Was bringen erhöhte Fress-Stände?

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Stallbau
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Einbau von erhöhten Fress-Ständen in zwei Tagen: Zunächst hat
Familie Färber den Laufgang und den Antritt gesäubert.
Danach haben sie einen Flügel vom Mistschieber abgebaut,
um diesen an die neue Laufgangbreite anzupassen.
Was bringen
erhöhte Fress-Stände?
Rainer Färber setzt auf erhöhte Fress-Stände. Das Besondere: Er hat sie
im laufenden Betrieb nachgerüstet. Seine Kühe danken es ihm. Es berichten
Prof. Dr. Barbara Benz und Silke Ehrmann von der Hochschule Nürtingen.
A
ls Rainer Färber im Jahr 2008 seinen neuen Kuhstall baute, hatte
er eigentlich alles richtig gemacht. Dennoch hat er rund fünf Jahre
später noch einmal den kompletten
Fressgang umgekrempelt. „Ich war mit
der Klauengesundheit der Tiere nicht
zufrieden. Jetzt läuft es deutlich bes-
ser“, sagt der Milcherzeuger aus Süßen
in Baden-Württemberg. Was war los?
Klauen baden im „Güllesee“.In dem
dreireihigen Offenfrontstall laufen die
130 Fleckviehkühe auf planbefestigten
Betonböden und liegen in Tiefboxen mit
Strohmatratze. Über vier Quergänge
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Die Milcherzeuger haben Löcher in Betonelement und Laufgang
gebohrt, Stahlstifte eingeschlagen und die Elemente so fixiert.
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kommen sie vom 3,80 m breiten Fressgang auf die andere Stallseite. Der 60 m
lange Futtertisch hat ein Fressgitter. Die
Fressplatzbreite beträgt 75 cm pro Tier,
das Tier-Fressplatz-Verhältnis 1,5 : 1,0. Vor
dem Fressgitter ist ein 10 cm hoher und
40 cm breiter Antritt eingebaut.
Die frische Ration legt Färber jeden
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Über die Antrittsfläche bzw. über das Betonelement haben
Färbers eine Gummimatte verlegt.
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Die vorgefertigten Betonelemente haben Färbers mit dem Radlader in den Stall gefahren und direkt vor den Antritt gelegt.
aber nur zu den Melkzeiten laufen zu
lassen, ist zu wenig.“ Zudem störten ihn
die Rangkämpfe und Verdrängungen am
Fressgitter, mit denen vor allem die jüngeren Kühe zu kämpfen hatten.
Bittere Konsequenz: Trotz dreimaliger Klauenpflege im Jahr litten etwa die
Hälfte aller Kühe an Ballenhornfäule.
Zudem erreichten nicht alle Kühe eine
optimale Futteraufnahme.
Im Sommer 2013 entschied sich Färber
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Die Standfläche für die Kühe ist 160 cm lang. Sie ist
10 cm plus Gummimatte höher als der Laufgang.
dazu, nachträglich erhöhte Fress-Stände
mit Trennbügeln einzubauen. Diese
sollten den Kühen mehr Komfort beim
Stehen im Fressgitter bieten, vor dem
Mistschieber schützen und verhindern,
dass einzelne Kühe andere beim Fressen
verdrängen. Der Clou: Färber hat die erhöhten Fress-Stände auf der Länge von
60 m im laufenden Betrieb nachgerüstet – und das in nur zwei Tagen!
Dazu ist er schrittweise vorgegangen
Fotos: Photomera
Morgen vor, mehrmals täglich schiebt
er das Futter nach, mittags füttert er
zusätzlich noch Heu. Kraftfutter gibt es
über den Transponder. Der Mistschieber läuft neunmal pro Tag.
Alles gut, sollte man meinen. Doch
Färber merkte schon kurz nach dem Einzug eine Klippe: „Ich wusste nicht, wann
ich die Schieber laufen lassen sollte.
Wenn die Kühe fraßen, badeten die
Klauen in einem Güllesee. Die Schieber
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Zum Schluss hat die Familie an jedem zweiten Fressplatz einen Bügel
montiert, um Verdrängungen zu vermeiden.
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Stallbau
Übersicht 1: Fressverhalten im Vergleich
vorher
nachher
Anz. Fressperioden
7,7
6,4
Länge/Periode, min
40,0
50,4
Fresszeit insg., min.
277,5
316,1
Die Kühe fressen seltener, dennoch
steigt die Fresszeit.
(vgl. Bilder-Strecke): Zunächst hat der
Milcherzeuger den Fressgang sowie die
Antrittsfläche vor dem Fressgitter gereinigt. Danach hat die Familie den Mistschieber auf die schmalere Gangbreite
angepasst. Dazu haben sie einen Flügel
des Breitschiebers demontiert.
Für die Fressstände haben Färbers Betonelemente vorgefertigt. Diese sind
110 cm lang, 120 cm breit und 10 cm
hoch. Die Elemente hat die Familie mit
dem Schlepper bzw. Radlader in längsrichtung vor die vorhandene Antrittsfläche am Fressgitter verlegt und mit
Drahtstiften fixiert. Zum Laufgang hin
haben sie ein Gefälle von 2 %. Anschließend haben Färbers eine Gummimatte
über Antrittsfläche und Betonelement
gelegt und fixiert. Zum Schluss haben
sie an jedem zweiten Fressplatz einen
Trennbügel montiert.
Kühen fressen länger.Die Kühe ha-
ben die „neuen“ Fressplätze von Anfang
an gut angenommen, vermutlich weil
sie ähnlich aufgebaut sind wie die Liegebox. „Schon nach zwei Tagen blieben
alle Kühe beim Fressen stehen – und
das, obwohl der Schieber jetzt jede
Stunde läuft“, sagt Färber. Er kann jetzt
zu jeder beliebigen Zeit füttern oder
Futter nachschieben und muss nicht
mehr darauf achten, dass der Schieber
frühestens zwei Stunden nach der Futtervorlage läuft.
Wie sich der Umbau auf das Fressverhalten der Kühe ausgewirkt hat, untersuchte die Hochschule Nürtingen in einer Bachelorarbeit. Dazu hat sie zehn
Tiere drei Tage lang rund um die Uhr
beobachtet (vor und nach dem Umbau).
Das Ergebnis ist erstaunlich: Die Anzahl an Fressperioden hat sich im
Schnitt um 16 % auf 6,4 pro Tier und Tag
reduziert. Die Länge pro Fressperiode
hat sich aber um 25 % auf 13,3 Minuten
erhöht, die Gesamtfresszeit hat um 14 %
Übersicht 2: Ranghöhere Kühe profitieren stärker von Fress-Ständen
Anzahl Fressperioden, Tier/Tag
50
40
- 26%
30
20
10
0
vorher nachher
Dauer pro Fressperiode, min.
20
18
16 + 64%
14
12
10
8
6
4
2
0
vorher nachher
350
Fresszeit gesamt,
min./Tag
300
+16%
Anzahl Fressperioden, Tier/Tag
50
- 30%
250
40
200
30
150
20
100
10
50
0
vorher nachher
0
Tiere mit hoher Laktationsnummer
vorher nachher
20
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
Dauer pro Fressperiode, min.
350
Fresszeit gesamt,
min./Tag
300
+ 8%
250
+ 42%
200
150
100
50
vorher nachher
0
vorher nachher
Tiere mit niedriger Laktationsnummer
Ranghohe und rangniedrige Kühe haben mit den erhöhten Fress-Ständen bei der Fresszeit zugelegt, die Unterschiede bleiben aber.
Übersicht 3: Kühe mit hoher Milchleistung legen bei Fresszeit mehr zu
50
40
- 42%
30
20
10
0
vorher nachher
Dauer pro Fressperiode, min.
20
18
16 + 110%
14
12
10
8
6
4
2
0
vorher nachher
350
Fresszeit gesamt,
min./Tag
300
+ 28%
Anzahl Fressperioden, Tier/Tag
50
250
40
200
30
150
20
100
10
50
0
Tiere mit hoher Milchleistung
- 30%
vorher nachher
0
vorher nachher
20
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
Dauer pro Fressperiode, min.
350
300
Fresszeit gesamt,
min./Tag
+8%
250
+42%
Grafiken: M. Höner
Anzahl Fressperioden, Tier/Tag
200
150
100
50
vorher nachher
0
vorher nachher
Tiere mit niedriger Milchleistung
Zwar fressen beide Gruppen länger, doch Kühe mit hoher Milchleistung profitieren stärker als Kühe mit niedriger Milchleistung.
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auf 316 Minuten zugelegt (Übersicht 1).
Neben dem Durchschnitt untersuchte die Bachelorarbeit auch Unterschiede im Fressverhalten in Abhängigkeit von Rangordnung und Milchleistung der Kühe vor und nach dem
Umbau. Die Einteilung erfolgte in niedrige (ein bis zwei Laktationen) und hohe
Lakatationsnummer (mehr als zwei
Laktationen) sowie hohe (mehr als 25 kg
Tagesgemelk) und niedrige Milchleistung (unter 25 kg Tagesgemelk).
Ergebnis: Die rangniederen Kühe (bis
zwei Laktationen) profitieren von den
erhöhten Fress-Ständen. Sie steigern die
Gesamtfressdauer um 8 % auf 287 Minuten. Allerdings legen die ranghöheren
Tiere stärker zu, um 16 % auf 325 Minuten. Die Anzahl an Fressperioden hat
sich bei beiden verringert (Übers. 2).
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei einer Einteilung nach Milchleistung: Unabhängig von der Leistung ist die Anzahl an Fressperioden gesunken. Die
höherleistenden Kühe haben bei der
Gesamtfressdauer dennoch um 28 % auf
325 Minuten zugelegt. Die Kühe mit
niedriger Milchleistung profitierten nur
um 8 % auf 310 Minuten (Übersicht 3).
Der Einbau der erhöhten Fress-Stände
hat sich somit im Fressverhalten aller
Kühe bemerkbar gemacht: Die Anzahl
an Fressperioden geht zurück, dafür
steigt die Dauer pro Fressperiode und
die gesamte Fresszeit. Allerdings bleiben die Unterschiede: Ranghöhere bzw.
Kühe mit hoher Milchleistung fressen
spürbar länger.
Die genauen Kosten des Umbaus
kann Färber nicht benennen, die Montage erfolgte in Eigenleistung. Er ist sich
aber sicher: „Das war gut angelegtes
Geld.“
Auch mehr Milch?Doch Färber ist
lich erhöhte Fress-Stände
eingebaut – in zwei Tagen.
überzeugt, dass sich der Einbau auch für
die rangniederen bzw. Kühe mit niedriger Milchleistung bezahlt gemacht hat:
„Wir haben die Milchleistung seitdem
gesteigert. Das gelingt nur, wenn die
ganze Herde mitzieht, vor allem die
Erstlaktierenden halten die Milch jetzt
länger.“ Die Bachelorarbeit hat diesen
Aspekt nicht untersucht.
Sicher hat die bessere Klauengesundheit zu der höheren Milchleistung beigetragen: Der Anteil an Kühen mit Ballenhornfäule hat sich nach Schätzungen des
Milcherzeugers drastisch reduziert, Mortellaro ist von 15 auf 5 % zurückgegangen
und Defekte an der Weißen Linie treten
kaum noch auf. Färber führt das auf die
deutlich trockenen Klauen zurück.
Schnell gelesen
• Rainer Färber hat nächträg-
• Er hat Betonelemente mit
Stahlstiften im Fressgang
fixiert und darüber Gummi
verlegt.
• Die Anzahl an Fressperioden
der Kühe ist zurückgegangen,
die Fresszeit pro Periode
sowie die Gesamtfresszeit
haben sich aber erhöht.
• Ranghöhere und Kühe mit
hoher Milchleistung haben
stärker profitiert.
• Insgesamt hat sich die Klau-
engesundheit und Milchleistung aller Kühe verbessert.
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