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astro-STEOP Lösungen zum Thema Rechnen mit Potenzen - POT I + II
Rechnen mit Potenzen - Lösungen zu POT I & II
Die Aufgaben (1) und (3) sollen das Rechnen mit Potenzen und rationalen Exponenten trainieren, in Aufgabe (2) soll eine physikalische Zeitskala in Jahren durch Einsetzen in die Definition bestimmt werden. Im
Abschnitt Hintergründe, Anwendungen, Zusatzinfos wird erläutert inwiefern Frei-Fall-Zeit und Jeans-Masse
für die Theorie der Sternentstehung relevant sind.
Beispiel POT I: Bestimmung der Frei-Fall-Zeitskala
Um die Frei-Fall-Zeit herzuleiten müssen Differentialgleichungen gelöst werden, welche die Bewegung eines
Gases im Einfluss von Schwerkraft beschreiben. Diese Gleichung beschreibt in unserem Fall, wie die Schwerkraft des Gases die Bewegung des Gases beeinflusst, wenn es keine Gegenkraft (Druck) gibt, wir es also mit
Freiem Fall zu tun haben.
Aus dieser sogenannten Bewegungsgleichung lässt sich
dann ableiten, dass die Geschwindigkeit der äußersten GasSchicht beim Kollaps als Funktion von Zeit und Radius
durch
s
1
1
−
u(r(t)) = 2GM
r(t) R
gegeben ist. Dabei ist M die Gesamtmasse der Gasblase und R ihr maximaler bzw. anfänglicher Radius. Für
r(t) = R, also für den Anfangszeitpunkt, ist die Geschwindigkeit u(R) = 0, was wir durch Einsetzen überprüfen können. Die Gasblase ist komplett kollabiert, wenn formal der
Radius verschwindet, also r(t) = 0. Wenn wir die Zeit,
die bis dorthin verstreicht berechnen, erhalten wir die FreiFall-Zeit τff . Auf dem Angabeblatt haben wir aber statt
der Variable Masse M , Radius R der Blase, die Dichte ρ
angegeben.
Ganz allgemein ist die Dichte ρ eines Objekts seine Masse
Abbildung 1: Druckloser Kollaps
M pro Volumen V , was bei der Kugelform durch V =
4π 3
3 R gegeben ist. Damit ergibt sich nach Auflösen des Doppelbruchs folgende Dichte.
ρ=
M
4π 3
3 R
=
3M
4πR3
Hier ist klarerweise jeweils die Anfangsgröße R und die Anfangsdichte ρ der Gasblase gefragt, die Masse ändert
sich beim Kollaps nicht. Wir betrachten also die Formel für τff und setzen ρ von oben ein.
r
3π
tff (ρ) =
32Gρ
s
3π
tff (R, M ) =
3M
32G 4πR
3
r
12π 2 R3
=
96GM
Die Zahlen kürzen wir, schreiben die Wurzel als hoch 1/2 und wenden die Rechenregeln für Potenzen an.
=
π 2 R3
8GM
=
2
tff (R, M )
12
π
r
= π
12
R
3
12
21 21 21
1
1
1
8
G
M
1
3
1
R2 M−2
8G
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(1)
1
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Es ist üblich, die konstanten Vorfaktoren nicht mit rationalen Hochzahlen zu schreiben, da man sich hier nicht
für einen funktionalen Verlauf interessiert, wie bei den physikalischen Variablen (hier R und M ).
Ergebnis 1: Die Frei-Fall-Zeitskala tff als Funktion von Masse M und Anfangsradius R einer Gaswolke bestimmt sich zu
r
3
1
1
tff (R, M ) = π
R2 M−2 .
(2)
8G
Im nächsten Schritt wollen wir diese Frei-Fall-Zeit für einen typischen Dichte-Wert in einem galaktischen
Gasnebel, aus dem Sterne entstehen können berechnen. In Aufgabe (2) ist eine realistische Dichte für einen
Gasnebel gegeben, aus dem sich Sterne und Planeten bilden können. Solches Gas besteht zu etwa 89% aus
Wasserstoff (H), 9% aus Helium (He) und nur 2% schwereren Elementen1 . Wir verwenden die Gleichung (1)
auf dem Angabezettel und setzen Dichte ρ und Gravittionskonstante G ein.
r
3π
tff =
32Gρ
s
3π
=
m3
−11
−19 kg
32 · 6.67 · 10
kg s2 · 3.2 · 10
m3
Die Einheiten kg, m und s können wir wie Variable behandeln und entsprechend kürzen; dafür machen wir eine
kleine Nebenrechnung, um die Einheit unserer Lösung, der Frei-Fall-Zeit zu erhalten.
s
s
1
1
1
2 2
=
=
s
=s
3
1
kg
m
s2
kg s2 · m3
Das Ergebnis (Sekunden) war natürlich voraussehbar, ein solcher Einheiten-Check kann und sollte aber immer
gemacht werden, um etwaigen Fehlern auf die Schliche zu kommen; links und rechts von Gleichungen und
Formeln müssen immer die selben Einheiten und Dimensionen stehen. Praktischerweise rechnen wir jetzt mit
den Zahlenwerten weiter und stellen das s hinten an.
r
3π
tff =
s
−11
32 · 6.67 · 10
· 3.2 · 10−19
= 1.175 · 1014 s
Auch ein solches Taschenrechner-Ergebnis können wir kurz gegenchecken, indem wir uns nur die Hochzahlen
anschauen. Im Nenner steht insgesamt überschlagsmäßig 30 · 3 · 10−11 · 10−19 , was nach den Rechenregeln für
Potenzen grob 100 · 10−30 = 10−28 ergibt. Die negativen Hochzahlen im Nenner werden zu positiven, wenn
wir den Bruch auflösen und die Wurzel daraus halbiert den Exponenten, wobei wir bei 28/2 = 14 wären. Die
Größenordnung unserer Frei-Fall-Zeit in Sekunden stimmt also. In der Angabe ist die tff in Jahren gefragt,
daher müssen wir obige Zahl noch durch 1 Jahr = 60 · 60 · 24 · 365 s = 31536000 s dividieren.
Ergebnis 2: Die Frei-Fall-Zeit einer Gaswolke mit mittlerer Dichte von ρ = 3.2 · 10−19
tff ∼
= 3.7 · 106 Jahre.
kg
m3
beträgt etwa
(3)
Beispiel POT II: Das Jeans-Kriterium
Im zweiten Beispiel wird ein bereits etwas fortgeschrittenes Konzept im Zusammenhang mit dem Kollaps von
Gaswolken betrachtet. Das Jeans-Kriterium kann als Bedingung für die Ausdehnung oder für die Masse einer
solchen Wolke mit mittlerer Dichte ρ und Temperatur T formuliert werden. Ausgehend von der Definition
der Jeans-Länge λJ (T, ρ) und der Jeans-Masse MJ (ρ, λJ ), soll MJ (T, ρ), d.h. die Jeans-Masse als Funktion
1 Wasserstoff kommt auf der Erde vorwiegend in Wasser gebunden vor. Gasförmiger Wasserstoff wie auch Helium entweichen
aufgrund ihrer geringen Masse sehr leicht aus der Atmosphäre.
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von T und ρ gefunden werden. Um die Rechnung übersichtlicher zu machen, verwenden wir gleich rationale
Exponenten. Wieder kommen die Rechenregeln für Potenzen zum Einsatz.
MJ (ρ, λJ )
=
=
=
=
=
π 3
ρλ
6 J
21 !3
π
T
ρ c
6
ρ
3
1
1
π
ρ c ρ− 2 T 2
6
πc3 2 − 3 3
ρ2 ρ 2 T 2
6
πc3 − 1 3
ρ 2T 2
6
(4)
2
In der vierten Zeile ist ρ = ρ1 = ρ 2 zum Einsatz gekommen. Nachdem wir uns hier nicht für den konstanten
Vorfaktor interessieren, sondern nur für die Exponenten der physikalischen Größen Dichte und Temperatur,
3
fassen wir die Konstanten zusammen und nennen diesen Vorfaktor πc6 = k.
Ergebnis 3: Die Jeans-Masse als Funktion von Dichte und Temperatur ist gegeben durch
1
3
MJ = kρ− 2 T 2 ,
(5)
wobei k eine hier nicht näher bestimmte Konstante ist.
Hintergründe, Anwendungen, Zusatzinfos
Zu Aufgabe 1: Die Frei-Fall-Zeit ist wie bereits erwähnt
eine hypothetische Zeitskala, auf der ein Gasball unter
seiner eigenen Schwerkraft zusammenfällt. Unter realistischen Bedingungen hat eine solche Gaswolke natürlich eine gewisse Temperatur und damit einen Gasdruck, welcher
der nach innen gerichteten Schwerkraft entgegenwirkt. Im
sogenannten hydrostatischen Gleichgewicht sind diese beiden Kräfte genau gleich groß und es findet weder Expansion (Ausdehnung) noch ein Kollaps statt. In Sternen, also
auch in unserer Sonne herrscht im Allgemeinen ein solches hydrostatisches Gleichgewicht. Die Frei-Fall-Zeit für
die Sonne beträgt etwa tff = 25min. Wird das hydrostatische Gleichgewicht der Sonne durch einen äußeren Einfluss
(zum Beispiel durch eine nahe vorbeifliegende Masse) gestört, gleicht sich diese Störung auf der Frei-Fall-Zeitskala
aus. Mit anderen Worten gibt dieser Wert tff Aufschluss
darüber, wie lange so eine Störung braucht, um durch gravitativ gebundenes Gas zu propagieren.
Abbildung 2: Sternentstehungsgebiet im Adlerne- Eine Gaswolke im Interstellaren Medium hat eine um viebel
le Potenzen kleinere Dichte und dadurch eine viel größere
Frei-Fall-Zeitskala. Die Temperaturen in solchen Molekülwolken, aus denen Sterne entstehen sind als Vergleich
nur etwa 10 − 20K, also knapp über dem absoluten Nullpunkt. Wenn so eine Wolke kollabiert, steigt die Dichte
und damit die Temperatur und der Druck. Nur wenn die Gravitation stärker als die entgegenwirkenden Durckkräfte ist, kann sich das Gas so weit komprimieren, dass Sternentstehung stattfindet. Oft sind es Störungen
von außen, die eine solche Kompression von Interstellarem Medium in einer Galaxie auslösen, etwa eine knapp
vorbeifliegende oder gar kollidierende zweite Galaxie und die Frei-Fall-Zeitskala wiederum eine Abschätzung
dafür, wie lange eine derartige Störung durch das Gas propagiert.
Zu Aufgabe 2: Wie schon im Aufgabenblatt erwähnt, sind Jeans-Länge und Jeans-Masse bereits etwas fortgeschrittenere Konzepte aus der Theorie der Sternentstehung. Die Herleitung des Jeans-Kriterium ist entsprechend fortgeschritten; Schlagworte in diesem Zusammenhang sind Störungstheorie und Differentialgleichungen,
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welche selbstgravitierendes Gas dynamisch beschreiben. Ohne darauf näher einzugehen können wir das Ergebnis
zu interpretieren versuchen.
Betrachten wir unser Ergebnis (5) etwas genauer. Der konstante Vorfaktor soll uns hier wieder nicht interessieren, der
setzt sich wie erwähnt aus Eigenschaften des Gases und
Naturkonstanten zusammen. Denken wir uns eine Gaswolke, welche die Jeans-Masse überschreitet und instabil wird,
also zu kollabieren beginnt. Beim Kollaps steigt die mittlere Dichte ρ, wodurch die Jeans-Masse sinkt (wegen des
negativen Exponenten bei ρ). Dadurch können immer kleinere Teile der Gaswolke in sich zusammenfallen und man
spricht von Fragmentation. Umgekehrt steigt im komprimierten Gas die Temperatur T an und wirkt stabilisierend
(positiver Exponent bei T ).
Astronomische Beobachtungen zeigen, dass Sterne praktisch immer ’im Rudel’ entstehen, also ein Gruppen oder
Haufen. Das hängt mit der Fragmentation einer usrprünglich großen Gaswolke zusammen, die zu immer kleineren
Elementen zerfällt und wenn die Bedingungen stimmen,
schließlich Sterne hervorbringt. Wir wissen heute außerdem, dass Galaxien, in denen sehr viele Sterne auf einmal
entstehen, (auf astronomischen Zeitskalen) gerade von außen gestört wurden, zum Beispiel durch den Vorbeiflug Abbildung 3: Sternentstehungsgebiet in NGC604
oder Kollision mit einer anderen Galaxie. In manchen Fällen kann diese Störung so großsein, dass praktisch das ganze vorhandene Gas in einem Mal in Sterne umgewandelt wird und die Galaxie nach einem regelrechten Starburst kaum mehr Material hat, um Sterne entstehen
zu lassen. Unsere Galaxie, die Milchstraße hat übrigens eine Sternentstehungsrate von einigen wenigen Sternen
pro Jahr. Demgegenüber stehen 100-300 Milliarden Sterne, aus denen die Milchstraße besteht; unsere Galaxie
ist momentan also nicht sonderlich aktiv.
Quellen und Verweise
Abbildung 2 - Sternentstehungsgebiet im Adlernebel
Quelle: http://hubblesite.org/newscenter/archive/releases/2003/34/image/a, Lizenz: Public Domain, Credits: NASA, Jeff Hester, and Paul Scowen (Arizona State University)
Abbildung 3 - Sternentstehungsgebiet in NGC604
Quelle: http://www.hubblesite.org/newscenter/archive/releases/2003/30/image/a, Lizenz: Public Domain,
Credits: NASA and The Hubble Heritage Team (AURA/STScI)
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