Zusammenfassung - Die Fielmann Akademie Schloss Plön

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33. Fielmann Akademie Kolloquium
ALTERSBEDINGTE
MAKULADEGENERATION
Mittwoch, 20. April 2016
Update AMD – Was wissen wir heute? 2
Prof. Dr. med. Frank G. Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn
FLA, OCT, BAF – Neue Wege in der AMD-Diagnostik
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Dipl.-Ing. (FH) Marena Löhr, Dozentin der Fielmann Akademie Schloss Plön
Low Vision Rehabilitation –
Umfassende Versorgung von AMD-Patiententen
Markus Sutter, klin. Heilpädagoge, MAS Gerontologe, Low Vision-Trainer, Leiter Rehabilitation an der Beratungs- und Rehabilitationsstelle für Sehbehinderte und Blinde des Kantons Bern, Schweiz
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33. Fielmann Akademie Kolloquium
Update AMD – Was wissen wir heute?
Prof. Dr. med. Frank G. Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn
Die altersabhängige Makuladegeneration
Komplementaktivierung und/oder Regulati-
(AMD) ist auch aufgrund der demographi-
on spielen eine zentrale Rolle. Dabei besit-
schen Entwicklung zur häufigsten Ursache
zen auch nicht-genetische Modulatoren Ein-
für schweren Sehverlust in allen Industriena-
fluss, u. a. Ernährung, BMI, erhöhte BSG/
tionen. Das Verständnis für die genetischen
CRP und Rauchen, die additiv neben den
und biologischen Ursachen und Mechanis-
genetischen Varianten zum Risiko für eine
men sowohl bei den trockenen wie auch
AMD beitragen.
den neovaskulären Manifestationsformen
der AMD konnte in den vergangenen Jah-
Weitere
relevante
Stoffwechselwege
ren deutlich erweitert werden. Die AMD
umfassen oxidative Schädigung (Faktor
zählt heute zu den am besten aufgeklärten
auch bei viele anderen neurodegenerativer
multifaktoriellen, komplexen Erkrankungen.
Erkrankungen), Angiogenese (➞ choroida-
Basierend auf den gewonnenen Erkenntnis-
le Neovaskularistation) und Apopotose (➞
sen konnten neue therapeutische Konzepte
Atrophie). Bei der trockenen AMD konnten
und diagnostische Strategien entwickelt
prädiktive, klinische Biomarker für die indi-
werden.
viduelle Progression ermittelt werden. und
darauf aufbauend erste Therapieansätze
Drusen, d. h. die Akkumulation von ex-
entwickelt werden. Choroidale Neovas-
trazellulärem Material unter dem retinalen
kularisationen (CNV) sind Ausdruck eines
Pigmentepithel, stellen ein zentrales Merk-
‚Reparaturmechanismus’
mal der frühen AMD dar. Mechanismen
Gewebes, welcher wiederum selbst zur
der Drusenbiogenese, Veränderungen der
Schädigung führt. Während die genauen
Extrazellulärmatrix der Bruchschen Mem-
Auslösemechanismen noch unklar sind,
bran sowie die Rolle toxischer Nebenpro-
konnte die Bedeutung von VEGF als Boten-
des
makulären
dukte des Sehzyklus, u. a. Retinoidderivate
stoff identifiziert und mit der Neutralisierung
wie A2-E, die altersabhängig in Phagolyso-
von VEGF ein erfolgreicher Therapieansatz
somen des retinalen Pigmentepithels (RPE)
etabliert werden. Potentiell sind im Prozess
akkumulieren und mit wichtigen Funktionen
der Entstehung von Neovaskularisationen
des RPE interferieren, konnten erhellt wer-
noch weitere ‚targets’ (z. B. PDGF) für eine
den. Analysen der molekularen Zusammen-
medikamentöse Intervention denkbar inkl.
setzung von Drusen wiesen auf relevante
einer antineovaskulären Gentherapie.
biochemische Pfade hin und trugen in
weiteren Schritten zur Aufklärung wesentli-
Auch bei der „trockenen“ AMD sind
cher genetischer Faktoren hin, die eine Be-
mittlerweile vielfältige Erkenntnisfortschritte
teiligung des Komplementsystems und von
zu verzeichnen, die bereits Eingang in neue
Entzündungsprozessen bei der AMD be-
Therapiekonzepte gefunden haben. Neue
stätigten. Neben „klassischen“ Drusen mit
bildgebende Technologien haben dabei
Akkumulation von extrazellulärem Material
wesentlich zu einer präziseren Differenzie-
unter dem RPE sind sog. „retikuläre Pseudo-
rung der verschiedenen Merkmalsausprä-
drusen“ am besten mittels SD-OCT sowie
gungen im Rahmen der „trockenen“ AMD
cSLO-basierter NIR- und Fundus-Autofluo-
beigetragen. Deren klinische Identifikation
reszenzaufnahmen erkennbar. Aberrante
ist auch bedeutsam hinsichtlich des prädik-
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tiven Werts für die Progression der Erkrankung. Für die Entwicklung aus intermediären
Stadien in eine Atrophie sind mittlerweile
ebenfalls
verschiedene
morphologische
Biomarker bekannt. Dabei gibt es bei der
Entstehung einer kompletten geographischen Atrophie vielfältige Übergangsformen, die in unterschiedlichen Bildgebungsmodalitäten fassbar sind. Eine besondere
Herausforderung stellt die Diagnosestellung
in Gegenwart von exsudativen Manifestationsformen der AMD dar. Dabei wurde
zuletzt eine hohe Inzidenz neuer Atrophien
unter anti-VEGF-Therapie berichtet. Schließlich sind auch periphere Veränderungen im
Rahmen der trockenen AMD häufig, die nur
mittels
„Widefield“-Bildgebungsverfahren
der Netzhaut erkennbar werden. Neben
der akkuraten Indikationsstellung für die
AREDS-Medikation, spielt die Bildgebung
eine ausschlaggebende Rolle bei der Selektion von Patienten für auch in Deutschland
laufende interventionelle Studien bei geographischer Atrophie (z. B. Komplementinhibition mittels Lampalizumab).
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FLA, OCT, BAF –
Neue Wege in der AMD-Diagnostik
Dipl.-Ing. (FH) Marena Löhr, Dozentin der Fielmann Akademie Schloss Plön
Die Augenheilkunde hat heute viele Mög-
und Emissionseigenschaften sowie ihre Bin-
lichkeiten, eine altersabhängige Makulade-
dungsfähigkeit an die Proteine des Blutplas-
generation zuverlässig und früh zu erken-
mas.
nen. Neben der konservativen Diagnostik
wie Visusbestimmung, Anamnese, Amsler-
Um Drusen oder zentrale Flüssigkeitsein-
Gitter und Ophthalmoskopie steht eine Rei-
lagerungen in der Netzhaut darzustellen,
he bildgebender Verfahren zur Verfügung.
eignet sich die optische Kohärenztomographie (OCT). Die OCT liefert „Schnittbilder“
Seit Mitte der 1960er Jahre gilt die Flu-
der Netzhaut. Als technische Grundlage
oreszenzangiographie (FLA) als bewährtes
bedient sich die OCT der Michelson Inter-
bildgebendes Verfahren in der Diagnostik
ferometrie. Eine superluminiszente Laserdio-
retinaler und choroidaler Erkrankungen.
de tastet die Netzhaut punktweise ab. Die
ausgesandte Strahlung wird über einen teil-
Fluoreszenz beschreibt die Eigenschaft
durchlässigen Spiegel sowohl zum Auge als
verschiedener Stoffe, nach Anregung durch
auch zu einem ortsfesten Referenzspiegel
Strahlung einer bestimmten Wellenlänge
geleitet. Die aus den unterschiedlichen Netz-
langwelligere Strahlung zurückzusenden.
hautschichten und die vom Referenzspiegel
Bei der Fluoreszenzangiographie entsteht
zurückreflektierte Strahlung wird treffen er-
dieses Phänomen dadurch, dass Elektronen
neut auf den teildurchlässigen Spiegel und
der Farbstoffmoleküle durch die Anregungs-
werden wieder zusammengeführt. Da die
wellenlänge auf ein höheres Energieniveau
Wellenzüge der einzelnen Netzhautschich-
angehoben werden. Beim Zurückfallen der
ten unterschiedlich lange Strecken durchlau-
Elektronen auf das Ausgangsniveau wird
fen, ergibt sich beim Aufeinandertreffen mit
eine Strahlung freigesetzt, die langwelli-
dem Wellenzug des Referenzspiegels eine
ger ist, als die Anregungswellenlänge. Zur
Phasenverschiebung – dies führt zur Interfe-
verbesserten Darstellung der Fluoreszenzef-
renz der Wellenzüge. Die Interferenzsigna-
fekte wird ein (Sperr-)Filter in den Beobach-
le werden von einer CCD-Kamera detektiert
tungsstrahlengang eingebaut, der nur das
und von einem nachgeschalteten Rechner
emittierte Licht durchlässt.
mittels eines mathematischen Verfahrens,
der Fourier Transformation, in Bilddaten um-
Für die Fluoreszenzangiographie wird
gerechnet. Die OCT-Technologie eignet sich
ein fluoreszierender Farbstoff in die Armve-
sehr gut, um das Ausmaß von Flüssigkeit in
ne gespritzt, der nach kurzer Zeit mit dem
und unter der Netzhaut zu bestimmen und
Blutstrom in die Gefäße des Auges gelangt
im Verlauf zu dokumentieren.
und dort undichte Gefäße und Gefäßneubildungen sichtbar macht.
Zur Überwachung der trockenen Verlaufsform der altersabhängigen Makulade-
In der Augenheilkunde werden zwei ver-
generation ist die Fundusautofluoreszenz
schiedene Farbstoffe für die Fluoreszenzan-
(BAF/FAF) sehr gut geeignet. Im Gegensatz
giographie verwendet: Natriumfluoreszein
zur Fluoreszenzangiographie verläuft die
und Indozyaningrün. Die beiden Farbstoffe
Aufnahme von Fundusautofluoreszenzbil-
unterscheiden sich durch ihre Absorptions-
dern nicht-invasiv, also ohne Farbstoffinjekti-
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Dipl.-Ing. (FH) Marena Löhr · FLA, OCT, BAF – Neue Wege in der AMD-Diagnostik
on. Im retinalen Pigmentepithel des menschlichen Auges lagert sich das Alterspigment
Lipofuszin ein. Lipofuszin entsteht als Endprodukt des Zellabbaus der verbrauchten
Photorezeptoraußenglieder. Lipofuszin wird
lebenslang in der Basis retinalen Pigment­
epithelzellen eingelagert. Es ist bereits ab
dem sechsten Lebensmonat nachweisbar
und sammelt sich im Laufe des Lebens zunehmend an. Durch Licht der Wellenlänge
480 nm kann Lipofuszin zum Selbstleuchten
angeregt werden. Fehlendes Leuchten kann
ein Hinweis auf den Untergang retinaler Pigmentepithelzellen sein. Auch das Gegenteil,
eine vermehrte Ansammlung von Lipofuszin,
ist eine typische Beobachtung, insbesondere im Randgebiet der geographischen Atrophie. Die Muster der Lipofuszinverteilung
am Rand der geographischen Atrophie lassen Rückschlüsse über die Geschwindigkeit
zu, mit der die Erkrankung voranschreitet.
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Low Vision Rehabilitation
Umfassende Versorgung von AMD-Patiententen
Markus Sutter, klin. Heilpädagoge, MAS Gerontologe, Low Vision-Trainer,
Leiter Rehabilitation an der Beratungs- und Rehabilitationsstelle
für Sehbehinderte und Blinde des Kantons Bern, Schweiz
Das Referat beschäftigt sich mit zwei zen-
grösserung – Licht – Kontrast – Strategie
tralen Fragestellungen aus der Perspektive
(bei AMD im Besonderen Strategie des
der Low Vision Rehabilitation:
exzentrischen Sehens).
1. Was ist bei der Versorgung von AMD-
Low Vision Rehabilitation gelingt,
• wenn ethische Grundprinzipien die Re-
Patienten zu beachten?
2. Wie kann eine ganzheitliche Versor-
habilitation leiten, indem eine Balance
erarbeitet wird zwischen Selbständigkeit
gung Betroffener gelingen?
und bewusst angenommenen Abhängigkeiten und indem Selbstverantwortung
und Mitverantwortung gefördert werden
(nach den Kategorien von Kruse 2005)
• wenn „transdisziplinär“ gearbeitet werden kann zwischen den Professionen
Ophthalmologie, Augenoptik und Low
Vision Rehabilitation;
• wenn adäquate Strukturen vorhanden
sind wie u. a. Zeit (!), die Möglichkeit für
Hausbesuche, „altersfreundliche“ HilfsWas ist zu beachten:
mittel;
• Low Vision Rehabilitation sollte ergothera-
• wenn sich die Rehabilitation auch psy-
peutisch und gerontologisch ausgerichtete
chosozial ausrichtet im Wissen, dass
sein; mit Fokus auf Aktivität, Partizipation
der objektive Grad der Sehschädigung
und Umweltfaktoren und unter Berücksich-
nur geringfügig mit der kognitiv-emotio-
tigung der Körperfunktionen und -struktu-
nalen Anpassung korreliert, dass AMD-
ren und des Gesundheitsproblems AMD.
Patienten
• Die Rehabilitation nimmt direkt Bezug
erhöhte
Depressivitätsraten
haben, dass Ängste häufiger und stär-
auf die häufigsten, visuell bedingten,
ker sind und dass das Selbstvertrauen
Schwierigkeiten in der Alltagsbewälti-
leiden kann;
gung bei AMD: Lesen, Gesichter erken-
• wenn last but not least Menschen mit
nen, Gehen, Schreiben, Handarbeiten
AMD nicht nur „versorgt“, sondern,
(Auge-Handkoordination.)
wenn sie mit Respekt und Wärme „um-
• Nicht die Probleme stehen im Vordergrund, sondern die Anliegen der Betroffenen. Anliegen setzen Veränderungswille und Veränderungspotential voraus
• Die
Low
person
Vision
kennt
Rehabilitationsfach-
„das
Cockpit“,
„den
Greifraum“ des Patienten (die unmittelbare Lebensumwelt).
• Low Vision Rehabilitationsmassnahmen
fokussieren sich auf die Prinzipien Ver-
sorgt“ werden.
Literaturhinweise:
• Kruse, A. (2005) Selbständigkeit, bewusst angenommene
Abhängigkeit, Selbstverantwortung und Mitverantwortung als
zentrale Kategorien einer ethischen Betrachtung des Alters.
Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 38 (4). S.273-287
• Sutter, M., Wahl, H.-W. (2010) Rehabilitationsrelevantes Low
Vision-Assessment bei altersabhängiger Makuladegeneration.
blind-sehbehindert. 130. Jg. 1/2010: S. 22-37
• Sutter, M. (2014) Lohnt sich das noch? Low Vision-Rehabilitation mit über 90-Jährigen Personen. Ophta, 5: 310-312
• Wahl, H.-W. et al. (2008) Lebensqualität bei Seheinschränkung im Alter. Ophthalmologe 105:735-743
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