanced colorectal cancer--a GERCOR study. J Clin Oncol. 2006;24(3):394-400.
Twelves CJ. Xeloda in Adjuvant Colon Cancer Therapy (X-ACT)
trial: overview of efficacy, safety, and cost-effectiveness. Clin
Colorectal Cancer. 2006;6(4):278-287.
Van Cutsem E, Köhne CH, Hitre E et al. Cetuximab and chemotherapy as initial treatment for metastatic colorectal cancer.
N Engl J Med. 2009;360(14):1408-1417.
Wittekind C, Meyer HJ. TNM Klassifikation maligner Tumoren.
7. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2010.
Wolmark N, Wieand S, Kuebler JP. A phase III trial comparing FULV to FULV + oxaliplatin in stage II or III carcinoma
of the colon: Results of NSABP Protocol C-07. J Clin Oncol
2005;23(16S):LBA3500.
Autoren
Dr. med. Annika Siegmund, Heidelberg
[email protected]
Prof. Dr. med. Dirk Jäger, Heidelberg
[email protected]
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen
Abteilung Medizinische Onkologie
Im Neuenheimer Feld 350
69120 Heidelberg
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 2/2010 | 9
Herunterladen