Erbrechen und Übelkeit - schlehen

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Adam Wille, Schlehen-Apotheke Leipzig – 01.12.2011
Erbrechen und
Übelkeit
Was rein geht,
geht auch wieder heraus…
Erbrechen und Übelkeit
Abbildung aus dem
Tacuinum Sanitatis,
14. Jahrhundert
Übelkeit und Erbrechen
• Übelkeit:
– Gefühl des Erbrechens OHNE ERBRECHEN selbst!
(“flaues Gefühl im Magen”)
• Erbrechen:
– schwallartige Entleerung von Magen und/oder
Speiseröhre entgegen der “natürlichen Richtung”
• wo liegt das Problem?
− Flüssigkeits- und Elektrolytverlust (“Cola&Salz”)
Übelkeit und Erbrechen
Übelkeit und Erbrechen
• Steuerung durch Brechzentrum im Hirn
• vielerlei Auslöser für Brechreflex
– physikalisch: Hirndruckanstieg
– chemisch: Substanzen im Blut
– Reizung von Rachen- und Magenschleimhaut
– Reizung von Geruchs- und Geschmacksorgan
– Reizung des Gleichgewichtsorgans
– optische und akustische Reize
Übelkeit und Erbrechen
Estler: Pharmakologie
und Toxikologie:
Lehrbuch für
Mediziner,
Veterinärmediziner,
Pharmazeuten und
Naturwissenschaftler.
1995, S. 404
Übelkeit und Erbrechen
• am Brechreflex beteiligte körpereigene
Überträgerstoffe (Transmitter/Hormone)
Substanz P
Serotonin
Histamin
Brechreflex
Endorphine
Acetylcholin
GABA
Dopamin
Übelkeit und Erbrechen
• wichtigste klinische Formen
– postoperative Übelkeit & Erbrechen (PONV)
– chemotherapie-induziertes Erbrechen
– Erbrechen bei Infektionen des Verdauungstraktes
– opioid-induziertes Erbrechen
– Vergiftungen (Alkohol!)
– Schwangerschaftserbrechen
– stenotisches Erbrechen (Speiseröhre, Magen, Darm)
– Migräne
Übelkeit und Erbrechen
• stenosierte Speiseröhre I
http://www.endoskopiebilder.de
Übelkeit und Erbrechen
• Speiseröhre I nach Bougierung
http://www.endoskopiebilder.de
Übelkeit und Erbrechen
• stenosierte Speiseröhre II nach Verätzung
http://www.endoskopiebilder.de
Übelkeit und Erbrechen
• Speiseröhre II 1 Woche nach Verätzung
http://www.endoskopiebilder.de
Übelkeit und Erbrechen
• “Erbrechen als Therapie”?
– Intoxikationen
• Verminderung der sonst aufgenommenen Giftmenge
• nicht bei:
– Säuren & Laugen
– schäumenden Substanzen
– bewusstlosen Patienten
– Bulimia nervosa
• “Therapie”?
− Abwehr von Erregern (Bsp. Norovirus)
Übelkeit und Erbrechen
• PONV:
– engl. “post-operative nausea and vomiting”
– durchnittliches Vorkommen: ~ 30%
– diverse Risikofaktoren
• lassen sich vor OP beurteilen
– entsprechender Umgang mit Anästhesie, je
nachdem wie hoch PONV-Risiko liegt
Übelkeit und Erbrechen
• PONV:
– Risikofaktoren seitens Patient:
• weibliche Patienten: 3fach höheres Risiko
• Nichtraucher: 2fach höheres Risiko
• Schon mal PONV in der Vergangenheit erlebt?
• junge, sonst eher gesunde Patienten
Übelkeit und Erbrechen
• PONV:
– Risikofaktoren seitens Operation/Anästhesie:
• Allgemeinanästhesie: 5fach höheres Risiko
• Verwendung von inhalativen Anästhetika/Lachgas
• intraoperative und/oder postoperative
Verwendung von Opioiden zur Schmerzstillung
• Länge der Operationsdauer
Übelkeit und Erbrechen
• PONV:
– nach Möglichkeit daher:
• Regionalanästhesie statt Allgemeinanästhesie
• keine Verwendung von inhalativen Anästhetika,
dafür total intravenöse Anästhesie (TIVA, →
Kombination aus Schlafmittel + Schmerzmittel)
• sparsamer Gebrauch von Opioiden post-OP
• und:
Prophylaxe mit antiemetisch
wirksamen Substanzen!
Übelkeit und Erbrechen
Medikamentöse
Therapie
von Übelkeit
und Erbrechen
Übelkeit und Erbrechen
• Antiemetika:
– freiverkäufliche Antiemetika:
• Dimenhydrinat (Vomex A®, Reisetabletten®)
– Blockierung von Histamin im Brechzentrum
– milde Wirkung gegen Übelkeit & Erbrechen
– Einsatz vor allem bei Reiseübelkeit durch
Gleichgewichtsschwankungen
– Nebenwirkungen:
Mundtrockenheit, verstopfte Nase, Muskelschwäche,
Benommenheit, Schwindel, erschwertes Wasserlassen
Übelkeit und Erbrechen
• Antiemetika:
– freiverkäufliche Antiemetika:
• Dimenhydrinat (Vomex A®, Reisetabletten®)
– gerade für Kinder bewährter Wirkstoff, bis in’s
Säuglingsalter ab 6kg erprobt
– auch in Zäpfchen (Anwendung?)
– für (Klein-)Kinder geschickte
Aufmachung in Form von
Kaugummis
(sonst oft erschwertes Einnahmeproblem)
Übelkeit und Erbrechen
• Antiemetika:
– freiverkäufliche Antiemetika:
• Vitamin B6
– Einsatz nur bei Schwangerschaftserbrechen
(Hyperemesis gravidarum)
– therapeutischer Effekt und Stellenwert fraglich
– eher Versuch als echte Therapieoption
Übelkeit und Erbrechen
• Antiemetika:
– alle weiteren (bekannten) Arzneimittel gegen
Übelkeit ab hier verschreibungspflichtig,
unterliegen der Verordnung durch einen Arzt!
– außer:
• pflanzlichen Arzneimitteln (Ingwer)
• homöopathischen Arzneimitteln (Cocculus)
• Nichtarzneimitteln
• …
Übelkeit und Erbrechen
• Antiemetika:
– NICHT freiverkäufliches Antiemetikum bei
Reisekrankheit:
• Wirkstoff Scopolamin (Scopoderm TTS®)
– Pflaster mit antiemetischer Wirkung
– wird in Ohrnähe geklebt
– teils sehr ausgeprägte
Nebenwirkungen
Übelkeit und Erbrechen
• Prokinetika:
– Metoclopramid (“MCP”, Paspertin®)
• Blockierung von Dopamin im Brechzentrum
• Prokinetikum:
beschleunigt Magenentleerung in natürliche Richtung
• Dosierung von Tropfen kann von Anbieter zu Anbieter
unterschiedlich sein, bspw.:
– Paspertin:
– MCP Ratiopharm:
jeweils 30 Tropfen
jeweils 45 Tropfen
 jeweils genutztes Präparat im Klinikum beachten
 Vermeiden von pauschalen Denkweisen und Aussagen
wie “ MCP immer 30 Tropfen”
Übelkeit und Erbrechen
• Prokinetika:
– Metoclopramid (“MCP”, Paspertin®)
• Einnahme bis zu 30min vor Mahlzeit! (warum?)
• wichtigste Nebenwirkung:
Verstärkung von Parkinson-Symptomen
 keine Gabe bei bekannten Parkinson-Patienten!
 hier besser:
– Domperidon (Motilium®)
• Wirkweise identisch mit MCP, aber schwächer wirksam
• keine ZNS-Nebenwirkungen (Parkinsonoid, Müdigkeit)
Übelkeit und Erbrechen
• Prokinetika:
– Metoclopramid (“MCP”, Paspertin®)
– Dyskinesien bei MCP sicher Raritäten, aber möglich!
(v.a. im Langzeit-Gebrauch >3 Monate)
– im Akutfall Akineton® (Biperiden) als Gegenmittel
Übelkeit und Erbrechen
• Prokinetika:
– Erythromycin
• eigentlich Antibiotikum, dort jedoch Verwendung im
höheren Dosisbereich
• neben antibiotischer Wirkung wird auch
Magenentleerung gefördert
• Einsatz vor allem bei Diabetes-bedingter
Magenlähmung (diabetische Gastroparese)
und im intensivmedizinischen Bereich
• Einsatz eher auf therapieresistente
Entleerungsstörungen (kein MCP-Ansprechen)
beschränkt, oftmals jedoch in letzter Instanz wirksam!
Übelkeit und Erbrechen
• Antiemetika:
– Neuroleptika (“Nervendämpfer”)
• ganze Wirkstoffklasse vergleichbar wirksam, kein
bestimmter Wirkstoff hervorzuheben
• Blockierung von Dopamin im Brechzentrum
• sonst hauptsächlich in der psychiatrischen Therapie
beheimatet
• Antiemesis eher “Nebenwirkung”
• haben zusätzlich sedierenden Effekt
• häufiger als bei MCP ZNS-Nebenwirkungen möglich,
die zu Bewegungsstörungen führen können
Übelkeit und Erbrechen
• Antiemetika:
– Neuroleptika
• Bsp. für antiemetisch eingesetzte Neuroleptika
– Promethazin (Atosil®, Prothazin®)
– Haloperidol (Haldol®)
– Droperidol (Xomolix®)
– Alizaprid (Vergentan®)
– Tiaprid (Tiapridex®)
• können Dyskinesien hervorrufen
Übelkeit und Erbrechen
• Antiemetika:
– “Setrone”:
• Blockierung von Serotonin ( Namensgebung
“Setron”) im Brechzentrum
• derzeit potenteste Wirkstoffe für den breiten Einsatz
• Anwendung bei allen Varianten heftigen akuten
Erbrechens
– postoperative Übelkeit & Erbrechen
– Erbrechen bei Chemotherapie
– Schwangerschaftserbrechen
(Hyperemesis gravidarum)
Übelkeit und Erbrechen
• Antiemetika:
– “Setrone”:
• Ondansetron (Zofran®, Ondansetron Hexal®, …)
• Dolasetron (Anemet®)
• Tropisetron (Navoban®)
• Granisetron (Kevatril®, Granisetron Hexal®, …)
• Palonosetron (Aloxi®)
allesamt vergleichbar starke Wirkung,
Palonosetron evtl. etwas stärker wirksam
Übelkeit und Erbrechen
• Antiemetika:
– Dexamethason (“Dexa”, Fortecortin®):
• Einsatz bei postoperativer Übelkeit & Erbrechen
und zur Emesisprophylaxe bei Chemotherapien
• Wirkmechanismus weitgehend unklar
• andere Corticoide wirken auch,
werden aber kaum eingesetzt
• typische antiemetische Dosen: 4mg und 8mg
• Nebenwirkungen:
– v.a. Blutzuckerspiegel-Beeinflussung
– perianale Irritationen bei zu schneller Injektion
(Juckreiz, Brennen)
Übelkeit und Erbrechen
• Antiemetika:
– Aprepitant (Emend®, Ivemend®)
• neuartigste antiemetische Substanz, seit Ende 2003
• Wirkmechanismus nicht komplett erschlossen,
aber komplexer als derer anderer Antiemetika
• Einsatz nur bei chemotherapiebedingtem Erbrechen in
Kombination mit anderen Antiemetika ( Kombination
Emend/Ivemend + Ondansetron + Dexamethason)
• lediglich dreitägige Gabe ab Tag des Chemo-Beginns
– Tag 1: 120mg
– Tag 2: 80mg
– Tag 3: 80mg
Übelkeit und Erbrechen – chemotherapie-induziert
• chemotherapie-induziertes Erbrechen
– akute(s) Erbrechen und Übelkeit
• 0h – 24h nach Chemotherapie-Gabe
– verzögerte(s) Erbrechen und Übelkeit
• 24h – 120h nach Chemotherapie-Gabe
– antizipatorische(s) Übelkeit und Erbrechen
• Zeitpunkt nicht einheitlich
• Erbrechen allein aus Angst vor Chemotherapie oder
Gewohnheit des Erbrechens heraus (psychisch)
Übelkeit und Erbrechen – chemotherapie-induziert
• chemotherapie-induziertes Erbrechen
verzögert
akut
Emetogene Potenz von Zytostatika (i.v.- appliziert)
Potenz
Wirkstoffe
Hoch >90%
Cisplatin
Cyclophosphamid (> 1500mg/m²)
Dacarbazin
Lomustin
Moderat 30% - 90%
Carboplatin
Irinotecan
Doxorubicin
5- FU
Gering 30% - 10%
Docetaxel
Minimal < 10%
Bleomycin
Busulfan
Vincristin
Hormone
Übelkeit und Erbrechen – chemotherapie-induziert
• chemotherapie-induziertes Erbrechen
Übelkeit und Erbrechen – chemotherapie-induziert
• chemotherapie-induziertes Erbrechen
– v.a. beim akuten Erbrechen wirksam:
alle “Setrone”
• Gabe fast ausschließlich am Tag der Chemotherapie
– v.a. beim verzögerten Erbrechen wirksam:
Dexamethason (Fortecortin®)
Aprepitant (Emend®)
• Gabe deshalb auch an Folgetagen der Chemotherapie
Übelkeit als UAW von Arzneimitteln
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•
•
•
•
•
•
•
Opioide
Zytostatika
Nicht- steroidale Antirheumatika
Antibiotika
Eisen
L- Dopa
Orale Antidiabetika
Glucocorticoide
Exkurs: Sodbrennen, Gastritis, Ulkus
• Sodbrennen: Speiseröhrensphinkter schließt nicht
richtig → Reflux von Magensäure
→ Verätzung + Entzündung
• Gastritis: Entzündung der Magenschleimhaut, Bildung
von Erosionen, Beeinflussung der
Prostaglandinsynthese
• Ulcus: Geschwür in der Schleimhaut des Magens
(Ulcus ventriculi)/ des Zwölffingerdarm (Ulcus duodeni)
• Gastritis- Ursachen: A- autoimmun 3- 6%
B- bakteriell
50- 90%
C- chemisch
10- 50%
Gastritis durch Helicobacter pylori
• Eradikationstherapie:
1. Wahl: „italienische“ Triple- Therapie
• Über 7 Tage: PPI
Clarithromycin
Metronidazol
2. Wahl: „französische“ Triple- Therapie
• Über 7 Tage: PPI
Amoxicillin
Clarithromycin
oder Reservetherapie bei Resistenzen: Quadrupel- Therapie
Pharmakotherapie bei magensäureassoziierten Erkrankungen
Therapiestrategien
– Verminderung der Magensäuresekretion
H /K - ATPase)
+
+
• Protonenpumpenhemmer (PPI)
• H2- Rezeptor- Antagonisten
• M- Rezeptor- Antagonisten
– Rekonstitution des Schleimhautschutzes
• Sucralfat
• Prostaglandin-E- Derivate
• Bismutsalze
– Pufferung der Magensäure
• Antazida
(Hemmung der
Wirkstoffe
Protonenpumpenhemmer
• Hemmen irreversibel H+/K+- ATPase
• Magensaftresistenter Überzug → Freisetzung im Duodenum
• Nüchtern einnehmen (1h vor einer Mahlzeit)
• Maximale Säurehemmung nach 3- 4 Tagen
–
–
–
–
–
Omeprazol (Antra®)
Pantoprazol (Pantozol®)
Lansoprazol (Agopton®)
Rabeprazol (Pariet®)
Esomeprazol (Nexium®)
H2- Rezeptorantagonisten
• Konkurrieren mit Histamin um Rezeptor und hemmen
die HCl-Freisetzung
• Geringere Potenz im Vergleich zu PPI, 2. Wahl
• Toleranzentwicklung möglich → Wirkverlust
• Indikation: Magen-, Duodenalulzera, Refluxösophagitis,
Sodbrennen
Ranitidin (Zantic®)
Femotidin (Pepdul®)
Muskarinrezeptorantagonisten
• Hemmen Muskarinrezeptoren am N. Vagus → weniger
Histamin freigesetzt, Belegzellenfunktion vermindert
• Indikation: Prophylaxe arzneimittelbedingter
Schleimhautschäden, Gastritis, dyspep. Beschwerden
• Nebenwirkungen: anticholinerg: Mundtrockenheit,
Akkomodationsstörungen
• Sehr selten eingesetzt
Pirenzepin (Gastrozepin®)
Antazida
• Verbindungen aus mehrwertigen Metallionen
(Ca2+, Mg2+, Al3+)
• Wirken über Neutralisation säurepuffernd, absorbieren
Gallensäure, fördern Schleim- & Hydrogencarbonatsekretion
• Wirken schnell und kurz → keine Dauertherapie
• Ind.: Dyspepsie, Sodbrennen und andere säurebedingte
Erkrankungen, (nicht bei Ulkus)
• NW.: Al → Obstipation
Mg → Diarrhö
(nicht zusammen mit Zitrusfrüchten/Säure)
• Einnahme 1- 2h nach den Mahlzeiten und zur Nacht
• Häufige WW 9
2- 3h Abstand zu anderen AM
Antazida – Präparate
Rennie®
Ca- carbonat, Mg- Carbonat
Maaloxan®
Al-oxid, Mg- hydroxid
Simagel®
Al- Mg- silikathydrat (Almasilat)
Talcid®
Al- Mg- hydroxid- carbonathydrat
Riopan®
Al- Mg- hydroxid- sulfathydrat
Gaviscon®
Na- Alginat, Kaliumhydrogencarbonat
Protektiva der Schleimhaut (Mukosaprotektiva)
• Sucralfat (Ulcogant®)
– Basisches Bismutsalz des Saccharosesulfates
– Wirkt nur im Sauren (keine Kombination mit PPI,...)
– Steigert die Schleim- und Hydrogencarbonatproduktion
– Absorbiert Gallensäure
• Indikation: galliger Reflux, Stressulkusprophylaxe
• Nebenwirkung: Obstipation
hoher Aluminiumgehalt → u.U. AlIntoxikation (Enzephalopathie)
• Einnahmeabstand zu anderen
Arzneimitteln: 1-3h
Misoprostol
• Prostaglandin , kein FAM in Dtl am Markt→ fördert Bildung von
hydrogencarbonathaltigem Schleim und hemmt
Säuresekretion
• Wirkt am gesamten GIT
• Häufige Nebenwirkungen! (KS, Diarrhö )→ Reservemittel
• KI: Schwangerschaft/ Stillzeit
Bismutsalze
• Antimikrobiell, schleimhautprotektiv
• In Kombination zur Eradikation von H. pylori
• NW: Schwarzfärbung des Stuhls
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