Zwischenbericht zum Projekt: „Der prognostische Wert des

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Zwischenbericht
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Zwischenbericht zum Projekt: „Der prognostische Wert des Dexamethason/CRH-Tests in der Evaluation persistierender neuropsychologischer Dysfunktionen bei affektiven Störungen in Remission“
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Zusammenfassung und Fragestellung
Mit einer Lebenszeitprävalenz von im Mittel 8-15% gehören affektive Störungen zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen (vgl. Arolt & Behnken, 2006). Die Pathogenese affektiver Störungen ist komplex und umfasst sowohl neurobiologische als auch psychologische Faktoren. Unter den neurobiologischen Faktoren spielt die Dysregulation des HypothalamusHypophysen-Nebennierenrinden (HPA) Systems eine besondere Rolle. Untersuchungen an
depressiven Patienten zeigen, dass Veränderungen des Stresshormonsystems in Form eines
Hypercortisolismus für die Entstehung affektiver Störungen eine entscheidende Bedeutung
haben (z.B. Peppermund et al., 2006). Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass sich Störungen des HPA-Systems im Verlauf einer antidepressiven Behandlung wieder normalisieren
können (Holsboer, 2003).
Ein besonderes Problem in der Langzeitbehandlung depressiver Störungen stellen persistierende kognitive Beeinträchtigungen dar (vgl. Vasic et al., 2007), die sich im Gegensatz zur klinischen Symptomatik z.T. nur unzureichend zurückbilden und selbst im Stadium der Remission
persistieren (z.B. Smith et al., 2006). In diesem Zusammenhang werden kognitive Defizite
nicht mehr als ein Epiphänomen affektiver Störungen, sondern vielmehr als Konsequenz neurophysiologischer Störungen in betroffenen funktionellen Netzwerkstrukturen angesehen (vgl.
Austin et al., 2001). Zahlreiche Untersuchungen legen nahe, dass die bei affektiven Störungen
bekannte Dysregulation des HPA-Systems mit kognitiven Einschränkungen assoziiert ist (z.B.
Egeland et al., 2005). Auch stehen Gedächtniseinschränkungen im Zusammenhang mit hippocampalen Volumenminderungen, die als Folge von neurotoxischen Effekten einer chronisch
erhöhten Glukokortikoidkonzentration an den Dendriten hippocampaler Neurone erklärt werden (vgl. Hickie et al., 2005).
Der Zusammenhang zwischen neuroendokrinologischen und neuropsychologischen Veränderungen ist insofern von besonderer Relevanz, weil neuroendokrinologische Veränderungen
über die Besserung der psychopathologischen Symptomatik hinaus fortbestehen und somit für
die Aufrechterhaltung langfristiger kognitiver Einschränkungen verantwortlich sein können.
Gerade die langfristigen kognitiven Beeinträchtigungen sind in Bezug auf die Stabilität der
Remission und die Lebensqualität affektiv Erkrankter von elementarer Bedeutung. Es ist davon
auszugehen, dass persistierende kognitive Defizite langfristig negative Auswirkungen auf den
Erkrankungsverlauf und die Rezidivrate haben. Eine persistierende Dysregulation der HPAAchse im Status der Remission könnte somit als Indikator für noch unzureichend gebesserte
kognitive Funktionen dienen und einen Ansatzpunkt für eine weitere Optimierung der Langzeitbehandlung affektiver Störungen im Stadium der Remission bieten. Im beantragten Projekt
soll daher der Zusammenhang zwischen HPA-Achsen-Aktivität und neuropsychologischen
Beeinträchtigungen an Patienten mit depressiver Erkrankung im Stadium der Remission untersucht werden.
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Stand der Forschung
2.1 Neuroendokrinologie affektiver Erkrankungen
Zahlreichen Untersuchungen zufolge liegt die pathogenetische Grundlage affektiver Störungen
u.a. in einer Dysregulation der HPA-Achse. So konnte gezeigt werden, dass bei Menschen mit
affektiven Störungen eine Hyperaktivität des HPA-Systems besteht. Dieser bei Depressiven
beobachtete Effekt führt zu einer übermäßigen Sekretion an Cortisol. Ritchie und Mitarbeiter
(1990) konnten nach einem einfach durchgeführten Dexamethason-Suppressionstest bei depressiven Patienten eine signifikant erhöhte Cortisol-Basalrate feststellen. Darüber hinaus
scheint die genannte Dysregulation nicht nur die Basalrate zu betreffen, sondern auch den gesamten HPA-Regelkreis. So konnten Ising und Mitarbeiter (2007) durch Einsatz des kombinierten Dexamethason/CRH-Tests erhöhte Antwortraten von ACTH und Cortisol im Sinne
einer HPA-Achsen Überstimulation bei affektiven Störungen nachweisen. Holsboer (2000)
postuliert, dass der Einfluss von psychopharmakologischer Medikation auf die Antwortraten
im Dexamethason/CRH-Test die Hypothese zulasse, dass eine persistierende erhöhte Aktivität
der HPA-Achse mit einem erhöhten Rückfallrisiko unter antidepressiver Therapie korreliert.
Diesbezüglich ergeben sich diagnostische Möglichkeiten für die Anwendung des Dexamethason/CRH-Tests als Prädiktor für Therapieerfolg und Rückfallrisiko.
2.2 Neuropsychologie affektiver Erkrankungen
Neben endokrinologischen Auffälligkeiten gehören Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
zur Symptomatik von affektiven Störungen (vgl. Beblo & Herrmann, 2000). Die Inzidenzrate
von neuropsychologischen Beeinträchtigungen bei affektiven Störungen in der Akutphase
streut über Studien allerdings erheblich (vgl. Burt et al., 1995; Austin et al., 2001). Prominente,
defizitäre kognitive Leistungen sind visuoräumliche Leistungen, Aufmerksamkeitsleistungen,
Gedächtnisleistungen, exekutive Leistungen (vgl. Veiel, 1997; Basso & Bornstein, 1999).
Mögliche theoretische Zusammenhänge zwischen affektiven Erkrankungen und kognitiven
Störungen sind entweder die Verursachung der zweiten Störung durch die jeweilige erste Störung, das Vorliegen eines dritten Faktors, der das gemeinsame Auftreten einer affektiven und
kognitiven Störung moduliert oder das zufällige gemeinsame Auftreten beider Störungen (vgl.
Theml et al., 2001).
Bei ungefähr einem Drittel der klinisch remittierten Patienten persistieren, zumindest partiell,
neuropsychologische Beeinträchtigungen. In einer 2-Jahres-Nachuntersuchung fanden Kuny
und Mitarbeiter (1997) bei über einem Drittel der Patienten (uni- und bipolar) deutliche kognitive Beeinträchtigungen. Diese bestanden schon bei der Baselineuntersuchung (Klinikentlassung), somit muss von einer Existenz von - der Affektlage unabhängigen - persistierenden neuropsychologischen Leistungsdefiziten ausgegangen werden.
Patienten mit affektiven Störungen scheinen nach gegenwärtiger Erkenntnislage mehr neuropsychologische Beeinträchtigungen aufzuweisen als gesunde Personen, aber weniger schwerwiegende als Menschen mit einer schizophrenen Erkrankung. Es gibt allerdings bis heute kein
befriedigendes, differentialdiagnostisch relevantes Wissen über die neuropsychologischen
Leistungsprofile innerhalb des Spektrums der affektiven Störungen (vgl. Suslow et al., 2004).
So berichten Neu und Mitarbeiter (2001), dass neuropsychologische Beeinträchtigungen bei
Patienten mit affektiven Störungen in der euthymen Phase persistieren, aber keine diagnostische Subgruppe (unipolar, bipolar, schizoaffektiv, Dysthymia) aufgrund kognitiver Parameter
unterschieden werden kann.
Psychopharmakologische Medikation hat möglicherweise einen Effekt auf das neuropsychologische Leistungsprofil von Patienten mit affektiven Störungen und kann somit das
Ausmaß kognitiver Einbußen modulieren. Die Befundlage hierzu ist, z.B. aufgrund der ent-
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gegengesetzten therapeutischen und anticholinergen Wirkung von klassischen Antidepressiva,
uneinheitlich. Stimmungsstabilisierer (z.B. Lithium) scheinen eher keinen Effekt auf das kognitive Leistungsvermögen zu haben.
2.3
Zusammenhang zwischen neuroendokrinologischen und -psychologischen Auffälligkeiten bei affektiven Störungen
Ströhle und Holsboer (2003) zeigten, dass bei bis zu 60 % der akut depressiven Patienten Veränderungen der ACTH- und Cortisol-Sekretion festgestellt wurden. Eine Normalisierung der
HPA-Achsen-Fehlregulation wurde nach erfolgreicher, antidepressiver Behandlung beobachtet
(vgl. Ising et al., 2005). Demzufolge gehen depressive Episoden mit einem erhöhten Cortisolspiegel und ggf. einer erhöhten Anzahl an Glukokortikoidrezeptoren einher (vgl. Boyer,
2000). Hypercortisolismus als Folge von chronischem Stress-Erleben wirkt möglicherweise
neurotoxisch und wurde bei depressiven Patienten assoziiert mit kognitiven Dysfunktionen,
insbesondere Gedächtnisstörungen, beobachtet (vgl. Egeland et al., 2005). Zobel und Kollegen
(2004) untersuchten den Zusammenhang zwischen Depressionen, Gedächtnisleistungen und
Veränderungen der HPA-Achse an depressiven Patienten während einer antidepressiven Behandlung unter Anwendung des kombinierten Dexamethason/CRH-Tests. Es zeigte sich, dass
eine Arbeitsgedächtnisleistungsverbesserung mit einer HPA-Achsen-Normalisierung einherging, während eine Verminderung der Depressionsschwere nicht mit Veränderungen des HPAAchsen-Systems korreliert war.
Es ist zusammenzufassen, dass depressive Patienten in der Remission persistierende kognitive
Defizite aufweisen. Zudem konnte gezeigt werden, dass neuropsychologische Defizite mit
Veränderungen der HPA-Achsenaktivität einhergehen.
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Arbeitsplan mit Methoden
3.1
Kollektiv
Es erfolgt zunächst die anhand eines institutsinternen Fragebogens validierte Rekrutierung einer Gruppe von 30 Patienten aus dem Archivpool der Klinik für Psychiatrie, deren Entlassung
aus der Behandlung der affektiven Störung unter o.g. Fragestellung nicht länger als ein Jahr
zurückliegt, sowie gleichzeitig die Rekrutierung einer ebenso großen, nach Alter und Geschlecht gematchten, repräsentativen Gruppe aus der Bevölkerung. Rekrutiert werden Männer
und Frauen im Alter zwischen 18 und 50 Jahren.
Als Ausschlusskriterien sind die Komorbidität mit psychiatrischen, somatischen und neurologischen Erkrankungen, der Zustand nach einer abgelaufen Tuberkulose-Infektion sowie die
Einnahme von Benzodiazepinen und Carbamazepin festgelegt.
3.2
Studienkonzept und Durchführung
Die Untersuchung soll frühestens sechs Monate nach der Entlassung aus der stationärpsychiatrischen Behandlung stattfinden. Die Untersuchung beinhaltet:
-
Allgemein-internistische und neurologische Untersuchung,
SKID-Interview,
Erhebung soziodemografischer Daten,
Skala zur globalen Erfassung des Funktionsniveaus,
Erhebung aktueller psychopharmakologischer Medikation,
Hamilton Depression Rating Scale,
Young Mania Rating Scale,
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Beck Depression Rating Scale,
Clinical Global Impression Scale,
Dexamethason/CRH-Test: Um 23.00 Uhr werden 1,5 mg Dexamethason peroral eingenommen. Am nächsten Tag um 14.00 Uhr wird ein Röhrchen Blut zur Bestimmung des
Serum-Cortisol-Spiegels entnommen. Nach einer Ruheperiode von einer Stunde werden um 15.00 Uhr 50-100 μg CRH langsam i.v. injiziert. Blutentnahme vor und 15, 30,
45, 60 Min. nach Injektion und Bestimmung von Cortisol und ACTH,
Neuropsychologische Testbatterie.
Das Projekt widmet sich der Erfassung der folgenden Teilaspekte:
- Kognitive Leistungsfähigkeit bei Patienten mit Depressionen in Remission.
- HPA-Status bei Patienten mit Depressionen in Remission.
- Korrelation von kognitiven Leistungen und HPA-Aktivität bei Patienten mit Depressionen in Remission.
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Was ist bisher gelaufen?
Mit den von der Rolf Dierichs-Stiftung zur Verfügung gestellten Mitteln wurde zunächst durch
bauliche Veränderungen ein reizabgeschirmtes Untersuchungszimmer in der Klinik für Psychiatrie eingerichtet. Durch einen Zugang zum Nebenraum haben wir die Möglichkeit die Blutproben vom Probanden unbemerkt abzunehmen. Zur Sicherheit der Probanden verfügt das Untersuchungszimmer über eine Videoüberwachung und eine Gegensprechanlage.
Bisher wurden in dieser Untersuchungseinheit von 28 ehemaligen depressiven Patienten der
Klinik für Psychiatrie im remittierten Zustand und zwei gematchten gesunden Kontrollen der
Cortisolspiegel bestimmt und eine neuropsychologische Testung durchgeführt. Bis Ende Oktober 2008 ist der Einschluss des letzten Patienten und bis September 2009 der Einschluss der
letzten gesunden Kontrolle geplant. Eine erste Zwischenanalyse ist auf das Frühjahr 2009 terminiert.
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