Aufs Korn gekommen: Brot

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Aufs Korn gekommen: Brot
von Brigitte Neumann
Unser täglich Brot ist seit Jahrtausenden das Synonym für Nahrung schlechthin. Doch beim Anblick wogender Getreidefelder und voller Kornspeicher macht
sich kaum jemand Gedanken, wie unsere Vorfahren überhaupt auf die Idee kamen, die Samen der unergiebigen Gräser zu ernten, zu mahlen und zu Brot zu
verbacken. Bevölkerungswachstum, die Dezimierung des Wildes in den Wäldern, Sterben der Eichen, die die nahrhaften Eicheln lieferten - wir wissen nicht,
was es war, aber wir wissen aus Skelettfunden, dass die Umstellung auf die Körnerkost die Lebenserwartung der Menschen drastisch reduzierte. Nicht ernährungswissenschaftliche Weisheit, sondern die pure Not zwang sie, buchstäblich
ins Gras zu beißen. Reichlich war die Ernte der paar mickrigen Körner in den
Halmen gewiss nicht, noch dazu schwer verdaulich. Aber sie reichte aus, den
Hungernden erst einmal das Überleben zu sichern. Bis Anbautechniken zur Aussaat im Frühjahr entwickelt waren und durch gezielte Auswahl allmählich ertragreichere Sorten zur Verfügung standen, verging allerdings noch viel Zeit.
Nicht zum Fressen gern
Ebenso groß war die Herausforderung, aus den Grassamen bekömmliche
Nahrung zuzubereiten. Schließlich ist der Mensch weder mit Kropf und Muskelmagen (wie die Hühnervögel), noch mit einem komplizierten Magensystem (wie
die Wiederkäuer) ausgestattet. Sein Verdauungstrakt unterscheidet sich wesentlich von dem der beiden größten Tiergruppen, die größere Mengen Getreide
schadlos vertilgen können. Im Gegensatz zu Mehlmotten oder Kornkäfern besitzt er keine speziellen Enzyme für den Abbau von unverträglichen Stoffen.
Deshalb musste der Mensch viel ausprobieren bis er die Getreide- und Grassamen seinem Verdauungstrakt angepasst hatte. Er entwickelte spezielle Verarbeitungstechniken, die ihm den Nährwert des Getreides aufschlossen. In allen
Kulturen der Welt wurde Getreide zwischen zwei Reibsteinen zu relativ feinem
Mehl gemahlen. Aus dieser Urmühle entwickelten sich im Laufe der Zeit Mühlen,
die mit Wind, Wasser oder Pferden betrieben wurden.
Aus Roggen- und Weizenmehl buk man seit jeher Fladen und Brote. Vermutlich schon im 5. Jahrtausend vor Christus war die Teigsäuerung bekannt. Funde
am Neuenberger See zeigen, dass bereits damals lockere Brote in der Asche
Getreide, Mehl, Brot
• Wer buk das erste
Brot? !
3
• Weißmehl: so alt wie
Brot !
4-6
• Vollbremsung für
Vollkorn !
7-9
• Ballaststoffe: Probe
aufs Exempel
• Phytin !
10
11-12
Gentechnik aktuell
• Kreuz und quer durchs
Internet
13-15
Facts and Artefacts
• Leukämie durch Fla­
vonoide
• Getreideseuche
• Gemischter Anbau
statt Gentechnik
• Wildreis bald für
jedermann
• Mehle à la Dior
• Honig auf Wunden
Kurznachrichten
• Impfen verbreitet
MKS
des Feuers gebacken wurden. Später baute man Backöfen, aus denen die Asche
vor dem Einschieben des Brotes aus dem Backraum entfernt werden musste.
Bis ins letzte Jahrhundert galt die Getreidekleie als wertloses Abfallprodukt,
das höchstens in Notzeiten mitgegessen wurde. Schon bei den Griechen und
Römern gab es neben der Kleie drei Mehlsorten: Das feinste Weißmehl, cribrum
pollinarum, machte etwa ein Drittel der gesamten Mehlmenge aus und wurde
nicht nur zum Backen, sondern wohl auch zur Herstellung von Kleber genutzt.
Das Mehl mittlerer Qualität hieß simila oder similago. Das ist das lateinische
Wort für Weißmehl, das seinerseits aus dem Assyrischen übernommen wurde
und bis heute in dem Wort „Semmel“ weiterlebt. Die beiden genannten Mehlty­
pen wurden vom similiginarus, dem Weißbrotbäcker zu panis candidus verarbei­
tet. Die schlechteste Mehlqualität war das cibarium oder secundarium, das
reichlich Kleie enthielt. Es gab sogar ein reines Kleiebrot, das panis fufureus.
Das fand als Hundefutter Verwendung.
Auch die heilkundige Mystikerin des Mittelalters, Hildegard von Bingen hebt
den Wert des weißen Dinkelmehls zum Brotbacken besonders hervor und emp­
fiehlt das „simila“ (Semmelmehl). Auf dem Lande wurde dunkleres Brot geges­
sen als in der Städten. Jedoch nicht die Kleie, sondern spezielle Nachmehle
färbten die Roggenbrote der Landbevölkerung dunkler. Zum Festtagsschmaus
zählte aber auch hier das helle Weizengebäck.
Kopf oder Bauch
Der Paradigmenwechsel trat erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts ein. Nicht
mehr das, was gut schmeckte und bekömmlich war, galt fortan als gesund, son­
dern das, was aufgrund von chemischen Analysen gesund sein musste. Justus
von Liebig war es, der den Nährwert der Kleie in Form von stickstoffhaltigen Ver­
bindungen entdeckte. Er legte damit einen Grundstein für die These vom gesun­
den Vollkornbrot. Erst die Vollwertbewegung brachte den Menschen auf die Idee,
nicht mehr aus purem Hunger, sondern aus Gesundheitsgründen freiwillig die
Kleie mitzuessen. „Lasst eure Nahrung so natürlich wie möglich“ hatte der Vater
der Vollwertkost, Professor Werner Kollath, an die Ärzte appelliert. Aber was bitte
ist „natürliche Nahrung“? Eingeweichte Körner oder unser täglich Brot?
Herausgeber:
Europäisches Institut für Lebensmittel- und
Ernährungswissenschaften (EU.L.E.) eV.
Amselweg 7, D-65239 Hochheim
Internet: http://www.das-eule.de
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Wer buk das erste Brot?
Von Sagen umwoben ist der Ursprung des täglichen Brotes. Glaubt man den Darstellungen, war es
nicht Menschenwerk, sondern eine Göttergabe. Mal
erfand die griechische Demeter den Ackerbau, mal
der aztekische Mais-Gott Tezanthe. Auch orientalische Gottheiten lehrten die Menschen, Korn zu säen
und zu ernten. Im Lande Sumer bat Enki, der Gott
der Weisheit, die Erdmutter, dem schwächlichen
Menschen Brot zu geben. Aber ließ göttliche Weisheit unsere Vorfahren duftendes Brot backen?
Wenn Eichen weichen
Bainbridge DA: The rise of agriculture: A new
perspective. Ambio 1985/147/S.148-151
Das Kochen von Getreidebrei oder das Backen von
Brot gibt der Archäologie Rätsel auf. Warum nahmen die
Menschen Grassamen in ihren Speiseplan auf? Die Urformen unserer Getreide waren ein paar dürre Halme
mit gerade so viel kleinen, dickschaligen Körnern daran,
dass im folgenden Jahr wieder ein paar Gräser sprießen
konnten. Sinnvolle Nutzung von Getreide jedoch erforderte vorausschauenden Ackerbau. Gleichzeitig bedurfte es Verfahren zum Entspelzen und Mahlen der geernteten Körner. Kaum vorstellbar, dass die Menschheit
beide Fortschritte gleichzeitig vollbracht hat.
Bainbridge glaubt, dass die Nutzung der Eicheln den
Übergang vom Sammeln zum Ackerbau begünstigte. Ob
Mexiko, Kalifornien oder China, ob mittlerer Osten oder
Europa, überall prägten in vorgeschichtlicher Zeit weite
Eichenwälder das Landschaftsbild. Eicheln lassen sich
schnell sammeln, sind haltbar und nahrhaft. Aber erst
das Mahlen zu Mehl und das Auslaugen in warmen
Wasser reduziert den bitteren Tanningehalt und macht
sie genusstauglich. Archäologische Funde aus Mexiko
und China belegen, dass schon Jahrhunderte bevor Getreide gegessen wurde, Mahlsteine zum Mahlen sowie
Tongeschirr zum Wasserkochen existierten.
Doch die ergiebigen Eichelquellen versiegten im
Laufe der Jahrhunderte. Die anwachsende Bevölkerung
brauchte mehr Nahrung, und mehr Brenn- und Bauholz.
Gleichzeitig nahm die Tierhaltung, insbesondere die der
genügsamen Ziegen zu. Aber dort, wo Ziegen weideten,
wuchsen kaum Eichen nach. Die Tiere fraßen die
Schösslinge einfach ab. Vielleicht spielten auch Klimaveränderungen oder Baumkrankheiten eine Rolle beim
Verschwinden der ausgedehnten Eichenwälder.
Angesichts knapper werdender Ressourcen mussten die Menschen neue Nahrungsmittel suchen. Um den
ärgsten Hunger zu stillen, begannen sie mit dem mühsamen Sammeln der Grassamen. Statt der Eicheln
mahlten und kochten sie den dürftigen Ertrag in heißem
Wasser zu Brei so wie ehedem das Eichelmehl.
Eicheln
sind nahrhafter als Weizen: Sie enthalten frisch
24 Prozent Eiweiß, 18 Prozent Fett und 53 Prozent
Kohlenhydrate. Den Verzehr belegen bronzezeitliche
Funde wie in Buch bei Berlin, wo man enthülste und
geröstete Früchte fand. Der griechische Dichter
Hesiod berichtet etwa um 700 v. Chr.: „Wo gerechte
Menschen wohnen, ist Hungersnot unbekannt. Ihnen
geben die Götter reichlichen Lebensunterhalt, Eichen,
die mit Eicheln beladen sind, Honig und Schafe.“
Auch der Römer Plinius (23 bis 79 n. Chr.) bestätigt,
dass Eicheln den Reichtum vieler Völker ausmachten.
Der Konsum von Eicheln scheint bis in die Frühzeit
der menschlichen Kultur zurückzureichen, wenn
Maurizio schreibt, dass „in älterer Zeit (von der Eichel)
wie von einer ehemaligen Mehlfrucht gesprochen
(wird), die man dörrte, schälte und dann mahlte“.
Bis ins Mittelalter buk man in ganz Europa Brot
auch mit einem Zusatz an Eichelmehl. Es galt sogar
als gut bekömmlich. „Dann nahm der Gebrauch ab,
schon Mitte des Mittelalters sank die Eichel zum
Viehfutter herab, besonders zur Schweinemast.“ Mit
dem Schwinden der Eichenwälder fand auch das ein
Ende.
Das Sammeln von Eicheln geschah noch bis ins
letzte Jahrhundert besonders dort, wo kein Ackerbau
stattfand. So kochte man z.B. in den Bergen
Sardiniens Eicheln, zerstampfte sie im Mörser und
zerquetschte sie mit einem Walkholz zu Brei. Der
wurde auf einer Steinplatte mit Tonerde vermengt und
mit Öl und Fett zu Fladenbroten ausgebacken.
Es ist wahrscheinlich, dass in Regionen, in denen
keine Eichen gediehen, andere Rohstoffe zu Mehl
verarbeitet wurden. Beispielsweise bereiteten die Aborigines in Australien Mehl aus wilden Samen, ja bei
manchen Gesellschaften wurde Mehl sogar aus tierischen Rohstoffen gewonnen (v. Stokar: Die Urgeschichte des Hausbrotes. Leipzig 1951; Birket-Smith
K: Kulturens veje. Kopenhagen 1941/42; Maurizio A:
Die Geschichte unserer Pflanzennahrung. Berlin
1927)
Weißmehl: so alt wie das Brot
Einer populären Ideologie zufolge, die vor allem
von v. , Männle und Leitzmann (Vollwert- Ernährung.
Heidelberg 1993) verbreitet wird, soll das Weißmehl
eine Erfindung der „zentralen Großmühlenbetriebe“
gewesen sein, die die „weitverbreiteten Kleinmüllereien“ abgelöst haben. Dies habe dazu geführt, dass
das Mehl „über größere Entfernungen transportiert
und über längere Zeiträume gelagert werden“
musste. Und da Vollkornmehl schneller ranzig wird,
hätte man statt dessen Auszugs- oder Weißmehl
produziert.
Doch die Zweifel liegen auf der Hand. Mit der zeitgleichen Erfindung des Automobils dauerte der
Transport über weitere Strecken schließlich nicht
länger, als einst die kürzeren Wege mit den Pferdefuhrwerken. Außerdem hatten auch die verbreiteten
Windmühlen nicht kontinuierlich Mehl geliefert, das
täglich frisch in die Städte transportiert werden
konnte. So ist die Lagerung von Mehl über längere
Zeit wohl kaum eine Erfindung der letzten hundert
Jahre.
Müller und Bäcker in der Antike
Andre J: L'alimentation et la cuisine à Rome. Paris 1961
Ursprünglich waren die Römer - im Gegensatz zu
den Griechen - Breiesser. Sie speisten den puls, einen
mit Milch gekochten Getreidebrei, der auch mit Käse,
Honig oder Eiern verfeinert wurde. Als Grundlage rösteten sie unreife Gerste, vergleichbar unserem Grünkern.
Oder sie stampften Weizen vorsichtig mit einem hölzernen Stößel, um die Randschichten zu entfernen. Die so
gewonnenen Graupen boten eine gute Brei- und Suppengrundlage. Später, zur Kaiserzeit, verwendete der
römische Koch Apicius für seine pultes nur noch reinstes Weißmehl mit Zugabe von Hirn, Fleisch und vielen
Gewürzen.
Die älteste, in vielen Schriften erwähnte „Mahltechnik“ wurde im Mittelmeerraum praktiziert und begann mit
dem Rösten der Körner. Dadurch konnten bespelzte
Weizenarten wie Emmer oder Einkorn im Mörser enthülst und anschließend zu Mehl gestampft werden. Hatte
schon das Rösten den Gehalt an Antinutritiva vermindert, erfolgte mit dem Kochen zu Brei oder Suppe
nochmals eine Reduzierung dieser dem menschlichen
Verdauungstrakt unbekömmlichen Substanzen. Erst mit
dem Aufkommen der Nacktweizenarten bürgerte sich
das Dreschen ein. Allerdings wurde immer noch geröstet. Das machte das Korn haltbarer und leichter, ein Vorteil, der vor allem für die römischen Legionäre wichtig
war.
Die Mehlqualität bei den klassischen Völkern entsprach zwar nicht unserem modernen Weißmehl, denn
beim Mahlen bröckelten die Mahlsteine ab oder Sand
und Unkrautsamen wurden mit verarbeitet. Doch die
Weißbrotbäcker verwendeten bevorzugt dieses weißes
Mehl mit möglichst wenig Kleie. Daraus buken sie Brot
(panus candidus) nach Rezepten, die sich grundsätzlich
nicht von unseren heutigen traditionellen Backverfahren
unterscheiden. Selbst die Teigsäuerung war schon von
Bedeutung. Dazu verwendeten die Brotbäcker der Antike eine Art Sauerteig, den sie einmal im Jahr, zum Zeitpunkt der Weinlese, herstellten. Sie verkneteten Hirsemehl mit Most und formten daraus kleine Klößchen
(pastilIi), die sie mit gutem Mehl (similago) aufkochten. In
Gallien und Spanien benutzte man schon damals
Bierhefen.
Die Menschen in der Antike kannten nicht nur Weißmehl, sie gewannen sogar reine Stärke (amylum). Dazu
wurden die Körner gut eine Woche eingeweicht, umgerührt und gemaischt. Dann entfernte man die Spelzen,
drückte den Brei in Tüchern aus und legte die Masse
zum Trocknen in die Sonne. Die Stärke diente sowohl
als Soßengrundlage als auch zum Backen von Brot oder
Kuchen.
Mittelalter: Vollkornbrot nur aus Not
Günther F: Mehl und Brot der deutschen Vergangenheit im Lichte der Gegenwart. Leipzig 1937
Jeder, der sich heute über Ernährung informiert, lernt,
dass Vollkornbrot gesünder ist, weil es das ursprünglichere Brot sei. Weißes Brot hätten nur die Reichen genossen, während die Armen nur dank Körnerkost bei Kräften geblieben seien. Das verrät uns aber eigentlich nichts über den gesundheitlichen Wert, zumal
die Lebenserwartung der Wohlhabenden gewöhnlich
höher lag als die der Mittellosen.
Bevor sich das Brot als Alltagsspeise etablierte, aßen
die Menschen im Mitteleuropa Brei, meist aus Hafer oder
Hirse. Der Hafer, das einstige Hauptgetreide unserer
Vorväter, musste aber vor dem Kochen entspelzt
werden. Zu diesem Zweck wurde das Getreide
"gereIlt", d. h. die Schalen wurden durch zwei hochgestellte Mühlsteine abgerieben. Als der Weizen an Boden
gewann, galt es, die mühlentechnischen Verfahren weiter zu verbessern, um möglichst viel Kleie vom Mehl
abzutrennen. Hier halfen Siebe aus feinstem Weidengeflecht, Bast oder Flachs. Beste Ergebnisse erzielten die
keltischen Gallier mit Geflechten aus dem Haar von
Pferdeschweifen.
Gut gebeutelt
Eine grundlegende Verbesserung gelang im Mittelalter mit der Einführung der Mehlbeutel. Das Mehl landete
nach dem Mahlen direkt in Stoffsäcken und wurde in
speziellen Schüttelvorrichtungen so lange „gebeutelt“,
bis nur noch die Kleie zurückblieb. Je feiner das Gewebe, desto besser das Mehl. Besonders Wohlhabende
nutzten die teuren holländischen Seidenbeutel. Beliebt
waren aber auch die engmaschigen sächsischen oder
englischen Leinenbeutel. Für das Brot der Soldaten
mussten die gröberen Beutel, die sogenannten Kommissbeutel, genügen.
Auch aus Roggen wurde Auszugsmehl gemahlen,
wie eine Urkunde des Stiftes Falkenhorst aus dem
Jahre 1090 belegt. Dort wird es ausdrücklich unter der
Bezeichnung "roggo subtilis" namhaft gemacht. Professor Felix Günther: „Beide mittelalterlichen Auszugsmehle, sowohl das Weizen- wie das Roggenauszugsmehl, haben sich nach allem, was uns darüber berichtet
wird, von den Auszugsmehlen der Neuzeit nicht wesentlich unterschieden.“
Kleie fürs Vieh
Nur wenn Schmalhans Küchenmeister war, wie in
der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, streckten die Hungernden das Mehl mit Kleie und verschiedensten anderen Zutaten, vor allem Eicheln. Sonst galt das Urteil des
berühmtesten Müllermeisters des 18. Jahrhunderts, des
Sachsen Johann Christian Füllmann: „Hat ein Mehl
mehr Kleye, so verliert das Brod viel von seinem Wert;
und der kleine Vorteil, dass man ein wenig mehr Mehl
bekommt, kommt nicht in Vergleichung mit dem zehnmal größeren Schaden, den man an den Brod hat.“ Wer
grobes, schwer verdauliches Brot servierte, galt
schlichtweg als „Geizkragen“.
Was geschah aber mit der Kleie? Auch sie wurde
verwertet - als Futter fürs Vieh. Schon allein deshalb
achteten die Bauern darauf, dass auch genügend Kleie
übrig blieb. Dieses Viehfutter in die menschliche Ernährung einzuführen, hat sich die Ernährungswissenschaft
in den vergangenen Jahrzehnten redlich bemüht. Und
sie hat viel erreicht: Ob aus vollem Korn oder mit speziellen Ballaststoffzusätzen, unsere Bäckereien offerieren eine Vielzahl abführender Erzeugnisse. Das, was
einst nur für Schweine gut war, avancierte mittlerweile
zum gesundheitlichen Heilsbringer. Unverblümt urteilte
darüber 1937 Professor Felix Günther: „Der Glaube,
dass einem Volke seine Ernährungsform durch die Ergebnisse von Fäkal-Untersuchungen und Kalorienberechnungen aufgenötigt werden könnte, gehört zu den
gewagtesten Verstiegenheiten, die es je auf geistigem
Gebiete gegeben hat.“
Wozu Müller, wozu Bäcker?
Warum aber mühten sich die Menschen überhaupt ab mit dem Mahlen und dem Backen? Sie
brauchten Arbeitskraft, später auch Wind, Wasser
oder Zugtiere, um Mehl zu mahlen. Für den Ofen
mußte Holz geschlagen und zerkleinert werden.
Selbst das Kneten erforderte Muskelarbeit, die anderswo dringend benötigt wurde.
Erst die Entdeckung der Antinutritiva erklärt, warum Menschen seit Urzeiten ihr Getreide nicht roh
aßen. Sie entwickelten aufwendige Verarbeitungstechniken, um diese unerwünschten Substanzen
abzubauen und aus schwer verdaulichen Körnern bekömmliches Brot zuzubereiten.
Wiedergekaut ist halb verdaut
Wie die optimale Verarbeitung abläuft, machen
uns die Wiederkäuer vor, deren Verdauungssystem
auf die Nutzung von cellulosehaltigem Material wie
Getreide angepasst ist. Die Tiere verschlingen innerhalb kurzer Zeit große Nahrungsmengen. Ihr komplexes Magen- System fermentiert die Nahrung wie in einem Gärbottich. Das im Magen aufbereitete Mahl wird
nochmals zurücktransportiert, gut durchgekaut und
dann endgültig hinuntergeschluckt und verdaut.
Experiment geglückt
Da der Verdauungstrakt des Menschen nicht auf
dieses Gärverfahren ausgerichtet ist, musste er die
Müllerei, die Teigführung und das Brotbacken entwickeln. Die Fermentation des Brotteigs bewirkt dasselbe wie das gründliche Kauen und der Gärprozess
im Wiederkäuermagen: Sie schließt das Getreide auf
für die Verdauung und Resorption der darin enthaltenen Nährstoffe. Gleichzeitig werden Abwehrstoffe
durch die Sauerteigführung beseitigt oder durch den
Backprozess zerstört.
Kollath - ein Denkmal wankt
Von Udo Pollmer
Der Hygieniker Werner Kollath (1892-1970) gilt
als der „Vater“ der Vollwerternährung. Von ihm
stammt die Idee, jeden Morgen etwas geschrotetes
und über Nacht eingeweichtes Getreide zu essen.
Während er täglich zwei Esslöffel empfahl, stiegen
nach seinem Tode die Dosierungen. Sind es bei
Bruker bereits drei Eßlöffel Getreideschrot, so
fordern v. Körber, Männle und Leitzmann „täglich
mindestens 3 Esslöffel Getreide als Frischkornbrei“
zu verzehren. Bei einschlägigen Fortbildungen und
Seminaren wird die Menge in der Regel nochmals
erhöht wird, getreu dem Motto „viel hilft viel“. Hinzu
kommen reichlich Dinkelbratlinge, Vollkornbrot und
Vollkornnudeln.
All diese Ratschläge gehen zurück auf Kollaths Experimente aus den Jahren 1930 bis 1945, die zunächst
auf den gesundheitlichen Einfluss der Milch und nicht
auf das Getreide hinwiesen. Die Ergebnisse seiner Rattenversuche hingen damals in erster Linie davon ab,
welches Casein er fütterte. Nahm er Casein, das mit
Alkohol bei 78° C gewonnen wurde, litten die Tiere
unter Gedeihstörungen und starben vorzeitig. Verwendete er hingegen Casein, das mit Äther bei nur 35° C
extrahiert worden war, blieben seine Ratten gesund und
munter. Da Vitaminzulagen kaum Einfluss auf das
Ergebnis hatten, vermutete Kollath, dass die Erhitzung
des Alkohol-Caseins einen noch unbekannten „Lebensfaktor“ zerstört hatte.
unbekanntes Vitamin entfernte oder zerstörte. Mit
seinem Frischkornbrei, der bald als „Kollath-Frühstück“
in die Ernährung seiner Anhänger einzog, hoffte er,
endlich den ersehnten Schlüssel zur Vorbeugung vor
praktisch allen bekannten Zivilisationskrankheiten in
Händen zu halten.
Entscheidend: der Käfig ...
Der Erfolg von Experimenten hing allerdings davon
ab, ob die Tiere in Zinkkäfigen gehalten wurden: „Die
Verwendung dieser Käfige ist Voraussetzung für das
Gelingen der Versuche,“ schrieb er 1950. Die naheliegende Schlussfolgerung, dass damit seine Experimente
nur noch bedingt auf den Menschen übertragbar sind,
der nicht im Zinkkäfig hockt, wurde nicht mehr diskutiert.
Dass unterschiedliche Lösungsmittel und Verfahren außerdem unterschiedliche Effekte auf das Substrat haben können, wurde von ihm ebenfalls nicht thematisiert.
Durch die unkritische Übernahme seiner Schlussfolgerungen haben seine Jünger das genaue Gegenteil
von Kollaths Zielsetzung bewirkt: Gesundheitsschäden
durch Vollwerternährung bzw. Vollwertkost. Das ist tragisch - aber nicht Kollath anzulasten. Aus heutiger Sicht
läßt sich aus seinen Versuchen nur eine Conclusio mit
Sicherheit ableiten: Die klassischen Experimente der
Vitaminforschung bedürfen dringend einer Überprüfung
mit modernen Methoden. Nicht mehr - aber auch nicht
weniger.
Vollkorn - voll Wert?
Auf Getreide kam Kollath, nachdem seine siechen
Versuchstiere durch eine Zulage an Getreideschrot wieder gesund wurden. Nun vermutete er diesen Lebensfaktor auch im Vollkorn. Weißmehl und Zucker erwiesen
sich hingegen als wirkungslos. Damit musste das neue
Vitamin irgendwo in den Randschichten des ganzen
Korns enthalten sein - eine Interpretation, die natürlich
stark von der Gedankenwelt der damaligen Vitaminforschung geprägt war.
Nachdem Kollath bei seinen Ratten infolge diätetischer Manipulationen zahlreiche degenerative Veränderungen feststellen konnte, glaubte er, die gemeinsame Ursache aller Zivilisationserkrankungen entdeckt
zu haben: Die industrielle Lebensmittelverarbeitung war
schuld an den meisten Malaisen der modernen Zeit. Sie
war es, die durch Erhitzung und Raffination ein noch
... oder die Erkenntnis?
Hätten jene, die Kollaths Namen stets im Munde führen, seine Schriften aufmerksam gelesen, dann wäre
auch ihnen aufgefallen, dass es eine Erfindung unserer
Zeit ist, Getreide roh zu essen. In der „Ordnung unserer
Nahrung“ hebt Kollath eine wesentliche Erkenntnis auch
im Schriftbild hervor: „Nun mußte es auffallen, daß die
Menschen früher niemals den Weizen als Frischkornschrot gegessen haben.“ Warum wohl?
Kollath W: Die Ordnung unserer Nahrung. Heidelberg
1977
Kollath W: Der Vollwert der Nahrung. Heidelberg 1981
v. Körber K et al: Vollwert-Ernährung. Grundlagen einer
vernünftigen Ernährungsweise. Heidelberg 1981
Vollbremsung für Vollkorn
Neben Vitaminen und Mineralstoffen sitzen in
den äußeren Schichten des Getreidekorns zahlreiche pflanzeneigene Abwehrstoffe, die den potentiellen Fraßfeinden den Appetit verderben sollen. Im
Rahmen der Züchtung wurden die unbekömmlichen
Abwehrstoffe vermindert und zur Erhöhung des
Nährwertes durch „leere Kalorien“ ersetzt. Deshalb
bedürfen die Nutzpflanzen der Hege und Pflege des
Menschen. Die Unkräuter hingegen, die nicht durch
züchterische Maßnahmen ihrer Wehrhaftigkeit
beraubt wurden, können ohne Pflanzenschutz in
freier Wildbahn bestehen.
Aus der Tierernährung ist bekannt, dass diese
„Antinutritiva“ genannten pflanzeneigenen Abwehrstoffe zu Wachstums- und Gedeihstörungen führen
können. Leider mangelt es an aussagekräftigen
Untersuchungen über die antinutriven Effekte des
Getreides auf den menschlichen Körper. Die Ernährungswissenschaft konzentrierte ihre Bemühungen
in den vergangenen Jahren fast ausschließlich auf
die vermuteten Vorteile der Vollkorn-Ernährung,
ohne jedoch den ernsthaften Versuch zu unternehmen, ihre Spekulationen durch harte Daten zu stützen. Dass die Körnerwelle ihren Siegeszug in die
Küchen nicht geschafft hat, mag seine Ursache wohl
hauptsächlich in den nachteiligen Wirkungen der
sekundären Inhaltsstoffe des Getreides auf die
Bekömmlichkeit haben. Denn diese biologische
Rückkopplung bestimmt unseren Appetit und nicht
die viel beschworene „Ernährungsaufklärung“.
Weizen: Durchgefallen
Choct M, Annison G: The inhibition of nutrient digestion
by wheat pentosans. British Journal of Nutrition
1992/67/S.123-132
Selbst bei Masthähnchen mit ihrem spezialisierten
Verdauungstrakt führt zu viel Getreide zu Gedeihstörungen. Ursache sind unter anderem die Pentosane in den
Randschichten des Kornes. In der Humanernährung
werden sie unter dem Begriff der Ballaststoffe oder der
Nicht-Stärke-Polysaccharide subsummiert und ihr regelmäßiger Konsum im Rahmen einer ausgewogenen
und vollwertigen Ernährung empfohlen.
Die Tierernährer hielten nie viel von den Pentosanen. Sie gestanden ihnen allenfalls einen geringen kalorischen Wert zu, da sie über die Fermentation der Darm-
flora zu kurzkettigen Fettsäuren theoretisch etwas Energie liefern sollen. Mittlerweile mussten sie erkennen,
dass Pentosane ab einer Dosis von 50 Gramm pro Kilo
Futter genau das Gegenteil bewirken. Sowohl die βGlucane der Gerste als auch die Arabinoxylane des
Roggens verursachen bei Masthähnchen Durchfall und
vermindertes Wachstum. Ein Zusatz von Enzymen, die
Pentosane spalten, wie Glucanasen oder Pentosanasen, hebt die nachteiligen Effekte weitgehend auf.
Da auch Weizen reichlich Pentosane enthält, wurde
der Einfluss wässriger Extrakte (sog. „lösliche Ballaststoffe“) an Geflügel getestet. Fazit der Autoren: „Die
schwere Wachstumsdepression, verursacht durch die
Weizenpentosane, war nicht nur das Ergebnis einer verringerten Futteraufnahme. Es kam auch zu einer dramatischen Verschlechterung der Futterverwertung und die
Vögel zeigten beachtlichen gastrointestinalen Stress, da
sie reichlich wässrige Stühle ausschieden. Es fiel auf,
dass die Tiere schwerfällig und lethargisch auf Umweltreize reagierten. Das legt nahe, dass sich die Effekte der Weizenpentosane nicht darauf beschränkten,
den Nährwert zu vermindern sondern auch - direkt oder
indirekt - allgemeine Beschwerden hervorriefen.“
Anmerkung: Handelsübliche Futtermischungen für
Geflügel enthalten deshalb möglichst nur zwei, höchstens vier Prozent Pentosane. Der Pentosangehalt des
Weizens liegt bei sechs Prozent. Es ist anzunehmen,
dass Spezies, die schlechter an den Verzehr von Körnern angepasst sind, bereits bei geringeren Mengen mit
Verdauungsproblemen und Konsumverzicht reagieren.
Roggen: Appetitverderber
Musehold J: Alkyl-Resorcine in Nutzpflanzen - Versuch
einer biologischen Bewertung unter besonderer Berücksichtigung von Getreide. Getreide, Mehl, Brot 1980/34/
S.304-306
Verfüttert man größere Mengen Roggen an
Schweine oder Ratten, so verlieren die Tiere ihren Appetit und bleiben im Wachstum zurück. Schließlich treten Lähmungserscheinungen auf, die sogar zum Tode
führen können. Als spezifische Ursache entpuppten sich
die Alkylresorcine aus den Randschichten des Roggenkorns. In vitro erwiesen sich Alkylresorcine als zellschädigend, sie zerstören Liposomen sowie rote Blutkörperchen. Über ihre Toxizität beim Menschen ist bisher so gut wie nichts bekannt, außer dass sie bei empfindlichen Personen Dermatitis auslösen können.
Alkylresorcine zählen zu den phenolischen Verbindungen, deren Konsum als sekundäre Pflanzenstoffe
derzeit in der Ernährungsberatung hoch im Kurs steht.
Sie befinden sich nicht nur in den Randschichten des
Roggens, sondern auch in Weizen und Gerste, wenn
auch in deutlich geringerer Menge. Ihre ausgeprägte antimikrobielle Wirkung schützt den Roggen beim Keimen
im Erdreich vor einem Befall durch Mikroorganismen.
Außerdem zielt die Pflanze mit den Alkylresorcinen auf
den Verdauungstrakt ihrer Fraßfeinde ab. Dort wirken
sie als Enzyminhibitoren. Durch ihre hohe Affinität zum
Trypsin stören sie insbesondere die Eiweißverdauung
und beeinträchtigen so den verfügbaren Nährwert.
Nährwerttabellen fälschlicherweise als besonders hochwertig erscheinen. Tatsächlich mindern sie auch noch
die Verfügbarkeit der verbleibenden Nährstoffe. Enzyminhibitoren sind gleichzeitig wichtige Allergene im Getreide und Auslöser von Mehlstauballergien.
Anmerkung: Da Roggen traditionell auch als Backschrot verwendet wird, sind Rückstände im Brot zu erwarten. Während der Sauerteigführung und durch das
anschließende Backen werden diese gesundheitlich bedenklichen Stoffe aber bis auf unbedeutende Restmengen abgebaut (Cereal Chemistry 1997/74/S.284-287).
Anmerkung: Die Nebenwirkungen einer Ernährung
mit Vollkorn lassen sich prinzipiell von den Folgen therapeutisch genutzter Enzymblocker wie Acarbose ableiten. Durch die Blockade des Stärkeabbaus im Dünndarm erreicht intakte Stärke das Colon. Dort wird sie
von der Darmflora in Glucose aufgespalten. Durch das
reichliche Zuckerangebot herrschen ideale Bedingungen für das Gedeihen von Hefen wie z.B. Candida. Deshalb kommt es durch Vollkorn zu Flatulenz sowie zur Bildung toxischer Metaboliten wie Fuselalkoholen, biogenen Aminen und mutmaßlich auch Mykotoxinen. (Die
Heilkunst 1988/101/H.5/S.3) Dies wäre eine naheliegende Ursache für die beobachteten Leberschäden
nach Einnahme von Acarbose.
Gerste: garstige Eiweiße
Weizen: im Fettnäpfchen
Zhang N et al: Purification and characterization of
a new class of insect α-amylase inhibitors from
barley. Cereal Chemistry 1997/74/S.119-122
Cara L et al: Milling and processing of wheat and
other cereals affect their capacity to inhibit pancreatic lipase in vitro. Journal of Food Science
1992/57/S.466-469
Nach anerkannter Lehrmeinung wird der Nährwert
eines Lebensmittels durch die analytisch erfassbaren
Nährstoffe definiert. Leider greift diese Ansicht zu kurz,
denn pflanzliche Lebensmittel enthalten gleichzeitig Abwehrstoffe gegen Fraßfeinde. Das beeinträchtigt die
Verdaulichkeit und damit auch den Nährwert. Wenn
diese Antinutritiva seitens der Ernährungswissenschaft
unter der Bezeichnung „sekundäre Pflanzenstoffe“ pauschal als integraler Bestandteil einer gesunden Ernährung empfohlen werden, kann das fatal sein.
Besonders prädestiniert für Fehleinschätzungen sind
Eiweiße. Etwa 10 Prozent des Gerstenproteins wirken
toxisch auf menschliche Zellkulturen, Insekten und
Mikroorganismen. Die Hordothionine entfalten ihre
schädigende Wirkung im Darm ihrer Fraßfeinde, indem
sie die Permeabilität der Darmwand erhöhen und die Eiweißsynthese behindern. Thionine sind auch im Hafer
bekannt.
Andere Eiweiße wirken als Enzyminhibitoren. Sie
sind selbst unverdaulich und blockieren im Verdauungstrakt spezifisch einzelne Enzyme, vor allem α-Amylasen, aber auch Proteasen und Lipasen. Da sich die
meisten Enzyminhibitoren durch einen hohen Gehalt an
essentiellen Aminosäuren wie Cystein und Lysin auszeichnen, lassen sie das Protein des Getreides in den
Vollkorn soll nach Ansicht der Vertreter der Vollwerternährung die „Blutfette normalisieren“. In der Tat beeinträchtigt der Verzehr von Vollkorn die Fettresorption.
Aleuronschicht und Keimling enthalten lipase-Inhibitoren, die das Schlüsselenzym zum Abbau von Nahrungsfetten hemmen. Besonders hohe Gehalte an inhibitorischen Eiweißen finden sich in Durum, Weichweizen und
Millet-Hirse, mäßige in Gerste und Sorghum-Hirse.
Durch die Gewinnung von Weißmehl lassen sich die
Gehalte an Lipase-Inhibitoren um etwa 80 Prozent vermindern. Auch der Backprozess trägt wesentlich zu ihrem Abbau bei. Bei Hartweizen erwies sich hingegen die
Herstellung von Pasta als besonders effektiv und senkte
die Aktivität der Inhibitoren unter die Nachweisgrenze.
Anmerkung: Auch im Falle der Lipase-Inhibitoren
können die Nebenwirkungen von Vollkorn vom „Fettblocker“ Orlistat abgeleitet werden. Wird die Fettspaltung
eingeschränkt, kommt es zur Ausscheidung eines Teiles des verzehrten Fettes über den Stuhl. Gleichzeitig
senken Lipaseblocker auch die Resorption fettlöslicher
Vitamine, was die Nährstoffbilanz bei einer Ernährung
mit Vollkorn zusätzlich verschlechtert. Damit wäre die
vermeintliche „Normalisierung“ der Blutfette auf einen
toxischen Effekt zurückzuführen.
Weizenkeime: Risikomaterial
Pusztai A et al: Antinutritive effects of wheat-germ
agglutinin and other N-acethylglucosamine-specific
lectins. British Journal of Nutrition 1993/70/S.313-321
Das wohl brisanteste des Weizens ist zweifellos ein
Lektin, das sich im Keimling befindet. Lektine sind Eiweiße, die, teilweise auch blutgruppenspezifisch, mit
der Oberfläche der roten Blutkörperchen reagieren. Dieser Bindung verdanken sie ihren zweiten Namen Agglutinine. Gleichzeitig sind auch Reaktionen mit anderen
immunologisch wichtigen Glycoproteinen und Glycolipiden wahrscheinlich, aber kaum untersucht. Während
die allgemein als giftig bekannten Lektine aus Hülsenfrüchten durch Erhitzen weitgehend zersetzt werden, ist
das Weizen-Lektin sehr hitzestabil und auch noch in
Brot und Brötchen aktiv.
Das Weizen-Lektin, kurz WGA (wheat germ agglutinin) genannt, ist außerordentlich giftig für Pflanzenschädlinge. Die insektizide Wirkung war Anlass für eine
toxikologische Prüfung, da beabsichtigt wurde, das
WGA-Gen auf andere Nutzpflanzen zu übertragen, um
sie so auf natürliche Weise vor Insektenfraß zu schützen. Im Tierversuch verminderte ein WGA-Zusatz im
Futter das Wachstum gegenüber der Kontrollgruppe um
ein Drittel. Auch die Futterverwertung, speziell des
Eiweißes, war beeinträchtigt. Das WGA schädigte vor
allem die Schleimhäute des Dünndarms und löste dort
starkes Wachstum der Zotten aus. Nach 10 Tagen Versuchsdauer war der Dünndarm 45 Prozent schwerer als
bei der Vergleichsgruppe. Ein erheblicher Teil des WGA
gelangte durch Endocytose bis in den Kreislauf. Außerdem war bei den Versuchstieren die Bauchspeicheldrüse erheblich vergrößert. Gleichzeitig wurde eine
Thymusatrophie beobachtet.
Die Autoren befürchten, dass ein regelmäßiger Konsum von WGA die Funktionen der Bauchspeicheldrüse
und des Immunsystems nachhaltig beeinträchtigen, zumal das WGA nicht durch körpereigene Proteasen abgebaut wird. Von einer Nutzung als Insektizid musste
aufgrund der hohen Toxizität abgesehen werden.
Weizenkeime: Darmschäden
Cordain L et al: Modulation of immune function by
dietary lectins in rheumatoid arthritis. British Journal
of Nutrition 2000/83/S.207-217
Die Autoren halten Lektine für eine wichtige Ursache
entzündlicher Darmkrankheiten wie Morbus Crohn und
in der Folge auch von rheumatoider Arthritis. Sie unter-
mauern ihre These mit folgenden Beobachtungen: Lektine rufen Entzündungen im Darm hervor, erhöhen die
Permeabilität der Darmwand und verändern die Zusammensetzung der Darmflora bis hin zu pathologischen
Zuständen (Overgrowth-Syndrom). Außerdem begünstigen sie die Translokation von Darmbakterien, also die
Aufnahme von Bakterien über die Darmwand in die Blutbahn. Auf diesem Wege können - wie im Tierversuch
gezeigt wurde - lebensbedrohliche Keime die inneren
Organe erreichen.
Da rheumatoide Arthritis oftmals mit einer pathologisch veränderten Darmflora einhergeht, glauben die
Autoren, dass Lektine auch hierbei eine ursächliche
Rolle spielen.
Lektine
im Weizen erleichtern die Aufnahme anderer
Antigene durch die Darmwand. Deshalb sollte
dem Weizenvollkorn bei der Suche nach den Ursachen von Allergien und Autoimmunkrankheiten größere Aufmerksamkeit zuteil werden. Wenn Vollkorn
entzündliche Darmerkrankungen, Arteriosklerose und
Arthritis fördert, ist der Verzehr von Weizenvollkorn
ein Risikofaktor ersten Ranges. Egal, ob Weizenflocken, Frischkornbrei oder Vollkornbrot - alle diese
Produkte können die Gesundheit eher gefährden als
Weißbrot und Marmorkuchen, denn bei weißem Mehl
sind die Lektine weitestgehend entfernt.
Dies erklärt auch die Beobachtungen des Internisten und Rheumatologen Karl Pirlet mit Patienten, die
ganz bewusst Vollwertkost aßen: „Nach Jahren, eventuell erst nach 10 bis 20 Jahren, kommt dann der gesundheitliche Zusammenbruch. Oft ein überraschend
einsetzender Alterungsprozess, etwa am arteriellen
System, am Gelenksystem. Völlig verfahrene Zustände. Ich erlebe sie Tag für Tag in meiner Praxis.
Natürlich will dann niemand wahrhaben, dass die
doch so gesunde Ernährungsweise vergangener
Jahre verantwortlich sein soll für das jetzt in Erscheinung tretende gesundheitliche Fiasko.“ (Erfahrungsheilkunde 1992/41/S.345-356)
Trotz der bekannten Risiken wird der Verzehr lektinhaitiger Nahrungsmittel Diabetikern immer wieder zur
Regulierung des Blutzuckers empfohlen. „Besonders
Getreide und Hülsenfrüchte haben aufgrund ihrer speziellen nicht-nutritiven Inhaltsstoffe eine den Blutglukoseverlauf dämpfende Wirkung, was besonders bei
Diabetikern von präventivem bzw. therapeutischem
Nutzen sein kann“ (Watzl, Leitzmann: Bioaktive
Substanzen in Lebensmitteln, Stuttgart 1995, S. 109110).
Phytin: Energiereiche Abwehr
In der Reihe der pflanzeneigenen Abwehrstoffe
fehlt nun noch der bekannteste: das Phytin (myoInosit-hexaphosphat), das immerhin bis zu drei Prozent des Getreidekorns ausmacht. Bereits 1872
wurde dieser Stoff in der Aleuronschicht des Getreides nachgewiesen. Neben seiner Rolle, Fraßfeinde
wie Insekten oder Säugetiere abzuwehren, fungiert
Phytin in der Pflanze in erster Linie als „Batterie“:
Es liefert die nötige Energie zum Keimen bis das
Pflänzchen Chlorophyll bildet und so zur Photosynthese befähigt ist. Diesem Zweck dienen die sechs
energiereiche Phosphatbindungen, vergleichbar
dem ATP in der tierischen Zelle.
Je nachdem, welche der Bindungen gespalten
werden, entstehen Dutzende von Isomeren (Inositphosphate). Wenn alle Phosphatgruppen abgespalten sind, erhält man das myo-Inosit, einen sechswertigen cyclischen Alkohol. Weil es das Wachstum
von Hefen fördert, wurde es sogar schon den BVitaminen zugeordnet.
Auch im tierischen Gewebe kommen Phytin und
seine Abbauprodukte vor. Der Körper bildet sie
selbst und nutzt sie insbesondere als Neurotransmitter, Hormone und Wachstumsfaktoren wie
Acetylcholin oder Vasopressin.
Mineralstoffmangel durch Vollkorn
Sandberg A-S: Antinutrient effects of phytate.
Ernährung/ Nutrition 1994/18/S.429-432
Sandberg A-S, Svanberg U: Phytate hydrolysis by
phytase in cereals. Journal of Food Science 1991/56/S.
1330-1334
Sandberg A-S et al: Iron absorption from bread in
humans. Journal of Nutrition 1992/122/S.442-449
McCance, Widdowson EM: Mineral metabolism of
healthy adults on white and brown bread dietaries.
Journal of Physiology 1942/101/S.44-85
Phytin in der Nahrung bindet zweiwertige Ionen wie
Zink, Eisen, Calcium oder Magnesium. Bei physiologischem pH-Wert während der Verdauung sind diese
Komplexe unlöslich, so dass sie der Körper nicht verwerten kann. Daneben reagiert Phytin mit Eiweißen,
insbesondere mit Verdauungsenzymen wie Amylasen.
Das führt zu einer zusätzlichen Minderung des Nährwerts der aufgenommenen Nahrung.
Die nachteiligen Effekte des Korns auf den Mineralstoffhaushalt kennt man seit sechzig Jahren. Damals
zeigten Tierversuche, dass eine Ernährung, die reich an
Cerealien ist, Rachitis fördert. Je höher der Phytingehalt
desto stärker wurde die Calciumversorgung beeinträchtigt.
Dramatische Folgen hatte das für viele Kinder während des Zweiten Weltkrieges in Irland. Da Getreide
knapp war, mahlte man ab 1940 ausschließlich noch
Vollkornmehl. Als Folge stieg die Zahl der an Rachitis
erkrankten Kleinkinder sprunghaft an. Ab 1943 konnte
wieder weißes Mehl gemahlen werden. Damit sanken
die Rachitisfälle ebenso schnell wie sie zuvor angestiegen waren. (EU.L.E.N-SPIEGEL 1996/H.5/ S.5).
Paradoxerweise gefährdet volles Korn ebenfalls die
Versorgung mit Zink, obwohl die Nährwerttabellen gerade dem Weizen einen beachtlichen Zinkgehalt attestieren. Wachstumsprobleme durch Zinkmangel sind aus
dem Iran und Ägypten von Personen bekannt. Ihre Kost
besteht vorwiegend aus nichtfermentiertem Getreide
(Brei, ungesäuerte Fladenbrote), oder anderen phytinreichen Nahrungsmitteln wie manche Arten von
Hülsenfrüchten.
Auch die Zufuhr an Eisen liegt bei Körnerkost weit
niedriger als die Nährwerttabellen erkennen lassen: In
frischem Weizen beträgt die Bioverfügbarkeit des Eisens unter physiologischen Bedingungen gerade einmal drei Prozent.
Die Verarbeitung entscheidet
Meuser F, Meissner U: Verfahrenstechnische
Maßnahmen zur Verbesserung des Phytatabbaus bei
der Vollkornbrotherstellung. Ernährung/Nutrition
1987/11/S.102-109
Analysen von Broten aus dem Handel zeigen, dass
der Phytingehalt in einem weiten Bereich schwankt. In
Vollkornbroten fanden Prof. Friedrich Meuser und Mitarbeiter vom Institut für Lebensmitteltechnologie der TU
Berlin dreimal so viel Phytin wie in Mischbroten. Der
Spitzenwert im ballaststoffangereicherten Knäckebrot
lag 16 mal höher als im Weißbrot.
Da der Phytingehalt innerhalb der einzelnen Brotsorten ebenfalls Schwankungen unterlag, untersuchten die
Autoren, inwieweit die Art der Brotzubereitung Einfluss
auf das Phytin nimmt. Als besonders effektiv erwies sich
der traditionell hergestellte Sauerteig. Innerhalb von
acht Stunden reduzierte diese Art der Teigbereitung den
Phytingehalt um 90 Prozent, innerhalb von 16 Stunden
um 95 Prozent. Wichtigste Voraussetzung für den Phytinabbau ist, dass die im Korn bereits enthaltene Phytase optimal arbeiten kann. Entscheidend dafür war,
dass die Löslichkeit des Phytins durch das langsame
Absinken des pH-Wertes anstieg. Die Teigtemperatur
spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle.
Eine herbe Überraschung für die Bäckereitechnologie waren der schlechte Effekt bei Brühstück und Quellstück. Beide Verfahren wurden erfunden, um Körnerbrot
ohne Sauerteig herstellen zu können. Beim Quellstück
weichen die Körner über Nacht ein. Damit wird verhindert, dass die Körner dem Brotteig während des Backens das Wasser entziehen und das Brot trocken und
krümelig werden lassen. Der ist dabei nur sehr gering.
Jeglicher Abbau unterbleibt beim Brühstück. Dabei
überbrüht der Bäcker die Körner mit heißem Wasser,
um den Quellvorgang zu beschleunigen, wobei die in
den Randschichten sitzende Phytase zerstört wird. Fazit: Ernährungsphysiologisch entsprechen diese Körnerbrote allenfalls gehobenen Abführmitteln.
Kunstsauer: nur eine Krücke
Fretzdorff B, Brümmer J-M: Reduction of phytic acid
during breadmaking of whole-meal breads. Cereal
Chemistry 1992/69/S.266-270
In deutschen Bäckereien wird statt des traditionellen
Natursauerteigs häufig Kunstsauerteig verwendet. Für
den Bäcker hat das den Vorteil, dass das Brotbacken
weniger arbeitsaufwändig ist und weniger Zeit beansprucht. Braucht ein normales Sauerteigbrot mindestens 12 Stunden Reifezeit bis es in den Ofen geschoben wird, können Brote mit Kunstsauer schon nach drei
bis vier Stunden gebacken werden.
Kunstsauer ist eine Mixtur aus Säuren, Mineralsalzen, Enzymen und Trägerstoffen, die vor allem die nötige Säure liefert, um die Teigbildung auf chemischem
Wege schnell einzuleiten. Besonders roggenreiche
Brotsorten brauchen die Säure, denn die Kohlenhydrate
des Roggens können nur im sauren Milieu die Krume
des Brotes stabilisieren. Im Gegensatz zum Weizenmehl enthält Roggen kein Klebereiweiß, dass die Teigstruktur während des Backens festigt.
Die biologischen Effekte der Sauerteigflora werden
dabei nicht nachgeahmt. Von erheblicher ernährungsphysiologischer Bedeutung ist die Frage, ob bei der Verwendung von Kunstsauerteig ebenfalls ein Phytinabbau
erfolgt. Das wäre zu erwarten, weil das Getreide ja das
abbauende Enzym, die Phytase, enthält. Zu diesem Ergebnis kommen auch Untersuchungen der Bundesforschungsanstalt für Getreideverarbeitung in Detmold. Sie
zeigen, dass der Abbau des Phytins davon abhängig ist,
ob es gelingt, den optimalen pH für die getreideeigene
Phytase zu schaffen.
Abb.1: Phytinabbau im Sauerteig, Quellstück, Brühstück
Anmerkung: Die Mikroflora des Sauerteigs schafft
nicht nur den im Korn eine optimale Arbeitsumgebung,
sie trägt selbst kräftig zum Abbau von Phytin mit bei.
Die typischen Milchsäurebakterien Lactobacillus
plantarum, L. acidophilus und L. Mesenteroides des
Sauerteigs waren alle in der Lage, Phytin innerhalb von
neun Stunden über 90 Prozent abzubauen. (Journal of
Agricultural and Food Chemistry 2000/48/S.2281-2285)
Anmerkung: Leider läßt sich den Daten nicht entnehmen, in welchem Umfang es tatsächlich zum vollständigen Abbau, d. h. zur Bildung von myo-Inosit gekommen ist. Die Autoren unterlassen es, mitzuteilen,
was sie denn wirklich untersucht haben. Auch fehlen
vergleichende Untersuchungen zum Phytingehalt von
Handelsproben mit Natur- und Kunstsauer, so dass die
Frage nach dem gesundheitlichen Wert des Kunstsauerbrotes bis heute nicht befriedigend beantwortet werden kann.
Geht man aber von der Beobachtung aus, dass der
90prozentige Abbau des Phytins acht Stunden Zeit in
Anspruch nimmt, liegt die Vermutung nahe, dass die
künstlich gesäuerten Turbobrote einen höheren Phytingehalt aufweisen als ihre nach traditionellen Verfahren
in Ruhe gereiften Pendants.
Phytin: neues Wundermittel
Shamsuddin AM: Inositol phosphates have novel
anticancer function. Journal of Nutrition 1995/125/S.
725S-732S
Takada K et al: Modification of N-Butyl-N-(4-Hydroxybutyl) nitrosamine-initiated urinary bladder carcinogenesis in rats by phytic acid and its salts. Food and
Chemical Toxicology 1994/32/S. 499-503
„In vivo- sowie in vitro-Versuche haben ein bemerkenswertes anticancerogenes Potential (sowohl präventiv wie auch therapeutisch) für Phytin ... nahegelegt“, urteilt Abulkalam Shamsuddin von der Medizinischen Hochschule in Baltimore. Sieht man von eher suspekten Versuchen in Reagenzgläsern und mit Tieren
ab, bei denen das Phytin in die Bauchhöhle oder
intravenös gespritzt wurde, bleiben nur wenige
Versuche, die Shamsuddins populäre Hypothese
stützen. Mäuse entwickelten weniger Darmkrebs bei
Gabe von Phytin im Trinkwasser, wenn als Tumorauslöser Azoxymethan und 1,2-Dimethylhydrazin
verwendet wurden. Die Fütterung von Phytin bremste
bei Ratten die Proliferation des Darmepithels und der
Brustzellen. Schließlich vermutet der Autor, dass es mit
Phytin sogar möglich sei, AIDS zu behandeln.
Toxikologische Experimente anderer Arbeitsgruppen fallen ernüchternder aus. Die Fütterung von Ratten
mit Natriumphytat zusammen mit einem Nitrosamin als
Krebspromotor, erhöhte die Rate an Blasenkrebs. Kaliumphytat förderte die Bildung von Darmgeschwulsten,
während Phytinsäure keinen Effekt auf die Krebsentstehung hatte.
Anmerkung: Angesichts des seit Jahren propagierten Vollkornverzehrs wundert es nicht, dass die Ernährungswissenschaft nun bei einer Ernährung mit phytinreichen Lebensmitteln gesundheitliche Vorteile zu erkennen glaubt: Phytin schützt vor Krebs, lautet ihre Botschaft. Doch die Datenlage spricht gegen einen nennenswerten Einfluß, zumal der Körper Phytin gar nicht
aufnehmen kann.
Ratten lehnen Dosierungen von über einem Prozent
Phytin im Trinkwasser instinktiv ab. Von daher ist ein
Nettonutzen einer reichlichen Zufuhr selbst für Ratten
zweifelhaft.
Ballaststoffe: Probe aufs Exempel
Was wird nun angesichts dieser Überlegungen
aus den hochgelobten Körnersemmeln? Ob ihres
Gehalt an unverdaulichen Nahrungsbestandteilen
sollen sie nicht nur vor Verstopfung, sondern auch
vor Darmkrebs und vielen Krankheiten schützen.
Doch nach einem fulminanten Start ist den Bundesbürgern der Appetit auf Körner inzwischen wieder
abhanden gekommen. Die Bäcker vermelden seit
Jahren jedenfalls einen sinkenden Anteil an Körnerbroten. Offenbar hat das, was da unverdaut wieder
ausgeschieden wird, seine Bewährungsprobe nicht
bestanden. Unsere Vorfahren wussten das offensichtlich auch ohne moderne Ernährungswissenschaft.
Keine Gesundheitsförderer
Fuchs CS et al: Dietary fiber and the risk of colorectal
cancer and adenoma in women. New England Journal
of Medicine 1999/340/S.169-176
Ballaststoffe schützen vor Darmkrebs, behauptete
der Tropenmediziner Burkitt vor nunmehr dreißig Jahren (EU.L.E.N-SPIEGEL 1998/H.9/S.7). Seine Hypothese
beruhte auf der Beobachtung, dass sich die auf dem
Lande lebenden Afrikaner ballaststoffreicher ernährten
und seltener an Dickdarmkrebs erkrankten als die Weißen in den Metropolen Südafrikas.
Nun widerlegten Ergebnisse der Nurses Health
Study, einer prospektiven Studie mit knapp 90.000 amerikanischen Krankenschwestern, zum wiederholten
Male diese Hypothese. Die Frauen nahmen täglich zwischen 8 und 35 Gramm Ballaststoffe auf. So sehr sich
die Autoren auch bemühten, sie konnten keinen Zusammenhang zwischen der Höhe der Ballaststoffzufuhr und
dem Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, feststellen.
Selbst die Berücksichtigung von erblicher Belastung, Alter, Gewicht, körperlicher Aktivität, Rauchgewohnheiten
oder dem Fett-, Fleisch- und Alkoholkonsum beeinflusste das Ergebnis nicht.
Anmerkung: Dieses Ergebnis wird mittlerweile von
allen Studien mit prospektiven Design bestätigt.
(EU.L.E.N-SPIEGEL 2000/H.5/S.14) Patienten mit einem
erhöhten Darmkrebsrisiko profitierten nicht von einer
täglichen Extraportion an Ballaststoffen (EU.L.E.NSPIEGEL 2000/H.4/S.13). Auch bestätigte sich nicht,
dass ballaststoffreiche Ernährung den Cholesterinspiegel wirksam senkt (American Journal of Clinical
Nutrition 1999/69/ S.30-33).
Kreuz und quer durchs Internet
Kaum jemand, der keinen Internet-Zugang hat
und nicht täglich etwas im Netz „erledigt“ oder
nachschaut. Aber bei der Suche nach geeigneten
Informationen kann man schnell ungeduldig werden. Zu groß ist die Zahl der Angebote, zu unübersichtlich verzweigt und verlinkt sich alles. Bei der
vermeintlich schnellen Suche nach Informationen
ist sich der Nutzer zuweilen hilflos selbst überlassen.
Auch unter dem Stichwort Gentechnik findet
sich allerhand: erstaunlich Informatives und
erschreckend Schlechtes. Hier ein paar ausgewählte Treffer zu Grundlagen der Gentechnik und
gentechnischen Anwendungen in Lebensmitteln:
Robert-Koch-Institut
http://www.rki.de/GENTEC.HTM
Das Angebot des Robert-Koch-Institutes in Berlin
behandelt hauptsächlich den rechtlichen Rahmen
gentechnischer Anwendungen. Hier kann man die
gesetzlichen Bestimmungen nachschauen, sich über
die Nutzung von gentechnischen Anlagen in den
einzelnen Bundesländern informieren oder nachlesen, wie es aktuell mit Freisetzungen von
gentechnisch veränderten Organismen aussieht.
Beantragte und genehmigte Freisetzungen sind
ausführlich aufgelistet.
Aber auch für diejenigen, die sich nicht für
Paragraphen und Tabellen interessieren, ist diese
Seite empfehlenswert. Das umfangreiche Linkangebot der Webseite zu den Themen Gentechnik
und Biotechnologie kann sich sehen lassen. Von hier
aus kann man sich durchklicken: von A wie American
Soybean Association über B wie B90/Grüne, von G
wie Greenpeace über N wie Novartis und M wie
Monsanto bis zu Z wie Uni Zürich. Eine sehr
ausgewogenen Auswahl von Gruppen, die mitreden
wollen. Ich klicke auf:
Forum für Grüne Gentechnik und
Biotechnologie
http://www.gen-Info.de
Die Tagesmeldungen aus mehr als 50 deutschsprachigen Zeitungen und Journalen zum Thema
Gentechnik und Ernährung werden hier präsentiert.
Wer mit dem
Pressespiegel bequem auf dem Laufenden des weltweiten Gentechnik-Geschehens bleiben will, sollte unbedingt das E-Mail-Abo nutzen. Dann kommt das Neueste
über Genfood täglich per Mail.
Verbraucher-Initiative e.V.
http://www.transgen.de
Wem der politische Diskurs der Zeitungen zu weltfremd ist, kann zur Verbraucher-Initiative klicken. Sie
bietet umfassende Informationen darüber, was denn
nun wirklich so auf unserem Tisch landet. In dieser beachtenswerten Sammlung von Wissenswertem kann
man lange herumstöbern. Neben tagesaktuellen Nachrichten bietet das Forum ausführliche Hintergrundberichte zu ausgewählten Themen und vor allem umfangreiche Datenbanken. Diese lassen sich beispielsweise
nach Lieblingslebensmitteln, Pflanzen oder Zusatzstoffen durchsuchen. Die Rubrik „Recht und Zulassung“
bietet einfache Erläuterungen, die selbst dem Laien den
Gesetzestext verständlich machen. Sehr hilfreich ist
auch die gut sortierte und kommentierte Linksammlung
der Homepage. Kaum zu glauben, doch der unermessliche Fundus an Informationen ist darüber hinaus außergewöhnlich übersichtlich dargestellt.
Erfreulich ist ebenfalls, dass die Verbraucher-Initiative trotz der tendenziell kritischen Beiträge keine unnötig polemischen Darstellungen unters Volk bringt. Hier
besticht die Anhäufung von Informationen.
Greenpeace
http://www.greenpeace.de/
Für überzeugte Gentechnik-Gegner, die ohnehin
wissen, was sie lesen wollen, ist diese Adresse durchaus zu empfehlen.
Was die Seite von Greenpeace noch interessant
macht, ist das „Einkaufsnetz“ der Umweltorganisation.
Nur an dieser Stelle werden Produkte, die aus gentechnisch verändertem Mais oder Soja hergestellt sind, aufgelistet. Auf dieser „Positivliste“ stehen derzeit 16 tatsächlich gekennzeichnete Waren. Sie bietet zwar keine
umfassende Hilfe für den „gentechnikfrei“ essenden Internet-Surfer, Bedeutung hat die Initiative von Greenpeace aber auf politischer Ebene. Produkte, auf die hier
erst einmal aufmerksam gemacht wurde, haben auf
Dauer kaum eine Marktchance. Die aktuelle Liste kann
auch per Fax unter 040/38998088 abgerufen werden.
wert, da sie nach Verbraucherorganisationen, Industrieund Regierungsinformationen, Internetquellen der Gentechnikopposition oder Internetseiten der Forschung unterscheidet und dem Nutzer so schon eine Vorauswahl
ermöglicht.
Wesentlich häufiger finden sich Datenbanken, die
gentechnikfreie Produkte sammeln. Solche „Negativlisten“ sind insofern kurios, als dass der zuverlässige
Nachweis, es handle sich um ein absolut gentechnikfreies Produkt kaum möglich und sehr teuer ist. Auch die
Kennzeichnungsnomenklatur lässt hier Spielraum und
kann den Verbraucher täuschen. Trotzdem:
Nicht nur die University of Reading will durch sachliche Darstellungen ein Grundverständnis der neuen
Technologien vermitteln. Auch in deutschen Einrichtungen geht man allmählich auf den Informationsbedarf von
Laien ein.
Lebensmittel ohne Gentechnik
Max-Planck-Gesellschaft: „Biomax"
http://www.infoxgen.com
http://www.mpiz-koeln.mpg.de/~rsaedler/BIOMAX/
Biomax1/Biomax1.html
Bekanntestes Beispiel einer „Negativliste“ ist die Datenbank der Arbeitsgemeinschaft Lebensmittel ohne
Gentechnik. Hier werden Saatgut oder Produkte verwaltet, die dem Lebensmittelhersteller garantieren sollen,
gentechnikfreie Ware weiterzuverarbeiten. Bevor es zum
Suchmodus der Datenbank geht, wird der Nutzer aber
noch einmal auf die Problematik der „Negativlisten“
hingewiesen. Erst nach der Bestätigung: „Ich habe verstanden: Nur die Originalerklärungen der Hersteller sind
maßgebend“ findet er Zugang ins gentechnikfreie Paradies.
University of Reading
http://www.eibe.reading.ac.uk/NCBE/GMFOOD/
main.html
Wer etwas über die verschiedenen Regularien der
Kennzeichnung im internationalen Vergleich erfahren
möchte, findet alle notwendigen Informationen auf der
Homepage der University of Reading. Das National
Center for Biotechnology Education der Universität stellt
ohne Unterstützung von Regierung oder Industrie Lehrmaterialien für Lehrer, Schüler und Laien zusammen.
Neben Gesetzen, Richtlinien und Begriffsklärungen
sind sämtliche gentechnisch veränderten Produkte zusammengestellt, die Einzug in den Lebensmittelsektor
gehalten haben. Diese Kurzdarstellungen vermitteln einen guten Überblick über die Anwendungspalette einzelner Lebensmittel, wie Tomaten, Mais oder Hefe.
Umfassend und übersichtlich gestaltet ist die weitere
Textsammlung mit Zusammenfassungen über Risiken,
Nutzen und Techniken der Biotechnologie, wissenschaftlichen Berichten und veröffentlichten Daten wie
denen der berüchtigten Pusztai-Kartoffel (EU.L.E.NSPIEGEL 1999/H.8/S.15). Die Link-Sammlung ist empfehlens-
Mit „Biomax“ wenden sich die biologisch-medizinischen Institute der Max-Planck-Gesellschaft an Lehrer
und Gymnasialschüler, um über aktuelle Forschungsthemen aus Biologie und Medizin zu informieren. Die
bislang erschienenen Broschüren beschäftigen sich mit
Themen wie Novel Food, Gentherapie oder dem humanen Genomprojekt. Die Aufarbeitung der Themen erfolgt in gut strukturierten Zusammenfassungen, in denen die wichtigsten Argumente oder Methoden erläutert
werden. Die Darstellungen sind sehr eingängig, setzen
allerdings ein gewisses Grundverständnis voraus.
Das Deutsche Human-Genomprojekt
http://www.dhgp.de
Diese Seiten wenden sich an den Laien und erläutern die Hintergründe und Prinzipien der Genomentschlüsselung, erklären Grundbegriffe der Genetik und
gehen auf genetisch bedingte Erkrankungen ein. Im Kapitel über Brustkrebs wird das Zusammenspiel von genetischer Veranlagung und Umwelteinflüssen wie Ernährungsgewohnheiten und Lebensstil als Risiko einer
Erkrankung beispielhaft erläutert.
Biotechnik im Unterricht
http://www.rdg.ac.uk/EIBE/DEUTSCH/DU1.HTM
Hier stellt die Europäische Initiative für Biotechnik im
Unterricht Unterrichtseinheiten vor, mit denen biotechnologische Fragen erarbeitet werden können, u.a. Anwendungen in Tieren und Pflanzen. Die Materialen
können als PDF-Dateien geladen werden.
Bundesforschungsanstalt für Ernährung
http://bfew055.bfe.uni-karlsruhe.de/
Ein Klassiker in Sachen Gentechnik und Ernährung
sind die Online-Publikationen von Professor Jany. Auf
verständliche Weise nimmt er zu zahlreichen Fragen
über Genfood, Risiken, Anwendungen und Entwicklungen Stellung. Eine mittlerweile schon ältere, aber dennoch hervorragende Übersicht über Methoden und Anwendungen bietet der Jahresbericht „Gentechnik und
Lebensmittel“ (1998).
BioTech Mobil
http://www.biotechmobil.de/
Das BioTech Mobil des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie bietet
unter anderem ausführliche Übersichten zu medizinischen und biologischen Themen. Zwar sind die Darstellungen zu den Themen Gentechnik in Lebensmitteln,
Pflanzen- und Tierzucht durch und durch positiv gefärbt das Kapitel Risiken gleicht eher einer Informationsschrift aus der Industrie -, die Erläuterungen der zellulären Abläufe und neuen Technologien sind jedoch sehr
umfassend und verständlich.
man nicht nur Adressen, Telefonnummern und E-MailAnschriften von über 1500 Biotechnologie-Firmen in den
USA. Auch Verzeichnisse von Biotechnologie-Investoren oder detaillierte „Up-to-date“-lnformationen aus
der Biotechnologie-Gemeinde werden auf dieser Seite
angeboten.
Berkeley-University für Bürger-Infos
http://plantbio.berkeley.edu/~outreach/
OUTREACH:HTM
Vice versa kommen aus der Universität Berkeley
keine Insider-Infos, sondern Belehrungen für den unbedarften Bürger: Auf ihrer Homepage stellt Dr. Peggy Lemaux einen ausführlichen Vortrag zur Verfügung, der klar
an den Verbraucher gerichtet ist. Das 13seitige Redemanuskript vermittelt die Grundzüge der modernen
Gentechnik und ihrer Anwendungen, nicht ohne vorher in
einfachen Worten zu erläutern, wie Genmanipulation vor
den neuen Techniken aussah. Die Erklärungen lassen
sich nicht nur recht gut lesen, sie sind auch mit 58
ansprechenden Dias untermalt, die beispielsweise anschaulich vor Augen führen, wie unser heutiger Mais vor
den altbewährten Züchtungsmanipulationen einmal
aussah ...
Europäisches Patentamt
Schellfisch interaktiv
http://www.dpma.de/patinfo/pinf_php.htm
http://nbiap.vt.edu/indexmain.cfm
Hier kann man mit Geduld und Spitzfindigkeit den
neuesten Errungenschaften aus Forschung und Industrie auf die Schliche kommen. Die Online Patentrecherche bietet die Möglichkeit, nach Stichworten oder Firmen zu suchen. Was einfach klingt, führt jedoch nicht
immer zum Erfolg. In der Regel hat das Kind einen anderen Namen und ist so im Sumpf der Patente nicht
ohne weiteres aufzufinden. Unter „Links“ stehen die Internet-Adressen anderer Patentämter: Für die, die wissen wollen, was die Amis so vor haben ...
Hier gibt's ökologische Lern- und Frühwarnprogramme für Gentechniker. Mit Unterstützung eines
staatlichen Forschungs- und Ausbildungsfonds der Virginia Tech präsentiert die Homepage des Information
Systems for Biotechnology interaktive Hilfe für gentechnisch versierte Fischforscher. Diese können sich durch
einen Algorithmus arbeiten und erhalten am Ende der
interaktiven Befragung Auskunft über ökologische Gefahren ihres speziellen Forschungsvorhabens. Die guten Ratschläge beschränken sich allerdings hauptsächlich auf Speisefisch und Mollusken. Steigende Nachfrage der Verbraucher nach den Meeresbewohnern lässt
zunehmendes Forschungsinteresse erwarten.
Institut für Industrie-Informationen
http://www.biotechinfo.com
Wer lieber direkt von den amerikanischen Anbietern
wissen möchte, was so abgeht, ist auf der Webseite des
Institute for Biotechnology Information richtig. Hier findet
Neben fortschrittlicher Fortbildung für Forscher findet man auf dieser amerikanischen Internetseite übrigens auch eine Linksammlung zu den internationalen
Feldversuchen. Offenbar interessiert die Amis auch, was
die Gentechnik in Deutschland macht. Ein Klick auf die
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Leukämie durch Flavonoide
Strick R et al: Dietary bioflavonoids induce cleavage in
the MLL gene and may contribute to infant leukemia.
Proceedings of the National Academy of Sciences
2000/97/ S.4790-4795
Flavonoide werden als Schutzfaktoren für Brust-,
Darm- und Prostatakrebs diskutiert (EU.L.E.N-SPIEGEL
1998/H.1/S.7-8). Aufgrund dieses gesunden Images sind
bereits flavonoidreiche Nahrungssupplemente im Angebot, wie z.B. der so genannte Quercetin-Komplex. Neue
Untersuchungen über Säuglingsleukämien zeigen jedoch, dass zwischen einer hohen Aufnahme von Flavonoiden und der Entstehung von Leukämie im Mutterleib möglicherweise ein Zusammenhang besteht.
In zwei Drittel aller Fälle von Säuglingsleukämie findet man eine Veränderung am so genannten MLL-Gen.
Zumindest im Reagenzglas führten 10 von 20 getesteten Flavonoiden zur gleichen Schädigung am Erbgut. Fisetin aus Kräutern, Quercetin aus Obst und Gemüse und
der als Nahrungssupplement erhältliche QuercetinKomplex erwiesen sich als ebenso effektiv wie das Medikament VP16, das als Vergleich diente. Von anderen
Flavonoiden wie Genistein oder Myricetin wurde zwar die
doppelte bzw. vierfache Menge benötigt, sie verursachten jedoch die selben Schäden.
Anmerkung: Vermutlich sind nur Föten mit einer besonderen genetischen Disposition (im Verdacht stehen
die Fähigkeit zur DNA-Reparatur und zur Verstoffwechselung von Flavonoiden) während einer kurzen Zeitspanne ihrer Entwicklung anfällig für die Flavonoide.
Darauf deutet die Häufigkeit der Erkrankung hin: Mit 37
Fällen auf 1 Million Geburten in den USA ist die Säuglingsleukämie äußerst selten, obwohl Flavonoide in Lebensmitteln weit verbreitet sind. Vor Supplementen sollten Schwangere jedoch gewarnt werden.
Getreideseuche droht
Huth W: Im Getreidebau in Deutschland und in Europa
wird eines der größten phytopathologischen Probleme
erwartet: die bodenbürtigen Viren des Weizens und
Roggens. Nachrichtenblatt des Deutschen Pflanzenschutzdienstes 2000/52/S.196-198
In Deutschland sind die Roggen- und Weizenernten
der nächsten Jahre gefährdet. Zwei bodenbürtige Getreideviren, das Soil-borne cereal mosaic virus und das
Wheat spindIe streak mosaic virus, breiten sich aus.
Während bereits fast alle Roggenanbaugebiete Befall
melden, gibt es beim Weizen bislang nur einzelne Fälle.
Die beiden Viren, die immer zusammen auftreten, führen zu Ertragseinbußen von 50 Prozent und mehr. Der
Winterweizen gerät zunehmend in Gefahr, da die Saattermine immer weiter vorverlegt werden. Im September/
Oktober jedoch ist der Vektorpilz, der die Viren überträgt, wegen der höheren Temperaturen noch recht mobil. Gehen die Pflanzen dann schon virusgestresst in
den Winter, können die Ernteausfälle 70 Prozent betragen.
Die Viren sind weder durch chemische noch durch
ackerbauliche Maßnahmen aufzuhalten. Ein Resistenzzüchtung gegen die beiden neuen Erreger ist vorerst
nicht zu erwarten. Noch fehlen bekannte resistente
Pflanzen, mit denen man züchterisch arbeiten könnte.
Außerdem wären vermutlich zwei verschiedene Resistenzmechanismen nötig, denn die beiden Viren gehören
verschiedenen systematischen Gruppen an.
Gemischter Anbau statt Gentechnik
Zhu Y et al: Genetic diversity and disease control in
rice. Nature 2000/406/S.718-722
Die chinesische Provinz Yünnan steht beispielhaft
für eine Region, in der wegen des feuchten Klimas große Teile der alljährlichen Reisernte dem Reisbrenner
zum Opfer fallen. Daran ändern auch kostspielige Fungizideinsätze nur wenig. Verursacht wird der Reisbrenner durch den Pilz Magnaporthe grisea. Im Jahr 1999
pflanzten - in einem bisher weltweit einmaligen Feldversuch - Tausende von chinesischen Kleinbauern auf einem über dreitausend Hektar großen Areal verschiedene Reisvarietäten nebeneinander: Zwischen jeweils
vier Reihen Reisbrenner resistente ertragreiche Hybridreissorten setzten sie eine Reihe des anfälligen (und
daher wenig ertragreichen), aber begehrten und entsprechend teuer bezahlten Klebreises. So sollte getestet werden, ob die Felder durch den gemischten Anbau
besser vor dem Befall durch den Pilz geschützt sind.
Die Ergebnisse waren überwältigend: Der Reisbrennerbefall der Klebreispflanzen ging um 94 Prozent zurück und die Ernteerträge steigerten sich um 89 Prozent. Aber auch die resistenten Pflanzen brachten höhere Erträge. Auf den Einsatz von Fungiziden konnte
komplett verzichtet werden. Die Pflanzen profitieren
mehrfach von dem gemischten Anbau:
•
Die einzelnen Saatgutvarietäten werden von jeweils
spezifischen pathogenen Pilzstämmen befallen. Bei
einer gemischten Pflanzung kann sich ein einzelner
Erreger schwerer flächendeckend durchsetzen.
•
Das Phänomen der induzierten Resistenz: Auf dem
„falschen“ Wirt können pathogene Pilze und Bakterien eine Resistenz auslösen, die diesen vor seinem
spezifischen Erreger schützt. Je mehr Pathogene,
desto mehr Resistenzbildungen.
• Die Anpassung eines Pathogens an einen möglichen
Wirt wird durch die Anwesenheit anderer Erreger erschwert, weil beim Wirt alle Abwehrmechanismen auf
Hochtouren laufen.
• Die Lichtausnutzung ist bei verschieden hohen
Pflanzen insgesamt besser.
• Die Ausbreitung der Erregersporen mit dem Wind
wurde durch die unterschiedliche Höhe der Sorten
ebenfalls behindert.
Neu sind diese Erkenntnisse jedoch nicht. Bereits
1872 hatte Charles Darwin beobachtet, dass Felder, auf
denen eine Mischung verschiedener Weizensorten ausgesät worden war, wesentlich höhere Erträge brachten.
Die Landwirtschaft der Industrienationen hingegen
setzt bis in die Gegenwart auf den Anbau sortenreiner
Monokulturen. Sie entsprechen am ehesten den Anforderungen nach standardisierten Rohstoffen für die maschinelle Ernte und Weiterverarbeitung. Statt Sortenvielfalt wird heute der Anbau gentechnisch veränderter
Pflanzen als Mittel der Wahl propagiert, um den Einsatz
von Schädlingsbekämpfungsmitteln zu senken.
Anmerkung: Der britische Agrarwissenschaftier
Wolfe fordert, trotz aller modernen Verfahren, die Forschungen mit Saatmischungen fortzusetzen. Besonders
für Länder wie China liegt darin die Chance, einfach und
kostengünstig Ertragssteigerungen zu erwirtschaften und
mehr Menschen zu sättigen. Dass die Ernte nicht
sortenrein ist, spielt dort keine Rolle: Die chinesischen
Kleinbauern ernten ihren Reis ohnehin mit der Hand und
trennen dann die verschiedenen Sorten direkt bei der
Ernte. (Nature 2000/406/S.681-682)
Wildreis bald für jedermann?
Zeller FJ et al: Wildreis - Domestikation einer alten
Nutzpflanze Nordamerikas. Naturwissenschaftliche
Rundschau 2000/53/S.282-286
An den Flüssen im nördlichen Minnesota erntet man
den Indianer- oder Wasserreis (Zizania palustris) noch
genauso wie einst die Sioux oder die Chippewas. Die
paddelten den Fluss entlang, bogen die im Wasser stehenden Reispflanzen über den Bootsrand und schlugen
mit einem Stock die Reiskörner aus. Dieser sogenannte
Wildreis gilt heute als kostspielige Delikatesse, die einigen wenigen Feinschmeckern vorbehalten ist. Selbst
der im Supermarkt erhältliche „Wildreis“ ist so teuer,
dass er in der Regel nur als optische und geschmackliche Bereicherung zu weißem Reis verwendet wird.
Kultivieren könnte man Wasserreis jedoch in vielen
Ländern, auch in Deutschland. Man benötigt lediglich
Felder, die sich fluten lassen. Außerdem braucht die Saat
eine dreimonatige Winterruhe vor dem Auskeimen. Das
größte Problem bereitet derzeit noch die Ernte. Die
Körner reifen sehr ungleichmäßig. Sobald sie aber reif
sind, fallen sie aus. Diese Eigenschaft versucht man nun
durch Züchtung zu beseitigen. Nahe liegend wäre eine
Kreuzung des Indianerreises mit normalen Kulturreis
(Oryza sativa). Da die beiden Reisarten aber nur entfernt
verwandt sind, ist die sexuelle Kreuzung nicht möglich.
Im vergangenen Jahr gelang es, die beiden Arten
asexuell über zellwandlose Zellen (Protoplasten)
miteinander zu vereinen. Dabei entstand ein vermehrungsfähiger Bastard mit kleinen, dunklen Reiskörnern.
Mehle à la Dior
Anon: Sind Müller Schneider? Brot und Backwaren
2000/ H.5/S.22-30
Mühlen, die einfach nur Mehl liefern, gibt es viele.
Um sich von der Konkurrenz abzuheben und die Großabnehmer besser an sich zu binden, gehen einige Mühlen dazu über, spezielle Mehle herzustellen, die ganz
genau auf den einzelnen Kunden zugeschnitten sind.
Dabei werden vor allem die Backeigenschaften der
Mehle in engen Grenzen spezifiziert, aber auch die
Farbe oder die mikrobiologische Sicherheit.
Diese Vorgehensweise rechnet sich für beide Geschäftspartner: Die Mühle kann für ein solches Mehl einen höheren Preis erzielen, und die Fabrik erhält ein
Mehl, das dem Betriebsablauf perfekt angepasst ist. Das
bedeutet weniger Störungen in der Produktion, weniger
Ausschuss und ein immer gleich bleibendes Produkt.
Manche Mühlen kontrollieren die Mehlherstellung
bereits bis hin zur Auswahl des Saatguts. Durch die
Kombination verschiedener Mehlqualitäten lassen sich
die erntebedingten Schwankungen ebenso korrigieren
wie durch den Zusatz von Mehlverbesserern. Auf diese
Weise können sich die Bäckereien teure AllroundBackmittel sparen, da gezielt nur die Zusätze beigemischt werden müssen, die für das jeweilige Mehl auch
wirklich erforderlich sind. Hinzu kommt, dass „Mehlverbesserer“ im Gegensatz zu Backmitteln vollständig von
der Deklaration befreit sind.
Momentan lohnt sich die Entwicklung maßgeschneiderter Mehle aber nur bei großen Absatzmengen, sodass die „kleinen“ Bäcker den Backmittelfirmen als Kunden erhalten bleiben. Dennoch dürfte dieser Trend für
die Backmittelindustrie eine schmerzliche Einbuße bedeuten, nehmen ihnen die Mühlen doch das lukrative
Geschäft mit den Großkunden ab.
Streich Honig auf deine Wunden
Lord A: Sweet healing. New Scientist 2000/H. 2259/S.
32-35
Die Heilwirkungen des Honigs sind seit alters bekannt. Schon die alten Ägypter behandelten damit eiternde Wunden, während er bei uns fast nur für Halsentzündungen verwendet wird. Seit wir Antibiotika besitzen, sind die hervorragenden Eigenschaften des Honigs
in Vergessenheit geraten. Doch einige Studien aus
jüngster Zeit belegen, dass Honig sogar hartnäckige und
entzündete Wunden heilen kann, die mit antibiotikaresistenten Keimen infiziert sind.
Zur Heilwirkung des Honigs tragen verschiedene
Stoffe bei. So findet man in fast allen Honigarten das Enzym Glucoseoxidase. Aktiviert durch die Plasmaflüssigkeit in der nässenden Wunde beginnt das Enzym aus
Glucose Gluconsäure und Wasserstoffperoxid herzustellen. Wasserstoffperoxid wird auch in der Schulmedizin angewendet. Es wirkt antibiotisch gegen verschiedenste Erreger, schädigt aber auch das gesunde Gewebe. Im Honig liegt es in so geringen Konzentrationen
vor, dass es der Haut nicht schadet. Dafür wird es durch
die Glucoseoxidase ständig nachgebildet. Das Wasserstoffperoxid aktiviert an der Wunde außerdem körpereigene Enzyme, die zerstörtes Gewebe entfernen.
Aber Honig ist nicht gleich Honig. Je nachdem auf
welchen Pflanzen der Nektar gesammelt wurde, sind
seine Heilwirkungen unterschiedlich. Als besonders effektiv erwiesen sich Honige aus dem Nektar von Pflanzen aus der Familie der Myrtengewächse. In ihrer australisch-neuseeländischen Heimat heißen sie Manuka
(Leptospermum scoparium) bzw. Jelly bush (L. laevigatum und L. polygalifolium) Die entscheidenden Wirkstoffe wurden noch nicht identifiziert. Man weiß aber,
dass der Wirkstoff des Manukahonigs wasserlöslich ist,
das kranke Gewebe tief durchdringt, bei verschiedensten pH-Werten arbeitet und kein Enzym zur Aktivierung
braucht. Der Jelly-bush-Honig vermag das Immunsystem zu aktivieren. Er regt die Monozytenbildung an, die
das Wachstum von Hautzellen stimulieren, sodass sich
die Wunde schneller schließt. Monozyten reifen zu Makrophagen, die Mikroben und totes Gewebe beseitigen.
Weitere Anwendungsgebiete für die antibiotischen
Honige deuten sich an. So wurde beobachtet, dass
Manukahonig, auf nüchternen Magen verzehrt, Helicobacter pylori vertreibt, der für Magengeschwüre und Magenkrebs verantwortlich gemacht wird. In Osteuropa
behandelt man bereits chronische Bronchitiden mit Honigaerosolen. Und im Labor kann Manukahonig dem
antibiotikaresistenten Keim Burkholderia cepacia Einhalt gebieten, der vielen Mukoviszidosepatienten das
Leben schwer macht.
Anmerkung: Bevor Sie jetzt Ihren Honigtopf in die
Hausapotheke stellen: Die meisten handelsüblichen
Honige sind pasteurisiert, wodurch die Glucoseoxidase
zerstört wird. Nicht zerstört werden dadurch jedoch Sporen von Clostridium botulinum, dem Erreger des Botulismus, den man sich besser nicht in eine offene Wunde
schmiert.
Falsch gewickelt
Myers JH et al: Eradication revisited: dealing with exotic
species. Trends in Ecology and Evolution 2000/15/S.
316-320
Hört und liest man die regelmäßig erscheinenden
Schreckensmeldungen vom weltweiten Artensterben,
könnte man glauben, das Ausrotten von Tierarten sei
ganz einfach. Doch gezielte Versuche, sich unerwünschter, meist eingeschleppter Spezies zu entledigen, sind bislang meist gescheitert.
Diese Erfahrung musste man auch in British Columbia, Kanada, bei der Bekämpfung des Apfelwicklers
(Cydia pomonella) machen. Der Apfelwickler stammt ursprünglich aus Europa, schädigt aber mittlerweile die
Apfelanbauer weltweit. Ein in den 70er Jahren durchgeführtes Pilotprojekt baute auf die umweltschonende
massenhafte Freisetzung sterilisierter Apfelwicklermännchen. Damit sollte die Zahl der befruchteten Weibchen so weit wie möglich gesenkt werden.
Die Kosten der biologischen Bekämpfung lagen mit
225 Dollar pro Jahr und Hektar zwar weit höher als die
von 95 Dollar für die Bekämpfung mit Insektiziden, doch
von Ausrottung keine Spur. Die sterilen Männchen
konnten mit ihren wilden Konkurrenten einfach nicht mithalten. Deshalb spritzten die Forscher vor der Freisetzung Gift, um die wilden Apfelwicklermännchen schon
einmal zu dezimieren. Dadurch stiegen zwar Zeitaufwand und Kosten, nicht jedoch die Erfolgsquote. Mittlerweile gehen die Apfelanbauer wieder zu Pheromonfallen und Insektiziden über. Von „Ausrottung“ ist nicht
mehr die Rede.
becel pro-activ: ausgeschmiert
Mohn liefert Morphin
Neu auf dem Markt ist becel pro-activ, eine mit Phytosterinen angereicherte Halbfettmargarine. Die cholesterinähnlichen pflanzlichen Verbindungen sollen die Absorption von Nahrungscholesterin und damit erhöhte
Cholesterinspiegel senken. Nach Angaben des arzneitelegramms konnte ein herzschützender Effekt bisher
weder mit Medikamenten, die das Phytosterin ßSitosterin enthielten, noch in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen werden. Das arznei-telegramm rät
vom Verzehr aufgrund der dürftigen Datenlage eher ab.
(arznei-telegramm 2001/32/S.14)
Nicht nur der Konsum von Heroin, sondern auch der
Genuss von Mohnkuchen kann Ursache sein, wenn
Morphin im Urin nachgewiesen wird. Zu diesem Ergebnis kamen ungarische Forscher nach einem Mohnkuchen- Probeessen. Allerdings lagen die Morphinkonzentrationen im Urin nach dem Genuss von Mohnkuchen im Vergleich zu Heroinabhängigen sehr niedrig
(max. 0,35 µg/ml verglichen mit 2,1-40 µg/ml). Wer jedoch sonntags bei Mutters Mohnkuchen allzu kräftig zulangt, könnte bei einer abendlichen Polizeikontrolle schon
mal in ein schiefes Licht geraten. (Gesellschaft für
Technische und Forensische Chemie, Symposium vom
22.- 24.4.2000 in Mosbach (Baden))
Wenn der Appetit vergeht
Mit großen Versprechen wurde der Wirkstoff Sibutramin als Appetitzügler 1999 auf den Markt gebracht. Jetzt
zeichnet sich ab, dass er, ebenso wie alle anderen bisher bekannten appetitzügelnden Substanzen, nur so
lange wirkt, wie er eingenommen wird. Nach dem Absetzen steigt das Gewicht wieder mit dem bekannten JojoEffekt. Fünf Prozent aller Sibutramin-Anwender mussten die Therapie wegen Blutdruckanstieg ohnehin absetzen. (arznei-telegramm 2001/31/S.27).
Der Hunger bleibt
800 Millionen Menschen hungern weltweit. Mit den
neuen Zahlen zeigt die FAO, dass ihre bisherigen Maßnahmen zur Bekämpfung des Hungers kaum gefruchtet
haben. Auslöser für den Hunger sind neben Missernten
durch Naturkatastrophen immer wieder politische Konflikte und Bürgerkriege, die eine erfolgreiche Agrarwirtschaft in den betroffenen Ländern verhindern. Erfolgsbeispiele aus Thailand, Nigeria und Ghana zeigen, dass
nur dort, wo Regierungen sich aktiv an der Lösung des
Problems beteiligen, der Kampf gegen den Hunger erfolgreich geführt werden kann.(www.fao.org)
Schokoriegel als Kunstgalerie
Die Schweizer Schokoladenfabrik Ragusa pflegt ein
Mäzenatentum der besonderen Art: Kunstwerke von bekannten und weniger bekannte Künstlern werden auf
den Papieren von Schokoriegeln verewigt mit einer Exklusivauflage von maximal 20.000 Stück. Damit verspricht sich die Firma weniger den besonderen Werbeeffekt, sondern vielmehr „eine in die Tiefe gehende
Auseinandersetzung mit der Kunst“.(Tara 2000/612/S.27)
Stroh nicht nur für Wiederkäuer
Präparate aus Weizenstroh „bereichern“ immer mehr
Frühstücksdrinks, Milchprodukte oder Brot. Man erhöht
so den Ballaststoffanteil oder erzielt bestimmte
technologische Vorteile. Deklariert wird das Stroh zurzeit als Weizenfaser oder Ballaststoff aus Weizenfaser.
Nach Ansicht von Experten ist dies unzulässig, da Stroh
üblicherweise nicht verzehrt wird. Vielmehr sei das Produkt als nicht zugelassener Zusatzstoff oder als Novel
Food einzustufen. (Lebensmittelchemie 2000/54/S.75)
Aus dem Institut
Liebe Leserin, lieber Leser!
Kaum ein anderes Ereignis hat die Republik
im vergangenen Jahr so nachhaltig erschüttert wie die
BSE-Krise. Als Skandale kamen und Minister gingen,
liefen auch bei uns sämtliche Leitungen heiß. Ob Ra­
dio, Fernsehen oder Zeitungen, ob Landfrauen, Bau­
ern, Fleischer, Direktvermarkter oder Politiker - fast alle
klopften sie beim EU.L.E. an.
Dabei geriet der EU.L.E.N-SPIEGEL leider ins
Hintertreffen. Doch jetzt erscheint er. Endlich!
Wir bitten Sie um Verständnis für die Verzöge­
rung und sagen „Dankeschön, dass Sie so gedul­
dig gewartet haben“.
Ihr EU.L.E.N-SPIEGEL-Team
und der Vorstand des EU.L.E. e.V.
PS: Sie finden uns im Internet jetzt auch unter
www.das-eule.de
Nachgelesen: Impfen verbreitet MKS
Strohmaier K, Straub OC: Die Maul- und Klauenseuche Was ist nach Einstellung der Impfungen zu erwarten.
Tierärztliche Umschau 1995/50/S.147-152
„Aus der zeitlichen Korrelation von Impftermin und
Ausbruchsdatum ... mußten die Impfungen als häufigste Ursache für angesehen werden. Als zweithäufigste Ursache wurde das Entkommen des Virus aus
Impfstoffwerken ermittelt.“ Eine Untersuchung der Bundesanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen
ergab, dass die Maul- und Klauenseuche (MKS) häufig
etwa 3 Wochen nach der vorgeschriebenen Impfung
auftrat. Auch entkamen Viren aus Impfstoffwerken bzw.
Einrichtungen zur Impfstoffprüfung, obwohl keine Sicherheitsmängel beobachtet wurden. Die USA hatten
bereits eine Einfuhrsperre für impfende Länder
verhängt, „da sie erkannt hatten, dass die Einschleppungsgefahr der MKS aus Ländern, die impfen größer
ist als bei nichtimpfenden Ländern“. Als Reaktion untersagte die EG-Kommision die Impfungen. Trotzdem konzentriert Europa die Impfstoffproduktion vorsorglich auf
einige Zentren. Dabei sollen auch exotische Stämme
einbezogen werden. Das verstößt gegen die Empfehlungen des Internationalen Tierseuchenamtes. Unabhängig davon wird empfohlen, statt Impfung gegen
MKS die klassischen Maßnahmen zu optimieren, wie
das sofortige Schlachten betroffener Bestände.
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