StichwortLiberal IndIvIduaLISmuS - freihe.it - Friedrich

Werbung
Literatur
Kant, Immanuel: Beantwortung der Frage: Was ist
Aufklärung?, (1784, seither viele Editionen).
Weiterhin erschienen aus der Reihe
“StichwortLiberal”
Arbeitsmarkt
Popper, Karl Raimund: Die Offene Gesellschaft und
ihre Feinde, Bd. 1/Bd. 2, UTB, 1992.
Bürgerrechte und Rechtsstaat
von Hayek, Friedrich August: Wahrer und falscher
Individualismus, in: Ders., Gesammelte Schriften,
Abt. A, Bd. 5, Mohr/Siebeck, 2002.
Freiheit
Europa
Gesundheitspolitik
Liberale und Religion
Liberales Bürgergeld
Liberalismus
Markt und Staat
Marktwirtschaft
Privatisierung
Soziale Gerechtigkeit
Steuern
Umweltschutz
Verantwortung
Wettbewerb
StichwortLiberal
Kontakt
Liberales Institut der
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
Karl-Marx-Straße 2
14482 Potsdam
Tel.: 03 31.70 19-2 10
Fax: 03 31.70 19-2 16
[email protected]
www.freiheit.org
Individualismus
Liberale sind Individualisten. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn Inhalt und Ziel des Liberalismus ist die Freiheit des
Einzelnen. Das heißt: Träger der Freiheit, um die es den Liberalen geht, ist das Individuum, nicht ein Kollektiv.
Gewiss gibt es auch Freiheitsrechte, die nur gemeinsam, also
im Kollektiv, sinnvoll wahrgenommen werden können, wie
z. B. das Versammlungs- oder das Demonstrationsrecht. Aber
erstens sind auch hier die Träger der Rechte Individuen, die
entscheiden, ob sie sich versammeln oder demonstrieren wollen oder nicht, und zweitens wird man lange suchen müssen,
bis man unter den Ländern dieser Erde eines findet, wo diese
„kollektiven“ Rechte funktionieren, ohne dass zuvor die individuellen Kernrechte wie z. B. die Meinungs- und Gewissensfreiheit verlässlich gesichert sind. Man kommt also, wenn es
um Freiheitsrechte geht, immer wieder auf das Individuum
zurück.
Aufklärung und Vernunftbegabung
Das hat tiefe und alte kulturgeschichtliche Wurzeln. Die Ideen
der Gottesebenbildlichkeit und Gotteskindschaft im Judenund Christentum, die zentrale Rolle des Einzelnen als Träger von Verantwortung, Moral und Freiheit in der klassischen
griechischen Philosophie: All dies stellte den Menschen als
Individuum in den Mittelpunkt und bildete so die Grundlage
dafür, dass der Liberalismus als Wertesystem und Gedankengebäude gerade im Abendland (in Europa und Nordamerika)
entstanden ist.
Wiederaufgenommen wurden diese antiken Ansätze in der
Aufklärung. Immanuel Kant definiert sie bekanntlich als
den „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten
Unmündigkeit“. Mündigkeit ist die Fähigkeit, für sich selbst
Verantwortung zu übernehmen, ja überhaupt die Fähigkeit zur
Verantwortung, und Verantwortung heißt, für die Folgen seines Handelns einzustehen. In dieser Fähigkeit – und in der
Freiheit, die sie voraussetzt, denn verantwortet werden kann
nur, was man in freier Entscheidung tut – liegt die Würde des
Menschen begründet.
Dass der moderne Liberalismus geistesgeschichtlich ein Kind
der Aufklärung ist, deren Anliegen eben dieser mündige Einzelne war, hat seinen Charakter nachhaltig geprägt. Nicht nur
in der politischen Philosophie findet man bei allen geistigen
Vätern des Liberalismus diese aufklärerische Hochschätzung
des Individuums und seiner Würde, sondern z. B. auch bei
Adam Smith, dessen Wirtschaftsmodell auf dem autonomen
Handeln vieler Einzelner beruht. Auch der freie Markt ist (wie
alles Freie) etwas durch und durch Individualistisches.
Individualismus? Kollektivismus
Egoismus? Altruismus
Im 20. Jahrhundert ist dieses Bild vom Menschen wohl kaum
prägnanter formuliert worden als in dem „Liberalen Manifest“ der Liberalen Internationale von 1947, das mit dem Satz
beginnt: “Man is first and foremost a being endowed with the
power of independent thought and action, and with the ability to distinguish right from wrong.” (Der Mensch ist vor allem
anderen ein Wesen, das mit der Fähigkeit zum unabhängigen
Denken und Handeln ausgestattet ist und dem Sinn zur Unterscheidung von Recht und Unrecht.)
Das äußerst einfache Schema
zeigt Gegensatzpaare: Indi- „Individualismus ist
vidualismus ist das Gegenteil ein Grundstein gesellvon Kollektivismus, nicht von schaftlichen ZusamAltruismus! Anders gesagt:
menlebens.“
Altruismus und Individualis- Anthony de Jasay
mus widersprechen sich überhaupt nicht, sie können ohne
weiteres miteinander verbunden werden. Das Vertauschen der
Begriffe ist ein höchst simpler Trick – und doch fallen zweieinhalbtausend Jahre später noch immer Menschen darauf
herein! (K. R. Popper, The Open Society and its Enemies, London 1945.)
Nach alledem überrascht es nicht mehr, dass der Liberalismus
die größten Chancen und die größte Wirksamkeit dort gefunden hat, wo die kulturelle Tradition dem menschlichen Individuum einen hohen Rang zumisst; in einer solchen Kultur, der
abendländischen, ist er ja auch entstanden. Und umgekehrt
gilt:
wo das Individuum geringgeschätzt wird, hat
es auch der Liberalismus schwer.
Aber auch in „kollektivistischen“ Kulturen finden sich oft –
wenngleich zeitweise verschüttete – individualistische Traditionsstränge. Das ist, bei Licht betrachtet, auch überhaupt
kein Wunder: Denn selbstverständlich gibt es in allen Kulturen
Menschen, die für ihr Recht, ihre Freiheit und ihre Würde eintreten, und ebenso für die ihrer Mitmenschen, als Individuen.
Deshalb gibt es auch überall in der Welt Liberale.
Ein Missverständnis
Und natürlich gibt es auch überall Gegner des Liberalismus.
Die werfen den Liberalen besonders gern vor, ihr Individualismus löse die Menschen aus allen sozialen Bindungen, aus
jeder Gesellschaft und Gemeinschaft heraus und leiste so
dem hemmungslosen Egoismus Vorschub, unterminiere jegliche Solidarität und mache die Menschen gar im eigentlichen
Wortsinne asozial.
Diese Kritik beruht im günstigsten Fall auf einem Missverständnis und im schlimmsten Fall auf arglistiger Täuschung.
Schon Plato hat, wie Karl Popper nachweist, sich dieses intellektuellen Rosstäuschertricks bedient:
Ein anderes Missverständnis verwechselt den „methodologischen Individualismus“ in den Sozialwissenschaften, der mit
der Hypothese des „rationalen Egoisten“ lediglich Theoriemodelle verdeutlichen will, mit einem „normativen Individualismus (bzw. Egoismus)“, dem dann fälschlich die Propagierung
von Rücksichtslosigkeit unterstellt wird.
In Wahrheit verlangt der liberale Individualismus nur eines:
dass die Entscheidung zwischen Egoismus und Altruismus,
zwischen solidarischem und unsolidarischem Verhalten sowie
darüber, welche gesellschaftlichen oder gemeinschaftlichen
Bindungen man eingeht und wie man sie gestaltet, jeder Einzelne selbst treffen soll und dass sie ihm nicht von irgendwelchen Kollektiven aufgezwungen werden darf. Die Bedeutung
von Werten wie Altruismus, Solidarität oder Gemeinschaft
und ihre Geltung als moralische Imperative stellt er überhaupt
nicht in Frage. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Vorwurf,
der Liberalismus mache sich des „Kulturimperialismus“ schuldig, weil er seinen Individualismus auch Gesellschaften aufnötigen wolle, deren Kultur sich mehr an gemeinschaftlichen
als an individuellen Werten orientiert. Auch hier gilt: Ob man
sich solchen Gemeinschaftswerten unterwirft (ob z. B. eine
Frau sich dem Mann oder ein Jüngerer dem Älteren unterordnet, weil das in dieser Gesellschaft der tradierten Kultur entspricht), soll jede(r) selbst entscheiden können – solange sie es
freiwillig tun, ist nichts dagegen einzuwenden. Nur gezwungen
werden darf niemand, auch nicht im Namen einer Kultur oder
Tradition. Genauso illiberal wäre es aber auch, Menschen durch
Zwang zur Abkehr von freiwillig befolgten Gemeinschaftswerten zu veranlassen.
Herunterladen