Politik Aktuell Nr. 13/2014 2. Mai 2014 (3) Die NATO und die Krise in der Ukraine Kompetenzen: 1. Zielsetzungen der NATO als Verteidigungsbündnis beschreiben können. 2. Reaktionsmöglichkeiten der NATO im Konfliktfall beschreiben können. NATO-Mitglieder (28) 1. Der aktuelle Anlass Gegründet wurde die NATO 1949 als militärische Abschreckung im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion und ihren seit 1955 im Warschauer Pakt zusammengeschlossenen Verbündeten. Die NATO hat mehrfach ihre Strategie gewechselt, um diese der jeweils veränderten Bedrohung anzupassen. Kernstück war die atomare Abschreckung. Als 1990 mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag (Frankreich, Großbritannien, Sowjetunion, USA und Bundesrepublik Deutschland sowie die ehemalige Deutsche Demokratische Republik) die Wiedervereinigung Deutschlands ermöglicht wurde, musste sich zwangsläufig die NATO verändern. Ihre neue Strategie lautete: Dialog, Kooperation und Erhaltung der Verteidigungsfähigkeit (Triade). Die aktuelle Strategie wurde 2010 auf der Konferenz von Lissabon vereinbart (vgl. S. 3). Unverändert gilt: Wird ein NATO-Mitglied angegriffen, gilt der Bündnisfall (kollektiver Verteidigungsfall). Ein Angriff auf einen Bündnispartner wird als Angriff gegen jeden der Bündnispartner gesehen. In der Krise um die Ukraine erhält die NATO eine neue Bedeutung. Die Bündnispartner im Osten der NATO zur Grenze Russlands empfinden das Vorgehen Russlands als Bedrohung ihrer Grenzen. Sie fordern von der NATO im Vorfeld Unterstützung z. B. durch Truppenverlegungen in ihr Land (z. B. Polen). Die Krise um die Ukraine erweitert sich schleichend: • An der Grenze zur Ukraine sind russische Truppen aufmarschiert, die Manöver abhalten. • Russische Fliegerverbände tauchen verstärkt an den NATO-Grenzen auf und müssen durch NATOAbfangjäger abgedrängt werden. • Die Konflikte in der Ukraine drohen in einen Bürgerkrieg auszuarten, der in einen Konflikt zwischen NATO und Russland münden kann. Gründungsmitglieder seit 1949 Belgien Dänemark Frankreich Island Italien Kanada Luxemburg Niederlande Norwegen Portugal Vereinigtes Königreich Vereinigte Staaten von Amerika Seit 1952 Griechenland Türkei Seit 1955 Bundesrepublik Deutschland Seit 1982 Spanien Seit 1999 Polen Tschechien Ungarn Seit 2004 Bulgarien Estland Lettland Litauen Rumänien Slowakei Slowenien Seit 2009 Albanien Kroatien 2. Bedeutung der NATO Die NATO ist das weltweit mächtigste und wirksamste Verteidigungsbündnis, das auf eine Reihe von Erfolgen und auch Misserfolgen blicken kann. In Europa hat die NATO die längste Friedensperiode bewirkt. Erfolge der NATO Die NATO-Doppelstrategie von 1979 zur Nachrüstung gegen die UdSSR und Eintritt in Verhandlungen zur Begrenzung der Mittelstreckenraketen bewirkte in einem langen politischen Prozess ein Einlenken der UdSSR und ein vorläufiges Ende des Kalten Krieges. Aufgrund der Terroranschläge 2001 in New York trat auf Antrag der USA der Bündnisfall ein. Die NATO vereinbarte eine Reihe von Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Die Ausweitung der NATO nach Osten verschaffte erstmalig eine Stabilisierung der Region durch demokratische Staaten und politisch zuverlässige Regierungen. Gleichzeitig gewann Russland eine verlässliche Westgrenze. Misserfolge der NATO Die NATO begann 1999 im Zuge von serbischen Säuberungsaktionen im Kosovo mit der Bombardierung von Belgrad. Für die Angriffe gab es keinen Bündnisfall sowie kein UN-Mandat. Dies gilt heute noch als politischer und militärischer Sündenfall. Seit 2001 ist die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe aufgrund einer UN-Resolution (ISAF International Security Assistance Force) in Afghanistan im Einsatz. Auch Deutschland ist an dem Militäreinsatz beteiligt. Die Operation wird von der NATO geführt. 2014 werden die Einsatzkräfte abgezogen, ohne dass die militärischen Ziele erreicht sind. Die Türkei rief wegen der Bedrohung durch syrische Raketen 2012 den Bündnisfall aus. Die NATO kann den Bürgerkrieg nicht beenden. 2 © Madog Druck & Verlag GmbH – Alle Rechte vorbehalten Die Vervielfältigung und Weitergabe dieser PDF-Datei ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages erlaubt. Politik Aktuell Nr. 13/2014 2. Mai 2014 3. Strategie der NATO seit 2010 Der NATO-Vertrag von 1949 gilt unverändert und uneingeschränkt. Verändert hat sich nur das strategische Konzept der NATO, das bis 2020 gelten soll. Es beinhaltet sechs Elemente: Bündnisfall § 5 NATO-Vertrag „Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird. Sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Aus-übung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet…“. Atomwaffen Die NATO bekennt sich grundsätzlich zu dem Konzept Abrüstung, will aber die nukleare Abschreckung praktizieren, solange Atomwaffen vorgehalten werden. Die nukleare Abschreckung funktioniert als wechselseitig zugesicherte Zerstörung. Dadurch wird eine Nuklearmacht davon abgehalten, als erste von Nuklearwaffen Gebrauch zu machen. Der Angreifer muss davon ausgehen, dass der Gegner vernichtend zurückschlagen kann. Kooperation mit Russland Die Zusammenarbeit mit Russland ist für die NATO von strategischer Bedeutung, da sie zur Schaffung eines gemeinsamen Raumes des Friedens, der Stabilität und der Sicherheit beiträgt. Die NATO stellt für Russland keine Bedrohung dar. Im Gegenteil: Wir wünschen uns eine echte strategische Partnerschaft. Wir erwarten von Russland Gegenseitigkeit. Dazu wird der NATO-RusslandRat eingerichtet, der regelmäßig tagt. Cyberangriffe Alle möglichen Angriffe auf die elektronische Infrastruktur für Kommunikation werden von der NATO mit verstärkten Maßnahmen beantwortet. Die NATO wird alles unternehmen, um solche Angriffe, die den Wohlstand, die Sicherheit und die Stabilität von Staaten des euroatlantischen Raums bedrohen, abzuwehren. Krisenmanagement Die NATO verfügt über eine einzigartige und robuste Palette politischer und militärischer Fähigkeiten zur Auseinandersetzung mit dem gesamten Krisenspektrum - vor, während und nach Konflikten. Die NATO wird aktiv eine geeignete Mischung dieser politischen Instrumente einsetzen, um dabei zu helfen, sich entwickelnde Krisen zu bewältigen, die die Bündnissicherheit betreffen könnten, bevor sie zu Konflikten eskalieren. Raketenabwehr Die NATO betreibt ein Programm zur Raketenabwehr in Europa. Der Schild soll das gesamte NATO-Gebiet vor Angriffen durch Mittelstreckenraketen schützen. Die NATO bezieht Russland in die Planungen und auch Durchführungen ein, damit klar wird, dass durch den Schild keine Bedrohung entstehen soll. 4. Mögliche Aktionen und Reaktionen der NATO auf die Krise in der Ukraine Beschreibung der Aktionen Bewertungen Die NATO will mehr Flugzeuge, Schiffe und Soldaten als Reaktion auf die russische Einmischung in der Ukraine bereitstellen. So entsenden die USA Einheiten nach Polen, die dort an einem Manöver teilnehmen sollen. Die NATO ist zurzeit nicht in der Lage und auch nicht willens, in einen militärischen Konflikt mit Russland einzusteigen. Die Entsendung von Truppen in osteuropäische Staaten soll klar machen, dass der Bündnisfall droht, sollte der Konflikt auf NATOStaaten übergreifen. Alle Maßnahmen zur Deeskalation greifen aktuell nicht, da sich keine Seite (Ukraine und Russland), an die Abmachungen hält. Stattdessen kommt es zu immer neuen Eskalationsstufen. Die Sanktionen sind zwiespältig zu beurteilen. Es besteht die Gefahr, dass die gewünschten Kontakte zur russischen Regierung abreißen. Russland hat seit 2007 in erheblichem Umfang aufgerüstet. Es braucht keine neuen Waffen. Diese Maßnahme wird von den Betroffenen als Bedeutungsgewinn ihrer Person angesehen. Die Ukraine kann wegen der Aufnahmekriterien nicht NATO-Mitglied werden: Lösung ethnischer Konflikte mit friedlichen Mitteln, Soldaten müssen Bürger in Uniform sein, friedliche Lösung von Konflikten, kein Risiko eines Bürgerkriegs. Als politische Reaktion betreiben die NATO-Staaten alle Maßnahmen der Deeskalation. So wurde in Genf mit Russland vereinbart, dass alle Milizen in der Ukraine entwaffnet werden. Die NATO-Staaten betreiben politische Sanktionen. So wird vorübergehend das politische Gremium des NATO-Russland-Rates nicht mehr einberufen. Rüstungsexporte nach Russland aus NATO-Ländern werden ausgesetzt. Bestimmte Personen der russischen Führung erhalten Einreiseverbote in NATO-Staaten. Befürworter sind der Ansicht, dass der ursprüngliche Plan, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, endlich vollzogen wird. 3 © Madog Druck & Verlag GmbH – Alle Rechte vorbehalten Die Vervielfältigung und Weitergabe dieser PDF-Datei ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages erlaubt. Politik Aktuell Nr. 13/2014 2. Mai 2014 Arbeits- und Informationsblatt zu: Die NATO und die Krise in der Ukraine Name: Klasse/Stufe: Datum: 1. Beschreiben Sie den Konflikt in der Ukraine. 2. Aus welchen Gründen fühlen sich die osteuropäischen NATO-Partner durch das russische Vorgehen in der Ukraine gefährdet? 3. Welche Länder sind Mitglied in der NATO? 4. Welche Zielsetzungen hatte die NATO … a) im Kalten Krieg? b) in ihrer Triade seit 1990? 5. Welche Erfolge kann die NATO seit ihrer Existenz verbuchen? Dazu erhalten Sie folgende Stichworte: a) Dauerhafter Frieden b) Kalter Krieg c) Osterweiterung der NATO 6. Welche Misserfolge muss die NATO sich anrechnen lassen? a) Kosovo b) Afghanistan 7. Welche Strategie verfolgt die NATO seit 2010? Dazu erhalten Sie folgende Stichworte: a) Bündnisfall b) Atomwaffen c) Kooperation mit Russland d) Cyberangriffe e) Krisenmanagement 8. Welche Optionen hat die NATO im Konflikt um die Ukraine? Nennen Sie Möglichkeiten und bewerten Sie diese. 4 © Madog Druck & Verlag GmbH – Alle Rechte vorbehalten Die Vervielfältigung und Weitergabe dieser PDF-Datei ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages erlaubt.