Funktionales Programmieren im Gymnasialunterricht

Werbung
Funktionales Programmieren im Gymnasialunterricht
Josef Paintner, Martin Ruckert, Helmut Schwichtenberg
Mathematisches Institut der Universität München
Sommersemester 2000
Inhaltsverzeichnis
1.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
2.
Prozeduren und numerische Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1 Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Prozeduraufrufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3 Zuweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4 Benutzerdefinierte Prozeduren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5 Bedingte Ausdrücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3
4
5
5
10
3.
Rekursion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1 Primitive Rekursion und Iteration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Baumrekursion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3 Höherstufige Prozeduren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4 Blockstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5 do-Schleifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
15
18
19
20
21
4.
Weitere Daten: Paare und Listen, Symbole, Zeichenreihen, Vektoren . . . . . . . . . . . . .
4.1 Paare und Listen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Symbole und die Notwendigkeit der Quotierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3 Zeichen und Zeichenreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4 Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
25
32
32
33
5.
Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1 Numerische Mathematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Iteration über Listen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Endliche Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.4 Kombinatorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.5 Programme aus Beweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.6 Programmentwicklung durch Beweistransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.7 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
35
38
40
42
42
46
49
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
1. Einführung
Warum Programmieren im Mathematikunterricht? Die algorithmischen Aspekte der Mathmatik sollen
erfahrbar gemacht werden.
Warum die Programmsprache Scheme? Sie ist einfach, also ohne viel Aufwand nebenbei zu lernen. Sie
erlaubt das Programmieren in einer Vielzahl von Programmierstilen, nicht nur das funktionale Programmieren. Natürlich ist die Zeit im Mathematikunterricht so knapp bemessen, daß man keinesfalls systematisch eine zusätzliche komplexe Programmiersprache so nebenbei einführen kann. Damit die Schüler
tatsächlich selbstständig programmieren, sollten sie die zugehörige Software auf ihrem heimischen Rechner zur Verfügung haben. Falls es dann gelingt, sie mit der einfachen Syntax vertraut zu machen, können
vielleicht einige dazu ermuntert werden, das Programm zur Problemlösung gelegentlich selber einzubeziehen. Um die Schüler mit dem Programm vertraut zu machen, kann es durchaus sinnvoll sein, bereits
in der Unterstufe, etwa bei Termen, ein solches Programm einzusetzen. Am Beispiel von Scheme soll
erläutert werden, wie man hier etwa vorgehen kann.
Der Einsatz von Scheme im Unterricht sollte so erfolgen, daß immer deutlich das Problem im Vordergrund steht und Probleme, die sich aus der Syntax der Sprache ergeben, von untergeordneter Bedeutung
bleiben. Der Einsatz des Rechners sollte den Schülern primär helfen, mathematischen Begriffe und Vorgehensweisen besser zu verstehen. Vor allem sollte deutlich herausgestellt werden, daß Algorithmen fast
wörtlich in ein Programm übersetzt werden können.
Beispielsweise der Termbegriff, das Einsetzen von Termen in andere Terme, das Erkennen der Art
eines Termes und Termgliederungen kann in den Klassen 5 und 6 bereits sehr sinnvoll mit Hilfe dieses
Programmes erläutert werden.
Beim Buchstabenrechnen (in Klasse 7) sind ständig die Schwierigkeiten mit den Vorzeichenregeln
beim Auflösen von Klammern zu beobachten. Ein Überprüfen der Ergebnisse bei Termumformungen unterbleibt natürlich in der Regel, da der Rechenaufwand zu groß wäre. Gerade hier kann ein selbständiges
Verwenden des Programms zu Hause wesentlich zum Verständnis beitragen. Die Behandlung von Ungleichungen und Gleichungen mit Beträgen bietet auch ein weites Anwendungsfeld. Für die Behandlung
dieser Aufgabenfelder reichen etwa ein halbes Dutzend Sprachkonventionen völlig aus. Diesen Sprachumfang kann man den Schülern im Unterricht nebenbei“ nahebringen. Diese Grundelemente der Sprache,
”
versehen mit einigen passenden Beispielen, sollen der Inhalt der ersten beiden Vorlesungen sein.
Wichtige Gesichtspunkte: Betonung auf symbolischem Rechnen. Modellierung der Wirklichkeit in
einem mathematischen Modell, das auch ausführbar ist. Nachvollziehen von Algorithmen, die der Schüler
gelernt hat, auf dem Rechner, möglichst in derselben Form wie sie vom Schüler auch beim Rechnen mit
Papier und Bleistift“ benutzt werden. Dadurch gründliche Vertiefung von Lernstoff. Hervorhebung des
”
algorithmischen Aspektes der Mathematik. Lernkontrolle: nur wenn ein Algorithmus genau verstanden
ist kann er implementiert werden.
Für das Arbeiten mit Schmem im Gymnasialunterricht eignet sich besonders die Implementierung
DrScheme“, die an der Rice University speziell auch für die Arbeit mit Schülern entwickelt wurde. Die
”
Installation auf Windows-, Linux- und Unix-Rechnern ist kostenlos und wird sehr gut unterstützt. Eine
Anleitung zur Installation von DrScheme ist zu finden unter
http://www.mathematik.uni-muenchen.de/˜ruckert/scheme.html
Ebenfalls gut geeignet ist eine am Mathematischen Institut der LMU (von Otto Forater) entwickelte
Implementierung LMUScheme, die ebenfalls kostenlos zu erhalten ist unter
http://www.mathematik.uni-muenchen.de/˜forster/
2
1. Einführung
Scheme-Tutorials erhält man unter
http://www-edlab.cs.umass.edu/cs287/index.html
und
http://www.cs.rice.edu/˜dorai/t-y-scheme/t-y-scheme.html
Zur Thematik der Vorlesung gibt es ein interessantes neues Buch How to Design Programs“ [5] von
”
Felleisen, Findler, Matthew und Krishnamurthi, das bei MIT Press erscheinen wird. Es ist auch im
Internet abrufbar unter
http://www.cs.rice.edu/CS/PLT/Teaching/Lectures/Released/
2. Prozeduren und numerische Daten
2.1 Zahlen
Es ist wichtig, folgende Unterscheidungen zu treffen:
–
–
–
–
mathematische Zahlen,
Scheme-Zahlen, die sie modellieren sollen,
die Maschinen-Repräsentation von Zahlen, und
die verwendete Bezeichnungsweise für Zahlen.
Mathematisch sind die Zahlen in einer aufsteigenden Liste von Teiltypen angeordnet:
komplex
reell
rational
ganz
Zum Beispiel ist 27 eine ganze, also auch eine rationale, also auch eine reelle, also auch eine komplexe
Zahl.
Eine weitere wichtige Unterscheidung betrifft die Maschinen-Repräsentation von Zahlen: eine Zahl
kann exakt oder inexakt sein. Zum Beispiel müssen Indizes von Datenstrukturen immer exakt gegeben
sein, und andererseits sind Ergebnisse von Messungen von Natur aus inexakt. Scheme unterscheidet
explizit zwischen exakten und inexakten Zahlen; diese Unterscheidung ist orthogonal zu der nach Typen.
Wenn immer möglich arbeitet Scheme mit exakten Zahlen. Inexaktheit ist eine ansteckende Eigenschaft von Zahlen: wann immer in einem Ausdruck ein Anteil inexakt ist, wird es auch das Ergebnis sein.
Beispiel für Operationen, die aus exakten Zahlen ein exaktes Ergebnis machen, sind
+
-
*
quotient
remainder
modulo
max
numerator
min
denominator
abs
gcd
lcm
expt
/
Beispiel 2.1.1. (/ 6 18) ==> 1/3
(/ 6.0 18)) ==> 0.3333333333333333
(exact->inexact (/ 6 18)) ==> 0.3333333333333333
Für reelle und komplexe Zahlen gibt es (u.a.) die eingebauten Prozeduren
exp log
cos sqrt
Beispiel 2.1.2. (exp 1) ==> 2.7182818284590455
(sqrt -1) ==> 0+1i
sin
expt
4
2. Prozeduren und numerische Daten
2.2 Prozeduraufrufe
Die Syntax von Prozeduraufrufen ist
(<operator> <operand1> ...)
(2.1)
Die Reihenfolge der Auswertung ist nicht festgelegt. Ausdrücke der Form (2.1) heißen Kombination oder
Verbund .
Beispiel 2.2.1. (+ 3 4) ==> 7
(- 27 19) ==> 8
(* 13 6) ==> 78
(/ 27 9) ==> 3
(/ 10 6) ==> 5/3
(+ 2.7 10) ==> 12.7
Man beachte, daß wir die sogenannte polnische Schreibweise verwenden, in der der Operator links steht.
Dies hat 2 wesentliche Vorteile:
1. eine beliebige Anzahl von Operanden ist möglich, und
2. geschachtelte Ausdrücke können besonders übersichtlich dargestellt werden.
Beispiel 2.2.2. (+ 3 4 2 10) ==> 19
(* 13 6 77) ==> 6006
Beispiel 2.2.3. Klasse 5: Gliedern von Termen. Im Arithmetikunterricht lernt man auch das Gliedern
von Termen. Betrachten wir etwa
2(34 − 17)(15 + 25) − 65/13.
Der Term ist eine Differenz. Der Minuend ist ein Produkt, dessen erster Faktor 2, dessen zweiter Faktor
die Differenz der Zahlen 34 und 17 und dessen dritter Faktor die Summe der Zahlen 25 und 15 ist. Der
Subtrahend ist der Quotient der Zahlen 65 und 13.
Diese Gliederung läßt sich nun fast wortgetreu in einen Scheme-Ausdruck übersetzen. Auf diese Weise
kann man die polnische Notation sehr schön motivieren.
In Scheme schreibt man (mit Unterstützung des Editors) diesen Ausdruck in der Form
(- (* 2
(- 34 17)
(+ 15 25))
(/ 65 13))
Das Ausrechnen von innen nach außen kann man in DrScheme mit dem dort vorhandenen Stepper“
”
besonders anschaulich machen.
Alternativ kann diese Gliederung auch mit einem Baumdiagramm veranschaulicht werden, was aber
im wesentlichen dasselbe ist.
In einer Unterrichtsstunde lassen sich so bereits mehrere Terme gliedern, wobei man darauf achten
sollte, daß die Termwerte auch parallel von Hand berechnet werden. Das Programm sollte als Kontrollinstanz verwendet werden. Der Reiz des Neuen führt hier zu einer guten Motivation.
Beispiel 2.2.4. Klasse 6: Taschenrechner I . Wenn man einen Editor hinreichend beherrscht, kann man
jetzt seinen Rechner auch wirklich als solchen benutzen und die Aufgaben eines Taschenrechners von ihm
erledigen lassen.
(- (* 2
(- 34 17)
(+ 15 25))
(/ 65 13))
==> 1355
2.3 Zuweisungen
5
Der Interpreter arbeitet immer in einem gewissen Basiszyklus, nämlich
lesen-auswerten-drucken
(read-eval-print loop). Insbesondere ist es nicht nötig, den Interpreter explizit zum Ausdrucken des Wertes
aufzufordern. Dies macht das Arbeiten mit Scheme besonders einfach: man kann sofort loslegen“.
”
2.3 Zuweisungen
Man kann einem Namen (einer Variablen“) einen Wert (z.B. eine Zahl) zuweisen.
”
Beispiel 2.3.1. (define laenge 2)
laenge ==> 2
(* 5 laenge) ==> 10
(+ (* 5 laenge) (* laenge laenge)) ==> 14
Beispiel 2.3.2. Klasse 7: Kreisumfang.
(define pi 3.14159)
(define radius 10)
(* pi * radius radius) ==> 314.159
(define kreisumfang (* 2 pi radius))
kreisumfang ==> 62.8318
Man könnte stattdessen (wie es die Numeriker machen) auch die Zahl π definieren durch
(define pi (* 4 (atan 1)))
Beispiel 2.3.3. Klasse 6: Taschenrechner II . Es ist hilfreich, bei Rechenaufgaben, für die man einen
Taschenrechner benutzen möchte, die Möglichkeit der Benennung von Hilfsgrößen zu haben. Dies wurde
schon im vorangehenden Beispiel deutlich
(define zins (/ 3 100))
(define kapital 763)
(+ kapital (* zins kapital)) ==> 78589/100
(exact->inexact (+ kapital (* zins kapital))) ==> 785.89
2.4 Benutzerdefinierte Prozeduren
Mit der Multiplikation * kann man die Quadratfunktion definieren:
Beispiel 2.4.1. Klasse 6: Quadrieren.
(define (quadrat x) (* x x))
Man erhält
(quadrat 3) ==> 9
(quadrat (+ 2 5)) ==> 49
(quadrat (quadrat 3)) ==> 81
Wir können quadrat benutzen, um daraus weitere Prozeduren zu definieren, etwa
(define (summe-von-quadraten x y) (+ (quadrat x) (quadrat y)))
Man erhält
(summe-von-quadraten 3 4) ==> 25
6
2. Prozeduren und numerische Daten
Beispiel 2.4.2. Klasse 6: Umrechnen I . Häufig sind in Lehrbüchern auch Übungsaufgaben zu finden, bei
denen zu Termen mit Variablen diese für bestimmte Einsetzungen auszuwerten sind (meist bei eingekleideten Fragestellungen). T (a) := 1.95583 ∗ a (Umrechnung von Euro in DM). Diese Umrechnung erfolgt
in Scheme dann wie folgt:
(define (euro->dm a) (* 1.95583 a))
Solche Beispiele lassen sich dann auch zu Fragestellungen ausbauen, bei denen das Einsetzen von Termen
in Terme notwendig wird.
Beispiel 2.4.3. Klasse 6: Umrechnen II . Firma Zisch&Co zahlt allen Beschäftigten 12 Euro pro Stunde.
Die Arbeitszeit beträgt mindestens 20 und höchstens 65 Stunden pro Woche. Entwickle ein Programm, das
den Wochenlohn eines Arbeiters in Abhängigkeit von der Wochenarbeitszeit berechnet. Das zu erstellende
Programm liest eine Größe, die Anzahl n der Stunden ein und gibt eine andere Größe, den Wochenlohn w
in Euro, aus. Der relevante Term für die Variable ist somit 12*n. Nun ist es leicht, mit unseren bisherigen
Kenntnissen über Scheme das Problem zu lösen. (define (wochenlohn n) (* 12 n)). Welche Angaben
in obigem Beispiel waren für die gestellte Aufgabe völlig belanglos?
Beispiel 2.4.4. Klasse 6: Einsetzen von Termen in Terme. Eine Firma, die Rechner repariert, erstellt
ihre Rechnung in Euro. Für die Anfahrt werden 0.25 Euro pro km berechnet, für die Arbeitszeit 50 Euro
pro Stunde. Für diese Kosten ergibt sich also eine Formel mit den Variablen s für die Wegstrecke und t
für die Arbeitszeit. Kosten := s ∗ 0.25 + t ∗ 50. Die Umsetzung in Scheme sieht dann so aus:
(define (kosten s t) (+ (* s 0.25) (* t 50)))
Bei 56km Anfahrtsstrecke und 3 Stunden Arbeit ergibt sich somit der Rechnungsbetrag in Euro als
(kosten 56 3). Um nun die Kosten in DM zu erhalten, müssen wir nur noch unsere erste Umrechnung
auf diese Funktion Kosten anwenden:
(define (kostenmark s t) (euro->dm (kosten s t)))
(kostenmark 56 3) ==> 320.75612
Beispiel 2.4.5. Klasse 10: Kreisring. Im Unterricht lernt man, die Abhängigkeit zwischen Größen mit
Hilfe von Variablen auszudrücken. Z.B. V (l, b, h) = l ∗ b ∗ h; A(r) = 3.14 ∗ r2 . Ein Quader mit l = 4,
b = 5 und c = 7 hat dann das Volumen V (4, 5, 7) = 4 ∗ 5 ∗ 7; ein Kreis mit Radius 5 hat die Fläche
A(5) = 3.14 ∗ 52 . Allgemein gesagt sind Ausdrücke, welche Variable enthalten, Regeln, wie man eine Zahl
(Größe) errechnet, wenn Werte für die Variablen gegeben sind. Ein Programm (eine Prozedur) ist so eine
Regel. Es ist eine Regel, die uns und dem Computer erklärt, wie man aus irgendwelchen Daten neue
Daten erzeugt. Große Programme bestehen aus vielen kleinen Programmen, die in bestimmter Weise
miteinander zusammenarbeiten. Um die Übersicht zu behalten, ist es wichtig, die Regeln (Programme)
geeignet zu benennen. Ein passender Name für unseren Ausdruck 3.14 ∗ r2 ist Kreisfläche. Verwenden wir
diesen Namen, so sieht die Regel zur Berechnung der Kreisfläche folgendermaßen aus:
(define (kreisflaeche r) (* 3.14 r r))
Diese zwei Zeilen besagen, daß kreisflaeche eine Regel ist, welche die eine Eingabe (input), genannt r,
benötigt, und die das Resultat (output) (* 3.14 r r) erzeugt, wenn der Wert für r bekannt ist.
(kreisflaeche 10) --> 314
Das soeben entworfene Programm können wir nun verwenden, um für die Fläche eines Kreisringes
ebenfalls ein Programm zu erstellen. Bei einem Kreisring ist aus einem Kreis mit Radius ra in der Mitte
ein Kreis mit Radius ri herausgestanzt.
(define (kreisring ra ri)
(- (kreisflaeche ra) (kreisflaeche ri)))
Da wir gerade ein Programm zur Berechnung der Kreisfläche geschrieben hatten, lag es nahe, dieses
als Modul für das neue Problem zu verwenden. Hätten wir allerdings ganz von vorne begonnen, so hätten
wir möglicherweise das Programm wie folgt geschrieben:
2.4 Benutzerdefinierte Prozeduren
7
(define (kreisring ra ri)
(- (* 3.14 ra ra) (* 3.14 ri ri)))
Für ein kleines Problem ist der Unterschied zwischen diesen beiden Methoden gering. Bei langen Programmen ist die erste Methode meist vorzuziehen. Sogar bei kleineren Programmen sollten wir uns bemühen,
dieses in mehrere kleinere Programme zu zerlegen, die dann geeignet zusammengesetzt werden.
Beispiel 2.4.6. Klasse 7: Auflösen von Klammern. Falls die Schüler in Klasse 7 mit der Syntax vertraut
sind, kann man darangehen, auch bei der Auflösung von Klammern in komplexeren Termen den Rechner
zu verwenden. Durch geeignete Einsetzungen läßt sich dann das Ergebnis der Umformung unmittelbar
ermitteln. Bei solchen Beispielen zeigt sich deutlich die Notwendigkeit, für einige Einsetzungen das Ergebnis auch von Hand zu ermitteln, da sehr schnell eine Klammer falsch gesetzt wird. Das Programm“
”
läuft dann zwar, liefert aber falsche Ergebnisse. Beispiel:
−(20d + 10a − 40c) − (−(7a − 14c) − (−(15d − 4c) − (27a − 5d)))
(define (T a d c)
(- (- (+ (* 20 d) (* 10 a) (* (- 40) c)))
(- (- (- (* 7 a) (* 14 c)))
(- (- (- (* 15 d) (* 4 c)))
(- (* 27 a) (* 5 d))))))
(T 1 1 1) ==> -30
Die Koeffizienten von a, d und c kann man errechnen durch
(T 1 0 0) ==> -30
(T 0 1 0) ==> -30
(T 0 0 1) ==> 30
Als Ergebnis erhält man also
−30a − 30d + 30c.
Beispiel 2.4.7. Klasse 9: Abhängige Größen I . Stellen Sie sich vor, der Besitzer eines Kinos kann die
Eintrittspreise völlig frei festlegen. Je höher der Eintrittspreis ist, desto weniger Leute werden die Vorstellung besuchen. In einem zurückliegenden Experiment hat der Besitzer einen präzisen Zusammenhang
zwischen Billettpreis und durchschnittlicher Zuschauerzahl ermittelt. Bei 5 Euro Eintrittspreis besuchen
120 Leute die Vorstellung. Vermindert man den Preis jeweils um 10C, so steigt die Zuschauerzahl um je
15 an. Unglücklicherweise verursacht eine größere Zuschauerzahl auch höhere Kosten, und zwar um 4C
je Zuschauer. Bei 120 Zuschauern betragen die Kosten insgesamt 1.60 Euro je Zuschauer. Für jeden Zuschauer weniger als 120 darf er 4C Kosten pro Zuschauer abziehen. Der Besitzer will wissen, bei welchem
Eintrittspreis er den größten Profit macht. Die Aufgabenstellung ist klar, aber es ist keineswegs offensichtlich, wie man vorgehen muß. Alles was wir sagen können ist, daß einige Größen jeweils voneinander
abhängen:
– Die Kosten des Besitzers hängen von der Zuschauerzahl (zusch) ab: Kosten = 1.60 + 0.04* (zusch-120)
– Die Zuschauerzahl hängt vom Eintrittspreis (preis) ab: zusch(preis) = . . . usf.
Versuchen wir, ein Programm zu entwickeln, das den Profit bei gegebenem Eintrittspreis ermittelt. Wenn
wir mit einer solchen Situation konfrontiert werden, ist es am besten, die einzelnen Abhängikeiten getrennt
zu untersuchen. In unserem hypothetischen Beispiel erzielt man alle Einnahmen aus dem Verkauf der
Eintrittskarten. Die Einnahme hängt nur ab von der Zuschauerzahl (zusch) und dem Eintrittspreis (preis).
Wir formulieren zunächst ein Programm, das den zugehörigen Zusammenhang festhält:
(define (einnahme zusch preis) (* zusch preis))
Als nächstes versuchen wir, die Kosten (kost) zu verstehen. Die Grundkosten sind 1.60*zusch. Für jeden
Zuschauer über 120 erhöhen sich die Kosten um 0.04 Euro, für jeden Zuschauer weniger verringern sich
die Kosten entsprechend. Deshalb müssen wir zu den Grundkosten den Term 0.04*(zusch -120) addieren.
Wir können nun ein Scheme-Programm formulieren, das den Zusammenhang zwischen Kosten (kost) und
der Zuschauerzahl (zusch) festhält:
8
2. Prozeduren und numerische Daten
define (kost zusch)
(+ (* zusch 1.60) ; Grundkosten
(* 0.04 (- zusch 120)))) ; Zusatzkosten fuer mehr Zuschauer
Schließlich müssen wir noch den Zusammenhang zwischen Zuschauerzahl und Eintrittspreis untersuchen.
Bei einem Eintrittspreis von 4.90 Euro kommen 120 + 15 Zuschauer. Bei 4.50 Euro Eintritt kommen
120 + 5 ∗ 15 Zuschauer. Übersetzt in ein Scheme-Programm erhält man also:
(define (zusch preis)
(+ (* (/ 15 0.10) (- 5.00 preis)) 120))
Den Profit erhält man nun, wenn man von den Einnahmen die Kosten abzieht. Das fertige Programm
sieht dann folgendermaßen aus:
;Programm Theaterbesitzer mit Teilprogrammen
(define (einnahme zusch preis) (* zusch preis))
(define (kost zusch)
(+ (* zusch 1.60) (* 0.04 (- zusch 120))))
(define (zusch preis) (+ (* (/ 15 0.10) (- 5.00 preis)) 120))
(define (profit preis)
(- (einnahme (zusch preis) preis)
(kost (zusch preis))))
;Programm Theaterbesitzer in einem Stueck
(define (profit preis)
(- (* (+ (* (/ 15 0.10) (- 5.00 preis)) 120) preis)
(+ (* (+ (* (/ 15 0.10) (- 5.00 preis)) 120) 1.6)
(* 0.04 (- (+ (* (/ 15 0.10) (- 5.00 preis)) 120) 120)))))
Leicht läßt sich überprüfen, daß beide Programme die gleichen Ergebnisse liefern. Das erste Programm
zeigt unmittelbar, welche Gedankengänge zur Lösung geführt haben. Das zweite Programm hingegen
kann kaum mehr mit Verständnis“ gelesen werden. Falls wir einen Aspekt modifizieren wollen, etwa den
”
Zusammenhang zwischen Zuschauerzahl und Preis, so kann dies in der ersten Form sehr leicht erfolgen.
Bei der Formulierung in der zweiten macht diese Modifikation bereits einige Mühe. Leitlinie: Formuliere Hilfsprogramme, wenn die Programmdefinition einen langen Term erfordert. Das Wort lang“ wird
”
natürlich für jeden Programmierer eine unterschiedliche Bedeutung haben.
Beispiel 2.4.8. Klasse 9: Abhängige Größen II . Ermitteln Sie möglichst genau den “optimalen” Eintrittspreis. Der Besitzer erreicht durch Rationalisierungsmaßnahmen, daß die Kosten pro Zuschauer einfach
1.50 Euro betragen. Modifizieren Sie beide Programmformulierungen entsprechend und ermitteln Sie nun
unter der neuen Vorraussetzung den optimalen Eintrittspreis.
Programme und ihre Fehlerfreiheit
Wenn wir Scheme-Programme schreiben, müssen wir einige sorgfältig ausgewählte Regeln befolgen, welche
einen Kompromiß zwischen der Aufnahmefähigkeit eines Computers und der gewöhnlichen menschlichen
Ausdrucksweise darstellen. (Dies gilt für alle Programiersprachen).
Nicht alle Klammerausdrücke sind auch Scheme-Ausdrücke. Etwa akzeptiert Scheme (10) nicht als
legalen Ausdruck, da für einzelne Zahlen keine Klammer vorgesehen ist. Auch ein Ausdruck der Form
(10 + 20) ist nicht korrekt ( ill-formed“), da Scheme immer zuerst den Operator erwartet. Schließlich
”
sind auch folgende zwei Definitionen falsch formuliert:
(define (P x) (+ (x) 10))
(define (P x) + x 10)
2.4 Benutzerdefinierte Prozeduren
9
Bei der ersten ist die zusätzliche Klammer um den atomaren Ausdruck x nicht erlaubt, bei der zweiten
ist der Verbund + x 10 nicht von Klammern eingeschlossen.
Immer, wenn wir den execute-button“ drücken, prüft Scheme, ob der eingegebene Ausdruck sprach”
lich korrekt ist. Falls Fehler auftreten, signalisiert dies Scheme und hebt außerdem (in DrScheme) die
problematischen Teile deutlich hervor. (Language Beginner)
Beispiel 2.4.9. Klasse 10: Fehlermeldungen I . Werte folgende Ausdrücke einzeln aus. Versuche dabei,
die Fehlermeldungen zu verstehen. (+ (10) 20), (10 + 20), (+ +). Gib folgende Sätze, jeden für sich,
im Definitionsfenster ein und klicke dann auf execute. Verbessere dann die Definitionen mit Hilfe der
Fehlermeldungen.
(define (f 1) (+ x 10)),
(define (g x) + x 10),
(define h(x) (+ x 10)).
Nicht alle sprachlich korrekten Ausdrücke lassen sich auch auswerten. Beispielsweise ist die Division durch Null nicht zulässig. Auch können wir bei (define (f n) (+ (/ n 3) 2)) Scheme nicht den
Ausdruck (f 5 8) auswerten lassen.
Niemand kann logische Fehler völlig vermeiden. Selbst erfahrenen Programmierern unterlaufen
Syntax-Fehler, oder sie machen Fehler, die zu run-time Problemen führen. Eine gute Programmierumgebung hilft hier bei der Fehlersuche. Bei logischen Fehlern läuft das Programm einwandfrei, liefert aber
falsche Resultate. Das Vermeiden von logischen Fehlern ist das Ziel einer systematischen Programmentwicklung, allerdings auch die bei weitem schwerste Aufgabe.
Beispiel 2.4.10. Klasse 10: Fehlermeldungen II . Werte folgende, sprachlich korrekte Ausdrücke nacheinander aus: (+ 5 (/ 1 0)), (sin 10 20), (somef 10). Geben Sie den sprachlich korrekten Ausdruck
(define (somef x) (sin x x)) im Definitionsfenster ein. Versuchen Sie dann im dann, (somef 10
20) bzw. (somef 10) im unteren Fenster zu evaluieren. Beachten Sie hier besonders die auftretenden
Fehlermeldungen.
Rezept zum Erstellen einfacher Programme
Am Beispiel des Programms zur Berechnung der Fläche eines Kreisrings machen wir uns nochmals klar,
wie man bei der Gestaltung eines Programms vorgehen muß. Diese Vorgehensweise muß nicht eingehalten werden, erleichtert aber meist den Weg zum Programm erheblich. Zunächst muß man den Zweck des
Programms verstehen. Beim Erstellen eines Programms ist das Ziel in der Regel, einen Mechanismus zu
erzeugen, der Daten einliest und hieraus neue Daten erzeugt. Dazu wählen wir zunächst einen aussagekräftigen Namen und klären, welche Art von Informationen das Programm verarbeitet bzw. erzeugt. Wir
nennen dies Kontrakt”“.
”
; ringflaeche: Zahl Zahl -> Zahl
Wenn der Kontrakt steht, können wir den Programmkopf anfügen. Dieser legt den Programmnamen
nochmals, evtl. modifiziert fest und gibt allen Parametern unterscheidbare Namen.
(define (ringflaeche ra ri) ...)
Schließlich formulieren wir nun den Zweck des Programms, das ist z.B. ein kurzer Kommentar, was das
Programm eigentlich berechnet.
; Berechne die Flaeche eines Kreisringes, bei dem der aeussere Radius ra und
; der Radius des Loches ri ist.
Der Anfang des Beispiels sieht dann insgesamt so aus:
; ringflaeche: Zahl Zahl -> Zahl
; Berechne die Flaeche eines Kreisringes, bei dem der aeussere Radius ra und
; der Radius des Loches ri ist.
(define (ringflaeche ra ri) ...)
10
2. Prozeduren und numerische Daten
Falls die Problemstellung eine mathematische Formel verwendet, gibt die Anzahl der unterschiedlichen
Variablen einen Hinweis auf die Anzahl der Eingaben.
Um ein besseres Verständnis dafür zu gewinnen, was das Programm eigentlich tun soll, legen wir
Beispiele für die Eingaben fest und untersuchen, was das Programm hier ausgeben soll. Das Programm
Ringfläche sollte für die Eingaben 5 und 3 das Ergebnis 50,24 liefern.
; ringflaeche: Zahl Zahl -> Zahl
; Berechne die Flaeche eines Kreisringes, bei dem der aeussere Radius ra und
; der Radius des Loches ri ist.
; Beispiel: (ringflaeche 5 3) = 50.24
(define (ringflaeche ra ri) ...)
Der Programmkörper besteht aus einem Scheme-Ausdruck, der aus den Parametern, aus primitiven
Scheme-Operationen und aus Programmen, die bereits definiert sind oder noch definiert werden, besteht.
Wir können den Programmkörper nur formulieren, wenn wir verstanden haben, wie das Programm aus
den Eingaben die Ausgaben berechnet. In unserem Beispiel ist der Programmkörper eine mathematische
Formel, welche auf ein früher definiertes Programm zurückgreift.
(define (ringflaeche ra ri) (- (kreisflaeche ra) (kreisflaeche ri)))
Nachdem das Programm fertiggestellt ist, müssen wir es noch testen. Hierbei sollten zumindest die
Ergebnisse des Beispiels überprüft werden. Ein Test kann nie die Korrektheit eines Programms beweisen,
wohl aber helfen, ein fehlerhaft arbeitendes Programm als solches zu erkennen.
Um das Programm eventuell in einem anderen Zusammenhang wieder verwenden zu können, sollten
wir die Definitionen unter dem Programmnamen abspeichern. Wir müssen später dann nicht mehr wissen,
wie das Programm arbeitet, sondern uns nur daran erinnern, was es tut. Eine deutliche Kommentierung
ist hier sehr hilfreich.
;
;
;
;
Kontrakt: ringflaeche: Zahl Zahl -> Zahl
Zweck: Berechne die Flaeche eines Kreisringes, bei dem
der aeussere Radius ra und der Radius des Loches ri ist.
Beispiel: (ringflaeche 5 3) = 50.24
; Definition:
(define (ringflaeche ra ri) (- (kreisflaeche ra) (kreisflaeche ri)))
; Tests: (ringflaeche 5 3) (ringflaeche 20 10)
2.5 Bedingte Ausdrücke
Bisher haben wir noch keine Möglichkeit, Fallunterscheidungen auszudrücken, wie etwa in


falls x > 0,
x
abs(x) = 0
falls x = 0,


−x falls x < 0.
Auch ein Spielprogramm muß beispielsweise entscheiden, ob sich ein Objekt in einem bestimmten Bereich
des Bildschirms befindet oder nicht.
In Scheme gibt es zur Formulierung von Fallunterscheidungen die spezielle Form cond.
(define (abs x)
(cond ((> x 0) x)
((= x 0) 0)
((< x 0) (- x))))
oder auch
2.5 Bedingte Ausdrücke
11
(define (abs x)
(cond ((< x 0) (- x))
(else x)))
Statt cond kann man auch if benutzen:
(define (abs x) (if (< x 0) (- x) x))
Ein Scheme-Ausdruck, der Zahlen vergleicht, hat natürlich auch ein Resultat. Dieses ist bei Bedingungen wie (> x 0) immer ein boolescher Wert, d.h. einer der speziellen Daten #f (f steht für false“)
”
oder #t (t steht für true“).
”
Allgemein spielt offenbar eine wesentliche Rolle, welche Objekte von if und cond als wahr oder falsch
angesehen werden. In Scheme gilt die Konvention, daß nur das boolesche Objekt #f als falsch gilt, und
jedes andere Objekt als wahr gilt.
Die allgemeine Form eines if-Ausdrucks ist
(if Test Ja-Ausdruck Nein-Ausdruck ).
if ist keine normale Scheme-Prozedur, die immer zuerst alle Argumente auswertet. Stattdessen wertet if
zuerst nur Test aus. Ergibt dies den Wert #f (f steht für false“), so wird dann Nein-Ausdruck ausgewertet
”
und das Resultat als Wert zurückgegeben. Jeder andere Wert von Test ist – wie schon erwähnt – so gut
wie #t und führt zur Auswertung von Ja-Ausdruck.
Entsprechendes gilt für cond. Die allgemeine Form eines cond-Ausdrucks ist:
(cond (frage1 antwort1) (frage2 antwort2) ...
(fragek antwortk))
oder
(cond (frage1 antwort1) (frage2 antwort2) ...
(else antwortk))
Geprüft wird der Reihe nach, ob eine frage erfüllt ist. Falls ja, wird die zugehörige antwort ausgegeben
und das Programm beendet. Ist eine weitere Bedingung zusätzlich erfüllt, bleibt dies unberücksichtigt.
Beispiel:
(define (bedingung n)
(cond ((> n 10) 20)
((> n 20) 0)
(else 1)))
(bedingung 27) ==> 20
Man nennt deshalb cond und if spezielle Formen (im Gegensatz zu Prozeduren).
Beispiel 2.5.1. Klasse 10: spezielle Formen Man beschreibe den Unterschied zwischen if und der wie
folgt definierten Prozedur new-if:
(define (new-if test consequent alternative)
(cond (test consequent)
(else alternative)))
Zum Rechnen mit booleschen Werten gibt es die Prozedur not sowie die speziellen Formen
and, or.
Zum Beispiel (or b1 . . . bk) wertet der Reihe nach b1 . . . bk aus und gibt den Wert des ersten bi zurück,
das als wahr gilt, also verschieden von #f ist.
Beispiel 2.5.2. Klasse 10: boolesche Kombinationen. Werte folgende Scheme-Ausdrücke aus: (= 4 5),
(< 7 9), (and (> 4 3) (>= 10 100)), (or (> 4 3) (= 10 1000)), (and #f #t), (or #f #t), (not
#f).
Beispiel 2.5.3. Klasse 10: Bedingungen mit Variablen. Was sind die Resultate von
12
2. Prozeduren und numerische Daten
(> x 3)
(or (< x 3) (< -1 x))
(= (* x x) x)
(and (< 4 x) (> x 3))
für x = 2, x = 4, x = 7/2. Gehe hier zum Beispiel wie folgt vor:
(define (bed x) (and (< 4 x) (> x 3)))
(bed 2)
(bed 4)
(bed 7/2)
Weitere Beispiele:
; ist5 : Zahl -> boolescher Wert
; Stellt fest, ob n gleich 5 ist
(define (ist5 n) (= n 5))
Das Programm liefert für n = 5 den Wert #t, sonst den Wert #f. Im Kontrakt erscheint hier der neue
Begriff boolescher Wert (auch Wahrheitswert genannt) .
Zweites Beispiel:
; ist-zwischen-19-35 : Zahl -> boolescher Wert
; Stellt fest, ob n zwischen 19 und 35 liegt
(define (ist-zwischen-19-35 n) (and (< 19 n) (< n 35)))
Das Programm ist gut zu verstehen, wenn man sagt, daß es auf der Zahlengerade das Intervall ]19; 35[
beschreibt.
Beispiel 2.5.4. Klasse 8: Intervalle I . Beschreibe folgende Intervalle auf der Zahlengerade durch SchemeProgramme: ]3; 7], [5; 11], [4; 7[, ]1; 3[, ]7; 11], [2; 5].
Beispiel 2.5.5. Klasse 8: Intervalle II . Übersetze“ folgende vier Scheme-Programme in Intervalle auf
”
der Zahlengeraden. Formuliere auch die Statements für Kontrakt und Programmzweck.
(define (intervall1 x) (and (< -3 x) (< x 0)))
(define (intervall2 x) (or (< x 1) (> x 2)))
(define (intervall3 x) (not (and (<= 1 x) (<= x 5))))
(define (intervall4 x)
(or (and (<= 1 x) (<= x 5))
(and (<= 9 x) (<= x 12))))
Prüfe die Ergebnisse sowohl mit dem Rechner als auch mit der Hand.
Mathematische Gleichungen in einer Variablen sind Forderungen an eine unbekannte Zahl. Betrachtet
man etwa x2 + 2x + 1 = 0, so ist diese Forderung für x = −1 erfüllt, für x = 1 aber nicht, wie man durch
Einsetzen leicht sieht. Eine Zahl, welche die Gleichung erfüllt, heißt Lösung der Gleichung. Wir können
zum Testen, ob x Lösung ist, leicht ein kleines Scheme-Programm schreiben:
; gleichung : Zahl -> boolescher Wert
; Testet, ob eine Zahl x die Gleichung loest .
(define (gleichung x)
(= (+ (* x x) (* 2 x) 1)
0))
(gleichung -1) liefert dann #t, (gleichung 4) hingegen #f als Ergebnis.
Beispiel 2.5.6. Klasse 8: Gleichungen. Übersetze folgende Gleichungen in Scheme Programme und teste,
ob 10, 12 oder 14 Lösungen dieser Gleichungen sind. 4n + 2 = 62, 2n2 = 102, 4n2 + 6n + 2 = 462.
2.5 Bedingte Ausdrücke
13
Beispiel 2.5.7. Klasse 8: Mausklick . Der Manager der Firma Ywindow&Co benötigt ein Programm, das
feststellt, ob ein Mausklick innerhalb eines Rechteckes erfolgt oder nicht. Der Mausklick wird durch zwei
Zahlen x, y repräsentiert. Vorgegeben sind Zahlen nord, sued, west und ost, die die Ränder des Rechtecks
festlegen.
(define
(define
(define
(define
nord 100)
sued 350)
west 30)
ost 220)
Schreiben Sie das Programm innen, das die Koordinaten x, y des Mausklicks einliest und den Wert #f
liefert, falls der Klick außerhalb des Rechtecks erfolgt.
Ratespiele
Beim Arbeiten mit Schülern ist es wichtig, auch den Spaß, Spiele und Bilder nicht zu kurz kommen
zu lassen. DrScheme bietet hierzu einige Hilfen; nebenbei lernt der Schüler, mit bedingten Ausdrücken
umzugehen und hat die Befriedigung, die wesentliche Prozedur eines Ratespiels (wie z.B. Mastermind)
selber geschrieben zu haben (natürlich kann man dabei auch Fehler machen, die sich dann unmittelbar
beim Spiel feststellen lassen).
Systematisch greifen wir hier ein wenig vor und verwenden Symbole, die als Daten erst im nächsten
Kapitel eingeführt werden. Ein Symbol (zum Beispiel zu-klein) ist für Scheme ein unzerlegbares Datenobjekt. Ein Versuch der Auswertung führt zu einer Fehlermeldung:
zu-klein ==> Error: variable zu-klein is not bound.
Eine Quotierung ist notwendig, um diesen Fehler zu vermeiden:
’zu-klein ==> zu-klein
Beispiel 2.5.8. Entwickle eine Prozedur check-guess, welche prüft, ob die geratene Zahl mit dem Ziel
übereinstimmt. Das Programm liest die zwei Zahlen rate und ziel ein und teilt dem Spieler mit, ob
die geratene Zahl stimmt, zu klein oder zu groß ist. Die Prozedur implementiert den wesentlichen Teil
eines Zahlenratespiels. Die Rechenmaschine ermittelt eine Zahl zwischen 0 und 99999. Der Spieler soll
möglichst schnell die gesuchte Zahl ermitteln. Der Rest des Spieles ist in guess-lib.ss implementiert.
Um das Spiel zu spielen, setzen Sie die library auf guess-lib und evaluieren dann den Ausdruck (repl
check-guess), nachdem Sie die Prozedur vollständig geschrieben haben.
Beispiel 2.5.9. Entwickeln Sie die Prozedur check-guess3, die drei Ziffern und eine Zahl, genannt ziel
einliest. Die erste Ziffer entspricht der Einer-, die zweite Ziffer der Zehner- und die dritte Ziffer die
Hunderterstelle. Abhängig von der Eingabe liefert die Prozedur die Ergebnise zu-klein, phantastisch
und zu-gross. Testen Sie zunächst das Progrämmchen“. Um das Spiel zu starten, evaluieren Sie dann
”
den Ausdruck (repl3 check-guess3).
Beispiel 2.5.10. Entwickeln Sie die Prozedur check-guess. Sie liest vier Farben ein, die ersten beiden
sind geratene Farben, die letzten beiden sind Ziele. Das Programm liefert folgende Antworten:
’perfekt, wenn beide geratene Farben mit beiden Zielen übereinstimmen.
’eine-farbe-korrekt, wenn eine geratene Farbe einschließlich ihrer Postiton mit dem Ziel übereinstimmt.
’die-farbe-erscheint, wenn eine der geratenen Farben bei den Zielen erscheint.
’alles-falsch in allen übrigen Fällen
Testen Sie das Programm gründlich und spielen das Farbenratespiel (mastermind), indem Sie die
library auf mastermind.ss setzen und dann den den Ausdruck (repl check-guess) evaluieren. (Die
Bibliothek unterstützt das Programm repl). Mögliche Lösung:
(define (check-guess r1 r2 z1 z2)
(cond ((and (equal? r1 z1) (equal? r2 z2)) ’perfekt)
((or (equal? r1 z1) (equal? r2 z2)) ’eine-farbe-korrekt)
14
2. Prozeduren und numerische Daten
((or (or (equal? r1 z1) (equal? r1 z2))
(or (equal? r2 z1) (equal? r2 z2))) ’die-farbe-erscheint)
(else ’alles-falsch)))
Beispiel: (check-guess ’red ’blue ’green ’brown) (repl check-guess).
3. Rekursion
Rekursion ist ein wichtiges
Konzept, das auch im Gymnasium schon ab Klasse 9 (bei der Heron-Formel
√
zur Berechnung von 2) eine Rolle spielt.
Fakultätsfunktion
Als Beispiel für primitive Rekursion (auch lineare Rekursion genannt) betrachten wir die Definition der
Fakultätsfunktion.
0! = 1,
(n + 1)! = (n + 1) · n!.
Eine direkte Übertragung dieser Definition in die Sprache von Scheme liefert
(define (factorial n)
(if (= 0 n)
1
(* n (factorial (- n 1)))))
Eine iterative“ Form dieser Definition ist
”
(define (factorial n)
(fact-iter 1 1 n))
(define (fact-iter product counter max-count)
(if (> counter max-count)
product
(fact-iter (* counter product)
(+ counter 1)
max-count)))
In product wird also das Ergebnis angesammelt. Man nennt deshalb ein solches zusätzliches Argument
einen Akkumulator .
Die zweite Form ist endrekursiv“, d.h. die Prozedur macht nach der Rückkehr aus dem rekursiven
”
Aufruf keine weiteren Berechnungen mehr. Dies impliziert, daß der Wert der Funktion in diesem Falle
gleich dem Wert des rekursiven Aufrufs ist. Endrekursive Funktionen lassen sich in Scheme besonders
effizient berechnen.
3.1 Primitive Rekursion und Iteration
Kleinstes gemeinsames Vielfaches und größter gemeinsamer Teiler
Die folgenden Beispiele zeigen deutlich, wie man bereits in der 5. Klasse das Ineinanderschachteln von
Funktionen gewinnbringend einsetzen kann. Die Prozedur kgV3 ist hier bereits relativ komplex. (Man
verwendet die Funktionen ggT und kgV.)
16
3. Rekursion
Beispiel 3.1.1. Klasse 5: größter gemeinsamer Teiler . Bestimmen Sie den ggT zweier Zahlen a, b mit
Hilfe des euklidischen Algorithmus. a, b sind zwei natürliche Zahlen.
(define (ggT a b)
(if (= (remainder a b) 0)
b
(ggT b (remainder a b))))
(ggT 45 40)
(ggT 40 50)
Bestimmen Sie den ggT dreier Zahlen mit Hilfe der obigen Funktion. a, b, c sind drei natürliche Zahlen.
(define (ggT3 a b c)
(ggT (ggT a b) c))
(ggT3 12 18 24)
(ggT3 45987 8756 987659)
Beispiel 3.1.2. Klasse 5: kleinstes gemeinsames Vielfaches. Bestimme das kgV zweier Zahlen. a, b sind
zwei natürliche Zahlen.
(define (kgV a b)
(/ (* a b) (ggT a b)))
(kgV 6 9)
Bestimme das kgV dreier natürlicher Zahlen mit Hilfe der obigen Funktion. a, b, c sind drei natürliche
Zahlen.
(define (kgV3 a b c)
(kgV (kgV a b) c))
(kgV3 4 12 14)
Quadratwurzeln nach der Newton-Methode
√
Als besonders interessantes Beispiel für ein rekursives Verfahren bietet sich die Berechnung von 2 mit
der Heron-Formel an. Es ist der erste Algorithmus im Pflichtprogramm, und für Klasse 9 vorgesehen.
Wir wollen diesen Algorithmus hier in etwas allgemeinerer Form entwickeln, und behandeln die NewtonMethode zur Berechnung von Quadratwurzeln.
In der Analysis kann man schon vor der Konstruktion der reellen aus den rationalen Zahlen Quadratwurzeln approximieren. Es seien a > 0 und x0 > 0 gegeben. Die Folge xn sei rekursiv definiert
durch
1
a ‘
xn+1 :=
xn +
.
2
xn
Dann gilt
xn > 0
a≤
x2n+1
xn+2 ≤ xn+1
und mit yn :=
a
xn
für alle n ∈ N,
für alle n ∈ N,
für alle n ∈ N,
(3.1)
(3.2)
(3.3)
3.1 Primitive Rekursion und Iteration
2
yn+1
≤a
yn+1 ≤ yn+2
für alle n ∈ N,
für alle n ∈ N,
yn+1 ≤ xm+1
für alle n, m ∈ N,
1
xn+1 − yn+1 ≤ n (x1 − y1 ) für alle n, m ∈ N.
2
17
(3.4)
(3.5)
(3.6)
(3.7)
Beweis. Wir führen den Beweis (wie in [6]) in mehreren Schritten.
(3.1) Durch Induktion über n zeigt man leicht xn > 0 für alle n ∈ N.
(3.2) Es gilt x2n+1 ≥ a für alle n, denn
1 2
a2 ‘
xn + 2a + 2 − a
4
xn

1 2
a2 ‘
=
xn − 2a + 2
4
xn
a ‘2
1
xn −
=
4
xn
≥ 0.
x2n+1 − a =
(3.3) Es gilt xn+2 ≤ xn+1 für alle n, denn
a ‘
1
xn+1 +
2
xn+1
‘

2
xn+1
−a
xn+1 − xn+2 = xn+1 −
1
2xn+1
≥ 0.
=
(3.4) Mit yn :=
a
xn
2
≤ a für alle n, denn nach (3.2) ist
gilt yn+1
2
=
yn+1
a2
x2n+1
≤
1
x2n+1
≤ a1 , also auch
a2
= a.
a
(3.5) Aus (3.3) folgt yn+1 ≤ yn+2 für alle n.
(3.6) Es gilt yn+1 ≤ xm+1 für alle n, m ∈ N. Denn – etwa für n ≥ m – hat man yn+1 ≤ xn+1 (dies
1
folgt aus (3.2) durch Multiplikation mit xn+1
), und xn+1 ≤ xm+1 nach (3.3).
(3.7) Es gilt
1
xn+1 − yn+1 ≤ n (x1 − y1 ).
2
Wir zeigen dies durch Induktion über n. Induktionsanfang: Für n = 0 sind beide Seiten gleich. Induktionsschritt:
xn+2 − yn+2 ≤ xn+2 − yn+1
1
= (xn+1 + yn+1 ) − yn+1
2
1
= (xn+1 − yn+1 )
2
1
≤ n+1 (x1 − y1 )
2
nach Induktionsvoraussetzung.
Um dieses Newton-Verfahren zu implementieren, definieren wir zunächst
(define (average x y)
(/ (+ x y) 2))
Das im Satz formulierte Iterationsverfahren wird nun wie folgt implementiert.
u
t
18
3. Rekursion
(define (mysqrt x)
(sqrt-iter 1 x))
(define (sqrt-iter guess x)
(if (good-enough? guess x)
guess
(sqrt-iter (improve guess x) x)))
(define (good-enough? guess x)
(< (abs (- (square guess) x)) .001))
(define (improve guess x)
(average guess (/ x guess)))
Einige Beispiele:
(mysqrt 2) ==> 577/408
(round (* (expt 10 16) (mysqrt 2))) ==> 14142156862745098
(mysqrt 9) ==> 65537/21845
(round (* (expt 10 16) (mysqrt 9))) ==> 30000915541313802
3.2 Baumrekursion
Eine weitere häufig auftretende Form der Rekursion ist die sogenannte ungeschachtelte Rekursion (auch
Baumrekursion genannt). Hier dürfen mehrere ungeschachtelte Aufrufe der zu definierenden Funktion
vorkommen. Ein typisches Beispiel dafür ist die Folge der Fibonacci-Zahlen:


falls n = 0,
0
Fib(n) := 1
falls n = 1,


Fib(n − 1) + Fib(n − 2) sonst.
Hieraus erhalten wir unmittelbar die folgende Definition in Scheme:
(define (fib n)
(cond ((= 0 n) 0)
((= 1 n) 1)
(else (+ (fib (- n 1))
(fib (- n 2))))))
Man beachte jedoch, daß eine hiernach durchgeführte Berechnung sehr ineffizient ist, da viele Mehrfachberechnungen durchgeführt werden. Deshalb ist die folgende iterative Version vorzuziehen.
(define (fib n)
(fib-iter 1 0 n))
(define (fib-iter a b count)
(if (= 0 count)
b
(fib-iter (+ a b) a (- count 1))))
Ein weiteres Beispiel für eine ungeschachtelte Rekursion liefern die Binomialkoeffizienten. Hier tritt
als zusätzliche Besonderheit auf, daß die Parameterwerte verändert werden. Für natürliche Zahlen n ≥ 1
und k setzen wir
’ “
k
Y
n(n − 1) · . . . · (n − k + 1)
n
n−j+1
=
.
:=
j
1 · 2 · ... · k
k
j=1
3.3 Höherstufige Prozeduren
€ 
Die Zahlen nk heißen Binomialkoeffizienten.
Aus der Definition folgt unmittelbar
’ “
n
=0
für k > n,
k
’ “
“
’
n
n!
n
=
=
für 0 ≤ k ≤ n.
k
k!(n − k)!
n−k
Wir zeigen, daß für 1 ≤ k ≤ n gilt
’ “ ’
“ ’
“
n−1
n
n−1
=
+
.
k
k−1
k
Beweis. Für k = n ist dies offenbar richtig. Für 1 ≤ k ≤ n − 1 hat man
“ ’
“
’
(n − 1)!
n−1
n−1
(n − 1)!
+
+
=
(k − 1)!(n − k)! k!(n − k − 1)!
k
k−1
k(n − 1)! + (n − k)(n − 1)!
=
k!(n − k)!
n!
=
k!(n − k)!
’ “
n
=
.
k
19
(3.8)
(3.9)
(3.10)
t
u
Zur Implementierung verwendet man entweder die Formeln (3.8) und (3.9) mit der Fakultätsfunktion
(define (binom n k)
(if (< n k)
0
(quotient (factorial n) (* (factorial k) (factorial (- n k))))))
oder aber die Rekursionsformel:
(define (binom-rek n k)
(cond ((zero? k) 1)
((> k n) 0)
((= 1 n) 1)
(else (+ (binom-rek (- n 1) (- k 1))
(binom-rek (- n 1) k)))))
Ein Problem bei dieser rekursiven Implementierung sind wieder die durch den zweifachen Aufruf verursachten Mehrfachberechnungen.
3.3 Höherstufige Prozeduren
Betrachten wir die folgenden drei Prozeduren. Die erste berechnet die Summe aller ganzen Zahlen zwischen
a und b.
(define (sum-integers a b)
(if (> a b)
0
(+ a (sum-integers (+ a 1) b))))
Die zweite berechnet die Summe aller Quadrate der ganzen Zahlen zwischen a und b.
(define (sum-sqares a b)
(if (> a b)
0
(+ (square a) (sum-squares (+ a 1) b))))
20
3. Rekursion
Die dritte berechnet gewisse Partialsummen der folgenden (sehr langsam) gegen
π
8
konvergenten Reihe
1
1
1
+
+
+ ··· ,
1 · 3 5 · 7 9 · 11
und zwar bei Eingabe von a = 4i − 3 und b = 4j − 3 (mit i ≤ j) die Partialsumme vom i-ten bis zum
j-ten Glied (einschließlich).
(define (pi-sum a b)
(if (> a b)
0
(+ (/ 1 (* a (+ a 2))) (pi-sum (+ a 4) b))))
Man erhält zum Beispiel
(* 8.0 (pi-sum 1 100)) ==> 3.1215946525910105
(* 8.0 (pi-sum 1 1500)) ==> 3.1402593208490512
Alle drei Definitionen folgen offenbar demselben Schema. Es liegt deshalb nahe, diese gemeinsame
Form zu abstrahieren und einen allgemeinen Summationsoperator wie folgt zu definieren.
(define (sum summand-fct next-fct a b)
(if (> a b)
0
(+ (summand-fct a)
(sum summand-fct next-fct (next-fct a) b))))
Man beachte, daß hier Prozeduren als Argumente übergeben werden. In diesem Sinn ist also der definierte
Summenoperator höherstufig.
Beispiel 3.3.1. Klasse 11: Integration durch fortgesetzte Summation. Funktionen übergeben.
3.4 Blockstrukturen
Mit let“ vereinbart man lokale Variable. Scheme erhält so eine Blockstruktur, vergleichbar mit dem
”
“begin – end” von Pascal. Es hat die folgende Form:
(let ((<Variable0> <Wert0>)
(<Variable1> <Wert1>)
...
(<VariableN> <WertN>))
<Scheme Ausdruecke>)
Die genannten Variablen werden neu erzeugt und mit den gegebenen Werten initialisiert. In den folgenden Schemeausdrücken bis zur schließenden Klammer des let“ können die neuen Variablen dann wie
”
gewöhnlich verwendet werden.
Ist zum Beispiel point ein Vektor mit x- und y-Wert, so kann man schreiben:
(let ((x (vector-ref point 0))
(y (vector-ref point 1)))
(display "Polar: ")
(display (sqrt (+ (* x x) (* y y))))
(dispay ", ")
(display (atan (/ x y)))
(newline))
3.5 do-Schleifen
21
3.5 do-Schleifen
Oft ist es ein Algorithmus nicht in rekursiver Form gegeben, sondern in einer sogenannten Schleifen“”
Form. Dann bietet es sich an, ihn auch in dieser Weise zu implementieren. In Scheme ist das entsprechende
Konstrukt das do, das sich in der Form an das let-Konstrukt anlehnt.
Einfache Schleifen schreibt man mit dem do-Befehl. Er hat die Form
(do ((<Laufvariable> <Anfangswert> <Nachfolger>))
(<Test>)
<Scheme Ausdruecke>)
Abgesehen von dem Test und den Nachfolger Ausdrücken erinnert das do“ sehr an das let“; in der Tat
”
”
sind die Unterschiede sehr gering. Zuerst werden die genannten Variablen erzeugt und mit den gegebenen
Anfangswerten initialisiert (ähnlich wie das let“ kann das do“ natürlich auch mehrere Laufvariable
”
”
verwalten).
Die Auswertung der Schleife beginnt mit dem Test. Ist dieser Test wahr, so wird die Schleife beendet.
Andernfalls werden wie beim let“ die folgenden Schemeausdrücke ausgewertet. Neu ist, daß im Anschluß
”
daran die Nachfolger Ausdrücke benutzt werden, um neue Werte für die Variablen zu berechnen, und
danach die Schleife von vorne beginnt.
Das folgende Beispiel druckt die Quadratzahlen bis 100.
(do ((i 0 (+ i 1)))
((> i 10))
(display (* i i))
(newline) )
Das Schachbrett-Problem
Nach einer berühmten Legende soll der Erfinder des Schachspiels als Lohn für seine Erfindung auf dem
ersten Feld des Schachbretts ein Reiskorn und auf jedem folgenden Feld doppelt so viele Körner wie auf
dem vorhergehenden verlangt haben.
(do ((r 1 (* r 2))
(f 1 (+ f 1))
(sum 1 (+ sum (* r 2))))
((> f 30))
(display f) (display #\tab)
(display r) (display #\tab)
(display sum) (newline))
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
1
2
4
8
16
32
64
128
256
512
1024
2048
4096
8192
16384
32768
65536
1
3
7
15
31
63
127
255
511
1023
2047
4095
8191
16383
32767
65535
131071
22
3. Rekursion
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
131072
262144
524288
1048576
2097152
4194304
8388608
16777216
33554432
67108864
134217728
268435456
536870912
262143
524287
1048575
2097151
4194303
8388607
16777215
33554431
67108863
134217727
268435455
536870911
1073741823
Faktorisierung durch Teilen
(nach Knuth, The Art of Computer Programming (Band 2) [10, S. 380]). Der Algorithmus ist so wörtlich
wie möglich übernommen. Allerdings ist die Folge der dk primitiver als nötig, aber der Algorithmus ist
sowieso nur für kleine N effizient.
(define (factor_by_division X)
(define (dk+1 dk)
(if (= dk 2) 3 (+ dk 2)))
(do ((p ())
(dk 2)
(n X))
((= n 1)
p)
(let ((q (quotient n dk))
(r (modulo n dk)))
(if (zero? r)
(begin
(set! p (cons dk p))
(set! n q))
(if (> q dk)
(set! dk (dk+1 dk))
(begin
(set! p (cons n p))
(set! n 1)))))))
A1. [Initialize.] Set t ← 0,
k ← 0,
n ← X.
A2. [n = 1?] If n = 1,
the algorithm terminates.
A3. [Divide.] Set q ← bn/dk c,
r ← n mod dk .
A4. [Zero remainder.] If r =
6 0, go to A6.
A5. [Factor found.]
Increase t by 1, and set pt ← dk ,
n ← q. Return to A2.
A6. [Low quotient?] If q > dk ,
increase k by 1 and return to A3.
A7. [n is prime.]
Increase t by 1, set pt ← dk ,
and terminate the algorithm
Man beachte:
– Die Scheme Implementierung verwendet eine Funktion dk+1 zur Konstruktion einer Folge von möglichen
Teilern dk . Da aber zu jedem Zeitpunkt nur ein einzelner Wert von dk benötigt wird, wird der Index k
nur implizit im Wert von dk gespeichert. Anstelle der Vergrößerung von k um 1 (im Schritt A6) wird
die Funktion dk+1 aufgerufen.
– Die Folge der Primfaktoren p1 , . . . , pt ist als Liste p implementiert, die die pi in umgekehrter Reihenfolge
enthält. Wieder ist der Index t nicht explizit angegeben. Anstelle der Vergrößerung von t um 1 (im
Schritt A7) fügen wir mit cons ein neues Element an die Liste an.
– Die Scheme Implementierung verwendet aus Gründen der Einfachheit und Klarheit nicht das SchemeÄquivalent named let“ eines go to“, sondern verwendet die strukturierten do und if Konstrukte.
”
”
Konsequenterweise gehen wir deshalb im Schritt A6 nicht zu Schritt A3 zurück (wie vom Algorithmus
verlangt), sondern stattdessen zu Schritt A2. Die Strafe“ dafür ist ein zusätzlicher Test, ob n = 1. Die
”
Terminierung des Algorithmus in Schritt A7 ist ebenfalls weniger elegant realisiert: wir setzen n ← 1
und gehen zu Schritt A2 zurück; damit geben wir dem strukturierten Ausgang aus der do-Schleife den
Vorzug vor einem unstrukturierten named let“.
”
3.5 do-Schleifen
23
Zum Beispiel erhält man
(factor-by-division 47100194747174954)
==> (999863 281 53 47 23 19 11 7 2)
Die innere Schleife läuft bis dk = 1001 durch alle ungeraden Zahlen.
(factor-by-division (* 999863 999983))
dauert ewig“. Die innere Schleife läuft bis dk = 999863 durch alle ungeraden Zahlen also etwa 1000
”
mal länger als das vorige Problem. Zusätzliche kleinere Faktoren verändern die Laufzeit nicht (kaum).
Die Laufzeit ist proportional dem Maximum des zweitgrößten Primfaktors und der Wurzel des größten
Primfaktors.
Durch Änderung der Folge der dk kann die Laufzeit um ca. 40% gesenkt werden (Elimination der
Vielfachen von 3 und 5). Dann dauert es nur noch 600 mal so lange und ist immer noch unpraktikabel.
Für kleinere Zahlen ist das Verfahren auch mit der einfachen Methode überraschend schnell.
Für den Fall, daß diese Änderungen unakzeptabel erscheinen, und auch zum Nachweis, daß sogar
ein Assembler-ähnlicher Programmierstil in Scheme möglich ist, hier noch die folgende Implementierung
desselben Algorithmus:
(define (factor_by_division X)
(define (dk+1 dk)
(if (= dk 2) 3 (+ dk 2)))
(define p ())
(define dk 2)
(define n X)
(let A2 ()
(if (= n 1) p
(let A3 ()
(define q (quotient n dk))
(define r (modulo n dk))
(if (zero? r)
(begin
(set! p (cons dk p))
(set! n q)
(A2))
(if (> q dk)
(begin
(set! dk (dk+1 dk))
(A3))
(begin
(set! p (cons n p))
p)))))))
A1. [Initialize.]
A2.
A3.
A4.
A5.
A6.
Set t ← 0,
k ← 0,
n ← X.
[n = 1?]
If n = 1 the algorithm terminates.
[Divide.]
Set q ← bn/dk c,
r ← n mod dk .
6 0, go to A6.
[Zero remainder.] If r =
[Factor found.]
Increase t by 1, and set pt ← dk ,
n ← q.
Return to A2.
[Low quotient?] If q > dk ,
increase k by 1
and return to A3.
A7. [n is prime.]
Increase t by 1, set pt ← dk ,
and terminate the algorithm
24
3. Rekursion
4. Weitere Daten: Paare und Listen, Symbole, Zeichenreihen,
Vektoren
4.1 Paare und Listen
Paare
Wenn wir etwa rationale Zahlen aus Zähler und Nenner zusammensetzen wollen, benötigen wir offenbar
einen Weg, aus zwei Datenobjekten – hier Zähler und Nenner – ein neues zusammenzusetzen. Eine solche
Paarbildung ist die Grundform zur Bildung zusammengesetzter Daten in Lisp. Zur Bildung eines Paares
aus zwei Argumenten verwenden wir die primitive Prozedur cons. Aus einem Paar kann man die erste
und die zweite Komponente ablesen mittels der primitive Prozeduren car und cdr. Die Bezeichnungen
car und cdr gehen zurück auf die ursprüngliche Implementierung von Lisp auf einer IBM 704. car steht
für “contents of address register” und cdr steht für “contents of decrement register”.
(define x (cons 1 2)) ==> x
(car x) ==> 1
(cdr x) ==> 2
Man beachte, daß ein Paar ein gewöhnliches Datenobjekt ist, das wie jedes andere mit einem Namen
versehen und manipuliert werden kann.
(define x
(define y
(define z
(car (car
(car (cdr
(cons 1
(cons 3
(cons x
z)) ==>
z)) ==>
2)) ==> x
4)) ==> y
y)) ==> z
1
3
In Lisp verwendet man die Paarbildung als universellen Baustein zur Bildung komplexer Datenobjekte.
Beispiel 4.1.1. Klasse 6: rationale Zahlen. Nehmen wir zunächst an, wir hätten schon eine Implementierung der rationalen Zahlen durchgeführt, und zwar durch Angabe eines Konstruktors make-rat, der
aus Zähler und Nenner eine rationale Zahl konstruiert, und zweier Selektoren zaehler und nenner, die
aus einer rationalen Zahl den Zähler bzw. den Nenner ablesen. Ohne diese Implementierung genauer
zu kennen, können wir Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division und Gleichheit rationaler Zahlen
definieren:
(define (+rat x y)
(make-rat (+ (* (zaehler x) (nenner y))
(* (nenner x) (zaehler y)))
(* (nenner x) (nenner y))))
(define (-rat x y)
(make-rat (- (* (zaehler x) (nenner y))
(* (nenner x) (zaehler y)))
(* (nenner x) (nenner y))))
(define (*rat x y)
(make-rat (* (zaehler x) (zaehler y))
(* (nenner x) (nenner y))))
26
4. Weitere Daten: Paare und Listen, Symbole, Zeichenreihen, Vektoren
(define (/rat x y)
(make-rat (* (zaehler x) (nenner y))
(* (nenner x) (zaehler y))))
(define (=rat x y)
(= (* (zaehler x) (nenner y))
(* (zaehler y) (nenner x))))
Wir wollen jetzt den Konstruktor make-rat und die beiden Selektoren zaehler und nenner implementieren. Dazu benötigen wir offenbar einen Weg, aus zwei Datenobjekten – hier Zähler und Nenner – ein
neues zusammenzusetzen. Wir verwenden dazu die primitive Prozedur cons:
(define (make-rat n d) (cons n d))
(define (zaehler x) (car x))
(define (nenner x) (cdr x))
Zum Ausdruck der rationalen Zahlen verwenden wir die folgende Prozedur.
(define (print-rat x)
(newline)
(display (zaehler x))
(display "/")
(display (nenner x)))
Dann erhält man zum Beispiel
(print-rat (make-rat 2 6)) ==> 2/6
Man beachte, daß wir in unserer Implementierung der Operationen auf rationalen Zahlen vorausgesetzt
haben, daß wir den Konstruktor make-rat und die Selektoren zaehler und nenner zur Vefügung haben.
Es war nicht nötig, diese Implementierung genauer zu kennen. Das einzige, das wir über den Konstruktor
make-rat und die Selektoren zaehler und nenner wissen mußten, war, daß die Anwendung eines Selektors
auf ein durch den Konstruktor gebildetes Objekt die entsprechende Komponente reproduziert.
Listen
Paare werden in Scheme hauptsächlich zur Bildung von Listen verwendet. Listen werden dargestellt
mittels iterierter Paarbildung, wobei das cdr-Feld des letzten Paares leer bleibt. Genauer definiert man
Listen rekursiv durch die folgenden Klauseln.
1. Die leere Liste ist eine Liste.
2. Ist a ein Datenobjekt und ` eine Liste, so ist das Paar, dessen car-Feld das Datenobjekt a und dessen
cdr-Feld die Liste ` enthält, eine Liste.
Die Datenobjekte in den car-Feldern der zur Listenbildung verwendeten Paare sind die Elemente der
Liste. Man beachte, daß als neues Datenobjekt die leere Liste () benötigt wird. Die primitive Prozedur
null? fragt ab, ob ein Datenobjekt die leere Liste ist. Für eine genauere Diskussion und eine Beschreibung
der zur Listenbearbeitung zur Verfügung stehenden Prozeduren sei auf Abschnitt 6.3 in der Sprachdefinition [9] verwiesen.
Durch Schachtelung der Listenbildung kann man auch endlich verzweigte Bäume darstellen.
Insbesondere sind die folgenden Prozeduren wichtig:
4.1 Paare und Listen
list?
list
length
append
Test
reverse
list-ref
umkehren
27
Länge
zusammenhängen
member
Wichtig ist weiterhin die Prozedur apply, die eine Prozedur auf eine Liste von Argumenten anwendet.
Beispiel:
(apply + (list 3 4)) ==> 7
Ferner wird oft die (höherstufige) Prozeduren map verwendet. map nimmt eine Prozedur und eine Liste
und wendet die Prozedur der Reihe nach auf alle Elemente der Liste an. Zum Beispiel ist die Erstellung
von Wertetabellen mit map besondes einfach (s. Beispiel 4.1.2).
Wir wollen hier eine Kurze Einführung des λ-Operators lambda einschieben, da seine Verwendung für
die Erstellung von Wertetabellen besonders geeignet ist. Scheme ist insbesondere deshalb eine funktionale
Programmiersprache, weil in ihr die Funktionen selbst Datenobjekte sind und den anderen Datenobjekten
vollkommen gleichgestellt sind. Man kann Funktionen speichern oder vergleichen und man kann neue
Funktionen zur Laufzeit erzeugen. Dazu dient das Schlüsselwort lambda, das in seiner Namensgebung auf
die Ursprünge von Scheme im mathematischen λ-Kalkül verweist.
Eine Funktion mit den Parametern x1 x2 ... xN erzeugt man mit
(lambda (x1 x2 ... xN) Scheme-Ausdrücke )
Ganz genau so wie bei der Definition mit define werden zur Laufzeit beim Aufruf der Funktion zuerst
die Parameter x1 x2 ... xN an die aktuellen Parameterwerte gebunden und dann werden die SchemeAusdrücke der Reihe nach ausgewertet. Der letzte Ausdruck liefert den Rückgabewert der Funktion.
Funktionen, die man mit lambda erzeugt, werden in der Regel als Argumente an andere Funktionen
übergeben oder in einer Variablen gespeichert.
Beispiel 4.1.2. Klasse 8: Wertetabellen.
(define a (list 1 2 3 4))
a
(map square a)
==>
==>
==>
a
(1 2 3 4)
(1 4 9 16)
Die Verwendung von lambda ist hier besonders bequem. Will man zum Beispiel eine Wertetabelle der
Funktion x2 + 4 im Intervall von −3 bis 3 erzeugen, so kann man wie folgt vorgehen.
(map (lambda (x) (+ (* x x) 4)) ’(-3 -2 -1 0 1 2 3))
==>
(13 8 5 4 5 8 13)
oder etwas allgemeiner
(define (intervall a b) ; a,b ganze Zahlen mit a<b
(do ((i a (+ i 1))
(res ’() (cons i res)))
((< b i) (reverse res))))
(map (lambda (x) (+ (* x x) 4)) (intervall -3 3))
==>
(13 8 5 4 5 8 13)
Beispiel 4.1.3. Klasse 8: Pascalsches Dreieck . Aufgrund von (3.10) kann man die Binomialkoeffizienten
mittels des Pascalschen Dreiecks berechnen:
1
1
1
1
1
1
2
3
4
1
3
6
1
4
1
28
4. Weitere Daten: Paare und Listen, Symbole, Zeichenreihen, Vektoren
Unter Verwendung dieser Darstellung kann man leicht ein Programm zur Berechnung der Binomialkoeffizienten schreiben:
(define (binom-coeff n k)
(list-ref (pasc-layer n) k))
(define (pasc-layer n)
(if (zero? n)
’(1)
(let ((l (pasc-layer (- n 1))))
(map + (cons 0 l) (append l ’(0))))))
Dieses Programm ist sehr kurz, aber längst nicht so schnell wie ein mit der Fakultät geschriebenes.
Beispiel 4.1.4. Klasse 12: Kombinatorik: Ziehen ohne Zurücklegen. Lösungsmethode: Funktionen, die Listen von Varianten produzieren. Aus solchen Listen kann man dann mittels map neue Listen von Varianten
produzieren, und sie mit apply und append zu einer einzigen Liste zusammenfassen.
(auswahl liste k). Auswahl von k Elementen aus einer Liste (0 ≤ k ≤ (length liste)).
Rückgabe: Liste mit Lösungen.
Wenn k = 0: eine Lösung: ()
Wenn k = (length liste): eine Lösung: liste.
Sonst: erstes Element wird ausgewählt oder nicht. Lösungen im ersten Fall:
(cons (car liste) x) für alle Lösungen x von (auswahl (cdr liste) (- k 1)).
Lösungen im zweiten Fall: (auswahl (cdr liste) k).
(define (auswahl liste k)
(if (= k 0)
(list ())
(if (= k (length liste))
(list liste)
(append
(map (lambda (x) (cons (car liste) x))
(auswahl (cdr liste) (- k 1)))
(auswahl (cdr liste) k)))))
(binom n k). Auswahl von k Elementen aus n Elementen.
Rückgabe: Anzahl der Lösungen.
Wenn k = 0: eine Lösung: 1.
Wenn k = n: eine Lösung: 1.
Sonst: erstes Element wird ausgewählt oder nicht.
Lösungen im ersten Fall: (binom (- n 1) (- k 1)).
Lösungen im zweiten Fall: (binom (- n 1) k).
Änderungen:
auswahl 7→ binom,
liste 7→ n,
(cdr liste) 7→ (- n 1),
(length liste) 7→ n,
append 7→ +.
(define (binom n k)
(if (= k 0)
1
(if (= k n)
1
4.1 Paare und Listen
29
(+ (binom (- n 1) (- k 1))
(binom (- n 1) k)))))
Beispiel: (auswahl ’(1 2 3 4 5 6 7 8) 4).
((1
(1
(1
(1
(1
(1
(1
(1
2
2
2
2
2
2
2
2
3
3
3
3
3
4
4
4
4)
5)
6)
7)
8)
5)
6)
7)
. . .
(3
(3
(3
(3
(4
(4
(4
(4
(5
5
5
5
6
5
5
5
6
6
6
6
7
7
6
6
7
7
7
7)
8)
8)
8)
7)
8)
8)
8)
8))
Ferner erhält man
(binom 8 4) ==> 70
(binom (length ’(1 2 3 4 5 6 7 8)) 4) ==> 70
(length (auswahl ’(1 2 3 4 5 6 7 8) 4)) ==> 70
Beispiel 4.1.5. Klasse 12: Kombinatorik: Ziehen mit Zurücklegen
(define (ziehung liste k)
(if (= k 0)
(list ())
(apply append
(map (lambda (element)
(map (lambda (rest)
(cons element rest))
(ziehung liste (- k 1))))
liste))))
;
;
;
;
;
;
wenn k=0,
Loesung leere Liste
sonst
fuer alle Elemente
fuer alle k-1 -Ziehungen
eine neue Loesung
Als ein weiteres Beispiel für die Verwendung von Listen betrachten wir Polynome. Ein Polynom
an X n + · · · + a1 X + a0 mit an 6= 0 sei als Liste (a0 . . . an ) dargestellt (man beachte die Reihenfolge!).
Das Nullpolynom wird durch die leere Liste () repräsentiert.
Beispiel 4.1.6. Klasse 11: Summe von Polynomen. Zu schreiben ist eine Funktion poly+ von zwei Argumenten, die die Summe zweier Polynome berechnen soll:
(define (poly+ p q)
(cond ((null? p) q)
((null? q) p)
(else (let ((k
; p und q seien (Darstellungen von) Polynome(n)
; Wenn p das Nullpolynom ist, ist q das Ergebnis
; analog umgekehrt
(+ (car p) (car q)))
; k ist die Summe der konstanten Glieder
(s (poly+ (cdr p) (cdr q))))
; s ist die Summe der "verkuerzten" Polynome
; [p/X] und [q/X] (dabei sei p = [p/X]*X + p(0))
30
4. Weitere Daten: Paare und Listen, Symbole, Zeichenreihen, Vektoren
(if (and (null? s) (zero? k))
’() ; wenn s und k null sind, ist das Nullpolynom
; das Ergebnis
(cons k s)))))) ; sonst k + s*X
Anmerkung. Man kann poly- analog definieren (Subtraktion von Polynomen), es ist nur das Zeichen +
in der Zeile (else ... ) durch − zu ersetzen.
Beispiel 4.1.7. Klasse 11: Skalarmultiplikation von Polynomen. Zu schreiben ist eine Funktion poly*skal
von zwei Argumenten, einem Polynom p und einer Zahl a, die das Ergebnis der Multiplikation von p mit
a liefern soll.
(define (poly*skal p a) ; p Polynom, a Zahl
(if (zero? a)
’()
; ist a=0, so muss das Nullpolynom () herauskommen
(map (lambda (x) (* a x)) p)))
; sonst ist jeder Koeffizient in p mit a zu multiplizieren
Beispiel 4.1.8. Klasse 11: Produkt von Polynomen. Zu schreiben ist eine Funktion poly* von zwei
Polynom-Argumenten p und q, die das Ergebnis der Multiplikation von p und q liefert.
(define (poly* p q) ; p und q Polynome
(if (null? p)
’()
; 0*q=0
(poly+ (poly*skal q (car p)) (cons 0 (poly* (cdr p) q)))))
; sonst p = p0 + X*p1, und p*q = p0*q + X*(p1*q)
Beispiel 4.1.9. Klasse 11: Division von Polynomen. (Polynomdivision braucht man in Klasse 11, zur
Lösung von Gleichungen 3. Grades: eine Lösung wird geraten). Zu schreiben ist eine Funktion polydivide,
die zu ihren Argumenten p und q (Polynome) Quotient a und Rest r berechnet (d.h. p = a·q +r und r = 0
oder deg(r) < deg(q)). (Diese Aufgabe ist etwas schwieriger. Es empfiehlt sich, hier die Polynome “von
hinten”, d.h. beginnend mit dem Leitkoeffizienten, zu bearbeiten. Deswegen werden die Polynome erst
einmal umgedreht. Außerdem ist es für die Rechnung praktischer, wenn man die Polynome so normalisiert,
daß q normiert ist, d.h. Leitkoeffizient 1 hat. Der Quotient ändert sich dadurch nicht; der Rest muß am
Ende wieder mit dem Leitkoeffizienten von q multipliziert werden.)
Wir setzen eine Hilfsfunktion polydivide1 voraus, die zwei Argumente, p und q, bekommt, die “umgedrehte” Polynome sind, wobei q normiert ist, und als Ergebnis die Liste (a0 r0 ) aus dem “umgedrehten”
Quotienten und dem “umgedrehten” Rest liefert. Für die Hauptfunktion erhalten wir dann:
(define (polydivide p q) ; p und q Polynome
(if (null? q)
(begin (newline)
(display "Division durch Null!")
’(() ()))
; Wenn q=0 ist, Warnung ausgeben, zwei Nullpolynome als Wert
(let* ((pr (reverse p)) ; pr=p umgedreht
(qr (reverse q)) ; qr=q umgedreht
(lkfq (car qr)) ; lkfq = Leitkoeffizient von q
(l (polydivide1 (poly*skal pr (/ lkfq))
(poly*skal qr (/ lkfq)))))
; l wird an die Liste (a’ r’) gebunden
(list (reverse (car l)) (poly*skal (reverse (cadr l)) lkfq)))))
; jetzt wird das Ergebnis (a r) zusammengebaut: a entsteht aus
; a’ durch Umdrehen, r aus r’ durch Umdrehen und Multiplikation
; mit q0.
Nun die Hilfsfunktion:
4.1 Paare und Listen
31
(define (polydivide1 p q) ; p und q umgedrehte Polynome, q normiert
(cond ((null? p) (list ’() ’())) ; p=0, dann a’=r’=0
((zero? (car p)) (polydivide1 (cdr p) q))
; fuehrende Null beseitigen
((< (length p) (length q)) (list ’() p))
; deg(p) < deg(q), dann a’=0, r’=p
(else (let ((l (polydivide1
(polydivide2 (car p) (cdr p) (cdr q)) q)))
; polydivide2 subtrahiert das (car p)-fache von q "von vorn"
; von p, l ist die Liste (a’’ r’) aus dem Quotienten dieser
; Differenz mit q und dem Rest (der bereits der Rest
; von p mod q ist)
(list (cons (car p) (car l)) (cadr l))))))
; Es ist a’=(Leitkoeff. von p)*X**n + a’’, n passend
(define (polydivide2 a pl ql)
; a Zahl, pl, ql Listen, length(pl)>=length(ql)
(if (null? ql)
pl
; ql ist aufgebraucht, pl bleibt uebrig
(cons (- (car pl) (* a (car ql)))
(polydivide2 a (cdr pl) (cdr ql)))))
; sonst vorne Subtrahieren
; und an verarbeiteten Rest anhaengen
Beispiel 4.1.10. Klasse 11: GgT von Polynomen. Zu schreiben ist eine Funktion polygcd, die den größten
gemeinsamen Teiler ihrer zwei Argumente p und q (Polynome) berechnet. Man kann hierzu den üblichen
Algorithmus verwenden.
(define (polygcd p q) ; p und q Polynome
(if (null? q)
p
(polygcd q (cadr (polydivide p q)))))
; q=0, dann p
; sonst ggT(q, p mod q)
Als Ergänzung sollte man noch eine Funktion zur Ausgabe von Polynomen auf den Bildschirm zur
verfügung haben:
(define (polywrite p) ; p Polynom
(if (null? p)
(display 0) ; Nullpolynom gibt 0
(do ((n (- (length p) 1) (- n 1)) ; n ist der aktuelle Exponent
(l (reverse p) (cdr l)) ; l ist die Liste der Koeffizienten
; (absteigend)
(flag #t #f))
; Flag fuer Anfang (wegen Vorzeichen)
((null? l))
; Koeffizienten abgearbeitet
(if (not (zero? (car l))) ; Koeff. muss /= 0 sein
(begin (polywrite1 (car l) flag n) ; gibt ein Glied aus
(if (not (zero? n)) ; X^0 wird weggelassen
(begin (display "X")
(if (not (= n 1)) ; X^1 wird X
(begin (display "^")
(display n)))))))))
(newline))
; Zeile abschliessen
(define (polywrite1 k flag n) ; k Zahl, flag boolesch, n natuerliche Zahl
(if (not flag) (display " ")) ; wenn nicht am Anfang, ein Leerzeichen
(if (or (not flag) (negative? k))
32
4. Weitere Daten: Paare und Listen, Symbole, Zeichenreihen, Vektoren
(display (if (negative? k) "- " "+ "))) ; evtl. Vorzeichen ausgeben
(if (or (not (= 1 (abs k))) (zero? n))
(display (abs k))))
; Betrag des Koeffizienten ausgeben
4.2 Symbole und die Notwendigkeit der Quotierung
Man kann einem symbolischen Namen einen Wert zuordnen mittels
(define <Symbol> <Wert>)
Die Zuordnung eines symbolischen Namens zu einer Funktion bewerkstelligt man mit
(define (<Funktionsname> <Parameternamen>) <Werte>)
Beim Funktionsaufruf werden die Parameter wie mit einem define den aktuellen Werten im Funktionsaufruf zugeordnet. Werte steht für einen oder mehrere Schemeausdrücke, die die Parameternamen
enthalten dürfen. Sie werden nun der Reihe nach ausgewertet und der letzte berechnete Wert wird dann
der Rückgabewert der Funktion.
Neben den Buchstaben sind auch die meisten Sonderzeichen zur Bildung von Symbolen zugelassen.
So ist etwa
(define (++ x) (+ x 1))
eine gültige Definition der Increment-Funktion ++.
Bisher haben wir alle unsere Datenobjekte letzten Endes aus Zahlen konstruiert. Wir wollen uns jetzt
die Möglichkeit verschaffen, auch Symbole als Datenobjekte zu verwenden. Beispiele:
(a b c d)
((a 1) (b 7) (c 3))
Listen, die auch Symbole enthalten, haben eine Form, wie sie auch bisher schon häufig vorgekommen ist.
(* (+ 1 2) (+ x 7))
(define (factorial n) (if (= 0 n) 1 (* n (factorial (- n 1)))))
Um mit Symbolen umgehen zu können, brauchen wir die Möglichkeit der Quotierung. Wenn wir zum
Beispiel die Liste (a b) bilden wollen, können wir nicht einfach (list a b) auswerten, da dann der Interpreter nach Werten von a und b suchen und nicht die Symbole selbst nehmen würde. Dieses Phänomen
ist aus natürlichen Sprachen gut bekannt. Wir verwenden deshalb den Quotierungoperator quote und
schreiben (quote a), wenn wir a quotieren wollen. Für (quote a) kann man kürzer auch ’a schreiben.
(define a 1)
(define b 2)
(list a b)
(list ’a ’b)
(list ’a b)
==>
==>
==>
==>
==>
a
b
(1 2)
(a b)
(a 2)
Auch zusammengesetzte Objekte kann man quotieren.
(car ’(a b c)) ==> a
(cdr ’(a b c)) ==> (b c)
4.3 Zeichen und Zeichenreihen
Einzelne Zeichen schreibt man als #\Zeichen oder #\Zeichenname . Zum Beispiel ist #\a ein kleines a“
”
und #\newline das Zeilenende Zeichen.
4.4 Vektoren
33
Zeichenreihen (Strings) sind ein eigener Datentyp. Stringkonstanten schreibt man indem man die
Zeichen in doppelte Anführungszeichen setzt, zum Beispiel Hallo !“.
”
Strings kann man mit der Funktion string aus einzelnen Zeichen erzeugen, wie etwa (string #\H
#\i #\space #\!), oder auch mit (make-string k Zeichen ), wobei k die Länge des neuen Strings
angibt der mit Zeichen aufgefüllt wird.
Auf einzelne Zeichen eines Strings greift man mit (string-ref String k ) (das k -te Zeichen von
String) zu.
Nützliche Funktionen sind auch (substring String Anfang Ende ), string-append (zusammenhängen) und string-copy.
4.4 Vektoren
Vektoren erlauben einen Zugriff auf die Elemente durch Indizierung. Die Elemente sind dabei von 0 an
aufsteigend indiziert. Der Bereich der gültigen Indizes eines Vektors sind also alle exakten nicht negativen
ganzen Zahlen kleiner als die Länge des Vektors. Vektoren erzeugt man mit (make-vector <Länge>
<Wert>) oder mit (vector <Wert0> ... <Wertn>).
Von den etwa aus Pascal bekannten Arrays unterscheiden sich die Vektoren in Scheme dadurch, daß sie
dynamisch sind, d.h. daß ihre Länge nicht von vornherein festgelegt sein muß. Man kann also etwa leicht in
Scheme die Matrizenmultiplikation für n×n-Matrizen (mit variablem n) mittels Vektoren programmieren.
Mit vector-length bestimmt man die Länge eines Vektors; mit (vector-ref <Vektor> <Index>)
greift man auf die einzelnen Elemente eines Vektors zu; mit (vector-set! <Vektor> <Index> <Wert>)
weist man einem Element des Vektors einen neuen Wert zu.
Beim Arbeiten mit Vektoren verwendet man typischerweise do-Schleifen, die einen Index im Bereich
0 ≤ i < (vector-length <Vektor>) verändert. Die Programmiertechnik unterscheidet sich so kaum von
dem von Pascal bekannten Vorgehen.
Beispiel 4.4.1. Klasse 7: Sieb des Erathostenes. Wir geben hier eine Lösung mit Hilfe von Vektoren;
dabei läßt sich die Verbindung zur anschaulichen Konstruktion des Siebs besonders gut erkennen. Auf
eine Optimierung mit den geraden Zahlen wurde der Einfachheit halber verzichtet.
(define (vector-to n) (make-vector (+ n 1) #t))
(define (eratosthenes v) ; v Vektor
(vector-set! v 0 #f) ; 0 ist keine Primzahl
(vector-set! v 1 #f) ; 1 ist keine Primzahl
(do ((i 2 (+ i 1)))
((>= i (/ (vector-length v) 2)))
(if (vector-ref v i)
(do ((j 2 (+ j 1)))
((>= (* i j) (vector-length v)))
(vector-set! v (* i j) #f))))
v)
(define (eratosthenes-to n)
(eratosthenes (vector-to n)))
(define (primes-to n)
(let ((v (eratosthenes-to n)))
(do ((l ())
(i n (- i 1)))
((= i 0) l)
(if (vector-ref v i)
(set! l (cons i l))))))
34
4. Weitere Daten: Paare und Listen, Symbole, Zeichenreihen, Vektoren
5. Anwendungen
5.1 Numerische Mathematik
Die Numerische Mathematik befaßt sich mit dem Problem, numerische Lösungen, und sehr oft auch
numerische Approximationen für eine Lösung, für ein gegebenes√Problem zu finden. Wenn man die Frage
nach einer Zahl, die die Gleichung x2 = 2 erfüllt, einfach mit 2 beantwortet, so wird ein Algebraiker
mit dieser Antwort vollkommen zufrieden sein. Ein Numeriker ist mit solch einer symbolischen Lösung
noch nicht fertig. Er möchte eine numerische Lösung oder wenigstens eine genügend genaue Lösung.
Ein Beispiel für numerisches Programmieren ist uns schon in Abschnitt 3.1 begegnet: die Berechnung
von Quadratwurzeln nach der Newton Methode.
Die Genauigkeit der gefundenen Näherung wurde dabei durch die Funktion good-enough? eingestellt.
Wenn wir uns für sehr genaue Näherungen interesieren können wir definieren:
(define (good-enough? guess x)
(< (abs (- (square guess) x)) (expt 10 -16)))
dies sollte uns eine Zahl liefern, deren Quadrat bis auf 16 Stellen nach dem Komma mit 2 übereinstimmt.
Auf die Frage (mysqrt 2) erhält man dann
886731088897/627013566048
Die Form des Ergebnisses zeigt an, dass ausgehend von der exakten Zahl 2, hier (mit entsprechendem
Rechenaufwand) nur mit exakten Zahlen gerechnet wurde. Man kann hier vieleicht nicht der Versuchung
wiederstehen einmal (mysqrt 2.0) zu versuchen. Dabei rechnet Scheme, ausgehend von der inexakten
Zahl 2.0, nur mit inexakten Zahlen. Haben wir nun so etwas wie 1.414213562373095 als Ergebnis erwartet,
so werden wir enttäuscht. Statt eine Ergebnis zu liefern, geht Scheme in eine Endlosschleife. Der Grund
dafür ist einfach, daß im Bereich der inexakten Zahlen die üblichen Gesetze der Arithmetik wie Assoziativität und Distributivität nicht mehr gelten und der Algorithmus deswegen versagt. Möglicherweise gibt
es auch überhaupt keine inexakte Zahl, die nahe genug an der tatsächlichen Wurzel aus 2 liegt.
(Hinweis: Der beschriebene Effekt hängt von der jeweiligen Scheme Implementierung inexakter Zahlen
ab und kann unter Umständen schon bei geringeren, oder aber auch erst bei höheren Anforderungen an
die Genauigkeit auftreten.)
Mit dem Übergang zu inexakten Zahlen tun sich also ganz neue Probleme auf. Mit solchen und anderen
Problemen befaßt sich die Numerische Mathematik, ein weites Gebiet mathematischer Forschung, das wir
hier nicht weiter ausbreiten können. Man sollte jedoch vorgewarnt sein. Bei numerischen Rechnungen mit
sehr kleinen Zahlen oder Zahlen, die sehr nahe beieinander liegen, können ganz unerwartete Effekte
auftreten. Die Berechnung numerischer Näherungen bietet sich aber in verschiedenen Jahrgangsstufen
(Klasse 9: Kreiszahl π, Klasse 10: Nullstellen, Klasse 11: Differenzenquotient und Differenzialquotient,
Klasse 12: Integral, Obersummen und Untersummen) als interessantes Experimentierfeld an.
Im folgenden stellen wir noch zwei Verfahren zur Berechnung von Nullstellen vor.
Das einfachste ist die Regula Falsi. Ausgehend von einem Intervall, an dessen Enden die Werte einer
stetigen Funktion verschiedene Vorzeichen haben, wird durch fortgesetzte Intervallhalbierung eine Nullstelle der Funktion, die in diesem Intervall existieren muß, möglichst genau ermittelt. Zunächst muss man
ein geeignetes Intervall finden. Hierzu sucht man mit Hilfe einer Wertetabelle ein Intervall der Länge 1,
in welchem eine Nullstelle liegt.
; Funktion:
(define (f x)
36
5. Anwendungen
(+ (expt x 3) (* 3 x x) (- (* 3 x)) (- 6)))
; Wertetabelle:
; die x-Werte
(define x-werte (list -5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5))
; die y-Werte
(map f x-werte)
Die Funktion besser ermittelt nun einen Teilpunkt des gegebenen Intervalls.
(define (besser x y)
(/ (+ x y) 2))
Die Variable genau gibt die Genauigkeit der gesuchten Lösung an. Man könnte genau auch als zusätzlichen
Parameter bei der Funktion loese verwenden.
(define genau (expt 10 -30))
Durch Betrachtung der Vorzeichen der Werte von f an den Grenzen der beiden Teilintervalle findet man
ein kleineres Intervall, das immer noch eine Nullstelle enthält.
(define (loese x y)
(let* ((a (besser x y))
(fa (f a)))
(cond ((<= (abs (- y x)) genau) a )
((< (* fa (f x)) 0) (loese x a))
((< (* fa (f y)) 0) (loese a y))
(else (error "loese" "Keine Nullstelle gefunden")))))
Die Anzeigefunktion show liefert dann eine kommentierte Ausgabe der Lösung.
(define (show a)
(display "Loesung exakt: ") (newline)
(display a) (newline)
(display "Loesung inexakt: ") (newline)
(display (exact->inexact a)) (newline)
(display "Ziffernfolge der exakten Loesung:") (newline)
(display (round (/ a genau))) (newline)
(display "Funktionswert an der gesuchten Stelle: ") (newline)
(display (exact->inexact (f a))) (newline))
Beispiel:
(show (loese -2 -1))
Loesung exakt:
-436794599502275153858418571144562332473267554147631/3741444191567111470...
Loesung inexakt:
-1.1674491911085352
Ziffernfolge der exakten Loesung:
-116744919110853515627441059952843297850898608527949
Funktionswert an der gesuchten Stelle:
-1.5937663482584213e-51
Die Konvergenzgeschwindigkeit bei der Regula Falsi ist vergleichsweise gering: bei jeder Iteration wird
das Lösungsintervall halbiert und man gewinnt genau eine binäre Stelle.
Das folgende Verfahren, die sogenannte Sekantenmethode, verwendet zur Verbesserung der Approximation auf dem Intervall [a, b] nicht den Intervallmittelpunkt (a + b)/2, sondern den Schnittpunkt der Geraden durch die Punke (xn , f (xn )) und (xn−1 , f (xn−1 )) (Sekante) mit der x-Achse:
−xn−1
xn − f (xn ) f (xxnn)−f
(xn−1 ) . Das Programm sieht dann so aus:
5.1 Numerische Mathematik
37
(define (f x)
(+ (expt x 3) (* 3 x x) (- (* 3 x)) (- 6)))
(define (besser x fx y fy)
(let ((h (* fx (/ (- x y) (- fx fy)))))
(- x h)))
(define genau (expt 10 -50))
(define (loese x y)
(loese-sekante x (f x) y (f y)))
(define (loese-sekante x1 fx1 x0 fx0)
(let ((x2 (besser x1 fx1 x0 fx0)))
(if (<= (abs (- x2 x1)) genau)
x2
(loese-sekante x2 (f x2) x1 fx1))))
Beispiel:
(show (loese -2 -1))
Loesung exakt:
-194479484460071416575221238233985395363640285787793712895919886830685677...
Loesung inexakt:
-1.1674491911085352
Ziffernfolge der exakten Loesung:
-1167449191108535156274410599528
Funktionswert an der gesuchten Stelle:
-1.50890799270184e-60
Bei der Sekantenmethode verdoppelt sich die Anzahl der richtigen Stellen in jedem Iterationsschritt, so
daß die Genauigkeit schon nach nur 8 Iterationen (mehr als) 38 Dezimalstellen beträgt. Die Genauigkeit
kann man leicht überprüfen, wenn man in der Funktion besser eine eintsprechende Ausgabe einbaut:
(define (besser x fx y fy)
(let ((h (* fx (/ (- x y) (- fx fy)))))
(display (exact->inexact h)) (newline)
(- x h)))
man erhält:
(show (loese -2 -1))
-0.8
-0.040336134453781515
0.0078079564113353525
-2.2616128700794703e-5
-1.4720346178514301e-8
2.8289367174486442e-14
-3.536105530332311e-23
-8.494410265982968e-38
2.5506051588919313e-61
Man entnimmt der Ergebnisausgabe aber auch, daß die Brüche, die bei der Berechnung mit der Sekantenmethode auftreten, ungleich komplexer sind als bei der Rechnung mit der Regula Falsi. Entsprechend
ist die Laufzeit des Sekantenverfahrens nicht um so viel schneller, als man nur bei Betrachtung der
Konvergenzgeschwindigkeit erwarten würde.
Zu den Aufgaben der numerischen Mathematik gehört nun eine genaue Analyse, an welchen Stellen
exakte Arithmetik von Vorteil und wo sie nur Zeitverschwendung ist.
38
5. Anwendungen
Ersetzt man die exakte Rechnung durch inexakte Rechnung, so beschleunigt das die Rechnung mit
der Sekantenmethode ungemein (man teste etwa (loese -2.0 -1.0)). Jedoch hat man dann mit ganz
anderen Problemen zu kämpfen. So zum Beispiel mit dem numerischen Unterschied bei der Berechnung
von mathematisch äquivalenter Formeln.
Bei der Berechnung der verbesserten Näherung verwenden wir die Formel:
xn+1 = xn − f (xn )
xn − xn−1
f (xn ) − f (xn−1 )
Die mathematisch äquivalente Formel
xn+1 =
xn−1 f (xn ) − xn f (xn−1 )
f (xn ) − f (xn−1 )
die also bei exakter Arithmetik auch die gleichen Werte liefert, ergibt mit inexakten Zahlen ein bedeutend
schlechteres Konvergenzverhalten. Der Grund liegt einfach darin, daß der feine Unterschied zwischen xn
und xn−1 der im Laufe der Iteration erreicht wird, durch die sehr viel gröberen Unterschiede zwischen
f (xn ) und f (xn−1 ) zugedeckt werden können.
Viele weitere interessante Beobachtungen können beim Experimentieren mit numerischem Rechnen in
Scheme gewonnen werden. So ist z.B. die Sekantenmethode angewandt auf die Endpunkte des Intervalls,
statt auf die beiden letzten Näherungswerte, eher schlechter ist als die der Regula Falsi. Die Analyse der
auftretenden Phänomene übersteigt aber oft den Rahmen der Schulmathematik. Der interessierte Leser
sei auf das Buch [4] verwiesen.
5.2 Iteration über Listen
Ein wesentliches Merkmal der Programmiersprache Scheme ist nicht nur die besondere Behandlung von
Funktionen als Datentypen, womit Scheme das funktionale Programmieren ermöglicht, sondern auch
die bevorzugte Behandlung von Listen als eingebauter Datentyp. In vielen Programmiersprachen ist
die besondere Bedeutung von Paaren, und damit Listen, als grundlegender Datentyp nicht erkannt und
somit wird dieser Datentyp in der Sprache auch nicht besonders unterstützt. Wer Scheme als zweite
”
Programmiersprache“ lernt, muß deswegen gerade hier neu dazu lernen. Um den Übergang zu erleichtern,
wollen wir nun die Unterschiede bei der Listenprogrammierung anhand eines Beispiels verdeutlichen.
Betrachten wir dazu folgende Aufgabe: Gegeben ist eine Liste von Zahlen. Man drucke diese Liste
zeilenweise aus, schließe die Ausgabe mit einem Strich ab und setze unter den Strich die Summe der
Zahlen. Mit der Liste 4, 2, 5, 1 ergibt sich damit die Ausgabe
4
2
5
1
========
12
Zuerst betrachten wir eine Lösung, wie man sie etwa in der Programmiersprache Pascal erstellen würde.
Es werden zwei Schleifen verwendet, die erste zur Ausgabe, die zweite zur Summation. Es ist klar, daß
man auch mit einer einzigen Schleife auskommen kann, aber wir möchten im weiteren zwei verschiedene
Techniken zur Behandlung von Schleifen aufzeigen.
; iterative Loesung
(define (total zahlen)
(do ((i 0 (+ i 1)))
((= i (length zahlen)))
(display (list-ref zahlen i)) (newline))
(display "=======") (newline)
5.2 Iteration über Listen
(do ((i 0
(sum
((= i
(set!
39
(+ i 1))
0))
(length zahlen)) (display sum) (newline))
sum (+ sum (list-ref zahlen i)))))
Diese Lösung ist gut, weil sie einen einheitlichen Programmierstil verwendet und konsequent umsetzt.
Jeder Leser dieses Programms – soweit er mit dem entsprechenden Programmierstil vertraut ist –, ist in
der Lage, die Funktion zu verstehen und bei Bedarf auch anzupassen.
Die nächste Lösung, beruht darauf, daß eine Liste in der Tat eine rekursive Datenstruktur ist, denn
eine Liste, wenn es nicht die leere Liste ist, besteht aus dem ersten Element und einer Liste (dem Rest).
; rekursive Loesung
(define (total zahlen)
(define (print zahlen)
(if (pair? zahlen)
(begin
(display (car zahlen)) (newline)
(print (cdr zahlen)))))
(define (sum zahlen)
(if (null? zahlen)
0
(+ (car zahlen) (sum (cdr zahlen)))))
(print zahlen)
(display "=======") (newline)
(display (sum zahlen)) (newline))
Auch diese Lösung bedient sich eines konsequenten Stils. Die Verwendung der Rekursion erzwingt die
Verwendung einer eigenen Funktion für jede Schleife. Hätten wir uns oben entschlossen, das Problem
mit nur einer Schleife zu programmieren, so wären wir hier auch mit nur einer Funktion ausgekommen.
Die Einführung von eigenen Funktionen für die Schleifen ist nicht unbedingt negativ zu sehen. Daraus
entsteht ein durchaus heilsamer Zwang, über die Strukturierung der Funktion nachzudenken, und die
gefundene Struktur im gewonnenen Programm deutlich sichtbar zu machen.
Die rekursive Implementierung hat den großen Vorteil, daß sie die sequentielle Natur des Zugriffs auf
eine Liste nutzt anstatt sie mittels list-ref zu umgehen. Für grosse Listen wird sich das auch in der
Laufzeit der beiden Lösungen niederschlagen. Da list-ref zur Bestimmung des i-ten Listenelements eine
Laufzeit proportional zu i hat (sequentieller Zugriff), hat die iterative Lösung eine Laufzeit proportional
zum Quadrat der Listenlänge. Hingegen ist die Laufzeit der rekursive Lösung nur linear in der Listenlänge.
Bei beiden Lösungen störend ist jedoch der große Verwaltungsaufwand, der sich einmal in der Behandlung der Laufvariable i und dann in der Verwendung von car, cdr, pair? und null? zeigt. Scheme bietet
aber eingebaute Funktionen, die direkt die Iteration über Listen unterstützen. Die Funktionen apply und
map bieten spezielle Kontrollstrukturen zur Verarbeitung von Listen.
apply nimmt eine Funktion und eine Liste und verwendet die Liste als Parameter für einen Aufruf
der gegebenen Funktion. Dies ist besonders nützlich, da viele eingebaute Funtionen eine variable Anzahl
von Argumenten erlauben, und es in Scheme auch für den Anwender einfach und effizient möglich ist,
neue Funktionen mit variabler Parameterliste zu schreiben.
map nimmt eine Funktion und eine Liste und wendet die Funktion auf jedes einzelne Element der Liste
an. map ist also das allgemeine Schleifenkonstrukt für Listen. Als Ergebnis liefert map, wie nicht anders
zu erwarten, die Liste der Einzelergebnisse.
; Loesung mit map und apply
(define (total zahlen)
(map (lambda (x)
(display x) (newline))
zahlen)
(display "=======") (newline)
40
5. Anwendungen
(display (apply + zahlen)) (newline))
Diese Lösung ist nicht nur die kürzeste und schnellste, sie ist auch sehr übersichtlich und damit leicht
zu lesen und zu modifizieren. Der Verwaltungsaufwand für die Schleifen fällt vollständig weg. Damit
entfällt auch die Quelle vieler möglicher Fehler bei der Initialisierung, der Schleifenfortschaltung und dem
Abbruchkriterium. Eine Endlosschleife ist von vorne herein ausgeschlossen.
5.3 Endliche Mengen
Mengen kann man auf viele verschiedene Arten repräsentieren. Hierbei sind in erster Linie Effizienzgesichtspunkte zu beachten.
Wir verwenden die Methode der Datenabstraktion. Das heißt, daß wir Mengen ausschließlich mit den
Operationen
adjoin-set, empty-set, element-of-set?, empty-set?, union-set und intersection-set
bearbeiten.
Als erstes implementieren wir Mengen als ungeordnete Listen.
(define empty-set ’())
(define (empty-set? set) (null? set))
(define (element-of-set? x set)
(cond ((empty-set? set) #f)
((equal? x (car set)) #t)
(else (element-of-set? x (cdr set)))))
(define (adjoin-set x set)
(if (element-of-set? x set)
set
(cons x set)))
(define (intersection-set set1 set2)
(cond ((or (empty-set? set1) (empty-set? set2)) empty-set)
((element-of-set? (car set1) set2)
(cons (car set1)
(intersection-set (cdr set1) set2)))
(else (intersection-set (cdr set1) set2))))
Beispiel 5.3.1. Klasse 12: Mengen als ungeordnete Listen. Man implementiere entsprechend union-set
für die Darstellung von Mengen als ungeordnete Listen.
Unter Effizienzgesichtspunkten ist diese Implementierung nicht sehr befriedigend. Die Grundoperation
element-of-set? benötigt n Schritte, um eine Menge bestehend aus n Elementen daraufhin zu prüfen,
ob das gegebene Objekt Element der Menge ist. Die benötigte Zeit wächst also wie O(n), wenn n die
Größe der Menge ist. Die Operation adjoin-set, die element-of-set? verwendet, braucht also auch
O(n) viele Schritte. Die Operation intersection-set verwendet für jedes Element von set1 einen Test
element-of-set?, braucht also insgesamt O(n2 ) viele Schritte. Dasselbe gilt für union-set.
Als nächstes implementieren wir Mengen als geordnete Listen. Dafür ist es notwendig, daß wir eine
lineare Ordnung der Elemente gegeben haben. Man könnte etwa die lexikographische Ordnung für Symbole verwenden. Zur Vereinfachung nehmen wir hier an, daß nur ganze Zahlen als Elemente in Frage
kommen.
(define (element-of set? x set)
(cond ((empty-set? set) #f)
5.3 Endliche Mengen
41
((= x (car set)) #t)
((< x (car set)) #f)
(else (element-of set? x (cdr set)))))
Im Mittel benötigt man nur halb soviele Schritte wie bei der Implementierung von Mengen durch ungeordnete Listen. Dies ist aber immer noch von der Größenordnung O(n).
Eine wesentlich größere Beschleunigung erhält man bei der Durchschnittsbildung:
(define (intersection-set set1 set2)
(if (or (empty-set? set1) (empty-set? set2))
empty-set
(let ((x1 (car set1))
(x2 (car set2)))
(cond ((= x1 x2)
(cons x1 (intersection-set (cdr set1) (cdr set2))))
((< x1 x2)
(intersection-set (cdr set1) set2))
((> x1 x2)
(intersection-set set1 (cdr set2)))))))
Diese Implementierung braucht nur noch O(n) viele Schritte.
Beispiel 5.3.2. Klasse 12: Mengen als geordnete Listen. Man gebe eine entsprechende O(n)-Implementierung von union-set für die Darstellung von Mengen als geordnete Listen.
Schließlich implementieren wir Mengen als binäre Bäume. Hierbei wird an jeden Knoten ein Element
geschrieben, und es wird verlangt, daß der linke Teilbaum nur kleinere, der rechte Teilbaum nur größere Elemente enthält. Wenn dann der Baum ausgeglichen“ (oder balanziert) ist, benötigt die Abfrage
”
element-of set? nur noch O(log n) viele Schritte.
(define
(define
(define
(define
(define
(define
(entry tree) (car tree))
(left-branch tree) (cadr tree))
(right-branch tree) (caddr tree))
(make-tree entry left right) (list entry left right))
empty-set ’())
(empty-set? set) (null? set))
(define (element-of set? x set)
(cond ((empty-set? set) #f)
((= x (entry set)) #t)
((< x (entry set))
(element-of-set? x (left-branch set)))
((> x (entry set))
(element-of-set? x (right-branch set)))))
Das Hinzufügen eines Elements zu einer Menge wird ähnlich vorgenommen und erfordert ebenfalls
O(log(n)) viele Schritte.
(define (adjoin-set x set)
(cond ((empty-set? set) (make-tree x ’() ’()))
((= x (entry set)) set)
((< x (entry set))
(make-tree (entry set)
(adjoin-set x (left-branch set))
(right-branch set)))
((> x (entry set))
(make-tree (entry set)
(left-branch set)
(adjoin-set x (right-branch set))))))
42
5. Anwendungen
Die Durchschnittsbildung benötigt allerdings O(n log(n)) viele Schritte.
Ein Problem der Darstellung von Mengen als binäre Bäume besteht darin, daß die angegebenen
Schranken für die Schrittzahlen nur dann zutreffen, wenn die Bäume tatsächlich ausgeglichen sind. Dies
können wir zwar erwarten, wenn man Elemente zufällig“ hinzufügt, aber man kann natürlich nicht sicher
”
sein. Ein Ausweg besteht darin, daß man nach jeweils einigen Hinzufügungsschritten eine Operation
einschaltet, die eventuell unausgeglichene Bäume in ausgeglichene umformt.
5.4 Kombinatorik
Wir haben in den Beispielen 4.1.4 und 4.1.5 schon zwei Grundaufgaben der Kombinatorik behandelt. Als
Ergänzung möge noch das folgende Beispiel dienen.
Beispiel 5.4.1. Klasse 11: Münzen-Wechseln. Wir schreiben ein Programm, das berechnet, auf wie viele
Arten man 1 DM in Münzen wechseln kann. Es sei b = zu wechselnder Betrag, mm = Liste der Münzarten.
(define (w b mm)
(cond ((zero? b) 1)
((or (< b 0) (null? mm)) 0)
(else (+ (w b (cdr mm)) (w (- b (car mm)) mm)))))
(define mm ’(100 50 10 5 2 1))
(w 10 mm) ==> 11
(w 100 mm) ==> 2499
5.5 Programme aus Beweisen
Wir wollen diskutieren, wie man Existenzbeweise als Programme verwenden (d.h. interpretieren) kann.
Im nächsten Abschnitt 5.6 zeigen wir, daß und wie diese in Beweisform gegebenen und deshalb extrem
”
kommentierten“ Programme bei Vorliegen von zusätzlichen Informationen über die Daten verändert
werden können.
Ein Wort der Vorsicht ist jedoch am Platz: es handelt sich hier um eine im Prinzip“ anwendbare
”
Methode, die zur Zeit Gegenstand der Forschung ist und deren praktische Relevanz noch nicht abgeschätzt
werden kann.
Ein weiteres Wort der Vorsicht: Ein (klassischer) Beweis für ∀x∃y A liefert i.a. kein Programm zur
Berechnung von y aus x. Als Beispiel betrachten wir die folgende Aussage.
Es gibt irrationale Zahlen a, b mit ab rational.
Einen Beweis
erhält man wie folgt durch Fallunterscheidung.
√ √2
√
√
Fall 2 ist rational. Man wähle a = 2 und b = 2. Dann sind a, b irrational, und nach Annahme
ist ab rational.
√
√ √2
√ √2
Fall 2 ist irrational. Man wähle a = 2 und b = 2. Dann sind nach Annahme a, b irrational,
und
√ √2 ‘√2 √ ‘2
b
2
=
2 =2
a =
u
t
ist rational.
√ √2
Solange wir nicht entschieden haben, ob 2 nun rational ist oder nicht, wissen wir nicht, welche
Zahlen a, b wir nehmen müssen. Damit haben wir ein Beispiel eines Existenzbeweises, der es nicht erlaubt,
das als existent nachgewiesene Objekt auch tatsächlich anzugeben.
Ein einfaches Gegenbeispiel, das tatsächlich die Unmöglichkeit der allgemeinen Ablesbarkeit von Programmen aus klassischen Existenzbeweisen nachweist, wurde von Kreisel angegeben. Dazu verwenden
5.5 Programme aus Beweisen
43
wir ein Ergebnis aus der Theorie der Berechenbarkeit (Rekursionstheorie): man kann eine entscheidbare
Relation R angeben, für die { x | ∃yR(x, y) } unentscheidbar ist.
Offenbar gilt schon in der (Minimal-)Logik
` ∀x∃y∀z.R(x, z) → R(x, y).
(dies ergibt sich aus ` ∃z R(x, z) → ∃y R(x, y) mit den bekannten Regeln über das Herausziehen von
Quantoren aus Implikationen). Gäbe es nun eine berechenbare Funktion f so daß
∀x, z.R(x, z) → R(x, f (x)),
in N gilt, so wäre { x | ∃yR(x, y) } entscheidbar, denn ∃z R(x, z) wäre wahr genau dann, wenn R(x, f (x))
ist. – Wir müssen uns also auf Formeln der Gestalt
∀x∃y A
mit A quantorenfrei
beschränken.
Ein Beispiel aus dem Bereich der diskreten Programmierung ist das in Abschnitt 5.6 behandelte Wall
Street Problem. Hier ist das Prinzip der Programmextraktion recht leicht einzusehen.
Man kann aber auch Gegenstände der Analysis, etwa Existenzsätze über reelle Zahlen, für die Programmextraktion verwenden. Als Beispiel behandeln wir einen konstruktiven Beweis des Zwischenwertsatzes; zu dem verwendeten Konzept einer konstruktiven Analysis findet man ausführliche Angaben in
[3]. Zunächst einige Definitionen.
Ein kompaktes Intervall hat die Form
[a, b] := { x ∈ R | a ≤ x ≤ b }
mit a, b ∈ R, a < b. Ein endliches Intervall ist ein kompaktes Intervall oder hat die Form
(a, b) := {x ∈ R|a < x < b}
[a, b) := {x ∈ R|a ≤ x < b}
(a, b] := {x ∈ R|a < x ≤ b}
mit a, b ∈ R, a < b. Ein Intervall ist ein endliches Intervall oder hat die Form
(−∞, a) := {x ∈ R|x < a}
(−∞, a] := {x ∈ R|x ≤ a}
(a, ∞) := {x ∈ R|a < x}
[a, ∞) := {x ∈ R|a ≤ x}
(−∞, +∞) := R
mit a ∈ R.
Sei I ein Intervall. Eine Funktion f : I → R heißt stetig, wenn f auf jedem kompakten Teilintervall
[a, b] ⊆ I gleichmäßig stetig ist, d.h.
∀ε∃∗ δ∀x, y∈[a, b].|x − y| ≤ δ → |f x − f y| ≤ ε.
ω : Q+ → Q+ heißt Modul der gleichmäßigen Stetigkeit von f auf [a, b], wenn gilt
∀ε∀x, y ∈ [a, b](|x − y| ≤ ωε → |f x − f y| ≤ ε).
Beispiele:
1. Jede konstante Funktion sowie die Indentität sind offenbar stetige Funktionen auf R.
44
5. Anwendungen
2. Sei f : R+ → R definiert durch f (x) = x1 . f ist stetig, denn gilt 0 <η a < b (wobei 0 <η a bedeutet
η < a − 0 mit 0 < η ∈ Q), so hat man für x, y ∈ [a, b]
Œ
1 ŒŒ |y − x|
Œ1
Œ − Œ=
x y
|xy|
1
≤ 2 |x − y|
η
ε
≤ ε für |x − y| ≤ 2 .
η
3. Sei f : R → R definiert durch
f (x) =
∞
X
xi
i=0
P∞
xi
i=0 i!
=: ex .
i!
f ist wohldefiniert, denn
ist eine Cauchyfolge reeller Zahlen, die einen eindeutig bestimmten
Grenzwert besitzt. f ist stetig, denn hat man a < b, so gilt mit c := max(|a|, |b|) für x, y ∈ [a, b]
∞
∞
∞
ŒX
X
xi−1 + xi−2 y + · · · + y i−1 ŒŒ
xi X y i ŒŒ ŒŒ
Œ
y)
−
−
=
Œ Œ(x
Œ
Œ
i!
i!
i!
i=1
i=0
i=0
≤ |x − y|
= |x − y|
≤ε
∞
X
ici−1
i=1
∞
X
j=0
i!
cj
j!
für |x − y| ≤
ε
ec .
Lemma 5.5.1. Sei f eine stetige Funktion auf einem kompakten Intervall [a, b]. Dann findet man
sup{ f (x) | x ∈ [a, b] }.
Beweis. Es genügt zu zeigen, daß { f (x) | x ∈ [a, b] } total beschränkt“ (s. [3]) ist. Sei also ε gegeben.
”
1
Man wähle m mit m
≤ ωε, ω Modul der gleichmäßigen Stetigkeit von f auf [a, b], und setze ai := a+i b−a
m
für i ≤ m. Wir zeigen, daß {f (a0 ), f (a1 ), . . . , f (am )} ein ε-Netz“ (s. [3]) für { f (x) | x ∈ [a, b] } ist. Sei
”
also f (x) mit x ∈ [a, b] gegeben. Zu x findet man (durch Approximation von x und den ai ) ein j ≤ m
1
1
t
u
mit |x − aj | ≤ m . Wegen m ≤ ωε folgt |f (x) − f (aj )| ≤ ε.
Bemerkung. Hieraus folgt, daß jedes Polynom
f (x) := am xm + am−1 xm−1 + . . . + a1 x + a0
auf R stetig ist. Ferner folgt, daß mit f auch |f | = max(f, −f ) stetig ist.
Satz 5.5.2. (Schwache Form des Zwischenwertsatzes). Sei f : [a, b] → R stetig, a < b, und es gelte
f (a) <η 0 <η f (b). Dann folgt
∀ε∃∗ c∈[a, b]. |f (c)| ≤ ε.
Beweis. Sei ε gegeben; wir können ε ≤ y annehmen. Zu ε wähle man δ mit
|x − y| ≤ δ → |f (x) − f (y)| ≤ ε.
[a, b] teile man ein in a = a0 < a1 < . . . < am = b mit |ai+1 − ai | ≤ δ. Wir vergleichen jetzt jedes f (ai )
mit − 2ε < 2ε . Nach Annahme ist 0 <ε f (am ); daher können nicht alle f (ai ) < 2ε sein. Es ist f (a0 ) < 2ε .
Sei also j minimal mit
ε
ε
f (aj ) < , − < f (aj+1 ).
2
2
Wir vergleichen jetzt f (aj ) mit −ε < − 2ε und f (aj+1 ) mit 2ε < ε.
Fall 1. −ε < f (aj ). Dann ist |f (aj )| < ε.
Fall 2. f (aj+1 ) < ε. Dann ist |f (aj+1 )| < ε.
Fall 3. f (aj ) < − 2ε und 2ε < f (aj+1 ). Dann ist |f (aj+1 ) − f (aj )| > ε, was wegen |aj+1 − aj | ≤ δ nicht
sein kann. Fall 3 kann also nicht eintreten.
u
t
5.5 Programme aus Beweisen
45
Satz 5.5.3. (Zwischenwertsatz für monotone Funktionen). Sei f : [a, b] → R stetig, a < b, und es gelte
f (a) < 0 < f (b). Ferner sei f streng monoton, d.h.
∀x, y∈[a, b].x < y → f (x) < f (y).
Dann findet man eine Nullstelle c von f in [a, b], d.h.
∃∗ c∈[a, b]. f (c) = 0.
Beweis. OBdA seien a, b ∈ Q. Wir konstruieren c, d : N → Q so, daß für alle m gilt
1. a = c0 ≤ c1 ≤ . . . ≤ cm < dm ≤ . . . ≤ d1 ≤ d0 = b,
2. f (cm ) < 0 <€ f(dm ),
m
3. dm − cm = 23
(b − a).
Seien c0 , . . . , cm , d0 , . . . , dm bereits konstruiert, so daß (1)–(3) gelten. Sei x = cm + 31 (dm − cm ), y =
cm + 32 (dm −cm ). Nach Voraussetzung ist f (x) < f (y). Fall 1: 0 < f (y). Setze cm+1 := cm , dm+1 := y. Fall
2: f (x) < 0. Setze cm+1 := x, dm+1 := dm . Offenbar gelten dann wieder (1)–(3). c ist eine Cauchyfolge,
denn für m ≥ n gilt
|cm − cn | = cm − cn
≤ dn − cn
€ 2 n
≤
(b − a).
3
Ebenso sieht man, daß d eine Cauchyfolge ist. c = d ergibt sich aus (3), und aus (2) folgt f (c) ≤ 0 ≤ f (d),
also f (c) = 0
u
t
Aus diesem Beweis des Zwischenwertsatzes ergibt sich im Falle der Exponentialfunktion f (x) = ex
folgendes Programm zur Berechnung des natürlichen Logarithmus
(define (runde a b) ; berechnet n mit |n - a/b| <= 1/2
(let ((q (quotient a b))
(r (remainder a b)))
(if (> (+ r r) b) (+ q 1) q)))
(runde 77 4) ==> 19
(define (ln2-approx k)
(let ((zehn^k (expt 10 k)))
(do ((j 0 (+ j 1))
(zwei^j 1 (* 2 zwei^j))
(drei^j 1 (* 3 drei^j))
(p_j 0 (let* ((u_j (+ (* 3 p_j) zwei^j))
(v_j (+ u_j zwei^j)))
(do ((i 0 (+ i 1))
(u_j^i 1 (* u_j u_j^i))
(v_j^i 1 (* v_j v_j^i))
(z_i 1 (+ (* (+ i 1) 3 drei^j z_i)
(* u_j u_j^i)))
(w_i 1 (+ (* (+ i 1) 3 drei^j w_i)
(* v_j v_j^i)))
(drei^j+1i 1 (* 3 drei^j drei^j+1i))
(rechts #f (< (* i z_i)
(* drei^j+1i (- (* 2 i i!) 1))))
(links #f (> (* i w_i)
(* drei^j+1i (+ (* 2 i i!) 1))))
46
5. Anwendungen
(i! 1 (* (+ i 1) i!)))
((or rechts links) (newline)
(if rechts (+ (* 3 p_j) zwei^j) (* 3 p_j)))
(display " i=") (display i)))))
((< (* 6 zwei^j zehn^k) drei^j) (newline)
(display "ln(2)*10^") (display k)
(display " ist bis auf 1 genau ")
(runde (* p_j zehn^k) drei^j))
(display "j=") (display j))))
(ln2-approx 20) ==> ln(2)*10^20 ist bis auf 1 genau 69314718055994530942
5.6 Programmentwicklung durch Beweistransformation
Wir betrachten das folgende einfache aber reale Programmierproblem, das sogenannte Wall Street Problem (oder Maximalsegmentproblem) aus [2]:
Nehmen wir an, wir haben eine Million Dollar zur Verfügung. Wir wollen feststellen, in welchem Zeitintervall wir diese Summe am besten in Aktien investiert hätten. Das soll heißen, in
welchem Zeitintervall hätten wir den höchsten Spekulationsgewinn gemacht. Zur Verfügung stehen uns die täglichen Angaben über den Dow–Jones Index.
Wir wollen hier anhand dieses einfachen Beispiels einen besonderen Aspekt der Gewinnung von Programmen aus Beweisen demonstrieren, nämlich die Möglichkeit, allgemeine Programme an spezielle Situationen
anzupassen und sie dabei – auch extensional – zu verändern. Daß dies möglich ist, wurde zuerst von Goad
in seiner Dissertation [8] bemerkt.
Zu einer gegebenen Folge x0 , x1 , . . . , xn ganzer Zahlen ist also ein maximales Segment zu finden, d.h.
eine durch Indizes i und k mit i ≤ k bestimmte Teilfolge aufeinander folgender Glieder, so daß die Summe
xi + · · · + xk maximal ist. – Wir wollen diese Aufgabe zunächst durch eine logische Formel spezifizieren.
Sei xi die Differenz der Dow–Jones Indizes der Tage i + 1 und i. Dann haben wir folgendes Maximalsegmentproblem zu betrachten. Gegeben sei eine Folge x0 , x1 , . . . , xn , . . . ganzer Zahlen, also xi ∈ Z.
Dann gibt es ein maximales Segment xi + · · · + xk (mit i ≤ k ≤ n).
∀
∃
≤
seg(i, k)
für alle natürlichen Zahlen
es gibt eine natürliche Zahl
ist kleiner oder gleich
Segment xi + · · · + xk
∀n∃i, k(i ≤ k ≤ n ∧ ∀i0 , k 0 .i0 ≤ k 0 ≤ n → seg(i0 , k 0 ) ≤ seg(i, k)].
Hier haben wir zur Abkürzung z.B. ∃i, k für ∃i∃k und i ≤ k ≤ n für i ≤ k ∧ k ≤ n geschrieben.
Wir geben jetzt eine arithmetische Herleitung dieser Existenzaussage an. Hier spielen Induktionsschlüsse eine wesentliche Rolle.
Zunächst formulieren wir die Behauptung etwas allgemeiner und verwenden anstelle von xi + · · · + xk
ein beliebiges Maß seg(i, k) für xi , . . . , xk , also eine Abbildung seg : N × N → X, wobei X eine beliebige
(partiell) geordnete Menge ist.Q
Gesucht sind dann i, k so daß seg(i, k) maximal in X ist. Ein Beispiel ist
etwa xi ∈ Q+ und seg(i, k) := i≤j≤k xj .
Natürlich kann man dieses Problem einfach durch Probieren aller Möglichkeiten lösen; dies sind O(n2 )
viele. Dieser trivialen Lösung entspricht auch der im folgenden angegebene Beweis für die allgemeine
Behauptung. Genauer heißt dies: Aus dem konstruktiv geführten Beweis kann man einen Algorithmus
ablesen, der dem simplen Durchprobieren entspricht.
Wir wollen dann anschließend zeigen, daß für unser konkretes Problem mit der Summe xi + · · · + xk
als Maß der Beweis sich vereinfachen läßt, indem man an geeigneten Stellen die Monotonie der Summe
verwendet. Aus diesem vereinfachten Beweis läßt sich dann ein besserer Algorithmus ablesen, der nur
noch O(n) viele Schritte benötigt. Wir haben also hier durch Anpassen eines allgemeinen Beweises an
5.6 Programmentwicklung durch Beweistransformation
47
eine spezielle Situation erreicht, daß der aus dem Beweis abzulesende Algorithmus wesentlich verbessert
wurde.
Wir skizzieren zuerst den allgemeinen (und trivialen) Beweis. Zu zeigen ist
Lemma 5.6.1. (Spezifikation).
∀n∃i, k.i ≤ k ≤ n ∧ ∀i0 , k 0 .i0 ≤ k 0 ≤ n → seg(i0 , k 0 ) ≤ seg(i, k).
Beweis. Induktion über n. Der Induktionsanfang ist trivial, und im Schritt bestimmt man zunächst
ein maximales Endsegment von x0 , . . . , xn , xn+1 und bildet dann das Maximum von diesem maximalen
Endsegment und dem nach IH gegebenen maximalen Segment.
u
t
Die erste Feststellung ist hier, daß man sowieso neben dem gesuchten maximalen Segment auch noch
das maximale Endsegment berechnen muß. Es liegt deshalb nahe, die Spezifikation entsprechend zu
erweitern.
Lemma 5.6.2. (Erweiterte Spezifikation). Für alle n gilt
∃i, k.i ≤ k ≤ n ∧ ∀i0 , k 0 .i0 ≤ k 0 ≤ n → seg(i0 , k 0 ) ≤ seg(i, k)
∃j≤n∀j 0 ≤n seg(j 0 , n) ≤ seg(j, n)
(5.1)
(5.2)
Beweis. Induktion über n. Fall 0. Wähle i = k = 0 und j = 0. Fall n + 1. Nach IH haben wir bereits
in , kn sowie jn .
Wir wollen zunächst jn+1 konstruieren, haben also zu zeigen
∃j≤n + 1∀j 0 ≤n + 1 seg(j 0 , n + 1) ≤ seg(j, n + 1).
(5.3)
Da uns jn hier offensichtlich nicht weiterhilft, verallgemeinern wir die Behauptung (5.3) so, daß wir sie
durch eine Nebeninduktion beweisen können, nämlich zu
∀m≤n + 1∃`≤m∀`0 ≤m seg(`0 , n + 1) ≤ seg(`, n + 1).
(5.4)
Den Beweis führen wir durch Nebeninduktion nach m, wobei n als Parameter festgehalten wird. Fall 0.
Wähle ` = 0. Fall m + 1. Nach NIH haben wir bereits ein `m . Ist seg(`m , n + 1) < seg(m + 1, n + 1), so
sei `m+1 := m + 1; andernfalls setzen wir `m+1 := `m . – Damit ist (5.4) bewiesen, und mit m := n + 1
können wir unser gesuchtes jn+1 definieren als jn+1 := `n+1 .
Jetzt können wir in+1 , kn+1 konstruieren. Ist seg(jn+1 , n + 1) < seg(in , kn ), so nehmen wir das alte
maximale Segment und setzen in+1 := in , kn+1 := kn ; andernfalls ist das maximale Endsegment das
maximale Segment und wir setzen in+1 := jn+1 , kn+1 := n + 1.
u
t
Offenbar ist der diesem Beweis entsprechende Algorithmus quadratisch.
Wir wollen jetzt zeigen, wie man bei zusätzlichen Kenntnissen über die Eingangsdaten den Beweis
vereinfachen kann. In unserer Ausgangssituation galt
(xi + · · · + xk ≤ xj + · · · + xk ) → (xi + · · · + xk + xk+1 ≤ xj + · · · + xk + xk+1 ).
Wir betrachten deshalb den Spezialfall
∀i, j, k.seg(i, k) ≤ seg(j, k) → seg(i, k + 1) ≤ seg(j, k + 1).
(5.5)
Diese Zusatzannahme ermöglicht es uns, die Existenz (5.3) eines maximalen Endsegments direkter zu
beweisen, und zwar
– ohne Verwendung der Verallgemeinerung (5.4) und der zu ihrem Beweis nötigen Nebeninduktion, aber
– mit Hilfe der IH – also jn – und der Fallunterscheidung seg(jn , n + 1) < seg(n + 1, n + 1) bzw. ≥.
Diesen durch die Zusatzannahme (5.5) ermöglichten verkürzten Beweis wollen wir jetzt genauer durchführen. Dazu modifizieren wir den obigen Beweis wie eben beschrieben.
48
5. Anwendungen
Beweis. (Verkürzte Form). Zu zeigen ist wieder (5.1) und (5.2). Verwendet wird Induktion über n. Fall
0. Wähle i = k = 0 und j = 0. Fall n + 1. Nach IH haben wir bereits in , kn sowie jn .
Wir wollen zunächst jn+1 konstruieren, haben also zu zeigen
∃j≤n + 1∀j 0 ≤n + 1 seg(j 0 , n + 1) ≤ seg(j, n + 1).
(5.6)
Die IH liefert uns für beliebige j 0 ≤ n
seg(j 0 , n) ≤ seg(jn , n)
und deshalb aufgrund der Zusatzannahme (5.5) auch
seg(j 0 , n + 1) ≤ seg(jn , n + 1).
(5.7)
Ist nun seg(jn , n + 1) < seg(n + 1, n + 1), so sei jn+1 := n + 1. Dann haben wir für beliebiges j 0 ≤
n + 1 wie gewünscht stets seg(j 0 , n + 1) ≤ seg(jn+1 , n + 1): im Fall j 0 ≤ n folgt dies aus (5.7) und der
Fallunterscheidungsannahme, und im Fall j 0 = n + 1 ist es trivial.
Ist andererseits seg(n + 1, n + 1) ≤ seg(jn , n + 1), so setzen wir jn+1 := jn . Dann haben wir für
beliebiges j 0 ≤ n + 1 wieder seg(j 0 , n + 1) ≤ seg(jn+1 , n + 1): im Fall j 0 ≤ n ist dies gerade (5.7), und im
Fall j 0 = n + 1 ist es die Fallunterscheidungsannahme.
Jetzt können wir wie vorher in+1 , kn+1 konstruieren.
u
t
Wir wollen uns jetzt die in diesen Beweisen enthaltenen Algorithmen genauer ansehen. Wir haben
zunächst einen Existenzbeweis angegeben, der dem einfachen Durchprobieren entsprach; er enthielt zwei
übereinanderliegende Induktionen. Der durch Interpretation dieses Beweises als Programm entstehende
Algorithmus ordnet jedem n Zahlen in , kn , jn wie folgt zu.
n = 0:
n + 1:
i0 = k0 = j0 = 0
Gegeben: in , kn , jn
jn+1 := `n+1 mit


`0 := 0 (
m + 1 falls seg(`m , n + 1) < seg(m + 1, n + 1)

`m+1 :=
`m
sonst
(
(in , kn )
falls seg(jn+1 , n + 1) < seg(in , kn )
(in+1 , kn+1 ) :=
(jn+1 , n + 1) sonst
Wir haben dann zusätzliche Kenntnisse über die Daten angenommen, nämlich daß die Segmentfunktion
monoton ist (wie dies bei der Summe der Fall ist). Unter dieser Zusatzannahme ließ sich der Beweis
vereinfachen, und zwar so, daß nur noch eine Induktion auftrat. Dem vereinfachten Beweis entspricht
folgender Algorithmus:
i0 = k0 = j0 = 0
Gegeben: in , kn , jn
(
n + 1 falls seg(jn , n + 1) < seg(n + 1, n + 1)
jn+1 :=
jn
sonst
n = 0:
n + 1:
(in+1 , kn+1 )
wie eben
Wir haben also einen linearen (statt quadratischen) Algorithmus gewonnen. Man beachte, daß das von
dem verbesserten Algorithmus gelieferte maximale Segment verschieden sein kann von dem durch den
ursprünglichen Algorithmus gefundenen. Dies ist ein Effekt, der durch reine Programmtransformation
(etwa partielle Auswertung) prinzipiell nicht erreicht werden kann.
5.7 Ausblick
49
5.7 Ausblick
Viele weitere Gegenstände können im Gymnasialunterricht unter Zuhilfenahme von Scheme behandelt
werden. Beispiele sind:
– Die Lösungen einer quadratischen Gleichung mit Fallunterscheidung und Ausgabe der beiden Lösungen.
– In der Geometrie können die Volumina zusammengesetzter Körper sehr gut mit den zugehörigen Formeln ermtittelt werden. Die Gesamtformel, die von Hand berechnet werden muß, kann zusätzlich überprüft werden. Weitere lohnende Gegenstände in der Geometrie sind etwa der Schnitt Ebene–Gerade,
die Hesse-Normalform und die Vektorrechnung.
– In Jahrgangstufe 10 bieten dann die approximative Berechnung von π (etwa durch In- und Umkreise
von 2n -Ecken), sowie Flächen und Volumenberechnungen ein weites Anwendungsfeld. Zusätzlich sollten
exponentielles Wachstum sowie geometrische Folgen und Reihen vorkommen.
– Die Oberstufe, in der man eigentlich die Früchte seiner Arbeit ernten sollte, gestaltet sich momentan immer mehr zur programmierfreien Zone. Der Grenzwertbegriff, die Sekanten- und Tangentensteigung, das
Lösen von linearen Gleichungssystemen (Gauß-Algorithmus, wird auch für 3 und mehr Unbekannte gebraucht), das bestimmte Integral, die Simulation und Auswertung von Zufallsexperimenten (Glücksrad,
Roulette, Ziegenproblem), das Rechnen mit Vektoren liefern eine Fülle von Anwendungsmöglichkeiten.
– Symbolisches Differenzieren, mit Ausdrucken des Lösungsweges.
– Datenstrukturen, Konstruktoren und Selektoren. Es sollte aufgezeigt werden, daß die Inhalte des
Grundkurses Mathematik/Informatik erarbeitet werden können (Markovketten).
– Erstellung eigenständiger Scheme-Programme.
– Ausblicke auf die weiteren Möglichkeiten von Scheme, wie etwa das Schreiben eines eigenen Interpreters
oder andere komplexe Projekte etwa bei Facharbeiten; siehe dazu etwa das Skript
http://www.mathematik.uni-muenchen.de/˜schwicht/lectures/scheme/ws99/s.ps
– Simulation mit Zufallszahlen, z.B. exponentieller Zerfall.
(zerfall 0.5 ’(0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 ))
Man geht etwa wie folgt vor.
1. Drucken der Liste
2. Erzeugen einer neuen Liste wobei jedes Element aus der alten Liste mit Wahrscheinlichkeit p in die
neue Liste übernommen wird.
3. Rekursiver Aufruf von Zerfall mit der neueu Liste (oder Schleife) bis die Liste leer ist.
Dies ergibt
(zerfall 0.7 ’(0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 ))
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0
0 0 0
0 0 0
0 0
0 0
0
0
0
(zerfall 0.5 ’( S p a s s - m i t - S c h e m e - i n - d e r - S c h u l e))
S p a s s - m i t - S c h e m e - i n - d e r - S c h u l e
50
5. Anwendungen
p
p
a
a
a
a
a
a
a
l
l
s
h
h
- i t - h e e i - e - c u l
t h e - - u l
- - l
l
Literatur
1. Harold Abelson, Gerald Jay Sussman, and Julie Sussman. Struktur und Interpretation von Computerprogrammen. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 1991.
2. Joseph L. Bates and Robert L. Constable. Proofs as programs. ACM Transactions on Programming Languages
and Systems, 7(1):113–136, January 1985.
3. Errett Bishop and Douglas Bridges. Constructive Analysis, volume 279 of Grundlehren der mathematischen
Wissenschaften. Springer, Berlin, 1985.
4. Björck and Dahlquist. Numerische Methoden. Oldenbourg Verlag, München, Wien, 1972.
5. Matthias Felleisen, Robert Bruce Findler, Matthew Flatt, and Shriram Krishnamurthi. How to Design
Programs. An Introduction to Programming and Computing. MIT Press, 2000. Also available under URL
http://www.cs.rice.edu/CS/PLT/Teaching/Lectures/Released/Book/.
6. Otto Forster. Analysis 1. Vieweg, 1999. 5-te Auflage.
7. Daniel P. Friedman and Matthias Felleisen. The Seasoned Schemer. MIT Press, 1996.
8. Christopher Alan Goad. Computational uses of the manipulation of formal proofs. PhD thesis, Stanford
University, August 1980. Stanford Department of Computer Science Report No. STAN–CS–80–819.
9. Richard Kelsey, William Clinger, and Jonathan Rees (Editors). Revised5 Report on the Algorithmic Language
Scheme, 1998. http://www.swiss.ai.mit.edu/projects/scheme/.
10. Donald E. Knuth. The Art of Computer Programming, volume 2: Seminumerical Algorithms. Addison Wesley,
3 edition, 1998.
Index
– Auflösen von Klammern, 7
– Kreisumfang, 5
– Sieb des Erathostenes, 33
Klasse 8
– Gleichungen, 12
– Intervalle I, 12
– Intervalle II, 12
– Mausklick, 13
– Pascalsches Dreieck, 27
– Wertetabellen, 27
Klasse 9
– Abhängige Größen I, 7
– Abhängige Größen II, 8
– Heron-Formel, 16
Kombination, 4
Konstruktor, 25
Kontrakt, 9
Akkumulator, 15
apply, 27
Baum, 26
Baumrekursion, 18
Binomialkoeffizienten, 19
boolescher Wert, 11, 12
car, 25
cdr, 25
cons, 25, 26
do-Schleife, 21
DrScheme, 1
endrekursiv, 15
Fehler, 8
Fibonacci-Zahlen, 18
lambda, 27
Liste, 26, 29, 38, 39
– Element einer, 26
– leere, 26
Logarithmus, 45
Klasse 10
– Bedingungen mit Variablen, 11
– boolesche kombinationen, 11
– Fehlermeldungen I, 9
– Fehlermeldungen II, 9
– Kreisring, 6
– spezielle Formen, 11
Klasse 11
– Division von Polynomen, 30
– GgT von Polynomen, 31
– Münzen-Wechseln, 42
– Produkt von Polynomen, 30
– Skalarmultiplikation von Polynomen, 30
– Summe von Polynomen, 29
Klasse 12
– Kombinatorik: Ziehen mit Zurücklegen, 29
– Kombinatorik: Ziehen ohne Zurücklegen, 28
– Mengen als geordnete Listen, 41
– Mengen als ungeordnete Listen, 40
Klasse 5
– Gliedern von Termen, 4
– größter gemeinsamer Teiler, 16
– kleinstes gemeinsames Vielfaches, 16
Klasse 6
– Einsetzen von Termen in Terme, 6
– Quadrieren, 5
– rationale Zahlen, 25
– Taschenrechner I, 4
– Taschenrechner II, 5
– Umrechnen I, 6
– Umrechnen II, 6
Klasse 7
make-vector, 33
map, 27
Matrix, 33
Menge
– als binärer Baum, 41
– als geordnete Liste, 40
– als ungeordnete Liste, 40
Numerische Mathematik, 35, 37
Oberstufe, 49
Paar, 25
partielle Auswertung, 48
Pascalsches Dreieck, 27
polnische Schreibweise, 4
Polynom, 29
Quadratwurzel, 16
quote, 32
Quotierung, 13, 32
Ratespiele, 13
read-eval-print, 5
Regula Falsi, 35–38
Rekursion
– primitive, 15
– ungeschachtelte, 18
Rezept
52
Index
– zum Erstellen einfacher Programme, 9
Schachbrett-Problem, 21
Sekantenmethode, 36–38
Selektor, 25
spezielle Form, 11
Spiele, 13
Symbol, 13
Variable, 5
vector, 33
vector-length, 33
vector-ref, 33
vector-set, 33
Vektor, 33
Verbund, 4
Wahrheitswert, 12
Wall Street Problem, 46
53
Herunterladen