Oft hilft nur die Amputation

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GESUNDHEIT
R I N D
Verschiedene Stadien
der Erkrankung: Es
beginnt mit kleinen
Hautveränderungen,
die noch heilbar sind.
Schwanzspitzen-Entzündung
Fotos: II. Medizinische
Tierklinik München
Oft hilft nur die Amputation
muss wohl von einem Geschehen aus
mehreren Faktoren ausgehen.
In den meisten Fällen geht eine Veränderung oder Verletzung der Schwanzspitze voraus (meistens handelt es sich
um Trittverletzungen von Buchtgenossen), auf die sich sekundär Keime ansiedeln. Untersuchungen haben gezeigt,
dass die Schwanzspitzenentzündungen
überwiegend bei Boxenhaltung oder Betonspaltenböden auftritt, selten in Anbindehaltung und nicht in Tiefstreulaufställen.
Die SchwanzspitzenEntzündung bei
Mastbullen muss
schnell und konsequent behandelt
werden.
Schnelle Ausbreitung
Schwanzspitzen-Entzündung im fortgeschrittenen Stadium. Die Schwanzspitze stirbt
langsam ab. Jetzt hilft nur noch die Amputation durch den Tierarzt.
D
ie Entzündung der Schwanzspitze tritt in der Intensivmast bei Bullen
immer noch gehäuft auf. Sie führt nicht
nur zu erheblichen Schmerzen und Leiden der Tiere, sondern auch zu wirtschaftlichen Einbußen.
Die wichtigsten Symptome
Im Anfangsstadium fällt oft erst nach
dem Scheiteln der Schwanzquastenhaare
eine spröde, stark verhornte Haut mit
kleinen Krusten und evt. Schwellung der
Schwanzspitze auf. Diese Veränderungen heilen teilweise komplikationslos
und unbemerkt ab.
Sie können aber auch in ein ausgeprägteres Stadium übergehen. Dann ist
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die Haut der Schwanzspitze blaurot verfärbt, geschwollen und die Krustenbildung nimmt zu; zusätzlich sieht man weißlich gelbe Schuppen. Auch in diesem Stadium kommt es manchmal noch zur
Spontanheilung. Eine Therapie mit Antibiotika und Waschungen der Schwanzspitze mit desinfizierenden Mitteln kann
hier noch zur Heilung beitragen.
Die Entzündung führt zu Juckreiz und
zu Schmerz, worauf die Tiere mit vermehrtem Schwanzschlagen reagieren,
was die Situation noch verschlechtert.
Die Haare schilfern ab, die Haut verkrustet stark und es kommt zu blutiger
Schorfbildung.
Letztendlich entsteht eine starke eitrige Entzündung mit Aufspalten der
Schwanzspitze, wobei die Schwanzspitze
als blutig schorfiger Klumpen langsam
abstirbt. Unter den Krusten findet man
eitrige, jauchig stinkende Flüssigkeiten.
In diesem Stadium hilft nur noch die Teilamputation des Schwanzes durch den
Tierarzt.
Die Entzündung und die Keime können über die Blutbahn und Nervenfasern
bis ins Rückenmark und sogar bis in die
Gelenke aufsteigen; es zeigen sich Lähmungen und zuletzt kommt es zum Festliegen des Tieres. Zu diesem Zeitpunkt
kann das Tier nur noch getötet werden,
da ein festliegendes Tier nicht zur Krankschlachtung transportiert werden darf.
Die eigentliche Ursache der Erkrankung ist immer noch ungeklärt, man
Beim Liegen eines Rindes wird der
Schwanz etwas vom Körper abgespreizt,
somit ist die Schwanzspitze gefährdet,
durch Tritte anderer Tiere verletzt zu werden. Schadhafte Betonspalten können
ebenfalls zu kleinsten Schädigungen der
Schwanzspitzen führen. Bei eingestreuten
Ställen gibt der Untergrund nach, so dass
kaum Verletzungen entstehen.
Feuchte und verdreckte Betonspalten führen zu Gewebserweichung der
Schwanzspitze, was wiederum Hautschäden zur Folge haben kann. Außerdem
entstehen durch Belecken und Benagen
der Schwanzenden Risse und kleine
Wunden. Überbelegung der Buchten
spielt ebenfalls eine Rolle, da ein geringeres Platzangebot schneller zu Trittverletzungen der Schwanzspitzen liegender
Tiere führt. Somit erklärt sich auch, warum oft erst ältere, schwerere Tiere betroffen sind.
Schon kleinste Veränderungen und
Verletzungen der Haut an der Schwanzspitze können als Eintrittspforte für Keime dienen. Dabei handelt es sich meistens um ganz normale Stallkeime, die
überall vorkommen (Corynebacterium
pyogenes, Staphylo- und Streptokokken
etc.). So kommt es zu Entzündungen der
Schwanzspitze.
Ist ein Tier erst einmal erkrankt, so
breitet sich die Schwanzspitzenentzündung rasch im Bestand aus. Nach dem
Eindringen und Vermehren der Keime
in einer vorgeschädigten Schwanzspitze
können die Erregerkeime eine Pathogenitätssteigerung durchmachen. Das bedeutet, dass die Keime eine genetische
Änderung erfahren und dadurch noch
spezieller und noch aggressiver das
nächste Tier befallen können.
Weitere Auslöser
Die Haltung auf Vollspalten mit dem
üblichen Verschmutzungsgrad der Tiere
und der damit verbundene Keimdruck ist
sicherlich eine der Hauptursachen dieser
Erkrankung.
Weiterhin können zu frühes Umstellen
der Kälber auf Betonspalten, allgemeine
Eingewöhnungsprobleme der Kälber an
die neue Umgebung (Stress), ungünstige
Zusammensetzung der Futterrationen
und mangelhaft strukturiertes Futter zu
dieser Erkrankung beitragen.
Ein Phosphatdefizit in der Nahrung,
Mineralstoff- und Spurenelementimbalancen und Verseuchung der Futtermittel mit Pilzgiften (Toxinen) werden ebenfalls als Ursache diskutiert.
Auch ein Räudemilbenbefall der
Schwanzspitze könnte zu dieser Erkrankung beitragen. Zu viele Fliegen im Stall
bringen Unruhe und gehäuftes Schwanzschlagen mit sich, wobei die Schwanzspitze beim Aufschlagen auf Beton verletzt werden kann.
Nur selten werden bei Färsen- und
Ochsenmast auf Betonspalten Veränderungen an der Schwanzspitze festgestellt.
Meistens sind die Veränderungen bei
diesen Tieren auch nicht so gravierend.
So stellt sich die Frage, welche Rolle das
Geschlecht für das Vorkommen der
Schwanzspitzenentzündung spielt.
Kreislaufstörungen in den kleinsten
Gefäßen der Schwanzspitze können
ebenfalls eine Ursache sein; sie treten
z. B. bei der Mutterkornvergiftung oder
Pilztoxinen im Futter auf; hierbei würden
sich allerdings auch Veränderungen z. B.
an den Ohrspitzen zeigen.
Behandlung der Erkrankung
In den ersten Stadien der Erkrankung
kommt es eventuell zu Spontanheilungen. Behandlungen mit Antibiotika und
lokale Waschungen der Schwanzspitze
mit desinfizierenden Mitteln unterstützen die Heilung. Trotzdem schreitet die
Entzündung manchmal weiter fort.
Die sicherste Therapie besteht in der
blutigen Teilamputation durch den Tier-
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Die Entzündung
und die Erreger
können bis ins
Rückenmark und
in die Gelenke aufsteigen. Dann
kann das Tier
nur noch getötet
werden.
arzt. Die Amputation wird im zweiten
Schwanzdrittel, in noch gesundem Gewebe vorgenommen. Nach Ruhigstellen
des Tieres wird eine „Rückenmarkspritze“ (tiefe Epiduralanästhesie) gesetzt,
die die Empfindungen im Schwanz betäubt. Anschließend wird der Schwanz
gereinigt, rasiert und desinfiziert. Im
oberen Schwanzbereich wird zeitweilig mittels einer Gummischlinge der
Schwanz abgebunden, um die Blutzufuhr
in den Schwanz zu verringern, damit die
Operationsstelle überschaubar bleibt,
und das Tier nicht zu viel Blut verliert.
Gummiringe nur auf Antrag
An der Amputationsstelle wird die
Haut ringförmig durchtrennt; durch zwei
Längsschnitte nach oben bis zum nächsten Schwanzwirbel entstehen zwei Hautlappen, die letztendlich den Stumpf bedecken. Anschließend wird der Schwanz
zwischen den beiden Wirbeln abgesetzt.
Der Knorpel auf dem freiliegenden
Schwanzwirbel wird sorgfältig abgeschabt. Sodann werden die beiden Hautlappen vernäht.
Nach Auftragen einer antibiotischen
Salbe, Anlegen eines Schutzverbandes
und Öffnen der Gummischlinge (für die
Blutzufuhr) ist die Amputation beendet.
Der Verband sollte nach einigen Tagen
gewechselt werden. Aber auch eine Amputation erlangt nur dann den gewünsch-
ten Erfolg, wenn sie rechtzeitig vorgenommen wird.
In fortgeschrittenen Fällen, mit
Schwanz- und Hinterhandlähmungen,
Gelenksentzündungen und stark herabgesetztem Allgemeinbefinden sollte das
Tier einer sofortigen Verwertung zugeführt werden. Ein festliegendes Tier darf
allerdings nicht mehr transportiert werden. Deshalb ist eine häufige Kontrolle
der Schwanzspitzen wichtig.
Das prophylaktische Aufsetzen von
Gummiringen auf die Schwanzspitzen ist
nicht erlaubt und wird von den zuständigen Veterinärbehörden kontrolliert und
eventuell geahndet. Das prophylaktische
Amputieren der Schwanzspitzen aller
Bullen einer Gruppe ist prinzipiell auch
nicht erlaubt. Nach § 6 des Tierschutzgesetzes gilt das Verbot nicht, wenn der Eingriff im Einzelfall nach tierärztlicher Indikation geboten ist.
Ferner kann die zuständige Behörde
das Kürzen des bindegewebigen Endstückes des Schwanzes von unter drei Monate alten männlichen Kälbern mittels
elastischer Ringe erlauben. Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn dargelegt wird, dass der Eingriff unerlässlich
ist. Die Erlaubnis ist zu befristen und
muss Bestimmungen über Art, Umfang
und Zeitpunkt des Eingriffs und die
durchführende Person enthalten. Der
Eingriff muss also der Behörde vorher
angezeigt werden.
Susanne Rehorst
Konsequent vorbeugen
■ Vermeiden Sie die Überbelegung
der Buchten.
■ Nach dem Ausstallen einer Gruppe
sollten die Ställe gereinigt und desinfiziert werden, um den Keimdruck zu
verringern. Kontrollieren Sie dann
auch die Betonspalten auf scharfe,
schadhafte Stellen.
■ Halten Sie die Fliegenpopulation im
Stall gering (evt. Behandlung der Gülle, übliche Fliegenabwehr).
■ Bei Kannibalismus bzw. außergewöhnlichem Saugdrang ist die Fütterung auf ihren Gehalt an strukturierten
Bestandteilen und an Mineralstoffen zu
überprüfen und bedarfsgerecht zu ergänzen. Sorgen Sie für ausgewogene
Futterrationen und ausreichend strukturiertes Futter. Tiere, die abnormes
Verhalten wie Harntrinken und Kannibalismus zeigen, sollten am besten aus
der Gruppe entfernt und einzelnen aufgestallt werden.
■ Kontrollieren Sie Ihre Tiere auf Parasitenbefall. Bekämpfen Sie Läuse
oder Räude. Pour on-Verfahren sind
auch bei größeren Tieren handhabbar.
Versuchen Sie den Verschmutzungsgrad der Tiere und der Buchten so gering wie möglich zu halten.
■ Kontrollieren Sie regelmäßig die
Schwanzspitzen der Bullen, um eventuelle Veränderungen schon im Frühstadium
erkennen und behandeln zu können.
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