1933 bis 1945

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„Einführung in die Geschichte der Neuzeit“
Grundkurs BA
Sitzung 10
1933-1945
I. Die NS-Diktatur
1) Die nationalsozialistische Machtübernahme und der Prozess der
Gleichschaltung
30. Januar 1933: Bildung des Präsidialkabinetts Hitler. Nationalsozialisten
besetzen Schlüsselpositionen im Kabinett (Reichsinnenministerium und Polizei
in Preußen). Hitlers Bedingung ist die Auflösung des Reichstags und die
Ausschreibung von Neuwahlen, die der NSDAP allerdings nicht die absolute
Mehrheit bringen (nur 44 %, zusammen mit der DNVP 52 %)
Die Reichstagsbrand-Notverordnung (Februar 1933) setzt praktisch die
politischen Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft und installiert
gleichsam den permanenten Ausnahmezustand. Mit dem
„Ermächtigungsgesetz“ (März 1933) wird die Selbstausschaltung des
Vielparteien-Parlaments und der übrigen Verfassungsorgane besiegelt: Gesetze
können nun ohne die Mitwirkung des Reichstags und des Reichsrats erlassen
werden. Weitere wichtige Station der staatlichen Gleichschaltung ist die
Beseitigung der Länderhoheit (April 1933). Durch die Gemeindeordnung von
1935 wird das „Führerprinzip“ auch auf kommunaler Ebene eingeführt.
Im Sinne der Schaffung einer „Nationalsozialistischen Volksgemeinschaft“
werden für nahezu alle Berufssparten und Wirtschaftsbereiche NSOrganisationen mit Zwangscharakter geschaffen (z.B. für die Landwirtschaft
der Reichsnährstand). Anstelle der Gewerkschaften wird die „Deutsche
Arbeitsfront“ (DAF) gebildet: korporative Zusammenfassung der am
industriellen Prozess Beteiligten (Arbeitnehmer und Arbeitgeber). Die
Arbeiterschaft soll in die „nationale Politik“ des NS integriert werden:
Einführung des 1. Mai als bezahlter nationaler Feiertag; Beseitigung der
Arbeitslosigkeit im Zuge der Aufrüstung. Viele Arbeiter machen deshalb ihren
Frieden mit dem Regime.
Von den christlichen Kirchen wird strikte politische Enthaltsamkeit verlangt.
Auf protestantischer Seite stärkt zunächst die traditionelle „Verbindung von
Thron und Altar“ die Sache des NS; gegen „Deutsche Christen“ und die
Installierung eines protestantischen Reichsbischofs bildet sich die
oppositionelle „Bekennende Kirche“. Der Verzicht der katholischen Kirche auf
politische Aktivitäten ermöglicht 1933 den Abschluss des Konkordats zwischen
Vatikan und Deutschem Reich, die innerkirchliche Arbeit wird aber zunehmend
durch Verfolgung von Priestern und katholischen Laien erschwert. Langfristiges
Ziel des NS ist die Beseitigung der Kirchen als weltanschauliche Konkurrenz.
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1936 wird die HJ Staatsjugend; zugleich Vorgehen gegen politischoppositionelle, konfessionelle und „bündische“ Jugendorganisationen; vor allem
während des Krieges entstehen neue Formen jugendlicher Resistenz gegen die
totale Vereinnahmung durch Partei und Staat (Edelweiß-Piraten etc.).
2) Nationalsozialismus und alte Eliten
Das Kabinett Hitler basiert zunächst auf einem informellen Bündnis des
Nationalsozialismus mit den „alten Eliten“:
Militär, Staatsverwaltung/Justiz, Großindustrie, Großlandwirtschaft.
Militär: Unmittelbar nach der „Machtübernahme“ unterbreitet Hitler der
Reichswehrführung seine „Zwei Säulen-Theorie“ (Reichswehr sichert nach
außen; NS schaltet den Gegner im Inneren aus). Die Forderung nach einer SAgeführten Volksmiliz wird den Führungsansprüchen der Militärs geopfert
(„Röhm-Affaire“ 1934: Ermordung der höheren SA-Führer). Nach dem Tod
Hindenburgs 1934 übernimmt Hitler aber die Funktionen des Reichspräsidenten
(Vereidigung des Militärs auf Hitler). 1938 Entlassung des Kriegsministers und
des Oberbefehlshabers des Heeres („Blomberg/Fritsch-Krise“) und Errichtung
des Oberkommandos der Wehrmacht mit Hitler als Oberbefehlshaber.
Wirtschaft: Das privatkapitalistische Wirtschaftssystem bleibt weitgehend
unangetastet. Der wirtschaftliche Aufschwung wird durch gewaltige staatliche
Kreditaufnahmen finanziert. Zugunsten eines großangelegten
Aufrüstungsprogramms werden zunehmend dirigistische Maßnahmen ergriffen
(1936 Verkündung des Vierjahresplans mit dem Ziel einer autarken
Wirtschaft).
3) Propaganda, Kontrolle und Terror
Die NSDAP zielt auf Totalerfassung sämtlicher Lebensbereiche der Mitglieder:
Erzeugt werden sollen Einsatz- und Opferbereitschaft. Zugleich sind ihre
Aktivitäten auf Überwachung und Kontrolle ausgerichtet.
Die Propaganda dient der Indoktrination und Mobilisierung der Partei- und
„Volksgenossen“. Dabei nimmt sie die Presse und die modernen Medien
(Rundfunk und Film) in Dienst. 1933 werden zentrale Kontroll- und
Überwachungsorgane für den gesamten Kulturbetrieb geschaffen:
Reichsfilmkammer, Reichskulturkammer und Schriftleitergesetz, mit
Sanktionsmöglichkeiten bis hin zum Berufsverbot. Joseph Goebbels wird
„Minister für Volksaufklärung und Propaganda“. Nicht zuletzt Goebbels
verdankt der „Hitler-Mythos“ seine große Wirksamkeit als gesellschaftliche
Klammer (Ian Kershaw).
Im Zuge der Machtübernahme sind politische Gegner massiven
Terrormaßnahmen ausgesetzt: Errichtung des Konzentrationslagersystems,
zunächst für politische Häftlinge (zuerst KZ Dachau im März 1933); Juni/Juli
1933 Verbote bzw. Selbstauflösung der Parteien; Instrument der „Schutzhaft“;
Aburteilung vor „Sondergerichten“ und „Volksgerichtshof“. Teile der politischen
Opposition wirken weiter in der Illegalität, andere gehen in die Emigration.
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Die SS (zunächst lediglich Leibgarde Adolf Hitlers) erlebt aufgrund ihrer
führenden Rolle bei der „Röhm-Affaire“ einen steilen Aufstieg. Sie löst sich von
der SA und wird Hitler direkt unterstellt. Prägend für die SS-Ideologie sind die
Vorstellungen des Reichsführer-SS Heinrich Himmler: germanentümelnder
Rassismus und Elitegedanke („Neuadel aus Blut und Boden“). 1934 wird
Himmler Chef der geheimen Staatspolizei (Gestapo). Der Gestapo obliegt die
Erforschung und Bekämpfung des „politischen und weltanschaulichen
Gegners“. Innerhalb weniger Jahre übernimmt sie die Kontrolle über den
gesamten Polizeiapparat des Reiches (einschließlich des
Konzentrationslagersystems). 1936 wird die gesamte Polizei (Schutzpolizei,
Kriminalpolizei und Gestapo) Himmler als „Reichsführer-SS und Chef der
deutschen Polizei“ unterstellt. Eine ungeheure Ausweitung ihrer Machtstellung
gelingt der SS während des Zweiten Weltkriegs, als sie Hauptmotor bei der
nationalsozialistischen Neuordnung im besetzten Europa wird.
II. Internationale Politik 1933-1939
1) Rahmenbedingungen
Die Weltordnung der Zwischenkriegszeit, gestützt durch multilaterale
Vernetzung im wirtschaftlichen (Welthandel) und politischen Bereich (Pariser
Vorortverträge, Völkerbund, Locarno), brach während der Weltwirtschaftskrise
seit 1929 zusammen: Schrumpfen des globalen Handels; Konzentration der
großen Demokratien (USA, Großbritannien, Frankreich) auf interne Probleme
ihrer Volkswirtschaften (und im Fall Großbritanniens zusätzlich auf die des
Empire); Austritt oder Ausschluss der Diktaturen aus dem Völkerbund wegen
außenpolitischer Aggressionen (Invasion Japans in der Mandschurei 1931 und
Krieg gegen China seit 1937, Verletzungen des Versailler Vertrags durch
Deutschland seit 1935, Angriff Italiens auf Abessinien 1935/36, Besetzung von
Ostpolen, des Baltikums und Teilen Finnlands durch die Sowjetunion 1939/40).
2) Grundlagen der nationalsozialistischen Außenpolitik
Sie bewegt sich zunächst im wesentlichen in der langfristigen Kontinuität der
bislang die Außenpolitik bestimmenden Elite: Revision des Versailler Vertrages,
militärische Wiederaufrüstung und Wiederherstellung der deutschen
Großmachtposition.
Doch gingen insbesondere die Ambitionen Hitlers weit darüber hinaus: Sie
zielten auf eine hegemoniale Weltmachtposition für das Deutsche Reich.
Spezifisch nationalsozialistische Akzentsetzungen sind: die Eroberung von
„Lebensraum im Osten“; Verknüpfung von territorialer Eroberungspolitik und
Rassenideologie („Germanisierung des Bodens“); Dominanz und unmittelbares
Eingreifen Adolf Hitlers auf den Feldern der Außen- und Militärpolitik.
Der „Antikominternpakt“ zwischen dem Deutschen Reich, Italien und den Japan
hat vor allem propagandistische Funktion; das faschistische Italien blieb in der
Rolle eines Juniorpartners („Achse Berlin-Rom“, Stahlpakt seit 1939); die nach
1939 mit der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien geschlossenen
Bündnisse markieren tatsächlich nur deren einseitige Abhängigkeit vom
Deutschen Reich.
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3) Chronologie der internationalen Beziehungen
Destabilisierung der auf multilateralen Verträgen beruhenden europäischen
Nachkriegsordnung durch bilaterale Abkommen Deutschlands, die bisherige
Blockbildungen aufbrechen: Nichtangriffspakt mit Polen 1934 und
Flottenabkommen mit England 1935 (parallel dazu französisch-russischer
Beistandspakt 1935).
Die anfängliche „Friedenspolitik“ Hitlers war eine Mischung von öffentlichen
Friedensbekundungen und gleichzeitigen Vertragsbrüchen: Wiedereinführung
der allgemeinen Wehrpflicht und Aufbau einer Luftwaffe 1935,
Remilitarisierung des Rheinlands 1936.
Mit der Annexion Österreichs im März 1938 wird der Versailler Vertrag
endgültig Makulatur. Das Deutsche Reich wird über die Grenzen von 1914
hinaus ausgedehnt: „Großdeutsches Reich“.
England und Frankreich verfolgen aufgrund eigener massiver wirtschaftlicher
und kolonialer Probleme eine Politik des „Appeasement“ gegenüber
Deutschland und hoffen so, einen Krieg, für den sie nicht gerüstet waren,
vermeiden zu können. Im Herbst 1938 weichen sie vor der Kriegsdrohung
Hitlers zurück und gestehen im „Münchener Abkommen“ die Abtretung des
Sudetenlandes an Deutschland zu.
Die Besetzung der „Rest-Tschechei“ durch deutsche Truppen im März 1939 und
die Auflösung des tschechoslowakischen Staates (Errichtung des deutschen
„Protektorats Böhmen und Mähren“) bedeuten zugleich das Ende der
„Appeasement“-Politik. Den französischen und englischen Garantieerklärungen
für Polen begegnet Deutschland durch einen Nichtangriffspakt mit der
Sowjetunion („Hitler-Stalin-Pakt“, August 1939), in dessen „Geheimem
Zusatzprotokoll“ die Aufteilung Osteuropas festgelegt wurde. Der Zweite
Weltkrieg beginnt am 1. September 1939 mit dem deutschen militärischen
Angriff auf Polen.
III. Der Zweite Weltkrieg
1) Deutsche „Blitzkrieg“-Erfolge im europäischen Krieg
Der Feldzug gegen Polen im September 1939 endet mit der Zerstörung des
polnischen Staates: Errichtung des „Generalgouvernements“ und wenig später
Besetzung der polnischen Ostgebiete durch die Rote Armee (die 1939/40
ebenfalls die baltischen Staaten sowie Grenzgebiete Finnlands und Rumäniens
besetzt).
Deutsche Besetzung Dänemarks und Norwegens im April 1940 zur Sicherung
der schwedischen Erzzufuhr.
Westfeldzug: Mai/Juni 1940 deutsche Besetzung der neutralen Staaten
Niederlande, Belgiens und Luxemburg; Eroberung Frankreichs (der Nordteil
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kommt unter deutsche Besatzungsverwaltung, im Süden Errichtung der mit
NS-Deutschland kollaborierenden „Vichy“-Regierung unter Marschall Pétain).
„Luftschlacht um England“ 1940/41, wegen Ausbleibens deutscher Erfolge wird
die geplante Invasion Großbritanniens verschoben.
Italien tritt auf deutscher Seite in den Krieg ein. Um dem bedrängten Italien
auf dem Balkan beizustehen, besetzen deutsche Truppen im April/Mai 1941
Jugoslawien (Partisanenkrieg) und Griechenland.
22. Juni 1941 deutscher militärischer Überfall auf die Sowjetunion mit
anfänglich großen Erfolgen; die deutsche Offensive bleibt jedoch im Dezember
vor Moskau und Leningrad stecken.
2) Weltkrieg in der Schwebe 1941/42
Dezember 1941 japanischer Überfall auf die amerikanische Pazifikflotte in Pearl
Harbour auf Hawaii (bis 1942 Eroberung der amerikanischen, englischen,
französischen und niederländischen Kolonien in Südostasien durch Japan).
Deutsche und italienische Kriegserklärung an die USA.
An der Ostfront 1942 nach russischen Erfolgen vor Moskau deutsche Offensive
in Richtung der Ölfelder des Kaukasus. In Nordafrika nach englischen
Vorstößen Gegenoffensive italienischer und deutscher Truppen.
Trotz erheblicher Divergenzen vereinigen sich die USA und Großbritannien mit
der Sowjetunion als Alliierte und legen später auf mehreren Kriegskonferenzen
gemeinsame Ziele und Vorgehensweisen fest (vor allem in Casablanca 1943:
Forderung „bedingungsloser Kapitulation“ NS-Deutschlands; und in Jalta
Januar 1945: Festlegung der jeweiligen Einflusssphären in Europa,
Verschiebung der polnischen Westgrenze, Verwaltung des besetzten
Deutschland und Aufteilung in Besatzungszonen).
3) Kriegswende 1942/43
Ostfront: Einschließung und schließlich Kapitulation deutscher Truppen im
Kessel von Stalingrad (November 1942 bis Februar 1943); nach der
Panzerschlacht von Kursk (Juli 1943) beständiges russisches Vordringen.
Nordafrika: Britische Offensive in Ägypten und amerikanische Landung in
Marokko und Algerien Oktober/November 1942. 1943 räumen die
Achsenmächte Nordafrika, die Alliierten landen in Italien, das im August aus
dem Krieg ausscheidet.
Beginn der englisch-amerikanischen Bomberoffensive über Deutschland (bis
1945 über eine halbe Million Ziviltote).
Seekrieg: Nach deutschen Anfangserfolgen bauen die Alliierten seit 1943 mehr
Schiffe als von deutschen U-Booten versenkt werden; auch technische
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Überlegenheit (Radar) sichert in der Nordatlantikschlacht um die
Geleitzugwege von den USA nach Großbritannien den alliierten Sieg.
Pazifik: Seeschlacht bei den Midway-Inseln und Landung amerikanischaustralischer Truppen auf Guadalcanal leitet 1942 die bis Kriegsende
andauernde alliierte Gegenoffensive gegen Japan ein („Island Hopping“).
4) Kriegswirtschaft
Erst nach der Kriegswende wird die zunächst auf kurze Feldzüge eingerichtete
deutsche Wirtschaft auf den „totalen Krieg“ umgestellt (Goebbels’ Rede im
Berliner Sportpalast Februar 1943). Albert Speer zentralisiert und koordiniert
die geplante Rüstungswirtschaft. Rund 10 Millionen Zwangsarbeiter aus den
besetzten Gebieten werden in der deutschen Kriegswirtschaft eingesetzt. Durch
rigorose wirtschaftliche Ausbeutung der besetzten Gebiete kann der
Lebensstandard der deutschen Bevölkerung bis kurz vor Kriegsende relativ
hoch gehalten und damit die Gefahr innerer Revolten gebannt werden.
5) Kriegsende
Juni 1944 Landung der Westalliierten in der Normandie. Während sich die
deutschen Verbündeten in Osteuropa angesichts des Vormarschs der Roten
Armee schon 1944 ergeben, zieht sich das Kriegsende in Europa aufgrund der
strikten Durchhaltebefehle („verbrannte Erde“) der nationalsozialistischen
Führung unter Inkaufnahme von weiteren Millionen Todesopfern noch bis zum
8. Mai 1945 hin (nach Selbstmord Hitlers deutsche bedingungslose
Kapitulation). Der Krieg im Pazifik endet erst nach dem Abwurf der ersten
Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki durch die USA und der russischen
Kriegserklärung an Japan (August) mit der japanischen Kapitulation
(September 1945).
Folgen des Krieges: Über 55 Millionen Tote, davon über die Hälfte Zivilisten.
Allein die Sowjetunion hat über 15 Millionen Menschen als Kriegstote zu
beklagen. Das weitgehend zerstörte Europa verliert seine weltpolitische
Führungsrolle.
IV. Rassismus und Vernichtungspolitik
1) Die antisemitischen Grundlagen
Auf der Basis von biologischen Erkenntnissen (Genetik) und Rassentheorien
des 19. Jahrhunderts entwickeln sich in Europa und den USA Diskurse um
Eugenik bzw. „Rassen-Hygiene“, sowie politisch-gesellschaftlicher Rassismus
und Antisemitismus.
Radikalisierung durch Hitler und den Nationalsozialismus. Schlüsselaussagen in
Hitlers „Mein Kampf“: „Rassenkampf“ statt „Klassenkampf“; Unterscheidung
von „kulturschaffendem Arier“ und „zerstörerischem Juden“; messianischer
Aspekt: „Indem ich mich des Juden erwehre, vollende ich das Werk des Herrn“.
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In der Propaganda der NSDAP während der Weimarer Republik dient der
Antisemitismus in erster Linie als ideologischer Kitt für den Zusammenhalt
einer heterogenen Anhängerschaft.
2) Antijüdische Politik der Vorkriegszeit
1933 gibt es im deutschen Reich etwa eine halbe Million Menschen, die der
jüdischen Glaubensgemeinschaft angehören. In der Vorkriegszeit sind
unterschiedliche Konzepte der nationalsozialistischen „Judenpolitik“ erkennbar:
Während die Staatsverwaltung auf die Beseitigung der im Verlauf der jüdischen
Emanzipation erworbenen staatsbürgerlichen Rechte abzielte, betrieben
SS/Gestapo die strikte Separation von Juden und Nichtjuden mit dem Fernziel
einer „Entfernung“ der Juden aus dem „deutschen Volkskörper“.
Seit der „Machtübernahme“ und „Gleichschaltung“ kennzeichnen
Terrorübergriffe auf Juden den deutschen Alltag. Doch der am 1.4.1933
ausgerufene reichsweite antijüdische „Boykott“ zeigt nicht den gewünschten
Erfolg: Die Mehrheit der nichtjüdischen Deutschen lehnt die Terrorakte ab, teils
auch aus Gründen des ökonomischen Eigeninteresses. 1935 „Nürnberger
Rassegesetze“ (Verbot von Heirat und Sexualkontakten zwischen „Rassejuden“
und „Ariern“, wobei die objektive Schwäche der antisemitischen
Rassentheorien dadurch deutlich wird, dass die Konfessionszugehörigkeit der
Vorfahren als Kriterium jüdischer Abstammung genommen werden muss).
1937 Einsetzen der „Arisierung“ jüdischen Besitzes in großem Stil. Forcierung
im Jahr 1938: Am 9. November 1938 bietet die Ermordung eines deutschen
Diplomaten den Anlass für antisemitische Pogromaktionen im gesamten Reich,
weitgehend ohne Proteste der Bevölkerung (nur vereinzelt Kritik an der
sinnlosen Vernichtung von Sachwerten). Massenauswanderung deutscher
Juden, von denen im Verlauf der NS-Herrschaft rund drei Fünftel ihr Leben
durch Flucht ins Ausland retten können. Die deutschen Juden sind damit Stück
für Stück aus allen Lebensbereichen herausgedrängt und isoliert worden.
3) Radikalisierung im Krieg
Seit 1939 werden Juden in Polen im Zusammenhang mit „ethnischer
Flurbereinigung“ in Ghettos gepfercht und als Arbeitssklaven ausgebeutet
(„Vernichtung durch Arbeit“). Insbesondere seit dem Angriff auf die
Sowjetunion werden 1941 von „Einsatzgruppen“ Hunderttausende erschossen.
Auf der „Wannsee-Konferenz“ 1942 wird die „Endlösung der Judenfrage“
(systematische Vernichtung des Judentums im deutschen Machtbereich)
institutionell fixiert. In den Vernichtungslagern Auschwitz, Belzec, Chelmno,
Majdanek, Treblinka und Sobibor wird der fabrikmäßig organisierte
Massenmord an den europäischen Juden durchgeführt. Insgesamt werden
durch den nationalsozialistischen Genozid an den Juden rund 6 Millionen
Menschen getötet.
Weiteren planmäßigen NS-Vernichtungsaktionen fallen zum Opfer: Sinti und
Roma („Zigeuner“); Kranke und Behinderte (Tötung „lebensunwerten Lebens“,
zentral gesteuerte „Euthanasie“-Aktionen, die nach Protesten von Seiten der
Angehörigen und der Kirchen, vor allem Kardinal von Galen, nur noch in
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reduziertem Umfang durchgeführt werden); „Asoziale“; Homosexuelle;
russische Kriegsgefangene (etwa zwei Drittel von insgesamt 5,7 Millionen
werden entgegen dem Kriegsrecht erschossen, verhungern oder sterben wegen
unzureichender Versorgung an Krankheiten).
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