Kolorektale Karzinome - Klinik für Hämatologie und Onkologie

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Kolorektale Karzinome
Häufigkeit, Histologie
Häufigkeit, Inzidenz
Nach den Daten des Robert-Koch-Instituts 2005 ist das kolorektale Karzinom (KRK) in Deutschland nach dem
Mammakarzinom das zweithäufigste Malignom der Frau und nach dem Bronchial- und dem Prostatakarzinom
der dritthäufigste maligne Tumor beim Mann. Die weltweite Inzidenz wird auf 1 Mio/Jahr geschätzt. Die
höchsten Inzidenzraten werden in Europa und Nordamerika, die niedrigsten in unterentwickelten afrikanischen
und asiatischen Ländern beschrieben. In Deutschland beträgt die Inzidenz je etwa 81/100.000 pro Jahr bei
Frauen und Männern. Die Mortalität nimmt allerdings stetig ab und liegt bei 34,0 für die Männer und 36,4 für
die Frauen pro 100.000 Einwohner. Insgesamt werden jährlich etwa 63.000 Neuerkrankungen in Deutschland
gezählt. Das Lebenszeitrisiko, ein KRK zu entwickeln, liegt für die Normalbevölkerung bei 6%. Insgesamt
sterben an dieser Erkrankung in Deutschland etwas 30.000 Menschen pro Jahr.
Alters- und Geschlechtsverteilung
Weniger als 10% der Patienten sind zum Zeitpunkt der Diagnose jünger als 50 Jahre. 70% der Erkrankungen
werden im Alter zwischen 50-80 Jahren diagnostiziert. Das mittlere Erkrankungsalter liegt für Männer bei 67
Jahren, für Frauen bei 72 Jahren. Männer haben ein höheres Risiko als Frauen. Das betrifft vor allem das
Rektumkarzinom.
Ätiologie
Molekularbiologische Untersuchungen untermauern die seit langem aus der Histologie bekannte
Adenom-Karzinom-Sequenz
Die Vorstufe des KRK ist das Adenom der Dickdarmschleimhaut, der sogenannte „Dickdarmpolyp“. Das
Adenom stellt eine epitheliale Proliferation dar, die mit dem Verlust der zellspezifischen Differenzierung und
Strukturveränderungen der Drüsen einhergeht und meist exophytisch in das Darmlumen wächst (tubuläres,
villöses Adenom). Seltener liegt ein flaches Adenom vor. Die Zeit von der Entdeckung eines Adenoms bis zum
Auftreten des Karzinoms kann bis zu 20 Jahre betragen. Bei belassenen kolorektalen Polypen ist mit einer
Karzinomentstehung im Bereich der primär
diagnostizierten Polypen zu rechnen.
Bei Polypen > 1 cm beträgt das
kumulative Karzinomrisiko
nach 5 Jahren
4%
nach 10 Jahren
14 %
nach 20 Jahren
35 %
Resektionspräparate. Links: Adenom
Rechts: Adenom mit bereits eingetretener karzinomatöser Transformation.
Karzinome in gestielten und flachen Adenomen
Invasionszonen des Karzinoms in
einem gestielten und in einem
flachen Adenom. Karzinome in
flachen Adenomen invadieren
vergleichsweise frühzeitig die
Submukosa. Demgegenüber ist bei
einem gestielten Adenom eine
längere
Strecke
des
Tumorwachstums nötig, um die
Submukosa zu erreichen. Jeder
Tumor, der die Muscularis mucosae
penetriert,
kann
potentiell
Metastasen setzen.
179
Kolorektale Karzinome
Polypen, intraepitheliale Neoplasien
Polyp beschreibt einen makroskopisch sich über das Schleimhautniveau vorwölbenden Befund, ohne dass damit
eine Stellung zur Dignität des Polypen genommen wird.
Man unterscheidet neoplastische und nichtneoplastische Polypen.
Neoplastische Polypen
Nicht-neoplastische, tumorähnliche Polypen
Adenom
nach dem Wachstumsmuster: tubulär, villös,
tubulovillös, flach, depressed, serrated, aberranter
Kryptfokus
nach der Ausdehnung: diminutive, advanced
Polypöses Karzinom
Hyperplasie (z.B. Hyperplastischer Polyp)
Polypoider endokriner Tumor
Nichtepitheliale Tumoren
(Lipom,Leiomyom,Hämangiom, Lymphangiom, GIST)
Hamartom (z.B. Peutz-Jeghers-Polyp, Juveniler Polyp,
Ganglioneurom)
Inflammatorischer Polyp (z.B. inflammatorischer
fibroider Polyp, benigner lymphoider Polyp,
inflammatorischer kloakogener Polyp)
Heterotopie (z.B. Pankreasheterotopie,
Corpusheterotopie)
Weitere (z.B. Lipohyperplasie der Ileozökalklappe,
überzählige Schleimhautfalte, Malakoplakie)
Neoplastische Polypen
Unter die neoplastischen Polypen fallen auch die Polypen, die bisher Adenome genannte wurden, die aber nach
der neuen WHO-Klassifikation als intraepitheliale Neoplasien bezeichnet werden. Von klinisch prognostisch
entscheidender Bedeutung bei der Unterscheidung der einzelnen Neoplasien ist die Intaktheit der Lamina
muscularis mucosae, einer dünnen Muskelschicht, die Mucosa und Submucosa trennt. Unabhängig, ob eine
schwere Dysplasie, ein fokales Karzinom, ein Carcinoma in situ oder ein intramukosales Karzinom usw.
lumenseitig dieser Grenzlinie vorliegen, kommt es mangels transportierender Lymphgefäße zu keiner
Metastasierung. Deshalb werden diese Neoplasien nach der WHO/Wien-Klassifikation auch nicht als
Karzinome, sondern als hochgradig intraepitheliale Neoplasie bezeichnet. Eine lymphogene Metastasierung ist
erst möglich, wenn das Karzinom oder das Karzinom im Adenom die Muscularis mucosae durchbricht und in
der Submucosa Lymphgefässe infiltriert.
WHO/Wien-Klassifikation: Einteilung und Terminologie der kolorektalen intraepithelialen
Neoplasien
Kategorie 1
Keine Neoplasie
Kategorie 2
„indefinite“ für Neoplasie
Kategorie 3
Geringgradige Neoplasie der Schleimhaut
Mucosal low grade intraepithelial neoplasia (LGIN)
Kategorie 4
Hochgradige Neoplasie der Schleimhaut
Hochgradige intraepitheliale Neoplasie (HGIN)
Intraepithelial: Adenom mit schwerer Dysplasie, Carcinoma in situ
Intramucosal: intramucosales Karzinom, V.a. invasives Karzinom
Kategorie 5
Submukosales invasives Karzinom (Frühkarzinom T1, fortgeschrittene Karzinome >T1)
Nicht neoplastische Polypen
Verschiedene Typen siehe Tabelle oben. Die hyperplastischen Polypen (meist < 5 mm) sind die häufigsten nicht
neoplastischen Kolonpolypen. Hyperplastische Polypen können in eine intraepitheliale Neoplasie, die dann
„serrated adenoma“ genannt wird, und nachfolgend in ein Karzinom übergehen. Von einem „serrated adenoma“
spricht man, wenn histologisch sägeblattartige Krypten mit Dysplasien des Oberflächenepithels und vermehrten
Mitosen vorliegen.
180
Kolorektale Karzinome
Adenom-Karzinom-Sequenz, Molekulare Pathogenese
Nachdem bereits vor 30 Jahren der Begriff „Adenom-Karzinom-Sequenz“ geprägt wurde, der die Entwicklung des
invasiven Karzinoms über adenomatöse Zwischenstadien über Jahre hinweg beschreibt, sind heute auch die
molekularen Mechanismen bekannt, die dabei eine entscheidende Rolle spielen. Es werden zwei molekular definierte
Gruppen kolorektaler Karzinome postuliert:
Chromosomale Instabilität (CIN)-Gruppe, mikrosatellitenstabil, LOH-positiv
Der wesentliche Schritt zur Kanzerisierung ist eine somatische Mutation und/oder der Verlust der Heterozygotie
(Loss of heterozygosity, LOH) auf Chromosom 5 im Bereich des APC-Gens, das hierdurch inaktiviert wird.
Die Ursache für die Mutation können epigenetische Ereignisse infolge von Karzinogenen sein wie Rauchen,
heterozyklische Amine sowie Folsäuremangel, niedrige Methioninzufuhr sowie hoher Alkoholkonsum mit
veränderter Methylierung.
Durch klonale Akkumulation weiterer genetischer Veränderungen, wie Aktivierung der Proto-Onkogene c-myc und
k-ras (Chromosom 12q) sowie Inaktivierung weiterer Tumorsuppressorgene schreitet die Tumorgenese fort. Zu den
Genen, die bei diesem Prozess inaktiviert werden, gehören Gene auf Chromosom 18 (DCC, DPC4, JV18, SMAD2).
Der Übergang vom späten Adenom in das manifeste Karzinom wird wahrscheinlich erst möglich durch eine weitere
Mutation, nämlich LOH von Chromosom 17p und eine Mutation von p53. Das mutierte p53-Protein kann seine
Regulationsaufgaben für andere Gene nicht mehr wahrnehmen. Dieser molekulare Mechanismus der chromosomalen
Instabilität (CIN) mit Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen findet sich bei 80-85% aller KRK.
Mikrosatelliteninstabilitätsgruppe MSI-positiv
Die zweite Gruppe, die Mikrosatelliteninstabilität-positive Gruppe genannt wird, ist charakterisiert durch genetische
Instabilität an den Mikrosatellitenloci. Die Mikrosatelliten-DNA ist eine kurze Nukleotidsequenz, die an einem
bestimmten Locus auf einem individuellen Chromosom normalerweise in umschriebener Zahl vorkommt. Die MSI
wird durch einen DNA-Mismatch-Reparatur-Gen-Defekt verursacht. Diese Reparaturgene erkennen normalerweise
während der DNA-Replikationen falsch in den neuen Strang eingebaute Nukleotide, deren Basen sich nicht mit denen
des alten Strangs paaren können („mismatch“), und ersetzen diese. Bei Ausfall dieses Reparatursystems kommt es im
Verlauf weiterer Zellteilungen zur Anhäufung von Mutationen in den Tochterzellen. Sind Tumorsuppressor-Gene
davon betroffen, kann die maligne Entartung der Tochterzelle die Folge sein. MSI-positive Karzinome sind
charakteristisch für das HNPCC (hereditary non polyposis colorectal cancer), aber auch 15-20% der sporadischen
Karzinome sind MSI-positiv. Sie sind diploid und zeigen keine Allelverluste auf Chromosom 17 oder 18.
Multistep-Karzinogenese des kolorektalen Karzinoms aus Siegenthaler et al. Klinische Pathophysiologie 2006
181
Kolorektale Karzinome
Erbliche CRC/Molekulargenetik
Mehr als ein Viertel aller Patienten mit kolorektalen Karzinomen (KRK) haben nahe Verwandte mit der gleichen
Tumorerkrankung.
Auf einer autosomal-dominant erblichen Disposition beruhen etwa 5-10% aller KRK. Zu diesen genetisch bedingten KRK
gehören die im folgenden aufgeführten Krankheitsbilder, die durch ein frühes Manifestationsalter und gehäuft multiples
Auftreten gekennzeichnet sind:
•
Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)
•
HNPCC (hereditary non-polyposis colorectal cancer)
•
Hamartoma-Polyposis-Syndrome (HPS)
Ungefähr 15-20 % der Patienten mit KRK haben
eine Familienanamnese mit Dickdarmkrebs, ohne
dass oben genannte Syndrome vorliegen.
Ätiologisch spielen in diesen Fällen wahrscheinlich
sowohl genetische
als auch Ernährungs- und
Umweltfaktoren eine Rolle.
Ätiologie des kolorektalen Karzinoms
Erbliche Disposition
Zwei-Treffer-Hypothese von Knudson
Nach Knudson (Proc Natl Acad Sci USA 68:920-923,1971)
entstehen Tumore durch einen Funktionsverlust von
Tumorsuppressorgenen.
Dieser
Funktionsverlust
entsteht durch eine Mutation der entsprechenden
Gensequenz. Alle autosomal kodierenden Gene liegen
jedoch in zwei Kopien (Allelen) vor. Deshalb ist trotz
Ausfall des einen Allels in der Regel die Funktion der
Zelle intakt. Erst der Funktionsverlust des zweiten
Allels in derselben Zelle („2 Treffer“) führt zum
Ausfall der gesamten Genfunktion. Dies führt zu
unkontrollierter Zellproliferation und maligner
Entartung.
In der allgemeinen Bevölkerung ist die Wahrscheinlichkeit relativ gering, dass eine Mutation in beiden
Allelen derselben Zelle auftritt.
Patienten mit erblicher Tumordisposition haben aber
bereits von Geburt an in allen Zellen ein durch eine
sogenannte Keimbahnmutation verändertes Allel. Das
Risiko, dass es durch eine Mutation des intakten Allels
zu einem Funktionsverlust des Gens kommt, ist
deshalb in dieser Gruppe wesentlich erhöht.
182
Der Eisberg der Gene, die mutiert zum KRK disponieren.
Bezeichnungen der bekannten mutierten Gene (nach Müller
HJ et al.: Chir Gastroenterol 2000;16:207).
Kolorektale Karzinome
FAP – Hamartomatöse Polyposis
Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)
Bei der klassischen FAP treten hunderte bis tausende
adenomatöser Polypen der Kolonschleimhaut auf. Der
Erbgang der Erkrankung ist autosomal dominant mit nahezu
100% Penetranz. Erste Symptome treten in der Regel am
Ende der 2. Lebensdekade auf, bei fehlender Behandlung
kommt es ca. im Alter von 35 Jahren zu einer malignen
Entartung der Adenome. Deshalb ist die Behandlung der
Wahl eine prophylaktische Proktokolektomie.
Ca. 70% der Patienten mit FAP weisen eine diagnostisch
verwertbare kongenitale Hypertrophie des retinalen
Pigmentepithels (CHRPE) auf. Polypen können auch im
Duodenum auftreten. Adenome werden auch in Kombination
mit anderen extrakolonischen Manifestationen beobachtet.
Diese werden eigenständig benannt:
Gardner-Syndrom: Kolonpolyposis, Osteome des Kiefers
und der langen Röhrenknochen, Epidermoidzysten/kutane
Fibrome.
Typische adenomatöse Polyposis coli. Aus: G.Rosenbusch, JWA
Reeders, Klinische Radiologie, Endoskopie. Thieme-Verlag
Turcot-Syndrom: Zusätzlich Hirntumoren wie Medullo- oder Glioblastom.
Attenuierte FAP (AAPC, hereditary flat adenoma syndrome):
mildere Verlaufsform, die sich durch eine geringere Polypenzahl und ein späteres Auftreten auszeichnet, jedoch
auch ein sehr hohes KRK-Risiko hat.
Genetische Grundlagen der FAP
Keimbahnmutationen im Tumor-Suppressorgen APC (adenomatous polyposis coli) auf dem Chromosom 5q 21
führen zu einem inaktiven Genprodukt.
Bisher wurden über 800 verschiedene Mutationen im APC-Gen identifiziert. Fast jede Familie hat ihre eigene
Mutation. Derzeit lassen sich bei 65% der Familien mit FAP Keimbahnmutationen identifizieren. Die Zahl der
Adenome und das Manifestationsalter sind von der Lage der Mutation im APC-Gen abhängig. Es besteht jedoch
innerhalb der Familie eine große Variabilität, so dass auch zusätzliche Einflüsse, wie weitere modifizierende
Gene und Umweltfaktoren wahrscheinlich eine Rolle spielen.
Die Diagnose einer klassischen FAP erfolgt aufgrund des klinischen und histopathologischen Befundes. Die
Identifizierung der Keimbahnmutation ist vor allem für Grenzfälle, zum Beispiel bei attenuierter FAP, und für
die prädiktive Testung von Risikopersonen von Bedeutung.
(Siehe auch „Früherkennung bei erhöhtem Risiko“).
Hamartomatöse Polyposis
Familiäre juvenile Polyposis (FJP)
Dieser Typ liegt vor, wenn mindestens fünf „juvenile“ Polypen“ oder ein juveniler Polyp bei positiver
Familienanamnese vorhanden sind. Juvenile Polypen weisen charakteristische pathomorphologische Merkmale
auf. Das Risiko, bis zum 60. Lebensjahr an einem KRK zu erkranken liegt bei 20-60%.
Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS)
Hamartomatöse Polypen finden sich im Gastrointestinaltrakt, meist im Dünndarm und Magen, seltener im
Kolon. Hamartomatöse Polypen haben ein geringeres Entartungsrisiko als Adenome. Anlageträger haben aber
ein erhöhtes Risiko für kolorektale Karzinome und auch für andere intestinale und extraintestinale Tumore
(Magen, Mamma, Pankreas u.a.). Eine Hamartom-Karzinomsequenz ist in Diskussion. Ursächlich ist eine
autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die durch eine Keimbahnmutation des STKL/LKB1-Gens verursacht
wird. Die bisher nachgewiesenen Keimbahnmutationen sind über das gesamte Gen verteilt und bei fast jeder
Familie anders. Die klinische Diagnose ist gesichert bei Auftreten von typischen Pigmentflecken um die Lippen
sowie der Mundschleimhaut und gleichzeitigem Vorliegen von Hamartomen.
Cowden-Syndrom
Beim autosomal vererbten Cowden-Syndrom finden sich multiple Hamartome in vielen Geweben
einschliesslich des Darmes. Das Risiko ist insbesondere für Mamma- und Schilddrüsenkarzinome erhöht. Es
liegen Keimbahnmutationen des PTEN-Gens vor.
183
Kolorektale Karzinome
HNPCC
Hereditäres nichtpolypöses KRK (HNPCC, Lynch-Syndrom)
Das HNPCC ist die häufigste erbliche Form des kolorektalen Karzinoms (KRK). Die Diagnose lässt sich nicht
eindeutig anhand des Phänotyps stellen, weshalb es nur Schätzwerte zur Prävalenz im Bereich von 2-10% gibt.
Das HNPCC folgt ebenfalls einem autosomal dominanten Erbgang mit einer Penetranz von maximal 80% bis
zum 75. Lebensjahr. Treten im Rahmen eines HNPCC ausschließlich KRK auf, so wird dies als LynchSyndrom I bezeichnet. Bei HNPCC-Patienten besteht jedoch auch eine hohe Wahrscheinlichkeit, Malignome
außerhalb des Kolons zu entwickeln. Bei KRK und extrakolonischem Karzinom spricht man von einem LynchSyndrom II.
Das HNPCC ist charakterisiert durch ein frühes Manifestationsalter (durchschnittlich 45 Jahre) und eine
Neigung zur Manifestation im proximalen Kolon. Die Tumore sind weniger differenziert und produzieren
häufig exzessive Massen von Schleim (muzinöse KRK). Die klinische Diagnose HNPCC kann gestellt werden,
wenn in der Familie der Betroffenen die sogenannten Amsterdam-Kriterien erfüllt sind (siehe folgende Seite).
Neuere Studien zeigen jedoch, dass mit den strengen Amsterdam-Kriterien ein nicht unerheblicher Anteil der
Mutationsträger nicht erkannt wird. Eine Studie aus Finnland fand heraus, dass bei Berücksichtigung aller
Angehörigen mit Mutationsnachweis und nicht nur der Indexpatienten mit CRC aus bekannten
Amsterdamfamilien das Erkrankungsalter mit knapp 61 Jahren deutlich höher lag (Hampel H et al., Gastroenterology
2005;129:415-21). Die weiter gefassten und vor kurzem überarbeiteten Bethesda-Kriterien (siehe folgende Seite)
sind derzeit die beste Filtermethode für HNPCC.
Mikrosatelliten-Instabilität
Tumoren von Patienten, bei denen die Amsterdam Kriterien vorliegen, zeigen in ca. 80-90% der Fälle eine
sogenannte Mikrosatelliteninstabilität (MSI). Dieses Phänomen ist jedoch auch bei 15% der sporadischen CRC
nachweisbar. Die Mikrosatelliten-DNA ist eine kurze Nukleotidsequenz, die an einem bestimmten Locus auf
einem individuellen Chromosom normalerweise in umschriebener Zahl vorkommt. Die MSI wird durch eine
Mutation in einem DNA-Mismatch-Reparatur-Gen verursacht. Diese Reparaturgene erkennen normalerweise
während der DNA-Replikationen falsch in den neuen Strang eingebaute Nukleotide, deren Basen sich nicht mit
denen des alten Strangs paaren können („mismatch“), und ersetzen diese.
Bisher sind 9 humane Mismatch-Reparatur-Gene bekannt, die in der Pathogenese des HNPCC eine Rolle
spielen (hMSH2, hMLH1, hMSH6, hPMS1, hPMS2, hMSH5, hMSH3, hMSH4, hMLH3). Beim HNPCC liegen
in ca. 70% Mutationen im hMSH2-Gen (Chromosom 2p21) oder hMLH1-Gen (3p21-23) vor.
Diagnostik-Algorithmus
Aufgrund dieser Erkenntnisse ist es möglich
geworden,
das
HNPCC-Syndrom
AC/Bethesda-Kriterien
IHC
molekulargenetisch zu diagnostizieren. Ein
Problem dabei ist, dass die molekulargenetische
Analyse der Mismatch-Reparaturgene durch
unauffällig
auffällig
Sequenzierung relativ aufwendig und kostspielig
ist. Außerdem wird nicht bei allen Familien, die
die klinischen Kriterien erfüllen, auch eine
unauffällig
MSI
Mutation in den oben angeführten Genen
gefunden.
auffällig
Deshalb wird stufenweise vorgegangen. Anhand
der Bethesda-Kriterien werden Patienten
Keimbahnmutationssuche
identifiziert, deren Tumorgewebe auf eine MSI
untersucht werden soll. Die MSI-Analyse sollte
mindestens 5 definierte Marker umfassen, von
negativ
positiv
denen 2 oder mehr (>40%) eine Instabilität
Derzeit ∅ weitere
zeigen sollten. Die immunhistochemische (IHC)
Gendiagnostik
sinnvoll
Analyse, die auf jeden Fall als Panel Antikörper
Prädiktive Testung möglich
gegen MSH2 und MLH1 umfassen soll, kann bei
Engel C. et al. Int J Cancer 2006 hoher Übereinstimmung mit dem MSI-Befund
auch dem MSI-Test vorgeschaltet werden. Bei
positivem Ausfall der Immunhistochemie oder der MSI-Analyse erfolgt eine Mutationsanalyse im Blut.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss eine eingehende humangenetische Beratung erfolgen.
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Kolorektale Karzinome
HNPCC-Amsterdam-/ Bethesda-Kriterien
Für eine einheitliche Erfassung von Patienten mit hereditärem nicht-polypösem Kolonkarzinom
(HNPCC) aufgrund klinischer Daten wurden 1991 die Amsterdam-Kriterien festgelegt. Die
Amsterdam-II-Kriterien berücksichtigen auch weitere, häufig auftretende Tumoren aus dem
HNPCC-typischen Spektrum. Die 1996 definierten Bethesda-Kriterien sind weiter gefasst, um die
Gefahr einer Nichterkennung von Risikopersonen zu verringern. Sie wurden 2004 überarbeitet
aufgrund der Kenntnis, dass HNPCC auch in höherem Alter auftreten können als bisher angenommen.
Amsterdam-Kriterien I (klassische Amsterdam-Kriterien)
In der Familie müssen mindestens 3 Personen an einem kolorektalen Karzinom erkrankt sein, wobei alle
folgenden Kriterien erfüllt sein müssen:
1. Einer der drei Patienten ist ein Verwandter ersten Grades der beiden anderen Erkrankten.
2. Mindestens zwei aufeinanderfolgende Generationen sind betroffen.
3. Mindestens ein kolorektales Karzinom wurde vor dem 50.Lebensjahr diagnostiziert.
4. Eine familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) ist ausgeschlossen.
5. Die Tumoren sind histopathologisch verifiziert.
Amsterdam-Kriterien II
(erweiterte Kriterien 1998)
In der Familie müssen mindestens 3 Personen an einem HNPCC-assoziierten Tumor erkrankt sein, wobei alle
folgenden Kriterien erfüllt sein müssen:
1. Einer der drei Patienten ist ein Verwandter ersten Grades derbeiden anderen Erkrankten.
2. Mindestens zwei aufeinanderfolgende Generationen sind betroffen.
3. Mindestens ein kolorektales Karzinom wurde vor dem 50. Lebensjahr diagnostiziert.
4. FAP ist bei den CRC-Patienten ausgeschlossen.
5. Die Tumoren sind histopathologisch verifiziert.
Überarbeitete Bethesda-Kriterien (Umar A. et al. J Natl Cancer Inst 2004; 261-268)
Tumoren von Patienten, die eines der
Mikrosatelliteninstabilität untersucht werden
folgenden
Kriterien
erfüllen,
sollen
auf
eine
1. Diagnose eines KRK vor dem 50. Lebensjahr
2. Diagnose von syn- oder metachronen kolorektalen oder anderen HNPCC-assoziierten Tumoren (Kolon,
Rektum, Endometrium, Magen, Ovar, Pankreas, Ureter, Nierenbecken, biliäres System, Gehirn, v.a.
Glioblastom, Haut, Dünndarm unabhängig vom Alter bei Diagnose.
3. Diagnose eines KRK vor dem 60. Lebensjahr mit typischer Histologie eines MSI-H-Tumors (Tumorinfiltrierende Lymphozyten, Crohn´s like Lesions, muzinöses oder siegelringzellige Differenzierung,
medulläres Karzinom)
4. Diagnose eines KRK bei mindestens einem erstgradig Verwandten mit einem HNPCC-assoziiertem Tumor,
davon Diagnose mindestens eines Tumors vor dem 50. Lebensjahr.
5. Diagnose eines KRK bei zwei oder mehr erstgradig Verwandten mit einem HNPCC-assoziierten Tumor,
unabhängig vom Alter.
Lebenszeitrisiko HNPCC-assoziierte (Chung DC. Ann Intern Med 2003;138:560-70)
Tumorlokalisation
Kolorektum
Endometrium
Magen
Ovar
Harnblase
Niere
Dünndarm
Gehirn
Hepatobiliäres System
HNPCC (%)
Normalbevölkerung (%)
80-82
50-60
13
12
4
3
1-4
4
2
5-6
2-3
1
1-2
1-3
1
0,01
0,6
0,6
185
Kolorektale Karzinome
Prävention, Ernährungsfaktoren, Lebensgewohnheiten
Genetische und epidemiologische Studien zeigen, dass ein CRC durch eine komplexe Interaktion zwischen
genetischen Risikofaktoren und Umweltfaktoren entsteht. Vermutlich wird die Progression der primär genetisch
determinierten Adenom-Karzinom-Sequenz durch Umweltfaktoren, insbesondere Ernährungsfaktoren bestimmt. Der
World Cancer Research Fund schätzt, dass bis zu 50% der CRC durch diätetische Massnahmen vermeidbar sind
(Potter J. 1997, World Cancer Research Fund, London, and American Institute for Cancer Research, Washington). In
den bisher vorliegenden Studien ist es bisher aber noch nicht gelungen, diese Zusammenhänge im Detail zu
charakterisieren und präventive Strategien zu entwickeln.
Fett, Fleisch und Zubereitungsmethoden
Die karzinogene Wirkung von fett- und cholesterinreicher Ernährung beruht zum einen auf einer erhöhten Produktion
und hepatischen Ausscheidung von Gallensäuren und Cholesterin, zum anderen infolge Abbau durch Darmbakterien
auf einer Konzentrationssteigerung toxischer sekundärer Gallensäuren. Zusammen mit verstärkt synthetisierten
Triglyceriden und fäkalen Pentanen besteht ein großes Angebot an Karzinogenen. Die Menge des gesamten
Fleischkonsums spielt keine Rolle, jedoch aber der Anteil an rotem Fleisch (Rind, Schwein, Lamm) und ein hoher
Fettanteil. Bei hohen Kochtemperaturen beim Braten und Grillen entstehen aus tierischen Proteinen weitere
Karzinogene. Während große geographische und internationale Unterschiede für die Inzidenz des KRK in enger
Verbindung mit dem Pro-Kopf-Verbrauch für Fleisch und Fett bestehen, kommen zahlreiche große, auch aktuelle,
epidemiologische Studien zu uneinheitlichen Ergebnissen.
Ballaststoffe
Lösliche Ballaststoffe induzieren im Darm infolge von Abbau durch anaerobe Darmbakterien eine gesteigerte
Synthese von kurzkettigen Fettsäuren, denen ein protektiver Effekt zugeschrieben wird. Unlösliche Ballaststoffe
führen über ein erhöhtes Stuhlvolumen zu einer Verdünnung von Karzinogenen im Darmlumen und durch eine
Beschleunigung der Darmpassage zu einer verminderten luminalen Karzinogen-Exposition.
Gemüse, Früchte und Getreide
Für Gemüse, Früchte und Getreide wird in vielen retrospektiven Studien ein protektiver Effekt für Adenome und
Karzinome, allerdings mit eher schwacher Assoziation beschrieben. Eine europäische Studie mit über 500.000
Personen (EPIC-Studie) aus 10 europäischen Ländern zeigte für die ersten 5 Jahre des Follow-up eine signifikante
Reduktion des relativen Risikos für ein kolorektales Karzinom von 0,75 in Abhängigkeit von der täglichen
Ballaststoffzufuhr.
Vitamine, Spurenelemente und essentielle Aminosäuren
Die Untersuchungsergebnisse sind uneinheitlich und es gibt keine Empfehlung zur Supplementierung. Ein möglicher
Effekt ist für Selen beschrieben, möglicherweise auch für Calcium (mehr als 1250 mg/die), Folsäure und Methionin.
Alkohol
Die Studien zur Rolle des Alkohols sind uneinheitlich. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die entscheidende
Einflussgrösse die absolute Äthanolmenge unabhängig von der Art des alkoholischen Getränks darstellt. In einer
umfassenden Metaanalyse errechnet sich bei einem Alkoholkonsum von 25, 50 und 100 g/die ein relatives Risiko von
1,14, 1,21 und 1,32. Ein zusätzlicher Folsäure- und Methioninmangel erhöht das Karzinomrisiko dabei zusätzlich.
Rauchen, Nikotin
Für die Entwicklung adenomatöser kolorektaler Polypen zeigen zahlreiche Studien übereinstimmend für
Zigarettenraucher ein 2-3fach erhöhtes Risiko. Für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms sind die Daten
uneinheitlich. Eine aktuelle amerikanische Fallkontrollstudie ermittelte eine 50%ige Zunahme für ein KRK bei einem
Konsum von mehr als 20 Zigaretten/die sowie eine 40%ige Risikosteigerung bei mehr als 35 Packungsjahren. Diese
Risikosteigerung ist möglicherweise abhängig von genetischen Polymorphismen für N-Acetyltransferase und
Cytochrom-P450.
Körperliche Aktivität
Es gibt mehrere Beobachtungsstudien, die einen protektiven Effekt von vermehrter körperlicher Aktivität im Hinblick
auf ein KRK gefunden haben (Friedenreich CM et al., Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2001;10:287-301). Die mittlere
relative Risikoreduktion durch vermehrte körperliche Aktivität beträgt zwischen 40-50%.
Eine aktuelle prospektive Beobachtungsstudie (Meyerhardt J. et al., J Clin Oncol 2006; 24:3535-3541) zeigte für Patienten im
Stadium III nach Operation und adjuvanter Chemotherapie ebenfalls eine signifikante Verbesserung des
krankheitsfreien und des Gesamtüberlebens in derselben Größenordnung bei körperlicher Aktivität, die standardisiert
gemessen wurde.
Evidenz nach Experten-Gremium der WHO und der FAO (Food and Agriculture of the UN)
Risikoreduktion: durch körperliche Aktivität überzeugend, durch Ballaststoffe möglich.
Risikoerhöhung: durch Übergewicht überzeugend, durch verarbeitete Fleischwaren wahrscheinlich.
186
Kolorektale Karzinome
Chemoprävention
Acetylsalicylsäure
Mehrere placebokontrollierte Phase-III-Studien fanden bei Patienten nach Adenomabtragung oder
nach KRK eine signifikant niedrigere Adenom-Inzidenzrate unter Aspirineinnahme bereits nach einem
Jahr Nachbeobachtungszeit. Dabei korrelieren sowohl die Dauer der Aspirineinnahme als auch die
Aspirindosierung mit der bis zu 50%igen Reduktion des relativen Risikos, ein KRK zu entwickeln und
daran zu versterben.
Auf der DDW 2006 (Digestive Disease Week) wurden die Ergebnisse der uKCAP-Studie vorgestellt,
in der der Effekt von 300 mg ASS auf die Rezidivhäufigkeit kolorektaler Adenome untersucht wurde.
Es zeigte sich bei dieser randomisierten Doppelblindstudie mit 945 Adenomträgern (>0,7 cm) eine
signifikante Senkung der Rezidivrate um 21% (Logan RF et al., DDW 2006, Abstract 438). Diese Studie
unterstreicht die Effektivität von ASS. Zu bedenken sind jedoch die potentiellen Nebenwirkungen der
Therapie.
Sulindac
Durch eine Sulindac-Behandlung konnte bei FAP-Patienten sowohl eine Reduktion der Polypengröße
als auch der Polypenzahl erzielt werden. Inwieweit diese Adenomreduktion den weiteren Verlauf der
FAP und die Mortalität beeinflusst, muss in weiteren Studien überprüft werden.
Selektive COX2-Inhibitoren (COXIBE)
Ebenfalls auf der DDW 2006 wurden die Resultate von 2 großen Studien (preSAP, APC) vorgestellt,
in denen die Wirkung des COX2-Hemmers Celecoxib auf die Rezidivrate kolorektaler Adenome
untersucht wurde. Es fand sich eine signifikante dosisabhängige Senkung der Rezidive um 33-45%.
Bereits 2005 war gezeigt worden, dass unter der Medikation mit 25 mg Rofecoxib die Rezidivrate
kolorektaler Adenome um 25% gesenkt werden konnte (APPROVE-Studie). Aufgrund der
kardiovaskulären Nebenwirkungen der COX2-Hemmer, die u.a. in der APC und der APPROVEStudie auftraten und zur Marktrücknahme von Rofecoxib geführt haben, werden die Coxibe in der
Prävention von Adenomen wohl eher nicht weiter eingesetzt werden.
Statine
In Tiermodellen zeigen Statine eine Senkung der Entstehung kolorektaler Karzinome u.a. durch eine
Apoptoseinduktion. In mehreren großen Fall-Kontrollstudien konnte ein protektiver Effekt auf die
Entstehung eines KRK gezeigt werden. In einer großen Studie aus Israel lag die KRK-Inzidenz für
Patienten mit Einnahme von Statinen 47% unter der einer Kontrollgruppe (Poynter JN et al., NEJM
2005;352:2184-92).
Hormonsubstitution
Eine Östrogen/Progesteronmedikation führte in einer großen Studie mit 16.608 postmenopausalen
Frauen nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 5,6 Jahren zu einer signifikanten Reduktion der
Inzidenz für ein KRK mit einer Hazard-Ratio von 0,65.
Fazit: Aus der aktuellen Datenlage können noch keine Empfehlungen für eine generelle primäre
Chemoprophylaxe abgeleitet werden. Keine Substanz sollte außerhalb von Studien zur
Chemoprävention von kolorektalen Karzinomen oder Adenomen in der Allgemeinbevölkerung
(Standardrisiko) eingesetzt werden. Prospektive Therapiestudien sind notwendig, um v.a. für
bestimmte Risikogruppen den Nutzen einer kontinuierlichen langjährigen Chemoprophylaxe in
bezug auf die jeweiligen Nebenwirkungsprofile zu ermitteln.
187
Kolorektale Karzinome
S3-Leitlinie 2004 und Aktualisierung 2008, I
Das Informationszentrum für Standards in der Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft erstellt und
aktualisiert seit 1996 Leitlinien zu Diagnostik, Therapie, Nachsorge, Rehabilitation und Palliation onkologischer
Erkrankungen. Bisher sind über 50 Leitlinien erarbeitet worden. Die Mehrzahl sind S1-Leitlinien. Hinsichtlich
ihrer Qualität und praktischen Brauchbarkeit werden Leitlinien in drei Stufen klassifiziert.
Stufe 1: Expertengruppe
repräsentativ zusammengesetzt, erarbeitet im informellen Konsens eine Leitlinie, die vom Vorstand
der entsprechenden wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft verabschiedet wird.
Stufe 2: Formale Konsensusfindung
Diskussion der Literatur für die Feststellungen und Empfehlungen, Verabschiedung in einem
interdisziplinären, formalen Konsensusverfahren.
Stufe 3: Leitlinie mit allen Elementen systematischer Entwicklung
Formale Konsensusfindung, systematische Recherche und Bewertung der Literatur sowie
Klassifizierung von Studien und Empfehlungen nach den Kriterien der Evidenz-basierten Medizin,
klinische Algorithmen, Outcome-Analyse, Entscheidungsanalyse.
Leitlinien als systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Ärzte und Patienten sind ein wichtiges Instrument des
Qualitätsmanagements in der Medizin und werden auch von der Gesundheitspolitik gefordert (§137e-g SGBV). Die
kontinuierliche Verbesserung der methodischen Qualität von Leitlinien ist daher ein wichtiges medizinisches und
gesellschaftliches Ziel.
1999 wurde erstmalig von der DGVS. in Zusammenarbeit mit der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) eine S3Leitlinie für das KRK erarbeitet, die flächendeckend eine standardisiert hochwertige Patientenversorgung auf dem
Boden evidenzbasierter Medizin erreichen sollte. Um die Empfehlungen auf dem neuesten Stand wissenschaftlicher
Erkenntnis zu halten, wurde die Leitlinie 2004 in enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der
wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) aktualisiert.
2008 wurde aufgrund der raschen Fortschritte auf dem Gebiet der medikamentösen Tumortherapie und aufgrund
neuer Erkenntnisse zur differenzierten Polypennachsorge zunächst eine Aktualisierung der Themenkomplexe IV
(Polypenmanagement), VI (adjuvante und neoadjuvante Therapie) und VII (Vorgehen bei Metastasierung und
palliative Situation) durchgeführt.
Die Ausarbeitung erfolgte unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und
Stoffwechselkrankheiten (DGVS.) mit Unterstützung der Deutschen Krebshilfe - in Zusammenarbeit mit der:
• Deutschen Krebsgesellschaft (DKG)
• Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO)
• Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)
• Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie (DGK)
• Deutschen Gesellschaft für Pathologie (DGP)
• Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO)
• Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie (DGVC)
• Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Onkologie (CAO-V)
• Vereinigung für Stomaträger und für Menschen mit Darmkrebs (Deutsche ILCO)
• Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV)
• Deutschen Röntgengesellschaft (DRG)
• Deutschen vereinten Gesellschaft für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL)
Leitung: W. Schmiegel unter Mitarbeit von A.Reinacher-Schick, C.Pox, I. Kopp
Schmiegel W. et al. S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“, Z Gastroenterol 2008;46:1-73
www.dgvs.de/media/Leitlinie.pdf
188
Kolorektale Karzinome
S3-Leitlinie 2004 und Aktualisierung 2008, II
Themenkomplexe der S3-Leitlinie Kolorektale Karzinome
Details siehe www.dgvs.de/media/Leitlinie.pdf
I.
Prävention asymptomatische Bevölkerung
II.
Screening der asymptomatischen Bevölkerung
III.
Risikogruppen
Sporadisches kolorektales Karzinom; Hereditäre kolorektale Karzinome; Chronisch entzündliche
Darmerkrankungen
IV.
Endoskopie: Durchführug und Polypenmanagement (Aktualisierung 2008)
V.
Präoperative Diagnostik und Chirurgie
VI.
Adjuvante und Neoadjuvante Therapie des Kolon- und Rektumkarzinoms (Aktualisierung 2008)
VII. Therapeutisches Vorgehen bei Metastasierung und in der palliativen Situation (Aktualisierung 2008)
VIII. Nachsorge
Die für die Konsensfindung und zum Verständnis der Empfehlungen relevante Literatur wurde nach den
Empfehlungen des Centre for Evidence-Based Medicine, Oxford, UK (Quelle: http://www.cebm.net/)
bewertet. Der Klassifizierung der Evidenzgrade wurden neben der Angemessenheit des Studiendesigns auch die
Angemessenheit der Durchführung und der Auswertung der Studien zugrunde gelegt. In der Regel bestimmt der
Evidenzgrad den Empfehlungsgrad. Bei der Formulierung der Empfehlungen wird zwischen drei Modalitäten
unterschieden ( A = „soll“, B = „sollte“, C = „kann/unklar“). Der in der Aktualisierung der Themenkomplexe
IV, VI und VII verwendete Empfehlungsgrad 0 entspricht dem vorher verwendeten Empfehlungsgrad C.
Empfehlungsgrad
A
Evidenzgrad
1-a
1-b
1-c
Typen von Therapiestudien
Systematische Übersicht über randomisierte kontrollierte Studien (RCT)
Eine RCT (mit engem Konfidenzintervall)
Alle-oder-keiner-Prinzip
B
2-a
2-b
Systematische Übersicht gut geplanter Kohortenstudien
Eine gut geplante Kohortenstudie oder eine RCT minderer Qualität
C
3-a
3-b
Systematische Übersicht über Fall-Kontroll-Studien
Eine Fall-Kontroll-Studie
C
4
Fallserien oder Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien minderer Qualität
C
5
Expertenmeinung ohne explizite Bewertung der Evidenz oder basierend auf
physiologischen Modellen/Laborforschung
Während der Konferenz und der nachfolgenden schriftlichen Abstimmungen wurde der prozentuale Anteil der
den Empfehlungen zustimmenden Teilnehmer sowie die absolute Zahl der Zustimmungen ermittelt, um die
Konsensusstärke festzustellen.
Klassifikation der Konsensusstärke
starker Konsens
Zustimmung von > 95 % der Teilnehmer
Konsens
Zustimmung von > 75 – 90 % der Teilnehmer
mehrheitliche Zustimmung
Zustimmung von > 50 – 75 % der Teilnehmer
kein Konsens
Zustimmung von < 50 % der Teilnehmer
189
Kolorektale Karzinome
S3-Leitlinie 2004/2008, Prävention, Ernährung
Lebensgewohnheiten
Empfehlung
Zur Risikoreduktion eines kolorektalen Karzinoms sollten regelmäßig körperliche Aktivitäten
durchgeführt sowie eine Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Personen (BMI > 25 kg/m2) angestrebt
werden.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke 2b, starker Konsens.
Patienten sollten zur Nikotinkarenz angehalten werden.
Empfehlungsgrad A, Evidenzstärke 2b; starker Konsens.
Anmerkungen
Personen mit höherem körperlichen Aktivitätsgrad haben in Querschnittsuntersuchungen weniger Kolonpolypen
(Adenome) und ein geringeres Karzinomrisiko. Zwei Kohortenstudien konnten zeigen, dass bereits 30 bis 60
Minuten tägliche moderate körperliche Aktivität mit einem verringerten Karzinomrisiko einhergeht.
Kolonpolypen (Adenome) finden sich häufiger bei Patienten mit höherem BMI. Bei übergewichtigen Personen
war das Risiko für ein Kolonkarzinom bis zu zweifach erhöht, wobei unklar ist, ob die Risikoerhöhung durch
das Übergewicht, die erhöhte Kalorienaufnahme oder durch die fehlende körperliche Aktivität bedingt ist.
Rauchen ist mit einem erhöhten Risiko für Kolonadenome und -karzinome assoziiert. Trotz einer Evidenzstärke
2b wurde von den Teilnehmern der Plenumsitzung der Empfehlungsrad auf A hochgestuft, um der nachweislich
durch das Rauchen bedingten erhöhten extrakolischen Morbidität und Mortalität Rechnung zu tragen.
Ernährungsempfehlungen
Zur Risikoreduktion eines kolorektalen Karzinoms sollte die Ballaststoffaufnahme erhöht werden. Rotes
bzw. verarbeitetes Fleisch sollte nicht täglich verzehrt werden.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens.
Obst und Gemüse sollten vermehrt gegessen werden (5 Portionen am Tag). Eine Limitierung des
Alkoholkonsums wird angeraten.
Empfehlungsrad: B, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.
Anmerkungen
Obwohl es kontroverse Studien gibt, ist die Evidenz ausreichend, um eine ballaststoffreiche Ernährung
(30g/Tag) zu empfehlen. Die alleinige Zufuhr von bestimmten Ballaststoffen scheint nicht ausreichend zu sein.
Insbesondere hat die EPIC-Studie, die Ballaststoffaufnahmen zwischen 12 und 35 g/Tag untersucht hat, eine
inverse Beziehung zwischen Ballaststoffzufuhr und Karzinomrisiko nachgewiesen. Die negativen Daten der
Nurses Health Study könnten darauf zurück zu führen sein, dass die untersuchte Spannweite lediglich 9,8 bis
24,9 g/Tag betrug.
Eine höhere Zufuhr von Obst und Gemüse ist mit einer reduzierten Häufigkeit von
Kolonadenomen/Karzinomen assoziiert. Die Evidenz ist für die Aufnahme von Gemüse eindeutiger als für die
Aufnahme von Obst. Unklar ist jedoch, welche Bestandteile (Ballaststoffe, Flavonoide, Anthocyanine) einen
protektiven Effekt haben. Durch mehrere Studien konnte ein moderat erhöhtes Karzinomrisiko bei täglicher
Aufnahme von rotem bzw. verarbeitetem Fleisch gezeigt werden. Hoher Alkoholkonsum ist mit einem erhöhten
Risiko für ein Kolonkarzinom assoziiert, insbesondere bei reduzierter Folsäureeinnahme. Zusätzlich scheint ein
negativ synergistischer Effekt zwischen Rauchen und Alkohol zu bestehen. Das Risiko korreliert mit der Menge
des aufgenommenen Alkohols und nicht mit der Art des alkoholischen Getränks.
Keine Empfehlungen können zum Fischkonsum (starker Konsens), der Reduktion des Fettverzehrs
(Konsens) oder der Förderung der Aufnahme Vitamin-C-haltiger Nahrung (starker Konsens) gegeben
werden.
Anmerkungen
Mehrere Studien zeigen zwar eine Assoziation zwischen Fischkonsum und reduziertem Auftreten von
Kolonpolypen. Die Evidenz reicht jedoch nicht aus, um eine Empfehlung geben zu können. Unter der
Voraussetzung, dass Vitamin-C-haltige Nahrung im wesentlichen Obst und Gemüse ist, könnte dies empfohlen
werden. Es liegen aber keine entsprechenden Studien vor. Eine erhöhte Menge von Fett in der Nahrung ist ein
möglicher Risikofaktor für ein kolorektales Karzinom. Der Effekt von Kofaktoren (Fleischzufuhr, Übergewicht)
kann nicht hinreichend abgetrennt werden.
190
Kolorektale Karzinome
S3-Leitlinie 2004/2008, Prävention, Medikamente
Ernährungsempfehlung (Fortsetzung)
Zur Karzinomreduktion sollte die Ernährung folsäure- (Empfehlungsgrad B) und kalziumreich
(Empfehlungsrad C) sein.
Evidenzstärke 2b, starker Konsens.
Anmerkungen
Folsäurereiche Ernährung war assoziiert mit einem erniedrigten Karzinomrisiko. Ob dieser Effekt auf die
Folsäure oder andere in einer folsäurereichen Ernährung erhaltenen Stoffe zurück zu führen ist, lässt sich nicht
differenzieren. Kalziumreiche Ernährung war ebenfalls mit einem erniedrigten Karzinomrisiko assoziiert. Auch
hier lässt sich nicht eindeutig unterscheiden, ob dieser Effekt auf Kalzium oder andere in einer kalziumreichen
Ernährung enthaltenen Stoffe zurück zu führen ist.
Mikronährstoffe und Medikamente
Empfehlung
Es gibt derzeit keine gesicherten Daten zur wirksamen Prävention des kolorektalen Karzinoms durch
Mikronährstoffe und Medikamente. Diese Angaben gelten für Kalzium (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke 4).
Magnesium (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke 5), ß-Carotin (Empfehlunsgrad B, Evidenzstärke 3b), Vitamin
A (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke 3b), Vitamin C, Vitamin D, Vitamin E (Empfehlungsgrad C,
Evidenzstärke 4), Folsäure (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke 2b) und Selen (Empfehlunsgrad C,
Evidenzstärke 4). Die Einnahme dieser Substanzen im Rahmen der Primärprävention sollte daher derzeit nicht
erfolgen. Zum Einsatz von Sulindac, COX-2-Inhibitoren, 5-ASA, Cholesterinsyntheseinhibitoren oder
Ursodeoxycholsäure existieren keine Daten für die asymptomatische Bevölkerung, so dass diese Substanzen
ebenfalls nicht für diese Indikation gegeben werden sollten. Starker Konsens.
Anmerkungen
Es gibt Hinweise, dass die Einnahme von Folsäure in einem Multivitaminpräparat einen protektiven Effekt auf
die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms hat. Allerdings ist dieser Effekt für die Folsäure allein bisher
nicht eindeutig nachgewiesen worden.
Mehrere epidemiologische Untersuchungen an Personen mit erhöhter Einnahme von Vitamin A konnten eine
Reduktion des Risikos für en kolorektales Karzinom nicht sichern.
Für ß-Carotin fand sich in mehreren Studien kein genereller Effekt, jedoch in zwei Studien eine Reduktion der
kolorektalen Karzinome bei Patienten mit erhöhter Alkoholzufuhr. Es ist nicht eindeutig belegt, dass die
Einnahme hoher Dosen von Vitamin C das Risiko für ein kolorektales Karzinom senkt. Für die Vitamine D und
E ist die Datenlage unzureichend, so dass eine Aussage über mögliche protektive Effekte auf die Entwicklung
eines kolorektalen Karzinoms nicht möglich ist.
Durch Anreicherung der Nahrung mit Selen wurde eine Reduktion des KRK in einer prospektiven Studie
festgestellt. Da in dieser Studie die Häufigkeit des kolorektalen Karzinoms nicht das Hauptzielkriterium war,
reichen diese Daten nicht aus, um eine Empfehlung für Selen zur Reduktion des Risikos des kolorektalen
Karzinoms zu geben.
Empfehlung
Eine Gabe von Acetylsalicylsäure für die Primärprophylaxe kolorektaler Neoplasien sollte nicht erfolgen.
Empfehlungsgrad : A, Evidenzstärke 2a, starker Konsens
Anmerkungen
In einigen Kohorten- und Fall-Kontrollstudien wurde eine erniedrigte Inzidenz des KRK bei Einnahme
von Aspirin gesehen. Diese Befunde wurden jedoch in anderen Studien nicht bestätigt. Aufgrund der
derzeitigen ungesicherten Datenlage und der fehlenden Bewertung der Nutzen-Risiko-Relation sollte
ASS als Primärprävention nicht eingesetzt werden.
Empfehlung:
Eine Hormonersatztherapie zur Risikoreduktion eines KRK bei Frauen sollte nicht gegeben werden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens
Anmerkungen
Obwohl es Hinweise auf eine Reduktion des KRK gibt, ist der Gesamtnutzen (Mammakarzinomrisiko,
Thromboserisiko) derzeit eher negativ einzuschätzen. Aus diesem Grund erfolgte bei starkem Konsens eine
Höherstufung des Empfehlungsgrades auf A.
191
Kolorektale Karzinome
Prävention, Lebensgewohnheiten, NCI-Empfehlungen
Evidenzbeurteilung der vorliegenden Studien zur Prävention des CRC durch das NCI (National Cancer
Institute) der USA
Fett, hochkalorische Ernährung
Epidemiologische experimentelle und klinische Untersuchungen legen nahe, dass fett-, protein- und
kalorienreiche Ernährung, Alkoholkonsum, Fleischverzehr (sowohl rotes als auch weißes Fleisch) und eine
Kalzium- und Folinsäure-arme Ernährung mit einer erhöhten Inzidenz des KRK assoziiert sind.
Evidenzlevel 3 und 4.
Ballaststoffe, Früchte und Gemüse
Ballaststoffsupplementierung und Diäten, die fettarm, aber reich an Früchten und Gemüsen sind, reduzieren
nicht die Rate der Rekurrenz von Adenomen über einen 3-4-jährigen Zeitraum.
Evidenzlevel 1 und 3.
Nichtsteroidale antiinflammatorische Medikamente
Medikamente wie Piroxicam, Sulindac und Aspirin können Adenome verhindern oder zu einer Regression
adenomatöser Polypen bei der familiären adenomatösen Polyposis führen.
Evidenzlevel 1 und 3.
Rauchen von Zigaretten
Rauchen von Zigaretten ist assoziiert mit einer erhöhten Tendenz, Adenome auszubilden und ein CRC zu
entwickeln.
Evidenzlevel 3.
Postmenopausaler Hormonersatz
Postmenopausaler Ersatz weiblicher Hormone ist mit einer Verminderung des Risikos für ein Kolon-, aber nicht
für ein Rektumkarzinom assoziiert.
Evidenzlevel 3.
Koloskopie
Die Koloskopie mit Entfernung von adenomatösen Polypen kann das Risiko eines KRK reduzieren.
Evidenzlevel 3.
Empfehlung der American Cancer Society zur Ernährung und körperlichen
Aktivität
Ratschläge für eine gesunde Lebensweise
♦Essen Sie eine Vielfalt gesunder Nahrungsmittel mit einem Schwergewicht auf pflanzlichen Erzeugnissen.
- Essen Sie 5 mal am Tag Gemüse oder Obst.
- Bevorzugen Sie Vollkorngetreide.
- Begrenzen Sie den Verzehr von rotem Fleisch, insbesondere solchem mit hohem Fettgehalt.
♦Legen Sie sich einen körperlich aktiven Lebensstil zu.
- Wenigstens mäßige Aktivität für 30 Minuten an 5 oder mehr Tagen der Woche.
♦Halten Sie ein normales Gewicht während der gesamten Lebenszeit.
- Gleichen Sie Kalorienaufnahme mit körperlicher Aktivität aus.
- Reduzieren Sie Ihr Gewicht, falls Sie übergewichtig sind.
♦Wenn Sie Alkohol trinken, reduzieren Sie den Konsum auf geringe Mengen.
"5 am Tag"
In Anlehnung an die seit 1991 laufende amerikanische Kampagne "5 a day for better health" wurde im Mai
2000 eine deutsche Aktion "5 am Tag" gegründet. Es wird empfohlen, 3 Portionen Gemüse (ca. 375 g) und 2
Portionen Obst (ca. 250 g) pro Tag zu verzehren.
Als einfache Richtlinie bei unterschiedlichen Portionsgrößen gilt die Regel
"5 mal eine Handvoll",
so dass sich auch für Kinder und Jugendliche durch die Größe der Hände eine adäquate Portionsgrösse ergibt.
Insbesondere beim Gemüsekonsum nimmt Deutschland bisher in der europäischen Vergleichsstatistik einen
hinteren Platz ein (ca. 240g/die).
192
Kolorektale Karzinome
Früherkennung, Screening
Früherkennung
Das KRK ist einer Früherkennung gut zugänglich. Durch Screeninguntersuchungen kann die Erkrankung nicht
nur in einem frühen, heilbaren Stadium erkannt, sondern auch bei Entdeckung und Entfernung von Polypen
verhindert werden. So kann eine deutliche Reduktion von Inzidenz und Mortalität erzielt werden.
Koloskopiescreening
Die Koloskopie ist das sensitivs.te Verfahren zur Entdeckung von Polypen und kolorektalen Karzinomen.
Eine longitudinale Verlaufsbeobachtung aus den USA von
1980-1999 zeigte eine Senkung der Inzidenz von KRK
durch Polypektomie von Adenomen bis zu 90%. Auf der
DDW 2007 wurden Mortalitätsdaten der Kohortenstudie
vorgestellt. Es zeigte sich eine Senkung der KRKbedingten Mortalität um 90% im Vergleich zu einer
Adenomgruppe ohne Polypektomie und eine Senkung um
50% im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (Zauber AG et
al., DDW 2007, Abstract 268).
Senkung der KRK-Inzidenz durch Polypektomie
Ein Ziel der Vorsorgekoloskopie ist es, kolorektale Karzinome in einem frühen Stadium mit entsprechend guter
Prognose zu diagnostizieren. Die Patienten, deren Karzinome im Rahmen des Screenings entdeckt werden,
haben ein günstigeres Tumorstadium und damit eine günstigere Prognose (Gupta AK et al., Clin Gastroenterol Hepatol
2005; 3: 150-8). Dies zeigen auch die Ergebnisse der Vorsorgekoloskopie in Deutschland (siehe folgende Seite).
In den aktuellen Empfehlungen ist keine Altersbegrenzung für eine Vorsorgekoloskopie vorgesehen. In einer
Untersuchung an 1244 Personen, die eine Vorsorgekoloskopie erhalten hatten, zeigte sich, dass die Inzidenz der
gefundenen Neoplasien mit dem Alter zunimmt, die Zunahme an Lebensgewinn durch die Koloskopie bei über
80 jährigen jedoch deutlich abnimmt. Die Autoren schließen daraus, dass bei älteren Patienten eine
Vorsorgekoloskopie nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollte (Lin O. et al., JAMA
2006;295:2357-65).
Koloskopie – Untersuchungsintervall
Eine deutsche Fall-Kontrollstudie untersuchte an 380 Patienten und 485 Kontrollen, wie lange der protektive
Effekt einer unauffälligen Koloskopie anhält. Personen mit einer unauffälligen Koloskopie hatten ein 74%
niedrigeres Risiko für ein KRK als Personen ohne frühere Koloskopie (adjusted Odds ratio = 0,26). Dieses
niedrige Risiko bestand auch, wenn die Koloskopie bis zu 20 und mehr Jahre zurücklag. Die Autoren werfen die
Frage auf, ob eine unauffällige Koloskopie jemals wiederholt werden muss (Brenner H. et al., Gut 2006;55:1145-50).
Bevor aber das Untersuchungsintervall von 10 Jahren verlängert wird, sind sicherlich weitere Studien
erforderlich.
Neue/übersehene Karzinome nach Koloskopie (Bressler B. et al., Gastroenterology 2007;132:96-102)
Studien zeigen, dass 4-6% aller Karzinome sowie bis 12% aller
Polypen ≥10 mm übersehen werden.
Eine Studie aus Kanada untersuchte die Rate und Riskofaktoren
für neue oder übersehene Karzinome nach Koloskopie. In einer
retrospektiven Analyse von 12487 Patienten mit neu
diagnostiziertem KRK waren 5,9% bei einer vorangegangenen
Koloskopie nicht entdeckt worden. Die Rate für ein übersehenes
Karzinom war im rechten Kolon sowie im Transversum deutlich
höher als im linken Kolon oder im Sigma/Rektum.
Risikofaktoren waren höheres Patientenalter, eine Divertikulose,
Übersehene/neue Karzinome, Risikofaktoren
die Durchführung der Koloskopie von einem Internisten/
Hausarzt versus Gastroenterologen sowie die Durchführung in der Praxis versus im Krankenhaus.
Ein Teil der Karzinome, die im Verlauf nach einer Koloskopie entdeckt werden, ist möglicherweise auch durch
rasch progrediente mikrosatelliteninstabile (MSI) Tumore bedingt. Weitere Ursachen für Intervallkarzinome
sind inkomplette Untersuchungen, inkomplette Polypektomie und mangelhafte Darmvorbereitung.
193
Kolorektale Karzinome
Früherkennung, Koloskopiescreening
Vorgehen zur Früherkennung bei der asymptomatischen Bevölkerung
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und der
Arbeitsgemeinschft für Gastroenterologische Onkologie
(Schmiegel W. et al. Z Gastroenterol 2004;42:1129-77):
ab dem 50. Lebensjahr
bei Ablehnung:
ab dem 50. Lebensjahr
bei Ablehnung:
ab dem 50. Lebensjahr
● Koloskopie alle 10 Jahre (spätestens ab dem 55. Lebensjahr, obere
Altersgrenze abhängig von Begleiterkrankungen), FOBT entfällt
● Sigmoidoskopie alle 5 Jahre und
● jährlich Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut
● jährlich Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut (siehe unten)
Es wird die jährliche Durchführung einer FOBT aus 3 Testbriefchen, für drei aufeinander folgende Stuhlgänge,
mit je zwei Proben pro Stuhl auf zwei Testfelder empfohlen. Bei einmalig positivem Testergebnis ist eine
komplette endoskopische Darstellung des Dickdarms (Koloskopie bis zur Bauhinschen Klappe) nach digitaler
rektaler Austastung erforderlich. Die Rehydrierung wird nicht empfohlen.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat die sogenannte "Vorsorge-Koloskopie" vom 56. Lebensjahr an
als Früherkennungsleistung ab dem 1.10.2002 in das Programm aufgenommen. Sie sollte nach 10 Jahren
einmal wiederholt werden. Zwischen 50 und 54 Jahren sollte jährlich ein FOBT durchgeführt werden. Wird
die Koloskopie abgelehnt, steht der FOBT auch ab 55 Jahren zur Verfügung. Die Durchführung ist aber nur
noch alle 2 Jahre vorgesehen.
Vorsorgekoloskopie in Deutschland
Seit Einführung der Vorsorgekoloskopie 2002 sind mehr als 2 Millionen Untersuchungen durchgeführt worden.
Bis Ende 2005 hatten sich in der Zielgruppe der 55- bis 75jährigen 10,2% der anspruchsberechtigten Frauen und
8,8% der Männer einer Vorsorgekoloskopie unterzogen.
Ein Ziel der Vorsorgekoloskopie ist es, kolorektale Karzinome in einem frühern Stadium mit entsprechend guter
Prognose zu diagnostizieren. 2005 wurden 3829 Karzinome im Rahmen der Vorsorgekoloskopie diagnostiziert.
Für 2556 liegen die Daten für eine Stadieneinteilung vor. 69% wurden in den prognostisch günstigen Stadien I
und II entdeckt und damit deutlich früher als in einer Kontrollgruppe.
Bei über 33.300 Personen (6,6%) wurde bei der Vorsorgekoloskopie ein fortgeschrittenes Adenom (≥ 10 mm,
villöse Histologie oder höhergradige intraepitheliale Neoplasie) mit erhöhtem Progressionsrisiko in ein
Karzinom entdeckt.
Die Nebenwirkungsrate der Koloskopie ist gering und beträgt durchschnittlich 0,27%. Sie erhöht sich in
Abhängigkeit vom Alter (bei > 79 Jahren 0,5%).
194
Kolorektale Karzinome
Screeningmethoden – FOBT
Für die Darmkrebsfrüherkennung stehen folgende Untersuchungsverfahren zur Verfügung:
- FOBT
- Immunologische/Genanalytische Stuhltests
- Sigmoidoskopie
- Koloskopie
- CT/ MRT-Kolonographie
Fäkale okkulte Bluttestung (FOBT)
Der Guajac- basierte Stuhltest auf okkultes Blut stellt ein geeignetes Screening für ein KRK dar. Dieser Test ist mit
dem geringsten finanziellen, personellen und apparativen Aufwand verbunden. Die FOBT ist das einzige
Screeningverfahren bisher, dessen Wirksamkeit hinsichtlich der Mortalitätssenkung belegt ist.
Die Minnesota Studie zeigte eine Reduktion der Mortalität an KRK durch die jährliche FOBT von 8.8 auf 5,9/1000,
was einer relativen Reduktion von 33% entspricht (Mandel JS et al., NEJM 1993; 328:1365-71). Eine Testung alle 2 Jahre
führte zu einer relativen Mortalitätsreduktion von 21% (Mandel JS et al., Journal of National Cancer Institute 1999; 91:434-37).
Nach 18 Jahren Follow-up zeigte sich die Inzidenz des KRK bei jährlicher Untersuchung um 20%, bei einer Testung
alle 2 Jahre um 17% vermindert (Mandel JS et al.. NEJM 2000;343:1603-7). Die jährliche Untersuchung war also der
Testung alle 2 Jahre hinsichtlich der Reduktion der Mortalität überlegen.
Signifikanter
Überlebensvorteil
der
Patienten mit regelmäßigem jährlichen
Screening mit fäkalem Okkultbluttest
(aus Mandel JS et al. NEJM 1993;
328:1365)
Metaanalysenergebnisse
Metaanalyse von 4 randomisierten und 2 nicht randomisierten Studien mit insgesamt 442.000 Pat.
Eine regelmäßige Testung, meist alle 2 Jahre, ergab eine Senkung der Mortalität um 23% (Towler B. et al.: BMJ 1998,
317: 559-65). In allen Studien hatten ca. 1-5% der unselektioniert getesteten Personen ein positives Testresultat. Von
den Personen mit positivem Test hatten 2-10% Krebs, 20-30% hatten Adenome. Wenn 10.000 Personen ähnlichen
Alters und Risikos in den Studien ein Test alle zwei Jahre angeboten wurde und zwei Drittel wenigstens einen FOBT
durchführten, konnten 8,5 Todesfälle an KRK in 10 Jahren verhindert werden.
Nachteil des FOBT ist seine geringe Sensitivität, die für ein KRK etwa 30-50% und für Adenome nur etwa 15%
beträgt. Deswegen ist die Aussagefähigkeit eines einmalig negativen FOBT gering. Bei einem einmalig positiven
Testergebnis ist nach rektal-digitaler Untersuchung die Durchführung einer kompletten Koloskopie zwingend
notwendig. Die Wiederholung eines einmalig positiven FOBT ist nicht sinnvoll. Die niedrige Sensitivität verbietet
auch den Einsatz des FOBT bei der Abklärung symptomatischer Patienten oder im Screening von
Hochrisikogruppen.
Immunologische und genanalytische Stuhltests
Neben den Guajak- Tests gibt es neuere, auf immunologischen Verfahren basierende Tests auf Hämoglobin. Mehrere
Studien konnten zeigen, dass die Sensitivität im Hinblick auf die Detektion von Karzinomen oder fortgeschrittenen
Adenomen höher ist als für Guajac- Tests (Guittet L. et al, Gut 2007;56:210-214). Ungeklärt ist der optimale Cut-off-Wert
für einen positiven Test sowie die notwendige Anzahl von Stuhlproben. Die Untersuchung von 2 Stuhlproben steigert
die Sensitivität deutlich. Leider sind auch die Tests verschiedener Anbieter nicht vergleichbar.
Da der Tumor Zellen ins Darmlumen abgibt, können Genmutationen durch neue analytische Techniken in Faeces
nachgewiesen werden. In einer großen randomisierten Screening-Studie war der genetische Stuhltest zwar dem
Guajac- FOBT hinsichtlich der Sensitivität für Karzinome überlegen. Die Sensitivität von 52% war jedoch nur
mässig und die für fortgeschrittene Adenome mit 15% niedrig (Imperiale TF et al., NEJM 2004;35:2704-14). Der Preis für
genetische Stuhltests von mehreren hundert Dollar ist hoch und die Testdurchführung ist umständlich, sodass zum
gegenwärtigen Zeitpunkt der Einsatz als primäre Screeningmaßnahme außerhalb von Studien noch nicht sinnvoll
erscheint.
195
Kolorektale Karzinome
Früherkennung, Sigmoido-, Koloskopie
Sigmoidoskopie
Die flexible Sigmoidoskopie wurde 1969 eingeführt. Sie erlaubt die komplette Untersuchung des distalen Kolons und
verlangt beim Auffinden von Polypen nach einer kompletten Koloskopie. Allerdings konnte eine aktuelle Studie
zeigen, dass 50% aller Patienten mit fortgeschrittenen proximalen Adenomen keine distalen „Markerpolypen“
aufwiesen (s.u. bei Koloskopie). Alle Screening-Studien haben eine proportionale Vermehrung der frühen Stadien
und eine Verbesserung des Überlebens für die gescreenten im Vergleich zu den nicht gescreenten Personen gezeigt.
Die meisten dieser Studien haben jedoch keine entsprechende Vergleichsgruppe und ihre Interpretation ist aufgrund
des Screening-Bias unklar. Zwei Fall-Kontrollstudien (Selby JV et al. NEJM 1992; 326:653-7 und Newcomb PA et al. J Nat
Cancer Inst 1992; 84:1572-75,1992) fanden ein signifikant vermindertes Risiko (70-90%) für ein CRC im distalen Kolon
bei Personen, die mindestens eine Sigmoidoskopie durchführen ließen, im Vergleich zu nicht gescreenten Personen.
Die Sigmoidoskopie wird nur als optionales Screeningverfahren, wenn andere Verfahren nicht zur Verfügung stehen,
eingesetzt werden.
Digitale rektale Untersuchung
Eine Fall-Kontroll-Studie ergab, dass die Digitale rektale Untersuchung nicht mit einer statistisch signifikanten
Reduktion der Mortalität an einem distalen Rektumkarzinom assoziiert ist (Herrington LJ et al., American Journal of
Epidemiology 1995; 142:961-4). Trotzdem erscheint eine rektale Untersuchung im Rahmen z.B. einer Sigmoidoskopie
und Koloskopie sinnvoll.
Barium-Kolon-Kontrasteinlauf
Als Teil der amerikanischen "National Polyp Study" wurden Patienten
nach Polypektomie im Überwachungsprogramm koloskopiert und
geröngt (Winawer SJ et al., NEJM 2000; 342:1766-72). Die Sensitivität war
abhängig von der Polypengröße und war statistisch signifikant höher für
die Koloskopie. In der aktualisierten Leitlinie der DGVS. wird die
Untersuchung nicht empfohlen.
Koloskopie
Die komplette Ileo-Koloskopie besitzt die höchste Sensitivität (95%)
und Spezifität (100%) für die Erkennung eines KRK bzw. Adenoms und
bietet als einziges Verfahren die Möglichkeit der Diagnose und
endoskopischen Therapie von präneoplastischen Läsionen im gesamten
Kolon. 2 Studien zeigen, dass die Koloskopie eine relevante Zahl an
präkanzerösen Polypen detektiert, die der Sigmoidoskopie entgangen
wären.
Stenosierendes Kolonkarzinom. KE
In der Studie von 13 Veterans Affairs Medical Centers (Lieberman DA et
al., NEJM 2000; 343:162-8) mit 3121 Personen fanden sich bei 128
Patienten im rechten Kolon fortgeschrittene Polypen. 52% dieser Pat. hatten keine Polypen im linken Kolon, so dass
das Karzinom bei einer ausschließlichen Sigmoidoskopie nicht entdeckt worden wäre.
Die andere Studie (Imperiale TF et al., NEJM 2000; 343:169-174) schloss knapp 2000 Personen ein. Das Ergebnis war
ähnlich: die Hälfte der 50 Fälle von fortgeschrittenen Polypen im rechten Kolon wäre bei einer Sigmoidoskopie nicht
entdeckt worden, da das linke Kolon frei von Polypen war.
Virtuelle Koloskopie – CT/MR-Kolographie
Die virtuelle Koloskopie kann sowohl CT-basiert als auch ohne Strahlenexposition mit MRT durchgeführt werden.
Die aktuellen Studien zeigen eine sehr unterschiedliche Sensitivität für die Polypendetektion, z.T. eine sehr hohe mit
einer Detektion von Polypen > 6 mm von 88,7 %, zum anderen eine sehr niedrige mit einer Sensitivität von 59% bei
Polypen > 10 mm, ohne dass die Faktoren, die zu diesen differenten Ergebnissen beitragen, näher definiert sind.
Sicher sind die Ergebnisse Untersucher- und softwareabhängig. Auf jeden Fall ist eine komplette Darmvorbereitung
erforderlich. Auch die mit der Untersuchung verbundene Strahlenexposition ist zu berücksichtigen. Das Vorgehen bei
kleinen Polypen (bis 5 mm) ist unklar, insbesondere stellt sich die Frage, ab welcher Größe koloskopiert werden soll.
Es muss die Möglichkeit geben, einen Patienten mit positivem virtuellen Befund unmittelbar zu koloskopieren.
Auch gibt es keine Studien, die das optimale Untersuchungsintervall untersucht haben. Solange keine Standards und
Qualitätskriterien für die Durchführung definiert sind, darf diese Methode nicht als ein Routineverfahren zum
Polypenscreening außerhalb von Studien eingesetzt werden.
Die Koloskopie ist nach wie vor der Goldstandard für das Screening. Der Guaiac- FOBT ist die Alternative
für Personen, die eine Koloskopie ablehnen. Es ist zu erwarten, dass der immunologische FOBT in Zukunft in
die Empfehlungen aufgenommen wird.
196
Kolorektale Karzinome
Screeninguntersuchungen I, FOBT, S3-Leitlinie 2004/2008
Screening asymptomatische Bevölkerung (keine Risikogruppen)
Maßnahmen zur Früherkennung von Darmkrebs sollten bei Personen mit durchschnittlichem Risiko (leere
Familienanamnese für KRK bzw. Polypen/Adenome) ab dem Alter von 50 Jahren durchgeführt werden.
Eine ärztliche Beratung über die Screeningmethoden ist unerlässlich.
Standardverfahren ist die Koloskopie. Sie ist der Sigmoidoskopie überlegen.
Um die Sicherheit der Untersuchten zu gewährleisten, müssen die Qualitätsrichtlinien beachtet werden.
Bei Personen, die am Koloskopie-Screening entsprechend dieser Richtlinie teilnehmen, erübrigt sich das FOBTScreeningverfahren.
Bei Personen, die eine Früherkennungskoloskopie ablehnen, sollte eine Sigmoidoskopie alle 5 Jahre sowie
jährlich ein FOBT (Guaiak- Verfahren) durchgeführt werden.
Bei Personen, die jegliches endoskopische Screeningverfahren ablehnen, sollten jährlich ein FOBT durchgeführt
werden.
Ein positiver FOBT sollte nicht kontrolliert werden, sondern erfordert in jedem Fall eine Koloskopie.
Andere Verfahren als Koloskopie, Sigmoidoskopie und FOBT können derzeit nicht empfohlen werden.
Eine hohe Akzeptanz des Screening-Programms ist Voraussetzung für eine Senkung von Inzidenz und
Mortalität des Darmkrebses und Steigerung der Kosteneffektivität.
Screening-Alter
Empfehlung
Mit der Darmkrebsvorsorge sollte ab dem Alter von 50 Jahren begonnen werden. Eine obere Altersbegrenzung
kann bei steigender Lebenserwartung nicht gegeben werden. Hier erscheint eine individuelle Entscheidung unter
Berücksichtigung der Begleiterkrankungen angezeigt.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4, starker Konsens
Anmerkungen
Die KRK-Inzidenz steigt ab einem Alter von 50 Jahren deutlich an. In einer prospektiven Koloskopiestudie
zeigte sich eine deutlich niedrigere Nachweisrate fortgeschrittener Adenome bei 40- bis 49-Jährigen (3,5%), so
dass ein Screeningbeginn vor 50 Jahren für die Allgemeinbevölkerung wenig sinnvoll erscheint. Von großer
Bedeutung ist die Identifikation von Personen mit erhöhtem KRK-Risiko, für die gesonderte Empfehlungen
gelten.
Zur Altersbegrenzung der Darmkrebsvorsorge existieren keine prospektiven Studien. Die Inzidenz
fortgeschrittener Neoplasien nimmt mit dem Alter zu. Endoskopische Untersuchungen scheinen auch bei älteren
Patienten sicher durchführbar zu sein. In einer Studie war die relative 5-Jahres-Überlebensrate nach kurativer
Operation eines kolorektalen Karzinoms für Patienten über 74 Jahre vergleichbar mit der von Patienten
zwischen 50 und 74 Jahren. Die Festlegung der Altersbegrenzung sollte daher individuell in Abhängigkeit des
„biologischen Alters“ sowie vorhandener Begleiterkrankungen erfolgen. Zum Nutzen-Risiko-Verhältnis des
Darmkrebsscreenings in verschiedenen Altersgruppen existiert keine ausreichende Datenlage.
FOBT (Guaiak- Test)
Empfehlung
Bei Personen mit durchschnittlichem Darmkrebsrisiko, die keine Koloskopie wünschen, sollte ein FOBT –
bestehend aus 3 Testbriefchen (mit je 2 Auftragefeldern) für drei konsekutive Stühle – jährlich durchgeführt
werden. Hierdurch wird die Sterblichkeit an Darmkrebs signifikant gesenkt. Ein positives Testergebnis macht
die endoskopische Untersuchung des gesamten Dickdarms erforderlich. Der jährliche FOBT ist der
zweijährlichen Untersuchung überlegen. Bei Personen, die am Koloskopie-Screening teilnehmen, erübrigen sich
FOBT und andere Maßnahmen.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.
197
Kolorektale Karzinome
Screeninguntersuchungen II, Stuhltestverfahren, S3-Leitlinie
FOBT (Guaiak- Test): siehe vorherige Seite
Anmerkungen
Grundlage für die Stuhltestung auf okkultes Blut ist die Tatsache, dass kolorektale Karzinome häufiger bluten als die
normale Darmmukosa. Herkömmliche FOBT verwenden mit Guaiakharz imprägniertes Filterpapier, das sich in
Anwesenheit von im Stuhl enthaltenem Hämoglobin nach Zugabe von Wasserstoffperoxyd blau färbt. Da viele
Karzinome intermittierend bluten, führt die wiederholte Testung zu einer zuverlässigeren Erkennung von KRK. Das
in den Studien eingesetzte Verfahren beinhaltet, aus drei aufeinander folgenden Stuhlgängen je zwei Proben pro Stuhl
auf zwei Testfelder aufzutragen und auf okkultes Blut zu testen.
Zur Effektivität des FOBT als Screeningmethode für ein kolorektales Karzinom liegen die Ergebnisse von 3 großen
randomisierten Studien vor. In ihnen konnte eine Senkung der KRK-bedingten Mortalität von 15-33% gezeigt
werden. Eine Metaanalyse der Studien ergab eine durchschnittliche Senkung der KRK-Mortalität um 23%. Diese
Mortalitätssenkung bestätigte sich auch nach längerem Follow-up der Studien. Die jährliche Testung war der
zweijährigen Testung in Bezug auf die Reduktion der Mortalität in einer Studie eindeutig überlegen.
Die Sensitivität des Tests hängt entscheidend von der Art der Testdurchführung und der Patienteninstruktion ab. Eine
Rehydrierung der Testbriefchen vor Entwicklung steigert die Sensitivität des Screenings, verringert jedoch die
Spezifität deutlich (in einer Studie von 97,6 auf 90,2%, in einer weiteren von 97 auf 85,4%) und wird daher nicht
empfohlen. Es gibt Hinweise dafür, dass die Instruktion des Patienten vor der Testdurchführung in Bezug auf
Ernährung und interferierende Medikamente die Zahl der falsch positiven Testergebnisse und somit auch die Zahl der
erforderlichen Koloskopien reduzieren kann. Es erscheint daher sinnvoll, den Patienten über Faktoren, die das
Testergebnis beeinflussen könnten, aufzuklären. Der Einfluss von Pflanzenperoxidasen kann alternativ durch eine
Testentwicklung 3d nach Durchführung vermieden werden. Die Notwendigkeit einer Ernährungsempfehlung für den
Hämoccult® wird allerdings durch eine Metaanalyse infrage gestellt.
Bereits bei positivem Testergebnis auf okkultes fäkales Blut von einem der sechs Testfelder ist keine Kontrolle,
sondern eine komplette endoskopische Darstellung des Dickdarms nach digitaler rektaler Untersuchung erforderlich.
Dies beinhaltet auch den sicheren Ausschluss eines Anal- oder distalen Rektumkarzinoms mittels Proktoskopie. Eine
Kolonkontrastuntersuchung sollte nur bei technisch unvollständiger Koloskopie erfolgen.
Der Effekt der FOBT beruht auf einer Diagnose kolorektaler Karzinome in einem früheren prognosegünstigeren
Stadium. Vorteile des FOBT sind die leichte Durchführbarkeit sowie die geringen Kosten. Nachteilig ist eine mäßige
Sensitivität für Karzinome und eine geringe Sensitivität für Adenome. In einer der randomisierten Studien konnte
zwar eine Senkung der Inzidenz kolorektaler Karzinome gezeigt werden, es muss jedoch beachtet werden, dass im
Rahmen dieser Studie über 30% der Teilnehmer koloskopiert wurden.
Immunologische Stuhltestverfahren, Empfehlung
Immunologische Verfahren stellen derzeit keine Alternative zu den Guaiak- Verfahren in der Screening-Anwendung
dar. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, Konsens.
Anmerkungen
Immunologische Tests auf Hämoglobin oder Hämoglobin/Haptoglobin im Stuhl besitzen eine höhere Sensitivität als
der Hämoccult®-Test. Die Datenlage zur Spezifität ist uneinheitlich. Zu bedenken ist jedoch, dass für den Einsatz der
immunologischen FOBT weniger Daten als für das Guaiak- Verfahren vorliegen und die Tests kostenintensiver und
zum Teil komplizierter in der Durchführung sind. Während der Testdurchführung ist keine Änderung der Ernährung
erforderlich.
Immunologische Stuhltests auf Albumin oder Calprotectin sind für das Screening nicht geeignet. Ebenso reicht die
Datenlage zur M2-PK-Bestimmung im Stuhl nicht aus, um einen Einsatz außerhalb von Studien zu rechtfertigen.
Molekulare Screeningverfahren, Empfehlung
Stuhluntersuchungen auf DNA-Veränderungen als KRK-Screeningmaßnahme können derzeit aufgrund der
unzureichenden Datenlage außerhalb von Studien nicht empfohlen werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4,
starker Konsens.
Anmerkungen
Die Entstehung kolorektaler Karzinome über die Zwischenstufe der Adenome geht in vielen Fällen mit
charakteristischen genetischen Veränderungen einher. Eine Isolierung und Untersuchung von DNA aus
Kolonepithelzellen im Stuhl ist mittlerweile möglich. In einer Studie wurde der Stuhl von 46 Patienten mit bekannten
Karzinomen oder Adenomen auf APC-Mutationen untersucht. Die Sensitivität für Karzinom betrug 61%, für
Adenome 50%. In weiteren Studien mit ebenfalls kleinen Fallzahlen an Patienten mit bekannten Neoplasien wurden
mehrere Marker im Stuhl untersucht. In diesen Untersuchungen wurde eine Sensitivität für Karzinome von 63 bis
91%, für fortgeschrittene Adenome von 57 bis 82% gefunden. Aufgrund fehlender Daten aus der asymptomatischen
Bevölkerung sowie des hohen Aufwands und der Kosten sollten diese Verfahren derzeit nur im Rahmen von Studien
evaluiert werden.
198
Kolorektale Karzinome
Screening, endoskopische Verfahen, S3-Leitlinie 2004/2008
Endoskopische Verfahren
Von allen Maßnahmen zur Früherkennung kolorektaler Neoplasien besitzt die Koloskopie die höchste
Sensitivität und Spezifität (Goldstandard). Endoskopische Maßnahmen sind als einzige diagnostisch und
therapeutisch und haben den Vorteil, dass durch sie auch nicht blutende Karzinome und Adenome mit hoher
Sensitivität nachgewiesen werden können. Durch die Abtragung von Adenomen kann zudem die Entstehung
von Karzinomen effektiv verhindert werden (Unterbrechung der Adenom-Karzinom-Sequenz).
Sigmoidoskopie-Empfehlung
Die Effektivität der Sigmoidoskopie als Screening-Methode für das KRK ist gesichert. Es ist jedoch zu
bedenken, dass nicht alle Darmabschnitte eingesehen werden können und somit eine komplette Koloskopie der
Sigmoidoskopie überlegen ist. Sie ist Personen, die die Koloskopie ablehnen, anzubieten und alle 5 Jahre zu
wiederholen. Zur möglichen Detektion proximaler Karzinome sollte zusätzlich zur Sigmoidoskopie eine
jährliche FOBT-Durchführung erfolgen. Die Effektivität der Kombination ist jedoch nicht abschließend geklärt.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.
Anmerkungen
In Fall-Kontroll-Studien konnte für die Sigmoidoskopie eine Senkung der Mortalität von Karzinomen des Rektosigmoids um
etwa 60 bis 80% gezeigt werden. Prospektive randomisierte Studien laufen derzeit in den USA, Großbritannien und Italien. In
einer prospektiven Studie in Norwegen, bestehend aus Sigmoidoskopie gefolgt von einer Koloskopie bei Patienten mit
Polypennachweis in der Sigmoidoskopie, konnte eine Senkung der KRK-Inzidenz gezeigt werden.
Verglichen mit der okkulten fäkalen Bluttestung besitzt die Sigmoidoskopie eine höhere Sensitivität für kolorektale Neoplasien.
In drei randomisierten Studien, in denen die Kombination aus einmaligem FOBT und Sigmoidoskopie mit einem alleinigen
FOBT verglichen wurde, wurden signifikant mehr Neoplasien durch die Kombination gefunden.
Koloskopie-Empfehlung
Die komplette Koloskopie besitzt die höchste Sensitivität und Spezifität für das Auffinden eines KRK und von
Adenomen und sollte daher als Standardverfahren empfohlen werden. Bei unauffälligem Befund sollte die
Koloskopie nach 10 Jahren wiederholt werden. Zur Durchführung wird auf die Krebsfrüherkennungsrichtlinie
verwiesen, die digitale rektale Untersuchung ist hierbei obligat. Bei Personen, die am Koloskopie-Screening
entsprechend dieser Richtlinie teilnehmen, erübrigt sich das FOBT-Screeningverfahren.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke; 3b, starker Konsens.
Anmerkungen
In zwei Fall-Kontroll-Studien wurde gezeigt, dass die Inzidenz von Darmkrebs durch Polypektomie im Rahmen einer Koloskopie
um 66-90% gesenkt wird. Zwar gibt es keine randomisierte Studie, die richtlinienkonform durchgeführte Untersuchung wird
jedoch aufgrund der hohen Sensitivität und Spezifität und der Möglichkeit der Polypektomie von fast allen Konsensusteilnehmern
als die bevorzugte Vorsorgemethode für kolorektale Karzinome angesehen. Sie besitzt eine nachgewiesene hohe Sensitivität für
Karzinome und Adenome des gesamten Kolons und erlaubt insbesondere eine Detektion proximaler Neoplasien. 46% - 52% der
Patienten mit proximalen Neoplasien wiesen in Studien keine zusätzlichen distalen Adenome auf. Bei diesen Patienten wäre eine
Diagnose der Neoplasien mittels Sigmoidoskopie unmöglich.
Die Ergebnisse der Fall-Kontroll-Studie der Sigmoidoskopie sollten auf die Koloskopie übertragbar sein. Auch der protektive
Effekt der FOBT-Studien beruht letztendlich auf der Abklärung positiver Tests mittels Koloskopie. Zusätzlich konnte in einer
Fall-Kontroll-Studie ein protektiver Effekt der Koloskopie gezeigt werden. Die Komplikationsrate der Untersuchung in
Deutschland war in einer Studie auf freiwilliger Basis sehr gering. Tandemuntersuchungen haben gezeigt, dass größere Adenome
nur selten übersehen werden.
Es wird davon ausgegangen, dass eine unauffällige Koloskopie nach 10 Jahren wiederholt werden sollte. So fanden sich 5,5 Jahre
nach einer unauffälligen Koloskopie keine Karzinome und weniger als 1% fortgeschrittene Neoplasien. In einer Fallkontrollstudie
hielt der protektive Effekt einer Koloskopie mindestens 10 Jahre an.
Radiologische Verfahren-Empfehlungen
Weder die CT-Kolonographie noch die MRT-Kolonographie können derzeit außerhalb von Studien für das
Screening in der asymptomatischen Bevölkerung empfohlen werden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.
Anmerkungen
Für den Einsatz der MRT-Kolonographie existieren keine Studien (Flächen-/Feldversuche) in der asymptomatischen
Bevölkerung. Nur wenige Studien befassen sich mit der Untersuchung asymptomatischer Personen mittels CT-Kolonographie.
Die vorliegenden Daten zeigen für beide Untersuchungen eine niedrigere Sensitivität für kleine (<10 mm) Polypen. Flache
Polypen können nicht erfasst werden. Beide Methoden sind nicht standardisiert und die Angaben zur Sensitivität widersprüchlich,
so dass ihr Einsatz als Screening-Methode außerhalb von Studien derzeit nicht empfohlen werden kann. Ein Einsatz bei
inkompletter Koloskopie ist denkbar, hierzu gibt es keine Studien.
199
Kolorektale Karzinome
Risikogruppen, S3-Leitlinie 2004/2008
Risikogruppen
Personen, die aufgrund einer besonderen Prädisposition ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines
kolorektalen Karzinoms im Vergleich mit der Normalbevölkerung aufweisen, gehören in der Regel zu
einer von drei definierten Risikogruppen:
1. Personen mit einem familiär gesteigerten (genetische Grundlage z. Zt. noch nicht bekannt) Risiko
für ein kolorektales Karzinom
2. nachgewiesene oder mögliche Anlageträger für ein hereditäres kolorektales Karzinom
3. Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung
Sporadisches kolorektales Karzinom
Verwandte von Patienten mit kolorektalem Karzinom
Verwandte ersten Grades von Patienten mit einem kolorektalen Karzinom haben ein erhöhtes Risiko,
ebenfalls an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Evidenzstärke 2a.
Verwandte zweiten Grades haben ein nur gering erhöhtes Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu
erkranken. Evidenzstärke 2b.
Anmerkungen
Für Verwandte ersten Grades (Eltern, Geschwister, Kinder) ist das mittlere Risiko zwei- bis dreifach
erhöht. Eine weitere, 3- bis 4-fache Risikosteigerung besteht, wenn bei dem Indexpatienten das
kolorektale Karzinom vor dem 45. Lebensjahr aufgetreten und/oder mehr als ein Verwandter ersten
Grades von einem KRK betroffen ist. In der Altersgruppe <50 Jahren befinden sich allerdings auch
bislang unentdeckte hereditäre Kolonkarzinome. Das Risiko ist für das Kolon- im Vergleich zum
Rektumkarzinom höher (relatives Risiko 2,4 vs. 1,9). Für erstgradige Verwandte von betroffenen
Patienten kann das KRK-Risiko weiter aufgeteilt werden: Bei einem betroffenen Elternteil ist das
Risiko im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung 2,3fach, bei einem betroffenen Geschwisterteil
2,6fach erhöht. Ist der Indexpatient nach dem 60. Lebensjahr erkrankt, ist das KRK-Risiko für die
erstgradig Verwandten nur noch gering erhöht.
Verwandte zweiten Grades (Großeltern, Geschwister der Eltern, Enkel) von Patienten mit kolorektalen
Karzinomen haben ein leicht erhöhtes Karzinomrisiko (RR 1,3); dieses ist aber derzeit nur
unzureichend untersucht und bisher nicht in der Praxis verifiziert. Für Verwandte dritten Grades von
Patienten mit kolorektalen Karzinomen ist kein erhöhtes Karzinomrisiko anzunehmen.
Verwandte von Patienten mit kolorektalem Adenom
Verwandte ersten Grades von Patienten, bei denen ein kolorektales Adenom vor dem 50. Lebensjahr
nachgewiesen wurde, haben ein erhöhtes Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken.
Evidenzstärke: 2b.
Anmerkungen
Das Risiko dieser Verwandten, ein kolorektales Karzinom zu entwickeln, ist im Mittel etwa 2fach
gegenüber der Allgemeinbevölkerung gesteigert. Es besteht ein 80% höheres Risiko bei Eltern und
Geschwistern von Adenom-Patienten im Vergleich mit deren Lebenspartnern. Auch hier ist die
Risikohöhe vom Alter des Indexpatienten abhängig. Ist dieser jünger als 60 Jahre, ist das mittlere
Risiko nur leicht erhöht, ist er jünger als 50 Jahre, ist das Risiko ca. 4,3fach erhöht. Ist der Indexpatient
älter als 60 Jahre, ist das kolorektale Karzinomrisiko nicht mehr statistisch signifikant erhöht.
Aufgrund der Datenlage gibt es keine Evidenz, dass Verwandte von Patienten, bei denen ein
hyperplastischer Polyp nachgewiesen wurde, ein erhöhtes Risiko haben, an einem kolorektalen
Karzinom zu erkranken. Eine Ausnahme ist die sehr seltene hyperplastische Polyposis.
200
Kolorektale Karzinome
Risikogruppen, Untersuchungen, S3-Leitlinie 2004/2008
Patienten mit kolorektalen Adenomen
Jedes histologisch nachgewiesene Adenom stellt ein erhöhtes Risiko für ein kolorektales Karzinom dar
(Evidenz 2b). Dies gilt insbesondere für
- multiple (>3) Adenome
- große (>1 cm) Adenome
Anmerkungen
Generell führt die Abtragung kleiner, singulärer Adenome im Vergleich zur Normalbevölkerung zu einem um
bis zu 90% verminderten Risiko, ein metachrones kolorektales Karzinom zu entwickeln. Dies reflektiert den
Vorsorgewert der Koloskopie im Rahmen der Adenom-Karzinom-Sequenz. Kontrolluntersuchungen dienen
insbesondere der Entdeckung übersehener oder metachron auftretender Adenome.
Adenome >1 cm sind mit einem etwa 4fach erhöhten Karzinomrisiko assoziiert. Auch bei multiplen Adenomen
ist das Risiko, ein metachrones Karzinom zu entwickeln, deutlich (4- bis 6fach) gesteigert. Hierbei dürfte das
erhöhte Risiko einerseits auf einer stärkeren individuellen Disposition, andererseits auf einer höheren Prävalenz
übersehener Polypen bei der initialen Koloskopie beruhen. Beim koloskopischen Nachweis von >3 Polypen
besteht eine signifikant größere Wahrscheinlichkeit, dass weitere Polypen übersehen wurden.
Ob hyperplastische Polypen als präkanzeröse Läsionen angesehen werden können, ist derzeit nicht abschließend
beurteilbar.
Empfehlung zur Primärprävention
Eine gesonderte Empfehlung zur Primärprävention (diätetische Maßnahmen, Chemoprävention) im Vergleich
zur Normalbevölkerung kann aufgrund der widersprüchlichen Datenlage für die genannten Risikogruppen
derzeit nicht gegeben werden.
Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.
Anmerkungen
Generell können die für die Normalpopulation genannten Empfehlungen auch für die Angehörigen der
Risikogruppen übernommen werden. Für spezielle Maßnahmen fehlen weiterhin gesicherte Daten.
Vorsorgeuntersuchungen
Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom Empfehlung
a. Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom sollten in einem Lebensalter, das 10
Jahre vor dem Alterszeitpunkt des Auftretens des Karzinoms beim Indexpatienten liegt, erstmal komplett
koloskopiert werden, spätestens im Alter von 50 Jahren. Empfehlungsgrad: b, Evidenzstärke 4, starker
Konsens.
b. Die Koloskopie sollte mindestens alle 10 Jahre wiederholt werden. Empfehlunsgrad: b, Evidenzstärke 4,
starker Konsens.
Anmerkungen
a. Das Risiko eines Verwandten ersten Grades eines Patienten mit kolorektalem Karzinom, ebenfalls an einem
kolorektalen Karzinom zu erkranken, ist, insbesondere bei einem Manifestationsalter unter 50 Jahren beim
Indexpatienten erhöht.
Bei jungen Indexpatienten in der Verwandtschaft sollte die Diagnose eines HNPCC-Syndroms in Erwägung
gezogen werden und eine Mikrosatellitenanalyse und/oder immunhistochemische Untersuchung der
Mismatch-Reparatur-Proteine durchgeführt werden. Ist dies nicht möglich, sollte die Vorsorge intensiviert
werden.
b. Die Frage des maximalen Untersuchungsintervall ist bis jetzt nicht eindeutig geklärt. Es gilt derzeit aber als
wahrscheinlich, dass ein Intervall von 10 Jahren in der Regel ausreichen dürfte, dieses aber nicht
überschritten werden sollte.
Verwandte von Patienten mit kolorektalen Adenomen
Empfehlung
Verwandte ersten Grades von Indexpatienten, bei denen Adenome vor dem 50. Lebensjahr nachgewiesen
wurden, sollten 10 Jahre vor dem Lebensalter zum Zeitpunkt des Nachweises des Adenoms koloskopiert
werden. Die Koloskopie sollte mindestens alle 10 Jahre wiederholt werden.
Empfehlunsgrad: C, Evidenzstärke 5, starker Konsens.
201
Kolorektale Karzinome
Früherkennung, FAP, S3-Leitlinie 2004/2008
Vorsorge-familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)
Empfehlung zur humangenetischen Beratung und Vorsorgeendoskopie
Verwandte eines FAP-Patienten, die aufgrund des Stammbaums als Mutationsträger in Betracht kommen,
werden als Risikopersonen bezeichnet. Bei diesen sollte ab dem 10. Lebensjahr im Anschluss an eine
humangenetische Beratung der Familie eine prädiktive molekulargenetische Diagnostik durchgeführt werden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
Wurde die Mutation bei Risikopersonen (Kinder von einem Elternteil mit FAP oder Geschwister von FAPPatienten) ausgeschlossen, ist eine spezifische gesonderte Vorsorge nicht mehr notwendig.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens.
Risikopersonen, bei denen die Mutation bestätigt oder nicht ausgeschlossen werden konnte, sollten spätestens ab
dem 10. Lebensjahr jährlich rekto-sigmoidoskopiert werden. Bei Nachweis von Adenomen muss eine komplette
Koloskopie erfolgen und bis zur Proktokolektomie jährlich wiederholt werden.
Empfehlungsgrad:A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
Anmerkungen
Die humangenetische Beratung erfolgt bei Minderjährigen gemeinsam mit den Erziehungsberechtigten. Die
Einleitung der humangenetischen Diagnostik vor dem 10. Lebensjahr ist selten notwendig, da kolorektale
Karzinome bei FAP-Anlageträgern vor dem 15. Lebensjahr sehr selten sind. Die molekulargenetische
Untersuchung kann mittels direkter (Mutationsnachweis im APC-Gen) oder indirekter (Nachweis der Vererbung
ursächlichen Mutation durch Kopplungsanalyse) Genotypisierung erfolgen. Eine prädiktive Testung kann nur
bei zuvor identifizierter pathogener Keimbahnmutation bei einem betroffenen Familienmitglied erfolgen und
muss in eine humangenetische Beratung eingebettet sein. Ein Mutationsnachweis gelingt bei 70% der Patienten.
Bei Vorhandensein von mindestens zwei Betroffenen in der Familie kann die Vererbung des für die FAP
verantwortlichen Gen-Defekts indirekt über die Vererbung benachbarter polymorpher Marker nachgewiesen
werden (Kopplungsanalyse). Mit beiden Methoden zusammen genommen gelingt die molekulargenetische
Diagnostik bei über 90% der Betroffenen. Als weitere Methode zur Identifizierung von Genträgern kann in
vielen Familien eine Augenhintergrundspiegelung durchgeführt werden. Die Augenhintergrundspiegelung dient
zur Identifizierung einer kongenitalen Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels, hat durch die prädiktive
DNA-Testung jedoch an Bedeutung verloren.
Bei der klassischen FAP werden immer auch Polypen im Rektum und Sigma beobachtet. Sind Rektumpolypen
nachgewiesen worden, so können proximal weitere Adenome oder sogar Karzinome vorhanden sein. In diesem
Falle schließt sich kurzfristig eine komplette Koloskopie an, die, je nach Befund, in mindestens jährlichen
Abständen wiederholt werden sollte. In Familien, in denen eine genetische Testung nicht durchgeführt wurde
oder nicht aussagekräftig war, ist allen Risikopersonen die endoskopische Vorsorge ab dem 10. Lebensjahr zu
empfehlen. Im Einzelfall ist bei bestimmten Mutationen, früher Karzinommanifestation in der Familie oder
assoziierten Symptomen, der Beginn der Vorsorge bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Erwägung zu ziehen.
Empfehlung zur Proktokolektomie
Patienten mit klassischer FAP sollten prophylaktisch – wann immer möglich kontinenzerhaltend –
proktokolektomiert werden, wenn vertretbar erst nach Abschluss der Pubertät.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens.
Nach einer Operation ist eine Pouchoskopie jährlich, bei Patienten mit erhaltenem Rektumstumpf eine
Rektoskopie alle 4 Monate erforderlich.
Empfehlungsgrad: 1, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens.
Empfehlung zur Untersuchung möglicher extrakolischer Manifestationen
Eine ÖGD mit besonderer Inspektion der Papillenregion sollte spätestens ab dem 30. Lebensjahr alle 3 Jahre
durchgeführt werden. Das Intervall sollte in Abhängigkeit vom Schweregrad vorhandener Adenome auf bis zu 1
Jahr verkürzt werden.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke 4, starker Konsens.
Weitere extrakolische Manifestationen müssen bei der Vorsorge beachtet werden. Es sollte daher eine jährliche
Sonographie des Abdomens und der Schilddrüse ab dem 10. Lebensjahr erfolgen.
Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke 4, starker Konsens.
Empfehlung
Eine allgemeingültige Empfehlung zur Behandlung von Adenomen im oberen Gastrointestinaltrakt kann derzeit
nicht gegeben werden. Dies gilt auch für die Gabe von Cox-2-Hemmern.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
202
Kolorektale Karzinome
Früherkennung, HNPCC, S3-Leitlinie 2004/08
Hereditäres Nicht-Polyposis-Coli-Kolonkarzinom (HNPCC)
Empfehlung zur genetischen Beratung
Risikopersonen ist ab dem 18. Lebensjahr eine genetische Beratung zu empfehlen. Sobald die
krankheitsverursachende Mutation in der betreffenden Familie bekannt ist, sollte diese bei den Risikopersonen
untersucht werden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens
Wenn die krankheitsverursachende Mutation bei einer Risikoperson ausgeschlossen wurde, gelten die allgemeinen
Krebsvorsorgemaßnahmen.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens
Empfehlung zur Koloskopie
Risikopersonen für ein HNPCC sollten ab dem 25. Lebensjahr jährlich komplett koloskopiert werden
(Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2a, Konsens), in jedem Fall 5 Jahre vor dem niedrigsten Erkrankungsalter in
der Familie. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, Konsens
Anmerkung
Eine prospektive Studie konnte eine signifikante Reduktion der Mortalität und auch der Inzidenz von KRK um mehr
als jeweils 60% bei dreijährlichen Untersuchungsintervallen nachweisen. Aufgrund einer beschleunigten
Tumorprogression mit Intervallkarzinomen bei etwa 4% aller Patienten bei zwei- bis dreijährlichen
Untersuchungsabständen wird ein jährliches Intervall empfohlen. Die Stadienverteilung und damit auch Prognose
HNPCC-assoziierter kolorektaler Karzinome, die im Rahmen eines Vorsorgeprogramms entdeckt werden, ist
signifikant günstiger als die symptomatischer Patienten. Daten zu einer medikamentösen Chemoprävention des KRKRisikos bei HNPCC liegen bisher nicht vor. Eine medikamentöse Chemoprävention außerhalb von Studien kann
daher derzeit nicht empfohlen werden.
Empfehlung zur Untersuchung assoziierter Karzinome
Bei weiblichen Risikopersonen und Mutationsträgerinnen sollte ab dem 25. Lebensjahr zusätzlich zur jährlichen
gynäkologischen Untersuchung ein transvaginaler Ultraschall im Hinblick auf Endometrium- und Ovarialkarzinome
durchgeführt werden.
Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens
Wenn in der Familie ein Magenkarzinom aufgetreten ist, sollte ab dem 25. Lebensjahr jährlich eine ÖGD
vorgenommen werden.
Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens
Bei allen Risikopersonen und Mutationsträgern sollte ab dem 25. Lebensjahr zusätzlich eine jährliche
Oberbauchsonographie durchgeführt werden.
Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, starker Konsens
Anmerkungen
Da durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen Karzinome bei fast allen Patienten im Stadium UICC I/II oder
sogar als prämaligne Adenome entdeckt werden und die Penetranz unvollständig ist, kann eine prophylaktische
Kolektomie bzw. Proktokolektomie derzeit nicht empfohlen werden.
Hamartomatöse Polyposis
Empfehlung
Generelle Überwachungsempfehlungen können wegen der spärlichen Datenlage nicht gegeben werden. Die
Überwachung der Patienten und Risikopersonen sollte in Zusammenarbeit mit einem ausgewiesenen Zentrum
durchgeführt werden.
Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, starker Konsens.
Anmerkungen
Die meisten Studien sind retrospektiv und umfassen kleine Fallzahlen. Nach diesen Studien ist das relative Risiko
eines Patienten mit Peutz-Jeghers-Syndrom zur Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms deutlich gegenüber der
Allgemeinbevölkerung erhöht. Darüber hinaus ist das Risiko für eine Reihe von weiteren Tumoren signifikant erhöht.
Aufgrund der Seltenheit des Krankheitsbildes sollten diese Patienten in enger Abstimmung mit erfahrenen Zentren
behandelt werden. Neben der intestinalen und extraintestinalen Karzinomfrüherkennung stehen jedoch auch
insbesondere die Vermeidung und rechtzeitige Erkennung benigner intestinaler Komplikationen wie Blutung,
Anämie, Obstruktion und Invagination von Polypen bereits in jungen Jahren im Vordergrund. Aus diesem Grunde
sollte eine bildgebende Diagnostik des gesamten Gastrointestinaltraktes bereits ab dem etwa 10. Lebensjahr erfolgen.
Auch bei Patienten mit einer juvenilen Polyposis sollte wegen des erhöhten Risikos für KRK und Magenkarzinome
und zur Vermeidung und Früherkennung benigner Komplikationen bereits frühzeitig eine bildgebende Diagnostik des
gesamten Gastrointestinaltraktes erfolgen.
203
Kolorektale Karzinome
Früherkennung, Colitis ulc., S3-Leitlinie 2004/2008
Der Beginn der Vorsorgeuntersuchungen bei Patienten mit chronischer Colitis ulcerosa richtet sich nach den
Empfehlungen der WHO (Levin et al. 1991) nach der Ausdehnung der entzündlichen Veränderungen. Bei
ausgedehnter, über die Flexura lienalis hinausgehender oder totaler Kolitis soll ab dem 8.-10. Erkrankungsjahr, bei
ausschließlich linksseitiger bis maximal zur Flexura lienalis reichender Entzündung ab dem 12.-15. Jahr begonnen
werden. Nach neueren Untersuchungen ist eine zusätzlich vorhandene primär sklerosierende Cholangitis ein weiterer
unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten von Dysplasien und Karzinomen. Während der Koloskopie sind multiple
Biopsien zu entnehmen, und zwar:
von allen makroskopisch auffälligen Läsionen (Plaques, knotig verdickte oder zottige Areale, ungewöhnliche
Polypen, Stenosen) und von makroskopisch unauffälliger (flacher) Schleimhaut alle 10-12 cm.
Die Biopsien müssen getrennt und mit detaillierter Angabe der Herkunft zur histologischen Untersuchung eingesandt
werden.
Nach dem Ergebnis der Histologie und nach dem makroskopischen Befund richtet sich das weitere Vorgehen
entsprechend dem nachstehenden Schema (Empfehlung der WHO nach Hohenberger, Regensburg):
Überwachungsstrategie bei Colitis ulcerosa nach dem Dysplasiegrad der Mukosa
LGD = low grade Dysplasie
HGD = high grade Dyspalsie
S3-Leitlinie
Bei Patienten mit Pancolitis ulcerosa, die >8 Jahre besteht, oder linksseitiger Colitis, die >15 Jahre besteht, soll eine
komplette Koloskopie mit Stufenbiopsien (mindestens 4 Biopsien alle 10 cm) jährlich erfolgen.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, Konsens
Primärprävention Empfehlung
Aminosalicylate können zur Prophylaxe des kolorektalen Karzinoms bei Colitis ulcerosa eingesetzt werden.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, Konsens.
Anmerkungen
Prospektive Studien zum Einsatz von Aminosalicylaten zur Karzinomprophylaxe liegen nicht vor. In mehreren
Fallkontrollstudien ging eine 5-ASA-Therapie mit einer gesenkten Karzinomentstehung einher. In einer
Kohortenstudie war das Risiko, ein KRK zu entwickeln, für Patienten mit langjähriger Aminosalicylat-Therapie
signifikant verringert. Eine Dauergabe von Aminosalicylaten scheint demnach das KRK-Risiko zu senken. Eine
Fortführung der Aminosalicylat-Therapie zur Karzinomprophylaxe sollte mit dem Patienten individuell anhand
vorliegender Risikofaktoren besprochen werden. Sie ersetzt nicht die Notwendigkeit einer regelmäßigen
endoskopischen Überwachung.
Bei Colitis ulcerosa-Patienten mit zusätzlich vorliegender PSC scheint eine Ursodeoxycholsäure-Therapie (UDCA)
einen protektiven Effekt auf die kolorektale Neoplasieentstehung zu besitzen. Folsäure besitzt möglicherweise einen
protektiven Effekt bei Patienten mit CU, weitere Studien sind jedoch erforderlich.
Empfehlung
Bei eindeutiger und durch einen unabhängigen zweiten Pathologenbefundung bestätigte hochgradige intraepitheliale
Neoplasie in flacher, nicht entzündeter Schleimhaut, ist dem Patienten die elektive, kontinenzerhaltende
Proktokolektomie zu empfehlen.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.
Morbus Crohn
Beim Morbus Crohn ist ebenfalls von einem erhöhten kolorektalen Karzinom-Risiko auszugehen, dieses ist jedoch im
Vergleich zur Colitis ulcerosa noch unzureichend charakterisiert, möglicherweise aber geringer. Es besteht ein
erhöhtes Dünndarmkarzinomrisiko.
204
Kolorektale Karzinome
Endoskopie, Durchführung, S3-Leitlinie 2004/2008
Stellenwert der Endoskopie in der Diagnostik von Polypen und KRK
Empfehlung
Die komplette Koloskopie stellt das Standardverfahren zur Detektion kolorektaler Polypen und Karzinome dar. Sie
besitzt die höchste Sensitivität und Spezifität für das Auffinden eines KRKs und von kolorektalen Polypen. Die
Effektivität der Koloskopie hängt entscheidend von der Qualität der Untersuchung ab. Diese ist technik- und
untersucherabhängig.
Evidenzstärke: 1b, starker Konsens
Bei inkompletter Koloskopie aufgrund eines stenosierenden Tumors kann präoperativ zusätzlich eine CT- oder MRKolonografie erfolgen. Postoperativ soll eine komplette Koloskopie erfolgen.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens
Hintergrund
Wichtige Qualitätsmerkmale der Koloskopie beinhalten die Spiegelung bis zum Coecum, die optimale
Darmvorbereitung mit wenig oder keinen verbliebenen Stuhlresten sowie die sorgfältige Inspektion der
Darmschleimhaut beim Rückzug. So konnte gezeigt werden, dass die Polypendetektionsrate mit der Rückzugszeit
nach Erreichen des Coecums korreliert. Die Rückzugszeit sollte mindestens 6 Minuten betragen. Weitere
Qualitätsmerkmale sind die primäre Erkennung von Polypen bei 20-50% sowie übersehene Polypen bei weniger als
10% der Untersuchten.
Bei pathologischen Befunden im Rahmen der Koloskopie ist eine Zuordnung nach endoskopisch-anatomischen
Strukturen und nach Diaphanoskopie ungenügend. Eine Angabe in cm Gerätelänge ab ano sollte nur im Rektum und
unteren Sigma erfolgen. Bei unklarem oder OP-würdigen Befund sollte eine Markierung mittels Clip (nur bei
zeitnaher OP) oder Tusche erfolgen, um eine Wiederauffindung zu ermöglichen.
Chromoendoskopie
Empfehlung
Eine Chromoendoskopie kann bei Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung und HNPCC zur
besseren Erkennung von neoplastischen Läsionen eingesetzt werden. Sie kann darüber hinaus zur besseren
Abgrenzung flacher und eingesenkter Läsionen vor endoskopischer Therapie verwendet werden.
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.
Hintergrund
Bei Patienten mit CED oder HNPCC kann eine höhere Detektionsrate neoplastischer Läsionen durch
Chromoendoskopie als gesichert gelten. Durch den Einsatz der Chromoendoskopie mit Indigokarmin oder
Methylenblau gelingt eine bessere Abgrenzung flacher und eingesenkter Läsionen von der umgebenden gesunden
Schleimhaut. Die Chromoendoskopie kann daher vor der endoskopischen Abtragung flacher Adenome eingesetzt
werden.
Zoomendoskopie
Empfehlung
Die Durchführung der Zoomendoskopie zur Klassifikation des „Pit-Pattern“-Musters ist derzeit kein
Standardverfahren.
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.
Hintergrund
Ziel der Zoomendoskopie ist es anhand der „Pit-Pattern“-Klassifikation zwischen hyperplastischen und
neoplastischen Läsionen zu unterscheiden, um ohne Histologie festzustellen, welche Läsionen endoskopisch
abgetragen werden müssen. In einzelnen Studien war dies mit hoher Sensitivität möglich. Die Spezifität war jedoch
in anderen Studien mit 75% nicht ausreichend. Die Zoomendoskopie ersetzt derzeit nicht die Endoskopie.
Sigmoidoskopie versus Koloskopie
Empfehlung
Bei positivem FOBT-Test, bei Tumorverdacht oder simoidoskopischem Nachweis eines neoplastischen Polypen soll
eine vollständige Koloskopie durchgeführt werden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.
205
Kolorektale Karzinome
Polypektomiedurchführung, S3-Leitlinie 2004/2008
Schlingenektomie versus Zangenektomie
Empfehlung
Polypen sollen unter Angabe der Lokalisation entfernt und geborgen werden.
Die Polypektomie kann bei multiplen Polypen ggf. mehrzeitig erfolgen.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens.
Hintergrund
Um eine Zuordnung zu ermöglichen, sollen Polypen einzeln unter Angabe der Lokalisation für eine histologische
Aufarbeitung geborgen werden. Bei mehreren Polypen in einem Segment ist eine gemeinsame Bergung dieser
Polypen vertretbar. Hierbei müssen aber die onkologischen Resektionsgrenzen beachtet werden; eine Markierung des
polypektomierten Kolonsegments ist sinnvoll.
Folgende Endoskopische Verfahren stehen zur Verfügung:
ƒ Polypektomie mit der Schlinge
ƒ Endoskopische Mucosaresektion (EMR)
Alternative Verfahren der Polypenentfernung sind im Einzelfall in Erwägung zu ziehen.
Abgetragene flache und sessile Polypen sollten zur Identifikation durch Aufspießen mit einer Stecknadel oder durch
Farbstoff markiert werden. Die Fixierung auf einer Korkplatte hat sich ebenfalls bewährt.
Voraussetzung und Limitierung für die endoskopische Schlingenektomie großer Polypen sind die realistische Option
einer kompletten Abtragung mit einem niedrigen Blutungs- und Perforationsrisiko. Die Erfahrung des Untersuchers
und die Lage des Polypen können ebenfalls limitierende Faktoren darstellen.
ƒ Flache Läsionen können durch eine EMR entfernt werden.
ƒ Ausschließlich eingesenkte flache Läsionen (IIc) sollten in der Regel primär chirurgisch und nicht endoskopisch
behandelt werden, da es sich hierbei meistens nicht mehr um sogenannte frühinvasive T1-Karzinome handelt und die
komplette endoskopische Entfernung (R0) nur selten möglich ist.
ƒ Die Polypektomie kann auch unter Thrombozytenaggregationshemmung durchgeführt werden, die Kombination
von ASS und Clopidrogel erhöht jedoch das Blutungsrisiko und sollte vermieden werden.
ƒ Die vollständige Entfernung eines Polypen ist immer zu fordern, denn in einem verbliebenen Polypenrest können
noch eine hochgradige intraepitheliale Neoplasie oder ein Karzinom nachweisbar sein. Die Größe des entfernten
Polypen, der histologische Adenomtyp und der Schweregrad der intraepithelialen Neoplasie bestimmen die Höhe des
Risikos für Lokalrezidive und metachroner Polypen. Bei Polypen > 2 cm beträgt die Lokalrezidivrate 8-20%.
Empfehlung
Um eine repräsentative histologische Aussage zu erhalten und zur definitiven Therapie, sollen
ƒ Polypen > 5 mm vollständig durch Schlingenektomie entfernt werden.
ƒ Polypen ≤ 5 mm sollten generell mit der Zange komplett entfernt werden.
ƒ Grundsätzlich sollen diagnostische Koloskopien nur dann durchgeführt werden, wenn in gleicher Sitzung die
Möglichkeit zur Schlingenektomie besteht.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.
Hintergrund
Eine Zangenbiopsie von Polypen ist nicht sinnvoll, wenn eine Abtragung technisch möglich ist. Sie ist außerdem
unzuverlässig. Darüber hinaus können ausgiebige Biopsien durch nachfolgende Vernarbung die komplette
endoskopische Abtragung beim Zweiteingriff erschweren.
Bei eindeutigen Malignitätskriterien mit primärer OP-Indikation sind Biopsieentnahmen obligat. Bei Polypen ≤ 5 mm
sind Adenome mit invasivem Karzinom äußerst selten, bei Polypen ≤ 1 cm beträgt die Rate < 1%.
Ziel einer Koloskopie muss das Erreichen eines polypenfreien Darms (clean-colon) sein.
Bei Polypen ≤ 5 mm ist deshalb eine komplette Zangenektomie erforderlich, um die Läsion histologisch zu
typisieren. Kleine (≤ 5 mm), häufig multipel auftretende typische hyperplastische Polypen im Rektum können
belassen werden.
In den letzten Jahren mehren sich die Hinweise, dass neben der Adenom-Karzinom-Sequenz auch der weitere Weg
über den sogenannten „serrated pathway“ zu einem kolorektalen Karzinom führen kann.
Hyperplastische Polyposis
Beim Vorliegen einer sogenannten hyperplastischen Polyposis ist das mutmaßlich erhöhte Risiko eines KRK bei der
Terminierung von Kontroll-Intervallen zu berücksichtigen.
Die hyperplastische Polyposis ist definiert durch (WHO):
ƒ mindestens 5 hyperplastische Polypen proximal des Sigmas, wobei zwei größer als 1 cm sein sollen.
ƒ Das Auftreten von hyperplastischen Polypen proximal des Sigmas unabhängig von Zahl und Größe, wenn
ein erstgradig Verwandter (Eltern, Kinder, Geschwister) von einer hyperplastischen Polyposis betroffen ist.
ƒ Wenn mehr als 30 hyperplastische Polypen – egal welcher Grösse-proximal des Sigmas auftreten.
206
Kolorektale Karzinome
Histologische Untersuchung, S3-Leitlinie 2004/2008
Histologische Untersuchung, Empfehlung S3-Leitlinie 2008
Die histologische Untersuchung jedes Polypen ist obligat. Die histologische Befundung der Polypen erfolgt
entsprechend der WHO-Kriterien mit einer Aussage zur Vollständigkeit der Abtragung. Konventionelle
Adenome werden klassifiziert nach histologischem Wachstumstyp (tubulär, tubulovillös und villös) und dem
Grad der intraepithelialen Neoplasie (niedrig- und hochgradige intraepitheliale Neoplasie); serratierte Läsionen
werden unterteilt in hyperplastische Polypen, sessile serratierte Adenome, gemischte Polypen (mit Angabe des
IEN-Grades) und traditionelle serratierte Adenome (mit Angabe des IEN-Grades).
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.
Hintergrund
Etwa 8% der bisher als hyperplastisch klassifizierten Polypen sind nach neuen Erkenntnissen sessile serratierte
Adenome (SSA), die ein Progressionspotenzial zum Karzinom besitzen, vor allem bei einer Größe von mehr als
1 cm und rechtsseitiger Lokalisation. Außerdem kommen gemischte Schleimhautpolypen (mixed polyps) vor.
Weiterhin sind 2% aller kolorektalen Polypen traditionelle serratierte Adenome (TSA). Alle diese Varianten
weisen einen gemeinsamen molekularen Kanzerogeneseweg auf.
Empfehlung Histologie bei Karzinomnachweis
Bei Karzinomnachweis soll der histologische Befund folgende Merkmale enthalten:
ƒ Das Ausmaß der Tiefeninfiltration (pT-Kategorie), bei sessilen Polypen die sm-Invasionsmessung in μm.
ƒ Den histologischen Differenzierungsgrad (Grading)
ƒ Vorhandensein oder Fehlen von Lymphgefäßinvasion (L-Klassifikation) und
ƒ Die Beurteilung der Resektionsränder (R-Klassifikation) im Hinblick auf die lokale Entfernung im Gesunden
(zur Tiefe und zur Seite).
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.
Empfehlung Klassifikation pT1-Karzinom
Im Hinblick auf weitere therapeutische Konsequenzen bei komplett entfernten pT1-Karzinomen soll eine
zusammenfassende Klassifikation erfolgen in
ƒ Low-risk
ƒ High risk
=
=
G1 oder G2 und keine Lymphgefäßeinbrüche (L0)
G3 oder G4 und /oder Lymphgefäßeinbrüche (L1)
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.
Die Notwendigkeit einer Angabe über den Abstand der Entfernung im Gesunden bei pT1-Karzinomen ist
strittig.
WHO/Wien-Klassifikation: Einteilung und Terminologie der kolorektalen intraepithelialen
Neoplasien
Kategorie 1
Keine Neoplasie
Kategorie 2
„indefinite“ für Neoplasie
Kategorie 3
Geringgradige Neoplasie der Schleimhaut
Mucosal low grade intraepithelial neoplasia (LGIN)
Kategorie 4
Hochgradige Neoplasie der Schleimhaut
Hochgradige intraepitheliale Neoplasie (HGIN)
Intraepithelial: Adenom mit schwerer Dysplasie, Carcinoma in situ
Intramucosal: intramucosales Karzinom, V.a. invasives Karzinom
Kategorie 5
Submucosales invasives Karzinom (Frühkarzinom T1, fortgeschrittene Karzinome >T1)
Nicht neoplastische Polypen
Verschiedene Typen siehe Seite „Polypen“. Die hyperplastischen Polypen (meist <5 mm) sind die häufigsten
nicht neoplastischen Kolonpolypen. Hyperplastische Polypen können in eine intraepitheliale Neoplasie, die
dann „serrated adenoma“ genannt wird, und nachfolgend in ein Karzinom übergehen. Von einem „serrated
adenoma“ spricht man, wenn histologisch sägeblattartige Krypten mit Dysplasien des Oberflächenepithels und
vermehrten Mitosen vorliegen.
207
Kolorektale Karzinome
Polypektomie, Karzinomnachweis, S3-Leitlinie 2004/2008
Vorgehen bei pT1-Karzinomen Empfehlung
Ergibt die histologische Untersuchung eines endoskopisch R0-entfernten Polypen ein pT1-Karzinom, soll auf
eine onkologische Nachresektion verzichtet werden, wenn es sich um eine Low-Risk-Situation bei histologisch
karzinomfreier Polypenbasis (R0) handelt.
In der High-Risk-Situation ist die radikale chirurgische Behandlung erforderlich, auch wenn die Läsion
komplett entfernt wurde.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, Konsens.
Bei inkompletter Abtragung eines Low-Risk-pT1-Karzinoms soll eine komplette endoskopische oder lokale
chirurgische Entfernung erfolgen. Wenn eine R0-Situation nicht erreichbar ist oder Zweifel am Vorliegen einer
pT1-Situation besteht, so ist die onkologisch-chirurgische Resektion erforderlich.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens
Hintergrund
pT1-Karzinome unterscheiden sich je nach Situation erheblich in ihrer Prognose. Dreh- und Angelpunkt einer
Risikostratiefizierung stellt die Wahrscheinlichkeit der Lymphknotenmetastasierung dar. Die Gesamtgruppe der
T1-Karzinome hat eine Lymphknotenmetastasierungsrate (N+) von 0-20%. Qualitative Prognosekriterien:
Grading und L-Klassifikation des Polypen. Quantitative Messung der Submucosainvasion am Operations- bzw.
Polypektomiepräparat. Einteilung der Submucosaschicht in drei Drittel. Am Präparat eines sessilen Polypen ist
die Messung der Submucosinvasionsstrecke in μm sinnvoller. Die sogenannten frühinvasiven Formen (sm1,
sm2 bzw. Submucosainvasion ≤ 1000 μm) haben mit 0-6% ein geringes N+-Risiko. Bei sm3-Karzinomen
beträgt das Lymphknotenmetastasierungsrisiko etwa 20%. Cave: Messung der Submucosadicke nicht am
gestielten Polypen in μm, weil die Submucosadicke von der Stiellänge abhängig ist, das heißt der Stiel ist immer
sm1-Niveau. Der Nachweis einer Veneninvasion (V-Klassifikation) sollte erwähnt werden, der Stellenwert für
eine lokale Therapie ist jedoch nicht sicher belegt.
Vorsicht ist geboten, wenn bei sessilen Läsionen prätherapeutisch bereits eine Karzinomdiagnose bioptisch
gesichert wurde. Häufig handelt es sich dann schon nicht mehr um eine endoskopisch therapierbare Situation.
Die Absicherung einer R0-Situation ist obligat, kontrovers wird ein Sicherheitsabstand von 1 mm zur Basis
diskutiert. Eine endoskopische Entfernung als en-bloc-Resektion ist optimal. Eine Entfernung in Piece-mealTechnik erscheint ausreichend.
Empfehlung Nachsorge pT1-Karzinom
Die endoskopische lokale Nachsorge bei
kompletter Entfernung (R0) von Low-Risk (pT1, low-grade G1, G2, L0) Karzinomen
nach einem halben Jahr und nach zwei Jahren.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
Empfehlung Medikamentöse Sekundärprävention bei Adenomen
Eine medikamentöse Sekundärprophylaxe nach Polypektomie sollte derzeit außerhalb von Studien nicht
erfolgen.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke:1b, starker Konsens.
Hintergrund
Obwohl in mehreren prospektiven randomisierten Untersuchungen mit hoher Evidenzstärke (1b) ein geringer
präventiver Effekt nach niedrigdosiertem ASS gefunden wurde, kann aufgrund des geringen Effekts (Senkung
der Rezidivadenomrate um max. 35%) und der medikamentös bedingten Risiken derzeit eine Einnahme zur
Senkung des Rezidivrisikos nicht empfohlen werden.
Gleiches gilt für die COX-2-Hemmer, für die eine Senkung der Adenomrezidivrate um 24-45% erreicht wurde,
die jedoch mit einer signifikant erhöhten Rate kardiovaskulärer Nebenwirkungen einhergingen, die den
potentiellen Nutzen aufwiegen.
Auch die Senkung der Adenomrezidivrate um 12% durch Kalzium erscheint zu gering, um die längerfristige
Einnahme für diese Indikation rechtfertigen zu können.
208
Kolorektale Karzinome
Polypenmanagement, Nachsorge, S3-Leitlinie 2004/2008
Eine wesentliche Neuerung der überarbeiteten Leitlinie ist die Betonung der Bedeutung einer hochqualitativen
Koloskopie mit hoher Neoplasiedetektions- und geringer Nebenwirkungsrate. Aufgrund des geringen
Neoplasierisikos von Patienten, bei denen ein oder zwei tubuläre Adenome < 10mm entfernt wurden, wurde das
Nachsorgeintervall für diese Patientengruppe auf 5 Jahre verlängert. Diese Empfehlung wird durch eine
randomisierte US-Studie unterstützt, in der die Rate an fortgeschrittenen Neoplasien zwischen Patienten, die
innerhalb der ersten 3 Jahre und zwischen 3 und 5,5 Jahren nach Abtragung von ein oder zwei tubulären
Adenomen kontrolliert wurden, nicht signifikant unterschiedlich war (Liebermann et al. Gastroenterol 2007;133:107785).
Empfehlung
Nach Abtragung kleiner einzelner, nicht neoplastischer Polypen besteht keine Notwendigkeit einer
endoskopischen Nachsorge.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.
Hintergrund
Bei Patienten mit kleinen (<1 cm) hyperplastischen Polypen und negativer Familienanamnese besteht offenbar
kein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines KRK. Hier gelten die allgemeinen Regeln zur KRK-Prävention,
d.h. Kontrollkoloskopie in 10 Jahren. Ausnahmen sind nicht neoplastische Polyposiserkrankungen
(hyperplastische, juvenile, Peutz-Jeghers) mit erhöhtem Risiko einer malignen Entartung.
Empfehlung Nachsorge
ƒ Nach kompletter Abtragung neoplastischer Polypen (Adenome) ist eine Kontrollendoskopie erforderlich.
Der Zeitpunkt sollte von Anzahl, Größe und Histologie der entfernten Adenome abhängig gemacht
werden.
ƒ 1 oder 2 Adenome < 1 cm ohne höhergradige intraepitheliale Neoplasie:
Kontrolle nach 5 Jahren
ƒ 3-10 Adenome oder mindestens ein Adenom, das 1 cm oder größer ist, oder ein Adenom mit villöser
Histologie:
Kontrolle nach 3 Jahren
ƒ Adenom mit hochgradiger intraepithelialer Neoplasie und histologisch bestätigter vollständiger Abtragung:
Kontrolle nach 3 Jahren
ƒ Histologisch nicht bestätigte vollständige Abtragung bei makroskopisch vollständiger Abtragung:
Kontrolle zeitnah in 2-6 Monaten.
ƒ Mehr als 10 Adenome: Kontrolle kürzer als 3 Jahre unter Berücksichtigung individueller Kriterien
(Familienanamnese).
ƒ Nach Abtragung großer, flacher oder sessiler Adenome in Piece-meal-Technik:
kurzfristige Kontrolle der Abtragungsstelle nach 2-6 Monaten.
Nach unauffälliger Kontrollendoskopie weitere Kontrollen in 5-jährigen Abständen. Nach kompletter
Abtragung eines traditionellen serratierten Adenoms, eines gemischten Schleimhautpolypen oder eines
sessilen serratierten Adenoms sollte aufgrund des potentiell erhöhten Karzinomrisikos unabhängig vom IENGrad eine Kontrollkoloskopie nach 3 Jahren erfolgen.
Evidenzstärke: 4, starker Konsens
Hintergrund
Die Empfehlungen zum Post-Polypektomie-Management sollten durch das individuelle Risiko des jeweiligen
Patienten (familiäre Belastung, Komorbiditäten, Zweittumor, Divertikulose) und den Sauberkeitsgrad des Kolons bei
der zuletzt durchgeführten Koloskopie beeinflusst werden. Grundlage für die oben genannten Empfehlungen ist die
Durchführung einer hochqualitativen Basiskoloskopie. Dennoch treten Intervall-Karzinome mit einer Rate von 0,70,9% innerhalb von 3 Jahren auf. Diese setzen sich zusammen aus übersehenen Läsionen, inkompletten
Polypektomien sowie dem Auftreten schnell wachsender Tumore. Als Grundlage für die Festlegung von
Kontrolluntersuchungen nach Polypektomie kann eine Risikostratiefizierung der Patienten nach dem Low-/HighRisk-Adenom-Konzept erfolgen, welches das Risiko für metachrone fortgeschrittene Läsionen anzeigt. Die
Zuordnung von Patienten zu diesen Risikogruppen erfolgt nach Anzahl, Größe und Histologie der entfernten
Adenome im Rahmen der Basisuntersuchung.
209
Kolonkarzinom
Präoperative Diagnostik
Die Therapie kolorektaler Karzinome sollte grundsätzlich auf der Basis einer histologischen
Untersuchung geplant werden.
Präoperative Stagingdiagnostik beim Kolonkarzinom
Nach histologischer Diagnosesicherung und vor Durchführung der Operation:
• Anamnese mit besonderer Berücksichtigung einer familiären Häufung
• Körperliche Untersuchung mit digital-rektaler Untersuchung
• Laborroutine + CEA, Blutgruppe
• Rö.-Thorax in zwei Ebenen, EKG
• Vollständige Koloskopie, sofern nicht bereits erfolgt
• Im Falle einer nicht passierbaren Stenose Koloskopie 3-6 Monate postoperativ
• Abdominelle Sonographie
• CT/MRT Abdomen bei unklarem sonographischen Befund oder unzureichender Beurteilbarkeit
• Optional sind CT-Thorax, endoluminale Sonographie, Zystoskopie bei Verdacht auf
Harnblaseninfiltration, gynäkologische Untersuchung bei Verdacht auf Infiltration von Uterus
und/oder Adnexen.
Spezielle Diagnostik beim Rektumkarzinom siehe dort
Die ESMO-Empfehlungen 2008 (siehe dort) und die NCCN-Guidelines 2008 sehen in der
Stagingdiagnostik ein Abdomen-CT vor !
S3-Leitlinie 2004/2008
Vor der Therapie eines Patienten mit einem KRK muss eine Koloskopie mit Biopsie vorliegen.
Da in bis zu 5% der kolorektalen Karzinome synchrone Tumoren zu erwarten sind, die der
intraoperativen Beurteilung entgehen könnten, ist eine Koloskopie des gesamten Kolons vorzunehmen.
Ist aus technischen Gründen eine komplette Koloskopie nicht möglich, sollte ein alternatives
radiologisches Verfahren eingesetzt werden. Die virtuelle Kolonographie stellt hierfür eine viel
versprechende Alternative zum Kolonkontrasteinlauf dar mit hoher Sensitivität in einer Fallserie.
Ist eine komplette Koloskopie aufgrund eines stenosierenden Prozesses nicht möglich, sollte eine
Koloskopie ca. 3 bis 6 Monate nach Resektion erfolgen. Ein präoperativer Kolonkontrasteinlauf ist
von der Wertigkeit her eingeschränkt und bei Stenosen mit der Gefahr einer Ileusinduktion verbunden
und wird daher nicht empfohlen. Zum Stellenwert der virtuellen Kolonographie für diese
Fragestellungen liegen bisher keine Daten vor.
Das PET hat in der Primärdiagnostik des kolorektalen Karzinoms keinen Stellenwert. Eine
Mikrometastasendiagnostik ist bisher ohne therapeutische Konsequenz und kein unabhängiger
prognostischer Parameter.
Definition von Kolon- und Rektumkarzinom
Die Grenze zwischen Kolon und Rektum wird unterschiedlich definiert. Die intraoperative Beurteilung
anhand des Endes der Taeniae oder der peritonealen Umschlagsfalte ist individuell unterschiedlich und
von Alter, Geschlecht und anderen Faktoren abhängig. Die präoperative Messung der Höhenangabe
des Tumors mit dem flexiblen Endoskop ist unzuverlässig. Zuverlässiger sind die Höhenangaben mit
dem starren Rektoskop. Die Anokutanlinie dient als distaler Messpunkt.
Nach dem internationalen Dokumentationssystem gelten als Rektumkarzinome Tumoren, deren
aboraler Rand bei der Messung mit dem starren Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anocutanlinie
entfernt ist.
Demgegenüber gelten in den USA als Kolonkarzinome Tumoren, die mehr als 12 cm und als
Rektumkarzinome Tumoren, die 12 cm und weniger von der Linea anocutanea entfernt sind.
Begründet wird dies mit der deutlich höheren Lokalrezidivrate bei Tumoren unterhalb von 12 cm.
210
Kolorektale Karzinome
Histologie
Histologie
Adenokarzinome: In 85-90 % handelt es sich um
Adenokarzinome, die sich durch ein invasives Wachstum
durch die Lamina muscularis mucosae in die Submucosa oder
tiefere Darmwandschichten definieren. Tumoren mit
morphologischen Charakteristika eines Adenokarzinoms, die
nur das Epithel betreffen oder eine Invasion in die Lamina
propria, aber keine Invasion in die Lamina muscularis
mucosae
aufweisen,
haben
praktisch
kein
Metastasierungsrisiko. Sie werden deshalb besser mit dem
Begriff „high-grade intraepitheliale Neoplasie“ anstelle eines
Adenocarcinoma in situ oder eines intramucosalen
Adenokarzinoms bezeichnet.
Kolonkarzinom im endoskopischen Bild im
Colon ascendens
Muzinöses Adenokarzinom (5-10%): Das Karzinom besteht
zu mehr als 50% aus Muzin. In diesem Falle geben die
Tumorzellen Schleim in die Drüsenlumina ab, d.h. es tritt eine extrazelluläre Verschleimung auf. Viele
Karzinome mit hochgradiger Instabilität in der Mikrosatelliten-Instabilitäts-Analyse (MSI-High)
entsprechen histopathologisch dieser Variante.
Siegelringzellkarzinome: 1 % sind Siegelring-Ca. Für diese Tumoren ist eine intrazelluläre
Verschleimung charakteristisch. Einige Karzinome mit MSI-H entsprechen dieser Variante.
Medulläre Karzinome: Seltene Variante, die nahezu ausschließlich mit MSI-H assoziiert ist und im
Vergleich mit anderen schlecht differenzierten CRC eine bessere Prognose aufweisen.
Ausgesprochen selten sind Plattenepithel-Karzinome, adenosquamöse Karzinome, kleinzellige und
undifferenzierte Karzinome sowie Karzinoide und maligne Lymphome.
Histopathologisches Grading
In klassischer Weise erfolgt das Grading in einem vierstufigen Schema.
Gx
Differenzierungsgrad kann nicht bestimmt werden
G1
gut differenziert. Karzinom mit histologischen und zellulären Merkmalen normalen Epithels
G2
mäßig differenziert. Differenzierungsmuster des Karzinoms zwischen G1 und G3
einzuordnen
G3
schlecht differenziert. Karzinom mit histologischen und zellulären Merkmalen, die
normalem Epithel kaum ähneln (mindestens Drüsenformation oder Schleimbildung)
G4
undifferenziert. Es lassen sich keine glandulären oder Plattenepithel-typischen
Differenzierungen erkennen.
Nach neueren Erkenntnissen ist jedoch ein zweistufiges Grading ausreichend, da das histologische
Grading untersucherabhängigen Schwankungen unterliegt und ein zweistufiges Grading prognostisch
ausreichend ist. Grading 1 und 2 gelten als „low-grade“ mit einer lymphogenen Metastasierungsrate
von bis zu 25 %, Grading 3 + 4 gelten als „high-grade“. Die lymphogene Metastasierungsrate beträgt
für diese Subgruppe 80 %.
Siegelringzellkarzinome gelten per definitionem als schlecht differenziert (G3). Medulläre Karzinome
mit MSI-H erscheinen undifferenziert (G4). Da aber MSI-H-Karzinome eher eine bessere
Überlebenswahrscheinlichkeit haben, sind weitere Untersuchungen zur Korrelation zwischen Grading
und molekularen Subtypen erforderlich.
211
Kolorektale Karzinome
Pathohistologische Diagnostik, S3-Leitlinie
Anforderungen an die pathohistologische Diagnostik (S3-Leitlinie)
Makroskopische Beurteilung
a.
limitierte Resektion (z.B. Segmentresektion, tubuläre Resektion)
b.
radikale Standardresektion (z.B. Hemikolektomie, Sigmaresektion)
c.
erweiterte radikale Resektion (z.B. erweiterte Hemokolektomie)
a.
en-bloc-Resektion
Anzahl der Resektate
b.
mehrere Teile
a.
spontan
Tumorperforation
b.
iatrogen
• Länge des Darmresektates, Resektion von Nachbarorganen
• Schnitt durch den Tumor, Tumorobstruktion
• Makroskopischer Tumor an Resektionsrändern (insbesondere an den circumferentiellen Rändern)
• Größe und Lage des Tumors innerhalb des Resektats (Abstand von oralem und aboralem Resektionsrand)
• Weitere Veränderungen im Präparat (z.B. Polypen, Divertikel)
Ausmaß der Resektion
Mikroskopische Beurteilung
• Histologischer Tumortyp nach WHO
• Tumorinvasionstiefe (pT-Kategorie)
• Lymphknotenstatus (pN-Kategorie), Anzahl untersuchter und befallener Lymphknoten
• Ggf. histologische Verifikation von Fernmetastasen (M-Kategorie)
• Lymphgefäßinvasion (L-Kategorie), Veneninvasion (V-Kategorie)
• Perineuralinvasion (Pn-Kategorie)
• Radikalität (R-Kategorie)
a. low Grade
Grading
b. high Grade
a. oral und aboral, wenn Abstand zum Tumor < 5cm (aufgespannt)
Resektionsränder
(Kolonkarzinom)
b. zirkumferentiell (mesokolisch/retroperitoneal), wenn pT3/4
Rektumkarzinom siehe dort
c. makroskopisch verdächtige Bereiche
Histologisches Regressionsgrading nach neoadjuvanter Therapie
Der Regressionsgrad nach Chemo-/Radiotherapie des Primärtumors wird nach verschiedenen Skalen
klassifiziert. Am gebräuchlichsten sind die Einteilungen nach Dworak (s.u.) und nach Ryan sowie das
Regressionsgrading der TU-München nach Werner und Höfler (siehe auch Rektumkarzinom,
Regressionsgrading nach neoadjuvanter Therapie)
Grad 0
Keine Regression
Grad 1
Überwiegend Tumor mit deutlicher Fibrose und /oder Vaskulopathie
Grad 2
Überwiegend Fibrose mit wenigen Tumorzellen (leicht histologisch zu erkennen)
Grad 3
Sehr wenige (schwierig histologisch nachzuweisende) Tumorzellen innerhalb Fibrose mit oder
ohne Schleimseen
Grad 4
Keine vitalen Tumorzellen nachweisbar
Residualtumorklassifikation
Rx
Vorhandensein von Residualtumor kann nicht beurteilt werden
R0
Kein Residualtumor
R1
mikroskopischer Residualtumor
R2
makroskopischer Residualtumor
212
Kolorektale Karzinome
TNM-Klassifikation (UICC 2002)
T – Primärtumor
Tx
Tis
T1
T2
T3
T4
Primärtumor kann nicht beurteilt werden.
Carcinoma in situ
Tumor infiltriert Submucosa
Tumor infiltriert Muscularis propria
Tumor infiltriert durch die Muscularis propria in die Subserosa oder in nicht peritonealisiertes
perikolisches oder perirektales Gewebe
Tumor perforiert das viszerale Peritoneum oder infiltriert in andere Organe oder Strukturen
Anmerkung
Tis liegt vor, wenn Tumorzellen innerhalb der Basalmembran der Drüsen (intraepithelial) oder in der Lamina propria
(intramukös) nachweisbar sind, ohne dass eine Ausbreitung durch die Muscularis mucosae in die Submucosa
feststellbar ist.
Direkte Ausbreitung in T4 schließt auch die Infiltration mehrerer Segmente des Kolorektums auf dem Weg über die
Serosa ein, z.B. die Infiltration des Sigma durch ein Zökumkarzinom.
Ein Tumor, der makroskopisch an anderen Organen adhärent ist, wird als T4 klassifiziert. Ist bei der histologischen
Untersuchung in den Adhäsionen kein Tumorgewebe nachweisbar, soll der Tumor als pT3 klassifiziert werden.
N – Regionäre Lymphknoten
Nx
N0
N1
N2
pN0
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden.
keine regionären Lymphknotenmetastasen.
Metastasen in 1-3 perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten.
Metastasen in 4 oder mehr perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten.
Regionäre Lymphadenektomie und histologische Untersuchung üblicherweise von 12 oder
mehr Lymphknoten. Wenn die untersuchten Lymphknoten tumorfrei sind, aber die geforderte
Richtzahl nicht erreicht wird, soll der Befund dennoch als pN0 klassifiziert werden.
Anmerkung
Ein Tumorknötchen im perikolischen oder perirektalen Fettgewebe ohne histologischen Anhalt für Reste eines
Lymphknotens wird in der pN-Kategorie als regionäre Lymphknotenmetastase klassifiziert, wenn die Form und glatte
Kontur eines Lymphknotens vorliegen. Wenn das Tumorknötchen eine irreguläre Kontur aufweist, soll es in der pTKategorie beurteilt und auch als V1 (mikroskopische Veneninvasion) oder, falls es makroskopisch erkennbar ist, als
V2 eingestuft werden, weil es dann sehr wahrscheinlich ist, dass es sich um eine Veneninvasion handelt.
M – Fernmetastasen
Mx
Mo
M1
Das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden.
Keine Fernmetastasen.
Fernmetastasen.
Präfix vor dem TNM-System
p
c
r
u
y
Pathologisches Stadium
Klinisches Stadium
Rezidiv
Ultraschalldiagnostik
Klassifikation nach neoadjuvanter Therapie
213
R-Klassifikation (Residualtumor)
Sicht des Pathologen
Die Anwendung einer Klassifikation von Residualtumor nach einer chirurgischen Therapie primärer
maligner Tumoren ist 1978 vom American Joint Committee on Cancer (AJCC) empfohlen worden. Der
Ansatz dieser extrem prognoserelevanten Bewertung stellte eine notwendige und wertvolle Ergänzung der
Konzepte des TNM und pTNM dar, bei denen das mögliche Verbleiben von Tumorgewebe in situ nicht
abgebildet wird.
Auf der Grundlage dieser ersten R-Klassifikation erfolgte durch die UICC 1987 eine Weiterentwicklung
dahingehend, dass sowohl der maligne Primärtumor als auch dessen mögliche Metastasen
Berücksichtigung fanden. In diesem Konzept etablierte man die R-Klassifikation als eine
prognoserelevante Größe, die in vier einfachen Kategorien das posttherapeutische Staging umfassend,
bezogen auf den Patienten als Ganzes, abbilden sollte 1) Diesem erweiterten Konzept (R = Residualtumor
im gesamten Körper), dass chirurgische und nicht chirurgische Therapiemodalitäten abbildet, stimmte
nachfolgend das AJCC zu.
Das Besondere an der R-Klassifikation ist somit die ganzheitliche Betrachtung des posttherapeutischen
Tumorpatienten mit Berücksichtigung aller „durch die derzeit verfügbaren und allgemein akzeptierten
Kategorien des posttherapeutischen R - Status
R0 = kein Residualtumor im Patienten
R1 = mikroskopischer Nachweis von Residualtumor
R2 = makroskopischer Nachweis von Residualtumor
Rx = Vorhandensein von Residualtumor kann nicht beurteilt werden
diagnostischen Methoden“ erkennbaren Tumormanifestationen im gesamten Organismus. Dieses Vorhaben
kann nur interdisziplinär verwirklicht werden und ist nicht, wie vereinfachend angenommen wird, die
alleinige Aufgabe der Pathologie. Eine pR-Klassifikation ist nicht etabliert. Um den korrekten R-Status
eines Tumorpatienten zu ermitteln, müssen neben der histologischen Beurteilung der Präparateränder, der
Operationssitus (beurteilt durch den Chirurgen), das Staging in der Bildgebung (beurteilt durch den
Radiologen) und ggf. andere klinische Gegebenheiten (z.B. Tumorrezidiv, Modalitäten vorangegangener
Tumor- bzw. Metastasenbehandlung) berücksichtigt werden, d.h. die Pathologie kann nur einen Baustein
zur R-Klassifikation liefern. Dieser Beitrag ist zwar wesentlich, jedoch nicht allein gültig. Insofern ist zu
betonen, dass besonders der den Patienten klinisch behandelnde Arzt den prognoserelevanten R-Status in
der ganzheitlichen Zusammenschau der verschiedenen Einzelbefunde von Pathologie, Radiologie und
Klinik bewerten kann. In Fällen, wo die Tumorbehandlung ausschließlich durch Radio- und/oder Radio/Chemotherapie erfolgt, ergibt sich die R-Klassifikation ohne Mitbeteiligung der Pathologie allein aus den
klinischen Untersuchungsergebnissen.
Streng genommen kann durch die Pathologie am Operationspräparat bei Untersuchung der
Resektionsränder aber ohne Kenntnis der klinischen Situation (z.B. Tumorabsiedlungen, Nachresektionen
etc.) nur ein Rx–Status mit dem Zusatz vergeben werden, dass die Resektionsränder z.B. tumorfrei sind.
Dagegen steht ein in der Praxis etabliertes, aber nicht unproblematisches Verfahren. Es geschieht
vergleichsweise häufig, daß ohne Kenntnis der klinischen Situation eine lokale R-Klassifikation von der
Pathologie angegeben wird, die dann kritiklos vom Kliniker übernommen und nicht durch die ganzheitliche
Sicht auf den Tumorpatienten modifiziert wird. In dieser eingeschränkten Sichtweise wird der R-Status nur
als ein Kriterium zur Beurteilung der Radikalität bzw. des aktuellen Erfolgs der lokalen chirurgischen
Therapie verwendet. Das „R“ der R-Klassifikation wird in dieser vereinfachenden Sichtweise als „Rand
des Präparates“ und nicht als „Residuum des Tumors im Patienten“ verstanden. Die prognostische
Aussagekraft der R-Klassifikation wird durch diese Verfahrensweise in hohem Maße eingeschränkt.
Ein Beispiel mag diesen komplexen Sachverhalt illustrieren. Es wird ein Kolonkarzinom lokal erfolgreich
operiert, die Resektionsränder sind makroskopisch und mikroskopisch sämtlich tumorfrei. Entsprechend
dieser Gegebenheiten besteht, bezogen auf das Operationspräparat, lokal eine R0–Situation. Gleichzeitig
hat der Patient aber noch Lebermetastasen, die in der Bildgebung nachweisbar sind und im Rahmen der
Operation nicht beseitigt oder anderweitig therapeutisch angegangen werden. In der ganzheitlichen Sicht
des Tumorpatienten besteht somit ein Zustand von makroskopisch nachweisbaren Tumormanifestationen,
also eine R2 – Situation. Insofern ist es durchaus möglich, dass trotz lokal radikalen chirurgischen
Vorgehens ein R2–Status vorliegen kann.
1) Wittekind C, Chirurg, 2007, 78:785-791, Wittekind C, Onkologie, 2006, 12:803-814
214
R-Klassifikation (Residualtumor)
Sicht des Klinikers
Praktische Beispiele
Für die Festlegung der R-Situation in ganzheitlicher Sicht durch die Pathologie haben sich bestimmte
Algorithmen entwickelt.
Rx sollte vergeben werden, wenn die Resektionsränder nicht ermittelbar sind (z.B. fragmentierte
Tumorabtragung ohne topographische Zuordnung), wenn durch Nichtpathologen Gewebe,
insbesondere von den Präparaterändern, z.B. für Gewebebanken entnommen wurde und/oder die
klinischen Daten zum Staging fehlen.
Eine R0–Situation kann nur dann durch den Pathologen diagnostiziert werden, wenn die
Resektionsränder des Operationspräparates tumorfrei sind und dem Untersucher klinische Daten
vorliegen, dass mit keinem der standardisierten diagnostischen Verfahren Tumor im Körper des
Patienten mehr nachweisbar ist.
Eine R1–Situation besteht dann, wenn mikroskopisch, insbesondere an den Resektionsrändern von
Operationspräparaten des Primärtumors und/oder seiner Metastasen, Tumor nachweisbar ist und
klinische Angaben dahingehend vorliegen, dass keine weiteren Tumormanifestationen im Organismus
bestehen.
Die R2 – Situation ergibt sich bei makroskopisch erkennbaren Tumorresiduen im Patienten, das kann
die Resektionsränder aber auch unabhängig davon andere Lokalisationen betreffen (Metastasen)
Fazit für die R-Klassifikation ist, dass sie die ganzheitliche Sicht des Tumorpatienten
erfordert und sich aus der interdisziplinären Zusammenarbeit von klinischen und nicht
klinischen Fächern ergibt.
Sicht des Klinikers
Die obige Darstellung entspricht den Vorgaben der UICC-Klassifikation und ist wissenschaftlich
damit ausreichend begründet. Das Problem besteht jedoch darin, dass Kliniker und hier besonderes
Chirurgen und internistische Onkologen das R-Kriterium als qualitative Beurteilung der
Resektionsränder verstehen. Die vom Primärtumor ferner metastatische Absiedlung wird für klinisch
tätige Ärzte über die M-Kategorie der TNM-Klassifikation charakterisiert.
Nach dieser Form der Interpretation würde beispielsweise ein Kolonkarzinom mit freien
Resektionsrändern nach der Tumorexstirpation und gleichzeitig nachweisbaren Lebermetastasen wie
folgt eingestuft: T3, N1 (1/15), M1 (Leber), R0. Bei präziser Anwendung der UICC-Kriterien müsste
im angegebenen Fall die R-Klassifikation jedoch lauten R2.
Hier herrscht eine babylonische Sprachverwirrung. Die Lösung des Problems kann nur darin bestehen,
dass Kliniker und Pathologen sich auf ein einheitliches Vorgehen verständigen und eine Sprache
benutzen, in der die verwendeten Begriffe gleichen Inhalts sind.
Es gibt durchaus Argumente, die Sichtweise der Pathologie zu übernehmen. Dies würde voraussetzen,
dass der Kliniker den Pathologen mit vollständigen und verlässlichen Daten ausstattet, damit dieser
zum Residualstatus des Tumors im ganzen Körper des Patienten korrekt Stellung nehmen kann.
Anderenfalls und dies ist wahrscheinlich praktikabler, sollte sich der Pathologe auf die Beurteilung der
Resektionsränder beschränken, zum Beispiel in der Weise dass er schreibt: R0 am Resektionspräparat.
Das R-Kriterium als gesamtkörperliche Beurteilung sollte durch den Onkologen des Patienten, der
über alle Befunde verfügt, erfolgen. Auf das obige Beispiel angewendet würde die klinischpathologische Bewertung lauten: T3, N1 (1/15), Mx, R0 am Resektionpräparat.
Da bei den meisten Klinikern das R-Kriterium nicht als Begriff für die Residualkrankheit im
Gesamtkörper, sondern als Kennzeichnung der Resektionsränder verstanden wird, sollte der
Pathologe in seinem Bericht bezüglich einer Residualkrankheit nur das Resektionspräparat
berücksichtigen und dies entsprechend eingeschränkt in seinem Gutachten zum Ausdruck bringen,
indem er bei tumorfreien Resektionsrändern beispielsweise schreibt: R0 am Resektionspräparat. Eine
solche Formulierung wäre ein tragbarer Kompromiss für die Klinik und die Pathologie.
215
Kolorektale Karzinome
Lokalisation, Lymphknoten
Lokalisation
Die häufigsten Lokalisationen befinden sich auf der linken
Seite des Kolonrahmens. Die prozentuale Verteilung geht
aus der nebenstehenden Abbildung hervor.
Lokalisation der kolorektalen
Karzinome -Verteilung
Lokalisationen des Primärtumors
Kolon
Appendix
Coecum
Colon ascendens
Flexura hepatica
Colon transversum
Flexura lienalis
Colon descendens
Colon sigmoideum
Rektosigmoidaler Übergang
Rektum
Regionäre Lymphknoten, Definition
Für die verschiedenen anatomischen Bezirke und
Unterbezirke
sind
die
regionären
Lymphknoten
nachstehend aufgelistet:
• Appendix: Ileokolische Lymphknoten
• Zökum: Ileokolische und rechte kolische Lymphknoten
• Colon ascendens: Ileokolische, rechte und mittlere kolische Lymphknoten
• Flexura hepatica: Rechte und mittlere kolische Lymphknoten
• Colon transversum: Rechte, mittlere und linke kolische Lymphknoten und Lymphknoten an A. mesenterica
inferior
• Flexura lienalis: Mittlere und linke kolische Lymphknoten und Lymphknoten an A. mesenterica inferior
• Colon descendens: Linke kolische Lymphknoten und Lymphknoten an A. mesenterica inferior
• Colon sigmoideum: Linke kolische und Sigmalymphknoten, Lymphknoten an A. rectalis superior und an
A.mesenterica inferior sowie rektosigmoidale Lymphknoten
• Rektum: Lymphknoten an Aa. rectalis superior, media und inferior, mesenterica inferior, iliaca interna,
mesorektale (paraproktale), laterale sakrale und präsakrale Lymphknoten sowie sakrale Lymphknoten am
Promontorium (Gerota)
Metastasen in anderen als den angeführen Lymphknoten werden als Fernmetastasen
klassifiziert.
Lymphknotenentfernung
Evidenzbasierte Leitlinien fordern die operative Entfernung und Untersuchung von mindestens 12
Lymphknoten bei der kurativen Therapie kolorektaler Karzinome.
Auf dem ASCO 2007 wurde die Benchmark der Lymphknotenentfernung (≥12 LK) in zwei Arbeiten
untersucht:
In einem Vergleich der spezialisierten Zentren (NCCN-Zentren, 345 Pat.) und der SEER (Surveillance
Epidemiology and end results)-Datenbank mit 14.019 Patienten zeigte sich, dass in den NCCN-Zentren bei 89%
der Patienten mit Kolon- und Rektumkarzinom in den Stadien I-III 12 und mehr Lymphknoten entfernt wurden,
während dies an nicht spezialisierten Zentren nur bei 45% der Patienten der Fall war (Raipur A. er al., ASCO 2007,
Abstr. # 4015).
In einer weiteren Arbeit wurden die Daten von 299.242 Patienten aus der amerikanischen SEER-Datenbank für
den Zeitraum 1990-2003 analysiert. Die Autoren schlussfolgern, dass der Anteil der Patienten mit 12 und mehr
untersuchten Lymphknoten nach wie vor zu niedrig ist. Bei der Untersuchung von 12 oder mehr Lymphknoten
steigt die Wahrscheinlichkeit als ein Stadium III gegenüber einem Stadium II klassifiziert zu werden, um das
1,3fache (Cai Q et al.,ASCO 2007, Abstr. #4016).
216
Kolonkarzinom
Stadieneinteilung UICC 2002, Dukes-Klassifikation
UICC Dukes
0
A
I
A
II A
II B
III A
III B
C
III C
IV
TNM
Tis
T1
A
T2
B1
T3
B
D
5-JahresDukes mod. n.
Überlebensraten
Astler-Coller
Kolonkarzinom*
A
N0
T4
M0
93,2%
B2
84,7%
B3
72,2%
T1,T2
N1
C1
83,4%
T 3/4
N1
C2
64,1%
Jedes T
N2
C3
44,3%
jedes T
jedes N
D
8,1%
M1
*O´Connell et al. JNat Cancer Inst 2004; 96:1420-25
Beachte
UICC II setzt sich zusammen aus einer Gruppe mit besserer (T3, No, Mo) und mit schlechterer (T4, No, Mo) Prognose.
Ebenso ist das Stad. III prognostisch nicht einheitlich.
Dukes-Klassifkation
Die früher übliche Dukes-Einteilung in der Modifikation nach Astler und Coller wird in den gängigen Lehrbüchern
sehr unterschiedlich zitiert (Definition der Stadien B 3 – C 3) und sollte deshalb keine Verwendung finden.
Modifiziert nach
Cancer Principle and
Practice of
Oncology. De Vita
et al. 6th edition,
Lippincott-Raven,
2001. Graphik: Fa.
sanofi Aventis.
217
Kolonkarzinom
Operative Therapie
Standardoperation
Voraussetzung für eine Kuration ist eine R0-Resektion. Diese verlangt die Entfernung des tumortragenden
Darmabschnittes mit den regionären Lnn. Die Operationsletalität liegt <3%. Die No-touch-Operationstechnik gilt
heute als chirurgischer Standard. Die Operation erfolgt als Hemikolektomie unter Mitnahme des Mesokolons und der
dazu gehörigen Lymphknoten. Bei einer Lokalisation an einer Flexur wird die Tumorexstirpation als erweiterte
Hemikolektomie durchgeführt.
Tumorlokalisation und entsprechende Standardoperation1)
Lokalisation
Operation
Lymphabflussgebiet
1. Zoekum / C. ascendens
2. Rechte Kolonflexur
proximales Kolon
transversum
3. Linke Kolonflexur
Hemikolektomie rechts
Erweiterte Hemikolektomie
rechts
Erweiterter Hemikolektomie
links
A. ileocolica, A. colica dextra
wie bei 1. zusätzlich:
A. colica media
A. gastroepiploica dextra
A. colica media
A. colica sinistra
Hemikolektomie links
A. mesenterica inf.
Sigmaresektion
A. colica sinistra
4. Kolon descendens
proximales Sigma
5. Mittleres und distales Sigma
S3-Leitlinie Kolorektale Karzinome 2004/2008
Radikalchirurgische Therapie des Kolonkarzinoms
Kolorektale Karzinome wachsen vorwiegend zirkulär und metastasieren weitgehend konstant in die regionären
Lymphknoten. Unter dem Gesichtspunkt des intramuralen mikroskopischen Tumorwachstums ist ein
Sicherheitsabstand von 2 cm ausreichend. Das regionäre Lymphabflussgebiet geht über diesen Bereich hinaus.
Die Lymphknotenmetastasen breiten sich zentral entlang des versorgenden Gefäßes, primär entlang der
perikolischen Gefäßarkaden bis zu 10 cm vom makroskopischen Tumorrand entfernt aus.
Das Ausmaß der Darmresektion wird durch die Resektion der versorgenden Gefäße und das hierdurch definierte
Lymphabflussgebiet vorgegeben. Liegt der Primärtumor zwischen zwei zentralen Gefäßen, werden beide mit
entfernt. An dem Versorgungsgebiet der radikulär durchtrennten Gefäße orientiert sich das Resektionsausmaß
(mind. 10 cm beidseits des Tumors). Im Falle einer rechtsseitigen Kolonresektion reicht in der Regel aus
onkologischen Gesichtspunkten ein Resektionsausmaß des terminalen Ileums von ca. 10 cm aus.
Onkologische Grundsätze
Im Gegensatz zum Rektumkarzinom ist die Notwendigkeit eines radikalen chirurgischen Vorgehens durch
prospektiv randomisierte Studien nicht erwiesen. Zwei randomisierte Studien konnten einen Nutzen der „notouch-Technik“ oder einer formalen Hemikolektomie nicht zeigen. Dennoch empfiehlt sich die Einhaltung
onkologischer Grundsätze aufgrund pathologisch-anatomischer Befunde, prospektiver Beobachtungsstudien und
theoretischer Überlegungen.
Intraoperative pathologische Diagnostik
Allgemein ist die Indikation zur Schnellschnittuntersuchung sehr zurückhaltend zu stellen. Häufigste Indikation
ist die Verifikation von Strukturen mit Verdacht auf Fernmetastasen, z. B. am Peritoneum, in der Leber oder in
nicht regionären (z. B. paraaortalen) Lymphknoten.
Notfalleingriffe
Ein mechanischer Ileus oder eine Perforation verlangen eine Notfalloperation. Früher wurde einer raschen und
möglichst einfachen operativen Taktik der Vorrang gegeben. Dazu bediente man sich der Anlage eines Anus praeter
oder der Durchführung einer mehrzeitigen Operation. Heute kann die onkologische Radikalität, zumindest bei der
Tumorobstruktion, bei vielen Notfällen berücksichtigt werden.
Operationsziele bei Tumorobstruktion
•
•
•
1)
Dekompression des Kolons
R0-Resektion
Wiederherstellung der Kontinuität
Feifel, G., U. Hildebrandt, Onkologe 1999, 5 :24–29
218
Kolonkarzinom
Gefäßversorgung, Lymphdrainage
Standard des operativen Vorgehens ist die onkologisch radikale Tumorresektion unter Mitnahme der
lokoregionären Lymphknoten entsprechend der Gefäßversorgung des Kolons.
219
Kolonkarzinom
Operationsverfahren
Hemikolektomie
Das operative Vorgehen beim Kolonkarzinom orientiert sich an der Gefäßversorgung und den Lymphabflusswegen.
Aus diesem Grunde ist es erforderlich, bei einer Tumorlokalisation im Kolonrahmen entweder eine links- oder eine
rechtsseitige Hemikolektomie durchzuführen. Das Prinzip der Resektion und das Ergebnis nach der Anastomosierung
geht aus den nachfolgenden schematischen Zeichnungen hervor.
Abb. 1 zeigt eine Hemikolektomie rechts, Abb. 2 eine linksseitige Hemikolektomie.
Die Bilder der zweiten Reihe stellen die Resektion und das Operationsergebnis für eine Tumorlokalisation im
Querkolon und im Sigma dar. Als Rektumkarzinome gelten Tumoren, deren aboraler Rand bei der Messung mit dem
starren Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anokutanlinie entfernt ist. Das Rektumkarzinom wird im folgenden
gesondert behandelt (siehe dort).
1
2
3
4
Wolmark, N., Rockette H. et al. J Clin Oncol 1990; 8:1466-75
Im Einzelfall
hängt das genaue Resektionsausmaß vor allen Dingen bei den Transversum- und
Descendenskarzinomen von der Lagebeziehung des Tumors zur individuellen Gefäßversorgung wie auch der Größe
des Tumors ab.
Multiviszerale Resektion
In etwa 10% finden sich vor allem beim Kolonkarzinom Tumorkonglomerate unter Einbeziehung von
Nachbarorganen. Nur in etwa 50% der Fälle handelt es sich um tatsächliche, histologisch nachweisbare Infiltrationen,
in den übrigen Fällen um entzündlich bedingte Adhäsionen. Trotzdem bedingt dies in beiden Fällen multiviscerale
En-bloc-Resektionen unter Einbeziehung aller betroffenen Strukturen mit dem Ziel einer R0-Resektion unter
gleichzeitiger Berücksichtigung der Lymphabflussstraßen. Biopsien und Schnellschnittuntersuchungen sollten strikt
vermieden werden, da hierbei die Gefahr einer örtlichen Tumorzelldissemination besteht, was mit einer signifikanten
Verrringerung der Überlebenschancen einhergeht.
Synchrone Fernmetastasen
Synchrone Fernmetastasen können sowohl synchron als auch metachron reseziert werden. Verschiedene
Gesichtspunkte können für eine zweizeitige Operation sprechen, wie Umlagerung, Schnittführungen, OP-Dauer,
positive Effekte einer neoadjuvanten Chemotherapie.
220
Kolonkarzinom
Laparoskopische Chirurgie
Von der laparoskopischen Chirurgie beim Kolonkarzinom erhofft man sich Vorteile im postoperativen Verlauf
bei gleichwertiger onkologischer Radikalität und Morbidität. Mehrere randomisierte Studien zum Vergleich der
laparoskopischen Chirurgie versus offene Chirurgie liegen vor.
Technische Durchführbarkeit – Konversionsrate
Konversionsrate
Die Konversionsraten beim Kolonkarzinom liegen in den großen Studien COST (Clinical Outcomes of surgical
therapy study group, NEJM 2004;350:2050-59) und CLASICC (Guillou PJ, Lancet 2005;365:1718-26) mit
jeweils 435 und 246 Patienten bei 21% und 25%; das bedeutet, wegen technischer Schwierigkeiten oder
intraoperativer Komplikationen konnte bei über 20% eine minimal invasiv begonnene Operation mit dieser
Technik nicht zu Ende geführt, sondern musste in konventioneller Technik beendet werden.
Operationsdauer
Auch die neuen Studien von 2004 und 2005 wie COST und CLASICC belegen, dass minimal invasive
Operationstechniken eine um 25% bis 50% längere Operationszeit erfordern.
Postoperative Erholung
Bei 4 von 5 Studien, die postoperative Schmerzen am ersten postoperativen Tag bei den beiden chirurgischen
Verfahren verglichen, ergab sich kein signifikanter Unterschied. Die postoperative Darmtätigkeit kam bei
Patienten in 3 von 6 randomisierten Studien hochsignifikant früher in Gang im minimal invasiven Arm. Der
Zeitvorteil betrug 14 bis 22 Stunden. Der postoperative Kostaufbau ergab in den Studien, die dieses Kriterium
verglichen, einen geringen Vorteil für die minimal invasive Gruppe.
Chirurgische Komplikationen
Die Wundinfektionsrate war in keiner von 11 randomisierten Studien signifikant unterschiedlich. Es zeigte sich
keine Reduktion der Wundinfektionsrate bei der minimal invasiven Gruppe.
Die Notwendigkeit zur Reoperation war in den Studien für beide Therapieverfahren nicht signifikant
unterschiedlich. Doch waren bei den minimal invasiven Eingriffen Nachoperationen etwas häufiger, was
meistens auf unbemerkte Darmverletzungen durch Instrumente oder thermische Schäden (Koagulationsstrom)
als methodenspezifische Ursachen zurückzuführen ist.
Der postoperative Krankenhausaufenthalt war bei der COST-Studie im konventionellen Arm mit 6 Tagen
signifikant länger versus 5 Tage im laparoskopischen Arm, bei der CLASICC-Studie lag die Zeit bei 9 Tagen in
beiden Armen.
Zwischen den einzelnen Studien wurden regelmäßig größere Unterschiede beobachtet als beim direkten
Vergleich der beiden Techniken, so dass es denkbar erscheint, dass andere Faktoren die Ergebnisse maßgeblich
bestimmen und dass der Operationstechnik nicht die allein entscheidende Bedeutung zukommt.
Laparoskopische Chirurgie, S3-Leitlinien 2004/2008
Die Ergebnisse der laparoskopischen Tumorresektion sind derzeit wegen fehlender onkologischer
Langzeitergebnisse nicht abschließend zu beurteilen, so dass dieses Verfahren nur im Rahmen von qualifizierten
Studien mit langfristiger Verlaufsbeobachtung zur Anwendung kommen sollte.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2a, mehrheitliche Zustimmung.
Auch bezüglich der Vorteile der Lebensqualität nach laparoskopischen Resektionen sind keine überzeugenden
Vorteile erkennbar.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, mehrheitliche Zustimmung.
Anmerkung
Im Rahmen des Einsatzes in der Therapie von Rektumkarzinomen liegt lediglich eine randomisierte Studie zu
postoperativen Funktionsstörungen im Vergleich zur konventionellen chirurgischen Therapie vor mit einer
höheren Rate urogenitaler Funktionsstörungen im laparoskopischen Arm. Onkologische Langzeitergebnisse
sind auf Beobachtungsstudien begrenzt und erlauben keine abschließende Bewertung.
Aktuelle Metaanalysen gelangen zu dem Ergebnis, dass das laparoskopische Vorgehen im postoperativen
Verlauf Vorteile besitzt und onkologisch als gleichwertig anzusehen ist. Voraussetzung ist allerdings die
entsprechende Erfahrung und Expertise des Operateurs und des Zentrums. Ist diese nicht ausreichend
vorhanden, ist eine offene Operation immer vorzuziehen (Bonjer et al. Arch Surg 2007; 142:298-303, Kuhry et al.
Cochrane Database Syst Rev. 2008;16).
Die laparoskopische Operation wird deshalb weiterhin im Regelfall nur im Rahmen von Studien empfohlen.
221
Kolonkarzinom
Fast-Track-Operation
Das Grundprinzip von Fast-Track-Chirurgie (FTCh)
Der Entwickler der Fast-Track-Operation, der dänische Arzt Henrik Kehlet, erarbeitete seine Methode an Patienten, bei denen
Teile des Darms entfernt wurden. Er warf traditionelle Vorgehensweisen über Bord: Seine Pat. durften bis kurz vor der Operation
noch Flüssigkeit zu sich nehmen. Nach der OP wurden sie so bald wie möglich auf natürlichem Wege (Mund-Magen-Darm)
ernährt. Sie sollen so schnell wie möglich wieder aufstehen und sich bewegen. Außerdem stehen im Mittelpunkt der FTCh die
Schmerztherapie und optimierte Narkose-Methoden.
Hauptziel von FTCh: Komplikationen vermindern
Das Ziel von FTCh ist es, dass sich der Pat. nach einer OP rasch wieder erholt und vom Eingriff möglichst wenig beeinträchtigt
wird. Um das zu erreichen, müssen vor allem die allgemeinen OP-Komplikationen vermieden werden, d.h. Komplikationen, die
nach einem Eingriff nicht im OP-Bereich, sondern an lebenswichtigen Organen auftraten. Gerade bei älteren Patienten,
insbesondere wenn eine Komorbidität wie Diabetes, Hypertonie, Adipositas oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht, ist das
Risiko nicht-chirurgischer Komplikationen erhöht. Bis zu einem Drittel aller Pat. mit einer Kolon-OP haben allgemeine
Komplikationen. Fast-Track wurde entwickelt, um diese Rate zu senken. Vordringliches Ziel der FTCh ist ausdrücklich nicht eine
Senkung der Liegedauer und damit frühe Entlassung des Patienten, wie heute häufig fälschlicherweise gemeint wird, sondern die
Verbesserung des Patientenkomforts und die Senkung der Komplikationsrate. Die kurze Liegedauer ist allenfalls ein sich
wirtschaftlich positiv auswirkender Nebeneffekt.
Nach der OP schneller entlassbar und schneller fit
Ein Nebeneffekt von FTCh ist, dass die Pat. viel früher aus dem Krankenhaus entlassen werden können. Die übliche
Verweildauer in der Klinik nach einer Kolon-OP liegt bei knapp zwei Wochen. Meist fühlen sich Pat. nach dem Eingriff
mehrere Wochen lang nicht gut. Nach der FTCh sind die Pat. demgegenüber bereits ab dem 5. Tag nach der OP entlassungsfähig.
Auch vier Wochen nach der OP hatten FTCh-Pat. einen höheren Aktivitätsgrad und ein geringeres Maß an Erschöpfung als
konventionell behandelte Pat. Bei 10-15% der Pat. treten nach einer Dickdarm-OP lokale Komplikationen, wie Wundinfektion,
Nahtinsuffizienz mit Peritonitis u.a. auf. Diese Rate verbessert sich unter FTCh nicht.
Patientenselektion
Prinzipiell eignen sich alle Patienten, die sich einem elektiven kolorektalen Eingriff unterziehen, für das FTCh-Konzept. Bislang
liegen keine absoluten Kontraindikationen vor. Eckpfeiler der „Fast-track“-Konzepte zusammengefasst von der europäischen
„ERAS“-Arbeitsgruppe (Fearon KC et al.; Clin Nutr 2005; 24: 466-77).
Präoperative Maßnahmen
Ein ausführliches präoperatives Gespräch mit dem Pat. hat das Ziel, Angst abzubauen und ihn zur aktiven Mitarbeit zu
motivieren. Eine positiv-motivierende Aufklärung über die Operation und die perioperativen Maßnahmen dient der
Patientenschulung und -konditionierung. Das immer noch weit verbreitete Nüchternheitsgebot von 8-12 Stunden vor einem
abdominalchirurgischen Eingriff ist wissenschaftlich nicht begründet. In einer Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass eine
präoperative Nüchternheit für klare Flüssigkeiten von 2 Stunden ausreicht (Am Soc Anesthes 1999; 90: 896-905). Daraus ergibt
sich die Konsequenz, die präoperative Nüchternheitsphase auf dieses Zeitintervall zu verkürzen. Die traditionelle orthograde
Darmspülung steht aufgrund einer neueren Metaanalyse mit sieben randomisierten Studien an 1454 Patienten im Verdacht,
einherzugehen mit einer höheren Inzidenz von Anastomoseninsuffizienzen (Slim K et al., Br J Surg 2004; 91:1125-30). Im
Rahmen der „Fast- track“-Konzepte wird daher auf eine solche Darmvorbereitung verzichtet, da hierdurch in Kombination mit
Nüchternheit offenbar eine relevante Hypovolämie erzeugt wird.
Intraoperative Maßnahmen
Konzepte der minimal-invasiven Chirurgie sind ein ganz wesentlicher Bestandteil der „Fast- track“-Rehabilitation. Sind solche
Konzepte nicht möglich, sind queren Inzisionen gegenüber vertikalen Zugängen der Vorzug zu geben. Sonden (Nasogastralsonde,
Drainagen) beeinträchtigen die Pat. in erheblichem Maße. Ihre regelhafte Anwendung geht mit einer höheren Inzidenz von
Fieber, Atelektasen und Pneumonien einher. Sie haben keinen Einfluss auf die klinische oder radiologische Insuffizienzrate,
verlängern aber die gastrointestinale Atoniedauer. Ein wesentlicher Bestandteil der „Fast-track“-Rehabilitation ist die
Optimierung der Allgemeinanästhesie (Opioid-reduzierte Anästhesie und Analgesie), eine adäquate Volumentherapie und eine
effektive Schmerztherapie. Die rasche Erholung nach einer Allgemeinanästhesie und eine Verkürzung der Verweildauer im
Aufwachraum sind durch den Einsatz volatiler und intravenöser Anästhetika möglich. Dringend zu beachten ist der Erhalt der
Normothermie durch aktiv wärmende konvektive Maßnahmen. Die Inzidenz allgemeiner und vor allem kardialer Komplikationen
lassen sich dadurch deutlich reduzieren. Wenn auch zu der Frage der perioperativen Volumentherapie nur kleinere, randomisierte
Studien vorliegen, so weisen sie doch darauf hin, dass eine zurückhaltende Volumentherapie gegenüber einem „liberalen“
Flüssigkeitsregime einen positiven Einfluss auf den postoperativen Verlauf haben könnte. Eine peri- und intraoperative
Normovolämie ist daher unbedingt anzustreben. Restriktive Volumentherapie heißt, dass dem Pat. vom Tag der OP bis zum 2.
postoperativen Tag 6,5 l kristalloider Infusionen zugeführt werden.
PostoperativeMaßnahmen
Ziel der postoperativen Maßnahmen ist es, die nachfolgende Katabolie, die inflammatorische Reaktion, das Krankheitsgefühl mit
Übelkeit und Erbrechen, die Fatigue sowie Hyperthermie und Immunsuppression zu vermeiden. Hier steht die effektive
postoperative Schmerztherapie im Zentrum des Interesses. Im Mittelpunkt steht eine multimodale, systemische Nicht-OpioidAnalgesie. Dies hilft auch, die postoperative gastrointestinale Atonie zu vermeiden. Eine suffiziente thorakale
Periduralkatheteranalgesie (bis Th 5) mit Lokalanästhetikum und niedrig dosiertem Opioid (analgetischer Goldstandard) hat eine
herausragende Bedeutung bei der Stressmodifikation und der intestinalen Stressabschirmung. Neben der deutlich besseren
postoperativen Analgesie trägt die damit einhergehende Sympathikolyse auch zu einer effizienten Darmfunktion bei. Die
genannten Maßnahmen unterstützen die forcierte und frühzeitige Mobilisation des Patienten sowie den frühzeitigen oralen
Kostaufbau bereits am OP-Tag.
222
Kolonkarzinom
Prognosefaktoren, Prädiktive Faktoren I
Etablierte Prognosefaktoren
Prognosefaktoren haben einen Einfluss auf die Prognose unabhängig von der Therapie, während prädiktive Faktoren
den Verlauf einer Erkrankung unter einer bestimmten Therapie vorhersagen, vor allem, in welchem Maße mit einem
Ansprechen auf eine bestimmte Therapie gerechnet werden kann.
Die Prognose des KRK wird durch verschiedene Faktoren bestimmt, von denen der wichtigste derzeit das
pathologische Tumorstadium darstellt, das charakterisiert ist durch die:
• Eindringtiefe, den Lymphknotenbefall sowie das Vorhandensein von Fernmetastasen.
Weitere ungünstige Prognosefaktoren sind:
• Lymphangiosis oder Hämangiosis carcinomatosa des Tumorgewebes
• Siegelring- oder wenig differenzierter Tumor
• Tumorperforation in die freie Bauchhöhle
• Operation unter Notfallbedingungen (z.B. Ileus)
• Entfernung von weniger als 12 Lymphknoten
Zahl der resezierten Lymphknoten
In der Intergroup-Studie INT-0089 zeigte sich, dass die Anzahl der untersuchten Lymphknoten ein entscheidender
Parameter für die Prognose ist. Unabhängig davon, ob es nodal positive oder negative Stadien sind, war die Prognose
von Patienten mit vielen untersuchten Lymphknoten besser (Le Voyer et al. J Clin Oncol 2003;21:2912-19).
Weitere Arbeiten weisen die Zahl der resezierten Lymphknoten als unabhängigen Prognosefaktor in einer
multivarianten Analyse aus: Chen et al. (Ann Surg 2006) fanden bei 82.896 Patienten eine Reduktion der Mortalität um
20,6% bei mehr als 15 resezierten Lymphknoten versus 1-7 resezierten Lymphknoten. In der Arbeit von George et al
(Br J Cancer 2006) korreliert bei 3592 Patienten die Anzahl der resezierten Lymphknoten (0-4, 5-10, > 10) mit dem
Überleben.
Molekulare Marker
Das TNM-System differenziert zuverlässig zwischen Patienten im Frühstadium der Erkrankung und Patienten mit
weit fortgeschrittenen Tumoren; im mittleren Tumorstadium ist die Prognose weniger gut damit abzuschätzen.
Eine adjuvante Chemotherapie wird bei Patienten im Stadium II nicht regelhaft empfohlen. Trotzdem rezidivieren 2030% der Patienten. Aus diesem Grund werden genetische Marker untersucht, die Hochrisikopersonen identifizieren
und als prädiktive Marker ein Ansprechen auf die Behandlung mit einer Chemotherapie vorhersagen.
Mikrosatelliteninstabilität (MSI)
In großen Metaanalysen konnte gezeigt werden, dass Patienten mit Mikrosatelliten-instabilen Tumoren (MSI-H) eine
niedrigere Metastasenhäufigkeit und eine verbesserte Prognose aufweisen als Patienten mit stabilen Tumoren (MSS).
Außerdem weisen die vorliegenden Daten darauf hin, dass Patienten, deren Karzinome eine MSI-H aufweisen, nicht
von einer adjuvanten Therapie mit 5-FU profitieren (Popat S. et al. J Clin Oncol 2005; 23:609).
Auch eine Analyse von Ribic CM (NEJM 2003;349:247-57) zeigte, dass Patienten mit Mikrosatelliten-stabilen
Tumoren oder Tumoren mit geringer MSI ein signifikant schlechteres 5-Jahres-DFS aufweisen im Vergleich zu
Patienten mit hochgradiger MSI. Allerdings war das 5-Jahres-Überleben der Patienten mit hochgradiger MSI
geringer, wenn sie eine adjuvante Chemotherapie mit 5-FU erhielten.
Sargent wertete in einer Sammelanalyse mehrere Studien retrospektiv im Hinblick auf den Einfluss eines defekten
Mismatch-Repair-Systems (definiert als hochgradige MSI oder Verlust von MLH1 oder MSH 2) auf das DFS nach
einer adjuvanten Therapie im Stadium II aus (Sargent et al, ASCO 2008, Abstr. 4008). Hierbei zeigte sich, dass das 5Jahres-DFS bei Pat. mit defektem MMR geringer war, wenn sie adjuvant 5-FU erhielten (unbehandelt 87% versus
behandelt 79%).
Im Rahmen der PETACC-3-Studie wurden an 1564 Gewebeproben prospektiv immunhistochemische und molekulare
Analysen durchgeführt. 9 Marker wurden eingesetzt, die potentiell die Fähigkeit besitzen, die Effektivität oder die
Toxizität einer Therapie vorauszusagen. Eine hohe MSI (Mikrosatelliteninstabilität) bei 12% der Proben zeigte
gegenüber einer stabilen oder niedrigen MSI ein statistisch signifikant besseres 3-Jahres-DFS von 74 vs. 65%. Bei
einer SMAD-4-Expression (15%) ist das 3-Jahres-DFS mit 68% signifikant höher als bei fehlender SMAD-4Expression mit 53% (Roth AD et al., ASCO 2007, Abstract #4022).
Bei Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium II, bei denen eine adjuvante Therapie mit 5-FU diskutiert wird, sollte
der MMR-Status vor Therapiebeginn untersucht werden und bei defektem MMR-System im Tumor keine adjuvante
Chemotherapie mit 5-FU durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind nicht auf FOLFOX übertragbar.
Ein defektes Mismatch-Repair-System (MMR) ist ein prognostischer und prädiktiver Marker beim KRK.
223
Kolonkarzinom
Prognosefaktoren, Prädiktive Faktoren II
DCC/18q
Der Verlust der Heterozygotie im Bereich des langen Armes am Chromosom 18 (18q-) führt zu einer
schlechteren Prognose. Der Verlust von chromosomalem Material an 18q und 8p soll sowohl
prognostisch als auch prädiktiv von Bedeutung sein. Die Kombination der beiden Marker 18q und 8p
ergab eine eindrucksvolle Differenzierung zwischen einer 5-Jahres-Überlebensrate von 100% und
weniger als 60% bei Patienten im Stadium II (Zhou et al., Lancet 2002;359:219-25).
Die ECOG-Studie E5202 evaluiert die Marker 18q- und MSI als Prognoseparameter. Es sollen 3000
Patienten im Stadium II mit entweder günstiger Prognose (MSI, 18q normal) nicht adjuvant therapiert
werden oder mit schlechter Prognose (MSS, 18q-) randomisiert werden für eine adjuvante Therapie
mit FOLFOX +/- Bevazicumab.
Thymidilatsynthase (TS)
Die TS, ein Zielenzym für 5-FU, konnte in einer großen Metaanalyse als unabhängiger
Prognoseparameter bei Patienten im Stadium III identifiziert werden. In insgesamt 11 Studien mit über
1300 Patienten korrelierte eine niedrige TS-Expression mit einem signifikant schlechteren Überleben
und mit einem besseren Ansprechen auf eine 5-FU-haltige Therapie (Johnston et al., ASCO 2005, # 3510).
Widersprüchliche Ergebnisse ergab eine aktuelle Studie. Hier war die TS-Expression kein Prädiktor
für das FFS (Failure free survival) und eine hohe Expression war mit hohen Ansprechraten verbunden
(Richman S. et al., ASCO 2006, #10011).
Topoisomerase I
Im Rahmen der FOCUS-Studie wurde an 823 Proben die Expression der Topoisomerase bestimmt.
Dabei profitierten Patienten mit einer niedrigen Topoisomerase nicht von einer Zugabe von Irinotecan
oder Oxaliplatin zu 5-FU/LV, sodass die Topoisomerase I einen negativen prädiktiven Marker für eine
Irinotecan- und Oxaliplatinhaltige Chemotherapie darstellte (Braun M. et al. ASCO 2006, #10009).
Ansprechen auf neoadjuvante Therapie bei Rektumkarzinom
Es konnte bei der CAO/ARO/AIO-94 Rektumkarzinomstudie im Stadium II/III gezeigt werden, dass
das Ansprechen auf die neoadjuvante Radio-/Chemotherapie einen prognostischen Faktor für das
krankheitsfreie Überleben darstellt (Rödel C. et al. J Clin Oncol 2005; 23:8688). Im Vergleich von
Respondern und Non-Respondern konnten 54 differentiell exprimierte Gene gefunden werden. Somit
ließ sich eine Prädiktion hinsichtlich des Ansprechens zeigen. Das aktuelle Follow-up zeigte, dass alle
Patienten, die eine Fernmetastasierung entwickelt haben, zur Gruppe der non-Responder gehört haben.
Zwischen den Respondern und den non-Respondern ergab sich ein signifikanter Unterschied im
krankheitsfreien Überleben. Die Daten weisen auch darauf hin, dass eine Prädiktion der Wirkung einer
neoadjuvanten Radio-/Chemotherapie anhand der Genexpressionsprofile möglich ist (Liersch T. et al., GIASCO 2006, # 221).
Prädiktion Targeted-Therapie
In der CONFIRM-2-Studie, einer Phase-III-Studie beim metastasierten CRC, wurde FOLFOX4 +/- PTK/ZK
evaluiert. Es zeigte sich, dass die kombinierte Therapie mit PTK/ZK in der gesamten Gruppe zu einer
Verbesserung im progressionsfreien (PFS), aber nicht des Gesamtüberlebens führte. Dabei profitierten
besonders Patienten mit hoher LDH signifikant in Bezug auf das PFS (Koehne C. et al. ASCO 2006, #3508).
Eine prospektive Validierung all dieser potentiellen Prädiktoren ist Voraussetzung für eine spätere
klinische Anwendung.
224
Kolonkarzinom
Prädiktive Faktoren KRAS, EGFR, VEGF
KRAS-Status (siehe auch metastasiertes KRK, KRAS, Cetuximab ff.)
Mit dem KRAS-Status steht erstmals ein prädiktiver Biomarker für Patienten mit metastasiertem KRK
zur Verfügung, der eine zielgerichtete und somit individualisierte Therapie bezüglich des Einsatzes
von Antikörpern (Cetuximab bzw. Panitumumab) gegen den EGF-Rezeptor ermöglicht. Nachträgliche
Analysen des Onkogens bei Patienten der prospektiv randomisierten CRYSTAL- und der OPUS–
Studie zeigten einen signifikanten Vorteil für die Behandlung mit Cetuximab nur für die Patienten, die
einen KRAS-Wildtyp aufwiesen. Patienten mit mutiertem KRAS-Gen profitierten nicht von der
Antikörperbehandlung.
EGF-Rezeptor
Der EGFR ist ein transmembranärer Tyrosinkinasenrezeptor, dessen Expression in der Regel mit einer
schlechten Progrnose assoziiert ist. Da der Rezeptor das Zielantigen der EGF-Rezeptorantikörper
Cetuximab und Panitumumab ist, ist er Einschlusskriterium aller Studien. Allerdings zeigen die
Studien bisher nicht, dass der EGFR-Nachweis mittels Immunhistochemie (IHC) ein sinnvoller
prädiktiver Marker für die Wirksamkeit einer Therapie ist. Weder die Färbeintensität noch die Zahl der
EGFR-positiven Zellen korreliert mit dem Therapieansprechen. Dies liegt wohl am ehesten am
insuffizienten Nachweisverfahren. Es gibt mittlerweile Hinweise, dass die mit FISH nachgewiesene
Zahl der EGFR-Genkopien mit dem Ansprechen auf EGFR-Antikörper korreliert. Im Widerspruch zu
diesen Betrachtungen steht der Zulassungstext der EGFR-Antikörper, der einen Nachweis des EGFRezeptors per IHC fordert.
Vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor und -rezeptor
VEGF ist der stärkste Faktor der vom Tumor initiierten Neubildung von Gefäßen und bewirkt durch
Bindung an den VEGF-Rezeptor der Endothelzellen sowohl eine Proliferation als auch Veränderungen
in der Gefäßarchitektur und -Permeabilität.
Derzeit zeigen aber Studien keine Korrelation zwischen der Effektivität der Therapie und der Höhe
von angiogenen Faktoren.
Die Effektivität einer Therapie mit VEGF-blockierenden Antikörpern wie Bevacizumab ist
unabhängig vom KRAS-Status.
Genexpressionsprofile
Aus frisch gefrorenem Tumormaterial sind bereits Expressionsprofile erstellt worden, die als
Prognosefaktoren dienen können. Die Verwendung von frisch gefrorenem Material ist dabei sehr
aufwendig. Zwei Arbeiten wurden auf dem ASCO 2006 vorgestellt, bei denen Analysen aus ParaffinMaterial durchgeführt wurden. Auf der Basis einer Gensignatur von 48 Kolonkarzinom-spezifischen
Genen konnte bei Kolonkarzinompatienten im Stadium II eine sehr genaue Vorhersage eines Rezidives
gemacht werden (Johnston P. et al., ASCO 2006, #3519). Bei der anderen Arbeit erfolgte eine Analyse von
757 Genen bei Patienten im Stadium II und III. 148 Gene zeigten eine signifikante Assoziation mit
dem krankheitsfreien Überleben (O’Connell M et al. ASCO 2006‚ #3518).
Durch Microarray-Analysen der Tumor-RNA ermittelte eine internationale Arbeitsgruppe (Simon I. et
al., Onkologie 2008;31:OP131) bei 128 KRK-Patienten ein Subset von 320 Genen, mit dessen Hilfe die
Rezidivwahrscheinlichkeit bei KRK der Stadien II und III besser abschätzbar ist. Dieses Genset wurde
bei 58 Patienten mit KRK validiert. In einer Multivarianzanalyse, die neben dem Genprofil die Zahl
der untersuchten Lymphknoten und das Stadium beinhaltete, erwies sich das Genprofil als der stärkste
unabhängige Prognosefaktor. Der Test soll weiter validiert werden.
225
Kolonkarzinom
Adjuvante Therapie, ESMO-Empfehlungen 2008
ESMO Clinical Recommendations for diagnosis, adjuvant treatment and follow-up (Ann Oncol 2008;19 (Suppl 2):ii29ii30). Koordinierender Autor: E.J.D. van Cutsem, Leuven, Belgien.
Inzidenz
2006 gab es 412 900 Neuerkrankungen an KRK in Europa. Das sind 12,9% aller Krebserkrankungen. Das KRK war
2006 für 217 400 Todesfälle in Europa verantwortlich. Dies repräsentiert 12,2% aller Krebstodesfälle.
Diagnose
Die Diagnose eines Kolonkarzinoms erfordert eine histopathologische Bestätigung. Risikofaktoren, die Lokalisation
und die histologische Untersuchung von Dickdarmtumoren sollten dokumentiert werden.
Staging und Risikobewertung
Die Staginguntersuchungen liefern prognostische Informationen, die für die Wahl der adäquaten Therapie relevant
sind. Sie sollten auch Patienten mit resektablen Fernmetastasen identifizieren.
Das präoperative Staging besteht aus klinischer Untersuchung, Blutbild, Leber- und Nierenfunktionstest, CEA,
Rö.-Thorax oder CT-Thorax, Abdomen-CT und kompletter Koloskopie und, falls präoperativ keine komplette
Koloskopie möglich war, erneuter Koloskopie postoperativ.
Das pathologische Staging
TNM
Stad.
Ausdehnung
5-Jahres-Überleben
sollte entsprechend dem
Tis N0 M0
0
Carcinoma in situ
Meist fast normal
TNM-System 2002 mit
T1 N0 M0
I
Mucosa oder submucosa
> 90%
optionaler Nennung des
T2 N0 M0
I
Muscularis propria
> 85%
modifizierten
Dukes-StaT3 N0 M0
IIa
Subserosa/perikolisches Gewebe
> 80%
diums erfolgen. RisikoT4 N0 M0
IIb
Perforation ins viscerale Peritoneum
72%
faktoren für ein KRK sind
oder Invasion in andere Organe
Familienanamnese,
FAP
T1-2 N1 M0
IIIa
60%-83%
und
attenuierte
FAPT3-4 N1 M0
IIIb
42%-64%
Syndrome, HNPCC, KRK
T1-4 N2 M0
IIIc
27%-44%
oder Adenom in der
Jedes T,
IV
Fernmetastasen
<10%
Vorgeschichte,
Colitis
jedes N, M1
ulcerosa und M. Crohn.
Therapie
Eine adjuvante Chemotherapie wird empfohlen für die Stadien T1-4, N1-2, M0 (z.B. Stadium III, modifiziert Dukes
C1-3). (Level of evidence I, Empfehlungsgrad A)
Eine adjuvante Chemotherapie kann bei ausgewählten nodal-negativen Patienten in Erwägung gezogen werden,
insbesondere wenn Hochrisikofaktoren für ein Rezidiv vorliegen. Zu den bekannten Hochrisikofaktoren im Stadium
II zählen T4-Tumor, wenig differenziertes Adenokarzinom oder undifferenziertes Karzinom, Gefässinvasion,
Lymphangiosis, Obstruktion oder Tumorperforation bei Erstdiagnose, ≤12 untersuchte Lymphknoten und hohe CEASpiegel.
Die adjuvante Standardbehandlung besteht in einer Fluoropyrimidin-basierten Chemotherapie, die zu einem
statistisch signifikanten Überlebensvorteil geführt hat. Die Kombination von 5-FU/Leucovorin mit Oxaliplatin
verbessert das krankheitsfreie Überleben im Stadium II und III des Kolonkarzinoms signifikant und verbessert auch
das Gesamtüberleben im Stadium III verglichen mit 5-FU/LV.
Optionen für die adjuvante Behandlung schließen infusionale 5-FU/LV-Regime und Capecitabine ein. Capecitabine
hat sich als mindestens so effektiv und weniger toxisch wie Bolus 5-FU/Folinsäure erwiesen.
Nachsorge
Das Ziel der Nachsorge ist die Identifizierung eines Rezidivs. des Kolonkarzinoms in einem Stadium, in dem sich
therapeutische Konsequenzen ergeben: z.B. chirurgische Resektion von Metastasen oder eines Lokalrezidivs. oder
eine chemotherapeutische Behandlung für die metastasierende Erkrankung.
Es gibt kein bevorzugtes Nachsorgeschema. Außer der Anamnese und der klinischen Untersuchung sollten folgende
Untersuchungen in Erwägung gezogen werden, um Patienten für eine mögliche kurative chirurgische Resektion oder
eine palliative Behandlung zu identifizieren und um ein Zweitkarzinom zu verhindern:
ƒ Koloskopie nach 1 Jahr und danach alle 3-5 Jahre auf der Suche nach metachronen Adenomen und Karzinomen.
ƒ Sonographie der Leber alle 6 Monate für 3 Jahre und danach im 4. und 5. Jahr. Ein CT-Thorax und -Abdomen
können bei Patienten mit höherem Rezidivrisiko in Erwägung gezogen werden.
ƒ Ein Rö-Thorax hat eine niedrige Sensitivität, kann aber einmal pro Jahr für 5 Jahre in Erwägung gezogen werden.
ƒ Eine CEA-Bestimmung alle 3-6 Monate für 3 Jahre und alle 6-12 Monate im Jahr 4 und 5 nach Operation, wenn
der CEA-Spiegel initial erhöht war.
ƒ Andere Labor- und Röntgenuntersuchungen haben keinen nachgewiesenen Nutzen und sollten Patienten mit
verdächtigen Symptomen vorbehalten werden.
226
Kolonkarzinom
Adjuvante Chemotherapie, S3-Leitlinie 2004/2008
Indikation zur adjuvanten Behandlung bei Kolonkarzinomen
Voraussetzung für eine adjuvante Therapie ist die R0-Resektion des Primärtumors. Grundlage für die Indikation
zur adjuvanten Therapie nach Tumorresektion ist die pathohistologische Stadienbestimmung, insbesondere die
Bestimmung des Lymphknoten-Status (pN). Zur Festlegung von pNO sollen 12 oder mehr regionäre
Lymphknoten untersucht werden (UICC 2002). Immunzytologische Befunde von isolierten Tumorzellen in
Knochenmarkbiopsien oder Lymphknoten sowie zytologische Tumorzellbefunde in Peritonealspülungen sind
keine Indikation zur adjuvanten Therapie außerhalb von Studien.
Für Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium I ist eine adjuvante Therapie nicht
indiziert. Patienten des UICC-Stadiums II und III sollten möglichst in kontrollierte Studien eingebracht werden,
um Aufschluss über die Indikationsstellung und die optimale adjuvante Therapie zu erhalten. Der Verlauf von
Patienten, die außerhalb klinischer Studien behandelt werden, ist im Rahmen der Qualitätssicherung hinsichtlich
des Auftretens von Rezidiven, der Überlebensrate und von Nebenwirkungen zu dokumentieren. Die
Durchführung der adjuvanten Chemotherapie erfordert einschlägige Erfahrung und insbesondere die Kenntnis
der entsprechenden Dosisreduktionsschemata, die bei auftretender Toxizität eingehalten werden müssen.
Kontraindikationen der adjuvanten Chemotherapie bei Kolonkarzinomen
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
Allgemeinzustand > 2 (WHO)
Unkontrollierte Infektion
Leberzirrhose Child B und C
Schwere koronare Herzkrankheit; Herzinsuffizienz (NYHA III und IV)
Präterminale und terminale Niereninsuffizienz
Eingeschränkte Knochenmarkfunktion
Andere, die Lebenserwartung bestimmende Komorbiditäten
Unvermögen, an regelmäßigen Kontrolluntersuchungen teilzunehmen
Empfehlung Stadium III
Bei Patienten mit einem R0 resezierten Kolonkarzinom im Stadium III ist eine adjuvante Chemotherapie
indiziert.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.
Eine Altersbeschränkung für die Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie existiert nicht, allgemeine
Kontraindikationen sind zu berücksichtigen.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.
Empfehlung Stadium II
Bei Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium II kann eine adjuvante Chemotherapie
durchgeführt werden. Der absolute Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie im Stadium II liegt zwischen
2 und 5%.
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens
Empfehlung UICC Stadium II mit Risikofaktoren
Im Stadium II sollte in ausgewählten Risikosituationen (T4, Tumorperforation/-einriss, Operation unter
Notfallbedingungen, Anzahl untersuchter Lymphknoten zu gering) eine adjuvante Chemotherapie erwogen
werden.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens
Zusätzliche Parameter (z.B. CEA, Differenzierungsgrad, 18q-Verlust, isolierte Tumorzellen in Lymphknoten
oder im Knochenmark, Mikrosatelliten-Status, DNA-Ploidie und TS/p53-Expression, Lymph- und
Blutgefäßinvasion) sollen momentan nicht zur Indikationsstellung für eine adjuvante Chemotherapie benutzt
werden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens
227
Kolonkarzinom
Adjuvante Chemotherapieprotokolle, S3-Leitlinie2004/2008
Empfehlung Chemotherapieprotokolle im Stadium III
Oxaliplatin in Kombination mit 5-FU/Folinsäure (FS)
Für die adjuvante Chemotherapie des Kolonkarzinoms im Stadium III soll eine Oxaliplatin-haltige
Chemotherapie eingesetzt werden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1, starker Konsens
► FOLFOX (LV5FU2 + Oxaliplatin)
z.B. FOLFOX 4: Folinsäure (FS) (200 mg/m2 als 2 h-Infusion Tag 1 und 2) plus 5-FU (400 mg/m2 als
Bolus, danach 600 mg/m2 als 22-h-Infusion; Tag 1 und 2) in Kombination mit Oxaliplatin (85 mg/m2 als 2h
Infusion; Tag 1), Wiederholung Tag 15. 1 Zyklus umfasst 2 Wochen, insgesamt 12 Zyklen.
Monotherapie mit Fluoropyrimidinen
Bei Kontraindikationen gegen Oxaliplatin-haltige Regime soll eine Monotherapie mit Fluoropyrimidinen
durchgeführt werden. Dabei werden orale Fluoropyrimidine den infusionalen Schemata vorgezogen. Bolusregime
sollen wegen der höheren Toxizität nicht mehr verwendet werden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1, starker Konsens
► Orale 5-FU-Prodrug
z.B. Capecitabin 2 x 1250 mg/m2 Körperoberfläche p.o. Tag 1-14, alle 3 Wochen für 8 Zyklen.
Hintergrund
In der X-ACT-Studie wurde das primäre Studienziel mit dem Nachweis, dass Capecitabin im krankheitsfreien
Überleben mindestens gleichwertig zum MAYO-Schema ist, erreicht. Die Analyse zeigte einen Trend
zugunsten eines überlegenen krankheitsfreien Überlebens mit Capecitabin. Auch das Gesamtüberleben
unterschied sich nicht signifikant, mit einem Trend zur Überlegenheit von Capecitabin.
Auch wenn in einer randomisierten Studie UFT + Folinsäure versus 5-FU/FS kein Unterschied im
Gesamtüberleben und im krankheitsfreien Überleben bestand und in einer japanischen Metaanalyse von drei
Studien sogar ein signifikanter Vorteil für Gesamtüberleben uns DFS erreicht werden konnte, wird UFT +
Folinsäure aktuell nicht empfohlen, da es keine Zulassung zur adjuvanten Chemotherapie des Kolonkarzinoms
in Deutschland besitzt.
► Infusionales 5-FU/Folinsäure
ƒ LV5FU2
z.B. Folinsäure (FS) (200 mg/m2 als 2 h-Infusion Tag 1 und 2) plus 5-FU (400 mg/m2 als
Bolus, danach 600 mg/m2 als 22-h-Infusion; Tag 1 und 2).
1 Zyklus umfasst 2 Wochen, insgesamt 12 Zyklen
ƒ 5-FU/Folinsäure-Schema
z.B. Folinsäure (FS) (500 mg/m2 als 1-2-h-Infusion) plus 5-FU (2600 mg/m2 als 24-h-Infusion) 1x pro
Woche über 6 Wochen (Tag 1, 8, 15, 22, 29, 36). Erneuter Beginn der Therapie in Woche 8 (Tag 50).
Insgesamt 3 Zyklen
ƒ Venöse 5-FU-Dauerinfusion über insgesamt 12 Wochen (300 mg/m2/Tag)
Hintergrund
Im Vergleich zu den Bolusschemata zeigen mehrere Therapiestudien mit unterschiedlicher infusionaler
Applikationsform keinen Unterschied zu der Bolusgabe von 5-FU/FS bezüglich des krankheitsfreien Überlebens
und des Gesamtüberlebens. Das deutlich bessere Toxizitätsprofil spricht jedoch eindeutig für die infusionale
Applikation. Ein Vergleich von 12 Wochen Therapie mit der „protracted venous infusion“ (PVI) von 5-FU (300
mg/m2 pro Tag) gegen ein 6-monatiges MAYO-Schema zeigte keinen signifikanten Unterschied im
rezidivfreien Überleben (RFS) und im Gesamtüberleben bei geringerer Toxizität von PVI 5-FU. Der Beginn der
adjuvanten Chemotherapie innerhalb eines Zeitraums von 8 Wochen nach Operation zeigte einen signifikanten
Überlebensvorteil. Die optimale Dauer der Chemotherapie beträgt 6 Monate.
Empfehlung Chemotherapieprotokoll im Stadium II
Sollte bei Patienten mit Stadium-II-Tumoren eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden, können
Fluoropyrimidine als Monotherapie eingesetzt werden.
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1, starker Konsens
228
Kolonkarzinom
Adjuvante Chemotherapie, Entwicklung der Therapiestandards
Die Studien der letzten 10-15 Jahre konnten zeigen, dass durch eine adjuvante Therapie mit 5-Fluorouracil 8-12%
der Behandelten zusätzlich geheilt werden können. Die 5-FU-basierte Chemotherapie hat dabei verschiedene
Veränderungen erfahren.
5-FU/Levamisol 12 Monate
1990 wurde erstmals der Nutzen einer postoperativen Chemotherapie auf 5-FU-Basis durch die Intergroup-Studie
INT-0035 belegt (Moertel CG et al. NEJM 1990;32:235-8). Die Endergebnisse nach einem medianen Follow-up von 6,5
Jahren zeigten, dass beim Kolonkarzinom im Stadium III 5-FU/Levamisol über 12 Monate die relative Rezidivrate
um 40% und die Mortalität um 33% signifikant gegenüber der nicht behandelten Kontrollgruppe senkt.
5-FU/Levamisol wurde damit zum Standard in der adjuvanten Therapie und wurde als Kontrollarm für nachfolgende
Studien verwendet.
5-FU/Folinsäure 6 Monate
Als sich herausstellte, dass mit Folinsäure (FS) moduliertes 5-FU beim fortgeschrittenen KRK wirksamer ist als 5-FU
allein, wurde eine Reihe von adjuvanten Therapiestudien mit verschiedenen 5-FU/FS-Kombinationen auf den Weg
gebracht.
Die größte Studie mit 3759 Patienten im Stadium II und III, die Intergroup Studie 0089 (Haller DG et al. Proc ASCO
1998:A 982), prüfte im Standardarm eine 12-monatige Behandlung mit 5-FU/Levamisol gegen eine 6-monatige
Behandlung mit 5-FU in Kombination mit einer niedrigen Folinsäuredosis (Mayo-Clinic-Schema) oder einer hohen
Folinsäuredosis (Wolmark oder NSABP-Schema). In einem vierten Studienarm erhielten die Patienten zusätzlich zu
5-FU/FS noch Levamisol. Die 5-Jahre-Überleben sdaten ergaben, dass eine 6-monatige Behandlung mit 5-FU in
Kombination mit niedrig oder hoch dosierter Folinsäuredosis genauso wirksam ist wie eine 12-monatige Behandlung
mit 5-FU/Levamisol. Die Wirkung von 5-FU/FS konnte durch die zusätzliche Gabe von Levamisol nicht verbessert
werden.
Aus diesen Ergebnissen ergab sich der Konsens, Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III über 6 Monate mit 5FU/FS Schemata (Mayo-Clinic-Schema, alternativ NSABP-Schema) zu behandeln.
FOLFOX-4
Aufgrund der gesteigerten Ansprechraten der Kombinationen aus 5-FU/FS und Oxaliplatin oder Irinotecan in der
palliativen Therapie des KRK wurden diese Kombinationen auch in Phase-III-Studien in der adjuvanten Therapie
eingesetzt. In der MOSAIC-Studie (Andre T. et al., NEJM 2004; 350: 2343-51) wurden 2248 Patienten mit KRK im
Stadium II und III nach R0-Resektion entweder (aktuelle Daten 2007 siehe Seite „MOSAIC-Studie“) mit dem
de-Gramont-Schema (5-FU/FS) oder dem FOLFOX-4 (5-FU/FS/Oxaliplatin)-Schema behandelt. Nach 3 Jahren war
die Wahrscheinlichkeit des krankheitsfreien Überlebens (DFS) im FOLFOX-4-Arm um knapp 5% höher (77,8 vs.
72,9%). Für Patienten im Stadium III war die Differenz mit 71,8 vs. 65,5% noch deutlicher. Für Patienten im Stadium
II war die Differenz von 86,6% vs. 83,9% nicht signifikant (aktuelle Daten 2007 siehe Seite „MOSAIC-Studie“).
Diese Daten wurden durch die NSABP C-07 Studie bestätigt (Wolmark N. et al. ASCO 2005, A 3500). Ähnlich gute
Ergebnisse ließen sich mit einer Irinotecan-haltigen Kombination nicht erreichen.
Aufgrund der Ergebnisse der MOSAIC-Studie gilt FOLOX-4 als Standard zur adjuvanten
Chemotherapie kolorektaler Karzinome im Stadium III.
Xeloda ®
In der X-ACT-Studie (Twelves C. et al.,NEJM 2005;352:2696-704), die bei mehr als 2000 Patienten im Stadium III
Capecitabine oral mit dem Mayo-Protokoll verglichen hat, zeigt sich eine bessere Verträglichkeit der adjuvanten
Therapie mit Capecitabine und ein Trend zu einer besseren Wirksamkeit. Das DFS nach 3 Jahren lag bei 65,5% für
Capecitabine vs. 61,9% für das Mayo-Protokoll (siehe Seite X-ACT-Studie).
Aufgrund dieser Daten kann bei Kontraindikationen zu FOLFOX-4 das orale Capecitabine eingesetzt
werden. Das Mayo-Schema sollte nicht mehr zur Anwendung kommen.
Korrelation 3-Jahres-DFS mit 5-Jahres-OS
Eine Analyse von 18 randomisierten, kontrollierten Studien mit über 20.000 Patienten (Sargent DJ et al., J Clin Oncol
2005; 23:8664-70) zeigt, dass das 3-Jahres-krankheitsfreie Überleben (DFS) signifikant mit dem 5-Jahres-Overallsurvival (OS) korreliert. Die aktuelle Analyse dieser Daten der ACCENT (Adjuvant Colon Cancer Endpoints)
Gruppe bestätigt dies: ein signifikanter Benefit für die adjuvante Chemotherapie wurde vor allem für die ersten 2
Jahre nach Initiierung der Therapie nachgewiesen. Zwei Jahre nach Initiierung der Behandlung zeigte die Rate für das
DFS keinen wesentlichen Unterschied mehr (Sargent DJ et al., ASCO 2007, Abstr. # 4008). Aufgrund dieser Daten ist das
DFS als valider Endpunkt für die adjuvante Therapie bestätigt, das eine raschere Beantwortung der von den Studien
gestellten Fragen erlaubt.
229
Kolonkarzinom
Adjuvante Chemotherapie, weitere Entwicklungen
6 Monate versus 3 Monate (Chau I. et al. Ann Oncol 2005, 16:549-557)
Eine britische Multicenterstudie verglich bei 801 Patienten das Standard-5-FU-Bolus/Folinsäure-Schema (MAYOClinic-Schema) über 6 Monate mit einer kontinuierlichen intravenösen Infusion (PVI) von 5-FU (300 mg/m2/die)
über 12 Wochen. Es gab keine signifikante Differenz hinsichtlich des 5-Jahres-Überlebens zwischen den beiden
Armen. Die Therapie mit der kontinuierlichen Infusion über 12 Wochen war tendenziell besser im Hinblick auf das
5-Jahre-rezidivfreie Überleben (73,3% vs. 66,7%) sowie das 5-Jahres-Überleben (75,7% vs. 71,5%). Die Toxizität
der kontinuierlichen Infusion war signifikant geringer. Die Autoren regen weitere Studien mit Verkürzung der
adjuvanten Therapiedauer an. Kritikpunkte an der Arbeit sind die geringe Patientenzahl sowie der Einschluss von
Rektumkarzinompatienten, so dass diese Therapie derzeit nicht empfohlen wird.
Bolus versus infusional-5-FU (Köhne C. et al., ASCO 2006, Abstract 3563)
Die PETACC-2-Studie verglich das traditionelle Bolus-Regime nach dem MAYO-Clinic-Schema mit 3 anderen 5FU-Infusionsprotokollen (AIO, de-Gramont und das spanische wöchentliche Hochdosisprotokoll, siehe auch Seite
„PETACC-2-Studie“) in der adjuvanten Chemotherapie des Kolonkarzinoms beim Stadium III. Das Primärziel der
Studie war der Beweis einer Überlegenheit der Infusionsprotokolle mit einer Differenz des 5-Jahre-Überleben s von
7%. Bei insgesamt 1601 Patienten ergab sich kein signifikanter Unterschied, weder im 5-Jahres-rezidivfreien
Überleben (57% vs. 56%) noch im 5-Jahres-Gesamtüberleben (71% vs. 72%). Das Bolus-Regime war jedoch
toxischer im Hinblick auf Leukopenie, Stomatitis und Diarrhoe. Das Hand-Fuß-Syndrom war häufiger im
experimentellen Arm.
Oxaliplatin/Bolus 5-FU, NSABP C-07-Studie (Kuebler J.P.. et al., J Clin Oncol 2007; 25:2198-2204)
2407 Patienten im Stadium II und III erhielten entweder das wöchentliche Wolmark- bzw. NSABP-Bolus-Schema
(FULV) über 24 Wochen oder dasselbe Regime unter Zugabe von 85 mg/m2 Oxaliplatin (FLOX) in Woche 1, 3 und
5 eines jeden 8-Wochen-Zyklus. Das DFS nach 3 Jahren beträgt 76,5 % im FLOX-Arm vs. 71,6 % im FULV-Arm
und ist statistisch signifikant. Unter dem FLOX-Regime trat Diarrhoe wesentlich häufiger als relevante
Nebenwirkung auf. Es ereigneten sich unter der Therapie immerhin 14 (1,1%) Todesfälle in der FULV- und 15
(1,2%) in der FLOX-Gruppe.
Fazit: Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit den Ergebnissen der MOSAIC-Studie. Beim FLOX-Regime kommen
aber nur 75% der Oxaliplatin-Dosis aus der MOSAIC-Studie zum Einsatz, was 2005 auf dem ASCO-Kongress zur
Diskussion über die tatsächlich nötige Oxaliplatin-Dosis führte. Das Bolus-Regime sollte wegen der erhöhten
Toxizität nicht zum Einsatz kommen.
XELOX versus Bolus 5-FU/LV (Schmoll HJ. et al., J Clin Oncol 2007, 25:102-109 )
1884 Patienten im Stadium III erhielten XELOX (Capecitabine 1000 mg/m2 bid d1-14 + Oxaliplatin 130 mg/m2 d1,
q3w x 8) oder ein i.v. Bolus 5-FU/LV-Schema (Mayo-Clinic- oder Roswell-Park-Schema).
Die Rate an Grad-3/4-Toxizitäten lag bei 55% im XELOX-Arm und bei 47% im 5-FU/LV-Arm. XELOX verursacht
weniger Neutropenie (9% vs. 16%) sowie Stomatitis (<1% vs. 9%), aber mehr Hauttoxizität (5% vs. 1%) und
Neuropathie (11% vs. 0%). Die Grad-3/4-Diarrhoe war in beiden Armen praktisch gleich (XELOX 19% vs. 20% bei
5-FU/LV).
Die vorgestellten Toxizitätsdaten zeigen das bekannte Nebenwirkungsprofil von Oxaliplatin, das dem von
FOLFOX-4 entspricht, sowie das erwartete, gut handlebare Hand-Fuß-Syndrom im XELOX-Arm mit dem Vorteil
der oralen 5-FU-Gabe. Effektivitätsdaten werden 2008 erwartet.
Irinotecan-haltige Protokolle
CALGB-Studie C 89993 (Saltz LB et al. Proc. ASCO 2004; 22:3500)
Folinsäure/5-FU ± Irinotecan zur adjuvanten Therapie beim Kolonkarzinom Stadium III,
Arm A: FS/FU 500/500 mg/m2 wöchentlich x 6/ 8Wochen, 4 Zyklen (PRM-Schema), n=629
Arm B: Irinotecan 125 mg/m2, FS/FU 20/500 mg/m2 Bolus wöchentlich x 4/ 2Wochen Pause, 5 Zyklen, entsprechend
30 Wochen (IFL-Schema), n=635
Ergebnisse: Mediane Nachbeobachtungszeit 3,8 Jahre. Gesamtüberlebenskurven deckungsgleich, ebenso das
krankheitsfreie Überleben. Fazit: Kein Vorteil für IFL.
PETACC-3-Studie
(van Cutsem E. et al.,ASCO 2005, Abstract LBA 8)
3278 Patienten im Stadium II (945) und III (2333) wurden randomisiert. Nach 3 Jahren wurde durch die Zugabe des
Irinotecan das krankheitsfreie Überleben (DFS) für Patienten im Stadium-III von 59,9% auf 62,9% verbessert, was
statistisch nicht signifikant war. Bei der gepoolten Analyse von allen Patienten (Stadium II und III) zeigte sich eine
signifikante Verbesserung durch die Zugabe von Irinotecan. Die 60-Tage Mortalität lag bei der IrinotecanKombination bei 0,4% versus 0,2% im 5-FU/Folinsäure-Arm.
Fazit: Irinotecan-haltige Schemata haben aktuell keinen Stellenwert in der adjuvanten Therapie des KRK.
230
Kolonkarzinom
Adj. Chemotherapie, NSABP-, MAYO-Clinic-Schema
Moertel CG et. al. hatten 1990 als Erste den statistisch signifikanten Vorteil einer postoperativen adjuvanten
Behandlung des Kolon-Ca mit 5-FU + Levamisol im Vergleich zu einer nichtbehandelten Kontrollgruppe für das
Stadium Dukes C veröffentlicht. Für das Rektumkarzinom war der therapeutische Gewinn bereits zu diesem
Zeitpunkt auch für das Stadium Dukes B2 (T3, N0, M0) nachgewiesen worden.
NSABP-Schema (Roswell-Park-Schema)
Auf dem ASCO-Meeting 1993 teilten zwei internationale Therapiegruppen eine signifikante Reduktion des
Rezidivrisikos und der Mortalitätsrate um etwa ein Drittel nun auch für das Stadium Dukes B2 des Kolonkarzinoms
mit. Die Behandlung erfolgte mit 5-FU + Folinsäure.
Roswell Park-Schema, auch bekannt als NSABP-Schema
Substanz
Wolmark, N. et. al Proc. ASCO 1993; 12: Abstr. 578
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
500
2-Std.-Infusion
1, 8, 15, 22, 29, 36
5-FU
500
i.v. Bolus 1 Std. nach Beginn der
Folinsäure-Infusion
1, 8, 15, 22, 29, 36
Woche 7 Therapiepause.
Wiederholung Tag 50.
Therapiedauer in dieser Studie: 6 Zyklen (48 Wochen).
Anmerkung: in adjuvanter Intention kann bei fehlender oder geringer Toxizität auch schon am Tag 43 der nächste
Zyklus beginnen.
Die Dauer von 6 Monaten für eine adjuvante Therapie wird als ausreichend erachtet.
Therapiedaten
Patientengut: 1081 kurativ resezierte Pat. mit Kolon-Ca Stad. Dukes C und B2.
Ergebnisse: 3 Jahre krankheitsfreies Überleben : 73 % vs. 63 %
3 Jahres-Gesamtüberleben
: 84 % vs. 77 %
Die Ergebnisse waren im randomisierten Vergleich denen der Kombination mit MOF (Methyl-CCNU, Vincristin, 5FU) überlegen (p=0.0004). Bei Verwendung der Kombination von Leucovorin und 5-FU bestand kein Unterschied
zwischen den Stadien Dukes B2 und C beim Kolonkarzinom. Demnach profitierten in dieser Studie auch die Pat. mit
dem Stadium Dukes B2 von dieser Behandlung.
Mayo-Clinic-Schema
Auf dem gleichen ASCO-Meeting 1993 stellten O’Connel et al. das Ergebnis einer kleineren Intergroup-Studie mit
niedrig dosierter Folinsäure vor. Dieses Therapieschema ist deshalb interessant, da hierdurch die Arzneimittelkosten
signifikant gesenkt werden. Auch in dieser Studie wurden Patienten der Stadien B und C nach Dukes behandelt.
O´Connel et al. (Mayo-Clinic-Schema)
Substanz
Proc. ASCO 12, 1993, Abstr.552
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
20
i.v. Bolus
1-5
5-FU
425
i.v. Bolus (< 5 Min.)
1-5
Wiederholung Tag 29-33 Therapiedauer: 6 Zyklen
Therapiedaten
Patientengut:
Ergebnisse:
309 kurativ resezierte Pat. mit Kolon-Ca Stad. Dukes C und B2.
3,5 Jahre krankheitsfreies Überleben : 77 % vs. 64 % (Kontrollgruppe)
3,5 Jahres-Gesamtüberleben
: 75 % vs. 71 %
Die Ergebnisse waren im randomisierten Vergleich denen der unbehandelten Kontrollgruppe bezüglich des
krankheitsfreien Überlebens signifikant überlegen. Das Gesamtüberleben unterschied sich allerdings nicht signifikant
zwischen beiden Gruppen.
Nachdem das Mayo-Clinic-Schema lange als Standard der adjuvanten Therapie des kolorektalen Karzinoms galt,
werden Bolus-Regime wegen der höheren Toxizität im Vergleich zu oralen Fluoropyrimidinen nicht mehr
empfohlen. Bei Kontraindikationen gegen Oxaliplatin-haltige Regime ist Capecitabin (Xeloda®) der Standard in
der adjuvanten Therapie des KRK.
231
Kolonkarzinom
PETACC2-Studie, Adjuvante Chemotherapie Stadium III
Die PETACC2-Studie zur Adjuvansbehandlung lief in Deutschland auch unter dem Namen „AIO-Studie“. Sie
ist identisch mit der EORTC-Studie 40963 bzw. mit einem Arm des PETACC2-Trials. Die Abkürzung
PETACC steht für „Pan European Trial in Adjuvant Colon Cancer“.
Hier werden jedoch im europäischen Verbund die landesspezifischen „Eigenheiten“ in der Wahl des Schemas
für die 5-FU-Dauerinfusion berücksichtigt. Die Wahl des Schemas war der teilnehmenden Institution
freigestellt, es musste jedoch immer das gleiche verwendet werden.
In Deutschland wird das AIO-Schema angewandt, in Frankreich hauptsächlich das „De-Gramont-Schema“, in
Spanien 5-FU als Monosubstanz über 48h.
Als Standardarm kam einheitlich das „Mayo-Clinic-Schema“ zum Einsatz
AIO-Schema (Deutschland)
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
500
2-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
5-FU
2600
24-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
Applikationsform
Therapietage
48-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36,43
Wiederholung: Tag 50 Therapiedauer: 3 Zyklen (=21 Wochen)
HD-5-FU Mono-48 Stunden (Spanien)
Substanz
5-FU
Dosis [mg/m²/d]
3500
Wiederholung: Tag 57 Therapiedauer: 3 Zyklen (=24 Wochen)
De-Gramont-Schema (LV5FU2, Frankreich)
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
200
2-Std.-Infusion
1, 2
5-FU
400
i.v. Bolus (5 min)
1, 2
5-FU
600
22-Std.-Infusion
1, 2
Wiederholung: Tag 15 Therapiedauer: 12 Zyklen (=24 Wochen)
Ergebnisse (Köhne C. et al., ASCO 2006, Abstract 3563)
Bei insgesamt 1601 Patienten ergab sich kein signifikanter Unterschied weder im 5-Jahres-Rezidiv-freien
Überleben (57% vs. 56%) noch im 5-Jahres-Gesamtüberleben (71 vs. 72%). Das Bolus-Regime war jedoch
toxischer im Hinblick auf Grad-3/4-Leukopenien (7,1% versus 2,0%), Stomatitis Grad-3/4 (9,8% vs 3,3%) und
Diarrhoe Grad-3/4 (16% vs. 15%). Das Hand-Fuß-Syndrom war häufiger im experimentellen Arm (4,4% versus
0,4%).
PETACC1
Die PETACC1-Studie, die in gleicher Situation 5-FU/Folinsäure mit der Substanz Raltitrexet verglich,
wurde in einer umstrittenen Entscheidung nach der Interimsanalyse im Juli 1999 durch die Firma Astra
Zeneca beendet. Der Grund war eine mit 17 vs. 7 erhöhte Anzahl an Substanz-assoziierten Todesfällen
in der Tomudex-Gruppe (allerdings gab es hier relevante Abweichungen von den Studienvorschriften
wie z.B. fehlende Kreatininkontrollen). Es waren bereits 1838 Patienten eingeschlossen, es lagen nur
Sicherheits-, aber noch keine Effektivitätsdaten vor.
232
Kolonkarzinom
PETACC3-Studie, Adjuvante Chemotherapie
In dieser inzwischen geschlossenen Studie wurde in Deutschland zumeist das AIO-Schema verwendet. Im
adjuvanten Setting wurden verglichen infusional 5-FU/Folinsäure ± Irinotecan.
In der Gruppe A bekamen die Pat. entweder das um Irinotecan erweiterte AIO-Schema mit auf
2000 mg/m² reduzierter 5-FU-Dosis oder das „De-Gramont-Schema“ + Irinotecan.
Standardtherapie (Gruppe B)
AIO-Schema
Substanz
Folinsäure
5-FU
Dosis [mg/m²/d]
500
2600
Applikationsform
2-Std.-Infusion
24-Std.-Infusion
Therapietage
1,8,15,22,29,36
1,8,15,22,29,36
Applikationsform
2-Std.-Infusion
i.v. Bolus (5 min)
22-Std.-Infusion
Therapietage
1, 2
1, 2
1, 2
Applikationsform
2-Std.-Infusion
24-Std.-Infusion
½-Std.-Infusion
Therapietage
1,8,15,22,29,36
1,8,15,22,29,36
1,8,15,22,29,36
Wiederholung: Tag 50
De-Gramont-Schema (LV5FU2)
Substanz
Folinsäure
5-FU
5-FU
Dosis [mg/m²/d]
200
400
600
Wiederholung: Tag 14
Prüfarm (Gruppe A)
AIO-Schema + Irinotecan
Substanz
Folinsäure
5-FU
Irinotecan
Dosis [mg/m²/d]
500
2000
80
Wiederholung: Tag 50
De-Gramont-Schema (LV5FU2) + Irinotecan
Substanz
Folinsäure
5-FU
5-FU
Irinotecan
Dosis [mg/m²/d]
200
400
600
180
Applikationsform
2-Std.-Infusion
i.v. Bolus (5 min)
22-Std.-Infusion
60-min.-Infusion
Therapietage
1, 2
1, 2
1, 2
1
Wiederholung: Tag 15
Therapiedauer: jeweils 6 Monate.
Ergebnisse (van Cutsem E. et al.,ASCO 2005, Abstract LBA8)
3278 Patienten im Stadium II (945) und III (2333) wurden randomisiert. Nach 3 Jahren wurde durch die Zugabe
des Irinotecan das krankheitsfreie Überleben (DFS) für Patienten im Stadium-III von 59,9% auf 62,9%
verbessert, was statistisch nicht signifikant war. Bei der gepoolten Analyse von allen Patienten (Stadium-II und
III) zeigte sich eine signifikante Verbesserung durch die Zugabe von Irinotecan. Die 60-Tage-Mortalität lag bei
der Irinotecan-Kombination bei 0,4% versus 0,2% im 5-FU/Folinsäure-Arm.
Fazit: Irinotecan-haltige Schemata haben aktuell keinen Stellenwert in der adjuvanten Therapie.
Immunhistochemische und molekulare Analysen (Roth AD et al.,ASCO 2007, Abstract #4022)
Im Rahmen der PETACC3-Studie wurden an 1564 Gewebeproben prospektiv immunhistochemische und
molekulare Analysen durchgeführt. 9 Marker wurden eingesetzt, die potentiell die Fähigkeit besitzen, die
Effektivität oder die Toxizität einer Therapie vorauszusagen. Eine hohe MSI (Mikrosatelliteninstabilität) bei
12% der Proben zeigte gegenüber einer stabilen oder niedrigen MSI ein statistisch signifikant besseres 3-Jahres
DFS von 74 vs. 65%. Bei einer SMAD-4-Expression (15%) ist das 3 Jahres-DFS mit 68% signifikant höher als
bei fehlender SMAD-4-Expression mit 53%.
233
Kolonkarzinom
MOSAIC-Studie, Teil I, Adjuvante Chemotherapie
Nahezu die Hälfte aller potentiell kurativ operierten Patienten mit kolorektalen Karzinomen erleiden Rezidive und
versterben als Folge einer späteren Metastasierung.
Nachdem sich Oxaliplatin in der Therapie des metastasierten Kolonkarzinoms bewährt hatte, vornehmlich nach den
Daten der FOLFOX-Kombination der französischen Arbeitsgruppe um de Gramont, wurde die Substanz auch in der
adjuvanten Indikation eingesetzt.
Die Ergebnisse der internationalen, multizentrischen MOSAIC-Studie (Multicenter International Study of
Oxaliplatin/5-Fluorouracil/Leucovorin in the Adjuvant Treatment of Colon Cancer) ergeben sich neue Perspektiven in
der Adjuvansbehandlung kolorektaler Karzinome (Andre T et al., NEJM 2004;350:23433-51). In die Studie wurden
insgesamt 2246 Pat. mit Stad. II und III eingeschlossen und im prospektiv randomisierten Vergleich mit einer jeweils
sechsmonatigen Therapie mit Bolus plus infusional 5-FU/FA ± Oxaliplatin behandelt.
Studiendesign
LV5FU2 + Oxaliplatin
Folinsäure 200 mg/m2 / 2h-Inf. d1+2
5-FU 400 mg/m2 Bolus +
5-FU 600 mg/m2 22h-Inf. d1+2
Oxaliplatin 85 mg/m2 2h-Inf d1
alle 14 Tage, 12 Zyklen
LV5FU2
Folinsäure 200 mg/m2 / 2h-Inf. d1+2
5-FU 400 mg/m2 Bolus +
5-FU 600 mg/m2 22h-Inf. d1+2
alle 14 Tage, 12 Zyklen
Einsschlusskriterien
R0-resezierte Patienten mit Kolonkarzinom im Stad. II und III
Behandlungsbeginn innerhalb von 7 Wochen nach der Tumorexstirpation
Keine vorangegangene Chemo-, Immuno- oder Radiotherapie
WHO PS ≤2
Alter 18-75 Jahre
Zielkriterien, primär: Krankheitsfreies Überleben, sekundär: Toxizität, Gesamtüberleben
Toxizität
Eine wesentliche Bedeutung kommt in einer Tumortherapiestudie der Toxizität zu. Die therapieassoziierte Mortalität
war in beiden Gruppen gleich niedrig (0,5%). Haupttoxizitäten waren Diarrhoe, Neutropenie und Erbrechen, wobei
Grad-3-4 Neutropenie mit 41,1% bei der oxaliplatinhaltigen Therapie gegenüber 4,7% im Kontrollarm deutlich
häufiger auftrat, jedoch lediglich in 1,8% vs. 0,2% zu Fieber/Infektionen führte.
Ein relevantes Problem stellt die Neurotoxizität dar. 92,1% der Pat. im Oxaliplatin-Arm erlitten eine periphere
Neuropathie, jedoch nur 12,4% Grad-3 oder höher. Die Symptomatik war meist reversibel. Bei 1,1% zeigte sich ein
Fortbestehen einer Grad-3-Toxizität nach 12 und bei 0,5% nach 18 Monaten.
Häufigkeit und Verlauf der neurosensorischen Symptome in
der Oxaliplatin-haltigen Gruppe
234
Kolonkarzinom
MOSAIC-Studie, 3-Jahres-DFS, Adjuvante Chemotherapie
Nach durchschnittlich 37,9 Monaten Nachbeobachtung ergab sich ein krankheitsfreies Überleben von
78,2% im Oxaliplatinarm gegenüber 72,9% für die LV-5FU-Gruppe (p=0,01). Das bedeutet eine
4-6%ige Verbesserung im krankheitsfreien Überleben. Somit stellt die 5-FU/Folinsäure mit
Oxaliplatin auch in der adjuvanten Situation eine Therapiebereicherung dar. Das krankheitsfreie
Überleben nach 3 Jahren wurde bewusst gewählt, da zum einen die meisten Rezidive in den ersten
3 Jahren auftreten, zum anderen sollte eine zeitnahe Übertragung der Ergebnisse in die praktische
onkologische Arbeit ermöglicht werden.
Der Therapievorteil der Oxaliplatingruppe zeigte sich sowohl für das Gesamtkollektiv als auch in der
Subgruppenanalyse.
André et al, NEJM 350;23
Follow-up
Median [Monate]
3-J-DFS
Ereignisse
Rezidive
Metastasen
Zweit-Kolorekt.-Ca.
Lokalrezidiv
Tod ohne Rezidiv
FL + Oxali.
FL
n=1123
n=1123
37,9
37,8
78,2
237 (21,1%)
208 (18,5%)
169 (15,0%)
6 (0,5 %)
38 (3,4%)
29 (2,6%)
72,9
293 (26,1%)
279 (24,8%)
229 (20,4%)
9 (0,8%)
51 (4,5%)
14 (1,2%)
André et al, N Engl J Med 350;23
MOSAIC-Studie. Signifikant besseres krankheitsfreies Überleben der Oxaliplatin-behandelten Pat.
gegenüber Folinsäure/5-FU allein. Besonders im nodalpositiven Stad. III profitieren die Patienten. Aber
auch für Pat. im Stad. II ließ sich ein Benefit für den Oxaliplatin-Arm nachweisen, wie die Graphik
unten verdeutlicht. Der Unterschied war jedoch nicht signifikant, da die Studie dafür statistisch auch
nicht kalkuliert war.
Aufgrund dieser Daten ist FOLFOX-4 der Standard der adjuvanten Therapie des
Kolonkarzinoms im Stadium III
Auf dem ASCO 2007 wurden ein Update nach 5 Jahren sowie erstmals auch Überlebensdaten
präsentiert. Siehe dazu folgende Seite.
235
Kolonkarzinom
MOSAIC-Studie, 5-Jahres-Update, Adjuvante Chemotherapie
MOSAIC: DFS
FOLFOX4
(n=1123)
LV5-FU2
(n=1123)
Med. Follow-up (Mon.)
73,5
73,4
Ereignisse (%)
27,1
32,1
DFS (%)
73,3
67,4
5 Jahre (Juni 2006)
HR/Delta absolut (%)
0,80/ 5,9%
p-Wert
0,003
Die Ergebnisse am primären Endpunkt der
Studie, dem 3-Jahres-erkrankungsfreien
Überleben (DFS), hatten einen signifikanten
Benefit für die mit FOLFOX-4 behandelten
Patienten gezeigt.
Das Update der Studie, das beim ASCO 2007
vorgestellt wurde (de Gramont A. et al., ASCO 2007
Abstr.# 4007), bestätigte den signifikanten
Unterschied für das DFS auch nach 5 Jahren
zugunsten von FOLFOX gegenüber der
Therapie mit 5-FU/Folinsäure.
Im Stadium II wurde wie erwartet kein signifikanter Unterschied für DFS und OS (Overall survival)
gefunden, da die Studie dafür statistisch nicht ausgerichtet war. Für Patienten im Stadium II mit
Risikofaktoren, nämlich T4-Tumor, Tumor-Perforation, Ileus, G3/4-Histologie, Venöse Infiltration
und weniger als 10 entfernten Lymphknoten, betrug der absolute Benefit jedoch 7,2% für das DFS
zugunsten der FOLFOX-Therapie.
MOSAIC: DFS Stadium II und III
Erstmalig wurde jetzt ein signifikanter Vorteil für FOLFOX im Gesamtüberleben (OS) für Patienten
im UICC-Stadium III nachgewiesen (Risikoreduktion 20%).
3,5% der Patienten haben eine Grad 2 oder 3 sensorische Neurotoxizität im Follow-up.
MOSAIC: OS Stadium II und III
MOSAIC: Langzeittoxizität
Fazit: Der Vorteil der Oxaliplatin-basierten Kombinationstherapie in der adjuvanten Situation für
das Kolonkarzinom im Stadium III ist bestätigt.
236
Adjuvante Therapie
X-ACT-Studie, Adjuvante Chemotherapie
Die X-ACT-Studie ist eine multizentrische, randomisierte Phase-III-Studie, in der das orale Prodrug Capecitabin
(Xeloda®) bei nodal-positiven, R0-resezierten Kolonkarzinomen im Vergleich zum intravenös gegebenen MayoClinic-Schema untersucht wurde. Capecitabin wird in der Leber nach enteraler Resorption in 5-DeoxyFluorozytidin umgewandelt, das in Tumorzellen stärker als in gesunden Zellen angereichert wird.
Im Zeitraum 11/1998 bis 11/2001 wurden insgesamt 1987 Patienten mit R0-reseziertem Dukes-CKolonkarzinom randomisiert auf einen Standardarm mit einer Therapie nach dem Mayo-Clinic-Protokoll über 24
Wochen, im Vergleich zum experimentellen Arm mit Capecitabin 2 x 1250 mg/m2 über 14 Tage. Wiederholung
alle 3 Wochen (Cassidy J et al. Proc. ASCO 2004; 22:3509A)
Studiendesign, Patientenverteilung
Ergebnisse
Im Ergebnis zeigte sich eine mindestens gleichgute Wirksamkeit mit tendenziellen Vorteilen für Capecitabin
(signifikant für das rezidivfreie Überleben). Die Toxizität war mit Ausnahme des Hand-Fuß-Syndroms für
Capecitabin günstiger. Notwendige Dosisreduktionen waren in beiden Armen vergleichbar (42 vs. 44%), ebenso
die Therapieabbrüche (16 vs. 12%)
Kolonkarzinome, Stad. III. Adjuvante Therapie Mayo-Clinic-Schema vs. Capecitabin
Krankheitsfreies Überleben
Wahrscheinlichkeit einer Grad 3/4-Toxizität
[B]
[A]
[A]
[B
]
[B]
[A]
[A]
[B]
Cassidy J et al. Proc. ASCO 2004; 22: 3509
Fazit:
- Verlängertes krankheitsfreies Überleben (RFS)
- Signifikante 14% Risikoreduktion (p=0.0407)
- 4% absolute Verbesserung des RFS nach 3 Jahren
- Trend zu einem höheren Gesamtüberleben
Capecitabin ist in der adjuvanten Therapie des nodal-positiven Kolonkarzinoms wirksamer und weniger toxisch als
das Mayo-Clinic-Schema und kann wie das FOLFOX-4-Schema als eine Behandlungsoption in dieser Indikation
angesehen werden. Xeloda® ist zugelassen für die adjuvante Chemotherapie des KRK.
237
Adjuvante Therapie
X-ACT-Studie, Update 2008, Adjuvante Chemotherapie
Update, 5-Jahres-Daten (ECCO September 2007)
ƒ Gesamtüberleben: bei Nachfolgeuntersuchungen über die durchschnittliche Zeit von sieben Jahren betrug die
5-Jahres-Gesamtüberlebenszeit 71,4% in der Capecitabin- und 68,4% in der 5-FU/FS-Gruppe.
ƒ Krankheitsfreies Überleben: bei Nachfolgeuntersuchungen über die durchschnittliche Zeit von 3,8 Jahren war
das krankheitsfreie Überleben in der Capecitabin-Gruppe mindestens äquivalent zur 5-FU/FS-Gruppe
(p<0,0001).
ƒ Rezidivfreies Überleben: Capecitabin verbesserte das rezidivfreie Überleben (Hazard-Ratio 0,86; 95%
Konfidenzintervall 0,74 bis 0,99; p=0,0407) und wurde mit signifikant weniger Nebenwirkungen in Verbindung
gebracht als 5-FU/FS (p<0,001).
Update 2008 (Twelves ASCO GI 2008, Abstract 274)
Das DFS nach einem medianen Follow-up von fast 7 Jahren betrug für Capecitabin 60,8% versus 56,7% für
Bolus-5-FU. Das Gesamtüberleben (OS) liegt bei 71,4% für Capecitabin versus 68,4%.
Das Update zeigt, dass Capecitabin mindestens äquivalent zu 5-FU ist mit einem Trend zur Überlegenheit. Eine
geplante Multivarianzanalyse zeigte eine Überlegenheit für die Behandlung mit Capecitabine bezüglich des DFS
(HR = 0,849/ p 0,0212) und des OS (HR = 0,828/ p 0,0203) gegenüber 5-FU/FS.
Beziehung zwischen HFS und Effektivität der Therapie (Twelves ASCO GI, Abstract 274)
DFS mit und ohne Hand-Fuß-Syndrom (HFS)
Gesamt
Kein HFS
HFS Grad I-III
n
421
175
246
Capecitabine
DFS nach 5 Jahren
59,06%
55,50%
61,27%
N
452
408
44
5-FU/FS
DFS nach 5 Jahren
54,61%
54,42%
56,15%
Sowohl das Krankheitsfreie Überleben (DFS) als auch das Gesamtüberleben (OS) nach 5 Jahren unterschieden sich im
Capecitabin-Arm in Abhängigkeit davon, ob die Patienten ein Hand-Fuß-Syndrom zeigten.
Das Vorhandensein eines Hand-Fuß-Syndroms ist ein möglicher klinischer Marker für die optimale Dosierung von
Capecitabine und möglicherweise ein Zeichen einer besseren Wirksamkeit.
Gesamtüberleben mit und ohne Hand-Fuß-Syndrom (HFS)
Gesamt
Kein HFS
HFS Grad I-III
n
319
139
180
Capecitabine
OS nach 5 Jahren
70,9%
66,31%
73,78%
238
N
351
317
34
5-FU/FS
OS nach 5 Jahren
67,77%
67,72%
68,12%
Adjuvante Chemotherapie, prospektive Bewertung
Adjuvantonline.org
Adjuvant!Online ist ein Kalkulationsprogramm zur Abschätzung der Prognose und des Benefits durch
eine adjuvante Chemotherapie für Patienten mit einer Krebserkrankung in einem frühen Stadium nach
kompletter chirurgischer Resektion. Dieses Programm existiert für Patienten mit Mammakarzinom,
Kolonkarzinom und neuerdings für Pat. mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom. Die Abschätzung
der Prognose für das Kolonkarziom basiert auf den Daten des amerikanischen Tumorregisters SEER
(surveillance epidemiology and end results) zwischen 1988 und 1997. Die Daten für den Benefit durch
eine adjuvante Therapie werden regelmäßig aktualisiert.
Abschätzung der Prognose, Relaps- und Mortalitätsrisiko (www.adjuvantonline.org)
Wie unten dargestellt, werden die individuellen Patienten- und Tumordaten wie Alter, Geschlecht,
Komorbidität, Infiltrationstiefe des Tumors, Zahl der positiven Lymphknoten, untersuchte
Lymphknoten und das Grading eingegeben. Unter „Calculate“ kann man die statistische „Mortalität“,
aber auch das „Relapse“-Risiko für diesen Patienten berechnen.
Im dargestellten Fall beträgt das 5-Jahres-Risiko, ohne weitere Therapie am Tumor zu sterben, 59%;
das heißt, wie im Diagramm daneben dargestellt, nach 5 Jahren leben von 100 Patienten mit dieser
Konstellation statistisch noch 40,2 Pat. 58,7 Patienten sterben am Krebs und 1,1 Patient stirbt aus
anderen Gründen und nicht am Krebs.
Benefit durch adjuvante Chemotherapie
Unter „Chemo“ wird das adjuvante Chemotherapieregime, das entweder in gar keiner Therapie, einer 5FU-basierten Therapie oder in FOLFOX oder FLOX bestehen kann, eingefügt. Durch eine FOLFOXTherapie werden nach dem Diagramm mit „additional therapy“ zusätzlich 22,8 Patienten geheilt, sodass
nach 5 Jahren 40,2 + 22,8 = 63 Patienten von hundert leben. „Nur“ 35,7 Patienten sterben nach
adjuvanter Chemotherapie mit FOLFOX nach 5 Jahren an Krebs anstelle von 58,7 ohne
Chemotherapie. 1,3 Patienten sterben aus anderen Gründen. Die betroffene Patientin mit einer
Hochrisikokonstellation, die keine Komorbidität aufweist („perfect health“), profitiert also in
besonderem Masse von einer adjuvanten Chemotherapie mit FOLFOX.
Unter „Access Help and Clinical evidence” findet man die Daten, auf denen die statistischen
Berechnungen basieren, sowie nützliche Links zu Standards und Guidelines.
Adjuvant! Online ist eine geeignete Basis für die Diskussion des klinischen Onkologen mit dem Patienten über
Benefit und Risiken einer adjuvanten Chemotherapie. www.adjuvantonline.org
239
Kolorektale Karzinome
Adjuvante Chemotherapie, Stadium II
Für das Kolonkarzinom im Stadium II ist bisher kein Therapiestandard definiert. In mehreren Studien, die einen
Benefit für die 5-FU-basierte adjuvante Chemotherapie zeigten, waren neben Pat. im Stad. III auch Pat. im Stad. II
eingeschlossen. Während die Höhe des Benefits für das Stadium-III aufgrund der adäquaten Patientenzahl geklärt ist,
ist der Vorteil für das Stad. II unklar. Dass sich für das Stadium-II (außer in der QUASAR-Studie, s.u.) kein statistisch
relevanter Vorteil zeigt, hängt auch mit der relativ guten Prognose der Pat. im Stad. II nach alleiniger Chirurgie
zusammen. Daraus ergibt sich die Erforderlichkeit, Tausende von Patienten zu randomisieren, um eine Verbesserung
des Gesamtüberlebens zu zeigen. Offensichtlich profitiert jedoch eine Subgruppe mit Hochrisikoprofil im Stadium II
von einer adjuvanten Therapie.
NSABP C-01, C-02, C-03 und C-04
Eine gepoolte Analyse dieser Studien kam zu dem Schluss, dass Pat. mit Kolonkarzinom im Stad. II einen ähnlichen
Benefit von einer adjuvanten Chemotherapie haben, wie Pat. im Stad. III. Allerdings war die Patientenzahl im Stad. II
in diesen Studien sehr niedrig.
IMPACT-B2-Studie (Benson et al. J Clin Oncol 2004)
In dieser Studie wurden die Ergebnisse von 5 Studien, die 1006 Pat. mit Kolonkarzinom im Stad. II enthielten, gepoolt
und ergaben keinen Vorteil für eine adjuvante Chemotherapie. Diese Studie zeigte keinen Unterschied im 5-JahresÜberleben (80% in der Kontrollgruppe und 82% in der 5-FU/Folinatgruppe) und im ereignisfreien Überleben (73% in
der Kontrollgruppe versus 76% in der 5-FU/Folinatgruppe).
NACCP-Studie
(Taal BG et al., Br J Cancer 2001; 85:1437-43)
In dieser niederländischen Studie wird über einen Benefit durch eine adjuvante Chemotherapie im Stad. II berichtet.
468 Pat. im Stadium II wurden randomisiert zwischen 5-FU/Levamisol für 12 Monate und Beobachtung. Diese Studie
zeigte eine Verbesserung des Overall survivals im Stad. II von 70 auf 78%.
MOSAIC-Studie (de Gramont et al., ASCO 2007, Abstr. 4007)
In dieser Studie erhielten Patienten im Stadium II und III entweder FOLFOX oder 5-FU/Folinsäure (de GramontSchema). Im Stad. II wurde nach 5 Jahren kein signifikanter Unterschied für DFS und OS (Overall survival)
gefunden, da die Studie dafür statistisch nicht ausgerichtet war. Für Patienten im Stad. II mit Risikofaktoren, nämlich
T4-Tumor, Perforation, Ileus, G3/4-Histologie, Venöse Infiltration und weniger als 10 entfernten Lymphknoten,
betrug der absolute Benefit nach 5 Jahren jedoch 7,2% für das DFS zugunsten der FOLFOX-Therapie. Zu beachten
ist, dass die Kontrollgruppe ein aktives Chemotherapieregime erhielt und nicht nur ein Beobachtungsarm war.
QUASAR-Studie (Gray RG et al., ASCO 2004, Abstr. 3501)
3238 Pat. im Stad. Dukes B erhielten nach kurativer Chirurgie entweder
keine Behandlung oder eine 5-FU-basierte adjuvante Chemotherapie. Der
Einschluss erfolgte nach der vom Behandelnden eingeschätzten
Therapienotwendigkeit. Somit dürften die meisten Patienten eine
Hochrisiko-Situation aufweisen. Nach einem medianen Follow-up von
4,2 Jahren war das Sterberisiko im Chemotherapiearm gegenüber der
Kontrollgruppe 0.88 (95%CI 0,75-1.05; p=0.15) und das Rezidivrisiko
0.82 (0.70-0.97; p=0.002). Die 5-Jahres Rezidivrate (22,3 vs. 26,2%)
sowie die das 5-Jahres-Überleben (80,3 vs. 77,4%) favorisierte den
Chemotherapiearm signifikant.
MSI und adjuvante Therapie mit 5-FU (Sargent et al, ASCO 2008, Abstr. 4008)
Sargent wertete in einer Sammelanalyse mehrere Studien retrospektiv im Hinblick auf den Einfluss eines defekten
Mismatch Repair-Systems (MMR, definiert als hochgradige MSI oder Verlust von MLH1 oder MSH 2) auf das DFS
nach einer adjuvanten Therapie im Stadium II aus. Hierbei zeigte sich,
dass das 5-Jahres-DFS bei Pat. mit defektem MMR geringer war, wenn
sie adjuvant 5-FU erhielten (unbehandelt 87% versus behandelt 79%).
Die 5-Jahres-Überlebensdaten von Sargent wurden mit den Daten von
Ribic (NEJM 2003;349:247-57) gepoolt, der auch den Einfluss einer
adjuvanten 5-FU-Chemotherapie bei defektem MMR untersucht hatte.
Hier zeigte sich ein signifikanter Unterschied im 5-Jahres Überleben
bei Patienten mit defektem MMR-System zwischen der unbehandelten
(93%) und der mit 5-FU behandelten Gruppe (75%).
Fazit:Untersuchung des MMR im Stad. II ! Bei defektem MMR kein
5-FU adjuvant ! Ergebnisse nicht auf FOLFOX übertragbar !
OS mit und ohne adjuvante 5-FU Therapie
im Std. II bei defektem MMR
240
Kolorektale Karzinome
Adjuvante Chemotherapie, Std. II, Empfehlungen
S3-Leitlinie Adjuvante Chemotherapie
Empfehlung Stadium II
Bei Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium II kann eine adjuvante Chemotherapie
durchgeführt werden. Der absolute Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie im Stadium II liegt zwischen
2 und5%.
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens
Empfehlung UICC Stadium II mit Risikofaktoren
Im Stadium II sollte in ausgewählten Risikosituationen (T4, Tumorperforation/-einriss, Operation unter
Notfallbedingungen, Anzahl untersuchter Lymphknoten zu gering) eine adjuvante Chemotherapie erwogen
werden.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens
Zusätzliche Parameter (z.B. CEA, Differenzierungsgrad, 18q-Verlust, isolierte Tumorzellen in Lymphknoten
oder im Knochenmark, Mikrosatelliten-Status, DNA-Ploidie und TS/p53-Expression, Lymph- und
Blutgefäßinvasion) sollen momentan nicht zur Indikationsstellung für eine adjuvante Chemotherapie benutzt
werden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens
S3-Leitlinie Empfehlung Chemotherapieprotokoll im Stadium II
Sollte bei Patienten mit Stadium-II-Tumoren eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden, können
Fluoropyrimidine als Monotherapie eingesetzt werden.
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1, starker Konsens
NCCN guidelines 2/2008 zur adjuvanten Chemotherapie im Stadium II (www.nccn.org)
Einige Hochrisikopatienten können von einer adjuvanten Chemotherapie im Stadium II profitieren.
ƒ T4-Tumore
ƒ Schlecht differenzierte Tumore (G3/G4-Histologie)
ƒ Lymphovaskuläre Infiltration
ƒ Obstruktion, Perforation
ƒ Unklare oder positive Resektionsränder
ƒ Inadäquate Zahl entfernter Lymphknoten (< 12)
Der Benefit einer adjuvanten Chemotherapie für das Überleben beträgt nicht mehr als 5 Prozent !
Aktuelle Empfehlungen zur adjuvanten Therapie im Stadium II: Übersicht
ASCO
Benson 2004
(siehe folgende Seite)
Std. II low risk
Std. II high risk
Nicht empfohlen
Bei T4, <12 LK, G3/4, Perforation
Therapie in Erwägung ziehen
Europa
Van Cutsem 2008
Std. II low risk
Std. II high risk
Nicht empfohlen
Bei T4, LK ≤12, G3, Ileus, Perforation, V1, L1, Pn1,
CEA Ç
Therapie in Erwägung ziehen
Std. I
NCCN 2008
(National Cancer Comprehensive Std. II low risk
Network)
Std. II high risk
S3-Leitlinie 2008
Std. II low risk
Std. II high risk
Nicht empfohlen
Capecitabine, 5-FU/LV,FOLFOX in Erwägung ziehen
5-FU/FS, Capacitabine, FOLFOX (T4, <12 LK, G3/4,
Perforation, Ileus, V1, L1) in Erwägung ziehen
Kann erwogen werden
Therapie sollte erwogen werden bei T4, <12 LK,
Tumorperforation, Tumoreinriss, Operation unter
Notfallbedingungen (Capecitabine)
241
Kolorektale Karzinome
Adjuvante Chemotherapie, Stadium II, ASCO Guidelines
ASCO-Guidelines zur adjuvanten Chemotherapie des Kolonkarzinom im Stad. II
(Benson A. et al., J Clin Oncol 2004; 16: 3408-3419)
Eine routinemäßige Anwendung einer adjuvanten Chemotherapie im Stad. II wird nicht empfohlen.
Bei einzelnen Subgruppen kann die Behandlung in Erwägung gezogen werden. Das sind:
Unzureichende Lymphknotensammlung (<13), T4-Tumor, Tumorperforation, niedriger Differenzierungsgrad (G3).
Die letzte klinische Entscheidung sollte auf der Basis einer eingehenden Diskussion mit dem Patienten erfolgen.
Für die Gesprächsführung werden folgende Hilfen gegeben:
Punkte einer Diskussion zwischen dem Patienten und dem Arzt:
● Fragen Sie den Patienten, wie viel prognostische Informationen er während des Gesprächs, ob er eine adjuvante
Chemotherapie erhält oder nicht, zu hören wünscht, und ob er es vorzieht, Einschätzungen eher als Zahlen (z.B.
3%) oder als Begriffe (z.B. „sehr gering“) gesagt zu bekommen.
● Es ist wichtig, die Vorstellungen des Patienten von Risiko und Benefit sowie die individuellen Faktoren und die
Tumorfaktoren zu verstehen, die die Entscheidungsfindung beeinflussen können.
● Die Diskussion muss unbedingt herausarbeiten, ob der potentielle Benefit der Behandlung die potentiellen
Risiken überwiegt.
● Chirurgisch resezierte Pat. mit Kolonkarzinom im Stad. II haben eine gute Prognose durch die Operation alleine
(75-80% 5-Jahres-Überleben). Es gibt Unterschiede im Überleben für Patienten mit Stad. IIA (T3N0) versus IIB
(T4N0).
● Die potentielle relative und absolute Steigerung der Kurationsrate durch die zusätzliche Chemotherapie ist
beschränkt, wie in der Literatur beschrieben. Patienten sollten informiert werden, dass für typische
Stadium-II-Patienten hinreichend große Studien vorliegen, um festzustellen, dass eine 5-FU-basierte Behandlung
das 5-Jahres-Überleben um nicht mehr als 5% verbessert. Eine kleinere Steigerung des 5-Jahres-Überlebens in
einem Bereich von 2-4% kann jedoch von einer Behandlung abgeleitet werden. Bisher durchgeführte klinische
Studien waren nicht groß genug, um dies zu belegen oder zu widerlegen. Der einzelne Patient muss sich überlegen,
ob die Höhe eines potentiellen Überlebensvorteils das Risiko der Toxizität und die Anbindung zwischen 6 bis 8
Monaten an eine Chemotherapie wert ist. Pat. verstehen Risiken und Nutzen besser, wenn sie in absoluten statt in
relativen Zahlen dargestellt werden.
● Potentielle Risiken beinhalten die Durchführung der Chemotherapie über 6-8 Monate und die potentielle
Spättoxizität neuerer chemotherapeutischer und biologischer Medikamente. Die Toxizität sollte im Detail diskutiert
werden und das Risiko eines Therapie-assoziierten Todes beinhalten (<1%).
● Die Definition des Risikos beinhaltet Tumorcharakteristika: T- und N-Stadium, Tumordifferenzierung,
Tumorperforation, Gefäßinvasion, lymphatische Invasion, Invasion der Neuralscheide und die Zahl der
untersuchten Lymphknoten (z.B. 5-Jahres-Überleben: 64% für 1-2 entfernte Lymphknoten, 86% für >25 entfernte
Lymphknoten; <13 entfernte Lymphknoten lassen auf ein unzureichendes Staging schließen). Es sollte betont
werden, dass diese Tumorcharakteristika zwar prognostische Marker sein mögen, dass es aber keine Daten gibt, die
darauf hinweisen, dass es auch prädiktive Marker sind (d.h. Tumorcharakteristika, die ein Ansprechen auf eine
adjuvante Chemotherapie vorhersagen).
● Zusätzliche prognostische und prädiktive Marker können diskutiert werden wie der 18q-Status, MSI, S-Phase, TS
usw.; bisher sind jedoch nur retrospektive Daten vorhanden. Hoch-Risiko-Charakteristika des Tumors, die
entweder durch pathologische Beschreibung oder molekulare Profile definiert sind, können nicht benutzt werden,
um derzeit einen Benefit durch die Chemotherapie vorauszusagen, auch wenn sie eine schlechte Prognose nahe
legen.
● Jede Komorbidität sollte im Detail diskutiert und ins Verhältnis gesetzt werden zum potentiellen Risiko,
das sich daraus ergibt, zum möglichen Nutzen der Therapie.
● Ein Kalkulationsmodell für das Survival, das stratifiziert nach Alter, Tumorgrading, Lymphknotenstatus
und T-Stadium ist verfügbar unter http://www.mayoclinic.com/calcs. Obwohl dieses Instrument nicht die
Diskussionspunkte enthält, die oben erwähnt wurden, kann es dem Patienten und dem Arzt helfen, das
individuelle Patientenrisiko zu analysieren.
Auch die Internetadresse www.adjuvantonline.com erlaubt eine individuelle Risikoberechnung und die
Quantifizierung des Benefits für das rezidivfreie und das Gesamtüberleben durch eine adjuvante Chemotherapie.
242
Kolorektale Karzinome
Adjuvante Chemotherapie, Std. II, Prognosefaktoren, Studien
Ein Grund, warum viele Tumore mit ähnlicher histopathologischer Erscheinung einen sehr unterschiedlichen Verlauf
zeigen, ist die Existenz prognostischer Faktoren, die die individuelle Risikosituation und die Wahrscheinlichkeit des
Benefits von einer adjuvanten Behandlung beschreiben. Diese Risikofaktoren schließen T4-Tumore, Obstruktion,
Perforation, geringe Differenzierung lymphovaskuläre Infiltration, unklare oder R1-Resektionsränder und eine
unzureichende Lymphknotenentfernung ein.
Überleben in Abhängigkeit von der Zahl der entfernten Lymphknoten bei T3 N0
Kolonkarzinom (Swanson RS et al.Ann Surg Oncol 2003;10:65-71)
In einer Analyse von 35.787 Fällen der USA National Cancer Database mit T3 N0 Kolonkarzinomen wurden
Patienten nach der Zahl der histologisch untersuchten Lymphknoten (LK) stratiefiziert. Die 5-Jahres-Überlebensrate
für 1-7 untersuchte LK war 49,8%, für 8-12 LK 56,2% und für mehr als 13 LK 63,4% (p <0.0001).
35787 Patienten mit T3 N0 Kolonkarzinom
Zahl der untersuchten Lymphknoten
5-Jahres-Überlebensrate
1-7 LK
49,8%
8-12 LK
56,2%
> 13 LK
63,4%
ECOG 5202 Studie
Zusätzlich
zu
den
klinischen
und
histopathologischen Faktoren, die einen
Patienten mit einem hohen Risiko im Stadium
II charakterisieren, weisen
neuere Daten
darauf hin, dass molekulare Marker eine
prognostische und prädiktive Rolle spielen.
Derzeit sind die vielversprechendsten und am
meisten
untersuchten
Marker
die
chromosomale Instabilität mit Deletion des
Chromosoms 18q (18q LOH=loss of
heterocygocity)
und
die
Mikrosatelliteninstabilität (MSI). Mit der
Intention, den prognostischen Wert
als
molekulare Marker zu bestimmen, wurde eine
grosse prospektive klinische Studie der Eastern
Cooperative Oncology Group initiiert, die die Patienten im Stadium II auf der Basis ihres 18q- und MSI-Status
randomisiert.
Studien mit zielgerichteten Substanzen beim Kolonkarzinom Stad. II/III
Phase-III-Studien mit Bevacizumab
Studie
N
Kollektiv
3450
Therapie
Stand 8/2008
FOLFOX 4 vs.
Rekrutierung
FOLFOX + Bevacizumab
abgeschlossen
XELOX + Bevacizumab
2710 Stad. II/III
FOLFOX 6 +/- Bevacizumab
Closed*
NSABP C-08
2240 High risk Stad. II/Stad. III
Capecitabine +/-Bevacizumab
1077 Pat. rekrutiert
QUASAR 2
3438 High risk Stad. II
FOLFOX
ongoing
ECOG 5202
Prognostischer Wert molevs.
kularer Marker (MSI/18q)
FOLFOX + Bevacizumab
* Toxizitätsdaten akzeptabel, Effektivitätsdaten stehen noch aus (Allegra C et al., ASCO 2008, Abstract 4006)
AVANT
High risk Stad. II
Stad. III
Phase-III-Studien mit Cetuximab
Studie
PETACC 8
n
Kollektiv
Therapie
Stand 8/2008
2000
Stad. III
FOLFOX 4 +/- Cetuximab
Geschlossen
2300
Stad. III
FOLFOX 6 +/- Cetuximab
ongoing
(siehe folg. Seiten)
NCCTG NO147
243
Kolonkarzinom
PETACC 4, adjuvante Therapie, Stad. II, EORTC 40012
Studientitel
Adjuvante Chemotherapie des Kolonkarzinoms im Stad. II. Randomisierte multizentrische Phase-IIIStudie des R0-resezierten Kolonkarzinoms. Infusional 5-FU CPT 11 + Folinsäure vs. Beobachtung.
Studienkoordinator
Prof. Dr. JF Seitz, Marseilles, Tel. 0033-4-9138-6038.
Einschlusskriterien
Stadium II (pT3, N0; pT4, N0). Kolonkarzinom, R0-Resektion.
Distale Resektionsgrenze oberhalb der peritonealen Umschlagfalte.
Mindestens 12 Lymphknoten im Resektat und histopathologisch untersucht.
Ausschluss von Fernmetastasen.
Alter über 18 Jahre, unter 75 Jahre.
Allgemeinbefinden: 0/1 WHO.
Studiendesign
R
Alleinige Operation
Operation + adjuvante Chemotherapie
Randomisation: Innerhalb 56 Tagen nach der kurativen Resektion.
Chemotherapie: 4 Zyklen (6 Monate)
Irinotecan
80 mg/m2
500 ml NaCl 0,9%/30 min. Tag 1,8,15,22,29,36
Folinsäure
500 mg/m2
500 ml NaCl 0,9%/2h
Tag 1,8,15,22,29,36
5-FU
2.000 mg/m2
24h-Inf.
Tag 1,8,15,22,29,36
Wiederholung: Tag 50 (Tag 1 des nächsten Sechs-Wochen-Zyklus)
Stratifizierung nach prädiktiven und responsiven Faktoren
Institution
pT3 vs. pT4,
initiale Komplikation: Ileus, Perforation vs. keine,
Grading G1, G2, G3, Geschlecht,
Mikrosatelliteninstabilität positiv vs. negativ vs. unbekannt.
Studienziel
Verbesserung des DFS in der Therapiegruppe
Sekundär: Bewertung von prognostischen Faktoren zur Frage der Korrelation von Überleben und
Rezidiv nach adjuvanter Chemotherapie: Zahl der untersuchten Lnn, Grading, T-Stadium, CEASpiegel, DCC-Alteration, bcl-2, Matrix Metalloproteinasen, Mikrosatelliteninstabilität.
Studie seit 31.08.2006 geschlossen!
244
Kolonkarzinom
PETACC 8-Studie, Adjuvante Chemotherapie
Studientitel
Adjuvante Behandlung des komplett resezierten Kolonkarzinoms Stad. III mit FOLFOX-4 plus Cetuximab versus
FOLFOX-4. Randomisierte kontrollierte multinationale multizentrische Phase-III-Studie.
Studienziel
Primäres Studienziel ist das krankheitsfreie Überleben (DFS). Sekundäre Ziele sind krankheitsfreies Überleben nach
3 Jahren, Gesamtüberleben, 5-Jahres-Gesamtüberleben, Verträglichkeit und Sicherheit der Therapie, Evaluation von
prädiktiven biologischen Markern für Rezidiv und/ oder Therapieerfolg. Start der Studie: 11/05.
Studienunterlagen
AIO-Studienzentrale, Herr René Siewczynski
Martin-Luther-Universität Halle, Klinik für Innere Medizin IV, Ernst-Grube-Straße 40, 06120 Halle
Tel.: 0345-557-5752,
Fax: 0345-557-3283,
E-mail: [email protected], Internet: www.aio-portal.de
Studiendesign
FOLFOX-4 + Cetuximab (Arm A)
R
Therapiedauer
12 Zyklen = 24 Wochen
FOLFOX-4 (Arm B)
Einschlusskriterien
Alter ≥ 18 und < 75 Jahre
Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Kolons Stadium III, unabhängig vom EGFR-Status
Kurative R0-Resektion nicht weniger als 28 und nicht länger als 56 Tage vor Randomisation
Keine Metastasen bei Studienaufnahme
Keine vorangegangene Chemotherapie, keine vorangegangene Bestrahlung von Abdomen oder Becken
WHO-Performance Status 0-1
Schriftliche Einverständniserklärung des Patienten
Wirksame Kontrazeption, falls die Möglichkeit einer Schwangerschaft/Zeugung besteht
Ausschlusskriterien
Fernmetastasen
Studie
Chronisch entzündliche Darmerkrankung
Rektumkarzinom innerhalb 15 cm ab Anokutanlinie (endoskopisch) oder oberhalb der
peritonealen Umschlagsfalte (chirurgisch) oder präoperative Strahlentherapie
Schwangere oder stillende Frauen
Neuropathie
Bekannte Hypersensitivität gegenüber einer der Komponenten der Studientherapie
geschlossen 2008
Therapiedurchführung
Die Behandlung erfolgt postoperativ über 12 Zyklen (6 Monate).
FOLFOX-4 + Cetuximab (Arm A)
Substanz
Cetuximab-Erstgabe
Cetuximab
Oxaliplatin
Folinsäure
5-FU
5-FU
Dosis [mg/m2/d]
400
250
85
200
400
600
Applikationsform
2-Std.-Infusion
1-Std.-Infusion
2-Std.-Infusion
2-Std.-Infusion
Bolus
22-Std.-Infusion
Therapietage
1
(1), 8
1
1, 2
1, 2
1, 2
Dosis [mg/m2/d]
85
200
400
600
Applikationsform
2-Std.-Infusion
2-Std.-Infusion
Bolus
22-Std.-Infusion
Therapietage
1
1, 2
1, 2
1, 2
Wiederholung Tag 15
FOLFOX-4 (Arm B)
Substanz
Oxaliplatin
Folinsäure
5-FU
5-FU
Wiederholung Tag 15
245
Rektumkarzinom
ESMO-Empfehlungen 2008; Diagnostik, Therapie I
ESMO Clinical Recommendations for diagnosis, treatment and follow-up (Ann Oncol 2008; 19(Suppl2): ii 31-ii32).
Inzidenz
Die Inzidenz des rektalen Karzinoms in der Bevölkerung der Europäischen Union beläuft sich auf ca. 35% der
kolorektalen Karzinome, also ca. 15-20/100.000 Einwohner/Jahr erkranken. Die Sterblichkeit beträgt 4-10/100.000
Einwohner/Jahr, wobei sie bei Frauen niedriger ist als bei Männern.
Diagnose
Die Diagnosestellung basiert auf der rektal-digitalen Untersuchung einschließlich starrer Rektoskopie mit
histopathologischer Sicherung. Als Rektumkarzinome gelten Tumore, deren aboraler Rand bei der Messung mit dem
starren Rektoskop 15 cm oder weniger von der Anokutanlinie entfernt ist.
Staging und Risikoeinschätzung
• Anamnese und körperliche Untersuchung des Patienten, aktuelle Laborwerte (insbesondere Leber- und
Nierenwerte), CEA-Bestimmung, Röntgen-Thorax (alternativ CT) und CT oder MRT oder Ultraschall der Leber
müssen durchgeführt werden.
• Endosonographie für die frühen Tumore
TNM
Stad. Ausdehnung
(cT1-T2) oder ein rektales MRT des Rektums
Tis N0 M0
0
Carcinoma in situ
für alle anderen sind gefordert, um Patienten für
eine präoperative Therapie zu selektionieren.
T1 N0 M0
I
Submucosa
Notwendig ist die prä- oder postoperative hohe
T2 N0 M0
I
Muscularis propria
Koloskopie.
T3 N0 M0
IIA
Subserosa/perikorektales Gewebe
• Die histopathologische Untersuchung
Perforation ins perirektale Gewebe oder
sollte
die
proximalen,
distalen
und
T4 N0 M0
IIB
Invasion in andere Organe
circumferentiellen Ränder sowie die Lymphknoten einschließen (mindestens 12 sollten
T1-2 N1 M0
IIIA
1-3 regionale Lymphknoten betroffen
untersucht werden).
T3-4 N1 M0
IIIB
1-3 regionale Lymphknoten betroffen
• Die TNM-Klassifikation 2002 liegt stets
T1-4 N2 M0
IIIC
≥4 regionale Lymphknoten betroffen
zugrunde.
T1-4 N1-2, M1 IV
Fernmetastasen
Behandlung
Lokal begrenzte Erkrankung
Gesamtstrategie
Ein wichtiges Ziel ist ein sehr niedriges Rezidivrisiko (vorzugsweise kleiner als 5% bei den Patienten, bei denen eine
kurative Behandlung angestrebt wird) sowie gleichzeitig eine möglichst niedrige Akut- und Spätmorbidität. Dies sollte
bei allen Patienten möglich sein außer in den wenigen (≤10 %) Fällen, die einen fixierten Tumor mit Infiltration in ein
nicht ohne weiteres resezierbares Organ aufweisen.
Ein weiteres Ziel ist die Erhaltung einer guten Sphinkterfunktion bei so vielen Patienten wie möglich.
Notwendigkeit der Qualitätssicherung und Kontrolle
Die Behandlung des Rektumkarzinoms ist anspruchsvoll und erfordert große Fachkenntnis im gesamten
multidisziplinären Team. Eine gute Pathologie und eine komplette Langzeit-Nachbeobachtung, die auch funktionelle
Aspekte berücksichtigt, sind wichtig für die Qualitätskontrolle.
Risikoadaptierte Behandlung
• In den frühesten, prognostisch günstigsten Fällen (T1-2, manche frühe T3, N0) alleinige Chirurgie, entweder als
lokale Maßnahme z.B. in Form einer transanalen endoskopischen Mikrodissektionstechnik in ganz ausgewählten
Fällen (T1, N0 [III,A]) oder als scharfe radikale Dissektion in TME (totale mesorektale Exzision)-Technik [II,A].
• In mehr lokal fortgeschrittenen Fällen (meist T3, einige T4, N+) wird eine präoperative Radiotherapie empfohlen,
gefolgt von einer TME, da dieses Vorgehen die Lokalrezidivrate senkt [I,A]. Eine Behandlung mit 25 Gy, 5
Gy/Fraktion, gefolgt von einer sofortigen Operation ist ein einfaches und wenig toxisches Vorgehen [I,A].
Anspruchsvollere aber nicht effektivere Alternativen [II,A] sind Konzepte mit 46-50 Gy, 1,8-2 Gy/Fraktion ohne oder
mit 5-FU (Bolus, kontinuierliche Infusion oder peroral) [III,A]. Wenn immer möglich sollte die präoperative
Behandlung bevorzugt werden, da sie effektiver und weniger toxisch als die postoperative Behandlung ist [I,A].
• In den lokal fortgeschrittenen, häufig nicht resektablen Fällen (viele T4, einige T3) sollte eine präoperative Radio/Chemotherapie mit 50,4 Gy, 1,8 Gy/Fraktion, mit begleitender 5-FU-basierter Therapie gewählt werden [II,A],
gefolgt von einer radikalen Operation 6-8 Wochen später.
246
Rektumkarzinom
ESMO-Empfehlungen 2008, Therapie II, Nachsorge
Behandlung
Postoperative Therapie
Eine postoperative Radio-/Chemotherapie (z.B. 50 Gy, 1,8-2 Gy/Fraktion) mit begleitender 5-FU-basierter
Chemotherapie wird nicht mehr empfohlen außer bei Patienten mit positiven circumferentiellen Rändern,
Perforation in der Tumorregion oder in anderen Fällen mit hohem Lokalrezidivrisiko, wenn eine präoperative
Therapie nicht erfolgte [I, A].
Ähnlich zu der Situation beim Kolonkarzinom im Stadium III (und Hochrisiko-Stadium II) kann eine adjuvante
Chemotherapie in Betracht gezogen werden, auch wenn die Datenlage für einen ausreichenden Effekt gering ist
[II, A].
Lokalrezidiv
Patienten mit Rezidiv sollten eine präoperative Radio-/Chemotherapie erhalten, falls eine Bestrahlung in der
Primärbehandlung nicht erfolgt ist [II, A]. Bei vorbestrahlten Patienten können Maßnahmen mit Applikation
einer zusätzlichen Strahlendosis entweder als externe oder als intraoperative Bestrahlung versucht werden [IV,
D].
Der Versuch einer radikalen Operation sollte 6-8 Wochen nach Bestrahlung erfolgen [II, A].
Bei vorbestrahlten Patienten, für die eine Salvageoperation nicht in Betracht kommt, sollte eine systemische
Chemotherapie erwogen werden.
Disseminierte Erkrankung
Ob Patienten mit primär disseminierter Erkrankung (synchrone Metastasen) zuerst eine lokoregionäre und dann
eine systemische Behandlung erhalten sollten oder umgekehrt, kann in einigen Fällen offensichtlich sein, ist aber
ansonsten nicht bekannt [IV,D]. Alter, Komorbidität, Patientenpräferenz, Ausdehnung des Primärtumors und der
Metastasierung müssen berücksichtigt werden.
In ausgewählten Fällen kann die Behandlung die Operation von resektablen Leber- und Lungenmetastasen
[III,A] beinhalten. Andere operative Maßnahmen oder Einlegen von Stents [III,A] sowie eine Bestrahlung sollten
als palliative Maßnahmen betrachtet werden [II,A].
Eine palliative Erstlinien-Chemotherapie sollte früh in Erwägung gezogen werden und besteht aus 5FU/Leukovorin in verschiedenen Kombinationen und Schedules mit Oxaliplatin oder Irinotecan mit oder ohne
Bevacizumab [I,A].
Eine Zweitlinien-Therapie sollte für Patienten mit anhaltend gutem Performance-Status in Betracht gezogen
werden [I,A] und eine Drittlinientherapie für ausgewählte Patienten, die sich ebenfalls in gutem
Allgemeinzustand befinden [II,A].
Nachsorge
Die Nachsorgeuntersuchungen dienen der Identifikation derjenigen Patienten, die eine chirurgische
Salvage-Therapie oder eine palliative Behandlung benötigen, sowie der Verhinderung eines zweiten kolorektalen
Karzinoms.
Es gibt keinen Beweis dafür, dass regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen nach erfolgreich durchgeführter
Behandlung zu einem besseren outcome von Patienten mit rektalem Karzinom führen.
Eine vorläufige Empfehlung ist:
Anamnese-Erhebung und Rektosigmoidoskopie (wenn möglich) alle 6 Monate für insgesamt 2 Jahre [V, D]. Eine
komplette Koloskopie sollte innerhalb des ersten Jahres durchgeführt werden, sofern sie nicht im Rahmen der
Primärdiagnostik erfolgt ist (z. B. bei Obstruktion).
Anamnese-Erhebung und Koloskopie mit Entfernung von Kolonpolypen alle 5 Jahre [I, B].
Klinische, laborchemische und radiologische Untersuchungen sind von nicht bewiesenem Benefit und sollten nur
bei Patienten mit suspekten Symptomen eingesetzt werden [A].
Anmerkung
Die Angaben bezüglich Level of Evidenz [I-V] und Grade of Recommendation [A-D] stimmen mit den
Empfehlungen der American Society of Clinical Oncology überein. Andere Angaben beziehen sich auf klinisch
geprüfte Expertenmeinungen und die ESMO.
(Ann Oncol 2008; 19(Suppl2): ii 31-ii32).
247
Rektumkarzinom
Präoperative Diagnostik, S3-Leitlinien 2004/2008
Als Rektumkarzinom gelten Tumore, deren makroskopisch erkennbarer aboraler Rand bei der Messung mit dem
starren Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anokutanlinie entfernt ist. Nach UICC 2003 werden die
Rektumkarzinome entsprechend ihrem Abstand von der Anokutanlinie (starres Rektoskop) in Tumore des oberen
Drittels (12-16 cm), des mittleren Drittels (6-<12 cm) und des unteren Drittels (< 6 cm) eingeteilt.
Prätherapeutische Diagnostik
Die Adaptation der Therapiekonzepte an das Tumorstadium mit der Möglichkeit der Kontinenzerhaltung und der
neoadjuvanten Therapie erfordern eine präzise präoperative Diagnostik.
Durch die Untersuchungen müssen präoperativ folgende Punkte geklärt werden:
ƒ Histologische Sicherung des Karzinoms s.u.
ƒ Abstand des Tumors vom Schließmuskel, Infiltration des Schließmuskels, Ausmaß der Stenosierung
ƒ Tiefeninfiltration des Tumors durch die Darmwand
ƒ Beteiligung der Fascia mesorectalis
ƒ Infiltration von Nachbarorganen
ƒ Regionäre Lymphknotenmetastasen, Fernmetastasen
Präoperative histologische Diagnostik
Bei der bioptischen Diagnose eines Karzinoms sollten Aussagen
ƒ zum Tumortyp
ƒ zum Differenzierungsgrad und
ƒ zum Vorhandensein einer Lymphgefäßinvasion gemacht werden.
Die Diagnose Lymphgefäßinvasion (L1) erfordert den Nachweis von Tumorzellen in Gefäßen, die endothelial
ausgekleidet sind und keine muskulären Elemente in der Wand besitzen. Die Risikobeurteilung low versus high risk
korreliert hochsignifikant mit der Häufigkeit regionärer Lymphknotenmetastasen. Untersuchungen haben gezeigt, dass
kolorektale pT1-Karzinome mit high-risk-Histologie zu 17% Lymphknotenmetastasen besitzen. Bei einer low riskHistologie, d.h. gut bis mäßig differenzierte Tumorzellen ohne Lymphgefäßinvasion, ist das Risiko für
Lymphknotenmetastasen 2%. Bei Bestimmung des histologischen Differenzierungsgrades ist die Unterscheidung
sogenannter „low-grade-Karzinome“ (G1,G2) und high-grade-Karzinome (G3,4) für die Therapieplanung anzugeben.
Obligate prätherapeutische Diagnostik S3-Leitlinie 2004/2008
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
rektal-digitale Austastung
starre Rektoskopie, Biopsie mit histopathologischer Aufarbeitung
Endosonographie und hochauflösende Becken-MRT oder Multislice-Becken-CT
Koloskopie des gesamten Kolons (in 5% synchrone Karzinome). Bei stenosierendem, nicht passierbarem
Tumor muss eine Koloskopie innerhalb von 3 Monaten postoperativ erfolgen
ƒ Abdomen-CT
ƒ Röntgen-Thorax in 2 Ebenen. Bei Verdacht auf Lungenmetastasen Thorax-CT.
ƒ CEA-Bestimmung: der präoperative CEA-Wert ist ein unabhängiger prognostischer Parameter und muss
daher präoperativ bestimmt werden, LDH, AP, absolute Leukozytenzahl.
Hintergrund
Die Eindringtiefe von Tumoren in die Darmwandschichten (insbesondere Differenzierung von T1- versus T2Tumoren), der Befall unmittelbar perirektal liegender Lymphknoten und die Einbeziehung des Sphinkterapparates
können mithilfe der Endosonographie beurteilt werden. Diese Untersuchungstechnik kommt daher insbesondere zur
Planung eingeschränkter Operationstechniken (lokale Excizision bei Low-Risk-T1-Tumoren), moderner
kontinenzerhaltender Operationen bei fehlendem Sphinkterbefall sowie zur Indikationsstellung der neoadjuvanten
Radio- und Radio-/Chemotherapie zum Einsatz (Indikation bei uT3/4 und uN+).
Hochauflösende MRT-Untersuchungen oder Multislice-CT des Beckens sind insbesondere bei Verdacht auf
Infiltration von Nachbarstrukturen indiziert. Die hochauflösende Dünnschicht-MRT (mit Body-Array-Spule) erlaubt
mit hoher Genauigkeit die Darstellung der mesorektalen Faszie und den Abstand des Tumors vom Rand des
Mesorektums. Patienten, bei denen Tumorgewebe bis 1 mm oder weniger vom circumferentiellen Resektionsrand
(CRM) entfernt ist oder letzteren befallen oder durchbrochen hat, haben auch nach optimierter Chirurgie mit totaler
Mesorektumentfernung ein wesentlich höheres Rezidivrisiko. Nach prospektiven Beobachtungsdaten der MERCURY
Study Group ist die hochauflösende Dünnschicht-MRT in der Lage, die Infiltration des Tumors ins perirektale
Fettgewebe sowie einen freien mesorektalen Resektionsrand (definiert als CRM> 1mm) mit hoher Genauigkeit
vorherzusagen. Einzelne Studiengruppen und Zentren schränken die Indikation zu einer präoperativen Radiotherapie
oder Radio-/Chemotherapie auf Patienten mit Tumoren ein, die auf Grundlage der MRT mehr als 5 mm ins perirektale
Fettgewebe oder bis 1mm an den circumferentiellen Resektionsrand heranreichen. Dieses selektive Vorgehen muss in
weiteren Studien geprüft werden. Die MRT-Untersuchung ist für die weitere Therapieentscheidung zielführend, wenn
zwischen einer präoperativen Kurzzeitbestrahlung und einer Radio-/Chemotherapie bei Tumoren mit Ausbreitung bis
nahe des circumferentiellen Resektionsrands gewählt werden soll.
248
Rektumkarzinom
Diagnostik, Untersuchungsverfahren
Digitale rektale Untersuchung
Bei dieser Untersuchung ist die individuelle Erfahrung des Untersuchers von entscheidender Bedeutung. Laut einer
Studie konnten Erfahrene das T-Stadium mit einer Genauigkeit von 67-83% korrekt beurteilen, unerfahrene
Untersucher trafen nur in 44-78% eine richtige Beurteilung (Nicholls R J et al., Br J Surg 1982;69:1345-61).
Starre Rektoskopie
Nur mit dem starren Rektoskop ist die genaue Messung des Abstandes vom Tumor zur Linea dentata möglich.
Gleichzeitig kann bei der Untersuchung eine Gewebeprobe zur histologischen Untersuchung gewonnen werden. Auch
die Bestimmung der Tumorausdehnung intraluminal ist zuverlässig möglich.
Endorektaler Ultraschall (ERUS)
Der ERUS erlaubt eine sehr genaue Einschätzung der Tiefeninfiltration
durch die Rektumwand. Hierin ist die ERUS allen anderen bildgebenden
Verfahren überlegen (siehe Tabelle unten). Eine Metaanalyse von 90
Arbeiten (Bipat et al, Radiology 2004;232:773-83) fand eine Spezifität der
Endosonographie für die Erkennung der Muscularis propria-Infiltration
(T2) zwischen 80-90%, die damit signifikant höher lag als die der MRT
(52-82%). Das Problem der Methode liegt jedoch im Overstaging von
T2-Tumoren, das durch eine peritumorale Entzündungsreaktion bedingt
ist. Die Infiltration des Sphinkterapparates kann mit großer Sicherheit
beurteilt werden. Eingeschränkt wird die Methode durch stenosierende
Tumoren, die eine Passage der Sonde nicht zulassen.
Computertomographie (CT)
In den bisher vorliegenden Studien ist die CT der ERUS und der MRT
bei der Beurteilung der Wandinfiltration deutlich unterlegen. Das liegt
daran, dass mit der CT die einzelnen Schichten des Rektums nicht
Endosonographie des Rektums. Großes, die
Darmwand zwischen 11 und 13 Uhr
dargestellt werden können. Auch die mesorektele Faszie lässt sich nicht
vollständig
infiltrierendes
Karzinom.
darstellen. Bei der Beurteilung der Lymphknoten bleibt die Sensitivität
Foto:
PD
Dr.
U.
Klinge,
RWTH-Aachen
der CT hinter den anderen beiden bildgebenden Verfahren zurück.
Deshalb spielt diese Methode vor allem bei fortgeschrittenen Tumoren
und zur Detektion von Fernmetastasen eine Rolle. Inwiefern moderne Multislice-CT-Scanner mit der Möglichkeir der
multiplanaren Rekonstruktion in der Lage sind, diese Schwächen auszugleichen, ist Gegenstand von Untersuchungen.
MRT
Die Untersuchung wird entweder mit einer Körperspule, die eng am Körper des Patienten liegt (Body-array-Spule)
oder einer endorektalen Spule durchgeführt. Die endorektale Spule erlaubt, wie der ERUS, die Darstellung der
Wandschichtung des Rektums und ist deshalb sehr gut zur Beurteilung der Tiefeninfiltration geeignet. Sie hat sich
jedoch wegen des hohen technischen Aufwandes und der eingeschränkten Verfügbarkeit nicht als Routineverfahren
durchgesetzt. Die Beziehung des Tumors zur mesorektalen Faszie ist mit der hochauflösenden Dünnschicht-MRT mit
90%iger Sicherheit darstellbar (Brown G et al., Br J Surg 2003;90:355-64). Somit ist die MRT insbesondere bei der Planung
der neoadjuvanten Therapie von wesentlicher Bedeutung.
Bei der Beurteilung des Nodalstatus (nach Kriterien der grösse, Form, Kontur und Sigmalverhalten) ist keine der oben
angeführten Stagingmethoden ausreichend verlässlich, was auch durch die hohe Rate von Mikrometastasen in normal
großen Lymphknoten beim Rektumkarzinom bedingt ist.
Vergleichende Metaanalyse der Staging-Untersuchungen beim Rektumkarzinom
(Kwok H et al., Int J Colorectal Dis 2000;15:9-20)
ERUS
MRT
MRT mit endorektaler
Spule
78%
63%
73%
93%
78%
87%
86%
77%
82%
89%
79%
84%
52%
78%
66%
71%
76%
74%
65%
80%
74%
82%
83%
82%
CT
Tiefeninfiltration der Rektumwand
Sensitivität
Spezifität
Genauigkeit
Lymphknotenbeteiligung
Sensitivität
Spezifität
Genauigkeit
249
Rektumkarzinom
Stadieneinteilung
Klinische Stadieneinteilung nach Mason
Bei der digitalen rektalen Untersuchung kann neben der Höhenlokalisation und der intraluminalen
Tumorausdehnung auch die relative Beweglichkeit des Tumors als indirektes Maß für die Infiltrationstiefe erfasst
werden. Die klinische Einteilung des rektalen Palpationsbefundes in vier Stadien erfolgte durch A. Mason 1975.
Sie korreliert mit der Tiefenausdehnung des Tumors (T-Kategorie des TNM-Systems) und sollte präoperativ
erfasst und dokumentiert werden.
Mason I
Tumor gegenüber der Darmwand verschieblich
Mason II
Tumor an Darmwand fixiert, aber mit Darmwand beweglich
Mason III
Tumor- und Darmbeweglichkeit durch partielle Fixierung eingeschränkt
Mason IV
Tumor und Darmwand vollständig fixiert
TNM-Klassifikation (UICC 2002) und 5-Jahres-Überlebensraten
Bezüglich der T- und N-Kriterien siehe auch Kolonkarzinom, TNM-Klassifikation.
UICC Dukes
0
I
A
A
B
C
III C
IV
Tis
D
Lokalisiert (Stadien I und II)
T2
T3
III A
III B
TNM
T1
II A
II B
5-Jahres-Überlebensraten
Rektumkarzinom*
Männer %
Frauen %
N0
T4
T1,T2
N1
T 3/4
N1
Jedes T
N2
Jedes T jedes N
M0
M1
85,6
87,4
57,2
56,4
6,1
7,5
* Ries LAG et al., SEER Cancer Statistics Review 1973-1997, NCI. Bethesda , MD 2000.
5-Jahres-Überlebenskurven von 2128
Patienten mit Rektumkarzinom in den
UICC-Stadien
I-IV,
die
im
Tumorregister München dokumentiert
wurden (Manual des Tumorzentrums
München, Gastrointestinale Tumoren.
Zuckschwerdt Verlag München, 2006)
250
Rektumkarzinom
Diagnostik & Therapie, Algorithmus
Klinische und digitale Untersuchungen
Rektoskopie und Biopsie; Endosonographie, Koloskopie,
Sonographie, CT oder MRT
Keine Fernmetastasen
uT1, G1-2, cN0
uT1, G3/4, uT2, cN0
od. cT1/2 N+?
cT3 Nx
cT4 und/oder
Downsizing angestrebt
Lokale Exzision
Anteriore Rektumresektion
mit TME
Ja
Oberes Rektumdrittel und
cN0 ?
Nein
Bei: >pT1, R1, G3/4, L1, V1
Radikale Nachop.
Falls pN+
adjuvante RTX/CTX oder bei
Tumor im ob. Rektumdrittel
Æ nur adjuvante CTX
analog Kolonkarzinom
Neoadjuvante
Radiochemotherapie
oder
5x5 Gy Kurzzeitbestrahlung
Neoadjuvante
Radiochemotherapie
Anteriore Rektumresektion
oder Rektumexstirpation mit
TME
Adjuvante Chemotherapie
ƒ Bei cT1/2 mit fraglichem LK-Befall ist die primäre Op. neben der neoadjuvanten Therapie eine Behandlungsoption
ƒ Stellenwert der Strahlentherapie (RTX) im oberen Drittel kontrovers: entweder neoadjuvante RTX/CTX oder primäre Op. und
anschließende adjuvante Chemotherapie (CTX) analog Kolonkarzinom
ƒ Nach 5x5 Kurzzeit-RTX existieren keine Studien zur adjuvanten CTX. Empfehlung: adjuvante CTX wie beim Kolonkarzinom
Algorithmus zu Diagnostik und Therapie des Rektumkarzinoms ohne Fernmetastasierung basierend auf den Empfehlungen
der S3-Leitlinie 2008
Empfehlung Stadium IV S3-Leitlinie 2008
Beim synchron metastasierten Rektumkarzinom gibt es keine Standardempfehlung zum therapeutischen Vorgehen.
Die Prognose der Erkrankung wird im Regelfall durch die systemische Metastasierung bestimmt. Daher sollte bei
irresektablen Fernmetastasen primär eine systemische Kombinationstherapie eingesetzt werden, sofern nicht
Symptome durch den Primärtumor zu einem anderen Vorgehen zwingen. Falls eine primäre Radio-/Chemotherapie
durchgeführt wird, sollte vor dem Hintergrund der systemischen Metastasierung eine intensivierte
Kombinationstherapie eingesetzt werden.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 5, starker Konsens
251
Rektumkarzinom
Perioperative Therapie, S3-Leitlinie 2008
Perioperative Therapie – Indikationen
Stadium I
Im Stadium I ist eine perioperative Therapie nicht indiziert.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 5, starker Konsens.
Hintergrund
Rektumkarzinome im UICC-Stadium I (T1/T2 N0) haben bei alleiniger radikaler Operation mit En-BlocLymphknotendissektion und totaler mesorektaler Exzision (TME) für Tumoren im unteren Drittel (bis 6 cm ab
Anokutanlinie) und mittlerem Rektumdrittel (> 6-12 cm) sowie partieller mesorektaler Exzision (PME) für
Tumoren im oberen Rektumdrittel (>12-16 cm) niedrige Lokalrezidiv- und Fernmetastasierungsraten. In den
frühen amerikanischen Serien zum Stellenwert der beoadjuvanten Radio-/Chemotherapie wurde dieses
Tumorstadium daher ebenso ausgeschlossen wie in den modernen Studien zur neoadjuvanten Radio/Chemotherapie.
Die schwedischen und holländischen Studien zur präoperativen Kurzzeit-Vorbestrahlung mit 5x5 Gy versus
alleinige Operation haben das Tumorstadium I gleichwohl eingeschlossen. Die jüngere holländische Studie
zeigte in einer Subgruppenanalyse keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Lokalrezidivrate zwischen
alleiniger TME und zusätzlicher Radiotherapie für Tumoren im UICC-Stadium I. In der älteren schwedischen
Studie konnte ein signifikanter Vorteil der zusätzlichen Bestrahlung für das Stadium I gezeigt werden, allerdings
war hier das Konzept der TME noch nicht umgesetzt worden.
Der Stellenwert einer Radio(chemo)therapie vor oder nach lokaler Exzision eines T1-High-Risk-Karzinoms
(G3/4, L1, V1, Durchmesser grösser als 3 cm, R1-Resektion) ist nicht gesichert. Bei inkompletter Resektion (R1)
oder Risikokonstellation (siehe oben) soll eine radikale Tumorentfernung mit Lymphknotenentfernung innerhalb
von 4 Wochen durchgeführt werden. Für Patienten mit tiefsitzenden T1-High-Risk-Karzinomen oder
T2-N0-Tumoren im UICC-Stadium I, die eine Exstirpation ablehnen, ist die präoperative Radio(chemo)therapie,
gefolgt von lokaler Exzision, eine Option. Dies ist jedoch ein nicht gesichertes Vorgehen.
Stadium II/III
Im UICC-Stadium II und III ist die neoadjuvante Radio- oder Radio-/Chemotherapie indiziert. Eine
Sondersituation besteht bei cT1/2-Karzinomen mit fraglichem Lymphknotenbefall; hier ist auch die primäre
Operation (mit ggf. adjuvanter Radio-/Chemotherapie bei pN+) eine mögliche Behandlungsoption.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens
Hintergrund
Metaanalysen zeigen eine verbesserte Wirksamkeit der präoperativen im Vergleich zur postoperativen
Bestrahlung. Eine frühe randomisierte Studie zur prä- versus postoperativen alleinigen Radiotherapie hatte eine
signifikant reduzierte Lokalrezidivrate impräoperativen Arm gezeigt. Die deutsche Studie zur adjuvanten und
neoadjuvanten Radio-/Chemotherapie (RCT) des Rektumkarzinoms im Stadium II und III (CAO/ARO/AIO-94)
wies ebenfalls eine signifikante Reduzierung der Lokalrezidivrate im neoadjuvanten Arm auf. Die Rate
postoperativer Komplikationen war nach präoperativer RCT im Vergleich zur sofortigen Operation nicht erhöht,
die akute und chronische Toxizität im präoperativen RCT-Arm insgesamt signifikant niedriger. Bei tief sitzenden
Tumoren, die der Chirurg vor Randomisation als exstirpationspflichtig eingeschätzt hatte. Konnte die Rate
sphinktererhaltender Operationsverfahren durch die Vorbehandlung im Vergleich zur sofortigen Operation
verdoppelt werden.
Als Problem der neoadjuvanten Therapie muss das potenzielle „Overstaging“ und die daraus resultierende
„Überbehandlung“ von Patienten gewertet werden, bei denen fälschlicherweise ein wanddurchsetzender (T3)
oder lymphknotenpositiver Tumor (N+) diagnostiziert wurde. Da insbesondere die Sensitivität und Spezifität der
Beurteilung des Lymphknotenbefalls limitiert ist, wird bei T1/2-Tumoren mit bildgebend fraglichen N+ als
Option auch die primäre Operation als sinnvoll erachtet. Als weitere Selektionskriterien für die primäre
Operation werden von einigen Zentren und Studiengruppen – auch im Hinblick auf die mit der Radiotherapie
assoziierten chronischen Nebenwirkungen – T3-Tumoren mit einem Abstand zur mesorektalen Resektionslinie
von mehr als 1 mm (MRT-Diagnostik obligat) genannt. Diese Selektionskriterien müssen in Studien weiter
geprüft werden.
252
Rektumkarzinom
Perioperative Therapie II, S3-Leitlinie 2008
Stadium II/III, Oberes Drittel
Der Stellenwert der Strahlentherapie des Rektumkarzinoms im oberen Drittel wird kontrovers diskutiert. Es kann
eine adjuvante Therapie wie beim Kolonkarzinom oder eine perioperative Radio(chemo)therapie wie beim
Rektumkarzinom durchgeführt werden.
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens
Hintergrund
Folgende Argumente sprechen dafür, das obere Rektumdrittel (>12-16 cm ab Anokutanlinie, gemessen mit einem
starren Rektoskop) wie ein Kolonkarzinom zu behandeln:
Die Daten der amerikanischen Adjuvanzstudien. Die die Radio-/Chemotherapie bei der Behandlung des
Rektumkarzinoms etabliert hatten, bezogen sich ausschließlich auf Rektumtumoren mit einem Abstand des distalen
Tumorpols von der Anokutanlinie bis 12 cm.
In der holländischen TME-Studie konnte bei Tumoren im oberen Rektumdrittel (hier definiert als 10-15 cm ab
Anokutanlinie) keine signifikante Verbesserung der Lokalrezidivrate durch die zusätzliche Radiotherapie
nachgewiesen werden.
Folgende Argumente sprechen dafür, das obere Rektumdrittel wie ein Rektumkarzinom zu behandeln:
Bei der Analyse der holländischen TME-Studie handelt es sich um eine explorative Subgruppenanalyse. Daher wurde
von den Autoren konsequenterweise nicht gefolgert, dass Patienten mit Tumoren im oberen Rektumdrittel keiner
Radiotherapie bedürfen.
In der bislang nur als Astract publizierten britischen MRC-CR07-Studie war der Vorteil der generellen präoperativen
Kurzzeit-Radiotherapie versus selektiver postoperativer Radio-/Chemotherapie nur bei befallenem
circumferenziellem Resektionsrand für alle Rektumdrittel signifikant.
Eine aktuelle Subgruppenanalyse der deutschen CAO/ARO/AIO-Studie-94 zeigte keinen signifikanten Unterschied
der Lokalrezidivraten zwischen Tumoren im mittleren und unteren Rektumdrittel.
Im Gegensatz zu der holländischen TME-Studie werden in Deutschland Tumoren im oberen Rektumdrittel mittels
partieller mesorektaler Exzision (PME) behandelt. Dieses Verfahren ist u.U. mit einer höheren Lokalrezidivrate
verbunden. Die GAST-05-Studie wird unter Federführung von Prof. Becker/Dr. Liersch die Frage prüfen, ob
Tumoren im oberen Rektumdrittel eine TME benötigen.
Kurzzeitradiatio versus Langzeitradiatio
In Situationen, in denen ein Downsizing angestrebt wird (T4-Tumore, nicht ausreichender Sicherheitsabstand im
Dünnschicht-MRT zur mesorektalen Faszie – Abstand 1mm oder weniger – oder erwünschter Sphinktererhalt bei
Tumoren im unteren Drittel) soll der präoperativen Radio-/Chemotherapie der Vorzug vor einer Kurzzeitadiotherapie gegeben werden. Bei cT3-Tumoren oder cN+-Tumoren, bei denen kein Downsizing angestrebt wird,
kann die präoperative Therapie entweder als Radio-/Chemotherapie oder als Kurzzeitbestrahlung erfolgen.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens
Hintergrund
Zur präoperativen Radiotherapie stehen prinzipiell zwei Fraktionierungsschemata zur Verfügung: die
Kurzzeitbestrahlung mit 25 Gy in Einzeldosen von 5 Gy an 5 aufeinanderfolgenden Tagen, unmittelbar gefolgt von
der Operation, und die konventionell fraktionierte Bestrahlung bis zur Gesamtreferenzdosis von 45-50,4 Gy in 25-28
Fraktionen, gefolgt von der Operation nach 4-6 Wochen. Eine randomisierte polnische Studie hatte nach
neoadjuvanter konventionell fraktionierter Radio-/Chemotherapie ein signifikant überlegenes Ergebnis hinsichtlich
Downsizing und Downstaging sowie eine signifikant niedrigere Rate an R1-Resektionen im Vergleich zur
Kurzzeitbestrahlung ergeben. Allerdings waren die Rate an sphinktererhaltenden Operationsverfahren (primärer
Endpunkt) sowie die lokale Kontrolle (sekundärer Endpunkt) in beiden Armen nicht signifikant unterschiedlich. Zur
Maximierung der Tumorschrumpfung vor Operation sollte bei den oben genannten Indikationen der konventionell
fraktionierten Radio-/Chemotherapie der Vorzug vor der Kurzzeitbestrahlung gegeben werden. Bei letzerer tritt durch
die kurze Behandlungszeit und die sich unmittelbar anschließende Operation nämlich keine relevante
Tumorschrumpfung ein.
Chemotherapie bei neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie
Die neoadjuvante Radio-/Chemotherapie soll eine 5-Fluorouracil-Monotherapie mit oder ohne Folinsäure
beinhalten.
Empfehlungsgrad : A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens
253
Rektumkarzinom
Chirurgie, S3-Leitlinie 2004
Radikale chirurgische Therapie des Rektumkarzinoms
Die kurative Therapie des Rektumkarzinoms erfordert in der Regel neben der Resektion des Primärtumors im
Gesunden die partielle oder totale Entfernung des Mesorektums und damit des regionären Lymphabflussgebiets (sog.
radikale Resektion nach internationalem Dokumentationssystem für das kolorektale Karzinom). Nur in streng
selektionierten Fällen ist eine kurative Resektion durch lokale Maßnahmen möglich.
Folgende Operationsverfahren sind bei Einhaltung der Kriterien der onkologischen Chirurgie als gleichwertig
anzusehen, wobei die Indikationsstellung von der Tumorlokalisation, insbesondere der Beziehung zur Linea dentata
und dem Levatorschenkel, der Tiefeninfiltration und der Sphinkterfunktion abhängig ist.
Die (tiefe) anteriore Rektumresektion
Die abdomino-perineale Rektumexstirpation
Die intersphinktäre Rektumresektion (auch als abdomino-peranale Rektumresektion bezeichnet). Diese Operation
setzt besondere Erfahrungen voraus.
Nach Möglichkeit sind kontinenzerhaltende Verfahren unter Abwägung der zu erwartenden späteren Lebensqualität
zu bevorzugen. Bei schlechter Sphinkterfunktion sollte an Stelle einer tiefen Resektion der Rektumexstirpation mit
permanenter Kolostomie der Vorzug gegeben werden
Radikale Tumorentfernung
Algorithmus
Interdisziplinäre S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, Herausgeber: Prof. Th. Junginger, Stand 15.03.2004. (wwwklinik.uni-mainz.de/Allgemchir/Leitlinienmanuskript.pdf).
254
Rektumkarzinom
Operatives Vorgehen, S3-Leitlinie 2004/2008
Onkologische Grundsätze
Die Operation sollte folgende Grundsätze berücksichtigen:
ƒ Die Entfernung des regionären Lymphabflussgebietes mit Absetzung der A. mesenterica inferior zumindest
distal des Abgangs der A. colica sinistra. Die Unterbindung der A. mesenterica inferior abgangsnah hat
keine prognostische Bedeutung, sie kann aus operationstechnischen Gründen zur ausreichenden
Mobilistion des linken Hemikolons zur Rekonstruktion erforderlich werden. Der Wert einer Dissektion der
Lymphknoten am Stamm der A. mesenterica inferior proximal des Abgangs der A. colica sinistra ist nicht
gesichert.
Evidenzlevel 2:, Empfehlungsgrad: C
ƒ Die komplette Entfernung des Mesorektums (TME) bei Karzinomen der unteren zwei Rektumdrittel und die
partielle Mesorektumexzision bei Karzinomen des oberen Drittels durch scharfe Dissektion entlang
anatomischer Strukturen zwischen Fascia pelvis visceralis und parietalis („total anatomic dissection“)
ƒ Die Einhaltung eines angemessenen Sicherheitsabstandes,
ƒ Die En-bloc-Resektion von tumoradhärenten Organen (multiviszerale Resektion) zur Vermeidung einer
örtlichen Tumorzelldissemination
ƒ Die Schonung der autonomen Beckennerven (Plexus hypogastricus, Plexus pudendus)
Vorgehen bei Tumoren des oberen Rektumdrittels
Bei Tumoren des oberen Rektumdrittels erfolgt die partielle Mesorektumexzision 5 cm distal des makroskopischen
Tumorrandes, gemessen in vivo. Das Mesorektum sollte horizontal durchtrennt werden, um eine vollständige
Entfernung sicherzustellen (kein Coning). Die Begründung dieses Vorgehens liegt darin, dass bei T3- und T4Tumoren in seltenen Fällen Satellitenknoten oder Lymphknotenmetastasen in bis zu 4 cm distal des Tumorrandes,
gemessen am histologischen Schnitt nach Fixation des nicht ausgespannten Präparates, vorkommen können.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b
Vorgehen bei Tumoren des mittleren und unteren Rektumdrittels
Bei Tumoren des mittleren und unteren Rektumdrittels erfolgt die totale Mesorektumexzision (TME) bis zum
Beckenboden unter Schonung des Plexus hypogastricus, der Nn hypogastrici und der Plexus hypogastrici inferiores.
Evidenzlevel: 2++, Empfehlungsgrad: A
Bei Low-grade-Tumoren guter oder mäßiger Differenzierung des unteren Rektumdrittels ist ein Sicherheitsabstand
von 2 cm in situ ausreichend. Als minimaler Abstand am frischen, nicht ausgespannten Präparat kann 1 cm gelten,
um eine kontinenzerhaltende Resektion zu ermöglichen. Bei High-grade-Tumoren (G3/4) ist ein größerer
Sicherheitsabstand anzustreben.
Empfehlungsgrad: B Evidenzlevel: 2b
Bei Karzinomen des unteren Drittels kann als Alternative zu der ansonsten erforderlichen Rektumexstirpation die
intersphinktäre Rektumresektion (auch als abdomino-peranale Rektumresektion bezeichnet) durchgeführt werden,
wenn – unter Wahrung der oben genannten Sicherheitsabstände – die puborektale Schlinge nicht infiltriert ist. Diese
Operation setzt besondere Erfahrung voraus.
Nach totaler mesorektaler Resektion mit nachfolgender sphinkternaher Anastomose ist potentiell mit u.U. erheblichen
funktionellen Störungen zu rechnen. Diese sind am stärksten ausgeprägt nach geraden Anastomosen. Sie können
durch verschiedene alternative Rekonstruktionsverfahren partiell verringert werden.
Als Möglichkeiten stehen zur Verfügung:
Der Kolon-J-Pouch, die transverse Koloplastik, die Seit-zu-End-Anastomose.
Am besten belegt sind die Vorteile für den Kolon-Pouch. Im Falle einer Schenkellänge von mehr als 6 cm ist
allerdings mit Evakuationsproblemen zu rechnen. Außerdem ist er bei einem sehr fettreichen Mesokolon nicht immer
technisch durchführbar. Alternativen sind die Seit-zu-End-Anastomosen und die transverse Koloplastik, deren
endgültiger Stellenwert allerdings aufgrund kleiner Fallzahlen bzw. widersprüchlicher Resultate noch nicht endgültig
beurteilt werden kann.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b –3b
Nach totaler mesorektaler Exzision empfiehlt sich die Anlage eines protektiven Stomas. Dadurch lässt sich die Rate
von Insuffizienzen nicht sicher senken, jedoch deutlich die dadurch bedingte postoperative Morbidität. Ileostoma und
Kolostoma sind gleichwertig.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b
255
Rektumkarzinom
Operationsmethoden
Durch eine optimale chirurgische Behandlung ist in Abhängigkeit vom Stadium bei bis zu 80% der Patienten eine
kurative Resektion möglich. Gleichzeitig können 85% dieser Patienten kontinenzerhaltend operiert werden, ohne dass
der Anspruch auf lokale Sanierung kompromittiert wird. Aufgabe des Chirurgen ist es, Radikalität und
Funktionserhaltung zu vereinbaren. Da in systematischen Studien gezeigt wurde, dass die distale intramurale
Tumorausbreitung bei Karzinomen der unteren zwei Drittel des Rektums nur selten 1 cm überschreitet, ist es
vertretbar, von dem lange geltenden 5 cm-Resektionsabstand nach distal abzurücken und den Sicherheitsabstand auf 1
cm am gestreckten Operationspräparat zu verkürzen. Entscheidend ist die Tumorfreiheit des distalen Resektionsrandes
im intraoperativen Schnellschnitt (Rullier et al. 2006). Kann diese erzielt werden, ist insbesondere bei Patienten nach
neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie ein kontinenzerhaltendes Verfahren gerechtfertigt.
S3-Leitlinie 2004/2008
Operation in kurativer Absicht
Die chirurgische Therapie von Rektumkarzinomen sollte, nur durch Chirurgen mit spezieller Ausbildung und
Erfahrung auf diesem Gebiet, insbesondere mit der TME erfolgen. Dies gilt ganz besonders für die Behandlung der
Karzinome des mittleren und unteren Drittels.
Evidenzlevel: 2++, Empfehlungsgrad: B
Eine kurative Therapie erfordert in der Regel die Resektion des tumortragenden Rektums im Gesunden und die
partielle oder totale En-bloc-Entfernung des Mesorektums sowie des regionären Lymphabflussgebietes. Nur in streng
selektionierten Fällen ist eine kurative Behandlung auch durch lokale endoskopische mikro-chirurgische oder
chirurgische Tumorexzision (Vollwandresektion) möglich.
Lokale Operationsverfahren
In selektionierten Fällen ist eine kurative
Behandlung durch lokale endoskopische,
mikrochirurgische
oder
konventionell
chirurgische Tumorexzision möglich.
Eine lokale chirurgische Tumorexzision bei
Rektumkarzinom (Vollwandexzision) ist als
alleinige therapeutische Maßnahme unter
kurativer Zielsetzung angezeigt bei
- pT1 mit einem Durchmesser bis zu 3 cm,
- guter od. mäßiger Differenzierung
(G1,2),
- ohne Lymphgefäßinvasion (Low-riskHistologie),
- sofern die Entfernung komplett erfolgt
ist (R0)
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b,
starker Konsens
Bei T1 high-risk-Karzinomen (G3/4 u./o.
Lymphgefäßinvasion)
und
bei
T2Karzinomen liegt das Auftreten von
Lymphknotenmetastasen bei 10-20%, so
dass die alleinige lokale Exzision nicht
grundsätzlich empfohlen werden kann.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3b,
starker Konsens
Vorgehen nach lokaler Therapie (Endoskop. Polypektomie,
Mucosektomie, chirurgische Tumorexzision)
(Interdisziplinäre S3 Leitlinie Kolorektales Karzinom, Herausgeber: Prof.
Th.
Junginger,
Stand
15.03.2004.
www-klinik.unimainz.de/Allgemchir/Leitlinienmanuskript.pdf)
Laparoskopische Chirurgie
Empfehlung
Die Ergebnisse der laparoskopischen Tumorresektion sind derzeit wegen fehlender onkologischer Langzeitergebnisse
nicht abschließend zu beurteilen, so dass dieses Verfahren nur im Rahmen von qualifizierten Studien mit langfristiger
Verlaufsbeobachtung zur Anwendung kommen sollte.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, mehrheitliche Zustimmung
Auch bezüglich der Vorteile der Lebensqualität nach laparoskopischen Resektionen sind keine überzeugenden
Vorteile erkennbar.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, mehrheitliche Zustimmung
256
Rektumkarzinom
Operation, totale mesorektale Exzision
Rektumkarzinome breiten sich intramural entlang der Submucosa, der Muscularis propria und extramural im Mesorektum
aus. Das intramurale Wachstum nach distal erfolgt in der Regel nur wenige Millimeter jenseits des makroskopisch
erkennbaren Tumorrandes. Dagegen finden sich relativ häufig zirkumferentiell im Mesorektum mikroskopisch
nachweisbare Tumorabsiedlungen vor allem bei pT3/4-Tumoren auch auf eine weitere Distanz sowohl nach dorsal und
lateral als auch distal des Tumors. Dies ist die Begründung für die Notwendigkeit einer kompletten Entfernung des
Mesorektums bei der Operation eines Rektumkarzinoms.
TME
Die totale Mesorektumexzision (TME) ist eine Technik, die auf Heald (Lancet 1993; 341:457-60) zurückgeht. Mit dieser
Technik konnte die Lokalrezidivrate signifikant von ca. 20% auf ca. 5-7% gesenkt werden (Dahlberg et al.,Br J Surg 1999;
86:379-84). Der technische Unterschied zwischen TME und der
konventionellen Chirurgie beruht auf der scharfen Präparation unter
direkter Sicht in einer klar definierten Ebene zwischen viszeraler und
parietaler Schicht der Beckenfaszie. Die dorsale Grenzlamelle
umschließt den retrorektalen Fettkörper mit den Lymphknoten und
dementsprechend die lokoregionäre Hauptmetastasenstraße des
Rektumkarzinoms. Durch die genaue Identifikation der topographischanatomischen Schichten kann eine umfassende Resektion der regionären
Lymphknoten, bzw. der lymphatischen Drainage en-bloc, unter
bestmöglicher Schonung der für die Kontinenz und Sexualfunktion
wichtigen autonomen Innervation erfolgen.
Da das Mesorektum am muskulären Beckenboden endet, ist der
mesorektale Sicherheitsabstand für Karzinome des mittleren und unteren
Drittels gleichbedeutend mit einer totalen mesorektalen Exzision.
Tumore des oberen Rektumdrittels können mit einer partiellen
mesorektalen Exzision ausreichend behandelt werden, sofern der distale
Sagittalschnitt durch das Becken mit Darstellung der
Sicherheitsabstand von 5 cm am Mesorektum eingehalten wird.
Hüllfaszien des Rektums. 1 = Resektionslinien der TME
Das
„Mesorektum“ definiert den Bindegewebsfettkörper, in dem sich
(aus: Simon D, Klin Onkol 2000;1:227)
alle Lymphknoten befinden, die das Rektum drainieren. Die perirektale
(extraluminäre) Tumorausbreitung erfolgt entlang der Lymphspalten des Mesorektums unter Respektierung der rektalen
Hüllfaszien. Das Mesorektum wird durch scharfe Dissektion unter direkter Sicht exakt entlang der Faszia pelvina visceralis
aus dem Becken gelöst. Dabei ist es erforderlich, dass die äußere Umhüllung des Mesorektums unversehrt bleibt. Eine
Beschädigung hat einen direkten negativen Einfluss auf die Prognose mit einer erhöhten Rate an Lokalrezidiven.
Eine erweiterte laterale Lymphadenektomie zeigt in Studien keinen Vorteil bezüglich der onkologischen Ergebnisse, aber
eine deutlich erhöhte Morbidität (Kusunoki et al. Dig Surg 2007;24:115-119).
Der Sentinel-node-Technik wird im Rahmen der operativen Therapie des Rektumkarzinomes aktuell keine Bedeutung
beigemessen (Bembenek J Surg Oncol 2007).
Die TME kann heute durch einen erfahrenen Operateur auch laparoskopisch erfolgen. Generell gilt jedoch weiterhin die
Empfehlung, Rektumkarzinome nur im Rahmen von Studien und in erfahrenen Zentren laparoskopisch zu operieren
(Laurent et al. Br J Surg 2007).
Illustration zur Definition von Resektionspräparaten hinsichtlich der Resektionsqualität
A, B:
C:
Komplettes Meso-Rektum ohne Defekte, kein Coning; Glatte zirkumferentielle Resektionsgrenzen
Inkomplettes Meso-Rektum mit tiefen Defekten
D: Sehr irregulärer Zirkumferenz-Resektionsrand
Bewertung der Resektionsqualität des MesoRektums durch den Pathologen
Intaktes Meso-Rektum mit nur geringen Irregularitäten
auf einer glatten mesorektalen Oberfläche. Kein
Defekt ist tiefer als 5 mm. Es besteht kein Coning zu
dem distalen Resektionsrand des Präparates. Auch dort
findet
sich
eine
glatte
zirkumferentielle
Resektionsgrenze (Abb. 1A und 1B).
Fast komplett
Irregularität der mesorektalen Oberfläche. Mäßiges
Coning des Präparates. An keiner Stelle ist jedoch die
Muscularis propria sichtbar mit Ausnahme der
Insertionsstelle des M. levator.
Inkomplett
Rektumresektat mit Defekten bis zur Muscularis
propria
reichend
und/oder
sehr
irreguläre
Resektionsränder der Zirkumferenz (Abb.1C, 1D).
(Nagtegaal, ID et al. J Clin Oncol 2002;20:1729-1734)
257
Rektumkarzinom
Mesorektumexzision, Pathologie
Ausmaß und Qualität der Mesorektumexzision (MRE) sind ein wesentlicher Bestandteil der pathologischen
Aufarbeitung eines Operationspräparates beim Rektumkarzinom. Nagtegaal et al (Am J Surg Pathol 2002;26:350-7)
zeigten in einer holländischen Studie, dass die Prognose besonders hinsichtlich eines späteren Lokalrezidivs. von der
Qualität des vollständig (total) zu entfernenden Mesorektums abhängig ist. Hierbei waren sowohl der
makroskopische Eindruck des Chirurgen (Rezidivrate 35,6 vs. 21,5%, p=0,01), als auch die histopathologische
Bewertung (≥1mm in sano, p=0,03) signifikant für das rezidivfreie Überleben.
Bei Karzinomen des mittleren und unteren Rektumdrittels wird eine totale Mesorektumexzision (TME) durchgeführt,
bei Tumoren des oberen Drittels eine partielle MRE mit mindestens 3 cm Abstand zum Tumorrand. Eine konusartige
Abtrennung (Coning) des Mesorektums vom distalen Resektionsrand soll vermieden werden.
Nach einer neuen Klassifikation (M.E.R.C.U.R.Y.-Kriterien 2002) wird die Qualität der TME in drei
Kategorien wie folgt definiert:
Qualität
Grad 1
Grad 2
Grad 3
Einteilung / Bewertung
Definition
Intaktes
Mesorektum
mit
nur
geringen
Unregelmäßigkeiten der glatten Mesorektumoberfläche,
kein Defekt größer als 5mm, kein Coning. Bei querer
Lamellierung glatter zirkumferentieller Resektionsrand
Gut
Komplette Mesorektumexzision
Mäßig
Nahezu komplette Mesorektumexzision
Schlecht
inkomplette Mesorektumexzision
Mesorektum mit unregelmäßiger Oberfläche, aber an
keiner Stelle Muscularis propria sichtbar (abgesehen von
der Ansatzstelle der Levatormuskulatur), mäßiges Coning
erlaubt, bei querer Lamellierung mäßiggradige
Unregelmäßigkeiten
des
circumferentiellen
Resektionsrandes
Geringe Mengen von Mesorektum, an der Oberfläche
Defekte bis zur Muscularis propria, bei querer
Lamellierung sehr unregelmäßiger zirkumferentieller
Resektionsrand oder ausgeprägtes Coning
Beurteilung der Qualität der Rektumexstirpation bezüglich des Levator-Analkanalgebietes nach der
MERCURY-Studie 2002 und der CORE Studie (Quirke et al. 2003)
Klinische Bedeutung des Pathologen in der Qualitätskontrolle
In einer Arbeit von Nagtegaal I.D. et al. (JCO 2002; 20: 1729-34) konnte gezeigt werden, dass bei 24% von 180
Rektumkarzinom-Patienten das Mesorektum inkomplentfernt war und dass dies zu einem erhöhten Rezidivrisiko
führte. In der Gruppe der Patienten mit negativen circumferentiellen Rändern gab es eine Überlebensdifferenz nach 2
Jahren zugunsten der Patienten mit komplettem Mesorektum versus derer mit inkomplettem Mesorektum von 90,5%
versus 76,9%. Das bedeutet, dass die Qualität der Mesorektumentfernung eine zusätzliche Bedeutung über die
negativen circumferentiellen Ränder hinaus besitzt.
258
Rektumkarzinom
Postop. Pathohist. Diagnostik, Zirkumferentielle Ränder
Für die prognostische Einschätzung und die weitere Therapieplanung sind Aussagen über das Ausmaß und die
Qualität der TME von erheblicher Bedeutung. Darüber hinaus ist der zirkumferentielle Resektionsrand
(CRM=circumferential resection margin) ein entscheidender Prognosefaktor. Der CRM ist definiert als nicht
peritonealisierte Oberfläche des Rektums (bei optimierter Chirurgie= Fascia mesorectalis). CRM positiv bedeutet,
dass der CRM direkt infiltriert oder der Tumor weniger als 0,1 cm vom CRM entfernt ist.
CRM als Prognosefaktor
Nach einer holländischen Studie (Nagtegaal ID et al.Am J Surg Pathol. 2002;26:350-7) ist der wichtigste Prognosefaktor für
ein Lokalrezidiv (LR) der zirkumferentielle Resektionrand (CRM). Ein tumorfreier Rand ≤2 mm ist mit einer
signifikant höheren LR-Rate assoziiert (16% vs. 5,8% p <0.0001). Darüber hinaus hatten Pat. mit einem CRM von
<1mm signifikant häufiger Fernmetastasen (37,6% vs. 12,7%, p<0.0001). Dementsprechend wiesen diese Pat. ein
kürzeres Gesamtüberleben auf. Der prognostische Wert des CRM war unabhängig von der TNM-Klassifikation.
Dieser Befund konnte in einer Untersuchung von Hermanek et al (Tech Coloproctol 2005;9:193-9) bestätigt werden. Nach
neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie betrug die Lokalrezidivrate bei CRM pos 22% vs. 5% bei CRM neg und das 5Jahres-Überleben 40% für CRM pos vs. 79% für CRM neg.
S3-Leitlinie zur pathohistologischen Beurteilung des Mesorektums
• Ausmaß der Mesorektumexzision
Totale Mesorektumexzision (TME): bis zum Beckenboden
Partielle Mesorektumexzision (PME): wie weit oral des makroskopischen distalen Tumorrandes liegt die
Durchtrennungsebene des Mesorektums? (Angabe möglichst am frischen nicht ausgespannten Resektat, ggf.
am ohne Zug aufgespannten fixierten Resektat)
• Qualität der Mesorektumexzision
Bei TME und PME: Oberfläche des Resektates glatt und intakt?
Konusartige distale Durchtrennung des Mesorektums?
Umschriebene Defekte?
Ausgedehnte Defekte ( Rektummuskulatur nicht sichtbar)
Ausgedehnte Defekte (Rektummuskulatur sichtbar)
• Fakultative Objektivierung der Qualität der TME durch postoperative Farbstoffdarstellung
Klasse 1: Kein Farbaustritt während oder nach Injektion: optimale TME
Klasse 2: Punktförmige(r) Farbstoffaustritt(e), oft makroskopisch nicht eindeutig erkennbare kleine Einrisse
der Grenzlamelle
Klasse 3: Flächenhafte(r) Farbstoffaustritt(e): nicht adäquate TME
• Mikroskopische Untersuchung
Histologischer Tumortyp nach WHO
Tumorinvasionstiefe (pT-Kategorie)
Lymphknotenstatus (pN-Kategorie)
Anzahl untersuchter und befallener Lymphknoten
Ggf. histologische Verifikation von Fernmetastasen (M-Kategorie)
Lymphgefäßinvasion (L-Kategorie)
Veneninvasion (V-Kategorie)
Perineuralinvasion (Pn-Kategorie)
Radikalität (R-Kategorie)
low grade
• Grading
high grade
aboral wenn Abstand zum Tumor < 3cm (aufgespannt)
• Resektionsränder
aboral, alle high-grade Tumore und bei ausgedehnter Lymph-/Veneninvasion
Rektumkarzinom
immer zirkumferentiell mit Angabe des minimalen Sicherheitsabstandes
CRM (circumferential Resection Margin)-Status: CRM-negativ/CRM positiv
• Beurteilung der Qualität der Rektumexstirpation bezüglich Levator-Analkanal-Region
• Nach vorangegangener neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie: histologisches Regressionsgrading
259
Rektumkarzinom
TME und Radiotherapie/Radio-/Chemotherapie
Radiatio vor/nach TME nötig?
Durch die Einführung der totalen mesorektalen Exzision (TME) kann zumindest an spezialisierten Zentren (high
volume centers) die Lokalrezidivrate im Stadium II und III auf <10% gesenkt werden. Mehrere Studien gingen der
Frage nach, welcher Stellenwert einer (neo)adjuvanten Radiatio vor/nach einer TME zukommt.
Holländische Multicenter-Studie (Kapiteijn E. et al. NEJM 2001;345:638-46 und Peters et al. Ann Surg
2007; 246:693-700)
1861 Patienten mit resektablem Rektumkarzinom erhielten entweder eine präoperative Bestrahlung (RT) mit 5 x 5 Gy
oder eine ausschließliche Operation. In beiden Therapiearmen war eine TME obligat. Nach einem kurzen Follow-up
von 2 Jahren war die Lokalrezidivrate im RT plus Chirurgie-Arm 2,4% versus 8,2% im alleinigen Chirurgie-Arm. In
Subgruppenanalysen war dieser Effekt am ausgeprägtesten bei Tumoren im UICC-Stadium III. Bemerkenswert ist
die hohe Lokalrezidivrate von 15% bei 324 Pat. im Std. III, die ausschließlich eine TME bekamen. Nach 5 Jahren
betrug die Lokalrezidivrate im alleinigen TME-Arm 12%, nach Kurzzeitvorbestrahlung 6%. Unterschiede auf die
Überlebenszeit zeigten sich bisher nicht. Die Studie weist aus, dass auch bei optimaler Chirurgie mit einer
Lokalrezidivrate unter 15% die Radiatio zu einer signifikanten Besserung der lokalen Kontrolle beiträgt.
Die Langzeit-Daten dieser Studie wurden Ende 2007 publiziert. Nach einem medianen Follow-up von 6,1 Jahren lag
die Lokalrezidivrate im 5x5 Gy Arm bei 5,6% versus 10,9% im Arm mit alleiniger Chirurgie. Der Unterschied war
signifikant. Das 5-Jahres-Überleben war jedoch mit 63 und 64% in beiden Armen gleich.
NSABP-R-02-Studie (Wolmark
N. et al. J. Natl.Cancer Inst. 2000; 92:388-96)
Diese Studie untersuchte den Stellenwert der postoperativen Radio-/Chemotherapie versus der alleinigen
Chemotherapie beim UICC-Stadium II und III. Bemerkenswert war bei dieser Publikation im Vergleich zu älteren
Studien die geringe Lokalrezidivrate von 13% in dem Therapiearm ohne Bestrahlung.
Die Hinzunahme der Radiotherapie führte aber auch in dieser Studie zu einer Verringerung der Lokalrezidivrate auf
8%. Aufgrund der numerisch nur geringen absoluten Verringerung um 5 % konnte ein Überlebensgewinn durch die
RCT im Vergleich zur alleinigen postoperativen Chemotherapie nicht mehr nachgewiesen werden. Die Autoren
diskutieren, ob eine 5%ige absolute Reduktion der Lokalrezidivrate die Strahlentherapie noch rechtfertige.
MRC-CR-07-Studie (Sebag-Montefiore D et al., ASCO 2006;24,Abstr. # 3511, Quirke P et al., ASCO 2006, Abstr. # 3512)
Neue Daten zur Bedeutung der Radiatio und der Radio-/Chemotherapie bei TME erbrachte die britische Medical
Research Council-Studie. In einem Arm erhielten alle Patienten eine präoperative Radiatio mit 5x5 Gy (RT), im
anderen Arm erfolgte eine postoperative Radio-/Chemotherapie (RCT) nur bei positiven circumferentiellen
Resektionsrändern (CRM +). Bei den Patienten, die nur bei CRM + eine postoperative RCT erhielten, war die
Lokalrezidivrate signifikant höher und das krankheitsfreie Überleben nach 3 Jahren (DFS) signifikant schlechter. Die
ausschließlich risikoadaptierte RCT war also der generellen präoperativen RT unterlegen.
3-Jahres-Überleben
Präop. RT + TME
TME + RCT für CRM+
Hazard Ratio
n= 674
N = 676
Lokalrezidive
4,7%
11,1%
2,5
DFS
79,5 %
74,9%
1,3
OS
80,8%
78,7%
1,25
CRM+= lateraler Resektionsrand zwar tumorfrei (R0), aber die Tumorzellen reichen bis auf 1 mm an ihn heran
In dieser Studie wurde auch die Qualität der TME prospektiv evaluiert. Die Tabelle unten zeigt die Lokalrezidivrate
in Abhängigkeit von der TME-Qualität.
TME, Qualität
Poor: Defekte bis Muscularis propria
Moderate: intramesorektale Exzision
Good: mesorektale Exzision
Anzahl (%)
141 (13 %)
382 (34 %)
596 (53 %)
Lokalrezidive nach 3 Jahren
Präop RT + TME TME+RCT für CRM+
9%
29 %
6%
12 %
1%
6%
Hazard
Ratio
2,76
2,02
4,47
Eine perfekte TME wurde in dieser multizentrischen Studie in nur 53% der Fälle erreicht. Die Qualität der Chirurgie
korreliert mit dem Lokalrezidivrisiko. Die präoperative RT kann die Lokalrezidivrate in allen TME-Qualitätsstufen
mindestens halbieren. Die beste relative Verbesserung der lokalen Kontrolle durch die zusätzliche RT gelingt gerade
bei optimaler Chirurgie (Hazard Ratio 4,47).
Fazit: Vorteil der generellen präoperativen Kurzzeit-Radiotherapie versus selektiver postoperativer Radio/Chemotherapie signifikant. Auch eine perfekte TME macht die Radiotherapie nicht überflüssig. Die beiden
Methoden ergänzen sich gerade bei optimierter Durchführung.
Die Rolle der Strahlentherapie auch vor/nach TME ist hinreichend bestätigt.
260
Rektumkarzinom
Neoadjuvante vs. postop. Therapie – CAO/ARO/AIO-94-Studie
Präoperative versus postoperative Strahlen-/Chemotherapie
Die Frage, ob die neoadjuvante der postoperativen adjuvanten Radio-/Chemotherapie überlegen ist, wurde in
einer großen deutschen Multicenterstudie, der AIO/CAO/ARO-94-Studie, geklärt. Mit dem präoperativen
Vorgehen wurde das lokoregionäre Rezidivrisiko von 13 auf 6% reduziert und es konnten in der neoadjuvanten
Gruppe signifikant mehr Patienten Sphinkter erhaltend operiert werden. Die akute sowie die Langzeittoxizität
im Bestrahlungsbereich waren unter der präoperativen Bestrahlung geringer. Das Gesamtüberleben unterschied
sich nicht in den beiden Armen. Ausführliche Ergebnisse siehe folgende Seiten.
Vorteile einer präoperativen Therapie
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
Tumorverkleinerung mit potentiell verbesserter Resektabilität (R0-Resektion)
Möglichkeit der Sphinktererhaltung bei tiefsitzendem Karzinom
Verringerung der Gefahr einer intraoperativen Tumorzellverschleppung
Erhöhte Radiosensitivität infolge besserer Tumoroxygenierung bei noch intakter Vaskularisierung
Gefährdete Strukturen (z.B. Dünndarm) können besser aus dem Strahlenfeld gehalten werden
Keine Bestrahlung der Anastomose
Mögliche Nachteile einer präoperativen Therapie
ƒ Kein pathohistologisches Tumorstadium, Gefahr einer Übertherapie.
ƒ Operation wird verzögert.
Die präoperative Strahlen-/Chemotherapie gilt neben der präoperativen Kurzzeitstrahlentherapie
(5 x 5 Gy) als Therapie der Wahl auch für potentiell R0-resektable Tumoren.
Für potentiell nicht R0-resektable Tumoren und Tumoren, bei denen ein Downsizing angestrebt wird, ist
die Strahlen-/Chemotherapie die einzige Standardbehandlung, da die Kurzzeitbestrahlung nicht in der
Lage ist, ein adäquates Downsizing zu erreichen.
CAO/ARO/AIO-94-Studie
Studientitel
Adjuvante vs. neoadjuvante Radio-/Chemotherapie des fortgeschrittenen Rektumkarzinoms im UICC-Stadium
II und III. Eine Phase-III-Studie der CAO/ARO/AIO.
Studiendesign
Geprüft wurde eine
neoadjuvante Radio/Chemotherapie gefolgt
OP
von
einer
postoperativen
Chemotherapie gegen eine
gleichintensive postoperative Radiochemound
Chemotherapie.
Hierzu
wurden
Patienten mit endosonographisch/CTOP
morphologisch nodalpositiven T3- /T4Tumoren
eingeWochen
0
12
24
schlossen. Sie erhielten
randomisiert entweder
eine neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit Infusional 5-FU in Woche 1 und 5 der Radiatio, gefolgt von Bolus
5-FU postoperativ (Arm II), oder ein in Medikamenten, Applikationsformen und Dosierungen identisches rein
adjuvantes Regime. Die Operation erfolgte 6 Wochen nach Abschluss der neoadjuvanten Behandlung, die
Adjuvanzbehandlung begann 4 Wochen postoperativ.
261
Rektumkarzinom
CAO/ARO/AIO-94-Studie, Ergebnisse
Studienergebnisse
(Sauer et al., N Engl J Med 2004; 351:1731-9)
Rekrutiert wurden von Februar 1995 bis September 2002 Patienten mit resektablem Rektumkarzinom mit einem
Tumor innerhalb 16cm ab Anokutanlinie. Bei insgesamt 402 auf die zwei Arme randomisierten Pat. mit
ausbalancierten Tumormerkmalen ließ sich kein signifikanter Unterschied in Bezug auf Gesamtüberleben oder
krankheitsfreies Überleben nachweisen, siehe nachstehende Graphiken.
In Bezug auf die Häufigkeit eines Lokalrezidivs. zeigte sich ein signifikanter Vorteil für die neoadjuvante
Therapie, von 6% vs. 13% ebenso für die therapieassoziierte Langzeittoxizität (14 vs. 24%, p=0.01).
Zudem ergab sich eine höhere Rate an sphinktererhaltenden Operationen nach neoadjuvanter
Radio-/Chemotherapie bei tiefsitzenden Rektumkarzinomen (39% vs. 19%, p=0,004).
Gesamtüberleben (A) und krankheitsfreies Überleben (B).
Vergleich präop. vs postop. Chemo-/Radiotherapie. n = 799
Lokalrezidive (A) und Fernmetastasen (B). Vergleich präoperative
vs postoperative Chemo-/Radiotherapie. n = 799
Prognosefaktor Tumorregression nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie
Es konnte bei der CAO/ARO/AIO-94
Rektumkarzinomstudie im Stadium II/III
gezeigt werden, dass das Ansprechen auf die
neoadjuvante Radio-/Chemotherapie einen
prognostischen
Faktor
für
das
krankheitsfreie Überleben darstellt (Rödel C.
et al. J Clin Oncol 2005; 23:8688). Das
krankheitsfreie Überleben nach 5 Jahren
nach kombinierter Radio-/Chemotherapie
und kurativer Resektion betrug 86% für den
Tumorregressionsgrad (TRG) 4, 75% für
TRG 2 + 3, und 63% für TRG 0+1.
262
Rektumkarzinom
Neoadjuvante Therapie, Therapiestudien
Präoperative Radiotherapie vs. kombinierte Radio-/Chemotherapie,
EORTC 22921
Bis vor kurzem galt die alleinige Strahlentherapie mit 45-55 Gy in vielen europäischen Ländern als
Standardtherapie.
Die EORTC 22921-Studie (Studiendesign
links) (Bosset JF et al.,NEJM 2006;355:1114)
und die FFCD 9203-Studie (Gerard J et al.,
ASCO 2005, Abstr. 3504) untersuchten beide
die alleinige präoperative konventionell
fraktionierte Strahlentherapie versus eine
kombinierte Radio-/Chemotherapie mit 5FU/Folinsäure, wobei die EORTC-Studie
noch in 2 zusätzlichen Armen eine
adjuvante
Chemotherapie
mit
5FU/Folinsäure
testete.
Nicht
nur
die
Rate
an
CTX:5-FU 350, Folinsäure 20
mg/m2/d d1-5
Komplettremissionen war höher, auch die
in der 1. u. 5. Woche RTX
Lokalrezidivrate war signifikant geringer,
wenn 5-FU als systemische Therapie zur
präoperativen Strahlentherapie hinzugegeben wird. Sogar die Patienten, die die Chemotherapie nur postoperativ
erhielten, hatten ein vermindertes Lokalrezidivrisiko.
FFCD 9203
EORTC 22921
RTX
CTX-RTX
RTX
CTX-RTX
Patienten
363
370
252
253
pCR
3%
10%
5%
14%
16,5%
8%
17,1%
8,7%
Lokalrezidiv
p-Wert
Einfluss auf Überleben
< 0,05
0,0016
Nein
5-J-OS 63,2%
RTX +
adjuv. Chemoth.
CTX-RTX+
adjuv. Chemoth.
253
253
9,6%
7,6%
5-J-OS 67,2% (kein sign. Unterschied)
Ein signifikanter Überlebensvorteil ergab sich
nicht (67,2 vs. 63,2%). Allerdings erhielten
weniger als 50% der Patienten eine postoperative
Chemotherapie nach Protokoll. Die DFS- und
Überlebens-Kurven der Patienten, die eine
adjuvante Chemotherapie erhielten, und derer, die
keine erhielten, gehen allerdings nach 2 (DFS)
und 4 (OS)Jahren auseinander. Ein längeres
Follow-up bleibt abzuwarten.
Eine Subgruppenanalyse dieser Studie zeigte, dass
Patienten, die ein T-Downsizing zeigten, von der
Fortsetzung der 5-FU-Therapie profitierten,
während Patienten mit ypT3 oder ypT4, von der
Fortsetzung der Chemotherapie keinen Benefit
hatten (Colette et al., J Clin Oncol 2007;25:43794386). Eine weitere Analyse der Daten zeigte
aber, dass sich der Benefit auf Patienten bezog,
die neoadjuvant nicht chemotherapiert worden
waren, und dass Patienten nach neoadjuvanter
Radio-/Chemotherapie bei Vorliegen eines pN0Status von der Fortsetzung der Chemotherapie
nicht profitierten (Colette et al. J Clin Oncol
2008;26:508).
263
Rektumkarzinom
Neoadjuvante Therapie – Kurzzeitbestrahlung, Therapiestudien
Die Effektivität der präoperativen Kurzzeit-Bestrahlung hinsichtlich der Verhinderung von Lokalrezidiven ist in
mehreren Studien belegt. Eine große schwedische Studie konnte sogar einen signifikanten Überlebensgewinn
nachweisen. Auch unter Anwendung der TME konnte durch eine präoperative Kurzzeitstrahlentherapie das
lokoregionäre Rezidivrisiko signifikant gesenkt werden. Vorteile der Kurzzeitbestrahlung sind die rasche
Durchführung der Behandlung von Montag bis Freitag, gefolgt von der Resektion eine Woche später. Der kurze
Abstand zwischen Operation und Bestrahlung führt jedoch zu keiner signifikanten Tumorverkleinerung in
fortgeschrittenen Stadien, sodass eine Erhöhung der R0-Resektionsrate oder eine kontinenzerhaltende Chirurgie
für diese Subgruppe von Patienten nicht möglich ist.
Swedish Rectal Cancer Trial
(N Engl J Med 1997; 336:980-7).
In dieser Studie wurden 1168 Patienten entweder präoperativ mit 25 Gy in 5 Fraktionen bestrahlt oder
ausschließlich einem operativen Eingriff unterzogen. Nach 75 Monaten betrug die Lokalrezidivrate 12 versus
27%. Die 5-Jahres-Überlebensrate war mit präoperativer Strahlentherapie signifikant besser (58% versus 48%).
Das Intervall zwischen Operation und Bestrahlungsende betrug eine Woche. Somit konnte für die neoadjuvante
Bestrahlung erstmals nicht nur eine Reduktion der Lokalrezidive, sondern auch ein signifikanter
Überlebensgewinn nachgewiesen werden.
Ein Update der Studie ergab nach einem medianen Follow-up von 13 Jahren ein Overall Survival in der
bestrahlten Gruppe von 38% versus 30% in der nicht bestrahlten Gruppe. Das tumorspezifische Überleben in
der bestrahlten Gruppe war 72% versus 62% in der nicht bestrahlten, die Lokalrezidivrate betrug 9% versus
26% (Folkesson J et al., J Clin Oncol 2005; 23:5644-50).
Holländische Multicenter-Studie
(Peters et al. Ann Surg 2007; 246:693-700)
1861 Patienten mit resektablem Rektumkarzinom erhielten entweder eine präoperative Bestrahlung (RT) mit 5 x
5 Gy oder eine ausschließliche Operation. In beiden Therapiearmen war eine TME obligat. Nach einem
medianen Follow-up von 6,1 Jahren lag die Lokalrezidivrate im 5x5 Gy Arm bei 5,6% versus 10,9% im Arm
mit alleiniger Chirurgie. Der Unterschied war signifikant. Das 5-Jahre-Überleben war jedoch mit 63 und 64%
in beiden Armen gleich. (siehe auch vorherige Seiten)
Polnische Studie – Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie versus Kurzzeit-Radiatio
(Bujko K. et al. Radiother Oncol 2004;72:15-24 und Br J Surg 2006;93:1215-23)
Insgesamt 312 Patienten mit T3/T4-Tumoren (tastbare Tumore im unteren Rektumdrittel) erhielten entweder
präoperativ eine Kurzzeit-Radiatio mit 5x5 Gy und anschließend eine TME innerhalb von 7 Tagen oder eine
kombinierte Radio-/Chemotherapie (50,4 Gy und Bolus 5-FU/Folinsäure), gefolgt von einer TME nach 4-6
Wochen. Die primäre Frage war, ob durch die kombinierte, konventionelle Radio-/Chemotherapie eine erhöhte
Sphinktererhaltungsrate im Vergleich zur Kurzzeitradiatio möglich ist.
Unter der Radio-/Chemotherapie kam es zu einem höheren Downsizing und Downstaging sowie zu einer
niedrigeren R1-Resektionsrate. Die Rate an Sphinktererhalt war jedoch in beiden Armen gleich und die
Überlebensraten waren identisch.
Diese Studie ist die einzige publizierte Studie zu dieser Fragestellung. Sie bezieht sich nur auf Tumoren im
unteren Rektumdrittel und weist etliche Schwächen in Bezug auf das Staging und die Applikation der
Chemotherapie auf.
Die Frage neoadjuvante Radio-/Chemotherapie versus 5 x 5 Gy Kurzzeitbestrahlung soll in der sogenannten
Berliner Studie beantwortet werden (siehe hinten „Berliner Studie“).
S3-Leitlinie 2008: In Situationen, in denen ein Downsizing angestrebt wird (T4-Tumore, nicht
ausreichender Sicherheitsabstand im Dünnschicht-MRT zur mesorektalen Faszie – Abstand 1mm oder
weniger – oder erwünschter Sphinktererhalt bei Tumoren im unteren Drittel), soll der präoperativen
Radio-/Chemotherapie der Vorzug vor einer Kurzzeit-Radiotherapie gegeben werden.
Somit stellt die konventionell fraktionierte präoperative Strahlen-/Chemotherapie für lokal
fortgeschrittene Tumoren die Standardtherapie dar.
264
Rektumkarzinom
Neoadjuvante Therapie – Chemotherapie, Therapiestudien
Chemotherapie im Rahmen der (neo)adjuvanten Radio-/Chemotherapie
Aufgrund der EORTC-Studie 22921 und der FFCD 9203-Studie ist die Kombination einer präoperativen
Chemotherapie mit 5-FU mit der Bestrahlung als Standard etabliert, da sie übereinstimmend zu einer Reduktion der
Lokalrezidivrate führte. In Phase-II-Studien ist eine Intensivierung der Chemotherapie im Rahmen der neoadjuvanten
Radio-/Chemotherapie untersucht worden.
Durch die Intensivierung kann die Wirkung der Strahlentherapie weiter erhöht und dadurch auch die Rate an
pathohistologischen Remissionen gesteigert werden. Patienten mit guter pathohistologischer Remission haben nicht
nur geringere Lokalrezidivraten, sondern wahrscheinlich auch ein längeres Langzeitüberleben, sodass man sich von
einer Chemotherapieintensivierung eine Prognoseverbesserung erhofft. Dies ist derzeit Gegenstand von Phase-IIIStudien (PETACC-6 und CAO/AIO/ARO-05).
Kontinuierliche 5-FU-Gabe vs. Bolus 5-FU
Die kontinuierliche 5-FU-Gabe während der allerdings postoperativen Strahlentherapie war einer 5-FU-Bolusgabe
überlegen im Hinblick auf krankheitsfreies und Gesamtüberleben in der adjuvanten Situation (O´Connell MJ et al. N
Engl J Med 1994; 331:502-71). Diese Daten wurden in der INT-0144, in der 5-FU mit Folinsäure/Levamisol
kombiniert wurde, nicht bestätigt. Die 5-FU-Bolus-Applikation war der 5-FU-Dauerinfusion nicht unterlegen
(Smalley et al. J Clin Oncol 2006;24:3542-47).
Capecitabin vs. Bolus 5-FU
Capecitabin ahmt die Pharmakokinetik von kontinuierlichem 5-FU nach, ohne die Nachteile eines zentralvenösen
Zugangs und der erschwerten Applikation. In mehreren Phase-II-Studien wurde Capecitabin in der präoperativen
Radio-/Chemotherapie evaluiert. Die Toxizität bestand vorwiegend in Diarrhoe und Hand-Fuß-Syndrom. Die
pathologisch kompletten Remissionen betrugen 4-25%.
Eine retrospektive Analyse, die in der neoadjuvanten Situation eine kontinuierliche 5-FU-Gabe mit einer oralen
Capecitabin-Therapie verglich, wurde kürzlich veröffentlicht (Saif M.W. et al Int J Colo Dis 2008;23:139-145). Bei
insgesamt 345 Patienten im Capecitabin-Arm versus 197 Patienten im 5-FU-Arm war die komplette Remissionsrate
für Capecitabin mit 25 versus 13% signifikant höher bei vertretbarer Toxizität. Die Autoren schlussfolgern, dass eine
Kombination von Capecitabin mit der Radiatio berechtigt ist.
Prognostischer Wert einer pCR nach RCT (Capirci C et al. Int J Radiot Oncol Biol Phys 2008;72:99-107)
Aktuell wurden Langzeitergebnisse von 566 Patienten publiziert, die bei lokal fortgeschrittenem
Rektumkarzinom nach Radio-/Chemotherapie (RCT) eine pathologisch komplette Remission erreicht hatten.
Bei einem medianen Follow-up von 47 Monaten zeigten diese Patienten ein 5-Jahres-DFS von 85% und ein
5-Jahres Gesamtüberleben von 90%. Lokalrezidive wurden nur bei 1,6%, Metastasen nur bei 8,9%
nachgewiesen.
Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit 2er Chemotherapie-Kombinationen
Eine große Zahl von Phase-II-Studien mit Capecitabin + Oxaliplatin oder Capecitabin + Irinotecan zeigte
pathologische Komplettremissionen in einer Größenordnung von 20%, aber auch eine erhöhte Akuttoxizität.
Phase-II-Studie der AIO/CAO/ARO-04 (Rödel
C. et al., J Clin Oncol 2007; 25:110-117)
Multizentrische Studie für fortgeschrittene Rektumkarzinome (T3/T4 oder N+), die eine präoperative Radio/Chemotherapie mit Capecitabine und Oxaliplatin (Capecitabin 1650 mg/m2 d1-14 und d22-35, Oxaliplatin 50
mg/m2 d1,8,22 und 29) plus 4 adjuvante Chemotherapiezyklen mit XELOX (Capecitabin 1000 mg/m2, 2x tgl. d1-14,
Oxaliplatin 130 mg/m2 d1, WH d 22) evaluierte. Nach XELOX-RT wurden 103 von 104 Patienten operiert. Eine
komplette pathologische Remission (pCR) erreichten 17 Patienten (16%), ein Patient zeigte eine ypT0N1-Remission,
53 Patienten zeigten eine mehr als 50%ige Tumorregression. Bei 95% konnte eine R0-Resektion und bei 77% ein
Sphinktererhalt erreicht werden. Die präoperative Therapie konnte bei 96% der Patienten ohne Dosisreduktion
appliziert werden. Die Grad-3/4-Diarrhoe betrug 12% präoperativ. 60% der Patienten erhielten alle 4 XELOXZyklen. Haupt-Toxizitäten bestanden in einer Grad-3/4-Neuropathie mit 18% und Grad-3/4-Durchfall mit 12%.
Aufgrund dieser Daten wurde die neue Phase-III-Studie AIO/CAO/ARO-04 initiiert.
EXPERT-Studie (Chau I et al., J Clin Oncol 2006; 24: 668-74)
XELOX → RT/Xeloda
Komplette Remission
Partielle Remission
No Change
Progression
Nach CT (n = 68)
3 (4%)
57(84%
8(12%)
-
Nach RCT(n = 70)
14 (20%)
54 (77%)
2(3%)
-
265
In dieser Phase-II-Studie wurde eine
neoadjuvante Chemotherapie (CT) mit 4
Zyklen XELOX noch vor der präoperativen
Radio-/Chemotherapie (RCT) mit Xeloda
platziert. Dieses Vorgehen wurde mit einer
mangelhaften Chemotherapie Compliance im
postoperativen Ansatz begründet.
Rektumkarzinom
Neoadjuvante Therapie – Adjuvante Chemotherapie
Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit 3er Chemotherapie-Kombination
Die Lyon R-02-01-Studie zu einer 3er Chemotherapie-Kombination, nämlich CAPIRINOX (Capecitabin, Oxaliplatin,
Irinotecan) zur Bestrahlung hinzu musste wegen erhöhter Toxizität abgebrochen werden. Die Kombination von
Capecitabin und Irinotecan war mit einer tolerablen Toxizität durchführbar. Die Hinzunahme von Oxaliplatin erhöhte
die Grad-3/4-Toxizität auf zwei Drittel (Heudel et al. Clin Coll Radiol 2008).
Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit Biologicals und Chemotherapie
Die meisten Daten zur Kombination von Biologicals mit einer Chemotherapie liegen für Cetuximab-Kombinationen
vor. Die bisher publizierten Komplettremissionsraten lagen nur in einer Größenordnung von 10% und damit eher
niedriger als bei dem identischen Regime ohne Cetuximab. Dies wirft viele Fragen auf, die in weiteren Studien
geklärt werden müssen.
In der Studie von Willet (ASCO 2007, Abstr. 4041) mit Bevacizumab und 5-FU kam es zu einer Reduktion der
Tumorgröße präop. von 4,7 cm auf 2,4 cm postoperativ. Die 22 Patienten wurden mit MRT gestaget. Die Operation
wurde 7-9 Wochen nach RCT durchgeführt. Bei 6 Patienten kam es postoperativ zu adverse events mit
Lungenembolie, Blutung und Perforation. Die pCR-Rate lag bei 20%. Auch hier sind weitere Studien erforderlich.
Autor
n
Antikörper
Chemoth.
RT (Gy)
Diarrhoe (Grd. 3)
pCR (n)
Machiels 2006
Chung 2006
Rödel 2007
Czito 2006
Willet 2007
Hong 2007
Hofheinz 2008
20
20
58
13
22
40
63
Cetuximab
Cetuximab
Cetuximab
Bevacizumab
Bevacizumab
Cetuximab
Cetuximab
Capecitabin
5-FU
CapOx
CapOx
5-FU
Capiri
Capiri
45
50,4
50,4
50,4
50,4
50,4
50,4
15%
10%
19%
27%
ca. 20%
5%
30%
2/19
2/17
4/45
2/11
5/22
9/39
7/63
Adjuvante Chemotherapie nach neoadjuvanter Therapie
Als Folge der verbesserten Chirurgie und Bestrahlung betragen die Lokalrezidivraten nicht mehr als 6-12%. Die
Verbesserung der lokalen Kontrolle hat bisher jedoch nicht zu einer Verbesserung des Gesamtüberlebens geführt. Es
liegt nach 5 Jahren nach wie vor bei nur 65-67%. Diese Ergebnisse sind unbefriedigend. Trotzdem ist der Wert der
adjuvanten Chemotherapie beim Rektumkarzinom noch nicht eindeutig belegt. Das Bolus-5-FU-Schema in der
AIO/CAO/ARO-94-Studie stammt aus der Ära der postoperativen Strahlentherapie und ist somit nicht evidenzbasiert.
Die EORTC-Studie 22921 (siehe vorhergehende Seiten) hat als einzige Studie den Einfluss einer adjuvanten 5FU/Folinsäure Therapie auf das Überleben untersucht. Es fand sich
kein signifikanter Vorteil hinsichtlich des 5-Jahres-Überlebens (67,2
vs. 63,2%), wobei sich die Kaplan-Meier-Kurven nach diesem
Zeitintervall trennen und der Benefit immerhin 4% beträgt.
Eine Subgruppenanalyse dieser Studie zeigte, dass Patienten, die ein
T-Downsizing zeigten, von der Fortsetzung der 5-FU-Therapie
profitierten, während Patienten mit ypT3 oder ypT4, von der
Fortsetzung der Chemotherapie keinen Benefit hatten (Colette et al., J
Clin Oncol 2007;25:4379-4386). Eine weitere Analyse der Daten
zeigte aber, dass sich der Benefit auf Patienten bezog, die neoadjuvant nicht chemotherapiert worden waren, und
dass Patienten nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie bei Vorliegen eines pN0-Status von der Fortsetzung
der Chemotherapie nicht profitierten (Colette et al. J Clin Oncol 2008;26:508).
Nach Kurzzeit-Radiatio mit 5x5 Gy existieren keine Daten über den Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie.
Aufgrund der unbefriedigenden Überlebensdaten wird man auf eine adjuvante Chemotherapie auf 5-FU-Basis
schwerlich verzichten, auch wenn die Evidenz sehr dürftig ist. Es ist nach wie vor jedoch unklar, welche Patienten
von dieser Therapie profitieren. Die derzeit laufenden Phase-III-Studien prüfen den Einsatz von Oxaliplatin in
Kombination mit dem oralen Fluoropyrimidin Capecitabin, mit den Substanzen also, die sich beim Kolonkarzinom
bereits als adjuvante Chemotherapie etabliert haben.
Die neoadjuvante Radio-/Chemotherapie sollte im Regelfall mit (oralem) 5-FU durchgeführt werden. Zum Einsatz
von 2er-Kombinationen fehlen randomisierte Daten. Biologicals sollten außerhalb von Studien nicht eingesetzt
werden. Nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie sollte laut S3-Leitlinie eine adjuvante Chemotherapie mit 5FU unabhängig vom postoperativen Tumorstadium erfolgen. Nach 5-FU-Kurzzeit-Bestrahlung gibt die S3-Leitlinie
keine Empfehlung. Analogschlüsse und Expertenmeinung legen eine adjuvante Chemotherapie analog dem
Kolonkarzinom nahe.
266
Rektumkarzinom
Adjuvante Therapie, S3-Leitlinie 2004/2008
Adjuvante Therapie bei primärer Operation (ohne neoadjuvante Therapie)
Stadium I
Im Stadium I ist nach R0-Resektion eine adjuvante Therapie nicht indiziert.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens
Hintergrund
In allen randomisierten Studien zur adjuvanten Therapie waren Patienten mit Stadium UICC I wegen insgesamt
niedriger Lokalrezidiv- und Fernmetastasierungsraten ausgeschlossen worden.
Stadium II
Bei Patienten im UICC-Stadium II und III, die keine neoadjuvante Radio-/Chemotherapie oder KurzzeitRadiotherapie erhalten haben, soll eine adjuvante Radio-/Chemotherapie erfolgen.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.
Hintergrund
Durch Hinzunahme der Chemotherapie zu einer postoperativen Bestrahlung konnten sowohl die Lokalrezidivrate
gesenkt als auch das Gesamtüberleben im Vergleich zur alleinigen (konventionellen) Operation verbessert
werden. Daten zum Nutzen einer adjuvanten Radio-/Chemotherapie nach pathologisch bestätigter adäquater
Mesorektumexzision und einem Abstand des Tumors zum circumferentiellen Resektionsrand von mehr als 1 mm
liegen bislang nicht vor. Die Lokalrezidivraten werden hier auch ohne zusätzliche adjuvante Therapie mit global
unter 10% angegeben, können aber für Subgruppen, z.B. im unteren Rektumdrittel, auch höher liegen. Patienten
mit Tumoren im UICC-Stadium II und III sollten in randomisierte Studien eingebracht werden. Dabei wäre zu
klären, ob es nach qualitätsgesicherter Chirurgie Subgruppen von Patienten gibt (z.B. pT3N0-Tumoren mit
geringer Infiltration ins perirektale Fettgewebe oder pT1/2-N+-Tumoren), die ein dem UICC-Stadium I
vergleichbares Rezidivrisiko haben und daher von einer adjuvanten Radio- und Chemotherapie nicht profitieren.
In der bislang nur als Abstract publizierten britischen MRC-CR07-Studie hat sich gezeigt, dass ein
risikoadaptiertes Vorgehen (postoperative Radio-/Chemotherapie nur bei Patienten mit positivem
circumferentiellen Resektionsrand nach TME) im Vergleich zu einer generellen präoperativen Radiotherapie mit
5x5 Gy für alle Rektumkarzinome hisichtlich der lokalen Kontrolle und dem krankheitsfreien Überleben
signifikant unterlegen ist.
Additive Therapie nach R1-Resektion
Nach R1-Resektion oder intraoperativem Tumoreinriss sollte postoperativ Radio-/Chemotherapiert werden,
falls keine neoadjuvante Radio(chemo)therapie vorangegangen ist.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4, starker Konsens
Ablauf der adjuvanten Therapie
Die adjuvante Therapie sollte 4-6 Wochen nach Operation beginnen.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens
Die Strahlentherapie kann zeitgleich zum 1. und 2. Chemotherapiezyklus oder zum 3. und 4. Zyklus erfolgen.
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens
Die Strahlentherapie soll mit einer 5-FU-Monochemotherapie kombiniert werden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.
Standard für die adjuvante Therapie des Rektumkarzinoms ist die kombinierte Radio-/Chemotherapie. Eine
Indikation für eine alleinige (adjuvante) Chemo- oder Radiotherapie beim Rektumkarzinom besteht nicht.
Eine Ausnahme stellt nur die Kontraindikation gegen eine der beiden Therapieformen dar.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.
267
Rektumkarzinom
Adjuvante Th. nach neoadjuvanter Th., S3-Leitlinie 2004/08
Adjuvante Therapie
/Chemotherapie
nach
neoadjuvanter
Radiotherapie
oder
Radio-
Nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie ist eine adjuvante Chemotherapie unabhängig vom
postoperativen Tumorstadium (also auch bei kompletter Remission oder UICC-Stadium I und II)
indiziert.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.
Hintergrund
Grundlage dieser Empfehlung ist, dass die adjuvante Chemotherapie obligater Bestandteil der
CAO/ARO/AIO-94-Studie sowie der FFCD-9203-Studie nach erfolgter präoperativer Radio/Chemotherapie war. Die EORTC (22921) randomisierte in einer vierarmigen Studie und einem
„two-by-two factorial design“ zwischen einer postoperativen Chemotherapie und keiner
postoperativen Chemotherapie nach präoperativer Radiotherapie oder Radio-/Chemotherapie. Die
postoperative Chemotherapie führte zwar nicht zu einer statistisch signifikanten
Überlebensverbesserung. Der Überlebensbenefit betrug jedoch 6% absolut für das progressionsfreie
und 4% für das Gesamtüberleben und wurde mit einer vergleichsweise wenig toxischen Therapie
erzielt. Subgruppenanalysen zeigen, dass die adjuvante Chemotherapie insbesondere für diejenige
Patientengruppe einen signifikanten Überlebensvorteil ergab, die nach präoperativer Therapie eine
histopathologische ypT0/1/2-Kategorie aufwiesen. In den Studien zur präoperativen KurzzeitRadiotherapie mit 5x5 Gy wurde generell keine adjuvante Chemotherapie appliziert. Eine aktuelle
holländische Phase-III-Studie randomisiert derzeit nach 5 x 5 Gy und Operation zwischen einer
adjuvanten Chemotherapie mit Capecitabin und Beobachtung.
Die adjuvante Chemotherapie sollte entweder als 5-FU-Monotherapie oder als Kombination aus 5FU/Folinsäure durchgeführt werden.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.
Hintergrund
In der CAO/ARO/AIO-94-Studie wurden 4 Zyklen adjuvanter Chemotherapie mit 5-FU in einer
Dosierung von 500 mg/m2 als i.v. Bolus über 5 Tage alle 4 Wochen verabreicht. In der EORTC22921- und FFCD-9203-Studie erhielten die Patienten 4 Zyklen einer adjuvanten Chemotherapie mit
5-FU in einer Dosierung von 350 mg/m2/Tag und Folinsäure in einer Dosierung von 20 mg/m2/Tag
über jeweils 5 Tage alle 4 Wochen.
Anmerkung
Die Leitlinie gibt keinerlei Empfehlung für eine adjuvante Therapie nach Kurzzeit-Radiatio.
Siehe auch Therapiealgorithmus Rektumkarzinom.
Empfehlung Stadium IV S3-Leitlinie 2004/2008
Beim synchron metastasierten Rektumkarzinom gibt es keine Standardempfehlung zum
therapeutischen Vorgehen. Die Prognose der Erkrankung wird im Regelfall durch die systemische
Metastasierung bestimmt. Daher sollte bei irresektablen Fernmetastasen primär eine systemische
Kombinationstherapie eingesetzt werden, sofern nicht Symptome durch den Primärtumor zu einem
anderen Vorgehen zwingen. Falls eine primäre Radio-/Chemotherapie durchgeführt wird, sollte vor
dem Hintergrund der systemischen Metastasierung eine intensivierte Kombinationstherapie
eingesetzt werden.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 5, starker Konsens
268
Rektumkarzinom
Postoperative Radio-/Chemotherapie, Studienergebnisse
Die in den 80er Jahren verfügbaren Daten zeigten bei Rektumkarzinomen mit Ausbreitung über die Darmwand
hinaus oder mit Lymphknotenmetastasierung (T3-T4/N+) hohe Tumorrezidivraten mit ungünstigen
Überlebensraten nach alleiniger Operation. Nachdem in amerikanischen Studien in den 80er Jahren zunächst
eine effektive Reduktion der Rate an pelvinen Tumorrezidiven durch eine postoperative Strahlentherapie und
später dann durch eine kombinierte Radio-/Chemotherapie eine Verbesserung des Gesamtüberlebens
nachgewiesen werden konnte, war die postoperative adjuvante Radio-/Chemotherapie bis vor kurzem die
Standardbehandlung nach der Tumorexstirpation bei lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom. Jetzt besteht die
Standardbehandlung in einer präoperativen neoadjuvanten Radiotherapie bzw. Radio-/Chemotherapie (siehe
vorangehende Seiten).
Ziele der adjuvanten Therapie des Rektumkarzinoms
1. die Senkung der lokoregionären Rezidivrate und
2. die Verhinderung einer Fernmetastasierung.
In den Stadien UICC II und III liegt die Lokalrezidivrate zwischen 10-35%. Ein Lokalrezidiv geht mit einer
erheblichen Morbidität und Letalität einher. Eine postoperative Bestrahlung senkt die Lokalrezidivrate. Die
systemische Chemotherapie ist für die Reduktion der Metastasierung von wesentlicher Bedeutung.
Studienergebnisse
Die randomisierten Studien der GITSG (GITCG, N Engl J Med 1985;312:1465-72,) und der Mayo/NCCTG (Krook JE et
al. N Engl J Med 1991;324:709-15) zeigten erstmals, dass eine Kombination von postoperativer Chemo- und
Strahlentherapie bei Patienten im UICC-Stadium II und III nicht nur die Lokalrezidivrate senkt, sondern auch
das Gesamtüberleben signifikant verbessert.
In beiden Studien wurde postoperativ eine
Lokalrezidiv5-JahresStudie
Chemotherapie mit 5-FU und Methylrate (%)
Überleben (%)
CCNU
eingesetzt.
Parallel
zur
GITSG 7175 (n=104)
Strahlentherapie erfolgte eine 5-FU-BolusOP
24
44
Chemotherapie.
Gegenüber
der
OP + RT
20
52
Kontrollgruppe konnten das relative Risiko
OP + CHT
27
50
für ein Lokalrezidiv halbiert und die
Gesamtüberlebensrate
um
10-15%
OP + RT/CHT
11
59
gesteigert
werden.
NCCTG 794751 (n=204)
Nachfolgestudien zeigten, dass MethylOP + RT
25
48
CCNU keine Verbesserung der Wirkung im
OP + RT/CHT
13
57
Vergleich zu 5-FU alleine erbringt.
O´Connel et al. (n=606)
Durch die Gabe von 5-FU als
OP + RT/CHT (5-FU kontin.)
8
70
kontinuierliche Infusion während der
OP + RT/CHT (5-FU-Bolus)
12
60
postoperativen Strahlentherapie konnte im
Vergleich mit der 5-FU-Bolusinjektion die
4-Jahresüberlebensrate signifikant gesteigert werden (O´Connell MJ et al. N Engl J Med 1994; 331:502-71).
Alleinige Chemotherapie versus kombinierte Radio-/Chemotherapie
Die NSABP-R02-Studie verglich eine postoperative Radio-/Chemotherapie mit einer adjuvanten Chemotherapie
ohne Bestrahlung bei Patienten im Stadium II und III. Die Radio-/Chemotherapie konnte gegenüber der
alleinigen Chemotherapie die Lokalrezidivrate nach 5 Jahren zwar signifikant von 13 auf 8% senken, trotzdem
reichte dieser Gewinn an lokaler Tumorkontrolle nicht aus, um einen Überlebensvorteil nachzuweisen (62%
Gesamtüberleben in beiden Armen). Leukovorin in Kombination mit 5-FU und Bestrahlung erhöht die
Toxizität, ohne nach den vorläufigen Daten die Wirksamkeit zu erhöhen.
Koreanische Studie zum frühzeitigen Beginn der adjuvanten Radiotherapie
(Lee J.H. et al., JCO 2002;20:1751-58).
Diese Studie zeigte initial, dass bei ansonsten völlig identischer Behandlung allein durch den frühzeitigen
Beginn der Radiotherapie zeitgleich mit den ersten beiden postoperativen Chemotherapiekursen ein signifikant
verbessertes krankheitsfreies Überleben erreicht wird. Ein Update der Studie konnte diese Daten jedoch nicht
bestätigen (Kim et al. ASCO 2007, Abstr. 4050).
Tumor- und strahlenbiologische Gründe sprechen trotzdem für ein eher enges zeitliches Intervall zwischen
Operation und adjuvanter Radiatio.
269
Rektumkarzinom
Adjuvante, postoperative Therapie, Durchführung
Indikation
UICC-Stadium II,III (T3, T4, N1-3 , Mo) mit erhöhtem Lokalrezidivrisiko.
Therapiebeginn innerhalb von 4-6 Wochen
Voraussetzung
R0-Resektion, guter Allgemeinzustand (WHO 0-1), Ausschluss von Metastasen (Rö-Thorax, abdominelle
Sonographie). Adäquate Patientenaufklärung.
Durchführung
Nach den S3-Leitlinien stehen drei Therapieschemata alternativ zur Auswahl.
1. O’Connell-Schema mit kontinuierlicher 5-FU-Infusion während der Strahlentherapie
2. CAO/ARO/AIO-Studien-94-Protokoll (Sauer et al.)
3. NCI-Protokoll mit 5-FU ausschließlich als Bolusinjektionen
5-FU-kontinuierliche Infusion/Strahlentherapie
Woche 1 + 5
5-FU
Woche 9-13
Strahlentherapie
Chemotherapie
Parallel zur RT
Woche 18 + 22
(4 Wochen nach RT)
500 mg/m²/d
(O’Connel et al. N Engl J Med 1994; 331:502–7)
i.v. Bolus (< 5 min)
45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett
5-FU
225 mg/m²/d
5-FU
450 mg/m²
CAO/ARO/AIO-Studie-94
Woche 1 - 6
Strahlentherapie
Kontinuierliche Infusion während der
Bestrahlung (an allen Tagen)
i.v. Bolus
50,4 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett
5-FU
1000 mg/m²/d
Woche 10, 14, 18, 22
(4 Wochen nach RT)
5-FU
500 mg/m²/d
Kontinuierliche Infusion über 120 Std.
(Tag 1-5 und Tag 29-33 der Bestrahlung)
i.v. Bolus
5-FU-Bolus/Strahlentherapie
5-FU
Woche 9- 13
Strahlentherapie
Woche 9 + 13
(Woche 1 + 5 der RT)
Woche 18 + 22
(Woche 4 + 8 nach RT)
d 1– 5
(Erlanger-Protokoll, R.Sauer et al.)
Woche 1+ 5
Chemotherapie
Woche 1 + 5
d 1– 5
d 1– 5
(NCI-Protokoll)
500 mg/m²/d
i.v. Bolus
d 1– 5
45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett
5-FU
500 mg/m²/d
i.v. Bolus
D 1- 3
5-FU
450 mg/m²
i.v. Bolus
d 1– 5
Für das CAO/ARO/AIO-Protokoll sprechen das zeitlich enge Intervall zwischen Operation und
Strahlentherapie, das tumor- und strahlenbiologisch sinnvoll ist, sowie die Praktikabilität der Durchführung.
Beachte: Für die Dauerinfusion besteht die Notwendigkeit eines zentralvenösen Zugangs (meist Port) mit einem
Pumpsystem. Hauptnebenwirkungen der Dauerinfusion sind Diarrhoen. Unter der Bolus-5-FU-Therapie treten
häufiger Leukopenien und Stomatitis auf.
270
Rektumkarzinom
CAO/AIO/ARO-04, Gemeinschaftsstudie I
Studientitel
Präoperative Radio-/Chemotherapie und adjuvante Chemotherapie mit Capecitabin plus Oxaliplatin im Vergleich zu
einer präoperativen Radio-/Chemotherapie und adjuvanten Chemotherapie mit 5-Fluorouracil beim lokal
fortgeschrittenen Rektumkarzinom im UICC-Stadium II und III. Eine prospektiv randomisierte, multizentrische
Phase-III-Studie
der chirurgischen, internistischen und radiotherapeutischen Arbeitsgemeinschaften
(CAO/AIO/ARO). Die CAO/ARO/AIO-Studiengruppe und die FOGT-Studiengruppe schließen sich zur German
Rectal Cancer Study Group zusammen.
Studienziele
Primärer Endpunkt ist das Disease-free-Survival nach 3 Jahren. Sekundäre Ziele sind: R0-Resektionsrate, Rate an
sphinktererhaltenden Operationen, Tumorregression nach neoadjuvanter Therapie, Inzidenz an Lokalrezidiven und
Fernmetastasen, Gesamtüberleben nach 5 J., Akut- und Spättoxizität der Radio- und Chemotherapie.
Status der Studie: gestartet 19.07.2006
Studienleitung und Studienzentrale
Prof. Dr. R. Sauer
Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie
Friedrich-Alexander-Univeristät Erlangen-Nürnberg
Universitätsstr. 27
91054 Erlangen
Tel. 09131/8533405, Fax: 09131/8539335
Email: [email protected]
Priv.-Doz. Dr. C. Rödel
Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie
Univeristät Erlangen-Nürnberg
Universitätsstr. 27
91054 Erlangen
Telefon und Fax wie Studienleitung
[email protected]
Einschlusskriterien
Alter mindestens 18 Jahre, keine obere Altersgrenze
Histologisch gesichertes, fortgeschrittenes primäres Rektumkarzinom bis 16 cm von der Anokutanlinie (gemessen
mit einem starren Rektoskop), endosonographisch uT3-4 oder uN+, oder klinische Einteilung nach Mason III/IV
ohne synchrone Fernmetastasen
Keine Vorbehandlung außer primärer Anus praeter-Anlage (z.B. wegen drohendem Ileus)
ECOG-Status ≤ 2
Ausreichende Knochenmarkfunktion (Leuko > 3,5 G/l, Neutro > 1,5 G/l, Thrombo > 100 G/l, Hb > 10 g/dl)
Ausreichende Leberfunktion: Bilirubin < 2,0 mg/dl; GOT, GPT, AP, GGT < 3 x oberer Normwert (ONW)
Serumkreatinin < 1,5 mg/dl, Kreatinin-Clearance > 50 ml/min
Patienten, die die Inhalte des Protokolls verstanden u. schriftlich ihr Teilnahmeeinverständnis erklärt haben
Ausschlusskriterien
Schwangere oder stillende Frauen sowie gebär- bzw. zeugungsfähige Menschen, die nicht zu konsequenten
Verhütungsmaßnahmen während der Therapie willens oder in der Lage sind
Zurückliegender oder andauernder Drogen-, Medikamenten- oder Alkoholmissbrauch
Frühere Chemotherapie oder Radiotherapie des Beckens
Gleichzeitige oder innerhalb von 4 Wochen liegende Teilnahme an einer anderen Studie mit einem oder mehreren in
Erprobung befindlichen Medikamenten
Gleichzeitige Therapie mit anderen Antitumormitteln
Patienten, die nicht in der Lage sind, sich protokollgerecht behandeln sowie nachuntersuchen zu lassen
Patienten mit unkontrollierten schwerwiegenden, körperlichen oder geistigen Erkrankungen, z.B.:
Instabile kardiale Erkrankung trotz medikamentöser Behandlung, Myokardinfarkt innerhalb von 6 Monaten vor
Studienbeginn
Neurologische oder psychiatrische Störungen, incl. Demenz und Anfallsleiden, Polyneuropathie Grad ≥ 2
Aktive, nicht-kontrollierbare Infektion oder Sepsis, aktive disseminierte intravasale Gerinnungsstörung
Patienten mit Zweitmalignomen mit Ausnahme des Basalzellkarzinoms der Haut oder des Carcinoma in situ der
Zervix, die erfolgreich behandelt wurden
Der Einschluss von Patienten mit anderen Tumoren, die erfolgreich behandelt wurden und innerhalb der letzten
5 Jahre nicht wieder aufgetreten sind, muss mit dem LKP diskutiert werden
Chronische Diarrhoe (> NCI CTC-Grad 1)
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder andere Störungen, die die Medikamentenresorption beeinträchtigen.
Dazu zählen das Dumping-Syndrom, Hinweise auf beschleunigte Dünndarmpassage, Hinweise auf
Resorptionsstörungen nach Magen- oder Darmoperationen
Überempfindlichkeit gegenüber Oxaliplatin
Gleichzeitige Behandlung mit Sorivudin und Analoga
Bekannte Defizienz der Dehydropyrimidindehydrogenase (DPD)
271
Rektumkarzinom
CAO/AIO/ARO-04, Gemeinschaftsstudie II
Studienschema
Es sollen 600 Patienten je Arm eingeschlossen werden. Die Chemotherapie beginnt in beiden Armen am Tag 1
der Radiatio und wird auf maximal 2 m2 Körperoberfläche limitiert.
Therapieplan
d29-33
Verlaufsuntersuchungen
Untersuchung
Vor
Therapie
Einwilligung
Anamnese incl.
Medikation,
Endosonographie
Starre
Rektoskopie mit
Biopsie
Koloskopie
X
Rö-Thorax
X
Sonographie
X
CT-Becken
Untersuchung
incl ECOG
Neurologie
X
X
EKG
X
1)
Labor
Toxizität
Während Radio/Chemotherapie,
wöchentlich
Tag 1,
29
Tag 2,
22, Ende
Radiatio
Präoperativ
Während
Abschlussadjuvanter
untersuchung
Therapie
X
X
X
X
X
X
(X)
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
1)
Blutbild mit Diff-BB, Natrium, Kalium, Kalzium, Kreatinin, Harnstoff, Bilirubin, Gesamteiweiß, Albumin, GOT, GPT, LDH, AP,
initial Schwangerschaftstest (Serum oder Urin) bei Frauen im gebärfähigen Alter.
Die Nachsorge erfolgt entsprechend den Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft für kolorektale Karzinome.
272
Rektumkarzinom
PETACC6-Studie
Die PETACC 6-Studie ist eine internationale multizentrische randomisierte Phase-III-Studie im
Rahmen der PETACC in Kooperation mit der EORTC. Die AIO ist die „Leading Group“ der Studie
für Deutschland.
Studientitel
Präoperative Radio-/Chemotherapie und postoperative Chemotherapie mit Capecitabin und Oxaliplatin
vs. Capecitabin beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom
Studienziele
Primärer Endpunkt: Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens durch die zusätzliche Gabe von
Oxaliplatin prä- und postoperativ (um absolut 7% nach 3 Jahren)
Sekundäre Endpunkte: Verbesserung der Lokalrezidivrate, des Gesamtüberlebens und der Rate der
Sphinktererhaltung; R0-Resektionsrate, pathologische Remissionsrate (ypT0-T2N0), perioperative
Komplikationsrate, Fernmetastasierungsrate, Toxizität und Lebensqualität.
Therapieplan
Capecitabin und Oxaliplatin werden als Studienware kostenfrei zur Verfügung gestellt
Haupteinschlusskriterien
• Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Rektum (Tumor ≤ 12 cm ab ano, d.h. unteres und
mittleres Drittel
• T3/4 oder N+, keine Fernmetastasen, keine Zweitmalignome (außer Basaliom, Zervixkarzinom,
Rezidivfreiheit > 5 Jahre)
• Tumorstaging durch High-Resolution-MRT, falls nicht vorhanden: CT und Endosonographie
• Keine vorherige Chemotherapie oder Bestrahlung des Rektumkarzinoms, keine vorherige
Bestrahlung des Beckens
• Alter ≥ 18 Jahre, ECOG PS ≤ 2
Kontaktadresse
AIO-Studienzentrale
Leiter: Dr. Dirk Arnold
Strasse des 17. Juni 106-108
10623 Berlin
Tel.: 030 / 3229329-33
FAX: 030 / 3229329-43
Email: [email protected]
273
Rektumkarzinom
Mannheimer Studie, Ein-, Ausschlusskriterien
Studientitel
5-Fluorouracil versus Capecitabin in Kombination mit lokaler Strahlentherapie zur neoadjuvanten und
adjuvanten Therapie des Rektumkarzinoms im Stadium II und III. Amendment 1 vom 15.03.2005 mit
Einführung eines neuen Stratums mit neoadjuvantem Vergleich von 5-FU und Capecitabin.
Studienrationale und Studienziele
Die 2002 begonnene Studie untersuchte initial eine adjuvante Radio-/Chemotherapie, wobei eine
Bolus-5-FU-basierte Behandlung mit einer Capecitabin-haltigen Behandlung verglichen wurde.
Aufgrund der Ergebnisse der deutschen Rektumkarzinomstudie (CAO/ARO/AIO-94), die eine Reduktion der
Lokalrezidivrate von 13 auf 6% bei besserer Verträglichkeit zeigte, entschied die Konsensuskonferenz der
Deutschen Krebshilfe/Krebsgesellschaft trotz fehlenden Nachweises eines Überlebensvorteils für eine
prinzipielle Empfehlung der neoadjuvanten Behandlung in den Stadien II und III.
Deswegen wurde ein additiver Arm hinzugefügt, der einen neoadjuvanten Vergleich anbietet, gefolgt von einer
postoperativen, adjuvanten Therapie. Der ursprüngliche Arm bleibt gleichwertig parallel bestehen, das jeweilige
Behandlungszentrum kann sich patientenbezogen im Einzelfall entscheiden.
Primäres Studienziel bleibt das Gesamtüberleben nach 3 bzw. 5 Jahren, sekundäre Studienziele sind Toxizität
der oralen Therapie, Rezidivraten und krankheitsfreies Intervall nach 3 bzw.5 Jahren.
Studienleitung und Randomisation
Prof. Dr. A. Hochhaus, Dr. R. Hofheinz
Onkologisches Zentrum
III. Medizinische Klinik
Universitätsklinikum Mannheim
Theodor-Kutzer-Ufer
68167 Mannheim
Tel:
Fax:
0621-383 2855
0621-383 3833
Randomisation: Biostatistik DKFZ Heidelberg
Tel.:
06221-42-2231 (A. Hellmann)
Fax:
06221-42-2397
Einschlusskriterien
• Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Rektums im Tumorstadium UICC II oder III, entsprechend einem TNMStadium T3-4 NO MO bzw. T1-4 N1-2 MO bzw. einem Stadium B2-3 bzw. C nach der von Astler-Coller modifizierten
Dukes-Klassifikation.
• Als Rektumkarzinome werden alle Dickdarmkarzinome definiert, deren unterer Rand unterhalb der peritonealen
Umschlagfalte bzw. max. 16 cm von der Linea dentata entfernt lokalisiert sind.
• Komplette Tumorresektion (R0) gemäß den Kriterien der totalen mesorektalen Resektion (TME).
• Kein Nachweis von Fernmetastasen, unabhängig davon, ob diese komplett reseziert wurden.
• Intervall zwischen Operation und Therapiebeginn nicht größer als sechs Wochen.
• Allgemeinzustand WHO 0-1.
• Alter > 18 Jahre.
• Ausreichende Knochenmarkreserve, definiert als: Leukozyten > 3.500/μl, Thrombozyten > 100.000/μl, Hämoglobin > 10
g/dl.
• Ausreichende Leber- und Nierenfunktion, definiert als: Gesamtbilirubin < 2 g/dl, Serumkreatinin < 2 mg/dl
• Schriftliche Einverständniserklärung und Compliance des Patienten
• Effektive Kontrazeption
• Keine gleichzeitige Teilnahme an weiteren Studien.
Ausschlusskriterien
• Schwere psychiatrische oder internistische Begleiterkrankung, insbesondere klinisch relevante kardiale Vorschädigung.
• Andere maligne Erkrankungen innerhalb der letzten fünf Jahre mit Ausnahme von Basaliomen und erfolgreich
behandelten in-situ-Karzinomen der Cervix uteri.
• Schwangerschaft oder Stillzeit, insuffiziente Kontrazeption.
• Gesamtbilirubin > 2g/dl, Serumkreatinin > 2 mg/dl.
• Mangelnde Kooperationsfähigkeit des Patienten.
• Vorausgegangene Immun-, Chemotherapie oder Radiotherapie (des Beckens).
274
Rektumkarzinom
Mannheimer Studie, Ablaufpläne
Behandlungsplan
Die deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt aufgrund der Ergebnisse der deutschen Rektumkarzinomstudie ein neoadjuvantes Konzept bei
der Behandlung des lokal begrenzten Rektumkarzinoms mit einer postoperativen Therapiefortführung. Dieses Konzept ist jedoch nicht
für jeden Fall anwendbar, da zum einen klinische Situationen eine primäre Operation erforderlich machen (drohender oder kompletter
Ileus, nicht stillbare, relevante Blutungen), zum anderen Patienten erst postoperativ dem Onkologen vorgestellt werden. Capecitabin wird
im Studienrahmen kostenfrei zur Verfügung gestellt.
In der Mannheimer Studie gibt es aus diesem Grund ein adaptiertes Vorgehen, je nach Situation kann das einzelne Zentrum über ein
neoadjuvantes oder adjuvantes Vorgehen selbst entscheiden. Hierzu wird in der Studie stratifiziert:
Stratum 1: Adjuvante Therapie
Adjuvante Behandlung ab 4-8 Wochen postoperativ,
randomisiert mit Bolus-5FU oder Capecitabin mit einer
kombinierten Radio-/Chemotherapie nach 2 Zyklen (Infusional5-FU oder Capecitabin über die gesamte Bestrahlungsdauer).
Bei Bolus-5-FU folgen nach Radiatio noch zwei weitere Zyklen,
im Capecitabin-Arm 3 weitere Zyklen, um eine vergleichbare
Zeitdauer und Dosisintensität zu erreichen.
Capecitabin (Studienware) wird auf die nächstniedrigere Dosis,
die aus den Tabletten (150/500mg) kombinierbar ist,
abgerundet, die höhere Dosis sollte morgens genommen werden.
Arm A
Arm B
AdjuvanteTherapie (Stratum 1) Arm A (O’Connel-Schema)
Woche 1 + 5
500 mg/m²/d
5-FU
Woche 9-13
Strahlentherapie
Chemotherapie
Parallel zur RT
Woche 18 + 22
(4 Wochen nach RT)
i.v. Bolus (< 5 min)
d 1– 5
45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett
5-FU
225 mg/m²/d
5-FU
450 mg/m²/d
Kontinuierliche Infusion während der Bestrahlung (an
allen Tagen)
i.v. Bolus
d 1– 5
p.o. (morgens u. abends)
d 1 – 14
AdjuvanteTherapie (Stratum 1) Arm B (experimenteller Xeloda-Arm)
Woche 1 + 4
2 x 1250 mg/m²/d
Xeloda (150/500mg)
Woche 9-13
Strahlentherapie
Chemotherapie
Parallel zur RT
Woche 18 + 21 + 24
(4 Wochen nach RT)
45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett
Xeloda (150/500)
2 x 825 mg/m²/d
während der Bestrahlung (an allen Tagen)
Xeloda (150/500)
2 x 1250 mg/m²/d
p.o.
d 1 – 14
Stratum 2: Neoadjuvante Therapie
A rm B
S2
Neoadjuvante Therapie mit einer kombinierten RadioChemotherapie, randomisiert mit Infusional-5-FU oder
Capecitabin. Hierbei wird im Arm A Infusional-5-FU über
jeweils 120h in den Wochen 1 und 5 der Radiatio gegeben
(alternativ nach Rücksprache durchgehend 225 mg/m2/d),
Capecitabin wird im experimentellen Arm B durchgehend in
reduzierter Dosis verabreicht. 4-6 Wochen postoperativ folgt je
nach Randomisationsarm eine Adjuvans-Behandlung aus 4
vierwöchigen Zyklen Bolus-5-FU oder 5 dreiwöchigen Zyklen
Capecitabin. Capecitabin wird dosiert, wie unter Stratum 1
ausgeführt. (Dosis auf Tbl. 500/150mg abrunden).
C a p e c i t a b i n 2 5 0 0 m g / m 2 / d (w ä h r e n d R a d i a t i o 1 6 5 0 m g / m 2 )
OP
Pause
4-6
W ochen
R a d io t h e r a p ie 5 0 ,4
W ochen 1
5
5 - F U (1 2 0 h )
5000m g/m 2
9
13
17
21
OP
Pause
4-6
W ochen
A rm A
R a d io t h e r a p ie 5 0 ,4 G y
Neoadjuvante Therapie (Stratum 2) Arm A (Erlanger Protokoll)
Woche 1 - 5
Strahlentherapie
Woche 1+ 5
Chemotherapie
Woche 10, 14, 18, 22
(4 –(6) Wochen nach OP)
45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett
5-FU
1000 mg/m²/d
5-FU
500 mg/m²/d
Kontinuierliche Infusion über 120 Std. (Tag 1-5 und
Tag 29-33 der Bestrahlung)
i.v. Bolus
d 1– 5
Neoadjuvante Therapie (Stratum 2) Arm B (experimenteller Xeloda-Arm)
Woche 1 - 5
Strahlentherapie
Woche 1 - 5
Chemotherapie
Woche 10, 13, 16, 19, 22
(4 -(6) Wochen nach OP)
45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett
Xeloda (150/500)
2 x 825 mg/m²/d
Xeloda (150/500)
2 x 1250 mg/m²/d
275
Täglich an 7 Tagen der Woche während Radiatio
p.o.
d 1 – 14
Rektumkarzinom
Mannheimer Studie, Verlaufsuntersuchungen
Zeitpunkt
0
Einwilligung
Ein-/Ausschlusskriterien
Anamnese
Allgemeinzustand (WHO)
Körperliche Untersuchung
Rö-Thorax
Oberbauch-Sonographie
Elektrokardiogramm
Differentialblutbild
Blutbild
BKS
Klinische Chemie I*
Klinische Chemie II**
Tumormarker
(CEA/CA19-9)
Chemotherapie
Safety
Rektoskopie und RektumEndosonographie****
Koloskopie‡‡
CT des Beckens‡‡‡
*
**
***
****
‡‡
‡‡‡
§
RadioZyklus
therapie
1§
(jede W.)
Zyklus
2§
Zyklus
3
Zyklus
4
X
X
X
X
X
X
Zyklus 6
Zyklus
Follow
(gilt nur f.
5***
-up
Arm B)
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
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X
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X
X
X
X
Kalium, Natrium, Kreatinin, Bilirubin, ALAT, ASAT, AP, GGT, LDH, Gesamteiweiß,
Albumin, Quick, PTT, INR
Natrium, Kalium, Kreatinin, AP, GGT, LDH, ALAT, ASAT, Bilirubin
Zyklus 5 wird gleichzeitig als 3-Monats-Nachsorge verstanden
Rektoskopie bei Rektumresektion mit Endosonographie, im 1. und 2. Jahr im 6-Monatstakt, danach 1mal pro Jahr.
Im ersten Jahr postoperativ, danach im Ermessen des Arztes.
Im 3., 12. und 24. postoperativen Monat.
Zyklus 1 und 2 werden im Arm A während der Radiotherapie verabreicht. Im Arm B entfällt die Handlungsanweisung
für Zyklus 2, da durchgehend mit Capecitabin behandelt wird. Der erste Zyklus nach Abschluss der Radio-/Chemotherapie
in Arm B wird somit als Zyklus 2 verstanden
Dosismodifikation
Übersicht über Dosisreduktion und Therapieverzögerung für Capecitabin und 5-FU während der Zeit der alleinigen Chemotherapie
Grad 2
Grad 3
Grad 4
1. Auftreten
Unterbrechung bis Erreichen
Grad-0-1-Toxizität, dann weiter
mit 75%
Unterbrechung bis Erreichen
Grad-0-1-Toxizität, dann weiter
mit 75%
Unterbrechung bis Erreichen
Grad-0-1-Toxizität; dann weiter
mit 50%
2. Auftreten
Unterbrechung bis Erreichen
Grad-0-1-Toxizität, dann weiter
mit 50%
Unterbrechung bis Erreichen
Grad-0-1-Toxizität, dann weiter
mit 50%
Abbruch der Chemotherapie
3. Auftreten
Abbruch der Chemotherapie
Abbruch der Chemotherapie
Abbruch der Chemotherapie
Übersicht über Dosisreduktion und Therapieverzögerung für Cape. und 5-FU während der komb. Radio-Chemotherapie
Grad 2
Grad 3
Grad 4
1. Auftreten
Unterbrechung bis Erreichen
Grad-0-Toxizität, dann weiter
mit 75%
Unterbrechung bis Erreichen
Grad-0-Toxizität, dann weiter
mit 50%
Unterbrechung bis Erreichen
Grad-0-Toxizität, dann weiter
mit 50%
2. Auftreten
Unterbrechung bis Erreichen
Grad-0-1-Toxizität, dann weiter
mit 50%
Abbruch der Chemotherapie
(während der Radiatio)
Abbruch der Chemotherapie
(während der Radiatio)
3. Auftreten
Abbruch der Chemotherapie
(während der Radiatio)
-
-
276
Rektumkarzinom
Neoadjuvante Therapie, Berliner Studie
Prospektiv randomisierte Vergleichstudie zur präoperativen Kurzzeit-Radiotherapie versus Langzeit-Radio/Chemotherapie beim uT2-3-Rektumkarzinom
Studienleiter: Prof. Dr. P.M. Schlag und Prof. Dr. V. Budach, Charité Berlin
Fragestellung
Ziel der Studie ist es festzustellen, inwieweit sich die Ergebnisse nach Kurzzeit- bzw. Langzeitvorbestrahlung
bei Patienten mit fortgeschrittenem, aber resektablem Rektumkarzinom im Hinblick auf die Lokalrezidivfrequenz, aber auch die Gesamtüberlebenszeit, die postoperative Morbidität und die Lebensqualität
unterscheiden.
Es soll eine Therapieoptimierungsprüfung durchgeführt werden, die multizentrisch, prospektiv randomisiert,
offen im Paralleldesign geplant die Kurzzeitbestrahlung (Arm A) mit einer neoadjuvanten Radio/Chemotherapie (Arm B) beim cT2 N+ M0 oder cT3 N0 M0-Rektumkarzinom vergleicht.
Studiendesign
KurzzeitVorbestrahlung
5x5 Gy
OP
R0-Resektion
Adjuvante Chemotherapie
5-FU (300 mg/m2/d) über
12 Wochen
Arm A
uT2 N+
uT3 N+
uT3 N-
R
A
N
D
O
M
Nachsorge
(3, 6, 12, 18, 24, 36, 48, 60
Monate nach OP)
Arm B
Neoadj. Radio-/Chemoth.
ED 1,8 Gy, GD 50,4 Gy
5FU-Dauerinf. (225mg/m2/d)
OP
R0-Resektion
Adjuvante Chemotherapie
5-FU (300 mg/m2/d) über
12 Wochen
Einschlusskriterien
ƒ Rektumkarzinom (oberer Tumorrand max. 12 cm von der Linea dentata, gemessen mit dem starren
Rektoskop
ƒ Adenokarzinom oder muzinöses Adenokarzinom (nicht undifferenziertes Karzinom, kloakogenes Karzinom)
ƒ Karzinom nicht auf dem Boden einer CED oder familiären Tumorerkrankung (FAP, HNPCC)
ƒ Endosonographisch oder durch CT/MRT diagnostizierbarer T2 N+ - oder T3 N0 bzw. T3 N+ Tumor (kein
T1- oder T4-Tumor)
ƒ Chirurgische Therapie durch anteriore Resektion, intersphinktere rekto-anale Resektion oder
Rektumexstirpation geplant und kurative Resektion (R0) wahrscheinlich (nicht Patienten mit geplanter
lokaler chirurgischer Exzision oder endoskopischer totaler Polypektomie)
ƒ Ausschluss juxtaregionaler Lymphknotenmetastasen (z.B. Leiste, paracaval) sowie von Fernmetastasen
Studienleiter
Prof. Dr. Peter Schlag
Charité Campus Berlin-Buch, Lindenberger Weg 80, 13125 Berlin
Tel.: 030-94171400 od. 030-94171403
FAX 030-94171404
Email: pmschlag@charité.de
277
Rektumkarzinom
Strahlentherapie adj./neoadjuvant, Therapieempfehlung
Das Zielvolumen der Strahlentherapie erfasst die (ehemalige) Tumorregion und die pelvinen
Lymphabflusswege, d.h. die dorsale Beckenhälfte, und reicht vom Beckeneingang bis zum Beckenboden, nach
erfolgter abdomino-perinealer Amputation wird das Perineum miterfasst. Obligat sind maximale Bemühungen
zur Reduktion des mitbestrahlten Dünndarm- und Harnblasenvolumens, d.h. Bestrahlung in Bauchlage auf
einem sogenannten Lochbrett in einer computeroptimierten individuell kollimierten 3- oder 4-Feldertechnik.
Alle Felder werden täglich bestrahlt.
Konventionelle Therapie
Je nach miterfasstem Dünndarmvolumen 45 bis 50,4 Gy auf das o.g. Zielvolumen, anschließend Boost auf die
(ehemalige) Tumorregion bis zu einer Gesamtdosis von 50,4 Gy bei präoperativer Therapie bzw. postoperativ
54-55,8 Gy .
Kurzzeit-Vorbestrahlung
Die Tagesdosis beträgt 5,0 Gy und die Gesamtdosis 25 Gy bei präoperativer Therapie. Die Kurzzeit-Bestrahlung
muss innerhalb einer Woche abgeschlossen sein und sollte daher an einem Montag beginnen. Innerhalb von 3
Tagen nach Ende der Therapie sollte die Operation erfolgen, da sonst die postoperative Komplikationsrate
ansteigt.
Voraussetzung für die postoperative Strahlentherapie
R0-Resektion nach Möglichkeit mit einem Verschluss der Sakralhöhle mit einer Prävention für das Eindringen
des Dünndarms in das kleine Becken. Damit kann die Gefahr einer Strahlenenteritis reduziert werden.
Technik der postoperativen adjuvanten Strahlentherapie
Bestrahlungsvolumen: Hintere Beckenhälfte von Deckplatte LWK 5 bis Beckenboden, 1 cm lateral
der Linea terminalis. Nach Rektumexstirpation Einschluss des Perineums.
Bestrahlungstechnik:
4-Felder-Box, individuell kollimierte Felder. Bestrahlung aller Felder täglich.
Bestrahlungsdosis:
Einzeldosis 1,8 Gy/Referenzpunkt, 5 x wöchentlich bis 50 Gy/Referenzpunkt.
(Dosismaximum < 55 Gy). Die 90%-Isodose umschließt das Zielvolumen.
Kleinvolumige Aufsättigung (boost) im Gebiet des größten Rezidivrisikos bis 56
Gy nach Resektion, evtl. bis 59,4 Gy nach Exstirpation. Dosismaximum < 65 Gy.
Bestrahlungsfelder bei Rektumkarzinom
Laterale Bestrahlunsfelder. Die untere gestrichelte Linie gilt bei Patienten mit abdominoperinealer Exstirpation (einschl. Perineum).
ap/pa-Bestrahlungsfelder. Die gestrichelte Linie
unten gilt für Patienten mit abdomino-perinealer
Exstirpation (einschl. Perineum).
278
Histologisches Regressionsgrading
nach neoadjuvanter Therapie
Die neoadjuvanten Therapieverfahren können zu unterschiedlich ausgeprägten regressiven Veränderungen eines
Tumors führen. Beim Regressionsgrading wird nicht die Differenzierung des Tumors beurteilt, sondern die
Auswirkung der Therapie auf das Tumorgewebe.
In der 6. Auflage der TNM-Klassifikation 2002 wurde festgelegt, dass allein vitale Tumoranteile für das
Regressionsgrading herangezogen werden, um eine bessere Reproduzierbarkeit zu erreichen. Entzündliche
Veränderungen oder Schleimseen ohne vitale Zellen sollen nicht berücksichtigt werden.
Die Bestimmung des vitalen Tumoranteils erfolgt in den allermeisten Fällen bereits am routinemässig angefärbten
HE-Schnitt. Immunhistologische Zusatzuntersuchungen (z.B. Zytokeratine) oder Stufenschnitte sind nur in
Ausnahmefällen erforderlich und werden dann eingesetzt, wenn es um die Frage geht, ob eine komplette
Tumorregression vorliegt. Sie sollen einzelne Tumorzellen zeigen, die im HE-Schnitt nicht sicher zu erkennen sind.
Am Resektat werden das gesamte Tumorbett histologisch untersucht und der Prozentsatz vitaler Tumorzellen am
Gesamtvolumen bestimmt bzw. das Verhältnis vitaler Tumor zu Fibrose ermittelt. Für die sichere Bestimmung einer
kompletten Tumorregression, d.h. keine vitalen Tumorzellen, ist eine vollständige histologische Untersuchung des
Tumorgebietes erforderlich
Es existieren mehrere Systeme zur Graduierung dieser Veränderungen im pathohistologisch untersuchten
Tumorgewebe des Tumorresektates insbesondere für unterschiedliche Lokalisationen im Gastrointestinaltrakt und
unterschiedliche histologische Tumortypen. Bisher gibt es kein national oder international anerkanntes einheitliches
Regressionsgradig. Von einigen Autoren wird vorgeschlagen, das Regressionsgrading der TU München nach Werner
und Höfler (In: Roder et al. Therapie gastrointestinaler Tumoren. Springer 2000, S. 45-53) auf alle gastrointestinalen
Tumore anzuwenden.
Regressionsgrading nach Dvorak (Int J Colorectal Dis 1997;12:19-23)
Grad 0
Keine Regression
Grad 1
Überwiegend Tumor mit deutlicher Fibrose und /oder Vaskulopathie
Grad 2
Überwiegend Fibrose mit wenigen Tumorzellen (leicht histologisch zu erkennen)
Grad 3
Sehr wenig (schwierig histol. nachzuweisende) Tumorzellen innerhalb Fibrose mit od. ohne Schleimseen.
Grad 4
Keine vitalen Tumorzellen nachweisbar
Regressionsgrading der TU München nach Werner u. Höfler 2000
Grad
Bedeutung
Kriterien
1a
Komplette Response (CR)
Keine Tumorzellen nachweisbar
1b
Subtotale Response (SR)
<10% vitale Tumorzellen
2
Partielle Response (PR)
10-50% vitale Tumorzellen
3
Minimale Response (MR)
>50% vitale Tumorzellen
Keine Response (NR)
Keine histologischen Regressionszeichen
Dieses System wurde ursprünglich für Adenokarzinome des Magens entwickelt, ist aber auch auf alle anderen Tumoren
im Gastrointestinaltrakt anwendbar
Response und Prognose
Die Tumorregression nach neoadjuvanter Therapie ist ein unabhängiger Prognosefaktor. Dies betrifft jedoch nur
Tumoren mit kompletter oder hochgradiger Regression (keine oder < 10% vitale Tumorzellen). Signifikante
Unterschiede im Überleben konnten bei mehr als 10 % vitalem Tumoranteil nicht nachgewiesen werden (Wittekind C
et al., Pathologe 2003;24:61-5).
Tumorausbreitung und TNM-Klassifikation
Findet man nach neoadjuvanter Therapie vitale Tumorzellen in der Kolonwand, aber Schleimseen ohne vitale
Tumorzellen z.B. im perikolischen Fettgewebe, kann man von einer Karzinominfiltration des Fettgewebes vor der
Therapie ausgehen. Die Vorbehandlung hätte dann zu einem „Downstaging“ (niedrigere T-Kategorie) geführt. Ein
echtes Downstaging wird selten beobachtet. Ursache ist die gleichmässige Verteilung der regressiven Veränderungen
im Tumor nach neoadjuvanter Therapie, da der vitale Tumoranteil nicht vom Rand zum Zentrum hin schrumpft.
Selbst wenn eine hochgradige Regression mit vitalem Tumoranteil unter 10% vorliegt, aber noch einzelne vitale
Tumorzellen in der gleichen T-Kategorie wie beim initialen Staging vorhanden sind, handelt es sich deshalb um kein
Downstaging. Ein echtes Downstaging findet sich deshalb fast nur bei der kompletten Regression. Allerdings führt
die neoadjuvante Therapie zur Verkleinerung und Fibrosierung des Tumors, also zu einem „Downsizing“ mit der
Folge einer besseren Operabilität und häufigeren R0-Resektionen.
279
Nachsorgeempfehlungen
S3-Leitlinie 2004/2008
Tumorstadium UICC I
Eine regelmäßige Nachsorge bei Patienten mit kolorektalem Karzinom und frühem Tumorstadium (UICC I) ist nach
R0-Resektion in Anbetracht der geringen Rezidivrate und der günstigen Prognose nicht zu empfehlen.
Abweichend hiervon kann im Einzelfall bei Annahme eines hohen lokalen Rezidivrisikos aufgrund des
endoskopischen und intraoperativen Befundes, z. B. nach intraoperativer Tumoreröffnung, oder aufgrund eines
histopathologischen Befundes, z. B. G3/4-Tumore und/oder Venen- und Lymphgefäßinvasion, pT2-Tumoren, eine
engmaschige Nachsorge angezeigt sein.
Tumorstadium UICC II und III
Nach Resektion von kolorektalen Karzinomen im UICC-Stadium II und III sind regelmäßige
Nachsorgeuntersuchungen indiziert.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens
Diese sollten jedoch nur durchgeführt werden, wenn bei einem Rezidiv therapeutische Konsequenzen zu erwarten
sind. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 5, starker Konsens
Nach palliativer Tumorresektion sollte die Nachbetreuung symptomorientiert erfolgen. Tumoren, die nicht eindeutig
dem Rektum oder Sigma zuzuordnen sind, werden in der Nachsorge wie Rektumkarzinome behandelt.
Wenn präoperativ eine Abklärung des gesamten Kolons nicht möglich war, sollte 3 Monate postoperativ eine
Koloskopie erfolgen.
Nachsorgeempfehlung beim Kolorektalen Karzinom UICC-Stadium II und III
Untersuchung
1. Jahr
2. Jahr
3. Jahr
4. Jahr
5. Jahr
Monat
6
12
18
24
36
48
60
Anamnese und körperliche
Untersuchung, CEA
X
X
X
X
X
X
X
Hohe Koloskopie
X1
Sonographie3
X
X
X
X
X
X
Sigmoidoskopie
4
(Rektoskopie)
X
X
X
X
Spiral-CT5
X2
X
3 Monate nach Abschluss der tumorspezifischen Therapie als Ausgangsbefund
Rö.-Thorax (kein Konsens)
1
2
3
4
5
wenn keine vollständige Koloskopie präoperativ erfolgt ist
bei unauffälligem Befund (kein Adenom, kein Karzinom) nächste Koloskopie nach 5 Jahren
Eine Metaanalyse ergab einen Vorteil für die bildgebenden Verfahren zum Nachweis von
Lebermetastasen in der Nachsorge. Aus diesem Grund entschied sich die Expertenkomission, das einfachste und
kostengünstigste Verfahren anzuwenden.
nur beim Rektumkarzinom ohne neoadjuvante oder adjuvante Radio-/Chemotherapie
nur beim Rektumkarzinom
CEA-Bestimmung
Die Bestimmung des karzinoembryonalen Antigens (CEA) wird alle 6 Monate für mindestens 2 Jahre empfohlen. Ein
erhöhter CEA-Wert erfordert eine weitere Diagnostik, berechtigt aber nicht zum Beginn einer systemischen
Chemotherapie bei Verdacht auf ein metastasiertes Tumorstadium.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
Anmerkungen:
CEA erwies sich in der Nachsorge bei der frühzeitigen Entdeckung von Lebermetastasen besser als Koloskopie,
Computertomographie und Sonographie. Eine Metaanalyse von 7 nicht randomisierten Studien zeigte einen
Überlebensvorteil von 9% für Patienten, bei denen im Nachsorgeprogramm CEA enthalten war. Andere Studien
führten zu keinem oder nur einem minimalen Nutzen. CEA wird in der Nachsorge in einer Literaturübersicht nicht
empfohlen. Amerikanische (ASCO) und Europäische (EGTM, European Group on Tumour Markers) Leitlinien zur
Nachsorge enthalten jedoch das CEA, wobei die Bestimmung alle 2-3 Monate in den ersten 2 Jahren empfohlen wird
für Patienten, die willens und in der Lage sind, sich einer Leberresektion bei Auftreten von Metastasen zu
unterziehen.
Siehe dagegen die 2005 aktualisierten ASCO-Nachsorgeempfehlungen (folgende Seite)
280
Nachsorgeempfehlungen
ASCO Guidelines 2005
Ziele der Nachsorge nach kurativer Resektion beim Kolonkarzinom sind:
Entdeckung eines Lokalrezidivs. sowie von resektablen Metastasen mit kurativem Potential
frühzeitige Erkennung von primär nicht resektablen Metastasen, die ein Downsizing durch eine Chemotherapie erfahren
könnten und dann sekundär resektabel würden
Erkennung von Toxizitäten der vorangegangenen Behandlung.
Die medikamentöse und chirurgische Behandlung bei Tumorrezidiv bzw. Metastasierung hat sich kontinuierlich weiter
entwickelt und das Langzeit-Überleben für Patienten mit Leber- und Lungenmetastasen verbessert sich weiter.
Studien
ASCO Panel 2005: „Die Qualität der Literatur zur Tumornachsorge ist dürftig“.
2002 wurden die Ergebnisse von 5 randomisierten Studien in 2 unabhängig voneinander publizierte Metaanalysen
zusammengefasst, die ähnliche Schlussfolgerungen zeigten: intensives Follow-up nach primärer Operation ist mit einer
annähernd 20%igen Verbesserung der hazard ratio im Hinblick auf den Tod vergesellschaftet. In absoluten Zahlen bedeutet
dies, dass die gepoolte 5-Jahres-Mortalität für intensiv nachgesorgte Patienten 30% betrug gegenüber 37% bei den nicht
intensiv nachgesorgten Patienten (Renehan AG et al., BMJ 2002; 234:1-8 und Jeffrey GM et al., The Cochrane Library
Issue 1, 2002, Oxford, CD002200). Dieser Benefit war klarer in den vier Studien, die CT und/oder häufige CEAMessungen benutzten. Die Studie von Chau et al. (J Clin Oncol 2004;22:1420-1429) bekräftigt dies. Bei 530 Patienten im
Stadium II und III wurden 45 Rezidive per CEA und 49 Rezidive per CT entdeckt. 14 Rezidive wurden durch beide
Untersuchungen entdeckt. Verglichen mit den Patienten, deren Rezidiv aufgrund von Symptomen entdeckt wurde, hatte
die CT-Gruppe ein signifikant besseres Gesamt-Überleben. Während die größte Zahl an Rezidiven per Abdomen-CT
gefunden wurde, wurde die größte Anzahl von resektablen Rezidiven im Thorax-CT gefunden.
ASCO Guidelines Colorectal Cancer Surveillance 2005
Vor dem Hintergrund eines Überlebensbenefits bei intensiver Nachsorge hat die American Society of Clinical Oncology
(ASCO) 2005 ihre Practice guidelines für die Kolonkarzinom-Nachsorge geändert.
Anamnese und klinische Untersuchung
Häufigkeit, Dauer und Benefit wurden bisher niemals formal untersucht.
alle 3-6 Monate in den ersten 3 Jahren, danach halbjährlich für weitere 2 Jahre.
CEA
alle 3 Monate bei Patienten im Stadium II oder III für mindestens 3 Jahre nach Diagnose,
wenn der Patient ein Kandidat für eine Operation oder eine systemische Therapie ist.
Bildgebende Verfahren
CT-Thorax und Abdomen jährlich für 3 Jahre
CT-Becken jährlich bei Rektumkarzinom,
wenn der Patient ein hohes Rezidivrisiko hat und fähig zu einer kurativen Operation ist
Endoskopische Untersuchungen
Koloskopie nach 3 Jahren und wenn unauffällig
5 Jahre später
bei genetischen Syndromen gelten spezielle Empfehlungen
Sigmoidoskopie alle 6 Monate für 5 Jahre bei Patienten mit Rektumkarzinom ohne Radiatio.
Das Panel betont, dass es im Gegensatz zum Leber-CT wenig Evidenz für das Thorax-CT gibt. Ein Grund für die
Empfehlung in der Nachsorge waren die Erkenntnisse von Chau (siehe oben), ein weiterer die Tatsache, dass pulmonale
Rez. seltener CEA-Erhöhungen machen. Zum anderen waren die Lungenmetastasen bei Rektumkarzinompatienten genauso
häufig wie Leberrezidive und repräsentierten den größten Anteil resezierter Metastasen in der Intergroup 0114-Studie.
Eigene Empfehlung für Patienten, die Kandidaten für eine kurative Operation sind
Untersuchung
1. Jahr
2. Jahr
3. Jahr
4. Jahr
5. Jahr
Monat
3
6
9
12
15
18
21
24
30
36
48
60
Anamnese und körperliche
Untersuchung, CEA
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Hohe Koloskopie
X1)
Abdominelle Sonographie3)
X
X
X
X
Sigmoidoskopie
(Rektoskopie)4)
CT Abdomen (+ Becken 5))
CT-Thorax
6)
X2)
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
1) wenn keine vollständige Koloskopie präoperativ erfolgt ist. 2) bei unauffälligem Befund (kein Adenom, kein Karzinom) nächste Koloskopie
nach 3 Jahren. 3) eine Metaanalyse ergab einen Vorteil für die bildgebenden Verfahren zum Nachweis von Lebermetastasen in der Nachsorge
4) beim Rektumkarzinom 5) nur beim Rektumkarzinom. 6) besonders beim Rektumkarzinom.
281
Kolorektale Karzinome, fortgeschrittene Stadien
ESMO-Empfehlungen 2008, Diagnostik, Therapie
Van Cutsem E.J.D. & Oliveira J. Ann Oncol 2008;19 Suppl 2:33-34
Inzidenz
Stand 2/2008 ! Keine Berücksichtigung KRAS!
2006 gab es 412 900 Neuerkrankungen an kolorektalem Karzinom in Europa. Dies sind 12,9% aller
Krebserkrankungen. Das KRK ist im Jahre 2006 für 217 400 Todesfälle in Europa verantwortlich. Das entspricht
12,2% aller Todesfälle an Krebs.
Diagnose
Der klinische Verdacht auf eine Metastasierung sollte immer durch entsprechende radiologische Bildgebung
(normalerweise in Form eines CTs) und/oder eine szintigraphische Untersuchung bestätigt werden. Eine
histopathologische oder zytologische Sicherung sollte immer dann angestrebt werden, wenn eine atypische oder sehr
späte Manifestation nach der Primärtumorerkrankung vorliegt. Resektable Metastasen müssen nicht histologisch oder
zytologisch vor einer Resektion gesichert werden. Die Evaluation der Gesamtsituation, Begleiterkrankungen und die
Organfunktionen bestimmen die therapeutische Strategie.
Staging
In Hinblick auf die Identifizierung der Patienten mit potentiell kurativem chirurgischem Therapieansatz sollte das
Staging die körperliche Untersuchung des Patienten, Blutbildwerte, Leber- und Nierenfunktionstests, CEABestimmung, Röntgen- Thorax und eine CT des Abdomens beinhalten. Der Allgemeinzustand und der LDH-Spiegel
sind die stärksten individuellen Prognosefaktoren.
Ein CT der Thoraxorgane und weitere klinisch erforderliche Untersuchungen sind vor einem größeren abdominellen
chirurgischen Eingriff mit kurativer Zielsetzung notwendig. Ein FDG-PET kann zusätzliche Informationen über
weitere eindeutige Läsionen vor Resektion bei einer metastasierten Erkrankung vermitteln oder neue Läsionen im
Falle einer geplanten Metastasenresektion identifizieren.
Das Vorgehen sollte aus einer multidisziplinären Perspektive diskutiert werden.
Behandlung
Eine chirurgische Intervention sollte bei solitären oder begrenzten Leber- oder Lungenmetastasen in Erwägung
gezogen werden. Langzeitüberleben kann in erfahrenen Händen erzielt werden.
Bei Patienten mit resektablen Lebermetastasen verbessert eine perioperative Kombinationschemotherapie mit 5FU/Leukovorin/Oxaliplatin das Ergebnis (verbessertes progressionsfreies Überleben). Initial nicht resektable
Lebermetastasen können nach Downsizing durch Chemotherapie resektabel werden.
Eine palliative First-line-Chemotherapie sollte frühzeitig in Erwägung gezogen werden und
5-Fluorouracil (i.v. 5-FU oder orale Fluoropyrimidine) in verschiedenen Kombinationen und Schedules beinhalten.
Die Gabe als Infusion ist generell weniger toxisch als Bolus-Regime. Das orale Fluoropyrimidin Capecitabine und
UFT/LV sind Alternativen zu Bolus-5-FU/Folinsäure als Monotherapie
Eine kombinierte Chemotherapie mit 5-FU/LV/Oxaliplatin (FOLFOX-Regime) oder 5-FU/LV/Irinotecan (FOLFIRIRegime) zeigt bessere Überlebensraten als 5-FU/LV. FOLFOX und FOLFIRI haben eine ähnliche Aktivität, aber ein
unterschiedliches Toxizitätsprofil. Die Kombination von Capecitabine/Irinotecan ist etwas toxischer als 5FU/Folinsäure/Irinotecan.
Die Dauer der Chemotherapie beim metastasierten KRK bleibt kontrovers. Behandlungsunterbrechungen der
Kombinationschemotherapie können erwogen werden, insbesondere dann, wenn es zu einer kumulativen Toxizität
kommt und wenn die Krankheitskontrolle erreicht ist.
Eine Erhaltungstherapie mit Fluoropyrimidinen kann erwogen werden, wenn eine Unterbrechung der
Kombinationschemotherapie geplant ist. Eine Reinduktion der Kombinationschemotherapie ist normalerweise im
Falle der Progression indiziert.
Eine Second-line-Chemotherapie sollte bei Patienten mit gutem Allgemeinzustand eingesetzt werden. Bei Patienten,
die auf FOLFOX refraktär sind, kann ein Irinotecan-basiertes Regime in der second-line Behandlung zum Einsatz
kommen. Patienten, die refraktär auf FOLFIRI sind, kann FOLFOX als second-lins-behandlung angeboten werden.
Der Einsatz monoklonaler Antikörper gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) und den
epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) in Kombination mit einer Chemotherapie sollte bei ausgewählten
Patienten mit metastasiertem KRK erwogen werden.
Bevacizumab erhöht das Gesamtüberleben und das progressionsfreie Überleben in der Erstlinien-Behandlung in
Kombination mit einem Irinotecan-haltigen Regime und das progressionsfreie Überleben in der Kombination mit
Fluoropyrimidin und Oxaliplatin. Cetuximab und Panitumumab sind als Monosubstanzen
bei
chemotherapierefraktärem KRK aktiv. Die Kombination von Cetuximab mit Irinotecan ist aktiver als eine
Cetuximab-Monotherapie.
Die Antikörper gegen VEGF und EGFR haben ein spezifisches Nebenwirkungsprofil.
Evaluation des Ansprechens
Anamnese, körperliche Untersuchung, CEA, wenn initial erhöht, und ein CT der betroffenen Region werden 2-3
Monate nach Beginn der palliativen Chemotherapie empfohlen.
282
Metastasierte kolorektale Karzinome
Therapeutisches Vorgehen I, S3-Leitlinie 2004/2008
Definition von Subgruppen nach klinischen Situationen/Therapiezielen
I. Patienten mit primär resektablen Leber- und/oder Lungenmetastasen
II. Patienten mit einer Indikation für eine intensivierte systemische Therapie
1. Patienten mit Leber- und/oder Lungenmetastasen, potenziell resektabel nach Ansprechen auf neoadjuvante
Therapie und klinisch operable Patienten
2. Patienten mit tumorbedingten Symptomen, Organkomplikationen oder rascher Progress
III. Patienten mit der Möglichkeit für eine weniger intensive Therapie
1. Patienten mit multiplen Metastasen ohne Option für Resektion nach Metastasenrückbildung, ohne
tumorbezogene Symptome oder Organkomplikationen und/oder schwerer Komorbidität.
Starker Konsens.
Patienten mit primär resektablen Leber- und/oder Lungenmetastasen
Primär resektable Lungenmetastasen
Resektable Lungenmetastasen sollen reseziert werden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens
Primär resektable Lebermetastasen
Definition: Resektable Lebermetastasen liegen vor, wenn
ƒ Eine nicht resektable extrahepatische Tumormanifestation ausgeschlossen ist,
ƒ Weniger als 70% des Parenchyms befallen sind,
ƒ Weniger als 3 Lebervenen und weniger als 7 Segmente betroffen sind
ƒ Keine Leberinsuffizienz oder Child-B- oder -C-Zirrhose vorhanden ist,
ƒ Keine schwerwiegenden Begleiterkrankungen vorliegen.
Auf die Leber beschränkte R0-resektable Metastasen sollen reseziert werden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.
Die Resektabilität von Metastasen soll durch einen in der Metastasenchirurgie erfahrenen Chirurgen beurteilt werden.
Starker Konsens.
Präoperative Bildgebung
Bei Patienten mit Lebermetastasen und einem Fong-Score >2 sollte präoperativ ein FDG-PET-CT durchgeführt
werden, da dies in etwa 25% der Patienten, bedingt durch den Nachweis weiterer Metastasen, eine Änderung der
therapeutischen Strategie zur Folge hat.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens.
Perioperative Therapie primär resektabler Lebermetastasen
Eine neoadjuvante systemische Therapie resektabler Lebermetastasen kann in begründeten Ausnahmefällen erwogen
werden.
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 3, starker Konsens.
Adjuvante Therapie resektabler Lebermetastasen
Nach R0-Resektion synchroner oder metachroner Lebermetastasen kann eine adjuvante Chemotherapie erwogen
werden.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2, starker Konsens.
Klinische Gruppen II und III
Indikation für eine systemische Therapie – Allgemeine Empfehlungen
Eine medikamentöse Tumortherapie ist grundsätzlich indiziert, da ein Überlebensvorteil nachgewiesen ist.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.
Besteht die Indikation zu einer medikamentösen Tumortherapie, so soll diese zum Zeitpunkt des Nachweises der
Metastasen unabhängig von metastasenbezogenen Symptomen eingeleitet werden. Bei der Indikationsstellung sind
mögliche Kontraindikationen zu berücksichtigen. Alter per se stellt keine Kontraindikation dar.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.
Bei Indikation zur systemischen Therapie (z. B. inoperable Leber-/Lungenfiliae) kann der Primärtumor belassen
werden. Ausnahmen können ein symptomatisch stenosierendes Tumorwachstum und/oder eine Hb-relevante Blutung
sein.
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
Grundsätzlich sollen die Patienten im Laufe ihrer Therapie Zugang zu allen verfügbaren Medikamenten haben.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 5.
283
Metastasierte kolorektale Karzinome
Therapeutisches Vorgehen II, S3-Leitlinie 2004/2008
Patienten mit einer Indikation für eine intensivierte systemische Therapie
Vorgehen bei isolierten primär irresektablen Lungenmetastasen
Bei primärer Irresektabilität soll eine systemische Chemotherapie erfolgen.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
Vorgehen bei isolierten primär irresektablen Lebermetastasen
Systemische neoadjuvante Therapie
Bei primär irresektablen Lebermetastasen soll eine systemische Therapie begonnen werden. Wichtig ist die
regelmässige Evaluation einer möglichen sekundären Resektabilität nach Remissionsinduktion. Ist das Therapieziel
die Remissionsinduktion mit sekundärer Metastasenresektion, dann soll primär die effektivs.te jeweils verfügbare
systemische Kombinationstherapie angewandt werden (intensivierte Therapie).
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
Chemotherapiefolgen auf das gesunde Lebergewebe und Metastasenlokalisation
Die Hepatotoxizität verschiedener Protokolle, z.B. „Blue liver“/Chemotherapie-assoziierte Steatohepatitis (CASH),
sollte dabei in die differenzialtherapeutische Entscheidung und OP-Planung miteinbezogen werden.
Empfehlungsgrad : B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens.
Intraoperativ sollte eine Exploration der Leber anhand der Metastasenlokalisation in der Ausgangsbildgebung
erfolgen. Es sollte eine chirurgische Therapie aller Ausgangsläsionen angestrebt werden.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.
Lokoregionäre Therapieverfahren
Der Nutzen einer lokalen Behandlung (z.B. Lasertherapie, Radiofrequenzablation und stereotaktische Radiotherapie)
bezogen auf das Überleben ist nicht erwiesen.
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 4, Konsens.
Für den Einsatz von SIRT (selektive internal radiation therapy) und HAI (hepatic arterial infusion) besteht außerhalb
von Studien keine Indikation.
Konsens.
Patienten mit einer Indikation für eine intensivierte palliative Therapie
Patienten mit tumorbedingten Symptomen, Organkomplikationen oder raschem Progress sollten unter
Berücksichtigung des Allgemeinzustands des Patienten eine möglichst effektive Kombinationstherapie erhalten
(intensivierte Therapie).
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 5, starker Konsens.
Patienten mit der Möglichkeit für eine weniger intensive Therapie
Bei Patienten mit multiplen Metastasen ohne Option für Resektion nach Metastasenrückbildung ohne tumorbezogene
Symptome oder Organkomplikationen und/oder schwerer Komorbidität kann eine Monotherapie als
Erstlinientherapie eingesetzt werden.
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1, starker Konsens.
Für den Fall, dass eine Fluoropyrmidin-Monotherapie gegeben wird, sollte eine orale der intravenösen 5-FU-Gabe
vorgezogen werden.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens.
Chemotherapieprotokolle in der Zweit- und Drittlinientherapie
Aufgrund unzureichender Evidenz soll mit Ausnahme der Fluoropyrimidine oder der Gabe von Irinotecan in
Kombination mit Cetuximab nach Versagen einer irinotecanhaltigen Therapie keines der oben beschriebenen
Therapeutika nach dokumentiertem Progress unter Therapie weiter appliziert werden. Dies gilt auch für Cetuximab
und Bevacizumab.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2, starker Konsens.
Nicht hepatische oder nicht pulmonale Fernmetastasen
Peritonektomie und hypertherme abdominale Perfusion können bei nicht ausreichender Studienlage derzeit nicht
empfohlen werden
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
284
Metastasierte kolorektale Karzinome
Therapiestrategie, Chemotherapie
Die zunehmende Zahl an neuen Substanzen in der Therapie des metastasierten Kolorektalen Karzinoms (KRK)
erhöht die Möglichkeiten für Kombinations- und sequentielle Therapien. Durch die Integration von Oxaliplatin,
Irinotecan und der oralen Fluoropyrimidine als konventionelle Chemotherapie sowie die Verfügbarkeit der neuen
molekularen Substanzen Bevacizumab und Cetuximab hat sich die Prognose der Patienten bedeutend verbessert. In
der metastasierten Situation beträgt die Ansprechrate auf eine Primärtherapie um 50%, die Zeit bis zur Progression 9
Monate und mehr, und das Gesamtüberleben häufig mehr als 2 Jahre.
Definition des Therapieziels
Durch die Resektion von Lungen- und/oder Lebermetastasen ist bei ca. 30% der Operierten ein Langzeitüberleben
möglich und zwar unabhängig davon, ob diese Resektion primär oder erst nach „Downsizing“ durch eine
Chemotherapie erfolgt ist. Somit vollzieht sich ein Wandel der Behandlung von einer palliativen zu einer potentiell
kurativen Therapie (siehe auch Therapiestrategie Lebermetastasen).
Die Intensität der Primärtherapie hängt ab vom Therapieziel und individuellen Kriterien, insbesondere
Komorbiditäten.
Therapieziele können sein:
ƒ Kuration bei sekundärer Metastasenresektion
ƒ Rasche maximale Remission bei tumorbedingten Symptomen und drohenden Organkomplikationen
ƒ gute Lebensqualität und möglichst lange Überlebenszeit.
Therapiestrategie
Metastasiertes KRK
R0-resektabel,
guter Prognosescore
Lebermetastasen
Sekundäre Resektion möglich
Klinische Operabilität
Tumorbedingte Symptome
Rascher Progress, hohe Tumorlast
Drohende Organkomplikationen
Multiple Metastasen
Keine Resektion möglich
Langsamer Tumorprogress
Schwere Komorbidität
Hohes biologisches Alter
Primäre Resektion
Intensive Primärtherapie
Sekundäre Resektion wenn möglich
Sequentielle eskalierende
Therapie möglich
siehe auch Therapiestrategie
Therapieziel: Maximale rasche Remission, sekundäre Metastasenresektion
Bei Patienten mit potenziell kurativem Ansatz durch eine Metastasenresektion sollte auf jeden Fall eine maximal
remissionsinduzierende, aktive Therapie gewählt werden (siehe auch Therapiestrategie Lebermetastasen). Mit einer
intensiven Primärtherapie sollte auch bei Patienten mit tumorbedingten Symptomen, hoher Tumorlast, raschem
Progress sowie drohenden Organkomplikationen begonnen werden.
Hochaktive Therapieprotokolle sind derzeit:
ƒ FOLFOXIRI (FOLFIRI + Oxaliplatin, Falcone 2007)
ƒ FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI (Dosisreduktion) + Bevacizumab
ƒ FOLFIRI oder FOLFOX + Cetuximab (nur bei KRAS-Wildtyp)
Alle Kombinationen sind aktiv und mittlerweile für die First-line-Behandlung zugelassen, wobei Cetuximab nur
Wirksamkeit und Zulassung beim KRAS-Wildtyp besitzt.
Die Kombinationen unterscheiden sich bezüglich des Ansprechens, der Toxizität und der Kosten.
ƒ 3er-Chemotherapiekombination: Hohe Remissionsraten von 60%, hohe Rate an sekundären Leberresektionen,
erhöhte, aber tolerable Toxizität, kleine Datenbasis, eher kostengünstig.
ƒ Bevacizumab-Kombinationen: größte Datenbasis in Phase-III-Studien, konstantes progressionsfreies Überleben
von 10 Monaten und mehr, Responseraten „nur“ bei 40-50% (Ausnahme Hurwitz-Studie bei KRAS-Wildtyp 60%),
Wirksamkeit der Therapie unabhängig vom KRAS-Status, Abnahme von viablen Tumorzellen bei Resektion, keine
symptomatische Toxizität.
ƒ Cetuximab-Kombinationen: Hohe Responseraten, bevorzugter Einsatz, wenn eine Tumorgrößenabnahme
erforderlich ist (Metastasengrößenreduktion, symptomatischer Patient), Wirksamkeit nur bei KRAS-Wildtyp,
symptomatische Toxizität (Hauttoxizität).
285
Metastasierte kolorektale Karzinome
Palliative Chemotherapie, Therapiesequenz
Intensive Primärtherapie
Patienten, bei denen eine sekundäre Resektion möglich erscheint und die einen potentiell kurativen Ansatz haben,
sollten die aktivs.te zur Verfügung stehende Therapie derzeit bestehend aus 3 aktiven Substanzen erhalten (siehe
vorherige Seite und Therapiestrategie Lebermetastasen).
Mit einer intensiven Primärtherapie sollte auch bei Patienten mit tumorbedingten Symptomen, hoher Tumorlast,
raschem Progress sowie drohenden Organkomplikationen begonnen werden. Auch bei Patienten mit tumorbedingt
schlechtem Allgemeinzustand sollte eine intensive Kombination verwendet werden, da gerade diese Patienten
überproportional von einer aktiven Chemotherapie profitieren.
Für die Wahl der Therapie und der möglichen Sequenzen ist die Kenntnis des KRAS-Status entscheidend, da die
EGFR-Antikörper Cetuximab und Panitumumab bei einer KRAS-Mutation nicht wirksam sind und nicht zum Einsatz
kommen dürfen.
Capecitabine (Xeloda®) ist mit allen gängigen Chemotherapien und mit Bevacizumab in der Therapie des
metastasierten KRK zugelassen und entspricht in der Wirksamkeit den 5-FU-Infusionsschemata. In Kombination mit
Irinotecan muss wegen erhöhter Toxizität die Capecitabindosis um 20% reduziert werden. 5-FU-Bolusschemata sind
wegen höherer Toxizität obsolet.
Bevacizumab sollte derzeit aufgrund noch unzureichender Evidenz nicht über den Progress hinaus weitergeführt
werden. Zur Klärung dieser wichtigen Frage können die Patienten in die AIO-Studie KRK 0504 eingebracht werden.
Folgende mögliche Therapiesequenzen entsprechen dem Zulassungsstatus der einzelnen Substanzen.
KRAS-Wildtyp - Intensive Therapie - Mögliche Therapiesequenz
Erstlinientherapie
FOLFIRI/XELIRI
+ Bevacizumab
Zweitlinientherapie
FOLFOX/ oder Irinotecan
XELOX
+ Cetuximab
Drittlinientherapie
Cetux+Iri od.
Panitumumab
mono
FOLFOX
Viertlinientherapie
FOLFOX/XELOX
+ Bevacizumab
FOLFIRI
+ Cetuximab
FOLFOX
+ Cetuximab
FOLFIRI/
XELIRI
FOLFOX +
Bevacizumab
FOLFIRI +
Bevacizumab
Cetux + Iri od.
Panitumumab
mono
Mitomycin ± 5-FU/Folinsäure
Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen immer Metastasenresektion oder ein ablatives Verfahren in
Erwägung ziehen, da hierdurch Verlängerung des therapiefreien Intervalls möglich.
KRAS-Mutation - Intensive Therapie - Mögliche Therapiesequenz
Erstlinientherapie
FOLFIRI/XELIRI
+ Bevacizumab
FOLFOX/XELOX
+ Bevacizumab
FOLFOXIRI*
Zweitlinientherapie
FOLFOX/
XELOX
FOLFIRI/
XELIRI
Capectabin/5-FU
+ Bevacizumab
Drittlinientherapie
Mitomycin ± 5-FU/Folinsäure
*Einsatz vor potentieller Metastasenresektion
Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen immer Metastasenresektion oder ein ablatives Verfahren in
Erwägung ziehen, da hierdurch Verlängerung des therapiefreien Intervalls möglich.
286
Metastasierte kolorektale Karzinome
Palliative Chemotherapie, Therapiesequenz
Wenig intensive Primärtherapie, eskalierende Therapiesequenz
Für Patienten, bei denen multiple Metastasen bestehen, die auch bei sehr guter Remission sicher nicht für eine
sekundäre Resektion in Frage kommen, die nicht symptomatisch sind und keine hohe Tumorlast haben, schwere
Komorbiditäten aufweisen oder ein hohes biologisches Alter haben, kann auch eine wenig intensive Primärtherapie
gewählt werden.
Mehrere Untersuchungen zeigen, dass auch der Beginn mit einer Monotherapie gefolgt von einem eskalierenden
Vorgehen, eine Therapieoption darstellt. Für die Kombination von Bevacizumab mit 5-FU/Folinsäure bzw.
Capecitabin ergeben sich zwar keine hohen Ansprechraten, jedoch ein progressionsfreies Intervall von immerhin 9
Monaten bei symptomatisch sehr geringer Toxizität.
Die Focus-Studie mit 2100 Patienten konnte zeigen, dass eine primär intensivere Therapie gegenüber einem
sequentiellen Vorgehen keinen Vorteil im Hinblick auf das Gesamtüberleben bringt. Eine Meta-Analyse von
verschiedenen Phase-3-Studien erbrachte, dass das mediane Überleben in klinischen Studien davon abhängt, welcher
Anteil von Patienten im Verlaufe der Behandlung alle aktiven Chemotherapie-Medikamente erhalten hat (Grothey A. et
al., J Clin Oncol 2004; 22:1209-1214). Eine Präferenz für ein bestimmtes Schema lässt sich nicht ableiten; wichtig ist nur,
dass die Patienten irgendwann alle Medikamente erhalten.
Wenig intensive Primärtherapie. Mögliche Therapiesequenz
Erstlinientherapie
Capecitabin od. 5FU-LV-inf.
+ Bevacizumab
Zweitlinientherapie
FOLFIRI/
XELIRI
Drittlinientherapie
Cetuximab
+ Irinotecan *
Viertlinientherapie
FOLFOX/
XELOX
Fünftlinientherapie
od.
od.
FOLFOX/
XELOX
FOLFOX/
XELOX
FOLFIRI/
XELIRI
Nur bei KRAS-Wildtyp:
Cetuximab + Irinotecan oder Panitumumab mono
Mitomycin C ± 5-FU/Folinsäure
* nur bei KRAS-Wildtyp
Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen immer Metastasenresektion oder ein ablatives Verfahren
in Erwägung ziehen, da hierdurch Verlängerung des therapiefreien Intervalls möglich.
Intensive versus wenig intensive sequentielle Therapie
Für eine primär intensive Kombinationstherapie mit den neuen molekularen Substanzen Bevacizumab und
Cetuximab sprechen trotz der Möglichkeit einer sequentiellen, eskalierenden Therapie mehrere Gründe:
- Oft ist primär nicht zu entscheiden, ob eventuell doch eine sekundäre Resektion möglich ist.
- In allen Studien zur Therapieintensivierung war das progressionsfreie Überleben signifikant länger und das
Gesamtüberleben tendenziell besser.
- Unter einer primär intensiven Therapie erhalten in der Regel mehr Patienten alle verfügbaren Substanzen und
haben deshalb eine bessere Prognose als unter einer sequentiellen Therapie.
- Bei rascher Progression mit hoher 60 Tage-Mortalität ist eine Zweit- und Drittlinientherapie nicht mehr möglich.
- Patienten mit tumorbedingt schlechtem Allgemeinzustand profitieren von einer intensiven
Chemotherapiekombination überproportional.
Unklar ist bisher, ob die Targeted Therapie auch über den Progress hinaus weitergeführt werden sollte. Die Frage
„Treatment Beyond Progression“ wird derzeit von der AIO-Studie KRK 0504 untersucht. Außerhalb von Studien
sollte keine Behandlung über den Progress hinaus erfolgen.
287
Metastasierte kolorektale Karzinome
Palliative Chemotherapie, Therapiedauer, Therapiepause
Bisher war es bei der Therapie des metastasierenden KRK üblich, eine Therapie bis zur Progression fortzuführen. Mit
der Einführung insbesondere der molekularen Substanzen sind die Zeiten bis zur Progression häufig so lange, dass es
vorher zu einer limitierenden Toxizität, z.B. Neuropathie unter Oxaliplatin, kommt. In allen Phase-III-Studien der
letzten Jahre haben mehr als 50% aller Patienten die Therapie aus anderen Gründen als wegen Tumorprogression,
nämlich wegen Toxizität oder geplanter Therapiedeeskalation, unterbrochen.
Die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens und damit verlängerte Therapiezeiten erfordern neue Strategien.
Pause toxische Substanz
Die OPTIMOX1-Studie konnte zeigen, dass es bei Oxaliplatin-haltigen Kombinationen möglich ist, die toxische
Substanz, nämlich Oxaliplatin, geplant nach 3 Monaten abzusetzen und eine Erhaltungstherapie mit 5-FU/Folinsäure
weiterzuführen. Bei Progression wurde Oxaliplatin reinduziert und führte bei der Mehrzahl der Patienten zu einem
erneuten Ansprechen. Das progressionsfreie Gesamtüberleben war nicht signifikant unterschiedlich bei der „STOPand-GO“-Strategie gegenüber der konventionellen Strategie.
Die CONcePT-Studie (Grothey ASCO 2008) ist bisher die einzige Studie, die eine Targeted Therapie, nämlich
Bevacizumab, in eine Deeskalationsstrategie integrierte. Aufbauend auf den OPTIMOX-Studien konnte sie zeigen,
dass Patienten, die eine Oxaliplatin/5-FU/Bevacizumab-Therapie erhalten, von der diskontinuierlichen Gabe von
Oxaliplatin profitieren. Die Patienten, bei denen Oxaliplatin ausgesetzt und nur 5-FU/Bevacizumab als
„Erhaltungstherapie“ weitergeführt wurde, hatten nicht nur weniger Polyneuropathie, sondern auch eine längere Zeit
bis zum Therapieversagen bzw. ein längeres progressionsfreies Intervall.
Komplette Therapiepause
Die Frage nach einer kompletten Therapiepause für eine Oxaliplatin-haltige Chemotherapie wurde in der
OPTIMOX2-Studie untersucht. Nachdem sich zunächst zeigte, dass die Dauer der Krankheitskontrolle (siehe Seite
OPTIMOX1 und 2) nicht signifikant unterschiedlich war zwischen dem Arm mit der kompletten Pause (OPTIMOX2Arm) und dem OPTIMOX1-Arm mit einer Pause nur für die toxische Substanz, erbrachten die auf dem ASCO 2007
vorgestellten Überlebensdaten einen erheblichen Unterschied. Das mediane Überleben war im OPTIMOX1-Arm mit
26 versus 19 Monaten um 7 Monate länger als im OPTIMOX2-Arm mit komplettem Chemotherapiestop. Auch wenn
für die Patienten eine chemotherapiefreie Zeit von 4 Monaten resultierte, kann angesichts des erheblich schlechteren
Gesamtüberlebens eine komplette Therapiepause für Oxaliplatin-haltige Protokolle nicht generell empfohlen werden.
Eine aktuelle retrospektive Analyse aller Patienten in den beiden OPTIMOX-Studien (Perez-Staub ASCO 2008)
zeigte jedoch, dass, wenn ein komplett chemotherapiefreies Intervall angestrebt wird, die optimale
Chemotherapiedauer vor der Pause mindestens 6 Monate betragen sollte.
Für Irinotecan-haltige Kombinationstherapien, die kein so großes Problem mit der kumulativen Toxizität wie
Oxaliplatin besitzen, wurde die Frage nach einer geplanten Therapiepause von der italienischen GISCADStudiengruppe untersucht. Der Wechsel zwischen 2 Monaten FOLFIRI-Therapie, 2 Monaten Pause, 2 Monate
FOLFIRI usw. führte zu einem nicht unterschiedlichen progressionsfreien sowie Gesamt-Überleben im Vergleich zu
der kontinuierlichen Gabe. Der Vorteil dieses Vorgehens ist eine echte chemotherapiefreie Zeit für die Patienten.
Geplante Studie zur Frage Erhaltungstherapie
Die Frage der Wertigkeit einer deeskalierten Erhaltungstherapie soll in der geplanten AIO-Studie KRK 02/07 geklärt
werden. Nach einer Induktionstherapie mit FOLFOX oder XELOX plus Bevacizumab über 24 Wochen, wobei bei
Toxizität Oxaliplatin eventuell auch früher ausgesetzt werden muss, erfolgt eine Randomisierung zwischen einer
kompletten Chemotherapiepause und der Fortführung einer deeskalierten Erhaltungstherapie mit 5-FU/Capecitabin
plus Bevacizumab oder Bevacizumab alleine. Bei Progression ist die Reinduktion der kompletten Induktionstherapie
wieder vorgesehen.
Vorgehen außerhalb von Studien
Letztendlich ist die Frage der optimalen Chemotherapiedauer und der Erhaltungstherapie bisher nicht geklärt.
Außerhalb von Studien kann nach Induktion durch eine intensive Kombination und gutem Ansprechen insbesondere
bei Toxizität nach ca. 3 Monaten eine Deeskalation mit Aussetzen der toxischen Substanz erfolgen. Es sollte dann
aber eine „Erhaltungstherapie“ auf Fluoropyrimidinbasis mit oder ohne Bevacizumab fortgeführt werden. Erfolgt eine
intensive Induktionstherapie über 6 Monate, so kann auf der Basis der OPTIMPOX-Daten auch eine komplette
Therapiepause erfolgen.
Bei Progression in der Therapiepause oder unter der Erhaltungstherapie ist eine Reinduktion d.h. die
Wiederaufnahme der kompletten Chemotherapiekombination, die zuvor zur Remission geführt hat, sinnvoll.
Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen sollte immer erwogen werden, eine Metastasenresektion oder ein
ablatives Verfahren einzusetzen, da hierdurch das therapiefreie Intervall verlängert werden kann.
288
Kolorektale Karzinome
Therapiestudien, AIO, Übersicht
Die Chemotherapie kolorektaler Karzinom sollte vorzugsweise im Rahmen klinischer Studie erfolgen
AIO-Studien Stand 9/2008 (AIO- KRK-Newsletter September 2008) (www.aio-portal.de)
Metastasiertes kolorektales Karzinom, First line-Therapie
AIO KRK 0204 (1st line): Phase I/II Studie: Capecitabin und Oxaliplatin (Xelox) in Kombination mit Cetuximab
und Bevacizumab (Doppeltargeting) in der Erstlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittenem, kolorektalem
Karzinom Cetuximab ab 05.06.2006 ausgesetzt, Studie geschlossen ab 30.6.2008
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, [email protected]
AIO KRK 0105 Phase-II-Studie: Capecitabin + Bevacizumab als first-line-Therapie beim metastasierten
kolorektalen Karzinom Rekrutierung abgeschlossen
Ansprechpartner: Frau K. Hillgart / Frau S. Micheel HELIOS-Klinikum Berlin-Buch,
Tel. 030 9417-1205 /1313, [email protected]
AIO KRK 0306 Phase-II-Studie: FOLFIRI/Cetuximab vs. FOLFIRI/Bevacizumab. Primäres Studienziel:
Vergleich der Ansprechrate beim metastasierten KRK
Ansprechpartner: Prof. Heinemann, München, Tel. 089- 7095-2208 bzw. Studienzentrale der AIO, Tel. 0303229329-33, [email protected]
AIO KRK 0207 Optimale Sequenztherapie : Randomisierte 3-armige Phase-III-Studie mit Induktion FOLFOX
oder XELOX jeweils mit Bevacizumab für 24 Wochen gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Bevacizumab und 5FU/Folinsäure oder Capecitabine vs. Bevacizumab allein vs. keine Erhaltungstherapie und Reinduktion im Falle der
Progression bei unbehandelten Patienten mit metastasiertem KRK
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, [email protected]
OPAL-Studie AIO/Roche Joint Trial: Offene einarmige Phase-II-Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit
und Anwendbarkeit von Bevacizumab im Rahmen einer FOLFOXIRI-Chemotherapie bis zum Fortschreiten der
Erkrankung bei unbehandeltem metastasierten KRK. Studienleiter: Prof. C. Bokemeyer, Hamburg.
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, [email protected]
Metastasiertes KRK, Second line-Therapie
AIO KRK 0504 – Rand. Phase-III-Studie zur Zweitlinien Therapie AIO-IRI / FOLFIRI / CAPIRI / XELIRI +/Bevacizumab bzw. FUFOX / FOLFOX / CAPOX / XELOX +/- Bevacizumab bei Patienten mit metastasiertem
kolorektalen Karzinom nach Progress unter Erstlinientherapie mit Fluoropyrimidin/Oxaliplatin-Bevacizumab bzw.
Fluoropyrimidin/Irinotecan-Bevacizumab
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 0345-557-5752, [email protected]
AIO KRK 0107 – Randomisierte Phase-II-Studie zur Zweitlinientherapie XELOX +/- Panitumumab nach
Vortherapie mit 5-FU/Irinotecan +/- Bevacizumab.
Studienleiter: PD Dr. Grunewald Frankfurt a.M.
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, [email protected]
Adjuvante und neoadjuvante Therapie
PETACC 8: Adjuvant treatment of fully resected stage III colon cancer with FOLFOX-4 + Cetuximab vs.
FOLFOX-4
Geschlossen
Ansprechpartner: Dr. Gunnar Folprecht, Universitätsklinikum Gustav Carus, Onkologische Tagesklinik und
Ambulanz, Fetscherstraße 74, 01307 Dresden, Tel.:+49 – 0351 - 458-4794, Fax: +49 – 0351 - 458-5312,
[email protected]
PETACC 6 (= AIO KRK 0506): Perioperative Therapie des lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinoms T3 oder T4
und/oder N+ mit Capecitabin/Oxaliplatin + RTx versus Oxaliplatin + RTx
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, [email protected]
Rektumkarzinom-Studie der Deutschen-Rektumkarzinom Studiengruppe (CAO/ARO/AIO): Perioperative
Therapie des fortgeschrittenen Rektumkarzinoms mit 5-FU + RTx versus 5-FU/Oxaliplatin +RTx
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, [email protected]
Kolonkarzinom – Erfassung der klinischen Behandlungsrealität
Kolonkarzinom Registry „REAL LIFE“
Kolonkarzinom Registry COFIT – Prospektive Erfassung der Bedeutung von sportlicher und körperlicher Aktivität
auf die Rezidivwahrscheinlichkeit nach Kolonkarzinom OP. (adjuvante Situation) – ein Teilprojekt der
Kolonkarzinom Registry
Kolonkarzinom Registry CONUT – Prospektive Erfassung der Bedeutung der Ernährung auf die Rezidivwahrscheinlichkeit nach Kolonkarzinom OP (adjuvante Situation) – ein Teilprojekt der Kolonkarzinom Registry
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, [email protected]
289
5-FU-Wirkmechanismus
Pharmakokinetik
5-Fluorouracil wurde bereits 1957 entwickelt. Es ist als fluoriniertes Uracil-Analogon ein Prodrug, das erst
intrazellulär zu seinen aktiven Formen, dem 5-Fluorouridintriphosphat (FUTP) und 5-Fluorodesoxyuridinmonophosphat (FdUMP) metabolisiert wird. FdUMP hemmt das Enzym Thymidinsynthase, das wichtig ist für die
DNA-Synthese. FUTP wirkt über einen anderen Mechanismus zytostatisch, indem es einen falschen Einbau von 5FUTP in die DNA bewirkt und damit einen Transkriptionsfehler verursacht.
Somit hat 5-FU drei verschiedene Wirkungen
1.
2.
3.
Hemmung der Thymidylat-Synthase durch 5-FdUMP. Dadurch Erzeugung eines thymidinlosen Zustandes mit
Hemmung der DNA-Synthese.
Fehlerhafter Einbau in die RNA als FUTP.
Einbau in die DNA als FdUMP bzw. FdUTP
Metabolische Aktivierung
5-FU-Wirkung in Abhängigkeit von der Applikationsart
Die Wirkung des 5-FU wird in starkem Maße von der Applikationsart beeinflusst.
i.v.Bolus
(i.v.-Injektion in weniger als 5 min): bewirkt ein rasches Anfluten der Substanz. Es kommt überwiegend zur Bildung
von FUTP, die eine Hemmung der RNA bewirkt.
i.v.-Langzeitinfusion (24h)
überwiegend Bildung von FdUMP und FDUTP.
Beachte
Eine Applikation von mehr als 15 min. Dauer bis zu 2 Stunden führt zur “Verwässerung” der 5-FU-Konzentration
und ist mit einem erheblichen Wirkungsverlust verbunden. Durch in vitro Versuche konnte gezeigt werden, dass 5FU bei Kolonkarzinomzellen, die gegen eine kurzzeitige 5-FU-Exposition resistent waren, bei einer längeren
Einwirkzeit noch eine zytostatische Wirkung besitzt. Aufgrund dieser Ergebnisse wurden verschiedene
Therapieschemata mit einer kontinuierlichen Langzeitapplikation ( 24 Std. bis mehrere Wochen ) von 5-FU als
Monotherapie oder in Kombination mit Leucovorin entwickelt.
Skippingmutation im DPD-Gen
Ein sehr kleiner Teil von Patienten reagiert nach 5-FU mit einer exzessiven, oft tödlich verlaufenden Toxizität.
Verantwortlich dafür ist eine angeborene Exon-14-Skipping-Mutation. Vielfach wird die DPD-Bestimmung als
prätherapeutisches Screening empfohlen. Mit den derzeit verfügbaren Tests wird jedoch nur ein kleiner Teil der
betroffenen Patienten erfasst. Der Test ist insgesamt nur bei ca. < 0,5-1,0% der Patienten als positiv zu erwarten.
Wegen der Unsicherheit der Tests in Bezug auf Prädiktion und therapeutische Relevanz wird derzeit ein DPDScreening außerhalb von Studien nicht als Standard empfohlen. Sollte es aber zu einer inadäquaten Toxizität unter
der 5-FU-Behandlung kommen, sollte eine DPD-Diagnostik durchgeführt werden. Diese kann mit einer PCRgestützten Routinediagnostik aus EDTA-Blut nachgewiesen werden.
290
Capecitabin
Wirkung, Dosierung
Xeloda® ist in Deutschland zur adjuvanten Behandlung des Kolonkarzinoms im Stadium III sowie zur
Behandlung des metastasierten KRK zugelassen. Außerdem besteht eine Zulassung für die first-line-Therapie
des fortgeschrittenen Magenkarzinoms in Kombination mit einem platinhaltigen Schema. Darüber hinaus
besteht eine Zulassung für Xeloda® als Monosubstanz zur Behandlung des Mammakarzinoms nach
Anthrazyklin- und Taxanversagen sowie in Kombination mit Docetaxel zur Behandlung des lokal
fortgeschrittenen oder metastasierenden Mammakarzinom nach Versagen einer zytotoxischen Chemotherapie
bzw. wenn eine weitere Anthrazyklinhaltige Therapie nicht angezeigt ist.
Pharmakokinetik
Capecitabin ist ein orales Fluoropyrimidin, ein Prodrug, aus dem letztendlich 5-FU freigesetzt wird.
Nach oraler Einnahme wird Capecitabin über einen Drei-Schritt-Mechanismus in aktives 5-FU überführt. Der
letzte Aktivierungsschritt erfolgt über das Enzym Thymidinphosphorylase. Diese wird vor allem im
Tumorgewebe exprimiert, so dass vermutlich eine selektive Aktivierung von 5-FU in Tumoren erfolgt.
Toxizität
Dosislimitierende Toxizitäten sind das Hand-Fuß-Syndrom (Schmerzen, Rötung und Schwellungen an Händen
und/oder Füssen) sowie die Diarrhoe. Übelkeit, Erbrechen sowie die Hämatotoxizität sind eher gering
ausgeprägt. Eine Kreatinin-Clearance < 30 ml/min stellt eine Kontraindikation dar. Bei einer KreatininClearance zwischen 30-50 ml wird eine Dosisreduktion auf 75% empfohlen, da sonst mit erheblich verstärkten
Nebenwirkungen zu rechnen ist.
Die Patienten sollten angewiesen werden, die Einnahme bei folgenden Symptomen zu unterbrechen und den
behandelnden Onkologen aufzusuchen:
¾ Durchfall mehr als 4 mal am Tag
¾ Erbrechen mehr als 1mal am Tag
¾ Fieber über 38°C
¾ Schmerzen, Rötungen und Schwellungen an Händen oder Füssen
¾ Mundschleimhautentzündung.
Dosierung
Tagesdosis:
2500 mg/m² p.o. verteilt auf 2 Gaben von je 1250 mg/m² im Abstand 12 Stunden.
Einnahme der Tabletten innerhalb von 30 Minuten nach einer Mahlzeit mit Wasser.
Therapiedauer: Tag 1 -14, dann 7-tägige Therapiepause und Wiederholung ab Tag 22.
Studienergebnisse
In zwei großen multizentrischen Phase-III-Studien erhielten insgesamt 1207 Patienten als first-line-Therapie bei
metastasierendem CRC entweder Capecitabin oral (2500 mg/m²/d über 14 Tage mit anschließend einer Woche
Pause) oder das Mayo-Clinic-Schema i.v. Die gepoolten Daten zeigten ein signifikant besseres Ansprechen für
Capecitabin (ORR = 25,7% vs. 16,7%) Die Zeit bis zur Progression und das mediane Überleben unterschieden
sich nicht signifikant (TTP 4,6 vs. 4,7 Monate). Auch erwies sich Capecitabin als besser verträglich. Grad-3/4Mukositiden und -Leukopenien traten deutlich seltener auf (C. Twelves et al., European Journal of Cancer 38:15-20, 2002).
Die charakteristische Nebenwirkung des Capecitabin, das Hand-Fuß-Syndrom, wurde in ausgeprägter Form bei
17% der Patienten beobachtet.
Diese Studien führten zur Zulassung von Xeloda sowohl in den USA als auch in Europa.
Bei einer europäischen Phase-II-Studie mit 109 Patienten waren zuvor 3 verschiedene Capecitabin-Dosierungen
(2510 mg/m²/d intermittierend, 1331 mg/m²/d kontinuierlich und 1657 mg/m²/d + 60 mg Folinsäure p.o.
intermittierend) verglichen worden. Die intermittierende Gabe von 2510 mg/m²/d hatte die längste Zeit bis zur
Progression (TTP 230 Tage), die Folinsäure erhöhte die Toxizität, ohne das Ansprechen zu verbessern (Van
Cutsem et al., JCO 2000:18,1037-45).
Siehe auch X-ACT-Studie adjuvante Chemotherapie
291
UFT/Folinsäure
Pharmakokinetik
UFT® ist als orale Chemotherapie seit 2002 zur First-line-Therapie des metastasierten CRC in
Kombination mit Calciumfolinat zugelassen.
UFT ist eine Kombination aus dem 5-FU-Prodrug Tegafur und Uracil in einem molaren Verhältnis von
1:4. Die Zugabe von Calciumfolinat führt zu einer Verstärkung der Wirksamkeit.
Pharmakokinetik
Nach oraler Applikation erfolgt die Umwandlung von Tegafur in der Leber. Durch Uracil wird der
Abbau von 5-FU gehemmt. Die Bioverfügbarkeit ist 100% nach oraler Gabe. Die Abbauprodukte
werden vorwiegend als CO2 abgeatmet, zu einem geringen Anteil wird Tegafur unverändert im Harn
ausgeschieden. Die Halbwertszeit beträgt dosisabhängig ca. 9 Stunden. Therapeutische Spiegel von 5FU gelten für 8-12 Stunden als gesichert. Durch Calciumfolinat kommt es zu einer verstärkten
Hemmung der Thymidilatsynthetase und damit zur Hemmung der DNA-Synthese.
Dosierung
Tegafur 300mg/m2/Tag
Calciumfolinat 90 mg/Tag
d 1-28
d 1-28
Wiederholung Tag 36
Tägliche Anzahl der Kapseln bezogen auf die Körperoberfläche (KO)
KO (m2)
1,17 -1,49
1,50 -1,83
>1,83
Generell
UFT®-Kps pro Tag
Verschreibung
Tägliches Einnahmeschema
morgens
nachmittags
abends
4
2
1
1
UFT® 4
®
5
2
2
1
UFT 5
6
2
2
2
UFT® 6
Zusätzlich je zwei Tabletten Calciumfolinat à 15 mg (insgesamt 90 mg/Tag)
Calciumfolinat-Tbl./Tag: 6
2
2
2
Die Tagesdosis sollte mit einem Abstand von mindestens einer Stunde vor oder nach einer Mahlzeit
eingenommen werden.
Studienergebnisse
Zwei randomisierte Phase-III-Studien verglichen UFT + Folinsäure (UFT/FS) mit dem Mayo-ClinicSchema beim metastasiertem KRK (Douillard JY et al. JCO 2002; 20:3605-16 und Carmicheal J. et al. JCO 2002; 20:361727). UFT/Calciumfolinat zeigte gegenüber dem Mayo-Clinic-Schema keine signifikanten Unterschiede
in der Remissionsrate, dem progressionsfreien Intervall (TTP) und der Überlebenszeit (ÜLZ) der
Patienten. Die Ansprechraten für UFT/FS waren mit 11,7 und 10,5% recht niedrig. Zu berücksichtigen
ist auch, dass UFT in der Carmicheal-Studie mit einem 5-wöchentlichen 5-FU/FS-Schema, also einem
modifizierten Mayo-Clinic-Schema mit geringerer Dosisdichte, verglichen wurde. Die Verträglichkeit
der oralen UFT/FS-Kombination war signifikant besser als die i.v. 5-FU/FS-Therapie. Diarrhoe und
Übelkeit/Erbrechen waren unter beiden Regimen ähnlich. Mucositis, Leukopenie und febrile
Neutropenie waren im UFT-Arm jedoch geringer. Ein Hand-Fuß-Syndrom Grad III trat unter UFT
nicht auf.
Studie
Douillard 2002; n = 816 (UFT/FS vs. Mayo-Regime)
A: UFT 300 mg/m2 p.o./Tag + FS 75 od. 90 mg/Tag, T1-28, q5w
B: 5-FU 425 mg/m2 + FS 20 mg/m2 i.v. T1-5, q4w
Carmicheal 2002; n = 380 (UFT/FS vs. Mayo-Regime)
A: UFT 300 mg/m2 p.o./Tag + FS 90 mg/Tag, T1-28, q5w
B: 5-FU 425 mg/m2 + FS 20 mg/m2 i.v. T1-5, q5w
292
Ansprechrate
TTP
ÜLZ
11,7%
14,5%
3,8 Mon.
3,5 Mon
12,4 Mon.
13,4 Mon.
10,5 %
9%
3,4 Mon.
3,3 Mon.
12,2 Mon.
10,3 Mon.
Folinsäure
l- und d, l-Folinsäure
Aktivitätssteigerung der 5-FU-Wirkung
ist möglich durch eine Vermehrung des intrazellulären Pools von reduziertem Folat. Folinsäure erhöht
das intrazelluläre Folatpotential durch eine Stabilisierung des Komplexes zwischen FdUMP der
Thymidylatsynthase und 5,10-Methylentetrahydrofolsäure. Bei genügend hoher Konzentration von
FdUMP und Tetrahydrofolsäure wird die Thymidilatsynthetase vollständig gehemmt.
Da die Bindung von FdUMP an die Thymidilatsynthetase proportional der Konzentration von CH2Tetrahydrofolsäure (und damit CH3-Tetrahydrofolsäure) ist, wird die zytostatische Wirkung von 5-FU
umso stärker sein, je mehr reduziertes Folat in der Zelle zur Verfügung steht.
l-Folinsäure; d, l-Folinsäure
Der Wirkstoff Folinsäure liegt normalerweise als Racemat vor, d.h. als Gemisch der
Spiegelbildisomeren, seiner rechtsdrehenden d- und der linksdrehenden l-Form. Nur die l-Form ist
biologisch aktiv. Die d-Form wird nicht metabolisiert und langsam über die Nieren ausgeschieden.
Alle in Deutschland vertriebenen Präparate der Folinsäure wie z.B. Leucovorin®, Ribofolin® etc.
liegen als racemisches Gemisch vor.
Zulassungssituation
In internationalen Studien taucht verschiedentlich die l-Folinsäure als mögliches Präparat bei
Chemotherapiekombinationen auf. In einigen europäischen Ländern wie Österreich, Frankreich oder
Italien ist diese Substanz im Gegensatz zu Deutschland zugelassen und auf dem Markt. Handelsnamen
in der EU sind Elvorine®, Isovorin/e®, Isofolin® (Österreich) oder Levofolene®.
Unterschiede d, l – zu l-Folinsäure
Da nur das l-Isomer eine Biomodulation des 5-FU bewirkt, kann die chemisch reine l-Form in 50%
Dosierung, bei gleicher Wirksamkeit wie die Volldosis des üblicherweise verwandten Racemates,
verabreicht werden.
Das Bundesamt für Arzneimittel hatte von den Herstellerfirmen eine Bioäquivalenzstudie verlangt, in
der nachgewiesen werden sollte, dass "halbdosiertes" l-Leucovorin bioäquivalent zu
"normaldosiertem" d,l-Leucovorin ist, also z.B. 250 mg l-Leucovorin je m² die gleiche Wirksamkeit
hat wie 500 mg/m² d,l-Folinsäure.
Der Zulassungsantrag wurde in Deutschland von den Herstellern nicht gestellt, da Ihnen der Aufwand
nicht gerechtfertigt erschien, zumal offiziell auch die d,l-Folinsäure für die Indikation
"Kombinationstherapie mit 5-FU" von Amts wegen nicht zugelassen ist.
293
Folinsäure
Natrium-/Calcium-Folinat
Die Modulation von 5-FU mit Folinsäure steigert die Antitumoraktivität sowohl in vitro als auch in
vivo. 5-FU in Kombination mit Calcium-Folinat, insbesondere als Infusionsregime, ist eine etablierte
Therapie beim kolorektalen Karzinom.
Ardalan, der Erstbeschreiber des seinen Namen tragenden Schemas, hatte in einer Pumpe 5-FU und
Calcium-Folinat als eine 24-h-Infusion gemischt. Er musste aber bald zwei Pumpen benutzen, da es
zur Ausfällung von Calciumsalzen und zur Katheterobstruktion kam.
Dies führte dazu, dass das Ardalan-Schema, das eine Responserate in der First-line-Therapie von 58%
erreicht hatte, von anderen Gruppen modifiziert wurde. Mit der Applikation von Calciumfolinat über 2
Stunden, gefolgt von einer 24-h-Infusion von 5-FU, konnte jedoch diese hohe Remissionsrate nicht
erreicht werden. Die Ansprechraten für diese Schemata liegen zwischen 23 und 44%.
Natrium-Folinat (Oncofolic®)
Natrium-Folinat ist eine Präparation der Folinsäure, die bei simultaner Gabe in einer Infusionspumpe
nicht zur Ausfällung von Natriumsalzen führt.
Die Fachinformation von Mai 2002 wurde aufgrund der unten angeführten Studie geändert und lautet:
"Nach Mischen mit 5-FU oder Verdünnen mit 0,9%iger Natriumchloridlösung: Die chemische und
physikalische Stabilität der gebrauchsfertigen Zubereitung wurde für 72 Stunden bei 20-25 oC
nachgewiesen."
"Oncofolic® ist kompatibel mit 5-FU."
Studienergebnisse Phase-II-Studie zu Natriumfolinat (Hartung G. et al. Onkologie 2001;24:457-62)
51 nicht vorbehandelte Patienten mit metastasierendem KRK erhielten das Original-Ardalan-Schema
mit 5 FU 2600mg/m2 gemischt in einer Pumpe mit 500 mg/m2 Natriumfolinat über 24 Stunden
1x/Woche über 6 Wochen. Der Behandlungszyklus wurde nach 2 Wochen Pause wiederholt.
Die objektive Remissionsrate betrug 37,2%, die mediane Zeit bis zur Tumorprogression lag bei 8,5
Monaten. In 197 Behandlungszyklen wurden keine Katheterkomplikationen beobachtet.
Leucovorin®
Auch die Fachinformation des
Kompatibilitätsstudie geändert:
Folinsäurepräparates
Leucovorin®
wurde
nach
einer
Aus der Kompatibilitätsuntersuchung: "...zwar ergibt sich beim Mischen von Leucovorin mit 5-FU und
physiologischer NaCl-Lösung eine leichte Gelbfärbung, doch kann innerhalb des Prüfzeitraums
hinsichtlich der visuellen Prüfung und des pH-Wertes keine Veränderung mehr festgestellt werden."
Aus der Fachinformation: "Eine Mischung von 1000 mg Leucovorin (100 ml Leucovorin 10mg/ml)
mit 5000 mg 5-FU (100 ml zu 50 mg/ml) und 40 ml physiologischer Kochsalzlösung erwies sich in
Plastik-Infusoren und Glas unter Raumbedingungen über 48 Std. stabil. Zu anderen Mischungen liegen
derzeit keine Werte vor."
Vor dem Mischen von Leucovorin mit 5-FU wird dringend gewarnt. Bei der praktischen
Anwendung kam es mehrfach zu Ausfällungen und zu Portverstopfungen, die zu entsprechenden
Warnhinweisen veranlasste.
Für ambulante Patienten bedeutet die Verwendung eines mit 5-FU mischbaren Folinsäurepräparates
durch die Zeitersparnis von 2 Stunden einen Gewinn an Lebensqualität. Diese Applikation ist
mindestens gleich effektiv und gleichzeitig auch kostengünstiger.
294
Metastasierte kolorektale Karzinome, Therapie
MACHOVER-Schema, Mayo-Clinic-Schema
Indikation
Metastasiertes Stadium, dokumentierte Tumorprogression, tumorspezifische Symptomatik, patientenseitiger
Therapiewunsch.
Voraussetzung
Messbare Tumorparameter. Prätherapeutisch Festlegen der Referenzläsion, gegebenenfalls kann das CEA zur
Beurteilung des Therapieverlaufes dienen.
Therapie
Machover et al., J.Clin. Oncol 1986; 4: 685 - 96
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
200
i.v. Bolus
1–5
5-FU
370
i.v. Bolus
1–5
Wiederholung: Tag 22-29
Kontrolle des Therapieergebnisses monatlich. Möglichst Eintrag und Bewertung auf einem Therapiemonitoringblatt.
Ergebnisse : Ansprechrate 31 %, 39% für unvorbehandelte, 22% für vorbehandelte Patienten.
Vergleiche dazu low dose Leucovorin
Toxizität : Stomatitis, Neutropenie, Diarrhoe
Mayo-Clinic-Schema
(Poon, M.A., et al. J. Clin Onco 1991; 9:1967 - 72)
Lange Zeit war die Behandlung mit Low-dose Leucovorin und Bolus-5 FU der Standard für die first-lineTherapie des metastasierenden CRC. Der Stellenwert dieser Behandlung hat sich seit der Einführung neuer
Substanzen geändert. Insbesondere die vergleichbare Wirksamkeit der oralen 5-FU-Prodrugs und deren
Zulassung zur First-line-Therapie reduzieren die Indikation in der palliativen Situation zu diesem i.v. Schema
erheblich.
Therapie
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
20
i.v. Bolus
1–5
5-FU
425
i.v. Bolus*
1–5
* Bolus bedeutet: Intravenöse Injektion in weniger als 5 Minuten
Wiederholung alle 4 Wochen bis zur Tumorprogression oder für 6-12 Monate.
Ergebnisse randomisierter Studien zur 5-FU-Therapie
Eine Kontrolle des Therapieergebnisses ist vor jedem Therapiezyklus zur Beurteilung der Wirksamkeit der
Behandlung vorzunehmen. Zweckmäßig ist das Anlegen eines Therapieverlaufsbogens (Monitoringblatt).
Autor
n
Anspre-
Med. Über-
chen [%]
leben [Mo]
De Gramont (Proc ASCO 1995, 194, Abstr 455)
147
17
14,3
Petrelli (J Clin Oncol 7(10), 1989: 1419-26)
112
19
13,8
Buroker (J Clin Oncol 12(1), 1994: 14-20)
183
35
9,3
Poon (J Clin Oncol 7(10), 1989: 1407-8)
70
43
12
Gesamt
512
23
12,4
Die Therapie ist sowohl anwendbar
für eine intravenöse Applikation als
auch für eine Leberperfusion über
einen Port. Bei Verwendung eines
Ports ist abschließend ein HeparinLock erforderlich. Dafür werden 5 ml
einer sterilen Heparin-Kochsalzlösung
(100 E Heparin/ 1ml NaCl) in die
Kammer injiziert.
Toxizität: 30-50% der Pat. haben eine
relevante Stomatitis/Mucositis und
Neutropenie.
Bolus-5-FU-Regime sollten wegen der im Vergleich zu Infusionsregimen geringeren
Remissionsraten und der höheren Toxizität nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen.
295
Kolorektale Karzinome
Langzeitapplikation von 5-FU +/- Folinsäure
Indikation
Da inzwischen in mehreren Studien eine Symptomverbesserung, eine Verbesserung der Lebensqualität und auch
eine Lebensverlängerung bei Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom durch eine Chemotherapie
nachgewiesen worden sind, ist generell im neu diagnostizierten metastasierten Stadium bzw. bei einem Rezidiv
eine Chemotherapie indiziert, wenn keine relevanten Kriterien dagegen sprechen.
Auswahl des Therapieschemas siehe "Palliative Chemotherapie, Therapiestrategie".
Voraussetzungen
Therapiefähigkeit. Messbare Tumorparameter. Prätherapeutisch Festlegen der Referenzläsion.
Autor
Substanz
Dosis [mg/m²]
Applikationsart
Therapietage
Weh / Köhne =
„AIO-Schema“
Leucovorin
5-FU
500
2600
2 Std. Infusion
24h-Infusion
1,8,15,22,29,36
Pause Woche 7 + 8
Löffler
Leucovorin
5-FU
500
2000
2h-Infusion
22h-Infusion
1,8,15,22,29,36
Pause Woche 7,8,9
Stoffregen
Leucovorin
5-FU
200
2000
i.v. Bolus
24h-Infusion
1,8,15,22,29,36
Pause Woche 7 + 8
Ergebnisse
Autor
Patientenkollektiv
CR [%]
PR [%]
NC [%] N
Weh
Unvorbehandelt
Vorbehandelt
0
0
38
9
38
56
21
57
Köhne
Unvorbehandelt
n.a.
91
Löffler
Unvorbehandelt
Vorbehandelt
11
4
64
19
21
54
54
Stoffregen
Unvorbehandelt
Vorbehandelt
7
0
30
0
45
50
44
25
44
Inzwischen ist das von Weh/Köhne entwickelte Schema unter dem Namen „AIO-Schema“ (für
„Arbeitsgemeinschaft internistische Onkologie“) in Deutschland das am weitesten verbreitete und akzeptierte
Schema für die Hochdosis-5-FU-Behandlung („infusional-5-FU“). Im französischen Sprachraum gilt dies für
das auf der folgenden Seite beschriebene „De-Gramont-Schema“.
AIO-Studie (Schmoll HJ, Köhne CH et. al. ProcAmSocClinOncol 2000,19:241°, Abstract # 935)
In der AIO-Studie bzw. EORTC-Studie 40952 wurde das MAYO-Clinic-Schema mit der wöchentlich
hochdosierten 5-FU-Dauerinfusion über 24 h mit und ohne Folinsäure verglichen. Insgesamt erhielten 497
Patienten mit metastasiertem CRC das Mayo-Clinic-Schema oder 2600 mg/ m² 5-FU mit oder ohne Folinsäure
(500 mg/ m² als 2h-Infusion vor 5-FU) wöchentlich x 6 und Wiederholung am Tag 50).
Schema
Remissionsrate
Med. Überleben (Mon.)
Medianes PFS (Mon.)
HD-5-FU/Folinsäure
20%
12
6,4
Mayo-Clinic
HD-5-FU
11%
9%
12,5
13,2
4,1
4,4
Im HD-5-FU/Folinsäure-Arm zeigte sich eine nicht signifikante Steigerung der Remissionsrate sowie eine
mäßige aber statistisch signifikante Erhöhung des progressionsfreien Überlebens (PFS).
296
Kolorektale Karzinome
Hochdosis - 5-FU + Folinsäure (Ardalan)
Die Antitumoraktivität von 5-FU kann substantiell gesteigert werden, wenn der intrazelluläre Pool von
reduziertem Folat erhöht wird. Folinsäure hat sich als der praktikabelste Biomodulator im Sinne einer
Wirkungsverstärkung für 5-FU erwiesen. Folinsäure ist ein guter Kombinationspartner, die optimale
Dosis sowie die Applikationsart und -dauer sind derzeit nicht bekannt. Eine kontinuierliche
Applikation scheint die Wirksamkeit zu verbessern.
Voraussetzung: Für die Durchführung der Therapie sind ein venöses Portsystem und geeignete
Langzeitpumpen erforderlich.
Therapie
Ardalan, B., L. Chua et al. J.Clin.Oncol 1991; 9:625-630
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
500
24-Std.-Infusion
1, 8, 15 ff
5-FU
2600
24-Std.-Infusion
1, 8, 15 ff
Wiederholung wöchentlich
Dosis-Modifikation
Nach einer inadäquaten Toxizität sind eine Dosisreduktion des 5-FU z.B. auf 2.000 mg/m2 oder auch
auf 1.600 mg/m2 und eine Intervallverlängerung auf 14 Tage möglich.
Kommentar
Diese Therapie ist in der Originalform schlecht praktikabel, da gleichzeitig zwei unabhängige
Pumpensysteme gebraucht werden. Besser handhabbar sind die verschiedenen Modifikationen
besonders das AIO-Schema. Siehe dort. Allerdings ist jetzt das Natriumfolinat zugelassen, das mit 5 FU gemischt und als 24-h-Infusion appliziert werden kann.
Handhabung
Punktion des Ports unter sterilen Kautelen. Für jede der beiden Substanzen wird eine separate portable Injektionspumpe
gebraucht. Beide Substanzen dürfen nicht gemischt werden, da Calciumfolinat in Gegenwart von 5-FU zu Kalksalzen
ausfallen und den Injektionsschlauch verstopfen kann. Die beiden Pumpsysteme werden über ein Y-Stück an die
Portkanüle geführt. Siehe aber oben und Seite „Folinsäure“.
Ergebnisse: 22 Pat., davon 10 vorbehandelt.
Patienten
N
CR
PR
RR
unvorbehandelt
12
3 / 12
4 / 12
58 %
Medianes
Überleben
22 Monate
vorbehandelt
10
0 / 10
3 / 10
30%
10 Monate
Gesamtansprechrate : 45%
Toxizität
Zeitdauer bis zum bestmöglichen Response 6 - 8 Wochen.
Grad 1
Grad 2
Grad 3
Stomatitis
6
2
1
Diarrhoe
4
3
2
Übelkeit
7
0
0
Erbrechen
3
0
0
Schwäche
3
0
0
Hand-Fuß-Syndrom
6
2
1
297
Kolorektale Karzinome
5-FU (Bolus + Langzeit) + Folinsäure (De Gramont)
5-FU entfaltet den zytostatischen Effekt in Abhängigkeit von der Applikationsart auf unterschiedliche
Weise.
5-FU-Applikation
i.v. Bolusgabe bewirkt eine Hemmung der RNA
i.v. Langzeitinfusion führt zu einer Inhibition der DNA.
Eine französische Studie hat prospektiv randomisiert die Wirksamkeit der Kombination von Bolusund Langzeitinfusion geprüft. (De Gramont,A., J.F. Bosset et al. Proc. ASCO 1995, Abstr. 455).
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
200
2-Std.-Infusion
1, 2
5-FU
400
i.v. Bolus (5 min)
1, 2
5-FU
600
22-Std.-Infusion
1, 2
Wiederholung 14 tägig bis zur Tumorprogression.
Ergebnisse
Randomisierter Vergleich mit einer Standardtherapie nach dem Mayo-Clinic-Schema: N = 306,
Ansprechrate 34 % (Hochdosistherapie) vs. 17 % (Standardtherapie) (p = 0.002). 41 Pat. ( 21,5% ) der
Pat. im Standardtherapiearm hatten eine Toxizität Grad-3-4, demgegenüber erlitten 9,2% der Pat. im
Bolus/Langzeit-Arm ein Grad-3-4-Toxizität.
Schlussfolgerung der Autoren: Die zweiwöchentliche Gabe von 5-FU-Bolus +
Langzeitinfusion mit hochdosierter Folinsäure ist signifikant wirksamer und geht mit weniger
Toxizität einher als die monatliche 5-FU + low-dose Folinsäure-Standardtherapie.
Modifikation
Dieselbe Arbeitsgruppe stellte ein modifiziertes Schema einer Kombination von Bolus- und
Langzeitgabe von 5-FU vor. (Tournigand , de Gramont A et al. Proc ASCO 1998, Abstr. 1052):
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
200
2-Std.-Infusion
1
5-FU
400
i.v. Bolus (5 min)
1
5-FU
2400 - 3600
48-Std.-Infusion
1
Wiederholung 14 tägig bis zur Tumorprogression. Beginn der 5-FU-Dosis mit 2,4 g, Steigerung um
jeweils 0,6 g nach 2 Zyklen bis maximal 3,6 g, falls Toxizität < NCI-Grad 2.
Ergebnisse: N = 59, Ansprechrate 37%, 34% stabile Erkrankung, mediane progressionsfreie Zeit
8,6 Monate, keine Angabe zur Überlebenszeit. Toxizität Grad 3 bei Dosislevel 3: 16% (Hand-FußSyndrom 5%, Mukositis, Diarrhoe, Anämie, Neutropenie, Alopezie, kardiale Toxizität je 2%).
298
Kolorektale Karzinome
Oxaliplatin (Eloxatin®)
Oxaliplatin ist ein neues Platinderivat, das seit Mitte 1997 in Frankreich und seit 8/1999 auch in
Deutschland für die first-line-Behandlung des metastasierenden CRC in Kombination mit 5-FU und
Folinsäure zugelassen ist.
Im Gegensatz zu Cisplatin ist Oxaliplatin nicht nephrotoxisch und kann auch bei Patienten mit
eingeschränkter Nierenfunktion gegeben werden (Kreatinin-Clearance muss aber > 30 ml/min sein).
Eine begeleitende Hyperhydratation ist nicht erforderlich.
Wirkmechanismus
Ähnlich wie Cisplatin bindet sich Oxaliplatin vor allem an guaninhaltige Nukleotide der DNA. Es
werden Quervernetzungen der DNA induziert. Die wesentlichen Unterschiede zu Cisplatin betreffen
die Kinetik dieser Vorgänge.
Anwendung
Die Substanz darf weder beim Lösen, noch bei der Infusion mit Kochsalz in Berührung kommen.
Oxaliplatin wird daher in 500 ml Glukose 5% verabreicht. Auch darf Oxaliplatin nicht benutzt werden
in Verbindung mit anderen chloridhaltigen und alkalischen Arzneimitteln oder Lösungen, wie 5Fluorouracil und Trometamol (ein Tris-Puffer, der in manchen Folinsäurepräparaten enthalten ist,
nicht aber z.B. in Leucovorin®). Generell darf die Substanz nicht mit anderen Arzneimitteln über
denselben Zugang gemischt oder gleichzeitig verabreicht werden. Aluminiumhaltige
Injektionsmaterialien dürfen nicht verwendet werden, da Oxaliplatin bei Kontakt mit Aluminium
abgebaut wird.
Dosierung
Die empfohlene Dosis in der First-line-Therapie beträgt in Kombination mit 5-FU/Folinsäure
85 mg/ m²/KOF intravenös alle 2 Wochen
Die Dosierung muss der Verträglichkeit angepasst werden. Die Substanz wird in 250 oder 500 ml
Glucose 5% über 2 (- 6) Stunden infundiert und soll immer vor Fluoropyrimidinen gegeben werden.
Toxizität
Übelkeit und Erbrechen erfordern den Einsatz von 5-HT-3-Antagonisten. Es besteht keine
Nephrotoxizität, eine klinisch relevante Ototoxizität trat bei weniger als 1% der Patienten auf. Die
hämatologische Toxizität ist gering, kann aber in der Kombinationstherapie ausgeprägter sein.
Die wichtigsten dosislimitierenden Nebenwirkungen sind akute und kumulative neuropathische
Symptome. Akut können, wenige Stunden bis Tage nach der Infusion, Parästhesien an den
Extremitäten und perioral, häufig ausgelöst durch Kälteexposition, auftreten. In der Regel sind diese
Symptome selbstlimitierend.
Zu einer persistierenden peripheren Neuropathie mit funktioneller Einschränkung kommt es mit
zunehmender kumulativer Oxaliplatindosis. Diese Ausprägung der Neuropathie betrifft etwa 10-15%
der Patienten mit einer kumulativen Dosis von ca. 800 mg/m2. Bei Einschränkungen der Feinmotorik
muss deshalb die Dosis reduziert oder die Behandlung abgebrochen werden. Die Neuropathie ist bei
ca. 80% der Patienten nach Abbruch der Behandlung innerhalb von mehreren Monaten reversibel.
Studienergebnisse Monotherapie
Oxaliplatin ist als Monosubstanz (130 mg/m2) beim CRC sowohl primär als auch nach Versagen einer
auf 5-FU basierenden Therapie wirksam (Diaz-Rubio E. et al.: AnnOncol 1998; 9:105-8 und Machover D. et al.: AnnOncol
1996;7:95-98). Die Ansprechrate in der Primärtherapie beträgt 23%, in der Sekundärtherapie 10%.
Aufgrund des ausgeprägten Synergismus in der Kombination mit 5-FU wurden schon zu Beginn des
klinischen Einsatzes der Substanz vorwiegend Kombinationsprotokolle untersucht (siehe
entsprechende Seiten).
299
Kolorektale Karzinome
FOLFOX-Therapieschemata, Übersicht
Nachdem die Gabe von 5FU als Dauerinfusion, statt der bis dahin üblichen Bolusapplikation, zu einer Verbesserung
der Ansprechraten bei gleichzeitiger Reduktion der Toxizität, nicht aber zu einem Überlebensvorteil geführt hatte,
erarbeitete die GERCOR (Groupe d’Etude et de Récherche en Cancérologie Onco-Radiothérapie) unter de Gramont
ein Hybridschema aus Bolus- und Infusions-5FU. Diese Kombination erreichte verbesserte Ansprechraten bei einem
akzeptablen Toxizitätsprofil.
FOLFOX-Schemata
Levi et al. kombinierten Infusional-5FU mit Oxaliplatin in einem dosismodulierten Schema. Diese Kombination war
die Basis für eine ganze Generation von Therapieschemata, FOLFOX (Folinsäure/5-FU/Oxaliplatin) genannt und zur
Unterscheidbarkeit nummeriert. Eine Ausdehnung der 5-FU-Applikation über 2 Tage erlaubte eine Dosiseskalation
(FOLFOX1). Wegen dosislimitierender Toxizität (Neurotox.) wiesen die Folgeprotokolle eine reduzierte
Oxaliplatindosis auf (FOLFOX 2, 3). FOLFOX4 kombinierte erstmals Bolus- und Infusionsschema und zeigte
geringere Toxizität bei höherer Effektivität einschließlich des Gesamtüberlebens. FOLFOX6 und 7 hatten eine
Vereinfachung des Schemas bei Maximierung der Dosisintensität zum Ziel.
FOLFOX 1
Substanz
Oxaliplatin
Folinsäure
5-FU
(de Gramont et al, Proc Am Soc Clin Oncol 1994; 13:220)
Dosis [mg/m²/d]
130
500
1500-2000
Applikationsform
2-Std.-Infusion in Glukose 5 %
2-Std.-Infusion
22-Std.-Infusion
Dosis [mg/m²/d]
100
500
1500-2000
Applikationsform
2-Std.-Infusion in Glukose 5 %
2-Std.-Infusion
22-Std.-Infusion
FOLFOX 2
Substanz
Oxaliplatin
Folinsäure
5-FU
(de Gramont et al, Eur J Cancer 1997; 33:214-9)
FOLFOX 3
Substanz
Oxaliplatin
Folinsäure
5-FU
Dosis [mg/m²/d]
85
500
1500-2000
Applikationsform
2-Std.-Infusion in Glukose 5 %
2-Std.-Infusion
22-Std.-Infusion
Dosis [mg/m²/d]
85
200
400
600
Applikationsform
2-Std.-Infusion in Glukose 5 %
2-Std.-Infusion
i.v. Bolus
22-Std.-Infusion
Dosis [mg/m²/d]
100
400
400
2400-3000
Applikationsform
2-Std.-Infusion in Glukose 5 %
2-Std.-Infusion
i.v. Bolus
46-Std.-Infusion
Dosis [mg/m²/d]
130
200
400
2400
Applikationsform
2-Std.-Infusion in Glukose 5 %
2-Std.-Infusion
i.v. Bolus
46-Std.-Infusion
Therapietage
1
1,2
1,2
1,2
(Maindrault-Goebel et al, Eur J Cancer 1999; 35:1338-42)
FOLFOX 7
Substanz
Oxaliplatin
Folinsäure
5-FU
5-FU
Therapietage
1
1,2
1,2
(Andre et al, J Clin Oncol 1999; 17:3560-8)
FOLFOX 6
Substanz
Oxaliplatin
Folinsäure
5-FU
5-FU
Therapietage
1
1,2
1,2
(Andre et al, Ann Oncol 1998; 9: 1251-3)
FOLFOX 4
Substanz
Oxaliplatin
Folinsäure
5-FU
5-FU
Therapietage
1
1,2
1,2
Therapietage
1
1
1
1-2
(Maindrault-Goebel et al, Eur J Cancer 2001; 37:1000-5)
Wiederholung aller Schemata Tag 15
300
Therapietage
1
1
1
1-2
Metastasierte kolorektale Karzinome
Oxaliplatin-Kombinationstherapie
Oxaliplatin ist in der Lage, eine klinische Resistenz gegen Fluorouracil teilweise aufzuheben. Nach Progression unter
Fluorouracil ist durch die Kombination von Oxaliplatin mit 5-FU ein Ansprechen zu erzielen. Die meisten Daten zu
Oxaliplatinkombinationen stammen aus Frankreich von den Arbeitsgruppen um Lévi und De Gramont.
Es existieren 2 große randomisierte-Phase-III-Studien.
In beiden Studien wurde Fluorouracil als Infusion über 5 Tage chronomoduliert (Giacchetti et al.) oder über 48
Stunden (De Gramont) gegeben und im experimentellen Arm Oxaliplatin hinzugefügt.
Kombinationstherapie (FOLFOX 4)
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
85
200
400
600
Oxaliplatin
Folinsäure
5-FU
5-FU
De Gramont A et al. Proc Am Soc Cli Oncol 1998;17:257a
Applikationsform
Therapietage
2-Std.-Infusion in Glukose 5 %
2-Std.-Infusion
i.v. Bolus
22-Std.-Infusion
1
1,2
1,2
1,2
Wiederholung alle 2 Wochen
Studienergebnisse
Schema
16%
Med. Überleben (Mon.)
20
Med. PFS
(Mon.)
6,1
100
53%
19
8,7
210
210
23%
51%
15
16
6,2
9,0
Pat. (n)
RR
5-FU/Folinsäure chronomoduliert
100
Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure chronomod.
(Giacchetti S. et al. J Clin Oncol 2000 ;18:136-147)
5-FU/Folinsäure (de Gramont)
Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure (FOLFOX 4)
(De Gramont A et al. J Clin Oncol 2000;18:2938-47)
Es zeigte sich in beiden Studien ein signifikanter Unterschied in der Remissionsrate (RR) sowie ein längeres
progressionsfreies Überleben (PFS) zugunsten des Oxaliplatinarms. Allerdings war die Toxizität mit Oxaliplatin auch
deutlich höher (v.a. Neuropathien). Ein signifikanter Unterschied in der Überlebenszeit konnte wegen des Crossover-Designs und Second- und Third-line-Therapien nicht gezeigt werden.
Mayo-Clinic-Schema vs. Hochdosis-5-FU/Folinsäure+Oxaliplatin (FUFOX)
(Grothey A. et al., ProcAmSocClinOncol 2002;21:512)
Arm B Prüfarm (FUFOX)
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Oxaliplatin
Folinsäure
5-FU
50
500
2000
Applikationsform
Therapietage
2 Std. Infusion in Glucose 5%
2 Std. Infusion vor FU
24 Std. Infusion
1,8,15,22
1,8,15,22
1,8,15,22
Wiederholung Tag 36, dann alle 5 Wochen.
Schema
FUFOX
Mayo-Clinic
Pat. (n)
Ansprechen
118
124
48,3%
22,6%
Medianes Überleben
(Mon.)
20,4
16,1
Medianes PFS
(Mon.)
7,9
5,3
Die Oxaliplatin-Kombinationstherapie ist signifikant wirksamer als das Mayo-Clinic-Schema und auch weniger
toxisch (Im Mayo-Schema 3 = 2,4% toxische Todesfälle vs. 1 = 0,8% bei FUFOX). Das lange mediane
Überleben resultiert aus Oxaliplatin- und Irinotecan-haltigen Salvage-Therapien.
301
Metastasierte kolorektale Karzinome
Capecitabin/Irinotecan vs. Capecitabin/Oxaliplatin
In einer randomisierten Phase-II-Studie wurde die Kombination des oralen 5-FU-Prodrug Capecitabin mit
Irinotecan gegen Capecitabin plus Oxaliplatin als First-line-Therapie bei fortgeschrittenem CRC evaluiert.
Hauptzielkriterium ist die Ansprechrate, Nebenzielkriterien sind die Zeit bis zur Progression, die
Überlebenszeit, die Toxizität und die Lebensqualität.
Studienleiter: Prof. H.-J. Schmoll, Halle
Studiensekretariat: Tel. 0345/557-2849 / 2924 Fax 0345/557-2950
Ein- und Ausschlusskriterien
Histologisch nachgewiesenes Adenokarzinom des Kolons oder Rektums
Inoperable und/oder metastasierte Erkrankung (mindestens eine evaluierbare Metastase muss außerhalb
eines evtl. vorbestehenden Strahlenfeldes liegen).
Keine vorangegangene Chemotherapie für metastasierte Erkrankung (Immuntherapie zählt nicht als
Chemotherapie): adjuvante Chemotherapie erlaubt, falls sie mindestens 6 Monate zurückliegt.
Mindestens eine ausmessbare Referenzmetastase von mindestens 20 x 20 mm Größe
Alter zwischen 18 und 75 Jahren und Performance-Status nach ECOG (WHO): 0,1,2
Lebenserwartung über 3 Monate
Bilirubin < 2x Norm; AP < 3x Norm; Kreatinin< 2x Norm
Möglichkeit der regelmäßigen längerfristigen Nachsorge
Initiale Evaluation 4 Wochen oder weniger vor Studienaufnahme
Keine ZNS-Metastasen
Kein Zweitmalignom außer Cervix-Ca. in situ o. nicht-Melanom-Hautkrebs
Keine schwerwiegenden internistischen Begleiterkrankungen, die eine zytostatische Therapie ausschließen,
insbesondere keine KHK trotz adäquater Therapie
Keine vorbestehende schwere Polyneuropathie
Behandlungsplan
Arm A
Capecitabin
2000 mg/m2 oral Tag 1 -14 mit Aufteilung der täglichen Gesamtdosis in 2 Gaben (morgens
und abends jeweils 30 min. nach dem Essen);
Irinotecan
100 mg/m2 in 500 ml NaCl als 90 Minuten-Infusion Tag 1 und 8
Cave: zur Prophylaxe des akut-cholinergen Syndroms Applikation von 0,5 mg Atropin s.c.
30 min vor Irinotecan obligat (cave Glaukom)
Wiederholung Tag 22
Arm B
Capecitabin
2000 mg/m2 oral wie oben
Oxaliplatin
70 mg/m2 in 500 ml Glucose 5% i.v. als 120 min.-Infusion Tag 1 und 8
Wiederholung Tag 22
Fortsetzung der Th. bis zur Progression od. Auftreten einer schweren Toxizität, bei CR max. ein Jahr.
Bei Progress wird ein Cross-over empfohlen, ist aber optional.
Ergebnisse (A.Grothey et al., ASCO 2004, Abstr. 3534)
Insgesamt 161 Patienten, davon erhielten 68 Pat. CapOx oder CapIri als second-line-Therapie nach Cross-over.
Toxizität: Eine schwere Diarrhoe als Grad-3/4-Toxizität trat häufiger im second-line CapIri auf (10,8% vs. 0%),
die Oxaliplatin-induzierte Neurotoxizität nach first-line CapOx war reversibel unter second-line CapIri.
Effektivität (CapIri vs. CapOx): Responseraten 20,6% vs. 12,7%, Stable disease 50 vs. 48,4%, Progressive
disease 29,4% vs. 38,7%. Progressionsfreies Überleben 5,1 vs. 4,3 Monate. Overall survival 9,6 vs. 10,6
Monate. Das Gesamtüberleben für Patienten mit first- und second-line-Therapie war fast identisch: CapOx →
CapIri 17,8 Monate, CapIri → CapOx 17,7 Monate. CapIri und CapOx sind beide effektive und tolerable
Regime. Es ergibt sich kein Vorteil für eine bestimmte Behandlungssequenz.
302
Metastasierte kolorektale Karzinome
Oxaliplatin/5-FU-24h/FA vs. Oxaliplatin/Capecitabin
Diese Studie vergleicht in der palliativen Situation als first-line-Behandlung zwei Chemotherapien, die beide
eine „Neue Substanz“ enthalten und mit einem 5-FU-Infusionsregime bzw. einem oralen 5-FU-Prodrug
kombiniert werden:
Hochdosis-5-FU/Folinsäure + Oxaliplatin (FUFOX)
versus
Capecitabin + Oxaliplatin (CAPOX)
Studienziele
Hauptzielkriterium: Vergleich der progressionsfreien Überlebenszeiten von Patienten mit fortgeschrittenem
kolorektalen Karzinom unter der palliativen Chemotherapie
Nebenzielkriterien: Remissionsraten
Gesamtüberlebenszeiten
Dokumentation der Toxizitäten in beiden Chemotherapiearmen
Beurteilung der Lebensqualität
Einschlusskriterien
Patienten mit inoperablen Metastasen eines histologisch gesicherten kolorektalen Karzinoms
Messbare Tumorparameter entsprechend den RECIST-Kriterien
Leukozyten >3000/µl, Thrombozyten >100.000/µl
Serumkreatinin < 1,25 x Normwert, Serumbilirubin < 1,25 x Normwert; bei Vorliegen von Lebermetastasen
Serumbilirubin < 1,5 x Normwert, GOT/GPT < 2,5 x Normwert.
Kreatinin-Clearance > 30ml/min (Dosismodifikation für Kreatinin-Clearance von 30-50 ml/min)
Schriftliche Einverständniserklärung des Patienten
Eine vorausgegangene adjuvante Chemotherapie oder Radio-/Chemotherapie muss mindestens sechs
Monate zuvor abgeschlossen sein
Alter > 18 Jahre
Allgemeinzustand < 2 (ECOG)
Geschätzte Lebenserwartung über 3 Monate
Evaluation der Tumormanifestation 4 Wochen oder weniger vor Aufnahme in die Studie
Ausschlusskriterien
Zweitmalignome innerhalb der letzten 5 Jahre mit Ausnahme eines Basalioms oder eines erfolgreich
behandelten in-situ-Karzinoms der Cervix.
Hochgradige internistische Erkrankungen (z.B. dekompensierte Herzinsuffizienz, schwere KHK,
Myokardinfarkt innerhalb von 6 Monaten vor Aufnahme in die Studie)
Metastasen im ZNS
Vorbestehende schwere Polyneuropathie
Schwangerschaft, stillende Frauen
Bekannte Allergie gegenüber einem der eingesetzten Medikamente oder deren Inhaltsstoffen
Bekannter DPD-Mangel
Gleichzeitige Therapie mit dem Virostatikum Sorivudin oder dessen chemischen Verwandten
Bestrahlung der Indikatorläsion
Vorangegangene palliative Chemotherapie
Studienleitung:
Prof. Dr. med. R. Porschen, Klinik für Innere Medizin, Zentralkrankenhaus Bremen Ost, Züricher Strasse 40,
28235 Bremen, [email protected]
Studiensekretariat:
Dr.med. H.-T. Arkenau, Klinik für Innere Medizin, Zentralkrankenhaus Bremen Ost, Züricher Strasse 40, 28325
Bremen
Tel.: 0421/408-2534 Fax: 0421/408-2235
[email protected]
Die Studie ist beendet. Ergebnisse siehe folgende Seite!
303
Metastasierte kolorektale Karzinome
Oxali./5-FU-24h/FA vs. Oxali./Capecitabin –Therapieprotokoll
ARM A
Oxaliplatin:
Folinsäure:
5-FU:
Tag 1, 8, 15, 22
50 mg/m2 (2-Std.-Infusion)
anschließend 500 mg/m2 als 2-Std.-Infusion,
anschließend: 2000 mg/m2 5-FU-Hochdosis-22-Std.-Infusion.
Wiederholung an Tag 36. 1 Zyklus umfasst somit 5 Wochen.
ARM B
Oxaliplatin
Capecitabin
70 mg/m2 (2-Std.-Infusion) an Tag 1 und 5, Wiederholung an Tag 22
2 x 1000 mg/m2/Tag oral für 2 Wochen, 1 Woche Pause.
1 Zyklus umfasst somit 3 Wochen. Nach jeweils 3 Zyklen 2 Wochen Pause
Um die kumulative Oxaliplatindosis in beiden Armen vergleichbar zu halten, wird in Arm B die Pause
nach jeweils 3 Zyklen von 1 auf 2 Wochen verlängert.
Antiemese
Wegen der Gabe von Oxaliplatin sollten generell HT3-Rezeptorantagonisten eingesetzt werden. Eine
prophylaktische antiemetische Therapie mit 4x50 Tropfen Metoclopramid am Tag der Chemotherapie und an
beiden Tagen danach sollte durchgeführt werden. Diese Therapie kann durch 2x4 mg Fortecortin p.o. ergänzt
werden.
Hand-Fuß-Syndrom:
Bei Auftreten einer Rötung der Handflächen oder der Fußsohlen sollte unter Gabe von Capecitabin die
Behandlung unterbrochen werden.
Diarrhoe
Bei ausgeprägter therapiepflichtiger Diarrhoe ist der zeitgerechte Einsatz von Loperamid oder Octreotid zu
empfehlen (Sandostatin; 3x50 bis 3x100 µg pro Tag). Auf einen Ersatz der Flüssigkeitsverluste ist dabei
besonders zu achten.
Bei neutropener Diarrhoe oder Fieber plus Diarrhoe ist eine adäquate antibiotische Therapie obligat, z.B.
Metronidazol oral plus breite systemische Antibiose i.v. (z.B. β-Lactam-Antibiotika plus Aminoglykosid).
Kardiotoxizität
Sofort die Infusionstherapie unterbrechen. Bei 5-FU und Capecitabin bedingter Kardiotoxizität darf mit 5-FU
und Capecitabin nicht mehr behandelt werden.
Interim-Safety-Analyse
Nach Einbringen von 420 Patienten zwischen August 2002 und Mai 2004 ist die Studie jetzt geschlossen. Die
Interim-safety-Analyse (Arkenau HT et al., Abstract #3546, ASCO 2004) ergab folgende Toxizitätsdaten:
Häufigkeit und Schweregrad der gastrointestinalen Nebenwirkungen und des Hand-Fuß-Syndroms sind ähnlich
in beiden Gruppen. Patienten im FUFOX-Arm erleiden häufiger Grad-3/4 Neuropathien (25% im FUFOX- vs.
16% im CAPOX-Arm).
Die hämatologische Toxizität ist gering bis auf ca. 10% Grad-3/4 Neutropenien, die häufiger im FUFOX-Arm
vorkommen.
Schlussfolgerung: CAPOX ist mindestens gleich gut verträglich wie FUFOX in der First-line Therapie des
metastasierten CRC.
CAPOX
FUFOX
Studienergebnisse (Arkenau H. et
p-Wert
n= 167
n=155
al., ASCO 2005,#3507)
7,0 Mon.
8,0 Mon.
0,11
PFS
3%
5%
1,0
CR
Die
Toxizitätsprofile
und
39%
40%
1,0
PR
Responseraten
in
beiden
32%
23%
1,0
SD
Kombinationstherapien
sind
26%
32%
1,0
PD
vergleichbar. Das progressionsfreie
Überleben (PFS) war im FUFOX-Arm besser (8 versus 7 Monate).
304
Kolorektale Karzinome
Irinotecan (Campto®)
Irinotecan gehört zur Gruppe der Topoisomerase-I-Inhibitoren. Campto® ist für die First-line-Therapie
des metastasierten CRC zugelassen
- in Kombination mit 5-FU und Folinsäure bei erwachsenen Patienten ohne vorausgegangene
Chemotherapie im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung,
- als Monotherapie bei erwachsenen Patienten, die auf eine Vorbehandlung mit einem 5-FU
enthaltenden Regime nicht angesprochen haben.
Wirkmechanismus
Topoisomerase I ist ein nukleäres Enzym, das kovalent am 3‘-Ende der DNA-Doppelhelix bindet. Dessen Aufgabe besteht
in der passageren Spaltung eines Stranges, um die Replikation zu ermöglichen. Durch Bindung eines Inhibitors (Irinotecan)
am Enzym werden irreversible Strangabbrüche induziert und so die DNA-Replikation und die Bildung von mRNA gestört.
Dosierung
Monotherapie
Substanz
Irinotecan
Dosis (mg/m²/d)
350
Applikationsform
60 – 90 min Infusion
Therapietage
1, WH Tag 22
Applikationsform
60 – 90 min Infusion
Therapietage
1,8,15,22 WH Tag 43
Cunningham D. et al.: Lancet 1998;352:1413-18
Monotherapie „weekly“
Substanz
Irinotecan
Dosis (mg/m²/d)
100-125
Rothenberg M.L. et al.:Cancer 1999;85:786-795
Toxizität
Unmittelbar nach Infusion tritt häufig ein akutes cholinerges Syndrom mit Durchfall, Bauchkrämpfen
und Speichelfluss auf. Deshalb erfolgt eine prophylaktische Gabe von Atropin 0,25 mg s.c.. Akute
und verzögerte Übelkeit können auftreten.
Neben einer akuten Diarrhoe wird bei bis zu 30 % der Patienten eine nach durchschnittlich 5 Tagen
einsetzende verzögert auftretende Diarrhoe beobachtet, die ohne adäquate Behandlung
lebensbedrohlich sein kann: Hochdosierte Gabe von Loperamid obligat (initial 4 mg, dann 2 mg alle 2
Stunden bis 12 Stunden nach dem letzten flüssigen Stuhl, jedoch nicht länger als 48 Stunden in dieser
Dosierung). Das Auftreten von Diarrhoen in der Phase der Neutropenie (Grad 3 - 4 in ca. 40%) birgt
eine Gefahr für das Entstehen einer Sepsis in sich. Bei Neutropenie und Diarrhoe soll deshalb eine
prophylaktische Antibiotikatherapie mit Ciprofloxacin erfolgen. Dauert die Diarrhoe mehr als 24
Stunden, bestehen zusätzlich Erbrechen oder Fieber, ist zwingend die stationäre Aufnahme des
Patienten erforderlich. Der Patient und der Hausarzt sind ausführlich über das Verhalten bei Durchfall
und Fieber aufzuklären. Loperamid soll prophylaktisch verordnet, aber nur bei Auftreten von Durchfall
wie oben angegeben eingenommen werden.
Durch wöchentliche Applikation kann das Auftreten schwerer Diarrhoen deutlich reduziert werden.
Studienergebnisse Monotherapie
In einer randomisierten Studie wurden Pat. nach Versagen einer konventionellen 5-FU-Therapie
entweder mit Irinotecan 300-350 mg/m² alle 3 Wochen oder mit einer 5-FU-Infusionstherapie
behandelt (Rougier P. et al. Lancet 1998;352:1407-12). Durch Irinotecan konnte die Zeit bis zur Progression (2,9
vs. 4,2 Monate) und die Überlebenszeit (8,5 vs. 10,8 Monate) signifikant verlängert werden.
Eine weitere Studie verglich Irinotecan mit Best supportive Care bei Pat. mit Therapieversagen nach
zwei und mehr 5-FU-haltigen Vortherapien (Cunningham D. et al. Lancet 1998;352:1413-18). Auch in dieser
Studie war Irinotecan sowohl im Hinblick auf die Zeit bis zur Progression als auch die Überlebenszeit
(9,2 versus 6,5 Monate) überlegen. Gleichzeitig hatten die Pat. mit Chemotherapie eine durchweg
bessere Lebensqualität als die ausschließlich symptomatisch behandelten Patienten.
305
Metastasierte kolorektale Karzinome
Irinotecan, 5-FU und Folinsäure, Douillard-Studie
Douillard-Studie (Lancet 2000;355:1041-47)
In der europäischen Studie
V-303
geleitet,
von
De-Gramont-Schema
AIO-Schema
Douillard, wurde bei 387
unvorbehandelten Patienten
Irinotecan 180 mg/m2
Irinotecan 80 mg/m2
ein 5-FU-Infusionsprotokoll
+
+
als Standardarm, entweder
2
5-FU 400mg/ m Bolus
2
5-FU
2300mg/m
das de-Gramont- oder das
24h
5-FU 22h 600mg/m2
FA 500 mg/m2
AIO-Schema,
mit
der
2
FA 200 mg/m
jeweiligen
Kombination
mit
wöchentlich x 6, WH Tag 50
Tag 1 + 2, WH Tag 15
Irinotecan verglichen.
Die Kombination mit IrinoVS
VS
tecan zeigte eine signifikante
5-FU 400mg/ m2 Bolus
2
Überlegenheit in der An5-FU 24h 2600mg/m
5-FU 22h 600mg/m2
2
sprechrate (49 vs. 31%), der
FA 500 mg/m
FA 200 mg/m2
Zeit bis zur Progression (6,7
wöchentlich x 6, WH Tag 50
Tag 1 + 2, WH Tag 15
vs. 4,4 Monate) und der
Überlebenszeit (17,4 vs.14,1
Monate). Außerdem verzögerte sich die Verschlechterung des Gesundheitszustandes unter der
Irinotecan-Kombination.
Ergebnisse: siehe auch übernächste Seite.
EORTC-Studie Nr. 40986
Die multizentrische EORTC-Studie Nr. 40986, die 1999 initiiert wurde, hatte den gleichen Ansatz. Sie wollte auch
herausfinden, welche Patientengruppen von einer frühzeitigen intensiven Kombinations-Chemotherapie profitieren.
Ergebnisse siehe Seite EORTC Studie 40986.
Arm A = Referenz-Arm
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
500
2-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
5-FU
2600
24-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
Applikationsform
Therapietage
500
2-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
2000*
24-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
80
½-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
WH Tag 50
Arm B = Experimenteller Arm
Substanz
Folinsäure
5-FU
Irinotecan
Dosis [mg/m²/d]
WH Tag 50
* Die ursprüngliche 5-FU-Dosis wurde nach einem Amendment der Arbeitsgruppe internistische
Onkologie aus Toxizitätsgründen von 2300 auf 2000 mg/24-Stunden reduziert.
306
Metastasierte kolorektale Karzinome
Irinotecan, 5-FU und Folinsäure/Toxizität, Saltz-Studie
Die Studie von Saltz (L. B. Saltz et al. NEJM 2000; 343: 905-14) zeigte eine signifikante Überlegenheit der
Kombinationschemotherapie mit Irinotecan, 5-FU und Folinsäure gegenüber Irinotecan als
wöchentliche Monotherapie und gegenüber 5-FU/Folinsäure (NCI-Protokoll) sowohl im Hinblick auf
das progressionsfreie als auch das Gesamtüberleben beim metastasierenden kolorektalen Karzinom.
Therapieschema
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Irinotecan
125
90 min-Infusion
1, 8, 15, 22
Folinsäure
20
i.v.-Bolus
1, 8, 15, 22
5-FU
500
i.v.-Bolus
1, 8, 15, 22
Wiederholung Tag 36
Die Toxizität war mit einer therapieassoziierten Mortalität von knapp 1% allerdings hoch.
Überprüfung der Ergebnisse in den beiden folgenden Studien
NCI-Trial N9741 (metastasierte Stadien) und C89803 (Adjuvante Therapie)
• Irinotecan , 5-FU, Folinsäure (Schema nach Saltz)
• Hohe Rate an Todesfällen von 4,8% (14 von 289 Pat.) bzw. 2,2% (14 von 635 Pat.) innerhalb
der ersten 60 Tage nach Therapiebeginn
⇒ Stop des weiteren Einschlusses neuer Patienten vom NCI empfohlen
Konsequenz
• Intensives Monitoring bei Einsatz Irinotecan/Bolus 5-FU/Folinsäure
• Alternativ:
“Infusional 5-FU”, z.B. Schema des experimentellen Armes der EORTC-Studie 40986. Im Frühjahr
2001 wurde aus Toxizitätsgründen die initiale 5-FU-Dosis von 2300 mg/m2 (entspricht dem Schema nach
2
Douillard: Lancet 2000;355:1041-7) auf 2000 mg/m /24 Stunden reduziert.
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Irinotecan
80
½-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
Folinsäure
500
2-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
5-FU
2000
24-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
Wiederholung Tag 50
Die Kombination Oxaliplatin/Irinotecan vs. Irinotecan/5-FU/Folinsäure wurde in einer Phase-IIIStudie geprüft (siehe "FIRE").
307
Metastasierte kolorektale Karzinome
HD-5-FU/FA ± Irinotecan (EORTC Nr. 40986)
Im Herbst 1999 wurde die randomisierte Studie der EORTC aktiviert, bei der überprüft werden sollte, ob die
Einführung einer der „neuen Substanzen“ in der first-line-Therapie metastasierter kolorektaler Tumoren einen
Überlebensvorteil bringt. Inzwischen ist die Studie geschlossen.
Erste Hinweise auf eine Sinnhaftigkeit einer solchen Therapie gibt die randomisierte, multizentrische Studie von
Douillard et al Lancet 2000; 355:1041-47). Hier war bei 387 Patienten das „De-Gramont“-Schema bzw. das sog.
„AIO-Schema“ als HD-5-FU/FA-Regime unter Hinzunahme von wöchentlich 80 mg/m² Irinotecan geprüft
worden. Diese Studie hatte für die Irinotecan-haltige Kombination nicht nur eine höhere Ansprechrate (49 vs.
31%), eine längere Zeit bis zur Progression (6,7 vs. 4,4 Monate), sondern auch ein um 3,3 Monate auf 17,4
Monate signifikant verlängertes medianes Gesamtüberleben erbracht. Die Lebensqualität ergab keine
signifikanten Unterschiede.
Die Studie 40986 verglich das AIO-Schema im Standardarm mit der zusätzlichen Gabe von Irinotecan 80
mg/m² wöchentlich. Während der Studie waren in dem Arm B: AIO-Schema + Irinotecan (AIO 2,3 + IRI) unter
93 Pat. 3 Todesfälle aufgetreten. Daraufhin wurde die 5-FU-Dosis für die nachfolgend rekrutierten Pat. auf 2000
mg/m2 reduziert (AIO 2,0 + IRI). Die Auswertung der Pat. erfolgte stratifiziert entsprechend der veränderten
Dosierung. Siehe nachstehende Tab.
Im Arm A (AIO-Schema) wurde ein therapiebedingter Todesfall beobachtet. Hier erfolgte keine Änderung der
Dosierung. Die Auswertung wurde ab dem Zeitpunkt der reduzierten Dosis im Arm B auch im Arm A in zwei
Strata vorgenommen, in der Tab. als Periode I und Periode II ausgewiesen.
Ergebnisse
(Köhne CH et al., ASCO-Meeting, Orlando 2002, Abstract 532 )
Merkmal
Arm A (AIO-Schema)
Arm B (AIO 2,3 + IRI; AIO 2,0 + IRI)
Pat. (n)
188
179
60-Tage-Mortalität
7/188 (3,7%)
4/179 (2,2%)
Periode I
II
AIO 2,3
AIO 2,0
n=70
n=63
(n=70)
(n=56)
3%
6,4%
7,1%
8,6%
Diarrhoe
20%
12,7%
34,3%
17,3%
Therapieabbruch: TOX
4,2%
14%
19,4%
20,7%
andere Gründe
6,9%
4,7%
18,1%
17,2%
Toxizität
Leukopenie
Fazit der Autoren: Die Reduktion der 5-FU-Dosis im IRI-Arm bewirkte eine relevante Verminderung der GIToxizität. Die hämatologische Toxizität war in AIO 2,3 + IRI und AIO 2,0 + IRI unverändert. Nach der
Dosisreduktion zu AIO 2,0 + IRI wurde kein therapiebedingter Todesfall mehr beobachtet.
Ergebnisse der AIO-Studie, Studien von Douillard et al. sowie von Saltz et al.
FU Bolus oder Dauerinfusion +/- Irinotecan
Schema
Douillard/AIO
+ CPT-11
IFL (Saltz)
+ CPT-11
AIO
+ CPT-11
N
Response
TTP/PFS
ÜLZ
Autor
338
23%
35%
4,4
6,7
14,1
17,0
Douillard
Lancet 2000
440
21%
39%
4,3
7,0
12,6
14,8
430
-
6,5
8,5
-
Saltz
NEJM 2000
EORTC
(Köhne)
ASCO 2002
308
Kolorektale Karzinome
Metastasiert, EORTC-Studie 40015
Infusional-5-FU/Folinsäure plus Irinotecan versus Capecitabin plus Irinotecan +/- Celecoxib bei
metastasiertem kolorektalen Karzinom bei Pat. mit intermediärem und gutem Risiko.
Fragestellung: Kann Infusional-5-FU durch Capecitabin ersetzt werden ohne Nachteil für die Wirksamkeit in
der Kombination mit Irinotecan? Ist die Capecitabin-Kombination weniger toxisch als das Infusional-5-FU?
Einschlusskriterien
Histologisch nachgewiesenes Adenokarzinom des Kolons oder des Rektums im metastasierten Stadium.
Alter über 18 Jahre, Allgemeinzustand 0-2 WHO.
Keine vorausgegangene Chemotherapie für das metastasierte Stadium.
Messbare oder bewertbare Metastasen.
Vorausgegangene adjuvante Therapie ist erlaubt, wenn sie mindestens 6 Monate vor der Randomisation beendet
wurde.
Initiale Bewertung der Metastasen maximal 2 Wochen vor Beginn der Behandlung.
Leukozyten > 3 G/l, Thrombozyten > 100 G/l, Bilirubin < 2 x normal.
Keine Metastasen.
Keine Zweitneoplasie in der Anamnese oder gegenwärtig.
Ausschluss einer Schwangerschaft.
Keine schwere kardiale oder pulmonale Erkrankung, keine schwergradige Angina pectoris.
Schriftliche Einverständniserklärung, Möglichkeit eines Follow-up.
Definition von Patienten mit intermediärem und gutem Risikoprofil
WHO 0 oder 1 und ein Metastasierungsort.
WHO 0 oder 1 und mehr als ein Ort der Metastasierung und alkalische Phosphatase unter 300 U/l.
WHO > 1 und Leukozyten < 10 G/l und nur ein Metastasierungort.
Studiendesign
5-FU/Folinsäure + CPT 11 +/- Celecoxib 2x 400mg
Capecitabin + CPT 11 +/- Celecoxib 2x 400 mg
Arm A
Irinotecan
Folinsäure
80 mg/m2
2
500 mg/m
2
5-FU
2.000 mg/m
Wiederholung Tag 50 (Tag 1 des neuen Zyklus).
500 ml NaCl 0,9% 30 min.
Tag 1,8,15,22,29,36
500 ml NaCl 0,9% 2h
Tag 1,8,15,22,29,36
i.v. 24h-Inf.
Tag 1,8,15,22,29,36
Arm B
Irinotecan
70 mg/m2
500 ml NaCl 0,9% 30 min. Tag 1,8,15,22,29,36
2
Capecitabin
2 x 1.000 mg/m
p.o.
Wiederholung Tag 50 (Tag 1 des neuen Zyklus).
Tag 1-14; 22-36
Eine Bewertung der Wirksamkeit der Therapie muss erfolgen nach jedem vollständigen Zyklus, entweder in der
Woche 7 oder vor dem nächsten Zyklus.
Die Studie wurde im April 2004 wegen insgesamt 8 Todesfällen abgebrochen
(Koehne C. et al., ASCO 2005,A 3525)
6 Todesfälle, von denen 5 eindeutig therapiebedingt waren, ereigneten sich im CAPE/IRI-Arm. Die Ursachen
waren in 3 Fällen schwere Diarrhoen, in 2 Fällen thromboembolische Ereignisse. Die Todesfälle hatten
wahrscheinlich nichts mit dem Celecoxib zu tun. 61% der Patienten im CAPE/IRI-Arm benötigten eine
Dosisreduktion wegen Toxizität (39% Diarrhoe ≥Grad 3).
Schlussfolgerung: CAPE/IRI ist in dieser Dosierung und diesem Schedule nicht durchführbar. Die EORTC GI
Gruppe plant eine Phase-II-Studie mit 20% Dosis-Reduktion mit CAPE/IRI plus Bevacizumab vs. FOLFIRI.
plus Bevacizumab.
309
Kolorektale Karzinome
Sequenzen und Kombinationen mit Oxaliplatin/Irinotecan
Therapiesequenz: FOLFIRI ⇒ FOLFOX oder FOLFOX ⇒ FOLFIRI
(E. Achille, C. Tournigand et al. Eur J Cancer 2001;37:1067 suppl. 6)
Auf dem ECCO 2001 wurden die Ergebnisse einer Studie präsentiert, die die Therapiesequenz der
neuen Substanzen Irinotecan und Oxaliplatin in Kombination mit einem 5-FU-Infusionsregime
analysierte.
Therapieansprechen
Sequenz A
Sequenz B
FOLFIRI 109 Pat.
FOLFOX 81 Pat.
FOLFOX 111 Pat.
FOLFIRI 69 Pat.
ORR
56%
15%
53%
4%
ORR + SD
79%
67%
80%
39%
ORR=Overall response rate SD=stable disease
Der primäre Endpunkt der Phase-III-Studie war die Zeit bis zur Progression (TTP) jeder Sequenz:
Nach der 1. Chemotherapie war die TTP 8,4 in Sequenz A und 8,9 Monate in Sequenz B. Nach 2
Chemotherapien betrug die TTP 14,5 Monate für Sequenz A versus 11,9 Monate für Sequenz B. Der
Oxaliplatin-Arm war in der second-line-Therapie wirksamer. Dies könnte für den primären Einsatz
eines Irinotecan-Regimes sprechen. Allerdings konnten in Sequenz B bei 13 Patienten, die also primär
eine Oxaliplatin-Kombination erhielten, Metastasen R0-reseziert werden im Vergleich zu nur 7
Patienten im Irinotecan-Arm.
Oxaliplatin + Irinotecan vs. Oxaliplatin oder Irinotecan + 5-FU/Leucovorin
(Goldberg R.M. et al. ProcAmSocClinOncol 2002;21:511)
In der auf dem ASCO 2002 vorgestellten Intergroup study N 9741 wurde die Kombination Oxaliplatin
85mg/m² + Irinotecan (CPT-11) 200mg/ m² mit dem Original Saltz-Regime (Irinotecan + Bolus/5-FU
weekly) und der Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure-Kombination nach de Gramont (FOLFOX 4) verglichen.
Pat. (n)
60 TageMortalität
Progressionfreie Zeit
(Monate)
Überleben
(Monate)
Remiss.
-raten
CPT-11 +
5FU/LV (Original Saltz)
264
4,5 %
6,9
14,1
29%
Oxaliplatin +
5-FU/LV (FOLFOX 4)
267
1,8 %
8,8
18,6
38%
Oxaliplatin + CPT-11 (Wasserman)
264
1,8%
6,7
16,5
28%
Schema
Die hohe Rate an frühen Todesfällen im Saltz-Regime-Arm (siehe auch entsprechende Seite) führte
zum zeitweiligen Abbruch der Studie und dann zu einer Fortsetzung mit einer reduzierten IrinotecanDosis (125 ⇒ 100 mg/ m²).
FOLFOX 4 ist sowohl in Bezug auf die Zeit bis zur Progression, das Überleben und die Ansprechraten
den beiden anderen Regimen überlegen. Auch war das Toxizitätsprofil von Oxaliplatin/5FU/Folinsäure das akzeptabelste.
Diese Ergebnisse führten dazu, dass auf dem ASCO 2002 FOLFOX 4 zur damaligen Standardtherapie
in der First-line-Therapie des metastasierenden CRC erhoben wurde.
310
Metastasierte kolorektale Karzinome
Sequentielle Therapie, FOLFOX6/FOLFIRI
Studientitel
FOLFIRI gefolgt von FOLFOX6 oder in der umgekehrten Sequenz beim fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom. Eine
randomisierte GERCOR Studie, Phase III (C.Tournigand et al. JCO, 2004; 22:229-237).
Fragestellung
Randomisierter Vergleich von FOLFIRI und FOLFOX6 in der Erstlinientherapie und Bewertung des Therapieerfolges der
unterschiedlichen Sequenzen in der Erst-/Zweitlinienbehandlung, FOLFIRI gefolgt von FOLFOX6 und FOLFOX6 gefolgt
von FOLFIRI
Patienten und Methoden
226 Pat. mit metastasiertem kolorektalen Karzinom, nicht resezierbaren, zweidimensional >2cm messbaren Läsionen oder
nicht quantifizierbarer Resterkrankung zwischen 18 und 75 Jahren, einem WHO-Performance Status von 0-2 und
adäquaten Organfunktionen wurden zwischen Dez. 1997 und Sept. 2000 eingeschlossen.
Für Arm A randomisierte Pat.
erhielten FOLFIRI bis zur
5-FU/FA
mg/m²
Applikationsform
Therapie
Tumorprogression
oder
l-Leucovorin
200
2 h Inf.
d1
gravierender
Toxizität
und
oder dl-Leucovorin
400
wurden
dann
mit
FOLFOX6
5-FU
400
i.v. Bolus
d1
weiter behandelt.
5-FU Kurs 1 u. 2
2400
48 h Inf.
d1
Für Arm B randomisierte Pat.
5-FU ab Kurs 3
3000
48 h Inf.
d1
erhielten zunächst FOLFOX6,
FOLFIRI
um bei Progress oder nicht
plus Irinotecan
180
90’ Inf. 500ml G5%
d1
tolerierbarer
Toxizität
auf
FOLFOX6
FOLFIRI umgestellt zu werden.
plus Oxaliplatin
100
2 h Inf. in 500ml G5%
d1
Ergebnisse
First-Line-Therapie
In der Erstlinientherapie waren für FOLFIRI 3 (2,8%) CR
vs. 5 (4,5%) für FOLFOX6 zu verzeichnen. Die
Responsraten waren 56% für FOLFIRI vs. 54% für
FOLFOX. Die medinane Zeit bis zum Ansprechen wurde
mit 2,1 Monaten (Arm A) vs. 1,8 Monaten (Arm B)
bestimmt. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 11
Monate für FOLFIRI gegenüber 10,6 Monate für FOLFOX.
Eine PR wurde in 53% unter FOLFIRI, in 49% unter
FOLFOX erreicht, ein Progress musste in 14% (Arm A) vs.
13% (Arm B) diagnostiziert werden. Keine Aussage wurde
für jeweils 7% der Pat. getroffen. Einer Operation wurden
10 Pat. in Arm A und 24 Pat. in Arm B zugeführt. Das
mittlere Überleben für in zweiter Linie operierte Pat. betrug
47 Monate.
Second-Line-Therapie
Die RR waren 15% mit FOLFOX6 second-line vs. 4% mit
FOLFIRI. Darunter keine CR. Eine stabile Erkrankung
konnte in 48% durch FOLFOX vs. 30% durch FOLFIRI
erreicht werden. Progressionen wurden in 35% unter
FOLFOX und in 51% unter FOLFIRI in der
Zweitlinientherapie gesehen.
Gesamtüberleben (OS)
Das mediane OS war 21,5 Monate für Arm A (range, 16,9
bis 25,2) und für Arm B 20,6 Monate (range, 17,7 bis 24,6).
Proggressionsfreies Überleben, (A) First-line-Therapie,
Unabhängige
Prognosefaktoren
waren
ein
guter
(B) second-line-Therapie
Performance-Status, niedrige LDH, Fehlen einer
vorausgegangenen Chemotherapie, niedrige AP, Metastasen auf die Leber begrenzt, CEA und weibliches Geschlecht.
Zusammenfassung
Ein statistisch signifikanter Unterschied für die Remissionsraten, das progressionsfreie Überleben nach Erst- und
Zweitlinientherapie sowie für das Gesamtüberleben konnte für die beiden Therapiearme FOLFIRI/FOLFOX6 und
FOLFOX6/FOLFIRI nicht nachgewiesen werden. In beiden Therapiearmen konnte ein OS um 20 Monate erreicht werden.
Signifikant mehr Pat. erreichten jedoch eine Resektabilität unter der Primärtherapie mit FOLFOX gegenüber FOLIRI.
311
Metastasierte kolorektale Karzinome
FIRE-Studie
Die sogenannte „FIRE-Studie“ (Flourouracil, Irinotecan, Eloxatine) wird durch die Ludwig-Maximilians-Universität
in München koordiniert. Hier sollen in der first-line-Therapie die beiden wichtigsten neuen Substanzen Irinotecan
und Oxaliplatin angewendet werden.
Ansprechpartner: PD Dr. V. Heinemann, III.Med. Klinik, Klinikum Großhadern.
Ein- und Ausschlusskriterien
Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Kolons oder Rektums
Metastasierte Erkrankung mit zweidimensional messbaren Läsionen (CT o. MR ≥2cm, Rö-Thor. ≥1cm)
Messbare Läsionen außerhalb des Bestrahlungsfeldes bei zuvor bestrahlten Patienten
Keine vorangegangene Chemotherapie im Rahmen der Metastasierung
Alter zwischen 18 und 75 Jahren und Performance-Status mit Karnofski ≥70%
Adjuvante Therapie mindestens 6 Monate vor Randomisation beendet und ohne Topoisomerase-1-Inhibitoren und
Platinanaloga
Leukos. ≥3000, Thrombos ≥100000/µl, Kreatinin ≤1,25 x Norm, Bili. ≤1,25x Norm und OT/PT ≤3x Norm in
Abwesenheit von bzw. ≤1,5 und 5x Normwert bei Anwesenheit von Lebermetastasen
Keine chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, kein Ileus
Kein klinischer Hinweis auf Hirnmetastasen
Kein Zweitmalignom außer Cervix-Ca. in situ o. Nicht-Melanom-Hautkrebs
Keine schwerwiegenden internistischen Begleiterkrankungen, die eine zytostatische Therapie ausschließen
Chemotherapie
Der Standardarm entspricht dem experimentellen Arm der EORTC-Studie 40986.
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
500
2-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
5-FU
2000
24-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
80
½-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
Irinotecan
Wdh. Tag 50
Für die Therapie im experimentellen Arm ist keine Portimplantation nötig, wird aber empfohlen.
Substanz
Irinotecan
Oxaliplatin
Dosis [mg/m²/d]
80
85
Applikationsform
½-Std.-Infusion
120-min.-Infusion
Therapietage
1,8,15,22,29,36
1,15,29
Wdh. Tag 50
Die Behandlungsdauer ist bis zum Auftreten einer Progression oder einer inakzeptablen Toxizität geplant. Bei
Progression sollte ein Cross-over der Therapieregime erfolgen.
Falls nach 2 Zyklen eine Resektabilität von vormals nicht resektablen Lebermetastasen erreicht wird, ist eine
Operation vorgesehen.
Die Ergebnisse der Studie wurden auf dem ASCO 2005 vorgestellt (Schalhorn A. et al., #3516)
FIRE-Studie
n = 299
FOLFIRI
IROX
CR
8%
8%
PR
38%
42%
SD
47%
33%
PFS
8,7 Monate
7,3 Monate
OS
21,1 Monate
18,6 Monate
8,5%
16,5%
Therapiestop wg. Toxizität
Schlussfolgerung der Autoren: FOLFIRI und IROX sind vergleichbar effektiv. Die Toxizität ist ähnlich akzeptabel
in beiden Armen.
312
Metastasierte Kolorektale Karzinome
Capecitabin/Oxaliplatin-Kombinationstherapie
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass das orale Fluoropyrmidine Capecitabin (Xeloda®) in der Monotherapie 5FU ersetzen kann. Dass ein Ersatz von 5-FU durch Capecitabin auch in der Kombinationstherapie mit Oxaliplatin
möglich ist, haben mehrere Studien gezeigt:
In den Studien der AIO ( Porschen et al., J Clin Oncol 2007) der spanischen TTD (Diaz-Rubio et al.,J Clin Oncol 2007)
und einer französischen Studie (Ducreux et al. ASCO 2007) bestand kein statistisch signifikanter Unterschied für die
verschiedenen untersuchten Capecitabin/Oxaliplatin Kombinationen gegenüber den 5-FU/Oxaliplatin-Kombinationen
im progressionsfreien Überleben (PFS). Auch die Ansprechraten (RR) waren nicht signifikant unterschiedlich.
Auf dem ASCO 2008 wurde eine kombinierte Analyse von Phase II/III-Studien, die auch oben genannte Studien
einschloss, vorgestellt, die eine vergleichbare Effektivität von Capecitabin/Oxaliplatin mit Oxaliplatin-basierten
infusionalen 5-FU-Regimen zeigten (Arkenau H. et al., ASCO 2008, Abstract 342)
Cape/Ox vs. 5-FU/Ox
AIO
TTD
France
NO16966
Italian GOAM
CAPOX
FUFOX
XELOX
FUOX
XELOX
FOLFOX-6
XELOX
FOLFOX-4
XELOX
PVIFOX
n
RR%
PFS (Mon.)
OS (Mon.)
242
234
171
171
144
140
317
315
52
56
48
52
37
46
42
46
NA
NA
43
48
7,1
8,8
8,9
9,5
9,3
9,7
7,3
7,7
9,0
7,0
18,8
18,8
18,1
20,8
19,9
18,4
17,1
17,5
NA
NA
Capecitabin und Oxaliplatin, gepoolte
Analyse randomisierter Phase-II-/IIIStudien (Porschen R. et al., ASCO 2008, Abstr. 4055)
Eine Metaanalyse von 5 randomisierten Phase-II/IIIStudien, die die Rolle von Oxaliplatin in Kombination
entweder mit 5-FU oder mit Capecitabine in der firstline-Therapie evaluierten, wurde erstellt. Bei insgesamt
2575 Patienten (5-FU: 1278 Pat., Capecitabine: 1297
Pat.) wurde die Response Rate (RR), das
progressionsfreie und das Gesamtüberleben (PFS, OS)
analysiert.
Ergebnis: Es zeigte sich eine etwas erhöhte RR für 5FU. Das PFS und OS waren jedoch für beide Regime vergleichbar.
Capecitabine
versus
5-FU
in
Kombination
mit
Oxaliplatin,
Metaanalyse
von
randomisierten
klinischen Studien (Cuppone F. et al, ASCO
2008, Abstract 4056)
6 randomisierte klinische Studien mit insgesamt 3405
Patienten in der Erstlinientherapie des metastasierten
KRK, die CAPOX (Capecitabine + Oxaliplatin) mit FUOX (FU + Oxaliplatin) verglichen, wurden evaluiert.
Ergebnisse: CAPOX und FUOX sind gleich effektiv.
Die komplette Remissionsrate war etwas höher für 5FU. Ein signifikanter Unterschied zugunsten von
CAPOX fand sich für die Neutropenie und die febrile
Neutropenie. Eine signifikant höhere Rate an Hand-Fuß-Syndrom fand sich mit CAPOX.
313
Metastasierte Kolorektale Karzinome
Capecitabin/Oxaliplatin-Kombinationstherapie (II)
NO 16966-Studie (Cassidy J. et al., ASCO 2007, Abstr. # 270)
Diese Phase-III-Studie war ursprünglich als Vergleich FOLFOX versus XELOX geplant, wurde dann aber mit
der Fragestellung des Werts von Bevacizumab in ein 2x2 faktorielles Design umgewandelt.
XELOX
N = 317
XELOX + Placebo
N = 350
FOLFOX 4
N = 317
FOLFOX4 + Placeb
N = 351
Initial 2 armige
randomisierte Studie
XELOX +
Bevacizumab
N = 350
FOLFOX4 +
Bevacizumab
N = 350
Protokoll geändert in ein 2x2 Placebo-kontrolliertes Design nach Vorlage von
Phase-III-Daten für Bevacizumab
In der Gesamtauswertung von über 2000 Patienten zeigte sich zwischen FOLFOX und XELOX mit oder ohne
Bevacizumab bzw. Placebo im Hinblick auf das progressionsfreie Überleben (PFS) mit 8,5 versus 8,0 Monaten
kein signifikanter Unterschied. Auch im ursprünglich geplanten zweiarmigen Vergleich (vor der
Randomisierung mit Bevacizumab) ergab sich mit 7,7 vs. 7,3 Monaten PFS kein signifikanter Unterschied
zwischen FOLFOX und XELOX.
Im FOLFOX-Arm fand sich eine höhere Rate an Neutropenien und febrilen Neutropenien, während das HandFuß-Syndrom und Grad-3/4-Diarrhoen im XELOX-Arm häufiger waren. Somit ist die Nicht-Unterlegenheit von
XELOX gegenüber FOLFOX4 erwiesen – auch dann, wenn die Patienten zusätzlich Bevacizumab erhalten.
PFS
PFS
XELOX vs. FOLFOX in der Second-line-Therapie
(Rothenberg ML et al., ASCO 2007 Abstr. #4031)
PFS
In dieser Studie wurde bei Patienten, die zuvor schon ein
Irinotecan/5-FU-Regime erhalten hatten, die Behandlung mit
XELOX versus FOLFOX evaluiert. Bei 627 eingeschlossenen
Patienten war das PFS in beiden Armen mit 4,7 Monaten im
XELOX-Arm versus 4,8 Monaten im FOLFOX4-Arm nicht
signifikant verschieden. Somit bestätigte sich auch die NichtUnterlegenheit von XELOX gegenüber FOLFOX4 in der secondline-Therapie.
Fazit: XELOX = FOLFOX in First- und second-line-Therapie des KRK
314
Metastasierte Kolorektale Karzinome
Capecitabin/Irinotecan/Bevacizumab-Kombinationstherapie
Während in der Oxaliplatin-Kombinationstherapie 5-FU durch Capecitabin ersetzt werden kann, zeigen einige
internationale Studien für eine Kombination von Irinotecan mit Capecitabin ein ungünstiges Toxizitätsprofil.
Dem stehen Erfahrungen der deutschen AIO-Gruppe gegenüber, die mit einem allerdings dosisreduzierten
Capecitabin/Irinotecan-Schema eine gut akzeptable Toxizität dokumentieren konnte.
AIO-Studie KRK 0604 (Schmiegel W.H. et al.,ASCO 2007, Abstr.# 4034)
Randomisierte Phase-II-Studie zum Einsatz von Bevacizumab in Kombination mit Capecitabin/Irinotecan oder
Capecitabin/Oxaliplatin in der Erstlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittenem kolorektalem Karzinom.
CAPOX + Bevacizumab (Arm A)
Dosis [mg/m2/d]
2000
7,5 mg/kg
130
Substanz
Capecitabin
Bevacizumab
Oxaliplatin
Applikationsform
p.o.
30-90 Min.-Infusion
2-Std.-Infusion
Therapietage
1 – 14
1
1
Applikationsform
p.o.
30-90 Min.-Infusion
30-90 Min.-Infusion
Therapietage
1 – 14
1
1
Wiederholung Tag 22
CAPIRI + Bevacizumab (Arm B)
Dosis [mg/m2/d]
1600
7,5 mg/kg
200
Substanz
Capecitabin
Bevacizumab
Irinotecan
Wiederholung Tag 22
Die Dosierungen von Capecitabin und Irinotecan im Arm B waren um 20% reduziert im Vergleich zu früheren
Studien, die eine inakzeptable Toxizität gezeigt hatten (siehe auch EORTC 40015-Studie, Koehne C. et al., ASCO
2005,A 3525).
Arm A
N= 118
Arm B
N = 112
CR
5%
4%
PR
40 %
43 %
SD
28 %
23 %
4/23 %
7/23 %
74 %
80 %
KRK 0604
PD/n.e.
PFS-Rate/6 Mo.
Ergebnisse: Beide Regime wurden sehr gut
toleriert ohne Unterschiede in der Toxizität, bis auf
die erhöhte Neuropathie im Oxaliplatin-Arm.
Interessanterweise ergab sich trotz Protokolldefinierter Dosisreduktion von XELIRI kein
Unterschied in der Effektivität beider Protokolle
gemessen
als
Remissionsraten
und
PFS
(progressionsfreies Überleben) nach 6 Monaten.
Update AIO-Studie KRK 0604 (Reinacher-Schick A.C. et al., ASCO 2008 Abstr. 4030)
Die Ansprechraten ( CR+PR) unterschieden sich mit 54%
und 55% nicht. Mit 10,4 Monaten für XELOX-Beva sowie
12,1 Monate für XELIRI-Beva war das progressionsfreie
Überleben sehr lang und nicht signifikant unterschiedlich.
Die Differenz zugunsten des XELIRI-Beva-Armes ist
durch die längere Therapiedauer aufgrund der geringeren
Toxizität in diesem Arm bedingt.
Schlussfolgerung: Beide Regime sind sehr aktiv und
sicher. Das günstigere Nebenwirkungsprofil mit fehlender
Neuropathie favorisiert die XELIRI/Beva Kombination
315
Bevacizumab (Avastin®)
VEGF und Angiogenese
Der monoklonale Antikörper Bevacizumab (Avastin®) ist gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor
(VEGF) gerichtet. Er ist in Deutschland in Kombination mit einer Chemotherapie auf Fluoropyrimidin-Basis zur
Behandlung des metastasierenden KRK zugelassen.
Es besteht außerdem eine Zulassung für die First-line-Therapie des metastasierten Mammakarzinoms in Verbindung
mit Paclitaxel. Seit kurzem ist Avastin zusätzlich zu einer platinhaltigen Chemotherapie für die Erstlinientherapie des
fortgeschrittenen inoperablen, metastasierten oder rezidivierten nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms mit
Ausnahme des
Plattenepithelkarzinoms zugelassen. Beim fortgeschrittenen und/oder metastasierten
Nierenzellkarzinom wird Avastin in der First-line zusammen mit Interferon alpha 2a angewendet.
Tumor- versus physiologische Angiogenese
Unter physiologischen Bedingungen kommt eine Neubildung von Blutgefäßen (Angiogenese) nur selten vor, z.B. bei
der Wundheilung. Diese Angiogenese läuft unter kontrollierten Bedingungen ab. Sie wird reguliert von endogenen
Angiogenestimulatoren und Angiogeneseinhibitoren, die ein Gleichgewicht halten. Die neugebildeten Gefäße reifen
rasch und werden stabil. Im Tumor – beschrieben als „die Wunde, die niemals heilt“ –ist diese Situation anders. Die
Kontrolle über das Gleichgewicht geht verloren. Ab einer gewissen Größe ist der Tumor auf die Neubildung
tumoreigener Gefäße angewiesen, wenn nämlich die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung des Tumors über die
Diffusion alleine nicht mehr geleistet werden kann. Wachstum, Progression und Metastasierung maligner Tumoren
sind deshalb abhängig von der Angiogenese. Tumorzellen bilden ihr eigenes Gefäß-System dadurch, dass sie das
Gleichgewicht in Richtung Angiogenesestimulation verschieben.
Als mögliche stimulierende Faktoren werden die Hypoxie im Tumor, die Tumormasse oder der Zellzerfall diskutiert.
Das Umschalten auf die Angiogenese wird als „angiogenetischer Switch“ bezeichnet.
VEGF und Angiogenese
VEGF wurde als einer der wichtigsten Regulatoren der
Angiogenese identifiziert. VEGF ist ein vaskulärer
Wachstumsfaktor und ein vaskulärer Permeabilitätsfaktor.
Seine Expression ist in vielen Tumoren wie Kolon-, Mammaund Bronchialkarzinom hochreguliert. Es ist möglich, die
Wirkung von VEGF über verschiedene Wege zu
unterdrücken. Einer davon ist die Bindung des VEGF durch
Antikörper.
Bevacizumab ist ein humanisierter monoklonaler MausAntikörper, der menschlichen VEGF im Blutstrom
neutralisiert. Er erkennt zielgerichtet VEGF und bindet mit
hoher Affinität an den Wachstumsfaktor. Dies hat zur Folge,
dass VEGF nicht an seinen Rezeptor binden kann, wodurch
die Stimulation der Angiogenese verhindert wird.
Präklinische Studien zeigten, dass die Bindung von VEGF
durch Becizumab zu einer Veränderung und letztlich einer
Verminderung der tumoralen Blutgefässversorgung führt.
Klinische Studien mit Bevacizumab
Bevacizumab fängt den vaskulären endothelialen
Wachstumsfaktor VEGF ab und verhindert so dessen
Bindung an seinen Rezeptor und die darauf folgende
Stimulation der Angiogenese.
Quelle: Medizin Forum aktuell nr. 323/2004
Metastasiertes Nierenzellkarzinom
(Yang J et al., NEJM 2003; 349:427-434)
Eine randomisierte, doppelt blinde, placebo-kontrollierte
Phase-II-Studie setzte Bevacizumab als Monotherapie beim
metastasierenden Nierenzellkarzinom ein, das unter der
Behandlung mit hochdosiertem IL-2 progredient war. Bevacizumab wurde in einer Dosierung von 3 und 10 mg/kg
KG alle 14 Tage gegeben. Es fand sich eine signifikante Verlängerung der Zeit bis zur Progression (TTP) in der
hochdosierten Antikörpergruppe verglichen mit Placebo (2,5 vs. 4,8 Monate). Die Toxizität in Form von Hypertonie
und asymptomatischer Proteinurie war gering.
Kolorektales Karzinom Phase-II-Studie (Kabbinavar F. et al., JCO 2003; 21: 60-65,)
Eine randomisierte Phase-II-Studie evaluierte die Effektivität und Toxizität von Bevacizumab in Kombination mit 5FU/Leukovorin bei unvorbehandelten Patienten mit metastasiertem KRK. Venöse Thromembolien waren die
bedeutendsten unerwünschten Ereignisse, zusätzlich auch Hypertonie, Proteinurie und Epistaxis. Die Responseraten
sowie die TTP waren interessanterweise in der niedrig dosierten Bevacizumab-Gruppe (5 mg/kg/alle 2 Wochen)
besser (ORR 40% vs. 24%, TTP 9 vs. 7,2 Monate) als in der höher dosierten (10 mg/kg/alle 2 Wochen).
Phase-III-Studie IFL + Bevacizumab siehe nächste Seite
316
Metastasierte kolorektale Karzinome
Bevacizumab, Hurwitz-Studie
Bevacizumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen vascular endothelial growth factor (VEGF). In einer Phase-IIIStudie wurden nicht vorbehandelte Patienten mit metastasiertem CRC zunächst in drei Arme randomisiert.
Studiendesign
IFL + Placebo vs. IFL + Bevacizumab vs. 5-FU/Leucovorin + Bevacizumab
125 mg/m2
500 mg/m2
20 mg/m2
Die
Behandlung
mit
5-FU
/Leucovorin/Bevacizumab wurde
beendet, nachdem nach 300
alle 2 Wochen
Patienten die Sicherheit der
Kombination IFL + Bevacizumab
125 mg/m2
einmal/Woche für 4 Wochen, WH Woche 7
gewährleistet war. Danach wurden
500 mg/m2
die Patienten nur noch in die
20 mg/m2
5 mg/kgKG alle 2 Wochen
beiden anderen Arme IFL +
Placebo oder IFL + Bevacizumab
Fluorouracil
500 mg/m2
einmal/Woche für 6 Wochen, WH Woche 9
randomisiert. Die Patienten, deren
2
Leucovorin
500 mg/m
Erkrankung
progredient
war,
Bevacizumab
5 mg/kgKG alle 2 Wochen
konnten eine second-line-Therapie
erhalten. Die Patienten in einem Bevacizumab-haltigen Arm konnten Bevacizumab während der second-lineBehandlung fortsetzen. Bei Patienten mit IFL + Placebo war ein Cross-over nicht erlaubt. Patienten in einem
Bevacizumab-Arm, die am Ende der Studie nach 96 Wochen keine Progredienz zeigten, konnten Bevacizumab in
einer separaten Erweiterungsstudie fortführen. Patienten in einer Bevacizumab-Gruppe mit kompletter Remission
oder inakzeptabler Toxizität durch die Chemotherapie konnten Bevacizumab alleine ohne Chemotherapie fortsetzen.
Irinotecan
Fluorouracil
Leucovorin
Placebo
Irinotecan
Fluorouracil
Leucovorin
Bevacizumab
einmal/Woche für 4 Wochen, WH Woche 7
Ergebnisse (Hurwitz et al., N Engl J Med 2004;350:2335-42)
Die Intention to treat-Analyse mit dem Endpunkt-overall Survival schloss 411 Patienten, die IFL + Placebo, und 402
Patienten, die IFL + Bevacizumab erhielten, ein (gesamt 813 Pat.).
Effektivitätsanalyse
Endpunkt
IFL + Placebo
IFL + Bevacizumab
p-Wert
Median survival (Mon.)
15,5
20,3
<0.001
1-Jahr-Survival-Rate (%)
63,4
74,3
<0.001
PFS (Mon.)
ORR (%)
CR
PR
Mittlere Dauer des Ansprechens (Mon.)
6,2
34,8
2,2
32,6
7,1
10,6
44,8
3,7
41,0
10,4
<0.001
0.004
0.001
Die Zugabe zu Bevacizumab zu IFL führte zu einem signifikant
längeren Überleben (OS). In der Untergruppe der Patienten, die
eine second-line-Therapie mit Oxaliplatin erhielten, betrug die
mittlere Dauer des OS 25,1 Monate in der Gruppe mit IFL +
Bevacizumab und 22,2 Monate in der Gruppe mit IFL + Placebo.
Auch das progressionsfreie Überleben (PFS), die Responseraten
(ORR) und die mittlere Dauer des Ansprechens waren unter IFL +
Becizumab signifikant länger als unter IFL + Placebo.
Toxizität
Die Inzidenz einer Grad-3/4-Toxizität war 10,9% höher im IFL +
Kaplan-Meier-Kurven. Errechnetes progressionsfreies
Bevacizumab-Arm (84,9 vs. 74%), überwiegend wegen einer
Überleben.
gesteigerten Inzidenz einer Grad-3-Hypertension (11 vs. 2,3%) in
diesem Therapiearm, die aber gut zu behandeln war.
Gastrointestinale Perforationen ereigneten sich bei 6 Patienten (1,5%) ebenfalls in diesem Arm, wovon einer als
direkte Folge davon starb. Obwohl dieses Ereignis selten war, ist das Risiko dafür möglicherweise durch
Bevacizumab erhöht, indem Bevacizumab die Wundheilung durch Verhinderung der Angiogenese stört.
317
Metastasierte kolorektale Karzinome
Bevacizumab, Hurwitz-Studie, KRAS-Status
Mutationen im EGFR-Signaltransduktionsweg
In der Phase-III-Zulassungsstudie von Hurwitz wurden prospektiv Tumorproben gesammelt. Es waren 230
Tumorproben der insgesamt 812 eingeschlossenen Patienten verfügbar. Die Proben wurden dahingehend
untersucht, ob Kras-Mutationen oder Mutationen in Genen für andere Biomarker den klinischen Benefit einer
Bevacizumab-basierten Therapie vorhersagen können.
Die Ergebnisse der Biomarker-Analysen zeigten, dass die Wirksamkeit von Avastin unabhängig vom KRasMutationsstatus ist (Ince er al., J Natl Cancer Inst. 2005;97:981-989).
Auf dem WCGIC 2008 in Barcelona stellte Hurwitz außerdem die Ansprechraten abhängig vom KrasMutationsstatus vor (Hurwitz et al. WCGIC 2008, O-035)
Wildtyp K-ras
Mutation K-ras
Gesamtpopulation
IFL+
placebo
IFL +
Bev
IFL +
placebo
IFL +
Bev
IFL +
placebo
IFL +
Bev
ORR %
37,3
60,0
41,2
43,2
38,6
54,3
CR
3,0
3,5
0,0
6,8
2,0
4,7
PR
34,3
56,5
41,2
36,4
36,6
49,6
p-Wert
0,006
0,86
0,02
Dabei zeigte sich eine hohe Gesamtansprechrate von respektive 60% für die Wildtyp Kras-Gruppe in der
Kombination von IFL plus Bevacizumab, während in der mutierten Kras Gruppe kein signifikanter Unterschied
beobachtet wurde.
Der klinische Benefit einer Bevacizumab-Therapie beim metastasierten KRK besteht somit sowohl für den
mutierten als auch für den Kras- Wildtyp. Eine Kras-Bestimmung vor einer Bevacizumab-Therapie ist nicht
erforderlich.
318
Metastasierte kolorektale Karzinome
Bevacizumab, (XELOX / FOLFOX4), NO 16966-Studie
XELOX-1/NO16966 (Saltz L. et al., ASCO 2007, Abstr. # 4028 und JCO 2008; 26:2013-19)
Diese Phase-III-Studie war ursprünglich als Vergleich FOLFOX versus XELOX geplant, wurde dann aber mit
der Fragestellung des Werts von Bevacizumab in ein 2x2 faktorielles Design umgewandelt (siehe auch Seite
Capecitabin-Oxaliplatin-Kombinationen).
1401 Patienten erhielten
entweder FOLFOX oder
XELOX +
XELOX
XELOX + Placebo
XELOX
(Oxaliplatin
Bevacizumab
N = 317
N = 350
130 mg/m2 iv d1,
N = 350
Capecitabin
1000
FOLFOX 4
FOLFOX4 + Placebo
FOLFOX4 +
mg/m2
bid
p.o.
d1-14,
N = 317
Bevacizumab
N = 351
q3w) plus Bevacizumab
N = 350
(5 mg/kg alle 2 Wochen
bei FOLFOX, 7,5 mg/kg
alle 3 Wochen für
Initial 2-armige
Protokoll geändert in ein 2x2 Placebo-kontrolliertes
XELOX) oder Placebo.
randomisierte
Design nach Vorlage von Phase-III-Daten für
Studie
Bevacizumab
Ergebnisse: Die Zugabe von Bevacizumab
zu der Oxaliplatin-basierten Chemotherapie
zeigte einen signifikanten Vorteil bezüglich
des progressionsfreien Überlebens von 9,4
Monaten in den Bevacizumab-Armen versus
8,0 in den Placebo-Armen.
Progressionsfreies Überleben XELOX/FOLFOX +/- Bevacizumab
PFS
Separierung der Kurven nach 6 Monaten im Bevacizumab-haltigen Arm
zwischen „allgemeiner“ versus bis zum Progress fortgesetzter Therapie
(„on treatment“)
319
Allerdings wurden die meisten Patienten im
Rahmen der Studie nur 6 Monate lang
behandelt. Danach wurde sowohl die
Chemotherapie als auch das Bevacizumab
abgesetzt.
Die
Gründe
für
den
Therapieabbruch lagen zum einen in der
Tumorprogression (mehr im Placebo-Arm
als im Bevacizumab-Arm) oder waren
toxizitätsbedingt oder aber, weil eine
Therapiedauer von über 6 Monaten als zu
lange
erschien.
Die
meisten
Therapieabbrüche ereigneten sich infolge
von chemotherapiebedingten Nebenwirkungen (Neurotoxizität).
In einer Subgruppenanalyse wurden
Patienten analysiert, bei denen Bevacizumab
nicht schon vorzeitig abgebrochen sondern
bis zum Progress weitergegeben wurde (on
treatment). Diese zeigten ein PFS von 10,4
Monaten versus 7,9 Monate in der
„general“-Gruppe, in der die Therapie nach
6 Monate abgesetzt wurde. Somit scheint
durch Verlängerung der Bevacizumab-Gabe
eine
Verlängerung
der
Zeit
der
Krankheitskontrolle erreichbar zu sein.
Metastasierte kolorektale Karzinome
Bevacizumab, Studienergebnisse, Oxaliplatinkombinationen
ECOG-Studie E 3200. FOLFOX-4 +/-Beva second line (Giantonio B.J. et al., ASCO 2005, Abstr. 2)
Phase-III-Studie mit hoch dosiertem Bevacizumab (10mg/kg i.v./alle 14 Tage) entweder alleine oder in
Kombination mit FOLFOX-4-Regime im Vergleich zu FOLFOX-4 alleine bei Patienten mit
vorbehandeltem KRK. Die Vorbehandlung musste mit einem Fluoropyrimidin- und einem Irinotecanbasierten Regime erfolgt sein.
ECOG-Studie
E3200
FOLFOX-4 + BEV
N = 290
FOLFOX-4
N = 289
BEV
N = 243
Medianes OS
12,5 Monate
10,7 Monate
10,2 Monate
Medianes PFS
7,4 Monate
5,5 Monate
3,5 Monate
Ergebnisse: Der Kombinationsarm FOLFOX-4 + Bevacizumab war der alleinigen Chemotherapie
hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens signifikant überlegen. Der
Arm mit der Bevacizumab-Monotherapie wurde vorzeitig geschlossen. Darmperforationen waren
selten (1,1%), kamen aber nur unter Bevacizumab vor.
Fazit: Nach Vorbehandlung mit 5-FU/Irinotecan (ohne Bevacizumab) besteht bei sequentieller
Therapie mit FOLFOX/Bevacizumab, also als Zweitlinientherapie, ein Überlebensvorteil gegenüber
FOLFOX alleine.
TREE-1-und-2-Studie (Hochster H.S. et al., ASCO 2005, Abstract 3515)
Die Studie untersuchte die Sicherheit und Durchführbarkeit von drei Oxaliplatin/FluoropyrimidinKombinationen, nämlich Bolus-, Infusions- oder orales Regime, allein (TREE 1) und jeweils mit
Bevacizumab (TREE 2) bei unvorbehandelten Patienten mit metastasiertem KRK. Die Therapieregime
bestanden in FOLFOX6, einer Bolus 5-FU Gabe + Oxaliplatin (bFOL, Oxaliplatin 85 mg/m2 Tag 1 +
15, Folinsäure 20 mg/m2, 5-FU 500 mg/m2 Bolus Tag 1,8,15, WH Woche 4) und CAPOX (Oxaliplatin
130 mg/m2 Tag 1, Capecitabin 1000 mg/m2 bid, bei TREE 2 Reduktion auf 850 mg/m2). Bevacizumab
wurde mit 5 mg/kg alle 2 Wochen oder 7,5 mg/kg alle 3 Wochen zu jedem Regime in der TREE 2Studie hinzugefügt.
Ergebnisse: FOLFOX zeigte die beste Balance zwischen Ansprechen und Toxizität. CAPOX wurde
nach Dosisreduktion wegen 27% Grad-3/4 Diarrhoe besser toleriert. Bevacizumab verbesserte das
Ansprechen auf die Therapie in allen 3 Armen signifikant.
TREE-1/2-Studie, Ergebnisse (Hochster H.S., ASCO 2006, Abstract 3510)
Studiendesign s.o.. Die Zugabe von Bevacizumab zu Oxaliplatin-Fluoropyrimidin-Regimen steigert
die Remissionsrate (RR), die Zeit bis zur Progression (TTP) sowie das Gesamtüberleben (OS). Die
Toxizität wurde in allen drei Armen durch Bevacizumab gesteigert: Grad-3-4 Hypertonie in 7-15%,
Wundheilungsstörungen 1,4–5,6 %, gastrointestinale Perforationen 2,8-4,2%. Sie lag aber in einem
tolerablen, erwarteten Bereich. Die Toxizität von FOLFOX6 und CAPOX war nach Reduktion des
Capecitabine auf 850 mg/m2 bid vergleichbar.
TREE 1
TREE 2
FOLFOX
bFOL
CAPOX
- Beva (n=49)
+ Beva
(n=71)
- Beva (n=50)
+ Beva
(n=70)
- Beva (n=48)
+ Beva
(n=72)
RR
43%
53%
22%
41%
35%
48%
TTP (Mon.)
8,7
9,9
6,9
8,3
5,9
10,3
OS (Mon.)
19,2
26,0
17,9
20,7
17,2
27,0
320
Metastasierte kolorektale Karzinome
Bevacizumab, BICC-C-, BEAT-Studien, Ergebnisse
BICC-C-Studie (Fuchs C. et al.,ASCO 2006 und update ASCO 2007, Abstr.#4027)
Die Phase-III-Studie sollte drei Irinotecan-haltige Regime, FOLFIRI, ein modifiziertes IFL (Bolus) und CAPIRI
(Capecitabin) in der First-line-Therapie vergleichen. Nach Zulassung von Bevacizumab erfolgte eine zweite
Rekrutierungsperiode.
Ergebnisse: FOLFIRI ist dem Bolus-IFL sowie CAPIRI überlegen im Hinblick auf Effektivität und Tolerabilität. Die
Zugabe von Bevacizumab steigert die Effektivität ohne klinisch relevante Zunahme der Toxizität. Bolus-IFL sollte
wegen der intolerabel hohen Rate an frühen Todesfällen nicht länger angewendet werden. Anm.: Das 3-wöchentliche
CAPIRI-Regime benutzte eine hohe Dosis von Capecitabin (1000 mg/m2 bid, Tag 1-14) und Irinotecan (250 mg/m2
d1), was zu einer inakzeptablen Toxizität mit 50% Grad-3/4 Diarrhoen und möglicherweise auch zu der verminderten
Effektivität führte.
BICC-C
Studie
RR
PFS (Monate)
OS (Monate)
60 Tage Mortal.
Periode 1 ohne Bevacizumab
Periode 2 plus Bevacizumab
FOLFIRI (n= 144) mIFL (n=141) CAPIRI (n= 145) FOLFIRI (n=57
47%
43%
39%
54,4%
7,6
5,9
5,8
11,2
23,1
17,6
18,9
nicht erreicht
2,9
5,8
3,5
1,8
mIFL (n=60)
53,3%
8,3
19,2
6,8
First-BEAT-Studie (Berry S.R. et al., ASCO 2006, Abstract 3534)
Die First-BEAT Studie wurde im Juni 2004 gestartet, um die Sicherheit von Bevacizumab zu evaluieren und um zu
sehen, ob die Studiendaten auf die klinische Praxis zu übertragen sind. Sie schloss 1927 Patienten aus 41 Ländern
weltweit ein, die Bevacizumab 5 mg/kg q2w oder 7,5 mg/m2 q3w in Kombination FOLFOX, FOLFIRI, CAPOX
oder Xeloda erhielten.
Serious adverse events
alle SAE n (%) Avastin-bedingte SAE n (%) Schwere unerwünschte Nebenwirkungen, serious adverse
Patienten
479 (27)
159 (9)
events (SAE), wurden bei 27%
Ereignisse
781
189
der Studienpopulation berichtet, wobei 9% in Verbindung
Febrile Neutropenie
17 (1,0)
1 (0,1)
mit Bevacizumab gesehen
Tiefe Beinvenenthrombose
25 (1,4)
22 (1,2)
wurden. Sie schlossen gastroLungenembolie
22 (1,2)
20 (1,1)
intestinale
Perforationen
Arterielle Thrombembolien
13 (0,7)
11 (0,6)
(1,2%), Blutungen (1,3%) und
arterielle thrombembolische
Blutung
23 (1,3)
17 (1,0)
Ereignisse (0,7%) ein. Das
Gastrointestinale
21 (1,2)
12 (0,7)
Sicherheitsprofil in der kliniPerforation
schen Praxis scheint somit mit
Hypertonie
8 (0,4)
8 (0,4)
den prospektiven klinischen
Wundheilungsstörung
7 (0,4)
3 (0,2)
Studien übereinzustimmen.
Ergebnisse (Berry SR. Et al., ASCO 2008 Abstr. 4025)
Die Endergebnisse wurden auf dem ASCO 2008
präsentiert. Das progressionsfreie Überleben (PFS)
betrug
durchschnittlich
für
alle
Fluoropyrimidinbasierten
Chemotherapien
+
Bevacizumab 10,8 Monate, das Gesamtüberleben (OS)
22,7 Monate.
Somit entspricht die Sicherheit und Effektivität der
Bevacizumabkombinationen in der Erstlinientherapie
des KRK in der klinischen Praxis den Erfahrungen aus
den randomisierten Phase-III-Studien.
Weitere Ergebnisse der First-BEAT-Studie zu Leberresektionen nach Bevacizumab siehe
Lebermetastasen, Neoadjuvante Chemotherapie.
321
Metastasierte kolorektale Karzinome
Bevacizumab, BriTE-Beobachtungsstudie
BriTE-Studie (Kozloff M. et al, ASCO 2006, Abstract 3537)
Die BriTE-Studie ist das amerikanische Pendant zur First-BEAT-Studie, eine große Beobachtungsuntersuchung
von nicht selektionierten Patienten aus 248 amerikanischen Zentren, die Bevacizumab plus eine Chemotherapie
in der First-line-Therapie bei metastasiertem CRC erhielten. Die Chemotherapie bestand in FOLFOX (55,8%),
FOLFIRI (14,1%), und IFL (9,7%). Nach Auswertung von 1.968 Patienten war das mediane progressionsfreie
Überleben (PFS) mit 10,2 Monaten vergleichbar mit den Daten der Zulassungsstudie von Hurwitz. Das PFS war
ähnlich für alle Chemotherapien, die mit Bevacizumab kombiniert wurden.
BriTE-Studie, Risikofaktoren für eine gastrointestinale Perforation (GIP)
(Sugrue M. et al. ASCO 2006, Abstract 3535)
Im Rahmen der Brite-Studie wurden bei 34 von 1968 Patienten eine Gastrointestinale Perforation, entsprechend
1,7% gesehen. Die mediane Zeit bis zu dem Ereignis betrug 2,1 Monate. Der Großteil der Perforationen war
nicht letal und ereignete sich in den ersten 3 Monaten nach Beginn der Therapie mit Bevacizumab. Obwohl es
keine signifikanten Patientencharakteristika gab, war die Zahl der gastrointestinalen Perforationen bei Patienten
mit verbliebenem Primärtumor höher (2,6%) als bei Patienten mit reseziertem Primärtumor (1,6%). Die
Einnahme von Aspirin oder NSAID sowie eine Ulcus- oder Diverticulitisanamnese waren nicht mit einem
höheren Risiko assoziiert.
Chirurgisch-pathologische Befunde bei Patienten mit GIP
Patienten (n= 33)
Wenigstens 1 assoziierter Befund
22
Tumor an der Stelle der Perforation
11
Gastrointestinale Obstruktion
6
Peritonealkarzinose
3
Intraabdomineller Abszess
3
Akute Divertikulitis
2
Kein Befund (unklar)
11
Schlussfolgerung: Die Inzidenz von GIP ist in dieser großen Beobachtungsstudie mit 1,7% ähnlich wie in den
Phase-III-Studien mit Bevacizumab. Es wurde keine Korrelation zwischen spezifischen Patientencharakteristika
und der Inzidenz von GIP gefunden. Patienten mit einem verbliebenen Primärtumor, einer kürzlich erfolgten
Endoskopie oder einer früheren adjuvanten Bestrahlung haben ein leicht erhöhtes Risiko für eine GIP unter der
Behandlung mit Bevacizumab.
BriTE, Bevacizumab beyond Progression (BBP) (Grothey A. et al.,ASCO 2007, Abstr. #4036)
Bisher gibt es keine Daten zur Anwendung von Bevacizumab über den Zeitpunkt der ersten Progression hinaus.
Es wurden die Daten einer großen Population mit Bevacizumab behandelter Patienten untersucht. Von initial
1953 Patienten, die Bevacizumab in der First-line erhielten, waren 1445 progredient, von diesen erhielten 642 in
der second line weiter Bevacizumab. Es gab keine Vorgaben zur Art der Chemotherapie oder zur Dosis oder zur
Anwendungsdauer von Bevacizumab. Dies blieb dem
behandelnden Arzt überlassen. Analysiert wurden nur die
Patienten, die tatsächlich Bevacizumab erhalten haben.
OS abhängig von Therapie nach 1. Progression
Ergebnisse: Die Patienten, die Bevacizumab zusätzlich zu
einer Chemotherapie auch in der Zweitlinienbehandlung (BBP)
erhielten,
hatten
ein
deutlich
längeres
medianes
Gesamtüberleben von 31,8 Monaten gegenüber den Patienten,
die eine Chemotherapie ohne Bevacizumab (No BBP) erhielten
(19,9 Monate), und gegenüber denjenigen, die gar keine
Zweitlinientherapie bekamen (12,6 Monate).
Fazit: Diese Ergebnisse rechtfertigen weitere randomisierte
Studien zum Einsatz von Bevacizumab nach erster Progression.
322
Metastasierte kolorektale Karzinome
FOLFOXIRI , Bevacizumab
FOLFOXIRI versus FOLFIRI (Falcone A. et al. ASCO 2006, Abstract 3513 und ASCO 2007, Abstract 4026)
Studiendesign: In dieser Phase-III-Studie wurde der FOLFIRI-Kontrollarm (A) mit einer Dreierkombination
aus Irinotecan, Oxaliplatin, Leucovorin und Infusional-5-FU (Arm B) verglichen. Bei Progression unter
FOLFIRI wurde eine FOLFOX-Kombination empfohlen. Toxizität: Diarrhoe, Erbrechen, Neurotoxizität und
Neutropenie waren im FOLFOXIRI-Arm vermehrt, aber tolerabel. Es gab in keinem Arm einen toxischen
Todesfall.
Stratifikation
- Zentrum
- PS 0/1-2
- Adjuvante ChT
FOLFIRI
IRI
180 mg/m2 1-h d.1
L-LV
100 mg/m2 2-h d.1,2
5FU
400 mg/m2 bolus d.1,2
5FU
600 mg/m2 22-h d.1,2
alle 2 Wochen x 12 Zyklen
R
A
N
D
O
M
FOLFOXIRI
IRI
165 mg/m2 1-h d.1
OXALI 85 mg/m2 2-h d.1
L-LV
200 mg/m2 2-h d.1
5FU
3200 mg/m2 48-h c.i. d.1
alle 2 Wochen x 12 Zyklen
Pat. mit Progression unter FOLFIRI erhalten als Zweitlinientherapie eine Oxaliplatinhaltige Behandlung z.B. mit FOLFOX.
Ergebnisse
244 Patienten wurden eingeschlossen. Die Responserate war 60% im FOLFOXIRI-Arm versus 34% im
FOLFIRI-Arm (p= 0,0001). Diese hohe Ansprechrate erlaubte eine radikale sekundäre Resektion von
Metastasen im FOLFOXIRI-Arm von 14% versus 6%. Bei 39 Patienten, die nur Lebermetastasen aufwiesen,
konnten 36% R0-reseziert werden (im FOLFIRI-Arm nur 12% von 42 Patienten). Diese Differenz war
statistisch signifikant. Das mediane progressionsfreie Überleben mit 9,8 versus 6,9 Monaten sowie das
Gesamtüberleben mit 22,6 versus 17,7 Monaten waren im FOLFOXIRI-Arm ebenfalls signifikant besser.
Diese Daten konnten auf dem ASCO 2007 bestätigt werden. Das mittlere PFS betrug 9,8 Monate für
FOLFOXIRI versus 6,9 Monate für FOLFIRI. Das mediane Gesamtüberleben war ebenfalls zugunsten von
FOLFOXIRI auf 23,6 versus 16,7 Monate erhöht.
FOLFOXIRI + Bevacizumab (Falcone A. et al, ASCO 2008, Abstr. 4031)
In dieser Phase-II-Studie wurde von der GONO-Gruppe das
FOLFOXIRI-Regime mit Bevacizumab evaluiert.
Ergebnisse: Die Toxizität bei insgesamt 57 Patienten war gut
beherrschbar und bewegte sich im für die Substanzen
erwarteten Bereich. Die Ansprechraten (CR und PR) sind mit
75% sehr vielversprechend. Die Tumorkontrollrate liegt bei
100%. Das PFS liegt nach 10 Monaten bei 73%.
8 Patienten (16%) konnten sich einer sekundären Resektion von
Lebermetastasen unterziehen (7 R0, 1 R1-Resektion). 2
Patienten
erreichten eine
pathologisch
komplette Remission.
PFS und OSDaten sind noch
unreif.
323
Cetuximab (Erbitux®)
EGF-Rezeptor-Antikörper
Erbitux® ist indiziert zur Behandlung des metastasierenden EGFR exprimierendem KRK mit Wildtyp-KRAS-Gen
ƒ in Kombination mit einer Chemotherapie
ƒ als Monotherapie bei Patienten, bei denen eine Therapie mit Irinotecan und Oxaliplatin versagt hat und die
Irinotecan nicht vertragen.
Erbitux® ist in Kombination mit einer Strahlentherapie zur Behandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem
Plattenepithelkarzinom im Kopf- und Halsbereich angezeigt
Cetuximab
EGFR (= epidermal growth factor) ist ein transmembranäres Glykoprotein, welches zur Familie der
Wachstumsfaktoren zählt. Es ist ein Wachstumsfaktor aus der Gruppe der Tyrosinkinasen. Bei vielen Tumoren wird
EGFR überexprimiert (für das Kolorektalkarzinom in 82%, aber auch bei Kopf-Hals-Tumoren, Ösophaguskarzinom,
Pankreaskarzinom). Die Überexpression wurde in präklinischen Untersuchungen als schlechter Prognosefaktor
beschrieben.
EGFR Signaltransduktion. Die Blockade des EGFR bewirkt eine Hemmung der Angiogenese, aber auch eine Inhibition der
Zellproliferation, der Zellteilung und der Metastasierung. Quelle: Produktinformation, Fa. Merck
Durch Rezeptorblockade mittels des Antikörpers Cetuximab wird die Signaltransduktion in der Zelle verhindert.
Dadurch wird das Fortschreiten des Zellzyklus gehemmt und die Apoptose potenziert.
Außerdem bewirkt Cetuximab, dass die EGFR-exprimierende Zelle zum Target für Killer-Lymphozyten wird.
Die Wirksamkeit von Cetuximab wurde in der BOND-Studie gezeigt mit einem Ansprechen der Mono-Therapie von
10,5% Response sowie Disease-control von 35,1%. In Kombination mit Irinotecan ließ sich die Ansprechrate auf
19,2% (Response) und Disease control von 26,7% erhöhen (Saltz et al.2001 und 2002).
Die Wahrscheinlichkeit des Anprechens korrelierte nicht mit der Zahl der chemotherapeutischen Vorbehandlungen,
nicht mit Oxaliplatin-Vorbehandlung und auch nicht mit dem EGFR-Nachweis auf der Tumorzelle. Eine Korrelation
bestand zur Hauttoxizität. Da eine hohe EGFR-Expression der Haut besteht, ist Hauttoxizität die gravierendste
Nebenwirkung. Sie tritt in der Regel als akneiformes Exanthem der Gesichtshaut und des oberen Brustkorbs auf in
etwa 69%. Weniger häufig sind Nausea (24%), Fatigue (30%), Fieber/Schüttelfrost (23%), Diarrhoe (14%),
Mucositis (15%), Nagelveränderungen (8%).
Cetuximab
wurde am 30.06.2004 als Erbitux® aufgrund der Daten der BOND-Studie zugelassen zur
Kombinationstherapie mit Irinotecan nach Progression einer Irinotecan-haltigen Therapie bei EGFR-exprimierendem
metastasierten Kolorektalkarzinom. Aufgrund der Daten der Crystal- und OPUS-Studie erfolgte 2008 die
Zulassungserweiterung wie oben beschrieben.
Verabreicht wird Erbitux® als einmal wöchentliche Infusion. Die Startdosis beträgt 400 mg/m2 in Woche 1 über 2
Stunden nach Gabe eines Antihistaminikums. Die nachfolgenden Erhaltungsdosen betragen 250 mg/m2, verabreicht
als 1-stündige Infusion. Irinotecan wird entsprechend der Standard-Regime verwendet im Anschluss an Cetuximab.
324
Kolorektale Karzinome
BOND-Studie
Die europäische BOND-Studie ist eine Phase-II-Studie, die die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Cetuximab
alleine oder in der Kombination mit Irinotecan bei Patienten mit EGFR-exprimierendem metastasiertem CRC
untersuchte (Cunningham D. et al., NEJM 2004; 352 337-346).
Einschlusskriterien
Die Patienten mussten mindestens sechs Wochen lang ein Irinotecan-basiertes Chemotherapieregime erhalten haben und
hierunter oder innerhalb von 3 Monaten danach progredient sein. Zugelassen als Irinotecan-Dosierungen waren: die
wöchentliche Gabe von 125 mg/m2 in vier aufeinanderfolgenden Wochen gefolgt von 2 Wochen Pause als Monotherapie
oder in Kombination mit 5-FU und Leukovorin; Irinotecan mit einer Dosis von 180 mg/m2 alle 2 Wochen sowie mit 350
mg/m2 alle 3 Wochen als Monotherapie.
Studiendesign
Es erfolgte eine Randomisierung von 329 Patienten in einem 2:1
Verhältnis zu Cetuximab + Irinotecan oder Cetuximab alleine. Die
Initialdosis von Cetuximab betrug 400mg/m2 nach Gabe eines
Antihistaminikums gefolgt von einer wöchentlichen Infusion von
250 mg/m2. Die Patienten, die in die Kombinationstherapie
randomisiert wurden, bekamen Irinotecan in derselben Dosierung,
wie sie sie in der letzten Prästudien-Therapie erhalten hatten. Im
Falle einer Tumorprogression bei Patienten im CetuximabMonotherapiearm, konnte die Therapie mit Cetuximab unter
Zugabe von Irinotecan in der zuletzt eingesetzten Dosierung
fortgeführt werden.
Ergebnisse
40% der Patienten hatten mindestens 3 Vortherapien und >60%
hatten früher eine Oxaliplatin-basierte Chemotherapie erhalten.
BOND-Studie. Krankheitsfreies Überleben.
Effektivität
Kombination
Monotherapie
(n = 218)
(n = 111)
RR
23%
11%
0.0074
Disease control
56%
32%
0.0001
Mediane TTP
4,1 Mon.
1,5 Mon.
< 0.0001
Medianes Überleben
8,6 Mon.
6,9 Mon.
0.48
P
Die Intent to treat-Analyse zeigte eine statistisch signifikant höhere Remissionsrate (RR) und eine
höhere Rate an Tumorkontrolle sowie eine längere Zeit bis zur Progression (TTP) für die
Cetuximab/Irinotecan-Kombination im Vergleich mit Cetuximab alleine.
Das Mediane Überleben war ebenfalls länger im Kombinationsarm, aber dieser Vorteil war statistisch nicht signifikant. Die
fehlende Signifikanz mag auf den Wechsel von Cetuximab-Mono auf die Kombinationsbehandlung bei
Krankheitsprogression zurückzuführen sein.
Die Effektivität von Cetuximab + Irinotecan war unabhängig von der Zahl der Vortherapien. Auch eine Vorbehandlung mit
Oxaliplatin beeinträchtigte nicht die Effektivität von Cetuximab + Irinotecan oder Cetuximab mono.
Beziehung zwischen Hautreaktion und Effektivität
Cetuximab
Pat. ohne Hautreaktionen
Pat. mit Hautreaktionen
Kombination
RR
Survival
6%
3,0 Mon.
26%
9,1 Mon.
Monotherapie
RR
Survival
0%
2,5 Mon.
13%
8,1 Mon
Das Auftreten eines akneartigen Exanthems scheint positiv korreliert mit der Effektivität der Behandlung im Hinblick auf
Remissionsraten und das mittlere Überleben. Die Patienten mit Hautreaktionen hatten höhere Remissionsraten und ein
längeres medianes Überleben als die ohne Hautreaktionen.
Die Rate hämatologischer und nicht hämatologischer Nebenwirkungen in der Kombination waren bis auf die Hauttoxizität
ähnlich wie die einer alleinigen Irinotecantherapie.
325
Metastasierte kolorektale Karzinome
MABEL-Studie, Cetuximab/Irinotecan
Die MABEL-Studie ist eine Phase-II-Studie, welche den EGFR-Rezeptor-Antikörper Cetuximab in
Kombination mit Irinotecan prüft bei unter Irinotecan-Therapie progredienten Patienten mit
metastasiertem kolorektalem Karzinom. Sie ist eine europaweit rekrutierende multizentrische
Nachfolgestudie der BOND-Studie.
Titel: MABEL-EMR62202-501, Monoclonal Antibody Erbitux in a European Pre-License-Study.
Hauptzielkriterium: Prozentsatz progressionsfreier Patienten nach 12 Wochen Therapie mit
Cetuximab/Irinotecan. Nebenzielkriterien sind der Anteil progressionsfreier Patienten 24 Wochen nach
Therapiebeginn sowie Ermittlung der Gesamtüberlebenszeit
Studienleiter (Deutschland): Prof. Dr. med P. Preusser, Münster
Studiensekretariat: Tel. 0251-835-6309 Fax 0251-835-6394
Ein- und Ausschlusskriterien
Histologisch nachgewiesenes, metastasiertes Adenokarzinom des Kolons oder Rektums
Vorausgegangene mindestens 6-wöchige Irinotecan-Behandlung mit maximal 2 Dosisreduktionen der
Standardschemata im Zeitintervall von max. 6 Monaten vor Studieneinschluss
Mindestens eine zweidimensional ausmessbare Läsion
Alter >18 Jahre und Karnofsky-Index > 80%
Keine relevanten Organfunktionseinschränkungen (z.B. Kreatinin < 1,5x oberer Normwert)
Immunhistochemischer Nachweis der EGFR-Expression am Tumorgewebe (Prescreening)
Keine ZNS-Metastasen
Bei Auftreten von Grad-3-Hauttoxizität ist eine Therapiepause bis zur Rückbildung vorgesehen, falls
die Hauttoxizität für mehr als 3 Wochen andauert, wird die Behandlung abgebrochen. 2
Dosisreduktionsstufen sind vorgesehen (200 und 150 mg/m2 ).
Systemische Steroide sollten nicht verabreicht werden, da hierdurch der Rezeptor blockiert werden
kann. Topische Steroide sollten ebenfalls vermieden werden. Empfohlen werden topische und
systemische Antibiotika. Bisher ist die Hautreaktion jedoch noch ein ungelöstes Problem, eine
effektive Therapiemaßnahme steht nicht zur Verfügung.
Prognostisch ist diese Nebenwirkung günstig, Ansprechen in der BOND-Studie in der
Kombinationstherapie bei Hauttoxizität (>2) 33,6% im Vergleich zu 6,3% bei Patienten ohne jegliche
Hautreaktion.
Ergebnisse (Wilke H et al. ASCO 2006, Abstract 3549)
Cetuximab + Irinotecan
Irinotecan
3-Monate PFS
(primärer Endpunkt)
OS
125 mg weekly
n= 93
180 mg q 2 wks
n = 670
350 mg q3 wks
n = 356
61%
61%
61%
8,5 Monate
9,2 Monate
10,3 Monate
Die verschiedenen Irinotecan-Regime führten zu einem vergleichbaren progressionsfreien Überleben
(PFS) in den ersten 3 Monaten. In der Gesamtanalyse ergab sich ein Overall Survival (OS) von 9,2
Monaten, das dem der BOND-I-Studie (8,6 Monate) entsprach.
326
KRAS-Onkogen
Bedeutung, Molekularbiologie
KRAS–Onkogen
Die RAS-Forschung begann im Jahre 1964 mit
der Beobachtung von J. Harvey, dass ein
murines Leukämievirus von einer erkrankten
Ratte in anderen Nagetieren Sarkome induzierte
(Harvey JJ. Nature 1964). Jedes virale Onkogen
wird mit einem Drei-Buchstaben-Akronym
charakterisiert. RAS steht für Rat Sarcoma.
RAS ist ein Onkogen, das für ein GTPbindendes Protein codiert und in 3 Isoformen
vorkommt: KRAS, NRAS und HRAS. Es
kommt in der gesunden wie in der neoplastisch
veränderten Zelle vor und spielt eine zentrale
Rolle bei der Regulation von zahlreichen
Signaltransduktionswegen und nachfolgend von
zellulären
Prozessen
wie
Wachstum,
Proliferation, Differenzierung, Überleben,
Apoptose, Angiogenese und Metastasierung.
KRAS- und EGFR-Signalweg
Der EGFR Signalweg wird nach Bindung von
spezifischen Liganden (z.B. TGFα und EGF) an
die Rezeptoren der Zelloberfläche aktiviert. Die
dadurch ausgelöste Signalkaskade reguliert
auch Gene, die den Zellzyklus kontrollieren. Zu
Beginn der intrazellulären Signalkaskade
reguliert
das
KRAS-Protein
die
nachgeschalteten Mediatoren, wodurch dem
KRAS-Gen eine zentrale Rolle bei der
Tumorproliferation zukommt.
Signaltransduktion über den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor
(EGFR). Natürliche Liganden am EGFR-Rezeptor sind EGF. und der
transformierende Wachstumsfaktor Alpha (TGF-α). Nach dem Andocken
des Wachstumsfaktors wird eine Signalkaskade in Gang gesetzt. Diese führt
zur Stimulation von Zellproliferation, Zellüberleben, Angiogense,
Apoptosehemmung und zu einer Begünstigung der Metastasierung durch
Beeinflussung der Zelladhäsion.
Bei einer Mutation des KRAS-Gens erfolgt die Signalübertragung über das
permanent aktivierte KRAS-Protein kontinuierlich und unabhängig davon,
ob eine Simulation von extrazellulär erfolgt.
Gesondert markiert (ovaler Ring) sind die wesentlichen Faktoren für die
Wirkung eines Antikörpers gegen EGFR. Aus: Arnold D, A. Musch.
Arzneimitteltherapie, 2008;26:117-23.
KRAS-Wildtyp u. Mutation
Das KRAS-Gen kann in seiner natürlichen Form (Wildtyp) oder mutiert vorliegen. Das Wildtyp-KRAS-Protein ist
nur aktiviert, nachdem der EGFR durch spezifische Liganden stimuliert wurde, wie oben ausgeführt. Bei mutiertem
KRAS-Gen erzeugt ein sterisch verändertes Protein unabhängig von einer extrazellulären Liganden-Bindung eine
Signalweiterleitung im Sinne einer Dauersimulation. Die unregulierten Signale eines mutierten KRAS Proteins
fördern somit die Entstehung und das Wachstum von Tumorzellen. Wenn sie vorhanden ist, stellt die KRASMutation ein frühes Ereignis in der Adenomentstehung beim CRC dar. Bisher sind 12 verschiedene Mutationen
bekannt. (Downward J. Nat Rev Cancer 2003). Eine im Primärtumor nachgewiesene KRAS-Mutation findet sich in
mehr als 95 % der Fälle auch in Metastasen und Rezidiven. Der KRAS-Status wird an gefrorenen oder in
Paraffinblöcken eingebetteten Gewebeproben mittels PCR bestimmt. Der KRAS Status eines Tumors ist prädiktiv
für das Ansprechen auf eine Therapie mit EGFR-Antikörpern. Bei KRK zeigen etwa 40 % der Pat. eine KRAS
Mutation.
Cetuximab
Panitumumab
KRAS ist ein in somatischen Zellen physiologisch vorkommendes Regulationsprotein. Die natürliche Form wird Wildtyp genannt. Dieser
benötigt zur Induktion der Signalübertragung auf den Zellkern eine extrazelluläre Simulation. Fehlt diese, wächst die Zelle nicht. Bei einer
Mutation befindet sich das Gen im Zustand einer permanenten Aktivierung. Extrazelluläre Faktoren können den Funktionszustand nicht
beeinflussen. Eine Blockierung des epidermalen Wachstumsfaktors über den EGF-Rezeptor hat deshalb keinen Einfluss auf die Kinetik der
Zelle. Abb. Links: KRAS-Wildtyp, Mitte: KRAS-Mutation. Rechts: Proliferationshemmung durch einen EGFR-Antikörper wie Cetuximab
oder Panitumumab.
327
Cetuximab-Therapien
Crystal-Studie
Crystal-Studie (van Cutsem E. et al.; ASCO 2007 Abstract
4000)
In dieser internationalen Phase-III-Studie wurde
FOLFIRI + Cetuximab im Vergleich zu einer
FOLFIRI-Standardtherapie bei unvorbehandelten
Patienten
mit
EGFR-exprimierendem
metastasiertem KRK untersucht.
Ergebnisse: Das mediane progressionsfreie
Überleben (PFS) war im Cetuximab-Arm
signifikant länger mit 8,9 versus 8 Monate. Auch
das Ansprechen konnte mit Cetuximab auf 47%
versus 39% gesteigert werden. Insbesondere die
Subgruppe der Patienten, die ausschließlich
Lebermetastasen aufwiesen, profitierte von
Cetuximab (PFS 11,4 versus 9,2 Monate). Die
Anzahl an R0-Resektionen war im CetuximabArm mehr als doppelt so
P
hoch wie im Kontrollarm
(4,3 versus 2,5%). Unter der
Cetuximab-Behandlung war
die Rate an Grad-3/4PFS, nur
Diarrhoen von 10 auf 15%
Lebergesteigert, die Mehrzahl der
Patienten (84%) hatte eine
Hauttoxizität mit immerhin
18,7%
Grad-3/4Ausprägung.
Fazit: Die Erhöhung der
Remissionsrate korreliert mit einer Verbesserung der Resektionsrate. Damit Erhöhung der kurativen Chance.
Crystal-Studie unter Berücksichtigung des KRAS-Status
(Van Cutsem E. et al., ASCO 2008
Abstract 2)
Die Crystal-Studie wurde hinsichtlich des Einflusses des Kras-Mutationsstatus auf die Effektivität der Therapie
retrospektiv analysiert. Insgesamt konnte bei 540 Patienten der KRas-Status erhoben werden. Es ergab sich eine
Verteilung von 64,4% KRas Wilttyp zu 35,6% Kras-Mutanten.
Ergebissse: Für die Patienten mit K-ras-Wildtyp ergab sich eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien
Überlebens (PFS) von 8,7 Monaten für FOLFIRI auf 9,9 Monate für die Kombination FOLFIRI + Cetuximab,
während bei den Kras-Mutanten keine Verbesserung erzielt werden konnte.
In Bezug auf das Ansprechen auf die
Chemotherapie ergab sich kein
Unterschied zwischen Kras Wildtyp
und Mutanten.
Für den Kras-Wildtyp zeigte sich eine
deutliche
Verbesserung
der
Ansprechrate von 43 auf 59%,
während bei Kras Mutation keine
Verbesserung erreicht werden konnte.
Fazit: Der Kras-Status ist ein
negativer prädiktiver Marker der
Therapieeffektivität beim Einsatz von
Cetuximab. Der Kras Mutationsstatus
ist aber nicht prädiktiv für die
Effektivität der FOLFIRI-Therapie.
Eine Kras-Mutationsanalyse vor jeder
Anti-EGFR-Therapie ist obligat.
328
Cetuximab-Therapien
OPUS/CAIRO 2-Studie
Opus-Studie (Bokemeyer C. et al.; ASCO 2007, Abst. 4035)
In dieser Phase-II-Studie wurde die Effektivität von Cetuximab in der Kombination mit FOLFOX-4 versus
FOLFOX-4 alleine bei unvorbehandelten EGFR-positiven Patienten untersucht.
Ergebnisse
Die Hinzunahme von Cetuximab erhöhte die Remissionsrate von FOLFOX-4 von 35,7 auf 45,6%. Der
Unterschied war nicht signifikant. Für die Subgruppe der Patienten mit ECOG 0-1-Status ergab sich ein
statistisch signifikant besseres Ansprechen (CR + PR) von 48 vs. 36,8%. Die Toxizität war akzeptabel und bis
auf die Hauttoxizität ( Grad-3/4 9,4%) im Cetuximab-Arm nicht erhöht.
Ansprechraten %
Alle
ECOG 0-1
FOLFOX-4 + Cetuximab
FOLFOX-4
45,6
(n=169)
49,0
(n=153)
35,7
(n=168)
36,8
(n=152)
n.s.
p = 0,032
OPUS-Studie unter Berücksichtigung des Kras-Status
(Bokemeyer C. et al., ASCO 2008, Abstract 4000)
Die OPUS-Studie wurde hinsichtlich des Einflusses des Kras-Mutationsstatus auf die Effektivität der Therapie
retrospektiv analysiert. Insgesamt
konnte bei 233 Patienten der KRasStatus erhoben werden. Bei 99
Patienten, entsprechend 42%, fand
sich eine Kras-Mutation.
Ergebnisse:
Bei Vorliegen eines Kras-Wildtyps
konnte
die
Hinzunahme
von
Cetuximab
zur
FOLFOXChemotherapie die Ansprechrate von
37% auf 61% signifikant verbessern.
Ebenso
kam
es
zu
einer
Verbesserung des progressionsfreien
Überlebens (PFS). Bei Kras Mutation
führte
die
Hinzunahme
von
Cetuximab
sogar
zu
einer
Verschlechterung des PFS.
CAIRO-2-Studie (Punt et al., ASCO 2008, LBA4011)
In dieser Studie wurde untersucht, ob durch die zusätzliche Gabe von Cetuximab (C) die Effektivität einer
Erstlinien-Therapie mit Capecitabin, Oxaliplatin und Bevacizumab verbessert werden kann. Es wurden 305
Patienten mit Kras-Wildtyp und 196 Patienten mit Kras-Mutation evaluiert.
Ergebnis: Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS)
und das Gesamtüberleben (OS) wurden durch die
Hinzugabe von Cetuximab nicht verbessert. Bei Kras
Mutation war das PFS beim „Doppeltargeting“, also nach
Zugabe von Cetuximab, mit 8,6 versus 12,5 Monaten sogar
schlechter als bei ausschließlicher Bevacizumabgabe. Auch
das mediane Gesamtüberleben (OS) war unter Cetuximab
mit 19,1 Monaten versus 24,9 Monaten deutlich schlechter.
Fazit: Das Doppeltargeting EGFR – VEGF bringt keinen Benefit für Kras-Wildtyptumore. Die Resistenz bei
Kras-Mutation kann durch die VEGF-Therapie nicht durchbrochen werden. Das Doppeltargeting führt zu einem
negativen Effekt bei Kras-Mutation. Es gibt keinen negativen Einfluss des Kras-Status auf die Wirksamkeit der
Anti-VEGF-Therapie.
329
Cetuximab-Therapien
Studienergebnisse
CALGB 80203 – FOLFIRI vs. FOLFOX ± Cetuximab (Venook et al. ASCO 2006, Abstract 3509)
Diese Studie war ursprünglich als Phase-III-Studie in der Erstlinientherapie des metastasierten KRK
geplant, wurde aber nach 238 Patienten abgebrochen und neu geplant, nachdem Bevacizumab in der
First-line-Therapie zugelassen war.
Ergebnisse
Response rate
FOLFIRI
FOLFIRI +
Cetuximab
FOLFOX
FOLFOX +
Cetuximab
36%
44%
40%
60%
Die Responserate aller Patienten ohne Cetuximab (FOLFIRI + FOLFOX) betrug 38% versus 52% mit
Cetuximab (p=0.029). Somit induzierte Cetuximab eine signifikante Steigerung der Responserate.
Nach 16 Monaten Follow-up war die Beurteilung von PFS und OS noch nicht möglich.
ACROBAT-Studie (Diaz-Rubio et al., ASCO 2005, Abstr. 3535)
Internationale Phase-II-Studie zur first-line-Therapie mit Cetuximab + FOLFOX-4. 42 Patienten ohne
Vortherapie mit primär nicht resektablem, EGFR-exprimierendem metastasiertem KRK.
ACROBAT-Studie
Patientenzahl (n)
% der Patienten
CR
4
10
PR
30
71
SD
7
17
PD
1
2
OR (PR + CR)
34
81
PFS nach 12 Monaten
22
52
Ergebnisse: Es zeigte sich eine sehr hohe Ansprechrate von über 80% sowie ein progressionsfreies
Überleben von median 12,3 Monaten. Über die Hälfte der Patienten war nach einem Jahr noch
progressionsfrei. 10 Patienten unterzogen sich einer Metastasenresektion, 9 konnten R0-reseziert
werden.
Cetuximab Monotherapie bei metastasiertem CRC (Lenz H.J. et al., ASCO 2005, Abstr. 3536)
Eingeschlossen in die Studie wurden Patienten (n = 346), die als Vortherapie mindestens schon
Fluoropyrimidin, Oxaliplatin und Irinotecan erhalten hatten. Die Patienten erhielten eine Monotherapie
mit Cetuximab mit einer Initialdosis von 400 mg/m2 und einer folgenden wöchentlichen Dosis von 250
mg/m2 bis zur Krankheitsprogression oder bis eine inakzeptable Toxizität auftrat.
Anzahl der Vortherapien
Anzahl der Patienten
Ansprechrate %
2
3
4
5-9
61
89
116
80
5
12
12
15
Ergebnisse
Cetuximab zeigt auch bei stark vorbehandelten Patienten (auch nach Oxaliplatin-Versagen) ein
konsistentes Ansprechen unabhängig von der Anzahl der Vortherapien.
330
Cetuximab-Therapie
Hautreaktion, Klinik
Die medikamentöse Blockade des EGFR-Rezeptors führt zu einer Beeinträchtigung der Hautzellerneuerung,
indem die Apoptose und die Differenzierung gesteigert sowie die Proliferation verringert werden. Die Therapie
mit Erbitux® löst eine zeitlich begrenzte Funktionsstörung der Haut bei 80% der behandelten Patienten auf,
wobei eine Grad-3-Toxizität bei weniger als 10% vorkommt. Auch wenn die Hautveränderungen beherrschbar
sind, führen sie doch zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität. Die Hautveränderungen sind
dosisabhängig. Die antitumoröse Wirkung korreliert mit den Hautveränderungen. Nach Beendigung der Therapie
normalisiert sich die Haut wieder. Lediglich bei schwersten Veränderungen können kleine Narben zurückbleiben.
Vergleichbare Veränderungen werden auch bei EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren beobachtet.
Akneiforme Hautveränderungen
•
•
•
•
•
Follikuläre Papeln und Pusteln in seborrhoischen Zonen wie Gesicht, Kopfhaut, Nacken, Stamm
Juckreiz, manchmal Schmerzen
Nach Abheilung der akuten Veränderungen hyperpigmentierte Makel auf erythematösem Grund, selten
Atrophe Narben.
In schweren Fällen konfluierende schmerzhafte Ulzerationen
Die Hautveränderungen laufen in drei Phasen ab und sollten stadiengerecht behandelt werden. Sie orientieren
sich außerdem an der Lokalisation und der Ausdehnung des Befundes (Empfehlungen nach
PD Dr. med. Thomas Dirschka, Wuppertal).
Akute exsudative akneiforme Phase (Pusteln)
Beginn 1-2 Wochen nach Therapie
Therapie: Austrocknen !
• Gesicht
Gele: z.B. Erydermec® 2% Gel, Metrogel® N2
Zinkschüttelmixtur (Rp. Lotio alba aquosa ad 100,0)
Ichtyolhaltige Mischpaste (Rp. Ichthyol 0,3 / Ungt molle /Pasta zinci mollis ad 30,0)
• Kopfhaut: Alkoholische Lösungen z.B Stiemycine-Lösung
• Körper: BPO (Panoxyl® 5% Gel) Erydermc® Gel
Bei schwersten exsudativen Veränderungen Grad 3:
Feuchte Kochsalzkompressen, Schwarzteekompressen, lokal-antibiotische Therapie z.B. mit Fucidine®
Creme. Gegebenenfalls antibiotische Systemtherapie z.B. mit Gyrasehemmer
Übergangsphase (Pusteln beginnen einzutrocknen)
Beginn: nach 2-3 Wochen
Für alle Lokalisationen Lotiones
• erythromycinhaltige Linola Emulsion.
z.B. Rp. Erythromycin 0,3 /Linola ad 30,0 / anstatt Linola auch Basiscreme DAC oder Abtima face, die
fetter sind
z.B. Rp. Metronidazol 0,3 / Linola ad 30,0
Xerotische Phase (Krusten lösen sich, trockene, empfindliche Haut)
Klinische Merkmale
Sehr trockene Haut auf gerötetem Grund, ausgeprägtes Spannungsgefühl, gelegentlich exsudative
Entzündung (Superinfektion?), schmerzhafte Fissuren an Fingern und Zehen
Therapie
• Gesicht
Cremes: z.B. Bepanthen Wund- und Heilsalbe 50,0 oder Rp. Ungt leniens 50,0
• Kopfhaut
Lotionen: z.B. Bepanthen Roche Lotio oder Asche Basislotio
• Lichtschutz, Haut besonders sonnenempfindlich !
z.B. Anthelios L 60 (Physikalische Faktoren) oder Daylong 50 (Chemische Faktoren)
• Körper
Harnstoffhaltige Lipolotio: z.B. Excipial U Lipolotio, Eucerin 10% Urea Lotio, Bepanthen Roche Lotio F
• Allgemeine Maßnahmen: eher kühlere Räume, keine Sonne
331
Cetuximab-Therapie
Hautreaktion, Behandlung
Systemtherapie
Durch prophylaktische Antibiotikagabe, die bereits vor Erbitux-Therapie begonnen wird, können die akneiformen
Hautveränderungen in ihrer Intensität um ca. 30% reduziert werden.
Antientzündliche Antibiotika
Tetrazyklin z.B. Tefilin® 2x250 mg/die oder Minozyklin z.B. Skid® 1-2x 50 mg/die
Bei starkem Juckreiz können Antihistaminika verordnet werden.
z.B Dimetinden (Fenistil® 2x1/die) oder z.B. Promethazin (Atosil®)
Hautreinigung
Waschen der betroffenen Gebiete nur mit lauwarmem Wasser. Handtücher auf jeder Seite nur einmal verwenden,
Waschen der Handtücher bei mindestens 60oC, um Infektionen zu vermeiden
Akute exsudative Phase: z.B. Dermowas® Reinigungskonzentrat
Übergangsphase:
Dove® -Cremeseife
Xerotische Phase:
Duschöle (z.B. Eucerin Duschöl), Badeöle (Balmandol Ölbad)
Weitere Manifestationen
Finger: Rhagaden, Fissuren
• Hände mit kaltem Wasser und mit Handwaschölen waschen, z.B. Eucerin-Handwaschöl®
• Schutzcreme tags, z.B. Excipial Protect®, nachts Repaircreme, z.B. Excipial Repair®
• Abkleben der Fissuren mit Hydrokolloidpflaster, z.B. Varihesive extradünn
Nägel: Paronychie
• Auftreten oft erst nach mehrwöchiger Therapie
• Vermeiden von engem Schuhwerk, besser offene Sandalen, Nägel nicht rund, sondern gerade abschneiden
• Lauwarme Kernseifebäder
• Ichthyol 20% unter Pflasterokklusion, alternativ Ilonabszess-Salbe
• Fucidine® Creme oder Fucidine® Gaze
Keine Therapie ist wirklich effektiv, meistens hilft nur die Nagelextraktion !!!
Haarveränderungen
Die Haare werden fein, brüchig, lockig und wachsen langsamer. Der Bartwuchs kann sich verlangsamen und es
bilden sich Flaumhaare im Gesicht (Hypertrichose). Die Augebrauen können sich verlängern und leicht wellig
wachsen.
Weitere Probleme
Nasal:
Bepanthen Augen- und Nasensalbe
Oral:
Lauwarmer Kamillentee, Dynexangel
Vaginal: Olivenöl, Ungt. Leniens, Linoladiol
Beziehung zwischen Hautreaktion und Effektivität,
BOND-Studie (Cunningham D. et al., NEJM 2004; 352 337-346)
Das Auftreten eines akneartigen
Exanthems scheint positiv korreliert
mit der Effektivität der Behandlung
Pat. ohne Hautreaktionen
im Hinblick auf Remissionsraten und
Pat. mit Hautreaktionen
das
mittlere
Überleben.
Die
Patienten mit Hautreaktionen hatten höhere Remissionsraten und ein längeres medianes Überleben als die ohne
Hautreaktionen.
Cetuximab
Kombination
RR
Survival
6%
3,0 Mon.
26%
9,1 Mon.
Monotherapie
RR
Survival
0%
2,5 Mon.
13%
8,1 Mon
Everest-Studie (Tejpa S. et al. ASCO 2008, Abstract 4001)
In dieser Studie, bei der Patienten Irinotecan und Cetuximab erhielten, wurde untersucht, ob eine Dosiseskalation von
Cetuximab das Ansprechen erhöht. Retrospektiv wurden die Hauttoxizität und der Kras-Status evaluiert.
Ergebnis: Eine höhere Hauttoxizität (≥ 2) korreliert mit einer größeren Effektivität der anti-EGFR-Therapie
(positiver Prädiktor). Die Hauttoxizität und der Kras-Status sind aber unabhängige Prädiktoren des
Therapieansprechens. Patienten mit Kras mutiertem Tumor können unter Cetuximab eine deutliche Hautreaktion
entwickeln, aber aufgrund des mutierten Kras im Tumor trotzdem nicht von der Therapie profitieren.
332
Panitumumab
Studienergebnisse
Panitumumab (Hecht et al. ASCO 2006, Abstract 3547 und Berlin et al.,ASCO 2006, Abstract 3548)
Pamitumumab ist ein vollhumanisierter EGFR-1-Antikörper. Er wurde nach Progression unter Irinotecan- und
Oxaliplatin-Regimen eingesetzt und zeigte als Monotherapie in der Dritt- oder Viertlinien-Therapie in einer
Phase-II-Studie eine moderate aber klinisch relevante Aktivität. Dosierung: 6 mg/kg q2 wks. Es fand sich keine
Korrelation des Ansprechens mit der EGFR-Expression.
≥ 10 EGFR
n
39
ORR (%)
8
SD (%)
21
1-9% EGFR
12
8
25
<1% EGFR
11
18
36
PFS (Wochen)
7,6
13,3
Panitumumab Zulassungsstudie (van Cutsem E. Et al., JClin Oncol 2007;25:1658-64)
Es wurden in dieser kontrollierten Phase-III-Studie 463 Patienten mit EGFR-exprimierendem metastasierten
KRK eingeschlossen, die auf Standard-Chemotherapieregime nicht angesprochen hatten. Sie wurden
randomisert entweder mit Panitumumab (Vectibix®) und Best supportive care (BSC), oder nur mit BSC
behandelt. Patienten, die mit Vectibix behandelt wurden, zeigten eine signifikante Verlängerung des
Progressionsfreien Überlebens (PFS). Eine prospektive Auswertung der Studie hinsichtlich des Kras
Mutationsstatus zeigt, dass die Wirkung von Panitumumab aus das progressionsfreie Überleben ausschließlich
beschränkt war auf die Patienten, deren Tumor Kras-Wildtyp gene aufwiesen. Das PFS betrug bei Patienten mit
Wildtyp unter Panitumumab 16 Wochen versus einem PFS von 8 Wochen bei BSC alleine. Die Ansprechrate
betrug 17 % versus 0%, die Krankheitskontrollrate lag bei 51% versus 12%.
Vectibix® wurde zugelassen zur Monotherapie von Patienten mit KRK, das EGFR exprimiert und das nichtmutierte (Wildtyp-) Kras-Gene aufweist. Darüber hinaus muss ein Versagen von Fluoropyrimidin-, Oxaiplatinund Irinotecan-haltigen Chemotherapieregimen vorliegen.
PACCE-Studie (Hecht et al., WCGIC 2007)
Doppeltargeting mit Bevacizumab +/- Pamitumumab zu einer Oxaliplatin- oder Irinotecan-basierten
Chemotherapie. Die Studie musste wegen erhöhter Grad--3/4-Toxizität im Pamitumumab-Arm, die in Diarrhoe,
Dehydratation und Infektionen bestand, sowie schlechterem progressionsfreien Überleben im Kombinationsarm,
vorzeitig geschlossen werden.
CONFIRM-1-Studie (Hecht J.R. et al., ASCO 2005, Abstract LBA3)
Eine multinationale Studie evaluierte FOLFOX-4 mit PTK/ZK, einem oralen Angiogenesehemmer (1250 mg
po/die) oder mit Placebo bei metastasiertem KRK in der First-line-Therapie.
FOLFOX + PTK/ZK
FOLFOX + PBO
HR (Hazard ratio)
Patientenzahl
585
583
PFS (Monate)
7,7 (7,7-9,2)
7,6 (7,5 – 7,7)
0,88
PFS, LDH hoch
7,7 (7,1 - 9,6)
5,8 (5,6 – 7,4)
0,67
PFS, LDH niedrig
7,7 (7,7 – 9,2)
7,7 (7,6 – 7,7)
0,97
Ergebnisse: Das progressionsfreie Überleben (PFS) zeigte zwar einen Trend zur Risikoreduktion durch Zugabe
von PTK/ZK, jedoch ergab sich keine statistische Signifikanz. Die Subgruppenanalyse zeigte jedoch, dass
Patienten mit hoher LDH unter PTK/ZK ein signifikant längeres PFS aufwiesen. PTK/ZK wies als zusätzliche
Nebenwirkungen Hypertonie und Thrombosen auf.
CONFIRM-2-Studie (Koehne C. et al., ASCO 2006, Abstract 3508)
In dieser Studie wurden 855 Patienten, die jedoch mit einer Irinotecan/Fluoropyrimidin-Kombination
vorbehandelt waren, mit demselben Protokoll wie in der CONFIRM-1-Studie behandelt. Das OS war mit 12,1
Monaten im PTK/ZK-Arm und 11,8 Monaten ähnlich. Das PFS (progressionsfreie Überleben) war im PTK/ZKArm mit 5,5 Monate signifikant besser versus 4,1 Monate im Placebo-Arm. Wie in der CONFIRM-1-Studie
zeigten Patienten mit einer hohen LDH eine deutliche Verbesserung des PFS unter der PTK/ZK-Behandlung
(5,6 vs. 3,8 Monate) sowie ein besseres Overall Survival mit 9,6 vs. 7,5 Monate.
333
CIOX-Studie CRC-02-2004
Grundlagen
Studientitel
Randomisierte offene multizentrische Phase-II-Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit von
Capecitabin plus Irinotecan plus Cetuximab im Vergleich zu Capecitabin plus Oxaliplatin plus Cetuximab als
Erstlinienbehandlung von Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom.
Studienziel
Primäres Studienziel sind die Ansprechraten (komplette oder partielle Remission (CR/PR) nach RECIST als
bestes Ansprechen (BOR)). Sekundäre Ziele sind Zeit bis zur Progression (TTP), Stabilisierungsraten (CR/PR
oder Stabilisierung (SD) nach RECIST als BOR), Verträglichkeit und Anteile der Patienten mit
Grad-3/4-Toxizität (nach NCI-CTC, s. Blatt „Common Toxicity Criteria“).
Studienleitung
PD Dr. med. V. Heinemann/ Prof. Dr. med. A. Schalhorn
Medizinische Klinik III, Klinikum Großhadern, Marchioninistraße 15, 81377 München
Tel.: 089-7095-0/-2208,Fax: 089-7095-5256
Studiendesign
CapIri + Cetuximab
(Arm A)
CapOx + Cetuximab
(Arm B)
R
Einschlusskriterien
unterzeichnete, schriftliche Einverständniserklärung zur Teilnahme nach erfolgter Aufklärung
histologisch nachgewiesenes, metastasiertes kolorektales Karzinom
Messung der EGFR-Expression (Ergebnis der Analyse muss bei Randomisation nicht vorliegen)
keine vorherige Chemotherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms
keine Chemotherapie des kolorektalen Karzinoms in den 6 Monaten vor Studienbeginn
keine vorherige Therapie mit Topoisomerase-1-Inhibitoren
keine vorherige den EGF (epidermal growth factor) betreffende Therapie mit monoklonalen Ak, Inhibitoren
der Signalübertragung oder mit anderen auf den EGF abzielenden Therapien
keine chir. Eingriffe (außer diagnostische Biopsien) oder Bestrahlungen in den 4 Wochen vor Studienbeginn
und keine bereits beim Screening geplanten chir. Eingriffe oder Bestrahlungen
Vorliegen von mindestens einer messbaren Läsion nach RECIST (längster Durchmesser mindestens 20 mm
(10 mm beim Spiral-CT), Läsion nicht in einem bereits bestrahlten Gebiet)
Ausschlusskriterien
Messung der EGFR-Expression nicht möglich
andere gleichzeitige Behandlung des kolorektalen Karzinoms (außer mit Studienmedikation)
Niereninsuffizienz (Krea-Clearance < 30 ml/min)
bekannter DPD-Mangel, Z.n. Myokardinfarkt, bekanntes Gilbert-Meulengracht-Syndrom
Kontraindikation oder bekannte oder vermutete Unverträglichkeit gegen eine Studienmedikation
bekannte oder vermutete Hirnmetastasen, symptomatische Peritonealkarzinose
chronisch entzündliche Darmerkrankung, akuter oder subakuter Darmverschluss
bekannter Alkohol- oder Drogenmissbrauch
andere Begleiterkrankungen, die eine Teilnahme an der Studie nach Ansicht des Prüfarztes nicht erlauben
Vorläufige Ergebnisse siehe Folgeseite
334
CIOX-Studie CRC-02-2004
Durchführung
Therapiedurchführung
Die Behandlung wird fortgeführt, bis Progression (PD) festgestellt wird, nicht-akzeptable Toxizität beobachtet wird,
bestätigte CR erzielt wird, der Patient den Therapieabbruch wünscht oder es nach Ansicht des Prüfarztes im besten
Interesse des Patienten ist, die Behandlung zu beenden.
XELIRI + Cetuximab (Arm A, ≤ 65 Jahre)
Substanz
Capecitabin
Cetuximab-Erstgabe
Cetuximab
Irinotecan
Dosis [mg/m2/d]
1600
400
250
200
Applikationsform
p.o.
2-Std.-Infusion
1-Std.-Infusion
30-Min.-Infusion
Therapietage
1 – 14
1
(1), 8, 15
1
Applikationsform
p.o.
2-Std.-Infusion
1-Std.-Infusion
30-Min.-Infusion
Therapietage
1 – 14
1
(1), 8, 15
1
Applikationsform
p.o.
2-Std.-Infusion
1-Std.-Infusion
2-Std.-Infusion
Therapietage
1 – 14
1
(1), 8, 15
1
Wiederholung Tag 22
XELIRI + Cetuximab (Arm A, > 65 Jahre)
Substanz
Capecitabin
Cetuximab-Erstgabe
Cetuximab
Irinotecan
Dosis [mg/m2/d]
1280
400
250
160
Wiederholung Tag 22
XELOX + Cetuximab (Arm B)
Substanz
Capecitabin
Cetuximab-Erstgabe
Cetuximab
Oxaliplatin
Dosis [mg/m2/d]
2000
400
250
130
Wiederholung Tag 22
Vorläufige Ergebnisse (Heinemann, V. et al., ESMO 2006)
Komplette Remission (CR)
Partielle Remission (PR)
Stable disease (SD)
Progression
CR + PR
CR + PR + SD
Caplri +
Cetuximab
(n=33)
n (%)
2 (6,1)
12 (36,4)
16 (48,5)
3 (9,1)
14 (42,4)
24 (90,9)
CapOx +
Cetuximab
(n=29)
n (%)
2 (6,9)
17 (58,6)
8 (27,6)
2 (6,9)
19 (65,5)
27 (93,1 )
Bei den bisher evaluierbaren Patienten
lagen die Ansprechraten (CR+PR) im
Irinotecan-haltigen Arm (CapIri +
Cetuximab = CCI)) bei 42,4%, im
Oxaliplatin-haltigen Arm (CapOx +
Cetuximab = CCO) bei 65,5%. Die
Krankheitsstabilisierungsraten
(CR+
PR+ SD) waren in beiden Armen
vergleichbar hoch mit 90,9% im CCIArm und 93,1% im CCO-Arm.
Update ASCO 2008, Abstract 4033 (Heinemann et al.)
142 Patienten (XELIRI-C vs. XELOX-C: 74 vs. 68) wurden evaluiert. Die Gesamtansprechrate (ORR) betrug
52,7% vs. 61,8% und die Krankheitskontrollrate (CR + PR + SD) lag immerhin bei 83,4% bzw. 97,1%. Das
mediane progressionsfreie Überleben betrug 8,4 vs. 9,2 Monate. Das mediane Gesamtüberleben ist noch nicht
erreicht. Die häufigsten Grad-3/4-Toxizitäten bestanden in Diarrhoe (16,3% vs. 20%) und Hautexanthem (12,8
vs. 18,8%).
Fazit: Beide Regime sind wirksam und tolerabel als Erstlinientherapie beim metastasierten KRK:
335
Therapiesequenzen
FOCUS-, CAIRO-Studie
Bei Patienten mit asymptomatischer, nicht bedrohlicher Metastasierung in gutem Allgemeinzustand,
die keine Kandidaten für eine sekundäre Resektion sind (z. B. aufgrund von Knochenmetastasen), ist
ein sequentieller Therapieansatz berechtigt, wie unten angeführte große Studien gezeigt haben.
FOCUS-Studie (Seymour M.T. et al., ASCO 2005, A3518)
Die mit 2135 eingeschlossenen Patienten größte Studie beim metastasierten KRK prüft, ob eine
primäre Kombinationstherapie erfolgen muss oder ob ein sequentieller Einsatz von Oxaliplatin- bzw.
Irinotecan-FU-Kombinationen erst nach 5-FU-Versagen möglich ist. (m = modifiziertes Schema)
First-Line
Second-Line
Third-Line
Inf. 5-FU/FA
Irinotecan
CapOX
Inf. 5-FU/FA
+ Irinotecan (mFOLFIRI)
CapOX
Inf. 5-FU/FA
+ Oxaliplatin (mFOLFOX)
CapIRI
mFOLFIRI
→
CapOX
mFOLFOX
→
CapIRI
Sequentiell
Primäre Kombinationstherapie
Ergebnisse: Ein leicht erhöhtes, statistisch nicht signifikantes Gesamtüberleben zeigte sich unter der
Kombinationschemotherapie, entweder als first- oder als second-line-Therapie gegeben. Eine First-lineKombinationschemotherapie verbesserte das Gesamtüberleben jedoch nicht im Vergleich dazu, wenn dieselbe
Kombinationstherapie erst als second-line-Therapie gegeben wurde.
Fazit: Der Vorteil einer intensivierten Primärtherapie setzt sich nicht in einem verbesserten Überleben fort.
Keine Irinotecan-Monotherapie.
CAIRO-Studie (Punt C.J. et al., ASCO 2007, A:4012)
Die niederländische Phase-III-Studie untersuchte die Effektivität und Toxizität einer sequentielle
Therapie (beginnend mit Capecitabine) versus einer Kombinations-Chemotherapie (beginnend mit
Capecitabine/Irinotecan) unter Verwendung aller verfügbaren zytotoxischen Substanzen (außer von
Antikörpern).
Ergebnisse: In der First-line gab es signifikante Differenzen in der Grad-3/4-Toxizität für die
Diarrhoe (10% vs. 25%), die febrile Neutropenie (1% vs. 6%) und das Hand-Fuß-Syndrom (12% vs.
5%). Die Toxizität für CAPIRI war akzeptabel. Die Kombinationstherapie resultierte nicht in einem
Benefit im Overall Survival im Vergleich zu der sequentiellen Therapie (OS 17,4 vs. 16,3 Monate).
Medianes OS
336
Metastasierte Kolorektale Karzinome
Therapiepause, OPTIMOX 1- und OPTIMOX 2-Studie
OPTIMOX 1 (Tournigand C. et al. J Clin Oncol 2006,24: 394-400)
Um das Problem der kumulativen Oxaliplatin-Toxizität zu
umgehen, wurde in dieser Studie erstmals eine STOP and GOStrategie
für
oxaliplatinhaltige
Kombinationstherapien
untersucht. Die Standardbehandlung war das FOLFOX4-Regime
(A) mit Behandlung bis zur Progression. Das Kontrollregime
bestand in dem FOLFOX7-Protokoll (B), bei dem nach 6 Zyklen
(12 Wochen) eine Oxaliplatinpause eingelegt wurde, während ein
infusionales 5-FU/Folinsäure-Schema (C) fortgesetzt wurde. Bei nachgewiesenem Progress sollte eine
Wiederaufnahme (Reinduktion) des kompletten FOLFOX7-Regimes für erneut 6 Zyklen erfolgen.
Ergebnisse: 620 Patienten wurden eingeschlossen. Das mediane pogressionsfreie Überleben (PFS) war in Arm A 9,0
vs. 8,7 Monate im Arm B. Das Gesamtüberleben (OS) unterschied sich ebenfalls nicht signifikant mit 19,3 vs. 21,2
Monaten. Eine Grad-3 Neuro-toxizität
wurde bei 17,9% vs. 13,3% der Patienten
im Arm B beobachtet (p = 0,12). Im Arm
DDC
B wurde Oxaliplatin nur bei 40% der
Patienten reinduziert. Bei der Mehrzahl
dieser Patienten (69,4%) wurde jedoch
dadurch eine Response oder Stabilisierung
erreicht. Fazit: Die Effektivität beider
Arme war vergleichbar bei niedrigerer
PFS
Neurotoxizität. Es kann nach 3-monatiger
Therapie eine Oxaliplatinpause unter
Beibehaltung der 5-FU-haltigen Therapie
eingelegt werden.
OPTIMOX2-Studie (Maindrault-Goebel F. et al.,ASCO 2006, Abstract 3504 und ASCO 2007, Abstract 4013)
In dieser Studie wurde die
Frage nach einer kompletten
Therapiepause bei einer
oxaliplatinhaltigen Chemotherapie untersucht. Diese
Studie wurde zunächst als
Phase-III-Studie geplant und
nach der BevacizumabZulassung auf einem PhaseII-Level durchgeführt. Das
primäre Studienziel war die Dauer der Krankheitskontrolle (DDC=duration of disease control). Dieser neue
Studienendpunkt setzt sich zusammen aus dem progressionsfreien Überleben (PFS 1), ergänzt um das PFS nach
erneuter FOLFOX-Reinduktion (PFS 2).
Ergebnisse:
202
nicht
Overall survival
DDC
vorbehandelte Pat. wurden
auf zwei Arme randomisiert:
Pat. im Kontrollarm erhielten
FOLFOX7
als
Induktionstherapie
gefolgt
von
5-FU/LV
als
Δ 7 Monate !
Erhaltungstherapie bis zur
Baseline-Progression
und
erneuter Reinduktion bei
Progress analog zum OPTIMOX1-Arm. Im experimentellen Arm wurde die Chemotherapie nach 6 Zyklen FOLFOX7
komplett gestoppt und erst wieder aufgenommen, wenn der Tumor fast die Ausgangsdimension erreicht hatte.
Ergebnisse: Das progressionsfreie Überleben war mit 8,7 Monaten im OPTIMOX1-Arm signifikant länger als beim
kompletten Stop (OPTIMOX2) mit 6,9 Monaten. Allerdings war die Dauer der Tumorkontrolle (DDC) mit 12,9 versus 11,7
Monaten nicht signifikant unterschiedlich. Die mittlere Dauer des chemotherapiefreien Intervalls im OPTIMOX2-Arm
betrug 4,6 Monate. Die aktuellen Überlebensdaten zeigen jetzt jedoch einen deutlichen Unterschied von 7 Monaten (26
versus 19 Monate) zugunsten des OPTIMOX1 Armes.
Fazit: Damit zeigt die Studie, dass für oxaliplatinhaltige Therapieprotokolle eine komplette Therapiepause aller Substanzen
nicht empfehlenswert ist.
OPTIMOX 2 Studiendesign
337
Metastasierte Kolorektale Karzinome
Therapiepause, FOLFIRI
OPTIMOX1/2 Studie. Beste Zeit für Therapie-Stop ?
(Perez-Staub N. et al., ASCO 2008, Abstr. 4037)
Alle Patienten in den beiden OPTIMOX-Studien wurden im Hinblick auf die Dauer der Chemotherapie bis zum
Chemotherapiefreien Intervall (CFI) untersucht. 184 Patienten waren evaluierbar. Das mediane Overall Survival (OS)
betrug bei 90 Patienten, die die Chemotherapie nach 6 Monaten Behandlung und weniger unterbrochen hatten, 24,6
Monate gegenüber einem OS von 39,8 Monaten bei 94 Patienten, die die Behandlung erst nach 6 Monaten gestoppt
hatten. Die durchschnittliche Dauer des chemotherapiefreien Intervalls betrug 6 Monate. Es gab keine Korrelation
zwischen der Dauer der
Chemotherapie und der
Dauer
des
Chemotherapiefreien
Intervalls. Ein längeres
Chemotherapiefreies
Intervall (> 6 Monate)
war ein prädiktiver
Faktor
für
ein
verlängertes Überleben.
Fazit: Die optimale
Dauer
einer
Chemotherapie
vor
einem
komplett
Was ist die optimale Chemotherapiedauer vor einem chemotherapiefreien Intervall (CFI) > 3 Monate ?
chemotherapiefreien
Optimale Dauer vor CFI ≥ 6 Monate
Intervall
beträgt
6
Monate.
CONcePT-Studie (Grothey A. et al., ASCO 2008 Abstr. 4010)
Diese Studie untersuchte zum einen, ob Patienten von einer diskontinuierlichen Oxalipatingabe bei einer
Kombinationstherapie aus Oxaliplatin/5-FU/Bevacizumab profitieren und ob eine zusätzliche Gabe von
Calcium/Magnesium-Infusionen die Polyneuropathie günstig beeinflussen kann. Die intermittierende Oxaliplatingabe
erfolgte wie in der OPTIMOX 1-Studie. 5-FU/Bevacizumab wurde
als eine Art Erhaltungstherapie weitergegeben. Die Studie wurde
vorzeitig beendet, nachdem eine Interimsanalyse einen ungünstigen
Effekt der Ca/Mg-Infusion auf die Effektivität vermuten liess.
Ergebnisse: Das progressionsfreie Überleben (PFS) betrug bei der
kontinuierlichen Gabe 7,3 Monate versus 12,0 Monate bei der
intermittierenden Gabe von Oxaliplatin. Auch die Zeit bis zum
Therapieversagen (TTF) wurde durch die intermittierende Gabe
signifikant verlängert. Die kontinuierliche Oxaliplatingabe führte
häufig zu einem vorzeitigen Studienabbruch. Eine Beeinträchtigung
der Wirksamkeit der Therapie durch die Ca/Mg-Gabe zeigte sich in
der Endanalyse nicht. Es ergab sich ein Trend für die Neuroprotektion
durch die Ca/Mg-Behandlung.
Fazit: Die intermiteriende Oxaliplatingabe ergibt gegenüber der kontinuierliche Gabe nicht nur ein günstigeres
Toxizitätsprofil mit weniger Neuropathie als Abbruchgrund, sondern führt auch zu einer längeren Zeit bis zum
Therapieversagen und zu einem längeren progressionsfreien Intervall.
FOLFIRI intermittierend vs. kontinuierlich – GISCAD-Studie
(Labianca R. et al. ASCO 2006, Abstract 3505)
Die italienische GISCAD-Arbeitsgruppe untersuchte die
alternierende Therapie mit FOLFIRI: 2 Monate Therapie, 2 Monate Pause, dann wieder 2 Monate Therapie usw. im
Vergleich zu einer kontinuierlichen Gabe von FOLFIRI bis zur Progression.
Ergebnisse: Das progressionsfreie Überleben sowie das Overall Survival unterschieden sich bei den insgesamt 336
Patienten nicht signifikant. Da Irinotecan wenig Probleme mit
Progressionsfreies Überleben
der kumulativen Toxizität besitzt, war auch die Toxizität in
kontinuierlich
7,3 Monate
beiden Armen vergleichbar. Mit einem alternierenden Schema
intermittierend
8,8 Monate n.s
kann die gleiche Effektivität erreicht werden wie mit einer
Gesamtüberleben
kontinuierlichen Therapie mit dem Vorteil einer
kontinuierlich
17,6 Monate
chemotherapiefreien Zeit für den Patienten.
intermittierend
16,9 Monate n.s.
338
AIO-Studie KRK 0504
Grundlagen
Studientitel
Zweitlinientherapie AIO-IRI / FOLFIRI / CAPIRI / XELIRI +/-Bevacizumab bzw. FUFOX / FOLFOX / CAPOX /
XELOX +/-Bevacizumab bei Patienten mit metastasiertem kolorektalen Karzinom nach Progress unter
Erstlinientherapie mit Fluoropyrimidin/Oxaliplatin-Bevacizumab bzw. Fluoropyrimidin/Irinotecan-Bevacizumab.
Prospektiv randomisierte, multizentrische Phase-III-Studie.
Studienziel
Primäres Studienziel ist der Vergleich der progressionsfreien Zeiten einer Zweitlinientherapie mit einer
Zweitlinientherapie unter zusätzlicher Anwendung des Anti-VEGF-Antikörpers Bevacizumab. Sekundäre Ziele sind
Gesamtüberlebenszeiten, Remissionsraten und Dokumentation der Toxizitäten.
Studienleitung
PD Dr. med. S. Kubicka
Medizinische Hochschule Hannover, Zentrum Innere Medizin, Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover
Studienkoordination
Randomisation
Dr. med. Christina Englisch-Fritz
Klinikum Bremen Ost, Klinik für Innere Medizin
Züricher Strasse 40, 28325 Bremen
Tel.: 0421/ 408-0/ -2534, Fax: 0421/ 408-2235
GSO mbH
Heilwigstr. 30, 20249 Hamburg,
Tel: 040-44195460, Fax: 040-44195478
Studiendesign
Stratifizierung
Um eine Gleichverteilung von prognostischen Faktoren in beiden Studienarmen zu erzielen, werden die Patienten
stratifiziert nach (Köhne et al., 2000): ECOG PS, Anzahl der Metastasen, Leukozyten, alkalischer Phosphatase.
Einschlusskriterien
Wie AIO-Studie KRK 0604. Zusätzlich:
Dokumentierter Tumorprogress unter Erstlinientherapie aus entweder Fluoropyrimidin/Oxaliplatin-Bevacizumab
(Stratum A) oder Fluoropyrimidin/Irinotecan-Bevacizumab (Stratum B)
Die Progression darf höchstens 3 Monate nach der letzten Verabreichung von Bevacizumab erfolgt sein.
Patienten, die aus Toxizitätsgründen in der Vortherapie nicht mehr alle Therapiepartner erhalten haben, müssen
bis vor maximal 3 Monaten Bevacizumab erhalten haben.
Ausschlusskriterien
Wie AIO-Studie KRK 0604. Zusätzlich:
Vorangegangene systemische Immun- oder Chemotherapie entfällt
Dokumentierter Tumorprogress während einer Therapiepause länger als 3 Monate nach der Beendigung der
Erstlinientherapie. Hier sollte primär eine Reinduktion der Erstlinientherapie erwogen werden. Ein Einschluss in
diese Studie kann dann nach Progression unter dieser Reinduktionstherapie erfolgen.
339
AIO-Studie KRK 0504
Therapie I
Therapiedurchführung
Die Behandlung wird durchgeführt bis Tumorprogress, Auftreten eines Zweittumors, nicht akzeptable Toxizität
trotz entsprechender Dosisreduktion, Verschlechterung des Allgemeinzustandes nach ECOG > 2, Wunsch des
Patienten nach Therapieende oder Resektion oder Ablation der Referenzläsion.
CAPIRI (Arme A1 + A2)
Dosis [mg/m2/d]
Applikationsform
Therapietage
2000
p.o.
1 – 14, 22 - 35
80
90-Min.-Infusion
1, 8, 22, 29
Dosis [mg/m2/d]
Applikationsform
Therapietage
Capecitabin
1600
p.o.
1 – 14, 22 - 35
Irinotecan
200
90-Min.-Infusion
1, 22
Substanz
Dosis [mg/m2/d]
Applikationsform
Therapietage
Irinotecan
80
2-Std.-Infusion
1, 8, 15, 22, 29, 36
Folinsäure
500
2-Std.-Infusion
1, 8, 15, 22, 29, 36
5-FU
2000
24-Std.-Infusion
1, 8, 15, 22, 29, 36
Substanz
Dosis [mg/m2/d]
Applikationsform
Therapietage
Irinotecan
180
2-Std.-Infusion
1, 15
Folinsäure
200
2-Std.-Infusion
1, 2, 15, 16
5-FU
400
Bolus
1, 2, 15, 16
5-FU
600
22-Std.-Infusion
1, 2, 15, 16
Substanz
Capecitabin
Irinotecan
Wiederholung Tag 43
XELIRI (Arme A1 + A2)
Substanz
Wiederholung Tag 43
AIO-IRI (Arme A1 + A2)
Wiederholung Tag 50
FOLFIRI (Arme A1 + A2)
Wiederholung Tag 29
Simplified FOLFIRI (Arme A1 + A2)
Substanz
Dosis [mg/m2/d]
Applikationsform
Therapietage
Irinotecan
180
2-Std.-Infusion
1, 15
Folinsäure
400
2-Std.-Infusion
1, 15
5-FU
400
Bolus
1, 15
5-FU
2400
46-Std.-Infusion
Wiederholung Tag 29
1, 15
Tournigand et al. 2004
CAPOX (Arme B1 + B2)
Dosis [mg/m2/d]
Applikationsform
Therapietage
Capecitabin
2000
p.o.
1 – 14, 22 - 35
Oxaliplatin
70
2-Std.-Infusion
1, 8, 22, 29
Substanz
Wiederholung Tag 43
340
AIO-Studie KRK 0504
Therapie II
XELOX (Arme B1 + B2)
Dosis [mg/m2/d]
Applikationsform
Therapietage
Capecitabin
2000
p.o.
1 – 14, 22 – 35
Oxaliplatin
130
2-Std.-Infusion
1, 22
Dosis [mg/m2/d]
Applikationsform
Therapietage
Oxaliplatin
50
2-Std.-Infusion
1, 8, 15, 22
Folinsäure
500
2-Std.-Infusion
1, 8, 15, 22
5-FU
2000
22-Std.-Infusion
1, 8, 15, 22
Dosis [mg/m2/d]
Applikationsform
Therapietage
Oxaliplatin
100
2-Std.-Infusion
1, 15
Folinsäure
400
2-Std.-Infusion
1, 15
5-FU
400
Bolus
1, 15
5-FU
2400
46-Std.-Infusion
1, 15
Dosis [mg/m2/d]
Applikationsform
Therapietage
Oxaliplatin
85
2-Std.-Infusion
1, 15
Folinsäure
200
2-Std.-Infusion
1, 2, 15, 16
5-FU
400
Bolus
1, 2, 15, 16
5-FU
600
22-Std.-Infusion
1, 2, 15, 16
Substanz
Wiederholung Tag 43
FUFOX (Arme B1 + B2)
Substanz
Wiederholung Tag 36
FOLFOX6 (Arme B1 + B2)
Substanz
Wiederholung Tag 29
FOLFOX4 (Arme B1 + B2)
Substanz
Wiederholung Tag 29
Zusätzlich zu den aufgeführten Therapieprotokollen wird in den Armen A1 und B1 Bevacizumab
gegeben:
Bevacizumab (Arme A1 + B1)
Substanz
Bevacizumab
Dosis
Applikationsform
5 mg/kg
Therapietage
30-90-Min.-Infusion
1, 15
Whg. Tag 29
30-90-Min.-Infusion
1, 22
Whg. Tag 43
oder
Bevacizumab
7,5 mg/kg
Kontrolluntersuchungen/ Toxizitäten
Die Kontrolluntersuchungen und Dosismodifikationen entsprechen denen der AIO-Studie KRK 0604. Davon
abweichend ist bei CR/PR der Referenzläsion eine Bestätigung der Response mittels Bildgebung nach 4
Wochen erforderlich.
341
Lebermetastasen
Therapiestrategie
Eine primäre operative Entfernung von Lebermetastasen beim kolorektalen Karzinom ist nur bei 10-25% der
Patienten möglich. Dabei stellt die R0-Resektion der Metastasen die einzige kurative Chance dar. Infolge der
inzwischen sehr hohen Ansprechraten auf eine Chemotherapie durch Einführung neuer Substanzen wird
häufiger jedoch eine sekundäre Metastasenresektion möglich. Der früher rein palliative Charakter einer
Chemotherapie wandelt sich zu einem wesentlichen Faktor in einem multidisziplinären, potentiell kurativen
Konzept. In neueren Serien liegt das 5-Jahres-Überleben nach Resektion von Lebermetastasen bei bis zu 40%.
Grundsätzlich muss bei jedem Patienten mit metastasiertem KRK die Frage gestellt werden, ob die Metastasen
primär resektabel sind und wenn nicht, ob bei guter Remission eventuell eine sekundäre Metastasenresektion
möglich werden kann. Voraussetzung ist die allgemeine Operabilität des Patienten. Die Patienten müssen immer
primär in einer multidisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt werden. Auf keinen Fall darf eine mögliche
kurative Option außer acht gelassen werden.
Therapiestrategie
KRK mit Lebermetastasen, primär resektabel oder potentiell sekundär resektabel
Nur potentiell R0-resektabel oder
FONG-Score ≥3 od. nicht R0-resektabel
R0-resektabel +
FONG-Score ≤2
Neoadjuvante Chemotherapie mit möglichst
effektiver Kombination
Primäre Resektion
Sekundäre Resektion wenn R0 möglich *
R0
R1/R2
R0
R1/R2
Adjuvante Chemotherapie
(FOLFOX 6 Monate)
Additive/Palliative
Chemotherapie*
Adjuvante Chemotherapie wie präop.
für 3 Monate od. Beobachtung
Additive /Palliative
Chemotherapie
* PET-CT zum Ausschluss
weiterer Manifestationen v.a. extrahepatisch
Lebermetastasen R0-resektabel
Bei Patienten mit R0-resektablen Lebermetastasen soll eine Bewertung des Risiko-Scores (z.B. Fong-Score
siehe folgende Seiten) erfolgen. Bei Fong-Score ≤ 2 kann eine primäre Metastasenresektion erfolgen.
Die Daten der EORTC 40983-Studie, die die Wertigkeit einer neoadjuvanten Chemotherapie bei resektablen
Lebermetastasen untersuchte, ergaben zwar eine Verbesserung des 3-Jahres-krankheitsfreien Überlebens für die
neoadjuvante Therapie um 7,2%. Der Unterschied zu der Gruppe ohne neoadjuvante Therapie war aber
statistisch nicht signifikant. So bleibt die primäre Operation bei niedrigem präoperativem Prognosescore eine
gute Option.
Adjuvante Chemotherapie nach primärer Metastasenresektion
Für die postoperative Therapie nach primärer Lebermetastasenresektion und R0-Situation ist kein Standard
definiert, die Datenlage ist limitiert.
Eine aktuelle Studie von Portier (siehe folgende Seiten) erbrachte eine Verbesserung des 5-Jahres-DFS um 7%
durch eine adjuvante 5-FU/Folinsäure-Therapie. Aufgrund dieser Daten und da keine weitere Studie zu dieser
Fragestellung (adjuvante gegen keine Therapie) zu erwarten ist, sollte die Indikation für eine adjuvante
Chemotherapie analog dem Stadium III des Kolonkarzinoms (FOLFOX) großzügig gestellt werden.
Die NCCN-Guidelines empfehlen mit Hinweis auf die limierte Datenlage nach kompletter Resektion von
Lebermetastasen eine 4-6-monatige adjuvante Chemotherapie.
S3-Leitlinie 2008: Nach R0-Resektion synchroner oder metachroner Lebermetastasen kann eine adjuvante
Chemotherapie erwogen werden.
342
Lebermetastasen
Therapiestrategie II
Lebermetastasen potentiell R0-resektabel, aber schlechter Fong-Score ≥ 3
ƒ Bei möglicher R0-Resektabilität, aber ungünstigem präoperativen Prognosescore sowie nur potentieller
Resektabilität ist eine neoadjuvante Chemotherapie indiziert.
ƒ Die präoperative Chemotherapie soll nur über einen begrenzten Zeitraum erfolgen, um die Toxizität auf das
gesunde Lebergewebe zu verringern. Empfohlen werden 3 Monaten Chemotherapie. Bei einer längeren Dauer nimmt
die perioperative Morbidität stark zu. Die Hepatotoxizität des entsprechenden Chemotherapieprotokolls sowie eine
eventuell bestehende Vorschädigung der Leber muss in die therapeutische Entscheidung und die OP-Planung mit
einbezogen werden.
ƒ Bei sicherer R0-Resektabilität und eher geringem Risikoprofil kann die Chemotherapie mit
- FOLFOX4 6 Zyklen (12 Wochen) präoperativ analog der EORTC-Studie erfolgen.
Alternative Chemotherapieprotokolle sind, besonders bei nur potentieller Resektabilität und hohem Risikoprofil:
- FOLFOX oder FOLFIRI + Cetuximab (bei KRAS-Wildtyp)
- FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI + Bevacizumab bei KRAS-Mutation und KRAS-Wildtyp
- FOLFOXIRI (FOLFIRI + Oxaliplatin, Falcone A. ASCO 2007, #4026)
ƒ Der Effekt der Chemotherapie soll spätestens nach 2-3 Monaten Therapie evaluiert werden. Die Metastasen sollen
vor ihrem Verschwinden reseziert werden, damit der Chirurg sie noch identifizieren kann.
ƒ Präoperativ sollte bei einem FONG-Score ≥3 ein FDG-PET insbesondere zum Ausschluss extrahepatischer
Metastasen durchgeführt werden, da sich bei ca. 25% der Patienten durch das PET die Strategie ändert. Ein
introperativer Ultraschall (IOUS) soll außerdem durchgeführt werden, da sich PET und IOUS in ihrer Sensitivität
ergänzen.
ƒ Ist die Lebermetastasenresektion nach neoadjuvanter Chemotherapie erfolgt, kann eine Fortsetzung der gleichen
Chemotherapie für 3 Monate postoperativ oder eine Beobachtung erfolgen (NCCN-Guidelines 2007). Auch für diese
Situation existieren keine ausreichenden Daten. Wenn es zu einem guten Ansprechen der Chemotherapie präoperativ
gekommen ist und es die Leberfunktion erlaubt, ist eine Fortsetzung derselben Therapie für weitere 12 Wochen
postoperativ sinnvoll.
Lebermetastasen primär nicht R0-resektabel
ƒ Bei Lebermetastasen, die primär nicht resektabel sind, ist eine möglichst remissionsaktive neoadjuvante
Chemotherapie indiziert.
Maximal remissionsinduzierende Protokolle außerhalb von Studien sind derzeit
- FOLFIRI + Oxaliplatin = FOLFOXIRI (Falcone A. ASCO 2007, #4026)
- FOLFIRI oder FOLFOX + Cetuximab bei KRAS-Wildtyp
- FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI + Bevacizumab bei KRAS-Mutation und KRAS-Wildtyp
Für FOLFOXIRI liegen nur wenige Daten vor. Die Remissionsraten sind hoch (60%), die Toxizität ist zwar
„manageable“, aber ebenfalls hoch.
Cetuximab in Kombination mit FOLFOX oder FOLFIRI ist nur bei KRAS-Wildtyp einsetzbar und zeigt ebenfalls
hohe Remissionsraten um 60%.
Bevacizumab in Kombination mit FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI zeigt eher etwas geringere
Remissionsraten als Cetuximab-Kombinationen, allerdings lag die Ansprechrate in der Hurwitz-Studie
(Bevacizumab + IFL) bei KRAS-Wildtyp ebenfalls bei 60%.
ƒ Entscheidend ist, dass die Hepatotoxizität des entsprechenden Chemotherapieprotokolls sowie eine eventuell
bestehende Vorschädigung der Leber in die therapeutische Entscheidung und OP-Planung mit einbezogen werden.
Sekundäre Resektionen nach Bevacizumab sind sicher ohne Erhöhung der Komplikationsrate durchführbar. Ein
protektiver Effekt von Bevacizumab im Hinblick auf die Hepatotoxizität durch Oxaliplatin wird diskutiert.
ƒ Eine Reevaluation der Operabilität muss alle 2-3 Monate erfolgen.
ƒ Die Lebermetastasen sollen reseziert werden, wenn sie resektabel und bevor sie verschwunden sind, da sie dann
chirurgisch schwer auffindbar sind und die Leberschädigung durch die weitere Chemotherapie erhöht wird. Ziel einer
präoperativen Therapie ist, eine Resektabilität zu erreichen, nicht eine Vollremission.
Vollremissionen, dokumentiert mit bildgebenden Verfahren, bedeuten in der Regel keine Heilung. Die Rezidivrate
liegt bei 85%. Die chirurgische Therapie aller Ausgangsläsionen ist anzustreben.
ƒ Eine postoperative Chemotherapie kann als individuelle Entscheidung in Abhängigkeit vom Ansprechen auf die
Vortherapie, von der Dauer der Vortherapie und der Leberfunktion postoperativ erfolgen.
343
Lebermetastasen
Resektabilität, Prognosefaktoren, Fong-Score
Resektabilität von Lebermetastasen
Weitgehender Konsens herrscht im Hinblick auf die Kriterien der Irresektabilität. In dem „ONCOSURGE
Decision Model“ (Haller D.G. et al., GI-ASCO 2005), das als Entscheidungsmodell für das Management von
Lebermetastasen entwickelt wurde, werden als Kontraindikationen zur Leberteilresektion aufgeführt:
- nicht resezierbare extrahepatische Erkrankungen
- ausgedehnte Beteiligung der Leber mit Beteiligung von mehr als sechs Segmenten
- mehr als 70% des Leberparenchyms oder
- Befall aller drei Lebervenen
- Leberparenchyminsuffizienz
- Patient allgemein inoperabel oder lehnt die Operation ab.
Präoperative Prognosefaktoren – FONG-Score
In die Entscheidung über eine Resektion gehen auch Prognosefaktoren, insbesondere die Zahl der
Metastasen ein. Die wichtigsten Prognosefaktoren sind in einem Score zusammengefasst. Der am
häufigsten verwendete Score ist der FONG-Score. Er beinhaltet Informationen, die präoperativ zur
Verfügung stehen. Bei einem FONG-Score ≥ 3 wird von einer Metastasenresektion eher abgeraten.
FONG-Score
ƒ
Anzahl der Lebermetastasen (>1)
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
Größe der Lebermetastasen (>5 cm)
Krankheitsfreies Intervall (<12 Monate)
Tumorstadium des Primärtumors (N+)
Höhe des CEA (> 200 μg/l)
Gesamtüberleben (%)
Score
0
1
2
3
4
5
1 Jahr
2 Jahre
3 Jahre
4 Jahre
5 Jahre
Median
(Monate)
93
91
89
86
70
71
79
76
73
67
45
45
72
66
60
42
38
27
60
54
51
25
29
14
60
44
40
20
25
14
74
51
47
33
20
22
Jeder Risikofaktor bedeutet
einen Punkt. Daraus ergibt
sich die Überlebenswahrscheinlichkeit, wie aus der
nebenstehenden Tabelle
hervorgeht
(Fong Y et al. Ann Surg
1999; 230:309-18)
Prognose nach Resektion
Adam analysierte die Daten der Patienten, die sekundär nach neoadjuvanter Chemotherapie in seiner Klinik
Leber-reseziert wurden, in einer Langzeitbeobachtung. Das 5-Jahres-Überleben betrug 33% und das 10-JahresÜberleben 23% (Adam R. et al., Ann Surg 2004; 240:644-57). Es war damit zwar schlechter als das der primär
resezierten Patienten (48% und 30%), belegte aber, dass bei auf die Leber begrenzten Metastasen mit einem
kombinierten Konzept ein Langzeitüberleben möglich ist.
Aus dieser Arbeit entwickelte er auch einen Prognosescore zur Abschätzung der Prognose nach Leberresektion.
Lag keiner der folgenden Risikofaktoren vor, lag das geschätzte 5-Jahres-Überleben bei 60%. Lagen 3 oder
mehr der folgenden Risikofaktoren vor, betrug das 5-Jahres-Überleben < 1%:
o mehr als 2 Lebermetastasen
o Lebermetastasen > 10 cm
o Erhöhter Tumormarker CA 19-9
o R1-Resektion
o Primärtumor im Rektum
o Wiederholte Leberresektionsoperation
Es gibt also Patienten, die trotz technischer Durchführbarkeit kaum von einer Leberresektion profitieren.
344
Lebermetastasen
Prognosescore nach Nordlinger
Die chirurgische Resektion von Lebermetastasen ist inzwischen eine allgemein akzeptierte
therapeutische Maßnahme. Mindestens zwei Drittel der Patienten erleiden ein Rezidiv. Eine nicht
unerhebliche Anzahl von Patienten profitiert letztendlich nicht von der Operation.
Um präoperativ eine Aussage zu treffen, ob eine Resektion für den Patienten sinnvoll ist, wurde ein
einfacher Prognosescore entwickelt.
Dieser wurde retrospektiv anhand der Daten von 1568 Patienten erstellt, die an Lebermetastasen nach
einem kolorektalen Karzinom operiert worden waren (Nordlinger B et al. Cancer 1996; 77: 1254-62).
Aus den Daten wurden folgende prognostische Faktoren entwickelt:
Faktor
0 Punkte
1 Punkt
Alter
≤ 60 Jahre
> 60 Jahre
Ausdehnung des Primärtumors auf die
Serosa
nein
ja
Zeit bis zum Auftreten der Lebermetastasen
> 2 Jahre
≤ 2 Jahre
< 5 cm
≥ 5 cm
1-3
≥4
≥ 1 cm
< 1 cm
nicht vorhanden
vorhanden
Größe der größten Metastase
Anzahl der Metastasen
Sicherheitsabstand bei der Resektion
Lymphknotenmetastasen des Primärtumors
Die Verteilung der Metastasen auf ein oder zwei Leberlappen oder das Ausmaß der Leberresektion
waren nicht mit dem Überleben korreliert.
Falls der Sicherheitsabstand für die Resektion der Lebermetastasen präoperativ nicht ausreichend
sicher bestimmt werden kann, wird der Patient einer Risikogruppe zugeordnet, ohne diesen Punkt zu
berücksichtigen. Hierbei wurden nur ca. 10% der Patienten in eine „falsche“ Gruppe eingeordnet.
Bei dem Anteil von ca. 60% der Patienten, bei denen der präoperative CEA-Wert bekannt war, konnte
dieser die Faktoren „Alter“ und „Größe der größten Metastase“ ersetzen. Dabei ergab ein CEA <5
ng/ml 0 Punkte, CEA ≥5 und ≤30 1 Punkt und ein CEA-Wert von >30 ng/ml 2 Punkte.
Prognosegruppen
Nach dem Nordlinger-Score lassen sich drei Prognosegruppen unterscheiden.
Risikogruppe
Punktzahl
2-Jahres-Überlebensrate
Low risk
0-2 Punkte
79%
Intermediate risk
3-4 Punkte
60%
High risk
5-7 Punkte
43%
Der am meisten verwendete Prognosescore ist der FONG-Score
(siehe vorangehende Seite)
345
Lebermetastasen
Adjuvante Chemotherapie nach Metastasenresektion
Obwohl eine Resektion kolorektaler Lebermetastasen das Überleben der betroffenen Patienten erheblich verlängern
kann, rezidivieren viele Patienten sowohl intra- als auch extrahepatisch. Nur wenige prospektive Studien haben sich
mit dem Stellenwert einer adjuvanten Chemotherapie nach Lebermetastasenresektion beschäftigt. Diese verwendeten
ausschließlich 5-FU-haltige Therapien. Eine deutsche Studie, die Capecitabin/Oxaliplatin versus keine Therapie
testete (ADHOC, siehe folgende Seiten), wurde wegen schleppender Rekrutierung vor kurzem gestoppt.
Metaanalyse von 2 randomisierten Studien
(Mitry E. et al., ASCO 2006, Abstract 3524)
Zwei Phase-III-Studien (FFCD 9002 und EORTC/NCIC/CTG/GIVIO Trials) mit einem ähnlichen Design wurden
wegen schlechter Rekrutierung abgebrochen. Es waren Patienten eingeschlossen, die ein histologisch gesichertes
KRK hatten mit einer R0-Resektion des Primärtumors und von weniger als 4 Lungen- oder Lebermetastasen. Es
wurde randomisiert zwischen einer adjuvanten 5-FU/Folinsäure-Bolus-Chemotherapie für 6 Zyklen und keiner
adjuvanten Therapie. Die Ergebnisse wurden zunächst auf dem ASCO 2006 vorgestellt.
Ergebnisse
n
PFS
OS
5-FU/FS
137
27,9 Mon.
62,2 Mon.
Kontrolle
137
18,8 Mon.
47,3 Mon.
In der Metaanalyse zeigte sich für die adjuvante
Chemotherapie eine deutliche Verbesserung des
progressionsfreien Überlebens (PFS), die knapp unter dem
Wert für eine statistische Signifikanz (p=0,58) blieb. Das
Gesamtüberleben (OS) war nicht signifikant verbessert.
Update (Portier G. et al.,J Clin Oncol 2006; 24:476-4982)
Aktuell wurde diese Studie als Vollpublikation mit
längerem Verlauf vorgestellt (Portier, JCO 2006 s.o.).
Es zeigte sich
erstmals eine signifikante
Verbesserung
des
5-Jahres-krankheitsfreien
Überlebens durch die 5-FU/Folinsäure-Bolustherapie
für die Patienten in der Chemotherapiegruppe (33,5%
versus 26,7%). Für das Gesamtüberleben (OS) ergab
sich ein Trend zugunsten der Chemotherapiegruppe,
der jedoch keine statistische Signifikanz erreichte. (5Jahres-OS 51,1% versus 41,1%).
Adjuvante Chemotherapie nach Lebermetastasenresektion: verlängertes
krankheitsfreies Überleben, tendenziell längeres Gesamtüberleben.
Adjuvante Chemotherapie mit Irinotecan/5-FU/FS versus 5-FU/FS
(Ychou M. et al. ASCO 2008 Abstr. LBA4013)
Vergleich einer adjuvanten Chemotherapie mit 5-FU/Folinsäure-Infusionsschema + Irinotecan 180 mg/m2 (alle 14
Tage) versus 5-FU/Folinsäure-Infusionsschema nach R0-Resektion von Lebermetastasen.
Ergebnisse: Die Zugabe von Irinotecan führte nicht zu einer signifikanten Verlängerung des DFS.
Adjuvant regional + systemisch vs. Kontrollarm (Kemeny MM et al., ASCO 1999; Abstract 1012)
In einer Studie der ECOG und SWOG wurden 109 Patienten nach hepatischer Metastasenresektion randomisiert,
entweder keine weitere Therapie zu erhalten oder eine Adjuvanzbehandlung mit regionaler und systemischer
Chemotherapie. Letztendlich wurden jedoch, z.B. wegen Vorhandensein von mehr als 3 Metastasen oder zusätzlichen
extrahepatischen Metastasen, nur 45 Patienten im Kontrollarm und 30 Patienten im Chemotherapiearm verglichen.
Die Chemotherapiegruppe erhielt vier Zyklen einer hepatischen intraarteriellen Therapie (HAI) mit FUDR und eine
systemische Chemotherapie mit 12 Gaben einer HD-5-FU-Dauerinfusionsbehandlung.
Ergebnisse: Es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede bzgl. des medianen Überlebens, aber signifikante
Unterschiede beim krankheitsfreien Überleben nach 3 Jahren. Hier fand sich für die Chemotherapiegruppe ein Anteil
Überlebender von 58% vs. 34% im Kontrollarm. Die Leber war als Rezidivort in der Chemotherapiegruppe mit 8 mal
vs. 24 mal Befall im Kontrollarm vertreten.
Fazit: Aufgrund der Daten von Portier, die mit einem Regime von eher bescheidener Effektivität und hoher
Toxizität erreicht wurden, sollte die Indikation zu einer adjuvanten Therapie nach Lebermetastasenresektion
großzügig gestellt und ein Regime analog der adjuvante Chemotherapie im Stadium III gewählt werden. Die NCCNGuidelines empfehlen mit Hinweis auf die limierte Datenlage nach kompletter Resektion von Lebermetastasen eine
4-6-monatige adjuvante Chemotherapie. Aktuelle Studien in den USA untersuchen die Bedeutung der HAI in
Kombination mit modernen Chemotherapien.
S3-Leitlinie 2008: Nach R0-Resektion synchroner oder metachroner Lebermetastasen kann eine adjuvante
Chemotherapie erwogen werden.
346
Lebermetastasen
EORTC 40983-Studie, perioperative Chemotherapie
Zwischen September 2000 und Juli 2004 war ein Protokoll der EORTC (und mehrerer anderer
Gruppen) aktiv, in dem die prä- und postoperative Chemotherapie mit Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure
gegenüber einer alleinigen chirurgischen Therapie primär resektabler Lebermetastasen in einer
Phase-III-Studie geprüft wurde.
Studienkoordination B. Nordlinger, Paris, Tel. 0033/1/49095586
Ein- und Ausschlusskriterien
Potentiell resektable Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms ohne erkennbare extrahepatische
Tumormanifestation.
Patienten mit synchronen Metastasen hatten ihre Primärtumorop. ≥1 Monat vor Randomisation und
Pat. mit metachronen Metastasen hatten eine R0-Resektion.
Patienten mit synchronen Metastasen, bei denen die Primärtumoroperation und die
Metastasenresektion in einer Prozedur durchgeführt werden können und diese um 3-4 Monate
verschoben werden kann.
Keine vorangegangene Chemotherapie des fortgeschrittenen Stadiums, eine vorangegangene adjuvante
Chemotherapie ist erlaubt, sofern sie kein Oxaliplatin enthielt.
Adäquate KM-, Nieren- und Leberfunktion.
Keine periphere PNP > Grad 1.
Chemotherapie: FOLFOX-Schema
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Oxaliplatin
85
2-Std.-Infusion in Glukose 5 %
1
Folinsäure
200
2-Std.-Infusion
1, 2
5-FU
400
i.v. Bolus
1, 2
5-FU
600
22-Std.-Infusion
1, 2
Wiederholung: Tag 15
Ablauf
Die Patienten im Chemotherapiearm erhalten 6 Zyklen prä- und 6 Zyklen postoperative Therapie. Die
Chemotherapie wird beendet, falls nach 3 Zyklen eine Progression eintritt oder bei lebensbedrohlicher
°IV-Toxizität oder bei wiederholter nicht lebensbedrohlicher °IV-Toxizität trotz adäquater
Dosisreduktion.
Die Leberresektion sollte 2-5 Wochen nach der letzten Chemotherapieapplikation durchgeführt
werden, die postoperative Therapie 2-5 Wochen nach der Resektion beginnen. Die übrigen Patienten
erhalten eine alleinige chirurgische Therapie.
Zielgröße ist das progressionsfreie Überleben.
347
Lebermetastasen
EORTC-Studie 40983, Zwischenergebnisse
EORTC-Studie 40983 (B.Nordlinger et al. EORTC, ASCO 2005, Abstract 3528)
Diese Studie evaluiert die prä- und postoperative Chemotherapie bei resektablen Lebermetastasen. 364
Patienten mit potentiell resektablen Lebermetastasen wurden randomisiert zwischen prä- sowie postoperativ 6
Zyklen FOLFOX-4 und alleiniger Chirurgie.
EORTC-Studie 40983
Neoadjuvante Therapie
alleinige Chirurgie
Operation durchgeführt
92,5%
96,7%
R0-Resektionsrate
96,7%
88,5%
Chir. Komplikationen (30 Tage)
24,5%
13,3%
Re-Operation
4,5%
2,3%
Perioperative Letalität
0,9%
1,6%
Transientes Leberversagen
6,4%
1,6%
Galleleck
5,5%
1,6%
Blutung
2,7%
2,3%
Wundinfekt
2,7%
3,1%
Intraabdomineller Infekt
4,5%
0,8%
Kardiopulmonales Versagen
2,7%
1,6%
Die Interimsanalyse zeigt, dass die R0-Resektionsraten im neoadjuvant behandelten Arm höher waren.
Chirurgische Komplikationen traten häufiger auf in der neoadjuvant behandelten Gruppe, die perioperative
Letalität war jedoch vergleichbar.
EORTC-Studie 40983 (Grünberger T. et al, ASCO 2006, Abstract 3500)
Auf dem ASCO 2006 wurden weitere Daten vorgestellt. Unter der neoadjuvanten präoperativen Chemotherapie
kam es zu einer Verkleinerung der Metastasen radiologisch von 35 auf 25 mm im Median.
FOLFOX / OP / FOLFOX
n = 182
OP
n = 182
Operation durchgeführt
158 (87%)
167 (92%)
Reseziert
151 (83%)
149 (82%)
25 mm
34,5 mm
1 (0,7%)
2 (1,3%)
Perioperative Komplikationen
30 (21,1%)
15 (9,7%)
Intraabdominelle Infektionen
8 (5,6%)
2 (1,3%)
Pulmonale Komplikationen
7 (4,9%)
0 (0%)
Gallefistel
6 (4,2%)
2 (1,3%)
Reoperation
5 (3,5%)
3 (1,9%)
EORTC 40983
Größte Läsion (Pathologie)
Klinik
Postoperative Letalität
348
Lebermetastasen
Perioperative Chemotherapie, EORTC-Studie, Ergebnisse
Die EORTC-Studie 40983 evaluierte die Wertigkeit einer prä- und postoperativen Chemotherapie mit
FOLFOX-4 (jeweils 6 Gaben = 3 Monate) bei Patienten mit resektablen Lebermetastasen eines KRK gegenüber
einer alleinigen Operation. Die ersten Sicherheits- und Remissionsdaten wurden bereits 2005 und 2006
vorgestellt (siehe vorangehende Seiten). Primärer Endpunkt war eine Verbesserung des PFS um 40% durch die
perioperative Therapie im Vergleich zur alleinigen Operation. Die Ergebnisse zur Effektivität wurden auf dem
ASCO 2007 in der Plenary Session präsentiert.
Ergebnisse (Nordlinger B. et al., ASCO 2007, Abstract LBA5 und Lancet 2008;371:963-5)
364 Patienten wurden im Rahmen der Studie behandelt. Die meisten Patienten hatten 1-3 Metastasen und die
Metastasen traten weniger als 2 Jahre seit der Primäroperation auf. In jedem Arm kamen jeweils 11 der 182
Patienten wegen fortgeschrittenem Stadium für eine weitere Behandlung in der Studie nicht in Frage. 78% der
Patienten erhielten alle 6 präoperativen Chemotherapiezyklen.
Die Ansprechrate auf die neoadjuvante Therapie war 44%, 6,6% der Patienten waren progredient unter der
Therapie.
87% der Patienten im Chemotherapiearm und 93% der Patienten im alleinigen Chirurgiearm wurden operiert,
jeweils 83% wurden reseziert. Nur 63% der randomisierten
Patienten erhielten die postoperative
Chemotherapie.
Die perioperative Chemotherapie verbesserte das 3-Jahres-progressionsfreie Überleben (PFS) in der intent to
treat Analyse aller Patienten von 28,1% auf 35,4%. Diese Verbesserung war überraschenderweise statistisch
nicht signifikant und verfehlte das Studienziel. Bei den tatsächlich resezierten Patienten (n=303) war die
Verbesserung des PFS deutlich (33,2 versus 42,4%) und erreichte Signifikanz.
Schlussfolgerung
der
Autoren:
Die
Perioperative Chemotherapie mit FOLFOX4
verbessert das progressionsfreie Überleben
gegenüber der alleinigen Chirurgie bei Patienten,
deren Metastasen reseziert wurden. Der Benefit
war etwas verwässert, weil auch Patienten mit
einbezogen wurden, die aufgrund der Bildgebung
resektabel erschienen, aber nicht reseziert werden
konnten.
Anmerkung: Die Resultate dieser Studie
werden kontrovers diskutiert. Insgesamt sind
die
Ergebnisse
für
die
neoadjuvante
Chemotherapie eher etwas enttäuschend. Die
primäre Resektion ist nach wie vor eine gute Option für resektable Metastasen (nur wenn Fong-Score ≤ 2). Die
durch die Chemotherapie induzierte Schädigung des gesunden Lebergewebes muss berücksichtigt werden. Es
gibt bisher keinen Vergleich zwischen einer neoadjuvanten und einer adjuvanten Chemotherapie bei resektablen
Lebermetastasen.
In Frankreich und in anderen Ländern wird die perioperative Therapie bei resektablen Lebermetastasen trotz der
nicht überzeugenden Ergebnisse als Standard angesehen. So vergleicht die neue EORTC-Studie 40051 (Bos)
zwei perioperative Therapiearme, nämlich FOLFOX + Bevacizumab + Cetuximab versus FOLFOX +
Cetuximab.
349
Lebermetastasen
Neoadjuvante Chemotherapie, nicht resektable Metastasen
Nur bei 10-15% der Patienten mit Lebermetastasen ist die primäre operative Entfernung der Metastasen möglich.
Eine Metastasenresektion ist die einzige Chance auf Kuration. Durch die Einführung neuer Substanzen können hohe
Remissionsraten erzielt werden, die zu einer Resektabilität von primär nicht resezierbaren Lebermetastasen führen.
Schon 1974 zeigten Wilson SM und Adson MA in einer
Studie, dass Patienten, deren Lebermetastasen entfernt wurden,
eine 5-Jahres-Überlensrate von 25% hatten, wogegen die nicht
operierten Patienten alle verstorben waren.
Überlebenswahrscheinlichkeit bei metastasiertem KRK ohne
Operation und nach Resektion von Lebermetastasen
(S.M. Wilson, M.A.Adson, Arch. Surg.,1974)
Giacchetti-Studie (Ann Oncol 1999; 10:663-9)
Giacchetti, Villejuif in Frankreich, untersuchte in einer retrospektiven Studie den klinischen Nutzen einer
chronomodulierten Chemotherapie mit Oxaliplatin, 5-FU und Folinsäure. Es wurden die Daten von 151 Patienten mit
nicht resektablen Lebermetastasen bei CRC erhoben.
• Die Größe der Lebermetastasen reduzierte sich unter der Therapie bei 89 Patienten (59%) um mehr als 50%.
• Das mediane Gesamtüberleben betrug 24 Monate, wobei insgesamt 28% nach 5 Jahren noch am Leben waren.
• Eine kurative chirurgische Resektion wurde bei 77 Patienten (51%) versucht, eine komplette makroskopische
Resektion der Lebermetastasen gelang bei 58 Pat. (38%), bei
48 waren die Ränder mikroskopisch tumorfrei.
• Das mediane Überleben der 77 operierten Patienten war 48
Monate (25-71) bei einer 5-Jahres-Überlebensrate von 50%.
Nach 7 Jahren lebten noch 30%.
• Das Intervall zwischen Chemotherapie-Beginn und
Operation betrug im Mittel 5,5 Monate (zwischen 3 und 21).
Es gab keine intraoperative oder postoperative Mortalität
innerhalb von 2 Monaten nach dem Eingriff.
Auch mit primär nicht resektablen Lebermetastasen ergibt
sich bei einem Downstaging durch die Chemotherapie eine
Abhängigkeit der Überlebenswahrscheinlichkeit von der
Chance auf ein Langzeitüberleben.
chirurgischen Resektabilität (n =151 Patienten)
5-Jahres-OS nach Leberresektion primär nicht resektabler Metastasen
Zwischen 1988 und 1996 erhielten 701 Patienten mit nicht resektablen
Lebermetastasen eine neoadjuvante Chemotherapie (Paul-BrousseHospital, Villejuif, Frankreich). 95 Patienten (13,5%) konnten sekundär
reseziert werden. 87 Patienten konnten 5 Jahre nachbeobachtet werden.
Das 5-Jahres-Überleben (5-J-OS) nach Resektion betrug 39%.
Resektion nicht resektabler Lebermetastasen nach neoadjuvanter
Chemotherapie: 5-J-OS der Patienten mit 5-Jahre-Follow-up
(Adam R. et al., Ann Surg Oncol 2001;8:347-353)
Initial irresektable Lebermetastasen, Heilung ? (Adam R et al. ASCO 2008 Abstract 4023)
Einschluss aller Patienten mit initial irresektablen Lebermetastasen, die einer Metastasenresektion unterzogen wurden
und ein Follow-up von minimal 5 Jahren aufwiesen.
Ergebnisse: 184 Patienten, die zwischen 1988 und 2002 reseziert wurden, hatten ein Durchschnittsalter von 56,9
Jahren. Die durchschnittliche Zahl an Lebermetastasen betrug 5,3. 27% hatten eine extrahepatische Metastasierung.
Eine chirurgische Resektion war bei 74% der Patienten nach einer First-line Chemotherapie, bei 26% nach weiteren
Chemotherapien möglich. Das 5- und 10 Jahres-Überleben betrug 33% und 27%. Von 148 Patienten mit einem
Follow up mehr als 5 Jahre wurden 24 (entsprechend 16%) als geheilt betrachtet. 12 geheilte Patienten hatten ein
DFS über 10 Jahre. Die multivariate Analyse identifizierte als unabhängige Prädiktoren einer Heilung: Maximale
Metastasengrösse < 30 mm bei Diagnose, Zahl der Metastasen bei der Resektion <3, komplette pathologische
Response auf die Chemotherapie.
350
Lebermetastasen
Neoadjuvante Chemotherapie, Therapiestudien
Zunehmend wird auch in den palliativen first-line-Studien
die sekundäre Resektionsrate als eigenständiger Endpunkt
verwendet. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass
Patienten mit einer sekundären Resektion eine Chance auf
Kuration besitzen.
In einer Metaanalyse von Studien zur Chemotherapie bei
metastasiertem CRC konnte Folprecht (Ann Oncol
2005;16:1311-1319) zeigen, dass eine Korrelation besteht
zwischen dem Ansprechen der Chemotherapie und der
Möglichkeit, sekundär Lebermetastasen zu resezieren.
Letztendlich ist nicht geklärt, welches Regime am besten
geeignet ist, eine sekundäre Resektabilität zu erzielen,
wobei auch die Hepatotoxizität der Behandlung zu
berücksichtigen ist.
Korrelation zwischen Response- und Resektionsrate
Therapiestudien
Auf dem ASCO 2007 wurden mehrere Studien vorgestellt, die die sekundäre Resektionsrate zum Endpunkt
hatten.
Für die Kombination FOLFOXIRI versus FOLFIRI konnten Falcone et al. (Abstract 4026) ihre Daten von 2006
mit einer Verbesserung der sekundären Resektionsrate für alle Patienten von 6% auf 15% bestätigen bei sehr
hohen Ansprechraten von 60%. Für Patienten mit Metastasen ausschließlich in der Leber war eine Verbesserung
der sekundären Resektionsrate sogar von 12 % auf 36% möglich.
Im Rahmen der Crystal-Studie
(van Cutsem E. et al., ASCO
2007, Abstr. 4000) wurde eine
Verbesserung
der
Resektionsrate von 2,8 auf
4,3% durch die Hinzugabe von
Cetuximab zu Irinotecan/5FU/Folinsäure erreicht.
Watkins DJ et al. teilten die
Patienten in 3 Gruppen ein:
nicht resektable, potentiell
resektable
und
primär
resektable Leberfiliae. Alle
Patienten
erhielten
eine
mittlere Anzahl von 8 Zyklen
CapOx. Es zeigte sich eine
sekundäre Resektionsrate von
5% für Patienten mit initial
nicht resektablen Metastasen
und von 48% für potentiell
resektable
Patienten.
Für
resektable Patienten konnte nur
eine Rate von 59% errechnet
werden. Durch diese Daten wird die große Variationsbreite der potentiell heilbaren Patienten demonstriert.
Bevacizumab in Kombination mit FOLFOX, FOLFIRI oder CapOx führte zu einer sekundären Resektionsrate
von 4% (Kretschmar A. et al., GI- ASCO 2007, Abstr. 343).
Durch die zusätzliche Gabe von Cetuximab zu Irinotecan, Oxaliplatin oder OxIri nach Therapieversagen auf
mindestens 2 Vortherapien konnte in einer Studie von Aloia T. et al. (ASCO 2007, Abstr. 4061) eine sekundäre
Resektionsrate von 17% erreicht werden.
351
Lebermetastasen
Neoadjuvante Chemotherapie, nicht resektable Metastasen
First-BEAT Studie, Resektion von Lebermetastasen (Michael M. et al. ASCO 2006, Abstract 3523)
Die First-BEAT Studie wurde
im Juni 2004 gestartet, um die
Sicherheit von Bevacizumab zu
Leber
40
evaluieren. Sie schloss 1927
Lunge
2
Patienten aus 41 Ländern
Peritoneal
1
weltweit ein, die Bevacizumab 5
Paraaortale Lymphknoten
1
mg/kg q2w oder 7,5 mg/m2 q3w
Keine residuelle Erkrankung
25
in
Kombination
FOLFOX,
Residuen
9
FOLFIRI, CAPOX oder Xeloda
Unbekannt/sonstige
10
erhielten. Im Rahmen dieser
Mediane Zeit Beginn Bevacizumab bis Resektion (Tage)
183
Studie wurden auch Patienten
Mediane Zeit Ende Bevacizumab bis Resektion (Tage)
67
mit
Resektionen
evaluiert.
Kriterien für die initiale Irresektabilität waren nicht definiert und basierten auf der Einschätzung des
behandelnden Arztes.
Ergebnisse: 44 Patienten wurden sekundär reseziert, davon 40 im Bereich der Leber. Bei 29 Patienten wurden
keine Komplikationen gesehen, insbesondere keine Wundheilungsstörungen oder Nachblutungen. Bei 3
Patienten wurden nicht operationsbezogene Komplikationen als möglicherweise Bevacizumab-assoziiert
gewertet: je eine Magen-perforation,
Insgesamt
Bevacizumabein Myo-kardinfarkt sowie eine
Komplikationen
n = 43
bedingt ?
Portalvenenthrombose.
Die
Zeit
Keine
29
zwischen
der
letzten
Unbekannt
1
Bevacizumabgabe
und
der
Postoperative Blutungen
0
Metastasektomie betrug 6-8 Wochen.
Wundheilungsstörungen
0
Die Effektivitätsdaten stehen noch
Infektionen der OP-Wunde
5
Nein
aus. Die Autoren kommen zu dem
Magenperforation
1
Möglich
Schluss, dass eine Metastasektomie
Portalvenenthrombose
1
Möglich
sicher ist nach einer 6 wöchigen
Bevacizumab-Pause.
Myokardinfarkt
1
Möglich
Resektionen nach Bevacizumab
First-BEAT, Ergebnisse 2008
Pat. insgesamt
n = 44
( Cassidy J. et al. ASCO 2008, Abstract 4022)
Die R0-Resektionsrate betrug insgesamt 9,0% (173 Patienten). War die Leber das einzige von Metastasen
betroffene Organ, konnten 15,2% der Patienten (107 von 704 Pat.) mit kurativer Absicht operiert werden. Die
R0-Resektionsrate lag in diesem Fall bei 12,1% (85 Pat.). Ernste Wundheilungsstörungen wurden nur bei 1,3%
der operierten Patienten beobachtet, ernste Blutungen nur bei 0,4%. Das 2-Jahres-Überleben der Patienten, bei
denen die Lebermetastasen R0-reseziert werden konnten betrug 89% -gegenüber 47%, wenn nicht R0 reseziert
werden konnte.
N0 16966-Studie, Resektion von Lebermetastasen ( Cassidy J. et al. ASCO 2008, Abstract 4022)
In dieser Studie erhielten 1401 Patienten mit metastasiertem KRK die Chemotherapie FOLFOX oder XELOX
und randomisiert zusätzlich Bevacizumab oder Placebo. Das Erzielen von Resektabilität war dabei kein
Studienziel – eine geplante grössere Operation stellte vielmehr ein Ausschlusskriterium dar. Dennoch konnten
59 Patienten im Bevacizumab-Arm und 43 Patienten im Placebo-Arm mit kurativer Absicht operiert werden.
Ergebnisse: Die R0-Resektionsrate betrug im Bevacizumab-Arm 6,3% (44 von 699 Patienten) versus 4,9% (34
von 701 Patienten) im Placebo-Arm.
Bei den Patienten, bei denen die Leber das einzige von Metastasen befallene Organ war, betrug die R0Resektionsrate im Bevacizumab-Arm 12,3% (26 von 211 Patienten) versus 11,6% (24 von 207 Patienten) im
Vergleichsarm.
Das 2 Jahres-Überleben bei ausschließlichem Leberbefall betrug für Bevacizumab 92,3% versus 79,0% im
Placebo-Arm. Wenn keine R0-Resektion erfolgen konnte, betrug das 2-Jahres-Überleben 45,1% für
Bevacizumab versus 41,5% für Placebo.
352
Lebermetastasen
Neoadjuvante Chemotherapie, Studienergebnisse, Bevacizumab
Neoadjuvante Chemotherapie mit Bevacizumab/XELOX bei nicht optimal
resezierbaren Lebermetastasen
(Gruenberger B. et al. J Clin Oncol 2008; 26:1830-5)
Insgesamt 56 Patienten mit potentiell resektablen Lebermtetastasen, aber hohem Risiko eines Frührezidivs., das
definiert war mit einem Fong-Score ≥ 1, wurden in diese unizentrische Phase-II-Studie eingeschlossen. Die
Patienten erhielten eine Kombination aus Bevacizumab 14-tägig plus XELOX für 6 Zyklen (12 Wochen), wobei
im 6. Zyklus das Bevacizumab weggelassen wurde, sodass zwischen der letzten Bevacizumab-Gabe und der
Operation 5 Wochen lagen.
Ergebnisse: Die Ansprechrate betrug insgesamt 73,2 % (41 Patienten) mit einer pathologischen CR von 8,9%
(entsprechend 5 Patienten). Nur 5,4% der Patienten (3 Pat.) waren unter der neoadjuvanten Chemotherapie
progredient. Insgesamt 52 Patienten wurden reseziert.
Es kam zu keinen vermehrten intraoperativen Blutungen oder Wundheilungsstörungen, und nur 3 Patienten
(6%) benötigten perioperativ Bluttransfusionen. Eine erneute chirurgische Intervention war nur bei einem
Patienten erforderlich. Die postoperative Leberfunktion und Regeneration war normal, bis auf einen Patienten,
der an einer prolongierten Leberfunktionsstörung aufgrund einer Steatohepatitis litt. Es kam zu keiner
postoperativen Mortalität, die postoperative Morbidität betrug 20%. Die mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer
betrug 9 Tage.
Komplikationen nach Leberresektion
Komplikationen
n
%
Keine Komplikationen
42
79
Komplikationen gesamt
11
21
Anastomoseninsuffizienz
1
2
Galleleck
1
2
Hyperbilirubinämie
2
4
Sepsis mit positiver Blutkultur
2
4
Sepsis mit intermittierender Niereninsuffizienz
1
2
Dünndarmperforation mit Reoperation
1
2
Harnwegsinfekt
1
2
Wundhämatom
1
2
Wundinfektion
1
2
Eingeschlossene Patienten n = 56
Ansprechen
n
%
pCR (komplette pathol. Response)
5
8,9
Partielle Remission
36
64,3
Stabile Erkrankung
12
21,4
Krankheitskontrolle (CR+PR+SD)
53
94,6
Progrediente Erkrankung
3
5,4
Fazit: Bevacizumab kann bis 5 Wochen vor Leberresektion sicher appliziert werden, ohne dass es zu
schwerwiegenden Wundheilungsstörungen und Blutungen kommt. Bevacizumab beeinträchtigt nicht die
Leberregeneration. Die hohe Effektivität der Therapie in dieser Studie mag auch dadurch bedingt sein, dass
Patienten nur mit Lebermetastasen (und keine sonstigen) eingeschlossen wurden und alle Patienten einen guten
Performance Status hatten. Eine eventuelle Wiederaufnahme von Bevacizumab wird frühestens 28 Tagen nach
grösseren chirurgischen Eingriffen empfohlen, vorausgesetzt die Wundheilung ist komplett abgeschlossen.
353
Lebermetastasen
Neoadjuvante Chemotherapie, CELIM-Studie
Studientitel
Cetuximab zur neoadjuvanten Therapie von Patienten mit inoperablen Lebermetastasen kolorektaler Karzinome.
Randomisierte multizentrische Phase-II-Studie.
Studienziel
Primäres Studienziel ist das Tumoransprechen nach RECIST-Kriterien. Sekundäre Ziele sind die Rate der Leberresektionen
(R0), das progressionsfreie Überleben, das krankheitsfreie Überleben nach Resektion, die Sicherheit der Therapie und die
Evaluation von molekularen prädiktiven Markern für Response und Toxizität.
Studienleitung
Prof. Dr. Claus-Henning Köhne, Klinik für Hämatologie und Onkologie, Oldenburg
Koordination: PD Dr. J. T. Hartmann, Abt.2, Medizinische Klinik, E-mail: [email protected]
Dr. C. Burkart, Zentrum für Gastroint. Onkologie, E-mail: [email protected]
Zentrum für Gastrointestinale Onkologie, Universitätskl. Tübingen, Otfried-Müller-Str. 10, D-72076 Tübingen
Tel.: 07071-29-82121 oder -82122, Fax: 07071-29-5357,
E-Mail: [email protected]
Studiendesign
Cetuximab + FOLFOX (Arm A)
R
EGFR-exprimierende
Lebermetastase
Cetuximab + FOLFIRI (Arm B)
nicht EGFR-exprimierende
Lebermetastase
FOLFOX (Arm C)
Einschlusskriterien
Nicht resektable (≥ 5 Metast. oder technisch nicht resektabel), histologisch bestätigte, synchrone (wenn Primärtumor
mind. 1 Monat vor Beginn der Chemotherapie reseziert wurde) oder metachrone kolorektale Lebermetastasen
Alter > 18 Jahre, Karnofsky-Index > 80%
Adäquate Organfunktion (Neutr > 1,5/nl; Thromb > 100/nl; Hb > 8 g/dl; Bilirubin < 1,5 x obere Norm und Anstieg
≤ 25% innerhalb der letzten 4 Wochen; ALAT und ASAT < 5 x obere Norm; Kreatinin < 1,5 x obere Norm)
Ausschlusskriterien
Extrahepatische Metastasen, Lymphknotenmetastasen oder Rezidiv des Primärtumors
Vorangegangene Chemotherapie (außer adjuvant vor ≥ 6 Monaten) oder Therapie gegen den EGF-Rezeptor
Therapiedurchführung
Arm C entspricht Arm A ohne Cetuximab. Ab 6. Zyklus 5-FU 3000 mg/m2, wenn keine Toxizität ≥ CTC 2. Erst nach
8 Zyklen, dann alle 4 Zyklen Überprüfung der Resektabilität. Nach Resektion adjuvant 6 weitere Zyklen.
FOLFOX + Cetuximab (Arm A)
Substanz
Cetuximab-Erstgabe
Cetuximab
Oxaliplatin
Folinsäure
5-FU
5-FU
Wiederholung Tag 15
2
Dosis [mg/m /d]
400
250
100
400
400
2400 (- 3000)
Applikationsform
2-Std.-Infusion
1-Std.-Infusion
2-Std.-Infusion
2-Std.-Infusion
Bolus
46-Std.-Infusion
FOLFIRI + CETUXIMAB (ARM B)
Substanz
Dosis [mg/m2/d]
Cetuximab-Erstgabe
400
Cetuximab
250
Irinotecan
180
Folinsäure
400
5-FU
400
5-FU
2400 (- 3000)
Applikationsform
2-Std.-Infusion
1-Std.-Infusion
2-Std.-Infusion
2-Std.-Infusion
Bolus
46-Std.-Infusion
Therapietage
1
(1), 8
1
1
1
1
Wiederholung Tag 15
Therapietage
1
(1), 8
1
1
1
1
Zwischenergebnisse (Folprecht G. et al. ESMO 2008, Abstract 510)
56 Patienten erhielten FOLFOX-Cetuximab und 55 Patienten FOLFIRI-Cetuximab. Bei der Interimsanalyse im März
2008 waren 81 Patienten auswertbar. Der Kras-Status war bei 86 Patienten vorhanden. 79% der Patienten mit Kras
Wildtyp zeigten ein Ansprechen mit Tumorverkleinerung, sodass eine Resektion bei 43% dieser Patienten möglich
war mit einer R0-Resektion bei 34%. Somit zeigt die Interimsanalyse eine hohe Aktivität der Chemotherapie sowie
eine ermutigende Rate von Leberresektionen
354
Lebermetastasen
Bildgebung
Häufig besteht das Problem einer inadäquaten präoperativen Diagnostik bei kolorektalen Lebermetastasen. In einer
Arbeit von Elias et al (Ann Surg Oncol 2005) bei 506 Patienten zwischen 1985 -2003 zeigten sich bei der
Laparotomie im Vergleich zur präoperativen Diagnostik, die in der Regel in Form eines CT stattfand, bei 41,3% der
Patienten unerwartete Metastasen. Zum einen fanden sich zusätzliche Lebermetastasen in 30% und extrahepatische
Metastasen in16,3%.
Intraoperativer Ultraschall (IOUS) (Bhattacharjya S. et al., Br J Surg 2004)
Sens.
73 %
87 %
81 %
95 %
CT
CT-AP
NMR
IOUS
Spez.
96 %
89 %
93 %
100 %
Nach dieser Arbeit ist der intraoperative Ultraschall
am sensitivs.ten zur Quantifizierung von
Lebermetastasen.
FDG-PET (Joyce DL et al., Arch Surg 2006;141:1220-26)
Bei 71 Patienten wurde zwischen 2000-2002 die Rolle des FDG-PET in der präoperativen Diagnostik bei
Lebermetastasen prospektiv evaluiert. Die Standard-Diagnostik bestand in CT-Abdomen/Becken/Thorax und NMR.
Im FDG-PET zeigten sich bei 23 Patienten ( = 32%) neue Befunde, davon 57% extraabdominell, 22%
intraabdominell extrahepatisch und 17% intrahepatisch.
Aufgrund des PET-Befundes änderte sich die Therapiestrategie bei 24% aller Patienten. Zu berücksichtigen sind
allerdings 2-5% falsch positive PET-Befunde und 10-15% falsch negative PET-Befunde.
Bildgebung nach neoadjuvanter Chemotherapie
(Nordlinger B. et al. ASCO 2006, Abstract 3501)
Zwischen 1998 und 2004 wurden 586 Patienten wegen kolorektaler Lebermetastasen (LM) in einer Institution
chemotherapiert. 38 Patienten mit den folgenden Kriterien wurden in die Studie aufgenommen: weniger als 10
Lebermetastasen vor der Chemotherapie, Verschwinden von einer oder mehrerer Lebermetastasen im Spiral-CT und
in der Sonographie nach Chemotherapie, Operation mit Untersuchung der Leber sowie intraoperativem Ultraschall
innerhalb von 4 Wochen nach Bildgebung,
66 LM mit kompletter Response im CT nach Chemotherapie
keine extrahepatischen Metastasen, Followup mindestens ein Jahr postoperativ.
Ergebnisse: 66 Lebermetastasen (LM)
Chirurgie:
verschwanden in der Bildgebung nach
Makroskopisch Tumor: 20 LM
Chemotherapie (38 Patienten). Bei 9
Keine Läsion: 46 LM
Patienten fand sich bei der Operation
makroskopisch Tumorgewebe an insgesamt
15 Lokalisationen reseziert
31 Lokalisationen nicht reseziert
20
Lokalisationen
(der
initial
66
Metastasen). Persistierende makroskopische
oder mikroskopische Residualerkrankung
Vitale Tumorzellen: 12
In situ Rezidiv: 23
oder ein frühes Lokalrezidiv wurden bei 55
von 66 Lebermetastasen beobachtet, die
radiologisch eine komplette Response (CR)
55/66 (83%) der Metastasen waren nicht „geheilt“
gezeigt hatten (32 von 38 Patienten).
Fazit
Eine radiologische CR nach neoadjuvanter Chemotherapie ist ein nützliches Instrument, den Effekt der
Chemotherapie zu evaluieren, aber sie bedeutet keine Heilung für die meisten Patienten.
Vorschlag der Autoren
Resektable Lebermetastasen sollten vor dem kompletten Verschwinden reseziert werden und die ehemalige
Lokalisation sollte reseziert werden sofern dies möglich ist.
Fazit: Präoperative Bildgebung bei potentiell resektablen kolorektalen Lebermetastasen
ƒ
ƒ
ƒ
3-Phasen-CT-der Leber (alternativ: NMR mit KM), CT-Abdomen/Becken/Thorax
FDG-PET zumindest bei Hochrisiko-Patienten (FONG-Score > 2) sinnvoll
Intraoperativer Ultraschall obligat
355
Lebermetastasen
Chemotherapie-assoziierte Hepatotoxizität
Durch deutlich verbesserte Remissionsraten bei Anwendung moderner Kombinationschemotherapien vor allem mit
Oxaliplatin und Irinotecan und neuerdings auch Biologicals wird ein Teil der primär irresektablen Leberfiliae
resektabel. Auch primär kurativ operable Lebermetastasen werden bei schlechten Prognoseparametern perioperativ
mit einer Chemotherapie
behandelt. Insbesondere bei Patienten mit Lebervorschädigung können
chemotherapeutische Substanzen zu schweren Leberveränderungen führen.
Grundsätzlich können alle Zellen der Leber-Hepatozyten,
Cholangiozyten und Sinusendothelzellen durch die
Medikamente geschädigt werden. Cholangiozyten gelten als
relativ widerstandsfähig, sodass Schäden primär an
Hepatozyten und Gefäßendothelien sichtbar werden. Die
Veränderungen reichen von reinen Fetteinlagerungen in
hepazozyten bis hin zur Fettleberhepatitis mit Fibrose
begleitet von Gefässwandschäden und parenchymatösen
Blutungen.
(Tannapfel A, Reinacher-Schick A., Z Gastroenterol
2008;46:435-440)
Zielzellen der Lebertoxizität
CASH = Chemotherapieassoziierte Steatohepatitis
CASH – Steatosis, Entzündung
In Analogie zur nicht alkoholischen Steatohepatitis (NASH) wird der
Begriff „CASH“ empfohlen. Die Fetteinlagerung einer Leberzelle ist
grundsätzlich reversibel. Ein Hepatozyt mit einer Leberzellverfettung
befindet sich jedoch in einem „Zellstress“, sodass eine weitere Schädigung
zu Entzündung und Nekrose oder Apoptose führen kann.
Der Topoisomerasehemmer Irinotecan gilt als Auslöser der CASH in einer
vorher ungeschädigten Leber. Da Irinotecan meist mit 5-FU, das ebenfalls
zu einer (reversiblen) Leberzellverfettung führen kann, in der Therapie des
KRK häufig kombiniert wird, können sich hepatotoxische Wirkungen
addieren.
SOS = Sinusoidales Obstruktionssyndrom
Die früher als „Veno-occlusive disease (VOD)“ bezeichnete
Erkrankung, bei der die Sinusendothelzellen durch oxidativenress
geschädigt werden, wird heute als sinusoidales Obstruktionssyndrom
(SOS) bezeichnet und ist mit einer signifikanten Morbidität nach
Leberresektion assoziiiert. Durch die Zellschädigung der die Gefässe
auskleidenden Sinuswandzellen kommt es zu Entzündung, Fibrose und
lokaler Thrombose mit embolischem Verschluss nachgeschalteter
kleinerer und grösserer Gefässe. Makroskopisch imponiert diese Leber
als blutreich und livide verfärbt ( sogenannte „blue liver“) und ist
brüchig. Insbesondere platinhaltige Substanzen wie Oxaliplatin führen
zu Veränderungen der intrahepatischen Mikrozirkulation und damit zum
Sinusoidales Obstruktionssyndrom –
SOS. Die Beziehung von Leberzellverfettung und SOS ist aufgrund der
VOD-ähnlich
bisher bekannten Daten nicht klar. Denkbar ist ein additiver Effekt
insbesondere bei Kombinationstherapie mehrerer Substanzen. Eine Vorschädigung der Leber hat sicher einen
potenzierenden Effekt. Bei Patienten mit Risikofaktoren für die Entwicklung einer Fettleber sollte eine besondere
Überwachung der Leberfunktion vor Leberresektion erfolgen.
Chemotherapiezyklen und Morbidität
(Karoui M, Nordlinger B, Ann Surg 2006)
In dieser unizentrischen Studie wurde bei 67 Patienten mit einer
„major“ Leberresektion bei KRK die Zahl der präoperativen
Chemotherapiezyklen mit der postoperativen Morbidität
korreliert.
Ergebnis: Bei mehr als 6 präoperativen Chemotherapiezyklen
steigt die Morbidität steil an. Sie korreliert mit der Zahl der
Chemotherapiezyklen jedoch nicht mit der Art der
Chemotherapie. Allerdings gab es keine postoperative Mortalität.
356
Chemotherapiezyklen und Morbidität
Lebermetastasen
Chemotherapie-assoziierte Hepatotoxizität, Therapiestudien
Neoadjuvante Chemotherapie und perioperative Mortalität
(Vauthey J. et al.J Clin Oncol 2006; 24: 2065-72)
Eine präoperative Chemotherapie kann regimespezifische histopathologische Leberveränderungen
induzieren. Bei 406 Patienten wurden zwischen 1992 und 2005 Lebermetastasen reseziert. Die
pathologischen Leberveränderungen sowie die perioperative Morbidität wurden analysiert
Ergebnisse: Nach neoadjuvanter Chemotherapie mit Oxaliplatin/5-FU kommt es zu einer höheren Rate an
sinusoidaler Obstruktion (Bild der blauen Leber), die die postoperative Mortalität aber nicht beeinflusst. Keiner
der 22 Patienten (5,4%) mit sinusoidaler Obstruktion verstarb. 34 Patienten (8,4%) hatten eine Steatohepatitis
Eine Irinotecankombination führte zu einem erhöhten Steatohepatitisrisiko. 6 Patienten, die starben, hatten eine
höhergradige Steatose oder Steatohepatitis. Patienten mit Steatophepatitis hatten eine erhöhte 90-TageMortalität im Vergleich zu Patienten ohne Steatohepatitis ( 14,7% versus 1,6%).
Schlussfolgerung der Autoren: Das Chemotherapieregime sollte mit Vorsicht überdacht werden, da das Risiko
der Hepatotoxizität signifikant ist.
Oxaliplatin und Sinusoidale Dilatation (Nakano H et al., Ann Surg 2008; 247:118-124)
Zwischen 2003 und 2005 wurde bei 90 Patienten mit Lebermetastasen , die sich einer elektiven Leberresektion nach
präoperativer Chemotherapie unterzogen, das Ausmass der sinusoidalen Schädigung und die perioperative Morbidität
evaluiert.
Ergebnisse: Eine oxaliplatinbasierte Chemotherapie war assoziiert mit einer signifikant höheren Inzidenz einer
Sinusoidalen Dilatation. Patienten mit sinusodaler Dilatation hatten eine signifikant erhöhte Morbidität (40 vs. 6%, p
= 0,026), einen verlängerten Krankenhausaufenthalt (17 vs. 11 Tage) und eine erhöhte Rate an Reoperationen.
Die multivarate Analyse zeigte als Risikofaktoren für eine sinusoidale Dilatation: weibliches Geschlecht, mehr als 6
Zyklen oxaliplatinhaltige Therapie, Transaminasenerhöhung und eine eingeschränkte Leberfunktion (ICG-R15 >
10% = indocyanine green retention rate).
Bevacizumab als protektive Substanzen gegen SOS ?
Die histologischen Veränderungen nach neoadjuvanter
Therapie mit Biologicals und anschließender Leberresektion
sind bisher nicht untersucht.
In einer retrospektive Analyse von Ribero et al. (Cancer
wurde
das
Ausmass
des
sinusoidalen
2007)
Obstruktionssyndroms (SOS) nach einer oxaliplatin/5-FUTherapie mit Bevacizumab ( n = 62) und ohne Bevacizumab
(n = 43) verglichen.
Es zeigte sich eine signifikante Reduktion insbesondere der
höheren Schweregrade des SOS in der Patientengruppe, die
Oxaliplatin und Bevacizumab erhielt, sodass ein protektiver
Effekt von Bevacizumab im Hinblick auf ein SOS vermutet
wird.
Auch die Wiener Gruppe um Grünberger (Klinger
M. et al. ASCO 2008, Abstract 4082) hat den Effekt
von Bevacizumab auf die Lebertoxizität bei
oxaliplatinbasierter Chemotherapie untersucht. Es
wurden insgesamt 99 Patienten evaluiert, die
entweder 6 Zyklen XELOX mit Bevacizumab (im
letzten Zyklus präoperativ kein Bevacizumab)
oder nur 6 Zyklen XELOX oder FOLFOX 4
erhielten und anschließend leberreseziert wurden.
Ergebnisse: Es fand sich kein Unterschied in der
Ausprägung der Steatohepatitis zwischen beiden
Gruppen. Die Inzidenz einer sinusoidalen
Dilatation Grad 2 und 3 war jedoch signifikant
höher bei den Patienten ohne Bevacizumab.
Fazit: Die Autoren schließen, dass die Zugabe
von Bevacizumab zu XELOX/FOLFOX4 einen protektiven Effekt gegen die sinusoidale Schädigung hat.
Der potentielle Wirkmechanismus beruht auf der generellen Gefässprotektion durch die VEGF-Blockade.
357
Loko-regionale Therapieverfahren
Radiofrequenzablation
Seit einigen Jahren etablieren sich mehrere Modalitäten in der lokalen nicht-chirurgischen Therapie von
Lebermetastasen kolorektaler Karzinome. Diese Therapieformen werden vor allem von interventionellen
Radiologen durchgeführt und erforscht, da sie auf einer CT-gesteuerten Punktion der Metastasen und
verschiedenen Methoden der Herbeiführung einer Nekrose beruhen.
Die Methoden basieren auf den Erfahrungen mit primären Leberzellkarzinomen (siehe auch dort).
Klinik für Radiologie der RWTH Aachen
Dort werden die u.g. Methoden bis auf die Laserablation durchgeführt.
Ansprechpartner: PD Dr A. Mahnken, Klinik für Radiologische Diagnostik, Pauwelsstr. 30, 52057
Aachen, Tel: 0241-800, Fax: 0241-8082480, e-mail: [email protected]
Indikation
Lebermetastasen bis zu einer Größe von 5 cm, bei denen eine technische oder durch Komorbidität bedingte
Inoperabilität besteht, oder bei Therapieversagen nach Chemotherapie. Metastasen bis 3 cm können vollständig
beseitigt, über 3 cm palliativ abladiert werden. Bei größeren Läsionen wird mit mehreren Sonden vorgegangen.
Es darf keine diffuse Metastasierung bestehen, die Anzahl der Metastasen darf 5 nicht überschreiten.
Methoden
Äthanolinstillation
„Hitzeverkochung“=
Radiofrequenzablation
Kryo-Ablation
20-22 G Nadeln, Applikation von 3-10 ml 95% Alkohol
Laserablation
Neodyn-YAG (1064 nm Wellenlänge) mit gekühltem Applikator
Monopolare Elektroden 30-50 W mit gekühlten Applikatoren
2-3mm Sonden, Argon unter 300bar mit –150°C
Die Äthanolinstillation erfordert den geringsten technischen Aufwand, hierbei ist die Verteilung des Alkohols
jedoch nicht exakt vorhersehbar. Außerdem kann die Behandlung sehr schmerzhaft sein und macht u.U. eine
Allgemeinnarkose notwendig.
Letzteres gilt auch für die Radiofrequenzablation, bei dieser Methode dürfen auch keine Metallfremdkörper
(Clips, Naht etc.) in der Nähe vorhanden sein.
Bei der Kryotherapie werden je 2 Tau-/Frier-Zyklen à 10 Minuten durchgeführt. Es entsteht eine
Koagulationsnekrose von 2-3 cm Durchmesser, bei Mehrsondentechnik bis 5 cm. Der Vorteil liegt in der guten
Steuerbarkeit und in der völligen Schmerzfreiheit.
Die Laserablation ist besonders aufwendig, da temperatursensitive Sequenzen mit entsprechender Software
erfolgen.
Eine eindeutige Präferenz für eine bestimmte Methode kann noch nicht gegeben werden. Die Wahl hängt nicht
zuletzt von den logistischen Möglichkeiten ab.
Ergebnisse
Aussagekräftige Phase-III-Studien existieren bislang weder zum methodischen Vergleich noch dazu, ob durch
diese Therapieverfahren eine Lebensverlängerung herbeigeführt werden kann. Eine größere Studie an 140
Patienten mit Kryotherapie bei kolorektalen Lebermetastasen erbrachte bei einem Follow-up von 26 Monaten
eine Überlebensrate von 46% (Weaver ML et al. Cancer 1995; 76:210-14). Siehe auch folgende Seite „CLOCC-
Trial“.
1
2
3
Radiofrequenzablation. Links: Sonden. 1: Ausgangsbefund, 2: Intraläsionale Lage der Sonde. 3: Nekrosehöhle nach erfolgter
Verkochung. Die Abbildungen wurden freundlicherweise von Herrn PD Dr. J. Tacke, Aachen zur Verfügung gestellt.
358
Radiofrequenzablation
EORTC-Studie 40004/CLOCC-Trial
CLOCC-Trial
Chemotherapie + lokale Ablation versus Chemotherapie allein bei nicht-resektablen
Lebermetastasen infolge eines kolorektalen Karzinoms. Multizentrische Studie
Eine internationale randomisierte Phase-III-Studie prüft den Stellenwert der interventionellen Therapieverfahren.
Studienvorsitz:
Dr. T. Ruers, Abteilung für Chirurgie, Academic Hospital St. Radboud, Nijmegen,
Tel.: 0031/24/3616421,
e-mail: [email protected]
Beteiligte Gruppe in Deutschland:
Arbeitsgruppe Lebermetastasen und Tumoren ALM in der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Onkologie
(CAO)
Leiter: W.O. Bechstein
Universitätsklinik Frankfurt a. M., Chirurgische Klinik, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt
Tel: 069/6314346
e-mail: [email protected]
homepage:http://kgu.de/alm
Ziele und Rationale
Es soll geprüft werden, ob bei Patienten mit nicht resezierbaren Lebermetastasen eine Radiofrequenzablation in
Kombination mit einer Chemotherapie zu einem besseren Gesamtüberleben führt als eine alleinige
Chemotherapie. Die bislang in der Literatur berichteten guten Ergebnisse könnten auf Patientenselektion
beruhen, sodass z.B. die Patienten mit weniger Metastasen eher lokal therapiert wurden und die mit diffuser
Metastasierung häufiger nur chemotherapiert wurden.
Die Kombination mit Chemotherapie wird u.a. gewählt, weil die Therapieversager bzw. Rezidive bei der
Lokaltherapie hauptsächlich entweder in vorher nicht betroffenen Arealen der Leber oder extrahepatisch
auftraten. Nach der Radiofrequenzablation ist auch eine zusätzliche chirurgische Resektion von verbliebenen
Metastasen erlaubt.
Einschlusskriterien
Patienten mit nicht-resektablen Lebermetastasen von kolorektalen Karzinomen ohne nachweisbare
extrahepatische Metastasen. Die Nichtresezierbarkeit ist definiert als Unmöglichkeit, eine komplette Resektion
aller Metastasen zu erreichen. Das schließt ein:
Metastasen können nicht vollständig reseziert werden aufgrund ihrer Größe, der Lokalisation und ihrer Zahl.
Metastasen infiltrieren den rechten und linken Ast der Arteria hepatica oder der Pfortader.
Metastasen zeigen eine Ausdehnung zu den drei Hauptvenen.
Die Feststellung der Nichtresezierbarkeit verlangt eine Bewertung durch den Chirurgen und den Radiologen.
Keine vorausgegangene Chemotherapie mit Ausnahme für die Lebermetastasen.
Eine adäquate Behandlung aller metastastischen Läsionen durch eine Radiofrequenzablation alleine oder durch
eine Kombination von Operation resektabler Läsionen und der Radiofrequenzablation der verbliebenen nichtresektablen Metastasen.
Zahl der Metastasen < 10, metastatische Infiltration der Leber < 50%.
Maximaler Durchmesser der Läsionen, die durch RFA behandelt werden sollen = 4 cm.
Vorgehen
Als lokales Therapieverfahren kommt die Radiofrequenzablation wegen der geringen Komplikationsrate und
der relativen Schnelligkeit zum Einsatz. Für die Radiofrequenzablation ist ein offen chirurgisches,
laparoskopisches oder perkutanes Vorgehen vorgesehen.
Als Chemotherapieregime wird das FOLFOX-Schema nach de-Gramont verwendet. Die in beiden Armen
identische Chemotherapie soll bis 6 Wochen nach RF-Ablation / OP begonnen werden bzw. im alleinigen
Chemotherapiearm innerhalb 3 Wochen nach der Randomisation. Falls in dieser Gruppe eine Resektabilität
nach Chemotherapie erreicht wird, ist diese erlaubt.
Die Dauer der Chemotherapie ist für 12 Zyklen geplant, bei Progression ist eine second-line-Chemotherapie
nach Wahl erlaubt, eine erneute RF-Ablation jedoch nur im Kombinationsarm.
359
Lebermetastasen
CLOCC-Trial
Studientitel
CLOCC-Trial (Chemotherapie + lokale Ablation versus Chemotherapie allein bei nicht-resektablen
Lebermetastasen infolge eines kolorektalen Karzinoms. Multizentrische Studie).
Randomisation
Radiofrequenzablation (RFA) vs. RFA + Chemotherapie (Arm B)
Chemotherapie
Die Oxaliplatin-haltige Chemotherapie (FOLFOX) kann in drei verschiedenen Versionen durchgeführt werden.
Empfohlen wird das Schema I
Schema I
Oxaliplatin
Folinsäure
5-FU
85 mg/m2
200 mg/m2
2.600 mg/m2
500 ml Glukose 5% 2h
NaCl 0,9%/500 ml 2h
24h-Infusion
d 1, 15, 29
d 1, 8, 15, 22, 29, 36
d 1, 8, 15, 22, 29, 36
Woche 7 Therapiepause, Wiederholung Tag 50, jedoch ohne Oxaliplatin
Schema II
Oxaliplatin
L-Folinsäure
5-FU
5-FU
85 mg/m2
200 mg/m2
400 mg/m2
2.400 mg/m2
500 ml Glukose 5% 2h*
250 ml Glukose/2h*
i.v. Bolus
Kontinuierliche Infusion
(Pumpe)/46h
d1
d1
d1
d1
500 ml Glukose 5% 2h
250 ml ml NaCl 0,9% 2h
i.v. Bolus
c.i. 22h
Tag 1
Tag 1, 2
Tag, 1, 2
Tag 1, 2
* zeitgleiche Gabe. Wiederholung Tag 15.
Schema III
Oxaliplatin
85 mg/m2
Folinsäure
200 mg/m2
5-FU
400 mg/m2
5-FU
600 mg/m2
Wiederholung Tag 15
Messpunkte: Primär: Gesamtüberleben
Sekundär: DFS, Lebensqualität
Ergebnisse (Ruers T. et al., ASCO 2008, Abstract 4012)
Eingebracht wurden insgesamt 119 Patienten, die angestrebte Zahl von 152 wurde wegen schlechter
Rekrutierung nicht erreicht.
Aufgenommen wurden Patienten mit maximal 9 nicht resektablen Lebermetastasen, die maximale
Grösse der Leberherde für die RFA lag bei 4 cm. Beide Behandlungsarme waren gut balanciert,
allerdings erhielten im Arm B 15% der Patienten keine Chemotherapie.
Das progressionsfreie Überleben ist im Kombinationsarm B mit 16,6 Monaten versus 10 Monaten im
Chemotherapiearm signifikant verlängert (p = 0,0267). Die Toxizitätsprofile beider Arme sind
vergleichbar. Im Kombinationsarm gab es etwas mehr Nebenwirkungen Grad-3/4: Neutropenie 27%
vs. 20%); Kardiotoxizität (9,8 % vs. 1,7 %); Neuropathie (17,6% vs. 13,6%); Fatigue (13,7 vs. 6,8%).
Die Mortalität lag im Kombinationsarm bei 1,8%.
Fazit: Die Kombinationstherapie verlängert das PFS im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie bei
akzeptabler Toxizität, der primäre Studienendpunkt (30 Monate Gesamtüberleben) wurde jedoch
bisher noch nicht erreicht. Offen bleibt die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt der RFA
360
Lebermetastasen
Regionale Chemotherapie
Bei Patienten mit auf die Leber beschränkten Metastasen kann eine lokoregionäre Maßnahme wie die arterielle
Leberperfusion in manchen Situationen in Betracht gezogen werden, insbesondere als „Last-line-approach“.
Arterielle Leberperfusion
Voraussetzung ist das Einbringen eines Verweilkatheters in die A. hepatica entweder als Perkutankatheter, arterieller
Port oder als vollimplantierbares Pumpsystem. Zur Vermeidung einer medikamentös bedingten Cholezystitis ist eine
gleichzeitige Cholezystektomie notwendig. Für die Praxis kann die Therapie außerhalb von Studien erwogen werden,
wenn eine synchrone Operation des Primärtumors erfolgte, oder wenn im Rahmen einer geplanten
Mestastasenresektion diese als nicht möglich bzw. erfolgreich erscheint.
Indikation
Eine regionale Chemotherapie kann sinnvoll sein, wenn eine alleinige nichtresektable hepatische Filialisierung ohne
Nachweis von extrahepatischen Absiedlungen besteht.
Vorteile : Hohe
Zytostatikakonzentration
auf
das
Tumorgewebe.
Meist
geringe
systemische
Chemotherapiewirkung.
Nachteile: Hospitalisation mit Operationstrauma und Op-Risiko. Infektionsprobleme, technische Schwierigkeiten
mit den Pumpsystemen. Medikamentenbedingte Ulcera ventriculi und duodeni sowie eine chemische
Hepatitis. Außerdem als Nebenwirkung gefürchtet ist eine biliäre Sklerose (Inzidenz nach i.a. FUDR 635%). Aus diesem Grunde wird die Substanz in Deutschland nicht mehr eingesetzt.
Ergebnisse
In mehreren randomisierten Studien (1, 2, 3, 4) wurde ein messbarer Überlebensvorteil für regional mit FUDR
behandelte Pat. im Vergleich zu einer systemischen Therapie mit 5-FU gefunden. ROUGIER et al.3) fanden einen 2
Jahres-Überlebensvorteil von 23% vs. 13%; ALLEN-MERSH et al.2) von 13,5 vs. 7,5 Monaten gegenüber der
systemischen Therapie. Die durchschnittlich erzielten objektiven Ansprechraten auf eine regionale Chemotherapie
liegen bei etwa 50%. Inzwischen wurde auch eine Studie veröffentlicht, die einen randomisierten Vergleich von i.a.
FU/FA mit i.a. FUdR und systemischer i.v. FU/FA-Gabe zum Inhalt hatte. Bei 168 Patienten ergab sich eine mit 45
bzw. 43% gegenüber 20% bei der i.v.-Therapie signifikant höhere Ansprechrate. Das progressionsfreie Überleben
war jedoch mit 9,2 Mon. nur bei der i.a. FU/FA-Therapie höher als mit 5,9 Monaten bei i.a. FUdR und 6,6 Monaten
bei der systemischen Therapie. Das mediane Überleben war bei systemischer und i.a. Gabe von FU/FA mit 17,6
bzw.18,7 Monaten vergleichbar und länger als bei i.a. FUdR mit 12,7 Monaten.
Chemotherapie
Portpunktion unter sterilen Kautelen. Tragbare Injektionspumpe.
Folinsäure
200 mg / m²/d
5-FU
1000/mg/m ²/d
Wiederholung Tag 29.
10-Min-Infusion i.v.
24-Std.-Perfusion i.a.
Tag 1 – 5
Tag 1 – 5
FUDR
0,2 mg/kg/d
Wiederholung Tag 29
24-Std.-Perfusion i.a.
Tag 1 - 14
5-FU
600 mg/m ²/d
Mitomycin
10 mg/m²
Wiederholung Tag 29
24-Std.-Perfusion i.a.
i.v. Infusion
Tag 1 – 5
Tag 1
Alternativ
Neue Substanzen (ASCO 2005, Abstr. 3616)
M. Bouchada (Paul Brousse, Villejuif) stellte eine Studie vor, bei der massiv vorbehandelte Patienten durch eine
regionale Chemotherapie mit Irinotecan, Oxaliplatin, 5-FU sogar eine R0-Resektion von Lebermetastasen erreichten.
3 drug hepatic artery circadian delivery (HACD): Irinotecan, Oxaliplatin, 5 FU
25 vorbehandelte Patienten, mitteres Alter 63 J. Anzahl der Vorbehandlungen: 1 (n=3), 2 (n=4), 3 (n=7) 4+(n=11)
22 Patienten mit messbaren Läsionen: 11 PD (außerhalb der Leber 3), PR/SD 11(50%), 2 x R0 Resektion der Leber
PFS median 5 Monate, OS median 19,5 Monate
1)
HOHN, D.C., R.J.STAGG, M.A. FRIEDMAN et al. J.Clin.Oncol. 7, 1989, 1646-54
ALLEN-MERSH, T.G., S.ERLAM, C.FORDY et al. Lancet 344, 1994, 1255-1260
3)
ROUGIER, P., A. LAPLANCHE, M. HUGUIER et al. J.Clin.Oncol.10, 1992, 1112-1118
4)
HOTTENROTT, C., M.LORENZ, Onkologie18, 1995, 240-244
2)
361
Lebermetastasen
SIRT
SIRT steht für „Selektive Interne Radio-Therapie“ und ist eine innovative Behandlungsform von malignenTumoren in der
Leber. Bei der SIRT wird 90Yttrium, ein Betasstrahlen emittierendes Isotop mit einer physikalischen Halbwertszeit von
64,2 Stunden, verwendet. Die Betastrahlen von 90Yttrium haben eine durchschnittliche Penetration in Weichgewebe von
2,5 mm. Für die SIRT ist dieser Betastrahler an unlösliche Harzmikrosphären (SIR-Spheres) mit einem mittleren
Durchmesser von 32 μm gekoppelt.
Die Mikrosphären werden über einen transfemoral eingebrachten Katheter in die Aa. hepatica dextra und sinistra appliziert.
Technisch durchführbar ist die Behandlung, wenn die Leberarterien mit einem Katheter zugänglich und sondierbar sind,
keine wesentliche Anomalie der Gefäßversorgung vorliegt, Äste, die andere Organe versorgen, vor Therapie ohne Risiko
verschlossen werden können und die Pfortader frei durchgängig ist.
Da das normale Lebergewebe sein nährstoffreiches Blut ganz überwiegend aus der Pfortader bezieht, und umgekehrt das
gefäßreiche Tumorgewebe in der Leber stark mit arteriellem Blut versorgt wird, führt die Gabe von SIR-Spheres® in die
Leberarterien zu einer bevorzugten Anreicherung im malignen Gewebe. Die Strahlung, die von den Mikrosphären ausgeht,
schädigt und zerstört damit in erster Linie das umgebende Tumorgewebe und belastet das normale Lebergewebe dabei nur
relativ wenig. Die SIRT ist somit eine Art Brachytherapie mit hoher lokaler Strahlendosis unter Schonung des
umliegenden, gesunden Lebergewebes.
Einschlusskriterien für eine SIRT-Behandlung
(Coldwell D. et al. World Conference on Interventional Oncology 2008, # P79)
Nicht-resektable Lebertumore oder vorwiegend in der Leber lokalisierte Tumore bei primärem Leberzellkarzinom oder
metastasierter Erkrankung.
Lebenserwartung über 12 Wochen, ECOG Performance Status ≤ 2
Absolute Ausschlusskriterien
Ascites oder andere klinische Zeichen einer Leberfunktionsstörung, Schwangerschaft, potentielle Überschreitung einer
Strahlenexposition der Lunge >30 Gy bei pulmonalem Shunt, die durch eine prätherapeutische Radionukliduntersuchung
bestimmt wird. Shunts zum Gastrointestinaltrakt (Magen, Darm oder Pankreas), die nicht durch Embolisation
verschliessbar sind, was im Rahmen einer prätherapeutischen Angiographie evaluiert wird.
Relative Ausschlusskriterien
Nicht frei durchgängige Portalvene, Vorbestrahlung der Leber, exzessive Tumorlast mit limitierter Leberreserve,
abnorme Organ- oder Knochenmarkfunktion z.B. Leukozyten < 2,5 G/l, Neutrophile <1,5 G/l, Thrombozyten < 60 G/l,
Creatinin > 2,5 mg/dl, Transaminasen mehr als 5fach erhöht, Bilirubin > 2,0 mg/dl.
Nebenwirkungen, Toxizität
Häufige Nebenwirkungen sind Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Fieber, Müdigkeit und verringerter Appetit.
Schwerwiegende Toxizität bei Abfluß von Mikrosphären in andere Organe (pulmonale Komplikationen, Pankreatitis oder
Cholezystitis in <1%). Zeitweilige oder bleibende Verschlechterung der Leberfunktion (Grad 3 in 2%). Dieser Effekt ist in
der Regel erst ca. 2 Monate nach der Therapie zu beobachten.
Studien mit SIRT bei
metastasiertem KRK
Die Daten der angeführten
Studien
zeigen,
dass
Patienten von einer SIRT vor
allem als Salvage-Therapie
bei chemotherapierefraktärer
Erkrankung
profitieren
können. Weitere Fortschritte
sind möglicherweise auch
durch Einsatz der SIRT in
der
Erstund
Zweitlinientherapie
in
Verbindung
mit
einer
Kombinationschemotherapie
zu erreichen.
Bei
der
SIRT-Therapie
handelt es sich derzeit um
keine etablierte Therapie. Sie
sollte am besten im Rahmen
von Studien erfolgen.
Liste von Kliniken, die eine
SIRT-Therapie durchführen
unter: www.sirtex.com.
362
Lebermetastasen
Perkutane stereotaktische Radiotherapie
Für Patienten mit isolierten Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms ist die chirurgische Resektion mit
kompletter Entfernung des Tumors die einzige Methode mit erwiesenem Langzeitüberleben. Neben dem klassischen operativen Vorgehen werden eine Fülle weiterer lokal wirksamer Verfahren angeboten: Radiofrequenzablation (RFA), laserinduzierte interstitielle Thermotherapie (LITT), die Mikrowellentherapie, die CT-geführte
Brachytherapie, die selektive interne Radiotherapie und die transarterielle Chemoembolisation.
Die perkutane fokussierte stereotaktische Strahlentherapie inoperabler Lebermetastasen führt zu einer guten
lokalen Tumorkontrolle und hat gegenüber der RFA, der LITT oder der CT-geführten Brachytherapie den Vorteil der fehlenden Invasivität und Tumorzellverschleppung. Die lokale Strahlentherapie wird nicht vom Blutfluss beeinflußt. Für eine hohe Fokussierung der Dosisapplikation im Zielgebiet wird das Verfahren der neurochirurgischen Stereotaxie adaptiert. Durch eine Lagerung und Fixierung des Patienten in einem definierten dreidimensionalen Raum kann jeder nicht unmittelbar sichtbare Punkt in diesem Raum sowohl im diagnostischen
Schnittbild als auch in-vivo über dessen Raumkoordinaten zugeordnet werden.
In den 1990er Jahren wurde am Karolinska-Institut
in Stockholm ein stereotaktisches System für den
Einsatz am Körperstamm entwickelt. Entscheidend
ist die Darstellung eines räumlichen Koordinatensystems, die präzise Reproduzierbarkeit der Körperposition und die Reduktion physiologischer Bewegungen des Zielgebietes – z. B. durch Atmung während der Bestrahlung. In einer oben offenen
Halbschale wird der Patient in einem Vakuumbett
gelagert. Für die Überprüfung der Körperposition
sind Laserzielsysteme integriert, die mit Tätowierpunkten am Körper zur Deckung gebracht werden.
Das für die Schnittbilddiagnostik notwendige Koordinatensystem ist im Rahmen der Halbschale eingebracht. Da sich die Achsen aller Bewegungen des Axiale computertomographische Darstellung des Patienten im
Linearbeschleunigers in einem Punkt, dem soge- stereotaktischen Rahmen. Im Rahmen sind beidseitig die in der
nannten Isozentrum treffen, wird der Schwerpunkt Bildgebung sichtbaren Koordinatensysteme integriert. Die Bestrahlung erfolgt über mehrere Stehfelder auf das Isozentrum. Die
des Zielgebietes als Isozentrum gewählt und mittels Dosisverteilung (kleine Abbildung) zeigt einen steilen Dosisabfall
stereotaktischer Koordinaten definiert. Die atemab- peripher des Zielgebietes.
hängige Mobilität der Leber wird mit einer Kompression des Oberbauches oder spezieller Atemadaptionen minimiert.
Die Strahlapplikation erfolgt über eine Vielzahl von Strahlfeldern. Die irreguläre Form des Feldes umschließt
exakt das Zielvolumen. Die Addition der Dosis im Zielgebiet und die Minimierung der Dosis im peripher durchstrahlten Körperanteil eines Einzelfeldes führen in Abhängigkeit von der Feldanzahl zu einer hohen Fokussierung der Dosis. Die Gesamtdosis wird hypofraktioniert in wenigen Portionen oder als Einzeldosis, welches als
Radiochirurgie bezeichnet wird, appliziert.
Ergebnisse:
Die schwedische Arbeitsgruppe (Blomgren, Lax) behandelte 21 Patienten hypofraktioniert mit 2 Fraktionen von
jeweils 10-15 Gy. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 9,6 Monaten trat lediglich ein lokales Rezidiv auf. In Würzburg (Wulf) wurden 23 Patienten ebenfalls hypofraktioniert mit 3 x 10 Gy behandelt. Die lokale
Kontrolle betrug 83% nach einer medianen Nachbeobachtung von 9 Monaten. Im Folgenden wurde in Heidelberg (Herfarth) eine Phase-I/II-Studie begonnen. Insgesamt wurden 60 Tumore bei 40 Patienten behandelt. Im
Rahmen der Phase-II-Studie wurde radiochirurgisch einmalig mit 22 Gy bestrahlt. Die aktuarische lokale Tumorkontrolle betrug 81% nach 18 Monaten. Als Nebenwirkungen werden eine kurzzeitige Übelkeit, Fieber und
Schüttelfrost bei etwa einem Drittel der Patienten beobachtet, die wenige Stunden nach der Therapie auftreten.
In der Bildgebung zeigt sich nach der Therapie im Hochdosisgebiet eine asymptomatische fokale Gewebereaktion i. S. einer venookklusiven Erkrankung, die sich mit der Zeit zurückbildet.
Mit der stereotaktischen Bestrahlung kann ein nicht-invasives Verfahren eingesetzt werden, welches bei
limitierter Lebermetastasierung und Inoperabilität eine hohe Tumorkontrollwahrscheinlichkeit (80%) bei
geringer Morbidität erzielt. Aufgrund einer Vielzahl kompetitiver lokaler Verfahren sind die Erfahrungen auf
wenige Zentren begrenzt.
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